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Hide and Seek

von

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4

»Du solltest doch einkaufen gehen!« Genervt schlug Cole die Kühlschranktür zu, nachdem ihm gähnende Leere entgegen geblickt hatte.
 

Brandon schaute verwirrt von seinem Laptop auf, seine Finger hielten über der Tastatur augenblicklich inne. Seine Augen wanderten zur Seite.
 

Schon wieder. Das war das dritte Mal in dieser Woche, dass er etwas vergessen hatte. Am Montag war es die Wäsche gewesen, am Dienstag, dass Cole mit der Bahn zur Uni gefahren war und von ihm abgeholt werden wollte. Heute der Einkauf.
 

»Ich hatte keine Zeit.«, murmelte er und griff nach seiner Kaffeetasse, versuchte damit das Zittern in seiner Hand zum stoppen zu bringen.
 

»Du hattest den ganzen Tag frei. Erzähl mir keinen Scheiß!« Cole war bereits auf dem Weg Autoschlüssel und Jacke zu holen.
 

Die Lüge war zu einfach zu durchschauen. Schade nur, dass er sie zu gerne selbst geglaubt hätte.
 

Es war nicht seine Art irgendwas zu vergessen. Cole war derjenige, der oftmals kopflos durch die Gegend rannte und dabei Kleinigkeiten vergaß. Er nicht. Er dachte an sowas.
 

»Schon okay. Lass uns doch einfach was bestellen und ich geh morgen.«, bot er schwach an.
 

»Wo bist du mit deinen Gedanken die letzte Zeit?«
 

»Chinesisch?«, konterte er mit einem aufgesetzten Lächeln und war froh, als Cole einfach nur genervt seufzte und nickte.

-
 

Riley knöpfte sein Hemd gerade zu, als sich die Tür zum Loft aufschob und Brandon herein kam.
 

Cole wusste nicht genau, wie er den Blick deuten sollte, als er Riley zuerst ansah und dann ihn. Die Situation zu eindeutig, als dass sie missverstanden werden konnte.
 

Wenn er es nicht besser wüsste, würde er fast sagen, dass es nach mehr als nur Schmerz aussah. Enttäuschung vielleicht. Wut vielleicht. Doch alles schien es nicht genau zu treffen.
 

Es passierte so unglaublich schnell, dass Brandon plötzlich Riley packte und auf den Boden stieß. »Du miese, dreckige Ratte! Fass ihn nicht an!« Es schien unrealistisch Brandons Stimme wieder so laut zu hören.
 

Cole hatte für kurze Zeit das Gefühl wieder den alten Brandon zu sehen und nicht das ausgewechselte Wesen, das nach zwei Jahren wieder gekommen war.
 

In den grünen Augen schwamm zu viel auf einmal, als sie nun ihn fixierten.
 

»Ich hab so lange gewartet!«
 

Auf was?
 

»Ich hab so dafür gekämpft!«
 

Für was?
 

»Du verdammtes Arschloch! Ich hasse dich so sehr! Nur wegen dir-«
 

Was?
 

Doch der Rest ging unter, als Brandon sich die Hand auf den Mund presst und auf die Knie sank, bevor seine Faust Cole erreichen konnte.
 

Sein ganzer Körper zitterte wie unter einer unsichtbaren Last, die ihn zu Boden drücken wollte und gegen die er sich wehrte. Mit der anderen fasste er sich an den Kopf.
 

Cole war gerade noch rechtzeitig da, bevor er zur Seite wegkippte.
 

-
 

Es dürfte schon nichts mehr in seinem Magen sein und trotzdem kotzte er sich noch die Seele aus dem Leib. Seine Knöchel waren beinahe genauso weiß wie das Porzellan gegen das er seine Finger presste.
 

Der saure, widerliche Geschmack in seinem Mund war zum alltäglichen Begleiter geworden. Seid Wochen musste er sich immer wieder übergeben. Nicht regelmäßig. Mal öfter, mal weniger, nicht jeden Tag. Mal waren lange Pausen dazwischen. Doch jetzt konnte er seinen Körper kaum noch beruhigen. Er war früher von der Arbeit gekommen, als wieder die bekannten Kopfschmerzen eingesetzt hatten.
 

Alles woran er denken konnte war: Zum Glück ist Cole noch nicht da.
 

Sein Freund war noch auf der Uni, konnte aber jeden Moment wieder nach Hause kommen und bis dahin musste Brandon es einfach schaffen sich wieder einigermaßen aufzuraffen.
 

Gequält stöhnte er auf, als erneut eine Welle des Schmerzes durch seine Schläfen zog. Verzweifelt presste er seine linke Hand gegen die Stirn, als könnte er es damit stoppen, als würde es so aufhören. Erneut überkam ihm Übelkeit, das Stechen ließ ihm beinahe schwarz vor Augen werden.
 

Die schwere Eisentür schob sich auf und die wohlbekannte Stimme – bitte, er sollte nicht kommen, bitte nicht – drang an sein Ohr. Auch wenn alles in ihm schrie, protestierte, ächzte und stöhnte, richtete er sich auf und betätigte die Toilettenspülung. Haltung wahren. Er musste Haltung wahren.
 

»Hast du gekotzt?«
 

Zu hektisch drehte er sich zu Cole um, der noch in Jacke in der Badtür stand. Eine Augenbraue elegant nach oben gezogen, die Nase leicht angeekelt gekräuselt.
 

»Kommt von deinem scheiß Curry.«, gab er automatisch zurück. Seine Hände zitterten. Schnell ging er zum Waschbecken und drehte das Wasser eiskalt auf.
 

»Krank?«
 

»Nein, nur Magen verdorben.« Brandon konnte das Spiegelbild von Cole sehen. Es war ihm so klar ins Gesicht geschrieben, dass er sich unwohl fühlte. Nie der Fürsorgliche, nie der Hilfsbereite.
 

Morgen musste er zum Arzt.

-
 

»Was soll das heißen?«
 

»Cole!« Besänftigend strich ihm Riley über den Rücken. Als könnte ihn das jetzt beruhigen als er in das ruhige – zu ruhige – Gesicht der Oberschwester hinter der Information sah. Diese Frau machte ihn wahnsinnig!
 

»Das soll schlicht und einfach heißen, dass ich keine Erlaubnis habe Ihnen auch nur irgendeine Information zu geben.« Ihre Stimme war monoton und gelangweilt. Sie sah ihn nicht einmal mehr an, sondern sortierte irgendwelche Aktenstapel.
 

»Ich darf nicht wissen wie es ihm geht? Was soll der Dreck?!«
 

»Cole!« Diesmal klang die Stimme seines Freundes mahnender, der Zug an seinem Arm eindringlicher. »Setzen wir uns und warten, vielleicht-«
 

Aufgebracht schnaufte er und wandte für kurze Zeit den Blick zur Seite. »Riley, ich schwör bei Gott – halt einfach den Mund!«
 

Im Krankenhaus ging alles genauso schnell wie da Heim. Im Nachhinein würde er sich nur an einzelne Fetzen erinnern. Es war fast so als könnte er sich selber dort stehen sehen. Mit einer Hand in den schwarzen Haaren, den Blick starr auf die Tür fixiert durch die sie Brandon geschoben hatten.
 

Was ist passiert?
 

Wie ist das passiert?
 

Gott, diese Fragen konnte er sich doch nicht einmal selber beantworten. Einfach so zusammen gebrochen, hat sich den Kopf gehalten, wurde kreidebleich, war plötzlich einfach weg. Alles so verdammt leicht gesagt, doch was hatte es schon zu bedeuten?
 

Sein Herz hämmerte viel zu schnell in seiner Brust. Sein Kopf hinkte noch irgendwo nach.
 

Jetzt stand er hier. Nach einer Stunde noch immer keine Nachricht, keine Antwort und stritt sich mit einer Nachtschwester. Gott, wie tief war er gesunken?
 

»Ich habe ihn hier her gebracht! Ich will wissen was passiert ist! Ich will wissen wie es ihm geht!«
 

Über den breiten Brillenrand sah die Schwester zu ihm hoch. „Sir.“, fing sie an in diesem Ton, den er immer noch nicht auf den Tod ausstehen konnte. „Sie sind nicht verwandt mit ihm. Sie könnten meines Wissens sonst wer sein..«
 

»Ich bin nicht sonst wer!«
 

»Wer sind Sie dann?«

Was war er? Eine gute Frage, die er vermieden hatte zu beantworten. Brandon wäre in drei Wochen weg. Er musste nicht darüber nachdenken. Noch einmal hatte er ihn gesehen, würde Tage damit verbringen das Loft zu lüften und den verdammten Geruch aus allem raus zu kriegen. Dann würde es weiter gehen in seinem Leben.
 

Jetzt war alles plötzlich anders.
 

Automatisch wanderte seine Hand zu der Brusttasche seiner Lederjacke und zog dort einen silbernen Ring hervor.
 

»Ich bin sein Verlobter.«
 

-
 

Ab einem gewissen Zeitpunkt schenkte er dem Arzt keine Aufmerksamkeit mehr.

Schweigend und mit verschränkten Armen sah er auf das Bild vor sich, wusste nicht was er denken sollte, konnte oder wollte.

»Sind Sie sich sicher?«

»Die Testergebnisse lassen keinen Zweifel zu. Aber es ist nicht so schlimm, wie es sein könnte. Sie haben gute Chancen. Es wird nicht einfach, aber Sie werden es hinter sich lassen. Ich werde ihnen die Überweisung für die Klinik in Chicago ausstellen.«
 

Stumm nickte er. Genauso stumm saß er in der U-Bahn nach Hause. Der Blick irgendwo auf einen unsichtbaren Punkt fixiert, der nirgendswo genau lag. Seine Füße fanden automatisch den Weg nach Hause.
 

Die Sonne ging gerade unter und er konnte Cole auf dem Balkon stehen sehen. Zigarette in der einen Hand und Telefon am Ohr.
 

Er war wie gelähmt, seine Hand krallte sich um den Gurt seiner Tasche während er Cole draußen beobachte.
 

Wie immer ging er auf und ab, gestikulierte mit den Händen, als könnte ihn sein Gesprächspartner sehen. Das ganze Gesicht erregt, anscheinend so vertieft, seine Lippen legten sich um den Filter des Stummels.
 

Der graue Rauch tanzte im orangenen Abend Licht der Sonne, die als großer, brennender Ball hinter Cole unterging.
 

Brandon hatte das Gefühl zu ersticken, musste sich daran erinnern wie man atmete.
 

Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis Cole ihn bemerkte, sofort hoben sich seine Mundwinkel zu einem warmen Lächeln, eins, dass er so selten sah.
 

Innerlich schrie er.

-
 

Eine junge Schwester begleitete ihn durch die bereits abgedunkelten Krankenhausflure und in den Aufzug.
 

Mit einem schüchternen Lächeln blieb sie irgendwann vor einer Tür stehen, das Klemmbrett wie ein Schutzschild vor sich gehalten.
 

»Also…mir wurde gesagt, dass Sie nur eine halbe Stunde haben können. Außerdem braucht der Patient viel Ruhe und…ja. Das war’s.« Nur verstohlen hatte sie den Blick gehoben, bevor sie sich mit einem leichten Nicken verabschiedete und den Gang beinahe hinab rannte.
 

Bedacht leise drückte er die Klinke runter und schob die schwere Tür auf. Von Innen begrüßte ihn ein schummriges Licht. Einzig und allein die Lampe unter der Leiste an der Wand spendete indirekte Beleuchtung. In dem relativ kleinen Zimmer, war das weiße Bett am Fenster schnell gefunden.
 

Leicht kräuselte er die Nase bei dem starken Krankenhaus Geruch, der ihm erst hier richtig auffiel.
 

Als er näher an das Bett trat, konnte er erst Brandan sehen. Die Decke bis zu den Schultern gezogen und ihm den Rücken zugewandt, wäre er als erstes kaum aufgefallen, wären nicht die schwarzen Haare als krasser Kontrast zum weißen Laken.
 

Beinahe hätte er erwartet alles zu sehen, wie in den typischen Arztserien. Piepende Maschinen, Schläuche und ein Tropf. Großes Kino. Stattdessen nur ein Bett und Brandan mittendrin.
 

»Ich will, dass du gehst.« Überrascht zog er eine Augenbraue in die Höhe. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Brandan wach war.
 

Als der erste Schock allerdings überkommen war, verzog sich sein Mund zu einem bitteren Lächeln. Es war so typisch Brandan, dass es ihn beinahe amüsierte. »Keine Sorge, in einer halben Stunde werde ich eh rausgeschmissen.«
 

»Ich will, dass du jetzt gehst.«
 

Cole wäre nicht Cole, wenn er sich nicht genau jetzt auf dem Stuhl neben dem Bett niederlassen würde. Brandans ‚Ich meins ernst‘ Ton hatte bei ihm noch nie viel Wirkung gezeigt. »Wie geht es dir?«
 

Mit einem Ruck setzte sich Brandan auf und drehte sich zu ihm. »Geh endlich!«
 

»Erst wenn du mir gesagt hast, was mit dir los ist.« Ungerührt sah er zu dem Älteren auf.
 

»Cole, ich schwöre, ich lass Personal holen, die dich hier raus prügeln!«
 

Skeptisch zog Cole die Augenbrauen zusammen und lehnte sich in dem Stuhl nach vorne. Soviel ernst hatte er noch nie in den grünen Augen gesehen.
 

»Du verheimlichst etwas!«
 

»Geh!«
 

»Was verheimlichst du?« Seine Stimme blieb ruhig, aber aus seinen Augen sprühte die kalte Wut.
 

»Das geht dich nichts an!« Brandons Stimme wurde lauter, zitterte an den Kanten und…das Glänzen in den Augen musste er sich einbilden.
 

»Das ist so typisch du, nicht wahr?« Abfällig wandte er den Blick ab, schüttelte mit einem Schnauben den Kopf. Seine Lippen umspielte ein schmales Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Den Kopf leicht schief gelegt, als würde er sich an Zeiten erinnern, die eine halbe Ewigkeit zurück lagen. »Das bist so typisch du. Nie etwas Preis geben, immer lügen. Einfach verschwinden. Das ist einfach, oder? Scheiß auf die Konsequenzen.«
 

Brandon sah ihn stumm an, die Hände zu Fäusten geballt und bitte nein, das durfte nicht das sein was er glaubte in den grünen Augen zu sehen.
 

»Du sagst nie was. Kommst und gehst.«
 

»Als hätte es dich jemals interessiert.«, murmelte der Ältere und lachte humorlos auf. »Cole, du vergisst anscheinend, dass du der König aller ignoranten Bastarde bist! Du, du, du! Du bist der König der Welt!«
 

Mit jedem Wort wurde sein Ausdruck fassungsloser, konnte gar nicht seinen Kopf dazu bringen auch nur annähernd zu glauben, was Brandon da sagte.
 

»Du warst ein egoistischer Wichser als ich dich kennen lernte und du bist es immer noch. Was willst du hier noch? Ich bin dir nichts schuldig!«
 

»Du bist mir eine verdammte scheiß Menge schuldig!« Wann war das Gespräch so aus den Bahnen verlaufen und warum hatte er das Gefühl, dass sie komplett aneinander vorbei redeten? Ihre Rollen irgendwie vertauscht, die Worte keinen Sinn ergebend. Beinahe wie Floskeln, die sie abspielten, nur weil es aus einem undefinierbaren Grund so sein musste.
 

»Verpiss dich endlich! Du hast klar und deutlich gezeigt, dass du mir nicht verzeihen kannst, also stell dich nicht als heiligen Samariter dar, denn du bist kein

Stück besser als ich!« So schnell konnte er gar nicht reagieren, wie Brandon sich vorbeugte, in Coles Jackentasche griff und den silbernen Ring hervor zog, zuerst das Schmuckstück mit einer bodenlosen Verachtung ansah und dann ihn. »Und das ist einfach nur ein schlechter Scherz!«
 

Seine Stimme brach endgültig, als er mit aller Melodramatik den Ring mit einem lauten Klirren in die Ecke schmiss.
 

»Geh doch endlich! Geh! Ich kann dich nicht mehr sehen!« Aufgebracht und von der ganzen beeindruckenden Rede kam es Cole so vor, als wären vielleicht das die ehrlichsten Worte.
 

Zum ersten Mal wollte ihm nichts mehr einfallen. Es gab nichts mehr zu sagen.
 

Zwischen ihnen lag ein Scherbenhaufen, eine ganze Trümmerlandschaft. Die kläglichen Reste von dem was noch übrig war.
 

Sie hatten sich so weit voneinander entfernt, dass er Brandon kaum noch sehen konnte.
 

Irgendwas hatten sie verpasst. Oder er. Vielleicht hatte er irgendwas verpasst. Aber wer waren sie schon?
 

Cole und Brandon.
 

Und es wären wohl nicht sie beide, wenn Cole es nicht vorziehen würde, das Zimmer zu verlassen und die Tür zwischen sich und Brandon zu schließen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  MaiRaike
2009-11-01T20:06:25+00:00 01.11.2009 21:06
Ich HASSE Kommentare mit Rechtschreibfehlern.
Tu mir den Gefallen und überlies meine einfach, ja?
Von:  MaiRaike
2009-11-01T20:04:14+00:00 01.11.2009 21:04
Du schreibst verdammt gut. Hab ich das im letzten Kommi eigentlich erwähnt?
Ich bin echt gefesselt und mitgerissen von der Geschichte.

Das Brandon krank ist, habe ich ja schon vermutet. Jetzt würde mich noch stark interessieren was er hat und ob er wieder gesund wird.

Ich hoffe, das Brandon und Cole irgendwann im Laufe der Fanfic erkennen, was sie einander bedeuten.

Riley tut mir leid. Eine unerwiederte Liebe ist furchtbar. Aber das er seine Frau betrügt ist total daneben.
Ich hoffe er findet irgendwann Zufriedenheit in seiner Situation.

Für mich gehören Brandon und Cole zusammen. Mal schauen, ob es sich tatsächlich so entwickelt.

Liebe Grüße
Mai

Ps.: In diesem Kapitel hast du Brandon einige Mala Brandan genannt...



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