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Schlaflos

Der Albtraum endet nie...
von

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Sonnig, mit der Aussicht auf Zukunft

„Die Scheinwerfer sind noch nicht richtig. Die müssen noch ein wenig mehr gedämpft und ein Stück weiter nach innen gerichtet werden.“

„Alles klar.“

Kaoru war wieder einmal völlig in seinem Element, während er dafür sorgte, dass alles seine Richtigkeit hatte. Hier ging es schließlich um seine Schützlinge und einen ihrer ersten größeren Auftritte. Außerdem sollten die drei Jungs mit ihrer Sängerin ihm später nochmals beweisen, dass seine Entscheidung, sie unter seine Fittiche zu nehmen, die Richtige war und er es nicht bereuen musste. Kaoru glaubte an ihr Potenzial und vertraute fest ihrem Eifer, sich an die Spitze kämpfen zu wollen.

„Sind die Instrumente soweit fertig?“, fragte er in den Raum hinein und sah auf sein Klemmbrett mit der Liste, was alles zu tun war. Zumindest, was seinen Bereich anging. Das Drumherum lag im Zuständigkeitsbereich von Die und Toshiya. „In einer halben Stunde ist die Band da und dann will ich, dass wir bereits erste Proben und natürlich einen vernünftigen Soundcheck durchführen können.“

Die tauchte hinter einem Verstärker auf und grinste Kaoru an: „Hab alles überprüft. Instrumente sind Einsatzbereit. Deine Schäfchen sollen ruhig kommen.“

Kaoru nickte ihm anerkennend zu, hakte den Punkt auf seiner Liste ab und wandte sich dem nächsten zu, indem er in die Garderobe schlenderte. Eigentlich war es ja der Aufenthaltsraum für die Angestellten, aber an solchen Tagen wurde er eben umfunktioniert. Wie der komplette Laden.

Kyo warf immer mal wieder einen Blick zu der kleinen Bühne und erinnerte sich dabei jedes Mal an ihre eigenen ersten Auftritte. Bevor er allerdings wieder zu viel darüber nach denken konnte und es auch nicht wirklich wollte, wurde er von Nobu zum Tragen von Getränkekisten verschleppt. Kyo war froh, dass sich das Problem mit den Instrumenten ziemlich schnell erledigt hatte. Technisches Spielzeug war schon etwas Praktisches, wenn man die ganzen Regale einfach per Knopfdruck in die Wand einlassen und mit stabilen Glasscheiben verriegeln konnte. Nur das, was eben keinen Platz in einem der Regale hatte, musste extra verstaut werden. Was dann vorzugsweise die schweren Gerätschaften waren. Wie gut, dass Keisuke so stark war und vieles auch allein tragen konnte. Nur bei so manch sperrigem Zeug hatten sie ihm dann doch unter die Arme gegriffen. Bei der Gelegenheit hatte Kyo auch zum ersten Mal die Lagerräume unterhalb des Geschäfts gesehen und war von deren Größe so beeindruckt, dass er gar nicht mehr aus dem Staunen heraus kommen wollte. Seiner Meinung nach waren die fast größer, als der Laden selbst.

Jetzt hatten allerdings die Getränke Vorrang, denn ein Großteil musste in den Kühlschrank, den sie aufgestellt hatten. Haraide war an diesem Tag, trotz der Verletzung mit von der Partie. Er konnte und wollte einfach seine Kollegen und guten Freunde nicht im Stich lassen. Und irgendwas gab es bestimmt auch für ihn zu tun, bei den Vorbereitungen, wenn er nachher schon nur hinter der Kasse stand.

Nobu ging derweil seiner Lieblingsbeschäftigung nach und war unentwegt dabei Kyo voll zu texten und es gab kaum eine Minute in der er nicht sprach. Bis Toshiya dazwischen ging.

„Nobu-kun, lass unser Kyo-chan in Ruhe. Wenn du ihn so zu quatschst, wirst du erst Recht nichts aus ihm rauskriegen.“

„Toshiya“, grummelte der Kleinere, nachdem er das '-chan' gehört hatte. Wenn der Andere die Suffixe zumindest ausgetauscht hätte, aber nein. „Gibt es denn etwas, was wir machen können, wenn wir hier fertig sind?“ Am Besten einfach nicht weiter dran stören, denn das Grinsen im Gesicht, des Jüngeren, zeigte ihm nur, dass diesem dessen Missfallen weites gehend egal war.

Der Geschäftsinhaber fing an zu grübeln. „Hm... eigentlich gibt es nichts mehr, was noch zu erledigen wäre. Alles ist angeschlossen, sowohl auf der Bühne, als auch hier an der Theke. Sämtliche Instrumente, die heute Abend nicht verwendet werden, sind verstaut. Und um die Garderobe hinten hat Keisuke sich eben noch ausreichend gekümmert. Es fehlt so gesehen nur noch die Garderobe für die Gäste, aber das hat sich ja auch schnell erledigt. Wer war eigentlich noch gleich dafür eingeteilt?“

Mit einem strahlenden Grinsen meinte Nobu, dass er das übernommen hatte, womit auch diese Frage geklärt gewesen wäre. Wobei Kyo immer mehr das Gefühl hatte, dass der Kleine mit Daisuke verwandt war.

„Gut, dann ruht euch fürs Erste aus, wenn ihr hier fertig seid. Das wird heute Abend noch stressig genug.“

Kyo nickte und machte da weiter, wo sie vorhin unterbrochen worden waren. Anschließend wurden die Kisten, zwecks Leerguts, wieder unterm Tresen verstaut.

„Was hast du, Kyo-kun?“, fragte Nobu ein wenig besorgt, schien sein neuer Kollege doch ein wenig in seinen Gedanken versunken zu sein.

„Nun ja“, fing dieser an und suchte nach den richtigen Worten, „Ich frage mich schon die ganze Zeit... Dürfen wir hier überhaupt Getränke austeilen? Das ist schließlich ein Musikladen und keine Bar.“

Für einen Moment sah ihn das quirlige Etwas vollkommen verständnislos an, dann fing er schallend an zu lachen. „Der war gut. Der war wirklich gut.“ Er legte einen Arm um Kyos Schulter und machte sich mit ihm auf den Weg in die hinteren Räume, um sich dort auf das Sofa zu setzen. Noch etwas die Beine hoch legen, bevor sie die halbe Nacht stehen würden. „Natürlich dürfen wir das hier. Genauso wie das mit der Bühne und dem Konzert. Sonst würden wir doch solche Abende gar nicht erst veranstalten. Das hat alles schon so seine Richtigkeit.“

Der Ältere nickte, hatte er doch verstanden. War aber auch eine dumme Frage gewesen. Natürlich hatten seine Freunde dafür gesorgt, dass das alles hier seine Richtigkeit hatte. Allen voran Kaoru, der als Verantwortlicher für die Band, den meisten Mist abkriegen würde. Weswegen der auch schon früher immer gerne alles doppelt und dreifach und am besten mit einem Juristen in der Hinterhand abgesegnet hatte, nur um sicher zu gehen, dass alles in geregelten Bahnen verlief.
 

Am späten Abend war das Konzert im vollen Gange. Die Musik war laut, die Band fantastisch und die anwesenden Gäste in bester Stimmung. Kyo stand am Rande des Ganzen und fühlte sich in die Zeit vor 20 Jahren zurückversetzt. Er erinnerte sich an die schönen Ereignisse, das tolle Gefühl, welches man dort oben hatte und wie die Menschen zu einem aufgesehen hatten. Wie glücklich sie schienen, weil man für sie gespielt hatte. Wieder einmal verfluchte er sich dafür, damals so unüberlegt gehandelt zu haben. Dass er so dumm gewesen war, jemanden zu töten.

„Was ist los, Kyo?“

Selbiger zuckte zusammen, hatte er doch gar nicht bemerkt, wie Kaoru sich neben ihn gestellt und besorgt gemustert hatte.

„Worüber hast du nachgedacht?“ Dass sein Freund nämlich über etwas Trauriges nachgedacht hatte, hatte er an dessen Augen und dem Blick daraus ablesen können. Außerdem war ihm dieser Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes in den letzten Jahren viel zu häufig begegnet, als dass er ihn nicht erkennen würde. „Na komm, sag es mir.“

Kyo druckste herum. Wenn er sagen würde, an was er gerade gedacht hatte und dass er es vermisste, dann würde er Kaoru doch nur wieder Hoffnungen machen, dass sie Fünf es irgendwann selbst wieder auf eine Bühne bringen würden. Doch was, wenn das nie der Fall sein würde? Dann würde er sich auf ewig Vorwürfe machen, dass wusste er. Er spürte, wie ihn der Größere immer noch musterte und auf eine Antwort wartete. Seufzend wiegelte er noch mal das Pro und Contra ab, konnte sich jedoch immer noch nicht entscheiden.

Instinktiv fühlte Kaoru, was in dem Jüngeren vor sich ging. Wenn dieser nicht sofort antwortete, dann nur, weil er gut darüber nachdachte. Und wenn er nachdachte, dann ging es um etwas Ernstes und vor allem Persönliches. Dadurch wurde er zwar auch nicht viel schlauer, hatte er doch immer noch keine Ahnung, worum sich dessen Gedanken drehten, aber bohren würde er nicht. Schließlich würde er da ganz bald auf Granit beißen. Sollte er aber die flüchtigen Blicke und die Sehnsucht richtig deuten, die Kyo der Bühne zu wand, dann bekam er eine Ahnung von dem, was er wissen wollte. Um diese Ahnung zu verfestigen formulierte er die Frage nochmal anders.

„Auf der Bühne zu stehen ist schon was besonders, nicht?“

Für einen Moment sah Kyo verwirrt auf. Sah man ihm das so deutlich an? Zaghaft nickte er.

„Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man weiß, dass man es geschafft hat.“

Wieder ein Nicken. Kyo fühlte sich im Moment nicht wirklich fähig einen vernünftigen Satz heraus zu bringen. Dafür bekam er von Kaoru einen Arm um die Schulter gelegt und wurde anschließend freundschaftlich an diesen gedrückt. Irgendwie das heute alle. Heute morgen hatte Die das ebenfalls getan, als der Sänger zusammen mit Toshiya und Akio zu dessen Wohnung gefahren war, da Akio den Tag dort verbringen sollte. Im Laden hätte er immerhin nicht wirklich hilfreich sein können. Außerdem würden sie erst in den frühen Morgenstunden fertig sein. So lange sollte Akio nicht alleine sein dürfen. War so oder so ein Wunder gewesen, dass Toshiya ihn wieder bei sich haben durfte nach dem letzten Wochenende. Dafür hatte Toshiya aber auch noch mal ein ziemlich langes Telefonat mit seiner Ex-Frau gehabt. Aus diesem und auch ein paar anderen Gründen hatte sich Kyo in den letzten Tagen heimlich die Immobilienseiten in der Zeitung und dem Internet angesehen, immer auf der Suche nach einer passenden Wohnung. Bis jetzt hatte es erst eine einzige geschafft in die nähere Auswahl zu kommen. Nächste Woche wollte er sie sich auch gleich mal angucken.

„Kaoru, hör auf“, nuschelte er, als selbiger keine Anstalten machte ihn von sich aus wieder los zu lassen. Jedoch war er ihm nicht einmal wirklich böse, fühlte es sich doch gerade sehr angenehm und wohltuend an.

„Nein, werde ich nicht“, entgegnete der Gitarrist lächelnd. „Ich hab immer noch ein bisschen Angst, dass du dann einfach so wieder verschwindest.“

„So schnell wirst du mich schon nicht wieder los. Versprochen.“

„Gut.“

So standen sie noch eine gute weitere halbe Stunde da und genossen die Musik, während Kaoru, stolz wie Oskar persönlich, mit einer Flasche Bier in der Hand seine Lämmer beobachtete. Ja, seine Lämmer, denn bis die Vier da oben irgendwann mal erwachsen sein sollten, rein musikalisch und am Erfolg gemessen, würden sie noch einiges über sich ergehen lassen müssen. Außerdem war 'Dir en Grey' bisher seine einzigen 'Schäfchen'. Wenn er nun anfangen würde, andere Bands und ihre Mitglieder so zu nennen, würde er sich irgendwie so vorkommen, als würde er seine besten Freunde verraten. Ebenso den Wunsch wieder selbst zu spielen.

„Weißt du was, Kyo?“

„Hm?“

„Ich glaube, die kleine Miyazawa-san hat ein Auge auf dich geworfen.“ Mit einem breiten Grinsen stand Kaoru da, starrte auf die Bühne und nippte an seinem Bier. Sein Erstes an diesem Abend, wohlgemerkt. Und auch sein Einziges, schließlich musste er ja mitkriegen was dort oben vor sich ging.

Völlig verwirrt sah Kyo hoch zu seinem Kumpel. „Bitte, wer?“ Er meinte zwar, den Namen am heutigen Tag irgendwo schon mal gehört hätte, aber da konnte er sich natürlich auch irren.

„Na, Miyazawa Sachiko. Mensch, die Sängerin.“

„Ach so?“ Nun richtig durcheinander sah Kyo wieder zur Bühne und die junge Frau an, wie sie dort über die Bühne tanzte und kraftvoll ihre Zeilen sang. Schlecht sah sie nicht aus, mit ihrem braun-blond und eine gute Figur hatte sie, aber warum sollte die sich ausgerechnet für ihn interessieren? Das ergab keinen Sinn. Die war doch mit Sicherheit erst halb so alt wie er. Nein, er könnte sogar ihr Vater sein, wenn er sich nicht komplett blöde angestellt hätte. Womit er wieder bei den Gedanken von vor einer halben Stunde angekommen. Ein Seufzer seinerseits.

„Was? Sie ist hübsch. Und seit sie hier ist, wirft sie dir immer wieder verstohlene Blicke zu. Du wirst mir doch nicht allen ernstes sagen wollen, dass dir das noch nicht aufgefallen ist?“

„Ähm, doch?“

Lachend warf Kaoru den Kopf in den Nacken. Der Kleinere war wirklich herzallerliebst heute. Aber sollte Sachiko wirklich was für den ehemaligen Sänger übrig haben, wäre das gar nicht mal so verkehrt. Mit Sicherheit wäre es sogar mehr als nur hilfreich, denn es würde dem Jüngeren einen Weg aus seinem Schneckenhaus zeigen und ihm wieder Selbstbewusstsein geben. Was dieser schwer nötig hatte.



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