Rot auf weiß
Langsam steigt mein Atem zum dunklen, fast schwarzen Nachthimmel hinauf. Diese Nacht ist sternenklar, und der Mond erhellt in seiner vollen Pracht die Erde unter ihm. Bei Vollmond ist es generell sehr hell und nun wird das weiße Mondlicht vom Schnee reflektiert, der den Boden und die Bäume um uns herum bedeckt.
Nicht, dass ich diese Helligkeit gebraucht hätte, im Gegenteil. Ich komme auch in völliger Dunkelheit bestens zurecht, doch nun ist es diese Helligkeit, die trotz der Nacht, das Bild vor mir auf erschreckende Weise hervor hebt.
Schwer atmend hockt sie da, ihr weißer Atem steigt in kleinen, schnell hintereinander ausgestoßenen, Wolken hinauf in den Himmel. Ihr Blick drückt absolute Fassungslosigkeit aus, Entsetzen und Angst mischen sich dazu und versetzen mir unweigerlich einen schmerzlichen Stich ins Herz. Sie trägt nur noch ihre Hose und ein Shirt, welches ebenfalls weiß ist und sich kaum von dem reinen, unberührten Schnee um uns herum abhebt, währe da nicht dieses dunkle rot, welches sich an ihrer linken Schulter ausbreitet.
Sie hat ihre rechte Hand auf die Stelle gepresst, was nicht verhindert, dass das rot weiter ihren nackten Arm hinunter läuft und schließlich in den Schnee tropft.
Rot auf weiß. Blut auf Schnee.
Irgendwie war dieses Bild friedlich und auch wunderschön, doch ich wusste genau, was dahinter steckte und warum es so weit gekommen war. Mein Fell stellte sich im Nacken auf und ein wütendes Knurren wollte meine Kehle hinauf.
Mein ganzer Körper sprach nur eine Sprache, eine die nicht misszuverstehen war.
Ohne länger zu zögern rannte sich los, wobei der Schnee von meinen Pfoten nach hinten in die Luft geschleudert wurde, ehe ich mit einem wütenden Knurren zum Sprung ansetzte und ein panischer Schrei die Stille der Nacht zerriss...
