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Die fetten Jahre sind vorbei

Widerstand ist zwecklos
von

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Mit knapper Not

Kapitel Sechs: Mit knapper Not
 

Wie staunte Caterina als sie die Pracht in Palaste Gil’ eads sah. Es war zwar erst knapp ein Jahr vergangen seit ihrer Flucht aus Urû’ baen, aber die Monate in der freien Natur hatten ihr jegliches Gespür für Luxus genommen. So war es nicht verwunderlich, dass sie sich mit großen Augen umsah, zumal sie niemals in Gil’ ead gewesen war. Jedenfalls nicht in einem Alter, in dem ihre Erinnerungen schon präzise genug gewesen wären, als dass sie sich jetzt noch darauf besinnen könnte.

Murtagh, der sich noch allzu gut an das Heim seines Vaters Morzan erinnern konnte und an die Pracht, die dort geherrscht hatte, fand es amüsant, dass Caterina so die Augen übergingen. Für einen Moment vergaß er ganz, wie merkwürdig es war, dass sie in der Lage war Magie zu wirken und dass sie die Alte Sprache beherrschte. Er sah sich selbst um, jedoch eher unbehaglich, da er Palästen im Allgemeinen und diesen hier im Besonderen nichts abgewinnen konnte. Zu seinem Glück dauerte es gar nicht lang, bis der Saal erreicht war, in dem der Bürgermeister sich am Liebsten aufzuhalten pflegte. Wie für einen Mann von Rang üblich hatte er Lakaien, Diener und Gäste von ebenso makelloser Abstammung, wie der seinen, um sich versammelt und sah der Spielfrau und ihrem Begleiter huldvoll entgegen. Murtagh, der unwillkürlich den ganzen Raum auf Gefahren untersuchte, spürte die Anwesenheit von jemandem, der sich nicht öffentlich zeigte oder zeigen wollte. Er hielt dies für ein schlechtes Omen. Allerdings konnten weder er noch Caterina jetzt noch kehrt machen, auch wenn Murtagh das Gefühl hatte, dass sie das dringend tun sollten.

„Ich grüße Euch, Spielfrau.“, ertönte die salbungsvolle Stimme des Bürgermeisters.

Er hatte sich erhoben und die Arme zum Zeichen des Willkommens weit ausgebreitet. Er war ein gewichtiger Mann mit einem Doppelkinn und kleinen, funkelnden Schweinsäuglein, die in ihren Höhlen rasch hin und herrollten, als sei er extrem angespannt und nervös. Seine Kleidung war, seinem Stand angemessen, prachtvoll. Er trug sattes Rot, einen Gürtel, der mit Edelsteinen verziert war und Lederstiefel aus kostbarem Leder. Ohne Zweifel war auch der Stoff von Hose und Tunika sehr wertvoll. An seinen Fingern glitzerten zahlreiche Ringe und seine dunkler Bart, durchzogen von silbrigen Strähnen, verbarg kaum das Doppelkinn. Sein Haar wirkte trotz der sicherlich täglichen Waschung strähnig und ungepflegt. Zudem hatte er ein übelriechendes Parfum aufgelegt, das Murtagh selbst aus einer Entfernung von zwei Metern in der Nase stach und ihn selbige unwillkürlich rümpfen ließ.

Caterina derweil hatte die Begrüßung erwidert, in dem sie einen höflichen Knicks vor dem Bürgermeister und den anderen Würdenträgern machte. Dann lächelte sie höflich und fragte, womit sie denn die Gesellschaft erfreuen könnte. Die Männer berieten sich untereinander und kamen nach einer Weile hitziger Diskussion zu dem Schluss, dass die Spielfrau erst tanzen sollte. Caterina nickte ergeben. Sie wusste, dass sie, wenn sie ihrer Sache gut machte, mit einem fürstlichen Lohn rechnen konnte. Deshalb war sie entschlossen, ihr Bestes zu geben. Der Bürgermeister klatschte in die Hände und ein paar Musikanten, die Caterina zuvor gar nicht aufgefallen waren, kamen in den Fokus ihres Blickes. Sie begannen eine berühmte Zigeunerweise zu spielen, die auch Caterina kannte. Sie fing an, die Schritte dazu zu machen und bald schon hatte sie völlig vergessen, dass sie Zuschauer hatte. Ganz entrückt folgte sie

dem Rhythmus, in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen.
 

In den Schatten des Raumes hielt sich eine wichtige Person auf, die auf Geheiß des Königs den Jahrmarkt in Gil’ ead überwachen sollte. Es gab da nämlich etwas, was Galbatorix furchtbar grämte. Und aus diesem Grund war der Herrscher über Alagaesia bereit an jedem noch so absurden Ort nach dem zu suchen, was ihm abhanden gekommen war. Galbatorix hatte seinen fähigsten Mann mit der Aufgabe betraut, ihm wiederzubeschaffen, was verloren gegangen war. Und da der König nicht dumm war, ahnte er, dass das, was er suchte, sich eine Tarnung zugelegt hatte. Aber sein treuer Diener Durza würde Erfolg haben. Dessen war Galbatorix sich ganz sicher.

Durza also beobachtete die kleine Spielfrau ganz genau. Ihren Begleiter bemerkte er kaum. Er sollte nach etwas Ausschau halten und er würde sich nur auf dieses eine Detail konzentrieren. Natürlich wusste er, was seinem König gestohlen worden war, aber eigentlich interessierte es Durza nicht weiter. Er machte seine Arbeit. Dafür durfte er ein paar Menschen quälen. Das war ein gerechter Tausch, auch wenn der Schatten am Liebsten mehr als nur die paar kläglichen menschlichen Wesen gefoltert hätte. Einen Elfen zum Beispiel, die waren zäher. Man konnte mehr Spaß haben mit ihnen.

‚Ich muss mich konzentrieren, darf mich nicht ablenken lassen.’, beschwor er sich und widmete sein Augenmerk wieder der Spielfrau, die immer tollkühner tanzte und schließlich in der Ekstase einen kleinen Fehler machte, der allerdings kaum jemanden aufgefallen sein dürfte. Die Würdenträger und ihr stupider, fetter Anführer, der Bürgermeister, glotzten das Mädchen an, als wäre es etwas zu essen. Die gierigen Blicke zogen die Spielfrau fast aus, doch sie merkte es nicht. Oder tat wenigstens so.

Als sie schließlich zu Boden sank und ihre Tanzeinlage damit beendet hatte, erscholl Geklatsche und Gejohle. Man dankte der jungen Frau für ihren Auftritt und bat sie, doch etwas zu singen. Da wurde es für den Schatten interessant. Er würde in kürzester Zeit in der Lage sein, herauszufinden, ob er gefunden hatte, wonach es den König verlangte. Ein ziemlich gemeines Grinsen erschien auf Durzas schmallippigen Mund und kräuselte ihn zu einer Fratze abstoßender Gehässigkeit.

Mit einem breiten Lächeln und geröteten Wangen bezog Caterina Aufstellung vor den hohen Herren. Dabei wurde sie weder von Murtagh noch von Durza aus den Augen gelassen. Sie räusperte sich kurz und fragte dann ihre Zuhörer, welche Art Lied sie denn zu hören begehrten. Man sprach sich für etwas Lustiges aus und auf dem Gesicht der jungen Frau breitete sich einmal mehr ein Grinsen aus. Was sie vorhatte, war riskant, aber wenn sie es etwas umdichtete, würde es garantiert nicht auffallen. Sie wusste, was echte Spielleute sangen und sie wusste auch, dass vor dem Bunten Volk nichts geheimgehalten werden konnte. ER hatte nur Glück, dass ER immer eingesperrt hatte, was IHM nun verloren gegangen war, so dass das gemeine Volk noch nichts ahnte. Und das würde auch so bleiben. Unter keinen Umständen wollte Caterina zurück.

„Meine Herren, ich werde nun mit meinem Vortrag beginnen. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um ein Spottlied, welches nicht ganz ernst gemeint ist. Darum ersuche ich um Nachsichtigkeit, falls ich doch Missfallen erregen sollte.“, tat Caterina kund, ließ sich zusichern, dass man ganz sicher nicht beleidigt sein würde und ihr Lied begann:

„Dem König ward ein Schatz gestohlen, wir sollten ihn ihm wiederholen.

Es hieß, es würd' ihn furchtbar grämen, fürstlich der versprochene Lohn.

Der Grund sich der Dinge anzunehmen und auf große Fahrt zu gehen.
 

Da war der eine - mit sich nicht ganz alleine - der wohl niemals ein Wort sprach doch gut mit Pfeil und Bogen traf.

Und da war der, der größer als ein Baum - der konnte zuhauen.

Und da war die Kleine - die hatte vielleicht Beine - sie war die Schlauste und war schön wie keine.

Und schließlich ich, ihr Anführer wohl, als Vagabund das Land kannt'.
 

So zogen wir los dem Schatz auf der Spur.

Ist's Gold oder Silber, ist's Edelstein pur?

Keiner wusste was es war und das war sehr sonderbar...
 

Des Königs Schatz ist auf der Flucht, getrieben von der Eifersucht!

Er hatte wohl zu viele Mätressen, dabei sein eigenes Weib vergessen!
 

So zogen wir von Stadt zu Stadt, fragten wer gesehen hat,

welch' übler Lump den Schatz geklaut oder wie er ausschaut,

doch niemand hatte was gesehen, von diesem Frevel, dem Vergehen.
 

Doch dann wurden Gerüchte laut, von einer wunderschönen Braut,

die durch das Land lief, hier und da, doch für jeden Fremde war.

Vielleicht ja sie die freche Diebin, wir folgten ihr geschwind hin.
 

So zogen wir los, dem Schatz auf der Spur.

Ist's Gold oder Silber, ist's Edelstein pur?

Keiner wusste was es war und das war sehr sonderbar...
 

Des Königs Schatz ist auf der Flucht, getrieben von der Eifersucht!

Er hatte wohl zu viel Mätressen, dabei sein eigenes Weib vergessen!
 

Als wir die Frau dann schließlich fanden, ihr sogleich die Hände banden,

schauten wir genauer hin: "Seht! Es ist die Königin!"

Sie erzählt uns Sachen unter Tränen, die wir nicht mehr erwähnen...“
 

Kaum, dass die Spielfrau den ersten Satz beendet hatte, wusste Durza, dass er einen Volltreffer gelandet hatte. Er hatte gefunden, was der König vermisste und es zeugte nur von Dummheit, dass das Mädchen so dreist war, einen solchen Text vorzutragen, selbst wenn dieser verändert war und nicht genau den Tatsachen entsprach. Der Schatten rieb sich eifrig die Hände. Während die dummen Würdenträger noch lachten, trat er aus seiner dunklen Ecke hervor und ging gemessenen Schrittes auf das Mädchen zu. Sie würde ihm nicht entkommen. Dazu war sie zu ungebildet.

Murtagh hatte ja gewusst, dass da was im Busch war. Es kostete ihn nur den Bruchteil einer Sekunde, zu erkennen, dass sie beide mächtig in der Klemme steckten. Ein Schatten. Murtagh stöhnte auf. Und nicht nur einer. Ausgerechnet Durza musste es sein...

Zwar war es Ewigkeiten her, dass Murtagh das Haus seines Vaters verlassen hatte, doch an den Schatten konnte er sich noch allzu gut erinnern. Manches Mal war Durza bei ihnen aufgekreuzt und dann hatte Selena ihren Sohn hastig aus dem Zimmer gelotst. Trotzdem wusste Murtagh, dass sowohl sein Leben, als auch das Caterinas verwirkt war, wenn sie nicht rasch flohen. Und nicht einmal dann konnte er mit Gewissheit voraussagen, dass sie überleben würden.

Während der Schatten auf die Spielfrau zuging und Murtagh hin und her überlegte, wie sie beide mit heiler Haut davonkamen, war Caterina zur Salzsäule erstarrt. Natürlich kannte sie Durza. Besser, als ihr lieb war. Sie schluckte, konnte sich nicht mehr rühren. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, dem Wunsch des Bürgermeisters nachzukommen? Sie hätte ahnen müssen, dass es an der Sache einen Haken gab. Fieberhaft sann sie über eine Möglichkeit nach, zu entkommen. Ihr Blick schweifte zu Murtagh, der den Schatten mit einer Mischung aus Hass und Abscheu, aber auch Furcht, musterte. Sie schluckte. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und rannte. Rannte so schnell, wie ihre Beine sie tragen wollten. Murtagh, der ihren Blitzstart mitbekommen hatte, folgte ihrem Beispiel. Doch Durza ließ sich nicht so leicht abhängen. Er war ein Schatten und magiebegabter als die meisten Wesen Alagaesias. Die Elfen mochten ihm noch das Wasser reichen, wie der König auch. Aber abgesehen davon gab es keinen Zweifel an Durzas vollkommener Macht. Und die würde er einsetzen, um seinen Auftrag zu erfüllen und seinem König auf dem Silbertablett zu servieren, was ihm einst gestohlen in jener hellen Sommernacht vor zwölf Monden. Durza kannte kein Erbarmen.

Das wussten auch Murtagh und Caterina, weswegen sie Fersengeld gaben, um dem Palast von Gil’ ead und der Stadt an sich schnellstmöglich zu entkommen. Der Schatten war ihnen dicht auf den Fersen, doch die Angst verlieh den jungen Leuten Flügel. Sie hatten Glück, dass es noch hell war, denn im Dunkeln wäre Durza ihnen definitiv überlegen gewesen. Sie hetzten durch enge Gassen, quetschten sich in Hauseingänge und hatten sich irgendwann völlig verlaufen. Doch das alles zählte nichts. Hauptsache, sie waren dem Schatten entronnen. Wenn auch nur mit knapper Not...



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