The Truth about Misty
Dear Ash,
Es ist mir noch nie so schwer gefallen, etwas in Worte zu fassen, wie jetzt. Ich hätte mir nie vorstellen können, diese Worte über meine Lippen zu bringen, aber nun wünschte ich nichts sehnlicher, als dir gegenüber zu stehen, um es dir persönlich zu sagen. Um dir die Chance zu geben, mich anzuschreien, mich durchzuschütteln, mich zu ignorieren oder mich einfach stehen zu lassen. Stattdessen kannst du das jetzt nicht, und wirst es vermutlich auch nie können, auch wenn ich es mehr als verdient hätte. Nur bitte, Ash, versprich mir, diesen Brief Zeile für Zeile zu lesen, und ihn nicht einfach zu zerreißen. Du hättest zwar alles Recht der Welt dazu, aber ich möchte, dass du die ganze Wahrheit liest, die ganze Wahrheit über mich.
Ich weiß nicht genau, wie ich beginnen soll, also beginne ich einfach mit den Fragen, die ich dir so oft in Gedanken gestellt habe.
Hast du wirklich geglaubt, es war Zufall damals, dass gerade ich dich aus dem See gefischt habe, mit deinen gerade mal 10 Jahren? Hast du wirklich gedacht, es war Zufall, dass ich diejenige war, die jahrelang mit dir umherreiste? Glaubst du wirklich, ich bin damals nach Azuria City gegangen, wegen der Weltreise meiner Schwestern? Nein. Ich habe versucht, meiner Vergangenheit zu entfliehen. Wenn du diesen Brief in deinen Händen hältst, werde ich in großer Gefahr schweben, denn wenn sie es rausfinden, werde ich es womöglich nicht überleben – und sie werden es rausfinden. Aber du bist es mir wert! Vergess das während des Lesens bitte nicht. Es ist mir wirklich noch nie etwas so schwer gefallen, wie dieser Brief…
Es tut mir Leid, dass ich es nicht eher gesagt habe. Ich wollte dich beschützen, doch jetzt … geht es nicht mehr. Um es kurz zu machen. Mein Nachname ist NICHT Waterflower. Unter diesem Namen habe ich mich nur versteckt, vor ihnen. Und meine Schwestern, sie sind eigentlich nur meine Halbschwestern. Die Töchter meiner Mutter, die ich nie zu Gesicht bekommen hatte. Was dich aber wohl am meisten schocken wird, ist, dass es meine Schuld ist, dass Team Rocket dich so oft angegriffen, dir Pikachu so oft fast entrissen wurde, das du einige Male beinahe gestorben wärst. Vielleicht erahnst du es schon. Mein Nachname ist: Rocket. Tochter einer von den Höchstrangigen bei Team Rocket. Ich wurde schon seit ich 3 bin darauf vorbereitet, ein Rocket zu werden.
Ich weiß nicht, warum ich auf dich angesetzt wurde, ich bekam nur mit, das es so etwas wie eine Prophezeiung gab, das ein junger Pokemontrainer aus Alabastia mit einem gelben Wesen gemeinsein irgendwann das Team Rocket stürzen würde. Als dann klar wurde, dass er das gleiche Alter hatte wie ich, fanden sie es nahezu perfekt. Ich war gerademal 9, ich war nie, Ash, glaub mir, wirklich nie böse. Aber sie haben mich darauf angesetzt, dir zu folgen, damit sie immer wissen, wo du bist. Sie wollten dich kontrollieren, so wie sie mich kontrollierten. Aber nach einiger Zeit mit dir, habe ich gemerkt was für ein großartiger Junge du bist, ich wollte so sein wie du. Ich wollte nie böse werden. Jedenfalls nicht mehr seit ich dich und dein großes Herz kennen gelernt habe. Dann, als du damals in Azuria City um den Quellorden kämpfen wolltest, war ich eine Zeit lang verschwunden. Das lag daran, dass ich den Auftrag hatte, dich davon abzuhalten, nach Azuria zu gehen – was ich – wie du sicher noch weißt – nicht geschafft habe. Damals haben mich schwarz-gekleidete Team Rocket-Mitglieder abgefangen – und ich durfte einige der Strafen von Team Rocket erfahren – die will ich nicht weiter ausführen. Na ja, und dann bekam ich einen neuen Auftrag…
Sie wussten, dass meine Schwestern die Arena-Leiterinnen von Azuria waren, sie wussten, es war riskant, mich in der Arena auftauchen zu lassen. Doch sie dachten, dass meine Schwestern nicht wissen, das ich bei Team Rocket bin, was damals auch noch so war. Doch da ich entsetzlich gescheitert bin bei dem Versuch, dich auf eine andere Stadt umzulenken, blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie wussten, dass meine Schwestern nicht wirklich die besten Kämpfer waren, also sollte ich dafür sorgen, dass du wenigstens den Orden nicht bekommen würdest. Je weniger positive Erfahrungen du sammelst, umso besser war es für unser Team.
Wie du weißt, stand das Glück zunächst auf der Seite des Planes. Pikachu wollte nicht gegen mich kämpfen, weil es mich mochte. Man sagt, Pokémon können böse Menschen durchschauen. Doch, wie ich schon erwähnte, ich war niemals böse.
Doch dieses Mal vertraute mir das Team nicht mehr so ganz, also schickten sie die wandelnden Misserfolge Jesse und James, die dich sowieso verfolgen sollten, in die Arena. Jesse und James haben nie gewusst, dass ich zu Team Rocket gehörte. So gut wie niemand hat es gewusst. Sie haben meine Tarnung perfekt gehalten als eine der vier bezaubernden Schwestern. (Auch wenn meine Schwestern permanent behaupten, es gäbe nur 3 bezaubernde Schwestern – womit sie vermutlich recht haben. Nach dem, was ich alles getan habe, fühle ich mich alles andere als bezaubernd.)
Jedenfalls haben sie damals alles daran gesetzt, dass du in der Arena scheitern würdest. Doch sie haben nicht die Naivität meiner Schwestern bedacht, sie gaben dir den Orden. Damals hatte ich große Angst, was passieren würde, wenn der Boss und mein Vater davon erfahren würden. Doch dieses eine Mal hatte ich Glück, sie haben meinen Schwestern die Schuld angerechnet, nicht mir. Du musst wissen, mein Vater war ein grausamer Mann, es war ihm von Anfang an egal, was mir auf der Reise und bei den Aufträgen passieren würde. Nur eine Sache war ihm wichtig: Das du es nie schaffen würdest, Team Rocket zu stürzen, auch wenn es mich stürzen würde.
Weißt du eigentlich, wem ich es zu verdanken habe, das mein Vater einmal stolz auf mich war und ich Galgenfrist bekam, wenn ich mal wieder einen Auftrag „vermasselt“ hatte? Du! Als du damals mein Fahrrad völlig zu Schrott gefahren hattest, hast du mir die perfekte Ausrede geliefert, um bei dir zu bleiben, die dich keinen Verdacht schöpfen ließ, die dem Boss gefallen hat. Das hat mir manchmal meinen Hintern gerettet – das ist auch der Grund, warum ich das Fahrrad immer und immer wieder erwähnte – denn wir wurden ständig beobachtet – nicht zuletzt von Jesse und James, aber die wussten ja nur, dass sie dich beobachten mussten und nicht mich. Ich war nie wirklich wild auf dieses Fahrrad, aber ich danke dir bis heute, dass du es kaputt gemacht hast, also bitte, sei nicht mehr böse, dass ich es so oft erwähnt hab.
Vielleicht wird dir jetzt auch klar, warum Team Rocket immer Pikachu haben wollte. Pikachu ist eines der bemerkenswertesten und stärksten Pokémon, die der Boss je gesehen hat. Er wusste, solange du Pikachu hast, bist du für ihn unantastbar, jedoch nicht für mich. Und nachdem weder Jesse und James, noch Butch und Cassidy es jemals schafften, dir Pikachu wegzunehmen, gab es nur mich, Misty Rocket, die, die den großen Ash Ketchum stürzen sollte. Aber wie schon gesagt, es musste ein langsamer, unauffälliger Prozess sein, denn schließlich, selbst wenn ich ein Rocket war, ich war noch ein Kind.
Vielleicht kannst du dich noch in deinem Kampf in der Arena von Sabrina erinnern? Mit ihren Psycho-Pokemon? Die einzige Arena, in der ich keinen Auftrag bekam, denn sie wussten sehr wohl über ihre Methoden bescheid, Menschen in Puppen zu verwandeln. Sie haben darauf gesetzt, dass sie dich damit ausschalten konnten, und Pikachu gleich mit.
Doch sie haben dich mal wieder unterschätzt, genau wie ich es früher getan hatte. Sie waren gar nicht begeistert, als ich dir riet, lieber kein zweites Mal gegen Sabrina zu kämpfen. Doch ich habe damit argumentiert, dass ich um mein Leben gefürchtet habe, ich war schließlich 9! Und an diesen Tag haben sie mir beigebracht, was MEIN Leben wirklich wert war. Garnichts.
Jedenfalls, kannst du dich erinnern, wie wir zum Terror – Turm gegangen sind, um dir ein Geistpokemon zu fangen? Wir sind durch diesen dunklen Wald gegangen, und ich muss zugeben, ein bisschen Angst hatte ich schon. Doch dann schlug Rocko vor, wir sollten uns alle an den Händen nehmen und… naja du hast sofort nach meiner Hand gegriffen, nicht nach Rockos. Du hast mich selbst da schon beschützt, wo wir noch so klein waren und uns erst so kurz kannten. Ich stutze schon damals an meinem Team-Rocket-Image, da ich erkannte, dass du ein gutes Herz hast.
Der „Besuch“ des Terror-Turms ist eine der Erinnerungen, die mir von unseren Reisen am besten im Gedächtnis geblieben ist. Sie hat mich unglaublich geprägt. Es war der Tag der mir zeigte, wie viel du mir nach so kurzer Zeit schon bedeutet hast. Denn es war der Tag, an dem ich dich totglaubte. Nachdem ich draußen glaubte, deine Stimme gehört zu haben, hat mich eines von diesen Geistpokemon hochgehoben, und sofort wusste ich, irgendetwas war mit dir passiert. Obwohl ich vorher so eine Angst vor dem Turm hatte, bin ich sofort rein gerannt, Rocko hinter mir. Und da lagst du, mit Pikachu. Ich weiß noch, was für eine Angst ich hatte, als ich dich die ganze Zeit angesprochen hab und du hast einfach nicht geantwortet…
Und plötzlich, wie ein Wunder, öffnetest du langsam die Augen, und als allererstes sahst du mich an und sagtest „Hi, Misty.“ Ich war niemals zuvor in meinem Leben so erleichtert wie in diesem Moment. Am liebsten hätte ich dich in die Arme geschlossen, so oft hätte ich das gerne getan… aber getraut, habe ich mich nie.
Und dieser Tag hat wirklich alles für mich verändert. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich die Mission hatte, genau das zu tun. Ich sollte der Auslöser dafür sein, dass du wirklich eines Tages so da liegen wirst, leblos. Erst da wurde mir bewusst, wie schlimm die ganze Sache war, doch ich konnte es dir doch nicht sagen! Erstens wurden wir beobachtet, ich hatte angst um dich, um das was mir, was dir passieren würde. Also habe ich alle Mittel und Wege benutzt, um heimlich mit meinen Schwestern Kontakt auf zu nehmen, und ihnen alles erzählt, sie waren immer in Bereitschaft, wollten über alles informiert werden, wenn was passiert. Außerdem sagten sie, wenn es nötig wäre, könnte ich sofort bei ihnen als Misty Waterflower untertauchen. Dass das nicht der sicherste Platz der Welt sein würde, war mir klar, aber ich wusste, wenn ich meine beiden Freunde schon verlassen musste, wollte ich wenigstens in die Arena, zu meinen Schwestern, zu meinen Wasserpokemon, zum Wasser. Ich war doch immer mehr eine Waterflower als eine Rocket. Doch mein Vater dachte, dass würde sich schon noch legen. Und ich habe diesen Verdacht immer wieder bestätigt, da ich immer wieder so tat, als würde ich bei den Aufträgen mein Bestes geben, dich vom Training ablenken, und irgendwann an Pikachu rankommen. Doch eigentlich habe ich immer nur eines versucht zu erreichen: Das Leben meines allerbesten Freundes zu schützen. Doch einfach war es nicht, schließlich war dies nicht mein letzter Auftrag gewesen…
