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DieXKao; devoted to "Glass skin"
von

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1.11

„Guten Morgen.“

„Guten Morgen...“

Takeo und Kaoru standen sich im Flur gegenüber, sahen sich gerade aus an und suchten beide nach Worten. Kaoru fühlte sich faul, denn er war gerade erst aufgestanden, während Takeo offensichtlich vom Laufen wieder kam. Schweiß tropfte noch von der Stirn und durchnässte das Shirt auf der Brust.

„Du warst laufen“, sagte Kaoru mit minimaler Intelligenz. Kein Wort vom Abend zuvor. Konnten sie nun einfach so aneinander vorbei gehen? Konnte er im Gegensatz Takeo nun einfach darauf ansprechen? ’Ach ja, Die ist doch schwul. Ich hoffe, das geht klar bei dir.’

„Ja, die große Runde“, antwortete Takeo wohl vergessend, dass Kaoru nicht wusste, was damit gemeint war, „Ich musste meinen Kopf klar kriegen.“

Da war sie, die erste Anspielung und diesmal wusste Kaoru genau worum es ging.

„Es ist viel passiert in den letzten Tagen“, sagte er und kratzte sich verlegen im Nacken.

„Einiges davon kam sehr unerwartet.“ Ein bisschen Verletztheit drang diesmal als Unterton hervor, brachte die ruhige Stimmung aber nicht ins Schwanken.

„Wenn ich dir irgendwie von Hilfe sein kann...“ Er wusste nicht, ob sein Angebot half oder nur die Dinge komplizierter machte, aber der Versuch fühlte sich gut an. Vielleicht wäre es besser eine klare Stellung zu beziehen, jedoch schien ihm das bei solchen Gefühlsdramen unmöglich. Gefühle waren komplex, nicht immer logisch zu einem Schluss zusammen zu ziehen. Das war etwas, das er durch Die mit Freude und Schmerz gelernt hatte.

„Wir werden sehen“, sprach Takeo, wobei er anerkennend nickte, „Ist Die schon wach?“

„Er kam gerade aus dem Bad“, antwortete Kaoru, „Ihr wollt sicher noch in Ruhe reden, bevor wir heute abfahren.“

„Wann fährt euer Zug?“

„Wir haben Tickets für den um 13:10h, damit wir noch nachmittags in Hyogou sind.“

„Zu deinen Eltern?“ Ein seltsamer, nicht zu definierender Unterton schwung mit.

„Ja“, antwortete Kaoru zögerlich, „Zu meiner Familie in mein Heimatdorf.“

„Ah...“, machte Takeo als würde er gerade etwas verstehen, „Und dann macht ihr das hier noch einmal von vorne durch?“

„Ja, quasi“, er sprach diese Worte gegen den Boden, etwas verschämt. Ein mitleidsvoller Blick traf ihn obendrein. War er zu bemitleiden? Ja? Wofür denn? Dafür, dass er nicht erwarten konnte, dass jeder seine Beziehung zu Die akzeptierte, einfach hinnahm? Oder dafür, dass er eine Beziehung mit einem Mann führte?

„Ihr müsst euch wirklich lieben.“ Die Stimme triefte nur so vor Mitleid, aber Kaoru hatte paradoxerweise kein Bedürfnis Takeo dafür strafen zu wollen. Wenn der sie bemitleidete, dann war dies nunmal so. Ihn und Die hatte das nicht zu stören. Und das zeigte er Takeo mit einem Blick, in den er ihr ganzes Glück legte, die Zufriedenheit des Zusammenseins. Vielleicht hatte er nicht das weltumarmende Lächeln von Die, aber indem er an Dies Kuss in der Hollywoodschaukel dachte und es deutlich in seiner Mimik wiederspiegeln ließ, verschwand das Mitleid aus Takeos Augen. Ja, wir lieben uns. So sehr, wie dich Die nie geliebt haben kann.
 

I open out my wings of glass
 

Takeo begegnete Kaoru nach dem Duschen wieder in der Küche, wo der ein Butterbrot streichend sich lachend mit Shiori und Yuuki unterhielt. Sie hatten ihn nach der seltsamen Stimmung zwischen Die und seinem besten Freund gefragt und Kaoru hatte kurz mit „Es gab da so ’ne Entdeckung“ geantwortet. Shiori überhäufte ihn mit Anspielungen, er war mit eingestiegen und Yuuki lachte mit wissenden Augen mit. Beim Klacken der Tür verstummten sie jedoch schlagartig.

„Wo ist Die?“, fragte Takeo in den stummen Raum hinein, während alle Augen auf ihm lagen.

„Auf der Terasse. Grübeln“, antwortete Yuuki, „Kannst ja mal mitmachen.“

Takeos buschige Brauen zogen sich nach oben. Der verbale Angriff schien ihn getroffen zu haben.

„Hier“, sagte Kaoru und streckte ihm den Teller mit den belegten Broten entgegen, „Nimm das mit zu Die. Er hat noch nichts gegessen.“

„Hm...“, machte Takeo und: „Danke.“ Dann war er schon wieder die Tür hinaus.

„Na, das kann ja was werden mit den beiden“, seufzte Shiori theatralisch.

„Wehe dir und mir, wenn!“, rief Kaoru aus und sie lachten einander an.
 

Die hatte sich auf die Terassenstufe gesetzt und die Weite betrachtet. Nicht die Weite direkt, sondern die Leere, die zwischen ihm und dem Ende der Weite enstanden war. Ein Ende war da, es gab keine Unendlichkeit. Nicht in dieser Welt, vielleicht im All, aber da wusste man es doch auch nicht. Unendlichkeit war nurmehr eine Vorstellung, wenn man das Ende nicht sehen, nicht erkennen konnte. Ich kenn es nicht, also gibt es das nicht.

Der Zustand zwischen ihm und Takeo war bisher für ihn immer unveränderlich, unabänderlich gewesen, ein Ende des Versteckens nie in Sicht. Nun war er also am Ende dieser Situation angelangt. Dort hinten im Maisfeld, irgendwo stand er nun, nachdem er von diesem Haus aus losgelaufen war. Wo war alles dazwischen geblieben? Erinnerungen waren wie die Leere nicht in die Hand zu nehmen. Er konnte nicht malen, nicht schreiben. Ein Lied, ja, das war es; er würde ein Lied hierrüber komponieren.

Takeos Schritte konnte er immer wiedererkennen.

Träge drehte er sich um und sah seinen Freund erwartend an. Der hielt einen Teller mit Broten in der Hand und nickte zur Gartenlaube. „Kommst du mit?“

Die nickte und schweigend gingen sie nebeneinander her, hockten sich auf die Steine, bis sie wiederrum schweigend nebeneinander saßen und auf den Boden sahen.

„Hier“, sagte Takeo und stellte den Teller vor ihn, „Von Kaoru.“

Die lächelte. Was war das denn? Spielte sein Freund den Kupler? Nein, er sorgte nur für ihn, machte Dinge leichter.

„Er passt gut auf dich auf, nicht wahr?“

„Ja“, antwortete Die. Er musste mehr sagen, wenn dieses Gespräch offen werden sollte, das war ihm deutlichst bewusst, aber dennoch war es schwer einfach zu reden, nach so langer Zeit ehrlich zu sein. „Kaoru tut viel für mich. Es ist gut in Tokyo nicht allein zu sein. Die Stadt ist zu groß, um alleine darin zu leben.“

„Hmm...“ Gebrummte Zustimmung. Irgendwie wollte es nicht so richtig in Gang kommen. Die fand keine Worte, konnte nun doch nicht einfach vom Pferd erzählen. Vielleicht traute sich Takeo auch einfach nicht zu fragen, weil er nicht wusste, dass Die nun bereit war alles offen zu legen, trotz der Jahre des Versteckens.

„Wenn du mich etwas fragen willst, dann frag“, sagte er deshalb probeweise. Takeo sah vom Boden weg und ihn an. Es dauerte einen Moment, bis er sich scheinbar entschließen konnte.

„Wie lange seid ihr schon zusammen?“

„Als festes Paar bald zwei Jahre, aber wir kannten uns da schon recht lange.“

„Und was ist mit Miyako?“

„Wir haben uns wegen Kaoru entgültig getrennt, aber da hatte sie auch schon längst jemand anderen.“

„Kompliziert.“

„Ja, das war es.“

Ein erster Schritt, ein erster Gewinn. Die sah vom Boden hoch und Takeo an. Sie rückten aneinander, sodass ihre dicken Winterjacken an den Schultern zusammengepresst wurden.

„Wer hat sich zuerst verliebt?“

Das war etwas schwerer zu beantworten, zu gestehen. „Ich“, brachte er schließlich hervor, Aufregung stieg in ihm auf. Weswegen denn? Takeo würde ihn deshalb nicht verlassen, aber dennoch war es gefährlich ihm soetwas zu erzählen. Was Takeo von ihm dachte war wichtig, er sollte keine schlechte Meinung bekommen. „Kaoru mochte Männer damals nicht mal besonders, jedenfalls nicht so besonders.“

„Also warst du...?“ ...schwul? Wagte Takeo es nicht das Wort auszusprechen? Kaoru hatte es zwei Abende zuvor noch Die eingetrichtert, es ihm mit Gewalt bewusst gemacht. Es war nur dieses Wort, eigentlich sollte es doch neutral sein, gänglich, angenehmer als vage Umschreibungen oder anzügliche Anspielungen, aber trotzdem war da ein innerer Widerstand es nicht auszusprechen.

„Ja, schon etwas länger.“

„Seit wann?“ Wollte er darauf auch antworten? Nein, ganz bestimmt nicht jetzt, aber wenn nicht jetzt, wann dann? Ja, doch er musste. Verdammte Scheu, verfluchte Angst!

„Der Mittelstufe.“

„Uff...“, mit dieser Nachricht hatte sein Freund wohl nicht gerechnet. Es machte Dinge noch schlimmer, denn der Anfang des Lügens lag noch weiter zurück in der Vergangenheit. Takeo musste sich wirklich betrogen fühlen.

„Warst du damals verliebt?“

„Ja.“ Wie ironisch, dass sich Takeo das nicht zusammen reimen konnte. Wenn er schon damals gewusst hatte Männer zu mögen, dann hatte da doch auch logischerweise ein Junge gewesen sein, an dem er es gemerkt hatte.

„Warum warst du dann mit Shiori zusammen?“ Ein leichter, veralteter Vorwurf klang mit. Takeo konnte bei Gefühlsdingen schlecht ganz direkt sprechen, wenn er das Recht nicht sicher auf seiner Seite wusste. Immer gab es diese Untertöne, schon damals.

„Weil ich sie auch geliebt habe, ehrlich, so wie ich sie heute noch liebe. Mit einen Jungen zusammen zu sein, schien mir damals gar keine Option.“ Damals, als es noch kein Internet gab, als das Thema in Schulen einfach nicht erwähnt wurde, nur die Erwachsenen darüber verlegen tuschelten, hatte Die gedacht der Einzige Schwule in ganz Japan zu sein.

„Ich hätte dir helfen können“, wieder dieser Unterton, Enttäuschung, Vorwurf. Dabei war er so im Recht, zumindest mehr als Die. „Warum hast du nie mit mir darüber gesprochen?“

„Man, Takeo“ rief Die da lachend aus. Es war Ironie, liebliche Ironie, diese Frage. „Ich habe dich geliebt. Wie hätte ich?“

I open out my wings of glass

Up and towards the wind melted future

Da war es, lachend. Das Geständnis, das Die viele Jahre mit sich herumgetragen hatte, einfach so raus. Nun gut, nicht ganz so einfach. Er fühlte sich leicht, beinah schwerelos und griff nach einem der Brote. Takeos Blick war unbezahlbar. „Oh...“

Ein bisschen stach es schon, dass das alles war, das er zu sagen hatte. Ein bisschen hatte Die doch noch gehofft, dass es Takeo ähnlich gegangen war, damals, als sie immer aufeinander gehockt hatte, ihr Leben geteilt. So wie Jugendliche eben waren. Aber im Grunde war es in Ordnung, er hatte es schließlich schon die ganze Zeit gewusst, darum war die Hoffnung nie zu groß geworden. Und die Verzweiflung war nun schon eine kleine Weile verschwunden. Herzhaft biss Die in Kaorus Butterbrot. Mit wenig Butter, aber Tomaten zwischen zwei Käsescheiben, so wie immer.

Takeo neben ihm schien sich den Kopf zu zerbrechen um etwas zu sagen, denn seine Hände fuhren durch die Haare, dann trommelten sie wieder auf dem Knie. Sein Freund war so leicht zu durchschauen.

„Ist schon okay, wirklich. Du musst darauf nicht antworten. Es ist schon lange her. Ich wohne doch schon Jahre in Tokyo“, sagte Die um ihn zu beruhigen mit weicher, freundlicher Stimme.

„Ich will aber!“, rief Takeo daraufhin aus, „Schließlich habe ich so viel Jahre lang nichts bemerkt, damals nicht einmal. Nicht mal in Erwägung gezogen habe ich es!“

„Das ist okay. Manchmal ist man eben blind.“

„Manchmal ist doch keine Schulzeit lang!“ Empörung wurde da gerufen, Wut auf sich selbst. Vielleicht hätte Takeo etwas merken können, wäre es dann anders verlaufen? Vielleicht hätten sie weniger geschwiegen, aber im Grunde hätten sie doch nichts groß daran änder können.

„Ich habe immer gedacht, du suchst Familie“, sprach Takeo dann leiser, ruhiger, „Weil es bei dir zuhause so stressig war. Ich mein, wir waren damals wirklich nah beieinander, die ganze Zeit. Aber so waren andere auch, Jugendliche sind nunmal so. Freundschaft war uns allen so wichtig.“

„Es war wie es war“, sagte Die, „Wir können es nicht mehr ändern und ich will es nicht.“ Egal wie Takeo heute war, damals hätte er vielleicht nicht so verhältnismäßig ruhig reagieren können. Es hätte die Zeit noch viel schlimmer machen können, wenn Die es nun sah. Ohne seine unerwiderte Liebe hätte er zudem einen Grund weniger gehabt um aus Mie zu fliehen. Was, wenn er nie gegangen wäre und immer noch hier festsitzen würde? So sehr er die kleine Stadt auch mochte, nein, das wäre nichts für ein Lebensglück geworden. Er war froh nach Tokyo gegangen zu sein, Kaoru getroffen zu haben, eine Karriere mit seiner Musik angefangen zu haben.

Takeo sagte nichts, sah wieder auf den Boden und für vielleicht das erste Mal, fühlte sich Die nicht als das schwächere Glied in ihrer Beziehung. Neben ihm saß ein großer, verletzlicher, junger Mann.

„Shiori und du, seid ihr glücklich?“, fragte er. Er wollte es wissen. Das war auch etwas, worüber er endlich mal reden wollte. Das Schweigen auflösen, der Leere ein Ende setzen.

„Ja, sind wir. Sehr sogar“, antwortete Takeo mit lächelnden Augen auf Die gerichtet, „Vielleicht nicht so weltverändernd glücklich, aber es reicht hier für uns, für Mie, für Yuuki.“

„Das ist schön“, sagte er und lächelte gütig, „Das ist wirklich schön.“

„Lass uns neu anfangen, von hier an“, sagte Takeos tiefe, feste Stimme, das war der Freund, den Die immer bewundert hatte. Er nickte und sie pressten ihre Schultern fest gegeneinander.
 

The hand of the child born tomorrow will be just pure and nothing else
 

Ende von Teil 1



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -aftermath-
2009-10-28T14:31:26+00:00 28.10.2009 15:31
Schönes Ende!
*nick*
Jetzt ist mir auch Takeo ein bisschen Sympathischer geworden. XD
Ich freu mich schon auf den zweiten Teil!
Von:  NanaSaintClair
2009-10-25T21:55:51+00:00 25.10.2009 22:55
sehr schön! :)
Von: abgemeldet
2009-10-25T17:26:43+00:00 25.10.2009 18:26
hach jah **
schönes ende **~~ mir ist sogar zum schluss takeo ein bisschen sympathisch geworden xP ~
die drei letzten kapitel haben mir alle gut gefallen (ich hab sie ja nun alle auf einmal gelesen) und ich bin super gespannt wie nun der 2. Teil der geschichte wird...der wird ja dann wohl in kaos heimatort spielen...~
freu mich schon drauf ^^
lg,
_pinkuuu_


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