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Watching your Footsteps

Seung-Hyun X Ji-Yong
von

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Baby, Good Night

Unbewusst rückte er näher an das Bett. Er wollte nicht glauben, was er gehört hatte.
 

"Ji-Yong, das kannst du nicht ernst meinen..." Er bewegte nur die Lippen, aber kein Ton kam heraus. Mit jeder Minute begann seine Psyche mehr zu bröckeln und er hatte große Angst, bald mit all dem hier einfach nicht mehr umgehen zu können, da er nicht wusste, wie. Abstand war wohl das Zauberwort, aber den hatte er nicht und wo sollte er ihn hernehmen. Immerhin ging es hier nicht um irgendeinen Kumpel, sondern um seinen besten Freund. Den Menschen, den er liebte.
 

"Hyung, vielleicht sollten wir..." Dae-Sung war von hinten an ihn herangetreten und hatte die Hand auf seine Schulter gelegt.
 

Ja, Ji-Yong alleine lassen. Wenigstens körperlich ein bisschen Abstand schaffen.
 

"Danke", murmelte er, aber auch das hörte man kaum.
 


 


 

"Der Schnitt sieht tiefer aus, als er ist. Ich kann Sie beruhigen, wir müssen das nicht nähen."
 

Der Arzt lächelte ein gemütliches, vertrauenerweckendes Lächeln, das in keinster Weise zeigte, wie sehr ihn die beiden verstörten Männer, die Arm in Arm in seine Praxis gekommen waren, durcheinander gebracht hatten. Der Arm des Jüngeren der beiden war mit Blut beschmiert gewesen, das von einer recht tiefen, aber ungefährlichen Schnittwunde herrührte. Während er die Verletzung untersuchte, hatte der andere den Arm um seinen Partienten gelegt und leise beruhigend auf ihn eingeredet. Er hatte von dem Gespräch nichts mitbekommen, aber es ging ihn auch nichts an. Das sollte es zumindest nicht, aber er musste sich eingestehen, dass seine Neugier geweckt worden war und er versuchte sich auszumalen, was hier passiert war. Das Einzige, was er mit Sicherheit wusste, war, dass der Schnitt von einer Rasierklinge herrührte.
 

Nun nahm er sich die neu angelegte Krankenakte, um sich ein paar Notizen zu machen und rief die Schwester, damit sie Seung-Ris Arm versorgen sollte.
 

Seung-Ri hatte den Kopf auf die Schulter seines älteren Freundes gelegt und ließ sich von ihm den Nacken kraulen. Was die Schwester mit seinem Arm anstellte, nahm er fast nicht wahr, nur als sie die Wunde mit Desinfektionsmittel auswusch, schreckte er kurz auf und zog die Luft zwischen den Zähnen ein. Dann schloss sie den Schnitt mit zwei Heftplastern, drückte eine Mullbinde mit Jodsalbe darauf und wickelte einen dünnen Verband darum. Sie sagte etwas, aber Seung-Ri hörte es kaum. Irgendetwas mit "waschen und wechseln", vielleicht würde Young-Bae sich das Gerede merken können, seine eigenen Gedanken verweilten immernoch in dem von Dampf efüllten Badezimmer ihrer Wohnung und er fragte sich, ob er nicht doch einen Fehler begangen hatte.
 

Young-Bae war sich nicht einmal sicher, ob der Jüngere ihm überhaupt zuhörte. Scheinbar lagen seine Gedanken an dem Ort, den sie hinter sich gelassen hatten und auch er selbst konnte die Sorge nicht ganz zurückdrängen. Er hoffte, dass Dae-Sung und Seung-Hyun es schaffen würden. Als Seung-Ri bei der Desinfektion aufschreckte, war ihm ein ähnlicher Schock durch die Glieder gefahren und er hatte seinen Griff um dessen Schulter noch einmal gefestigt.
 

Nachdem er den Anweisungen der Schwester so gut es ging gelauscht hatte, bedankte und verabschiedete er sich für sie beide. Seung-Ri sagte kein Wort.
 

Und auch auf der Taxifahrt gab er keinen Laut von sich.
 

"Könnten Sie da vorn anhalten? Wir steigen schon früher aus."
 

Erst als der Ältere diesen unerwarteten Wunsch äußerte, erwachte Seung-Ri wieder aus seinem Gedankengefängnis und betrachtete ihn argwöhnisch. Seine Hand packte dessen Arm.
 

"Hyung, wir sind doch noch gar nicht zu hause."
 

Young-Bae bedachte ihn mit einem sanften Blick.
 

"Ich weiß, aber ich möchte ein bisschen mit dir spazieren gehen."
 

Trotz des beruhigenden Tonfalls blieb der Jüngere skeptisch und fiel beim Laufen etwas hinter seinem Freund zurück, nachdem sie ausgestiegen waren. Von diesem Punkt aus würden sie fast eine viertel Stunde bis nach hause brauchen.
 

Ohne ein Gespräch zu führen vebrachten sie wenige Minuten, dann reichte es ihm und er ließ sich auf eine Bank am Wegesrand fallen.
 

"Jetzt sag schon."
 

Young-Bae wandte sich um und kam langsam auf ihn zu.
 

"Was?"
 

"Sag es schon. Du willst doch irgendwas mit mir besprechen."
 

Der Ältere lächelte schmerzlich. Er war durchschaut worden. Vorsichtig ließ er sich neben seinem süßen Freund nieder, welcher ihn nicht ansah und seinen verletzten Arm dicht an den Körper gepresst hielt. Es tat ihm weh, dies zu sehen und zusätzlich, die dünnen Narben an dessen Händen und der rote Striemen, der auf seiner Wange übrig geblieben war. Dies alles tat so weh.
 

"Hör zu, ich habe... eine Bitte."
 

"Bitte?"
 

"Ich möchte, dass du aus dem Apartment ausziehst."
 

Gespannte Stille.
 

Young-Baes Augen wanderten zum Gesicht seines Freundes und er beobachtete, wie dessen Züge allmählich entglitten.
 

Diese Bitte hätte er nicht vorhersehen können und niemals hätte er sie auch nur erwartet. Ausziehen? Er?
 

Seung-Ri schluckte schwer, während seine Finger sich in den Stoff seiner Jacke krallten. So viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf und keiner davon hatte etwas Gutes an sich.
 

"I-ich soll gehen?"
 

Bestürzt bemerkte der Ältere, wie sich ein hoffnungsloses Lächeln auf Seung-Ris Lippen abzuzeichnen begann. Sofort legte er ihm eine Hand fest auf die Schulter und zwang diesen, ihn anzusehen.
 

"Du darfst das nicht falsch verstehen. Ich will nicht, dass du gehst."
 

"Und warum bittest du mich dann darum?"
 

Sein Gegenüber schürzte in Erklärungsnot die Lippen und mit dieser Geste bestätigte sich seine Vermutung.
 

"Ich weiß schon...weil ich schlecht für Ji-Yong bin, weil ich-"
 

"Nein! Das ist nicht der Grund, bitte glaub mir."
 

"Und worum geht es dann?!"
 

Seung-Ri riss sich von seinem Freund los und erhob sich. Seine Augen blickten verbissen und furchtsam auf den Älteren herab.
 

Auch Young-Bae stand auf, versuchte wieder seinen Arm um die Schultern des Jüngeren zu legen, aber dieser wehrte sich gegen die Berührung.
 

"Hör zu..." Er stockte und seine Augen suchten unruhig nach einem Punkt, an dem sie sich festhalten konnten. "Ich möchte einfach nicht, dass du wieder verletzt wirst."
 

Für einen Moment wich alle Ablehnung aus Seung-Ris Blick und wurde durch Verwunderung ersetzt, aber es hielt nicht lange genug an, dass Young-Bae weitere Erklärungen anfügen konnte. Trotzig verschränkte der Jüngere die Arme vor der Brust, wobei er den Schmerz, der ihn durchflammte, ignorierte, als er gegen die Wunde stieß und starrte zur Straße.
 

Young-Bae konnte sagen was er wollte, er würde sicher nicht ausziehen. Selbst wenn er dabei noch Tausende Male verletzt werden würde, es war seine verdammte Pflicht bei seinen Freunden zu bleiben und alles in seiner Macht stehende zu tun, um ihnen zu helfen. Vor allem, um Ji-Yong zu helfen. Er trug schon jetzt genug Schuldgefühle mit sich herum, eine Flucht - denn genau das würde es sein - könnte das alles niemals besser machen, würde ihn nur in den Wahnsinn treiben.
 

"Ich sehe doch, dass es dir dort nicht gut geht", setzte Young-Bae schließlich erneut an, "Glaubst du mir denn nicht, dass ich dir nur helfen will?"
 

Seung-Ri presste die Lippen aufeinander und blickte immer noch in die andere Richtung, während den Älteren langsam die Hilflosigkeit überkam. Er hatte nur dem Bedürfnis nachgegeben, den geliebten Menschen schützen zu wollen und damit alles noch unerträglicher gemacht. Seung-Ri war sauer auf ihn und natürlich konnte er es auch nachvollziehen. Er hätte es noch vorsichtiger angehen müssen, doch nun war es dafür zu spät. Er konnte nur noch retten, was noch zu retten war.
 

Aber er wusste nicht, wie.
 

"Seung-Riya, bitte sag doch was..."
 

"Ich ziehe nicht aus!" Es war nur gemurmelt, aber es war eine Antwort und Young-Bae fühlte ein wenig Erleichterung in sich.
 

Tief Luft holend versuchte er neue Worte zu finden, die besser waren, als die Alten. Der Jüngere hatte seine Entscheidung getroffen und er konnte ihn nicht zwingen, zu gehen. Dies war auch nicht sein Wille. Nach einem neuen Ansatz suchend kratzte Young-Bae sich am Kopf und bemerkte dabei nicht, wie Seung-Ri sich ihm wieder leicht zuwandte und ihn beobachtete.
 

Er bemerkte, wie verzeifelt ernst es dem Älteren war, aber das konnte dieser nicht von ihm verlangen. Und außerdem wollte er nicht von Young-Bae getrennt sein.
 

"Du verstehst es doch, oder?", fragte er kleinlaut und sah ihn mit etwas Hoffnung an. Sein Gegenüber blickte auf und nickte schwermütig.
 

"Natürlich...er ist dein großer Bruder. Das weiß ich doch."
 

"Genau."
 

"Na gut, darf ich dich dann um einen Gefallen bitten?"
 

Erwartung sprach aus dem Gesicht des Jüngeren.
 

"Bitte versprich mir, dass du nicht mehr zu Ji-Yong gehen wirst. Ich weiß, du willst ihm helfen, aber er darf dir nicht weh tun. Wenn etwas sein sollte, halte dich von ihm fern und ruf uns. Lass dich nicht wieder ganz allein mit ihm ein. Und geh nicht in unser Zimmer.
 

"Aber Hyung-"
 

"Ich bitte dich inständig. Wenn du willst auch auf den Knien."
 

Seung-Ri blickte zweifelnd und Young-Bae spürte, dass dieser ihm ein solches Versprechen nicht geben wollte. Obwohl es doch so wichtig für ihn war. Langsam ging er auf seinen Freund zu und legte ihm eine Hand auf die Wange. Es gab noch einen anderen Grund, aus dem es wichtig war, dass er sich fernhielt.
 

"Wenn du es nicht für dich tun willst, tu es für Ji-Yong."
 

"Wie meinst du das?"
 

"Immer, wenn er dir weh tut, passiert dies in einem Moment, in dem er nicht zurechnungsfähig ist, aber...das wird er nie als Entschuldigung für sein Verhalten akzeptieren. Er wird sich wieder daran erinnern, was er getan hat und dann wirst du ihm tausend Mal verzeihen können, er wird sich selbst nicht verzeihen. Er wird sich für immer schuldig fühlen und dir nie wieder in die Augen sehen.
 

Willst du das?"
 

Die letzten Worte trafen Seung-Ri wie ein Schlag in die Magengrube und er verstand, wie egoistisch sein Wunsch gewesen war. In diesem Moment war er seinem Freund unglaublich dankbar, dass dieser sich einen gewissen Abstand und somit einen Überblick über ihre Situation bewahrt hatte.
 

Er senkte den Kopf und trat einen kleinen Schritt auf Young-Bae zu, legte die Hand auf seine Brust.
 

"Du hast recht...", flüsterte er schließlich, woraufhin der Ältere ihn noch enger an sich zog.
 

Young-Bae spürte Erleichterung darüber, dass sein Freund scheinbar eingesehen hatte, was ihm so wichtig war und dass sie dem Streit entgangen waren, den er schon am Horizont hatte wüten sehen, während Seung-Ri seinerseits immer noch versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
 

Es fiel ihm schwer, alles aus angemessener Entfernung zu betrachten, er steckte mit vollem Herzen in diesen Schwierigkeiten und er wollte seinem großen Bruder unbedingt helfen. Aber Young-Bae hatte natürlich recht: am meisten würde es Ji-Yong helfen, wenn er ihm nicht zu nahe käme. Die Erkenntnis schmerzte, aber sie nahm auf eine gewisse Weise auch eine Last von ihm.
 

Tränen standen ihm in den Augen, doch Seung-Ri versuchte sie hinunterzuschlucken. Versuchte sie zu verstecken, indem er sein Gesicht in das Oberteil des Freundes grub. Die Nähe zu Young-Bae half ihm, sich wieder zu beruhigen, Fassung zu bewahren, auch wenn er sich fühlte, als könnte er jeden Moment zusammenbrechen.
 

Da nicht viele Menschen in dieser Gegend zu Gange waren, wagte Young-Bae es, nachdem er spürte, wie sich sein süßer Freund wieder beruhigt hatte, diesen lang und innig zu küssen, bevor sie sich auf den Heimweg machten.
 

Es tat wirklich gut, völlig in Ruhe nebeneinander herzugehen und etwas Luft zwischen sich und ihre Sorgen zu bringen. Nur auf diesem Wege konnte er wieder Kraft schöpfen und Seung-Ri etwas vertrauen in sich selbst.
 

"Wenn wir zu hause sind, bastele ich dir eine Schlinge für deinen Arm."
 

Der Jüngere hielt den Arm mit der Schnittwunde weiterhin an sich gepresst, da er schmerzlich
 

pochte, wenn er locker ließ. Deshalb nickte er auch mehr als dankbar auf das Angebot hin und ließ sich von Young-Bae sanft durchs Haar streicheln.
 


 


 

Wieder am Apartment angekommen betrat der Ältere als Erster den Flur und lauschte. Es war nichts zu hören. Kein Schreien, kein Wimmern, kein Weinen.
 

Erleichtert winkte er Seung-Ri herein und streifte sich die Schuhe von den Füßen.
 

"Hyung, ihr seid wieder da. Was hat der Arzt gesagt?"
 

Young-Bae sprang beinahe einen halben Meter in die Höhe vor Schreck. Dae-Sung war unangekündigt hinter ihm aus ihrem Zimmer getreten. Schnell atmend wandte er sich ihm zu.
 

"Erschreck mich nicht so."
 

"Oh...tschuldige. Aber was ist denn nun?"
 

"Es ist OK. Der Schnitt musste nicht genäht werden.", antwortete Seung-Ri nun endlich einmal wieder für sich selbst und fühlte sich sogleich ein bisschen besser. Young-Bae betrachtete ihn lächelnd von der Seite, aber ihnen blieb nicht viel Zeit, das Gespräch über den Arztbesuch zu vertiefen. Seung-Hyun tauchte hinter Dae-Sung auf und bat sie, in die Küche zu kommen.
 

Langsam aber sicher hatten sie alle das Gefühl, dies wäre ihr Krisenzentrum.
 

Nach einem kurzen Bericht über den Besuch beim Arzt wollten aber auch die beiden Heimgekehrten ihre Sorge kund tun und fragten nach Ji-Yongs Zustand. Seung-Hyun musste daraufhin seufzen.
 

"Er hat sich beruhigt und ist nicht noch mal ausgeflippt."
 

"Aber, das ist doch gut.", meinte ihr Jüngster kleinlaut und ohne jemanden anzusehen.
 

In diesem Moment überlegte sich Seung-Hyun sehr genau, wie er antworten sollte. Ein falsches Wort und er würde eine weitere Katastrophe heraufbeschwören.
 

"Ja, das ist gut. Aber diese Sache mit der Rasierklinge...das lässt mir keine Ruhe."
 

"Hat er sich verletzt?", fragte Young-Bae, aber zu seiner Erleichterung schüttelten Dae-Sung und Seung-Hyun gemeinsam den Kopf.
 

"Es ist etwas anderes. Er wollte sich nicht einfach nur schneiden...er..." Er konnte nicht aussprechen, was er vermutete. Dies alles ging einfach über seine Begreifen hinaus und so verstummte er. Dae-Sung ergriff stattdessen das Wort.
 

"Seung-Hyun Hyung hat auf Ji-Yongs Oberschenkel ein...Mal entdeckt."
 

"Ein Mal? Wie?"
 

"Wir vermuten dass es ein...Knutschfleck ist."
 

"Ein... aber oh Gott, das ist schrecklich! Seid ihr euch sicher? Und ihr meint dass... mit der Rasierklinge..." Seung-Ri stocke. Die Vorstellung, die sich noch während er sprach in seinem Kopf festsetzte, war einfach zu grauenhaft.
 

"Kein Wunder, dass er es... entfernen wollte..." Auch Young-Bae war von dem Gedanken sichtlich schockiert. "Es ist schwer zu begreifen, aber vielleicht doch nicht so schwer, wie man im ersten Moment denkt." Young-Bae schüttelte den Kopf. Langsam und ohne eine bestimmte Absicht.
 

"Und Seung-Ri...", ergriff Seung-Hyun wieder das Wort. Er wartete, bis der Jüngste den Kopf hob und ihn ansah, ehe er weitersprach. "Danke, dass du eingegriffen hast. Ansonsten wäre... ansonsten..." Er konnte nicht mehr weitersprechen, aber sein Gegenüber wusste, was gemeint war und ein dankbarer Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es tat gut, dies auch von Seung-Hyun zu hören. Er hatte ein wenig Angst davor gehabt, wieder Vorwürfe von dem Älteren hören zu müssen und er war froh, dass er sich diese Sorgen umsonst gemacht hatte.
 

Einige Minuten herrschte Stille in der kleinen Küche, dann meldete sich Dae-Sung wieder zu Wort.
 

"Und wie wollen wir jetzt weitermachen? Ich meine... es ist schlimm, das zu sagen, aber das wird sicher nicht das letzte Mal bleiben, dass Ji-Yong ausgerastet ist."
 

In allen Augenpaaren war zu erkennen, dass sie das wussten, aber auch die Hilflosigkeit und die Angst davor, mit ihrem Freund nicht richtig umgehen zu können.
 

"Wir müssen aufpassen", sagte Seung-Hyun, "Wir müssen aufpassen, dass so etwas wie heute nicht noch einmal passiert. Wir dürfen Ji-Yong nicht bedrängen, aber es ist wichtig, dass wir ein Auge auf ihn haben, damit er sich nicht wieder verletzt. Das könnte ich mir nie verzeihen und ich weiß, dass es euch da nicht anders geht."
 

Die anderen nickten zustimmend.
 

"Und sollte jemand etwas bemerken..." Seung-Hyun machte eine kleine Pause und atmete tief durch. "Bitte sagt mir bescheid, bevor ihr selbst etwas tut. Ich möchte nicht vermessen klingen, aber ich denke, ich bin der Einzige, der noch irgendwie Zugang zu Ji-Yong hat."
 

"Aber Hyung, willst du diese Last wirklich ganz alleine tragen?!"
 

"Ich muss. Allein schon für mein Gewissen muss ich es tun."
 

Wieder trat Schweigen zwischen sie. Sie wussten, dass Seung-Hyun alles tat, was in seiner Macht stand, um Ji-Yong zu helfen und jeder von ihnen machte sich Vorwürfe, scheinbar zu nichts fähig zu sein. Zu nichts, außer daneben zu stehen und zu zu sehen, wie das Leben beider langsam kaputt ging.
 

Aber Seung-Ri war anderer Meinung. Er hatte etwas tun können und Seung-Hyun war ihm dankbar gewesen. Also musste es einen Sinn haben, dass sie hier mit ihm zusammen waren. Er konnte ihm helfen. Sie konnten ihm zusammen helfen. Wenn schon nicht Ji-Yong, dann doch zumindest ihrem Ältesten. Um diesem weiterhin Kraft zu geben.
 

Die Beine seines Stuhls kratzen über den gefliesten Boden, als der Jüngste sich erhob. Aller Augen erhoben sich mit ihm und starrten ihn verwirrt und erwartungsvoll an. Seung-Ris Gesicht wirkte entschlossen.
 

"Hyung!", sprach er mit fester Stimme und verbeugte sich leicht, während er sie Arme an seine Seiten presste, "Ich werde dich unterstützen. Du kannst dich voll und ganz auf mich verlassen."
 

Seung-Hyuns Augen, und nicht nur die seinen, weiteten sich in Überraschung, über dieses so offiziell gestaltete Versprechen, welches ihm die Sprache verschlug. Da niemand etwas sagte, begann ihre Situation langsam peinlich zu werden, aber er wusste einfach nicht, was er erwiedern sollte. Da erhob sich plötzlich Dae-Sung und verbeugte sich auf die selbe Weise.
 

"Ich schließe mich dem an. Meine Unterstützung hast du auch."
 

Er konnte doch nicht ihrem Jüngsten alles überlassen. Seung-Ri hatte Recht. Zumindest soviel konnten sie tun.
 

Seung-Hyuns Augen wanderten hilflos zu Young-Bae, doch dieser grinste ihn nur an und tat es den anderen beiden gleich.
 

"Und meine hast du auch."
 

Der Älteste war leicht überrumpelt. Seine drei Freunde in Verbeugung vor sich zu sehen, war ihm unangenehm. So etwas hatte er noch nie erlebt. Jetzt hatte er wirklich das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Er wusste nicht, ob es die richtigen Worte waren, aber er würde sie aussprechen und ihnen allen versichern, dass er ihnen dankbar war.
 

"Ich danke euch. Ohne euch würde ich das sicher nicht schaffen."
 

Er streckte den Dreien seine Hand entgegen, woraufhin sie sich wieder aufrichteten und die ihrigen hinein legten. Es wirkte fast wie eine Zeremonie.
 

"Gut", sprach Seung-Hyun, "Hiermit starten wir das Projekt: 'Save-GDragon'!"
 


 


 

Die nächsten paar Tage verliefen unerwartet ruhig, wenn auch immer noch der dunkle Schatten der Geschehnisse auf ihnen lastete und er sich an manchen Stellen deutlich verdunkelte. Doch die erwartete Katastrophe brach nicht über sie herein.
 

Seung-Hyun und Young-Bae hatten sich aus dem gemeinsamen Zimmer ausquartiert und obwohl Seung-Ri angeboten hatte, den Freund bei sich aufzunehmen, hatte dieser es ausgeschlagen und schlief nun mit dem Ältesten im Wohnzimmer. Seung-Ri war nicht böse gewesen, er hatte die Entscheidung gut nachvollziehen können. Auch wenn er sich in der Nähe Young-Baes sicher wohler gefühlt hätte, wusste er, dass es Seung-Hyun nicht gut tun würde, ganz allein auf der Couch zu schlafen.
 

Als Seung-Hyun am ersten Morgen nach Ji-Yongs Entlassung aus dem Krankenhaus das Zimmer betrat, um nach ihm zu sehen und ihm das Frühstück hinzustellen, war das Bett erneut leer und er bemerkte, dass der Jüngere sich wieder unter dem Schreibtisch versteckt hatte. Er stellte das Tablett mit einer großen Tasse Kakao und einer Schüssel Cornflakes neben dem zerwühlten Bett ab und hockte sich in angemessenem Abstand Ji-Yong gegenüber auf den Boden.
 

Erst jetzt konnte er seinem Freund tatsächlich ins Gesicht sehen. Es war so ausgezehrt, dass er ihn fast nicht erkannt hätte. Die Augen blickten noch immer stumpf und unter ihnen hatten sich große, dunkle Ringe gebildet. Ji-Yongs Hand, die über der Decke lag, in die er sich eingewickelt hatte, fummelte unruhig an dem Stoff herum und sein Kopf schien zu schwanken ohne sich tatsächlich zu bewegen. Ji-Yong wirkte, als hätte er die gesamte Nacht nicht geschlafen und es war erschreckend, dass dieser Gedanke gar nicht so abwegig war. Seung-Hyun wollte sich gar nicht vorstellen, was für Albträume den Jüngeren plagten, sobald er die Augen schloss.
 

"Ji-Yonga...?" Seung-Hyun erhielt keine Antwort und er entschied fürs Erste, den Freund auch nicht weiter zu bedrängen. "Ich habe dir etas zu Essen gemacht, wenn du möchtest." Er blieb noch eine Weile hocken und wartete, ob doch noch eine Reaktion käme, aber vergeblich. Es würde noch Zeit kosten, viel Zeit.
 

In regelmäßigen Abständen kontrollierte der Älteste den Zustand Ji-Yongs, versuchte sanft doch erfolglos mit ihm zu sprechen. U nur dass die Anderen ihn jedes Mal wieder auffingen, hielt ihn davon ab, in einem schwarzen Loch der Depression zu versinken. Seine Freunde gaben ihm Kraft und er versuchte so oft es ging, diese an Ji-Yong weiterzugeben.
 

Und als Ji-Yong am zweiten Tag tatsächlich etwas von dem Frühstück zu sich nahm, dass Seung-Hyun ihm brachte, war es für alle fast wie ein Lottogewinn.
 

Jedes Mal, wenn der Ältere ihn besuchte, spürte Ji-Yong sein schlechtes Gewissen irgendwo tief in sich. Es sagte ihm, er sollte endlich auf die Bemühungen antworten. Dankbar sein.
 

Aber es reichte nicht aus, um seine Angst und Scham zu verdrängen. Er wich den Blicken seines Freundes aus, reagierte nicht auf dessen Worte. So liebevoll und stärkend sie auch waren.
 

Die einzige Möglichkeit, um sich zu bedanken, sah er darin, ein paar Löffel Cornflakes zu sich zu nehmen, welche dieser ihm gab. Etwas von dem zu essen, was Seung-Hyun ihm gemacht hatte. Es tat gut, er konnte es spüren.
 

Doch trotz dieses Erfolges änderte sich nichts. Sein einziges Ziel war, wach zu bleiben. Nicht dem Schlaf zu verfallen. Jedes Blinzeln konnte schreckliche Bilder heraufbeschwören.
 

Er hatte seit drei Tagen nicht mehr geschlafen und Seung-Hyun sah es ihm an, das wusste er.
 

Und als sich die Nacht auf sie niedersenkte und er seinen Freund wieder erfolglos zum letzten Mal an diesem Tag das Zimmer verlassen sah, blieb eine Sehnsucht in ihm. Seung-Hyun würde erst morgen wieder kommen. Erst morgen.
 

Die Dunkelheit im Raum machte ihm keine Angst. Die hinter seinen Augenlidern jedoch trieb ihn zum Wahnsinn. Ji-Yong begann seinen Kopf in einem langsamen Rhythmus gegen die Wand hinter dem Bett fallen zu lassen. Das Wachbleiben fiel immer schwerer.
 

Seine Augen waren so müde. Sie brannten, wollten sich schließen. Nicht einmal mehr seine Finger hatten die Kraft, sich noch weiter an der Decke festzuhalten.
 

Leise sang er vor sich hin, versuchte an nichts zu denken. Außer an Seung-Hyun, der ihn wieder besuchen kam. Ihm das Frühstück brachte. Lächelte. Lächelte ohne angewidert zu sein. Der ihm näher kam... ihn umarmte...zärtlich küsste...
 

Ji-Yongs Kopf fiel zur Seite, während sein Atem erflachte.
 

Der Schlaf hatte gewonnen.
 

Und nun begannen seine Träume.
 

Urplötzlich erwachte Seung-Hyun. Er benötigte einen Moment um sich zu orientieren.
 

Er war ihm Wohnzimmer auf der Couch.
 

Es war dunkel, mitten in der Nacht.
 

Ein Schrei hatte ihn geweckt.
 

Oder hatte er vielleicht nur geträumt?
 

Seung-Hyun rieb sich den Schlaf aus den Augen und versuchte, sich zu erinnern, Traum und Wirklichkeit auseinanderzuhalten. Aber das war nicht nötig, denn kurz darauf drang ein neuer Schrei an seine Ohren. Er war nicht sehr laut, aber laut genug um Besorgnis in ihm auszulösen und er erkannte diese Stimme. Es war Ji-Yong, der schrie.
 

Mit wild klopfendem Herzen schlug Seung-Hyun die Bettdecke zur Seite und hastete in das vormals gemeinsame Zimmer. Es war dunkel, aber langsam gewöhnten sich seine Augen daran und er konnte die Umrisse seines Freundes sehen, der sich unruhig in seinem Bett hin und her wälzte und dabei ein mitleiderregenden Wimmern von sich gab.
 

Ihn musste doch irgendwann die Müdigkeit überkommen haben und er war eingeschlafen. Und nun quälten ihn die Erinnerungen oder vielleicht noch viel schlimmere Visionen. Seung-Hyun konnte es nicht wissen, aber er wollte Ji-Yong aufwecken, um ihm diese Tortur zu ersparen.
 

Er wollte den Freund schütteln, damit er aus seinen Albträumen erwachte, aber er wagte es kaum, nah an dessen Bett zu treten.
 

"Ji-Yong, wach auf." Er wollte es rufen, damit er wirklich zu dem Schlafenden durchdringen konnte, aber es kam nur ein heiseres Flüstern aus seiner Kehle. Kurz schloss er die Augen, dann wiederholte er seine Worte.
 

"Ji-Yong, du musst aufwachen, Ji-Yonga, hörst du mich?!"
 

Seung-Hun trat nun doch näher an das Bett, ließ sich daneben in die Hocke sinken und berührte Ji-Yongs Arm. Erst jetzt sah er die Schweißtropfen auf dem ängslich verzerrten Gesicht glänzen. Er rüttelte leicht an seinem Freund, beschwor ihn aufzuwachen. Als er bemerkte, dass seine Bemühungen endlich fruchteten, dass Ji-Yongs Bewegungen ruhiger wurden und das Stöhnen leiser, zog er seine Hand sofort zurück.
 

"Was... wo... Was ist passiert..?"
 

Ji-Yongs Stimme war leiste und brüchig, aber Seung-Hyun hatte sie so lang schon nicht mehr gehört, dass die Worte ihm einen Schauer über den Rücken jagten.
 

"Es ist alles gut", versuchte er den Freund zu beruhigen, "Du hattest einen Alptraum, aber jetzt ist alles gut."
 

Seung-Hyuns zärtliche Worte erreichten sein Ohr und der Jüngere erkannte dessen sorgenvolles Gesicht durch die Dunkelheit. Noch immer rann ihm der Schweiß die Stirn herunter und er atmete schnell.
 

Sein Freund hatte recht. Er hatten einen Albtraum gehabt. Und es schien ihm, als wäre er noch nicht vergangen. Er war eingeschlafen, ohne dass er es bemerkt hatte. Mit Schrecken stellte er fest, dass es keinen Schutz vor der Erschöpfung gab. Er würde wieder und wieder einnicken und spätestens dann, würde der gesamte Albtraum, der die Wirklichkeit war, zu ihm zurückkehren.
 

"Hyung...", flüsterte er heise und verzweifelt, "Hyung...Hyung..."
 

Seung-Hyuns Augen betrachteten Ji-Yong nervös. Tränen glänzten in den Seinen und sein Gesicht verzerrte sich ein weiteres Mal.
 

"Ja, ich bin hier. Ji-Yonga...", versuchte er ihn zu beschwichtigen. Seine Hand, mit der er den Jüngeren berührt hatte, lag noch immer auf der Matratze. Im nächsten Moment wurde sie ergriffen. Beide Hände Ji-Yongs umschlossen sie bebend. Weinend zog er sie näher an sich heran und lehnte die Stirn dagegen.
 

Der Ältere war durch den plötzlichen Körperkontakt völlig entgeistert, doch er ging nicht soweit, näher zu rücken.
 

"Ji-Yong..."
 

"Hyung, ich bin so müde...so schrecklich müde...."
 

Er spürte die Tränen eines geliebten Freundes auf der Haut und Seung-Hyun war zerrissen, zwischen der Freude darüber, dass Ji-Yong ihn berührte und mit ihm sprach und den Sorgen, aufgrund seiner Albträume. Es musste grauenvoll für ihn ein, die Augen zu schließen.
 

"Ji-Yong, ich bin hier, du kannst ruhig schlafen."
 

Der andere schüttete energich den Kopf und weinte nur weiter.
 

"Nein. Ich will das nicht sehen. Wenn schlafe, sehe ich es."
 

Nun war es Seung-Hyuns Griff um Ji-Yongs Hand, wecher sich festigte.
 

Was sollte er tun?
 

Wie konne er ihm helfen?
 

"Wenn ich hier bin, kann dir nichts passieren. Ich werde dich beschützen, das habe ich versprochen."
 

Einige Sekunden lang geschah nichts, doch er vernahm, wie sein Freund sich ein wenig beruhigte. Er wusste nicht, ob er es wagen konnte, doch seine andere Hand streckte sich Ji-Yongs Kopf entgegen und legte sich darauf nieder. Nicht einmal ein Zucken seinerseits. Unbehelligt konnte er beginnen, ihm durch das weiche Haar zu streichen.
 

"Hyung, bitte, bleib bei mir...", presste der Jüngere leise hervor.
 

Es war wie die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches und gleichzeitig war es unfassbar schmerzhaft, diese Worte von seinem Freund zu hören. Ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, schossen Seung-Hyun heiße Tränen in die Augen, die seine Sicht verschwimmen ließen.
 

Er nickte und wurde sich erst danach bewusst, dass es zu dunkel war, als dass Ji-Yong es hätte bemerkten können.
 

Mit aller Kraft versuchte er das verräterische Zittern aus seiner Stimme zu verbannen, als er antwortete.
 

"Natürlich bleibe ich bei dir, ich bleibe hier und beschütze dich vor allen bösen Träumen."
 

Ji-Yong schluchzte dankbar auf, und rutschte ein Stück näher an die Bettkante heran, näher zu Seung-Hyun, aber nicht so nah, dass er ihn berührte. Doch dessen Hand hielt er immer noch fest in den seinen an seine Stirn gepresst, die andere duldete er streichelnd in seinem Haar.
 

Seung-Hyun legte den Kopf auf die Matratze, sein Blick lag sanft auf seinem Freund, tastete dessen Gesicht durch die Dunkelheit hindurch ab und versuchte, nicht in Sorge und Glück zu ertrinken.
 

Er war froh, dass Ji-Yong mit ihm gesprochen, seine Berührung zugelassen hatte. Aber er würde ihn nicht in den Arm nehmen können, würde es nicht dürfen, wenn die Aufforderung nicht von dem anderen käme. Und dabei wollte er es doch so sehr.
 

Seung-Hyun schloss die Augen, lauschte dem Atem des anderen, der sich langsam beruhigte und sog seinen Geruch tief in sich ein. Ein leichtes Lächeln lag in dessen Mundwinkeln und Hoffnung flackerte in seinem Herzen auf. Er wollte glauben, dass diese Geste, diese erste Annährung das Zeichen dafür war, dass jetzt alles wieder besser werden konnte. Er wollte es so sehr glauben.
 

Noch eine Weile blieb er wach und horchte, bis er sich sicher sein konnte, dass Ji-Yong wirklich eingeschlafen war. Dann glitt auch er ins Land der Träume hinüber.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tai
2013-12-26T14:18:28+00:00 26.12.2013 15:18
Uhm endlich <3 Oh man Jiyong tut mir so leid ;A;... Ich hoffe er kann sich wenigstens ansatzweise von den Erlebnissen erholen...
Hyung ist so .. lieb zu ihm ;A;~ Es zerbricht mein Herz wie er ebenfalls darunter leidet.
*Zelt aufschlag* ICh warte dann mal hier. Ich bin gespannt wies weitergehte - echt mal ;A;!


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