Zum Inhalt der Seite

Hinter dem Spiegelbild

The world behind your face
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 2

Wo war ich? Ich konnte nichts sehen. Aber ich hörte Stimmen. Ein leises Wispern in meinen Ohren.

Ich öffnete die Augen und stand auf einer Wiese. Die Sonne leuchtete golden auf sie herab und ließ die unendliche Blumenpracht, die sich vor mir ausbreitete, erstrahlen. Die Stimmen kamen näher. Ich drehte mich um und sah sie.

>Mama!<,wollte ich schreien, doch ich brachte keinen Ton hervor. War das ein Traum? Wie konnte ich hier sein, bei ihr, sie war fort, im Himmel, für immer weg!

„ Natalie!“, hauchte sie und sah mich mit einem liebevollen Blick an. „Ich habe dich vermisst!“ Ich wollte ihr entgegenstürmen, mich ihr in die Arme werfen und rufen >Ja, ich habe dich auch vermisst! Ich bin so froh, Mama!<, doch in diesem Moment spürte ich, wie mich etwas zurückzog, wie eine große, unsichtbare Hand. >Natalie! Du kannst hier nicht hin! Du musst zurück!<, donnerte eine mächtige und über allemaßen schöne Stimme in meinem Kopf. Dann zog mich diese unsichtbare Hand zurück, zog mich ins Dunkel, während ich schrie >Nein! Lass mich zurück! Ich will zu ihr zurück!<. Dann durchfuhr mich ein blendend heller Blitz und ich war angekommen.
 

Biep!Biep!Biep! Ein monotones Piepen drang an mein Ohr, und als ich die Augen aufschlug, strahlte mir ein grelles Licht entgegen.

„ Herr Doktor, sie ist aufgewacht!“ Eine Stimme neben mir. Sie klang gestresst. Eine weiße Gestalt erschien über mir mit einer braunen Flamme auf dem Kopf. Nein! Ich fokussierte meinen Blick. Es war ein Arzt mit verstrubbelten, braunen Haaren. „Fräulein Whitelock? Können Sie mich hören?“,fragte der Arzt, laut und langsam.

„Was ist passiert?“, fragte ich. Langsam kam mein Denken zurück.

Der Arzt sah mich erleichtert an, dann wurde er wieder ernst und sagte: „ Sie sind in einem Krankenhaus. Jemand hat auf Sie mit einer Pistole geschossen. Man hat Sie mit einer Einschusswunde in der Brust im Wald gefunden. Sie haben wirklich unglaubliches Glück gehabt – die Kugel hat ihr Herz nur um Haaresbreite verfehlt!“

„Auf mich geschossen?“, fragte ich verwirrt. In meinem Kopf schwirrte es, ich konnte mich an nichts erinnern.

„Ja. Die Polizei versucht bereits, den Täter zu finden. Machen Sie sich keine Sorgen.“, sagte er. Dann warf er einen sorgenvollen Blick auf eine Liste in seiner Hand und sprach weiter. „ Ich bin wirklich überrascht, Fräulein Whitelock, dass Sie nach gerademal zwei Tagen aus dem Koma erwacht sind...Sie haben wirklich viel Blut verloren. Es war echtes Glück, dass sich zur Tatzeit jemand in der Nähe befand, der den Schuss gehört hat und Ihnen zu Hilfe kam!
 

Ich werde Sie jetzt aber besser allein lassen, Sie brauchen viel Ruhe, um wieder voll zu genesen! Die Schwester wird sich um Alles weitere kümmern. Gute Besserung!“

Während die Schwester um mich herum (und an mir)werkelte, versuchte ich angespannt, mich zu erinnern, was vorgefallen war.

„Bitte überanstrengen Sie sich nicht zu sehr mit dem Nachdenken! Sie sollten es fürs Erste ruhig angehen lassen!“, sagte die Schwester noch, als sie aus dem Zimmer ging.
 

In den nächsten Tagen blieb mein Gedächtnis weiterhin im Dunkeln, obwohl ich genug Zeit zum Nachdenken hatte, da ich keinen Besuch empfangen durfte. Ich lag auch allein auf meinem Zimmer in der Intensivstation, auch wenn ich beteuerte, ich fühle mich hervorragend, war der leitende Arzt der Meinung, es wäre besser, auf Nummer sicher zu gehen. Ich ließ mir täglich von der Schwester heimlich eine Zeitung zustecken (der Arzt verbot mir sogar, zu lesen und verordnete mir absolute Ruhe weil ich mich bloß nicht überanstrengen sollte). Das war der Ausschlag. Denn in der Tageszeitung vom 23. Februar stand ein großer Artikel:
 

SOHN DES LETZTEN BÜRGERMEISTERS ERMORDET!!!
 

Mit einem Mal war alles wieder da. Ich hatte es endlich geschafft, den Mann zu fangen, der Alles zerstört hatte. Ich hatte ihm Alles erzählt, die ganzen vergangenen zehn Jahre. Und am Ende...
 

Und dann bewegte sich mein Körper, der nicht mehr mir allein gehörte, von allein. Ich spürte nur noch, dass da etwas anderes war, etwas in mir, dass die Kontrolle übernommen hatte. War das mein anderes, wahnsinniges Ich? Ich sah plötzlich alles ganz klar, mein Blick nicht von Hass verschleiert. Das hier kam einer Nahtoderfahrung gleich – ich war außerhalb meines Körpers und sah mich den Abzug langsam, langsam drücken. >Nein!<, rief ich doch es blieb stumm. >Wenn du das tust,begehst du eine Todsünde! Dann tust du etwas Unverzeihliches!<

Doch es war zu spät. Ich konnte sehen, wie sich die Kugel in seine Brust bohrte und er langsam nach hinten kippte. Er lag da. Tot. Dann drehte sich mein Körper um und rannte. Ich spürte, wie ich hinter meinem Körper hergezogen wurde. Ich konnte meine eigenen, wahnsinnigen Augen sehen, aber nur als außenstehender Betrachter. Dann hob mein körperliches, wahnsinniges Ich die Waffe. Und schoss. Ich wurde in meinen Körper zurückgezogen und spürte nur noch, wie mir die kalte Waffe aus der Hand glitt und alles was ich noch hörte waren der dumpfe Schlag, der Pistole, die auf dem Boden aufschlug und ein gespenstisches, boshaftes Lachen in meinem Ohr.
 

Ich ließ die Zeitung fallen und würgte. Ich bekam keine Luft mehr. Die Schwester, die soeben im Begriff war, das Zimmer zu verlassen, fuhr herum und starrte mich entsetzt an. „Ms. Whitelock! Was haben sie?“ Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen auf und ab. Ich würgte aber es kam nichts. Ich würgte an dem, was ich getan hatte, denn es war zu viel für mich.

Der Traum, bevor ich aus dem Koma aufgewacht war, war echt gewesen! Ich war für einen Moment im Himmel gewesen, dann hatte GOTT mich zurückgeschickt. Aber wie war das möglich gewesen? Ich hatte einen Menschen getötet, ich hatte eines der zehn Gebote gebrochen! Dann flüsterte eine leise Stimme: >Keine Angst, Natalie! Das warst nicht du! Der Teufel hatte dich in seiner Hand! Ich gebe dir noch eine Chance, mir zu beweisen, dass du reinen Herzens bist! Erfülle deine Lebensaufgabe und dir wird verziehen werden!< „Ja!“, flüsterte ich erleichtert und bekam endlich wieder Luft. Tränen strömten mir über die Wangen. „Danke!“ „Ms. Whitelock? Was ist passiert? Geht es wieder?“, fragte die Schwester panisch. Ich lächelte sie an – ich strahlte geradezu und sagte: „ Ja, machen sie sich keine Sorgen!Ich war nur gerade so glücklich, dass es mir schlichtweg den Atem geraubt hat!“ Sie runzelte die Stirn und sah mich lange an. „Ich hole den Doktor!“ , murmelte sie schließlich.

Kurz darauf ließ man endlich die Polizei zu mir, damit ich meine Aussage machen konnte. Sie fragten mich, ob ich mich an den Mörder erinnern konnte. Also dachten sie auch, dass der Mörder von William Brandon mich angeschossen hätte. Ich erzählte ihnen, dass ich mich daran erinnern konnte, dass ich mich selbst erschossen hatte, doch die Polizisten sahen mich nur verdutzt an und sagten, dass das in diesem Winkel gar nicht möglich gewesen sein und dass man keine Waffe bei mir gefunden hätte.
 

Somit blieb der Mörder verschwunden. Ich änderte meinen Beruf und wurde Suchtpräventionshelferin und schrieb nebenbei auch noch diverse erfolgreiche Romane, unter anderem „Zwischen Wahnsinn und Vernunft“ und ich blieb die Cousine meiner Tochter.
 

Nach wie vor stellte sich mir eine Frage, deren Antwort ich bis heute nur vermuten kann:
 


 


 

WO IST DIE WAFFE,MIT DER ICH MICH ERSCHIEßEN WOLLTE?
 


 

...Nun, manche Dinge bleiben nun mal für immer ein Geheimnis!
 


 


 

THE END.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück