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Die fetten Jahre sind vorbei

Widerstand ist zwecklos
von

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Reisegefährten

Die folgenden Tage stellten eine arge Geduldsprobe für Murtagh und Caterina da. Sie hatten sich zwar halbwegs arrangiert, aber sie gerieten dennoch häufig genug aneinander, so dass es vorkam, dass sie von einer harmlosen Unterhaltung in den schönsten Streit schlitterten, ohne recht zu wissen, wie es dazu gekommen war. Noch dazu war Murtagh sich ganz sicher, dass diese Spielfrau ein Geheimnis wahrte, welches zu ergründen ihn sehr reizte. Sie benahm sich manchmal einfach nicht wie eine von ihrem Schlag. Zwar trug sie die Tracht ihrer Zunft, doch ihre Sprache und ihr Benehmen erinnerten ihn an jemanden, den er vor langer, langer Zeit einmal gekannt hatte, als er noch ein kleiner Knirps von sieben Jahren gewesen war. Es war merkwürdig, wie gewandt die Spielfrau sich ausdrücken konnte, wie scharfzüngig und sarkastisch ihre Worte sein konnten. Zudem schien sie über ein Wissen zu verfügen, welches weit über das hinausging, was Murtagh von einer Angehörigen des Bunten Volkes erwartet hätte. Sie schaffte es immer wieder ihn zu überraschen.

Andersherum war es ganz ähnlich. Caterina staunte über die Fähigkeiten, die ihr Begleiter an den Tag legte. Und sie wusste, dass er, so wie sie, ein Geheimnis wahrte, welches er niemals preisgeben würde. Nicht einmal dann, wenn sein Leben davon abhinge. Und selbst seine miese Laune und die Kommentare, die er manchmal abgab und die sie zur Weißglut trieben konnten die Spielfrau nicht davon abbringen, ihn gewissermaßen zu mögen. Seinen Namen hatte er ihr mittlerweile verraten, sowie sie ihm den ihrigen. Beide hatten gestutzt, hatten sie doch früher einmal eine Person gekannt, die genau denselben Namen trug. Aber sie dachten sich nichts weiter dabei. Ganz sicher konnte es nicht DER Murtagh sein. Oder DIE Caterina.
 

Nachdem sie eine Woche gemeinsam unterwegs gewesen waren und langsam aus dem dichten Wald in weniger zugewachsene Gefilde kamen, beschloss Murtagh noch einmal ein Reh zu jagen, von dem sie einige Tage leben konnten, sollten sie wirklich so weit vom Weg abgekommen sein, wie er befürchtete. Caterina, die ihn belustigte, indem sie an ihrem Gesang feilte, blieb urplötzlich stehen.

„Ich gehe nicht weiter.“, verkündete sie, dabei einen trotzigen Unterton, der Murtagh stutzen ließ und neugierig machte.

„Warum nicht?“, wollte er wissen, während er sich zu ihr umdrehte.

Unwillkürlich zog sie den Kopf ein, doch ihr Blick war hart und entschlossen. Murtagh zog eine Augenbraue hoch, dann wiederholte er seine Frage. Er konnte nicht verhindern, dass sich ein Quäntchen Ungeduld in seine Stimme schlich. Caterina hatte wirklich viele Macken und Schrullen, aber dass sie sich geweigert hatte, weiterzugehen, hatte er bisher noch nicht erlebt. In den letzten sieben Tagen war sie ihm brav gefolgt, wohin auch immer er sie geführt hatte. Und kein Ton der Beschwerde war über ihre Lippen gekommen. Warum also stellte sie sich jetzt an?

Caterina biss fest auf ihre Unterlippe. Sie schlang ihre Arme um ihren Körper, als fröstele sie. Und tatsächlich hatte sie das Gefühl, es sei kälter geworden. Murtagh musterte sie weiterhin, jetzt aber mit wirklich brennender Neugier. Dieses Verhalten hatte er bei ihr bislang nur gesehen, wenn er vom Jagen kam und sie allein am Feuer saß und sich fast darin versteckte.

„Was ist?“, bohrte er nach.

Ein unendlich langer Seufzer war ihre Antwort. Doch ehe er weiternachforschen konnte, streckte sie den Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger auf die verschwommenen, aber schon zu erkennenden Umrisse einer großen Stadt.

„Das ist Urû’ baen.“, erklärte sie.

„Na und?“

„Da geh ich nicht hin. Nicht mal in die Nähe dieser verderbten Stadt!“, erwiderte sie heftig. Aus ihrem Ton filterte Murtagh sowohl panische Angst, als auch heißen, alles verzehrenden Hass. Was war in der Hauptstadt Alagaesias geschehen, dass sie einen solchen Widerwillen zeigte, auch nur mehrere Meilen an die Stadt heranzukommen?

„Wieso nicht?“

Murtagh hatte seine Neugier zügeln wollen, doch es war ihm nicht gelungen. Ehe er die Frage herunterschlucken konnte, hatte er sie bereits ausgesprochen. Mit Schrecken sah er die Reaktion seiner Reisegefährtin. Caterina wurde kreidebleich, Tränen sprangen in ihre grauen Augen und rannen über ihre Wangen, die normalerweise von gesunder Farbe waren und sich das ein oder andere Mal schon vor Verlegenheit rot wie eine Tomate gefärbt hatten. Aus ihrer Kehle drang ein schrecklicher Laut, der Murtagh Gänsehaut verursachte und ihm ein unbehagliches Gefühl einflößte. Es klang, als würde sie ersticken. Aber das konnte gar nicht sein, da sie ja nichts verschluckt hatte und niemand da war, der ihr die Luft abdrückte. Caterina schnappte krampfhaft nach Luft. Sie sank gegen einen Baumstamm hinter ihr, dankbar für die Stütze. Wann immer sie Urû’ baen zu nahe kam oder zu lang an Galbatorix dachte, bekam sie diese Beschwerden. Es war gut, dass sie geflüchtet war, aber schlecht, dass sie unter einem solchen Trauma litt. Sie schloss ihre Augen und rang um Fassung, um Ruhe. Ja, sie musste sich beruhigen, sich klar machen, dass alles in Ordnung war, dass niemand sie dazu zwingen würde, Urû’ baen zu nahe zu kommen.
 

Nach diesem Vorfall beobachtete Murtagh sie ganz genau. Sie hatte es zwar geschafft ihre Fassung wiederzugewinnen, doch hatte dieser Anfall ihm ziemlich Angst eingejagt. Und es gab wirklich nicht viele Dinge in Alagaesia von denen Murtagh das hätte behaupten können. So hatte er denn eine Kehrtwende gemacht und beschlossen einen großen Bogen um Urû’ baen zu machen, obwohl das bedeutete, dass er und Caterina noch länger Reisegefährten blieben. Andererseits war dieses schreckliche Gebaren der Spielfrau kaum mitanzusehen gewesen, so dass Murtagh beschloss, seine Begleiterin noch ein wenig länger in Kauf zu nehmen. Er war schließlich nicht grausam.

Dennoch, seine Neugierde wuchs ins Unermessliche. Wieder hatte er etwas an Caterina entdeckt, dass ihn rätseln ließ. Was war in ihrer Vergangenheit vorgefallen, dass sie derart reagierte?

‚Ob sie wohl Ähnliches erlebt hat, wie ich?’, fragte er sich, während er durch das Unterholz schlich, auf der Suche nach Wild.

Auch als er erfolgreich ein Reh geschossen hatte und den Rückweg zum Lager einschlug, beschäftigte er sich in Gedanken weiterhin mit dieser Frage. Allerdings blieb er stocksteif stehen, als er bemerkte, dass Caterina nicht am Feuer saß. Nur ihr abgetragener, zerschlissener Mantel und das Tamburin lagen da, von dem Mädchen aber keine Spur. Murtagh kam nicht umhin, einen Schrecken zu bekommen. Wo konnte sie hin sein?

Er hatte sich so daran gewöhnt, sie am Feuer kauern zu sehen, wenn er von der Jagd kam, dass er jetzt erschrak, sie nicht vorzufinden. Dabei hatten sie sich größtenteils nur angezickt und beschimpft, hatten sich gestritten, heftige Wortgefechte geliefert. Und dennoch, Sorge machte sich in Murtagh breit. Fast widerwillig musste er zugeben, dass er sich nicht nur an Caterinas Anwesenheit gewöhnt hatte, sondern dass er sogar Zuneigung zu ihr gefasst hatte und sie mochte. Er mochte sie.

„Bei allen vermaledeiten Häschern Galbatorix’, dieses Weibsstück liegt mir am Herzen!“, fluchte er. Da fingen seine scharfen Ohren den Klang von Wasser, das gestört wird, auf. Er folgte dem Geräusch, schlich langsam näher. Und stoppte schließlich im Schutz einer großen Buche. Dort lag ein Felsentümpel, gespeist von einem Waldbächlein, welches durch eine schmale Rinne weiter in das Unterholz führte. Der Vollmond beschien mit seinem silbernen Licht diese Szenerie. Nichts störte den vollkommenen Augenblick. Bis in der Mitte des Teiches plötzlich ein Kopf auftauchte, gefolgt von einem schlanken, geschmeidigen Körper, der im silbrigen Mondlicht schimmerte. Murtagh stockte der Atem. Unwillkürlich krampften seine Hände sich in den Stamm der Buche. Er wollte den Blick abwenden, konnte es aber nicht.

Die Spielfrau derweil bemerkte ihn gar nicht. Sie ließ ein leises, perlendes Lachen ertönen, während sie sich langsam wieder in das Wasser sinken ließ und ein paar Runden drehte. Als sie erneut ihren Körper zeigte, fielen Murtagh mehrere Details auf, die er zuvor nicht bemerkt hatte, da er so gebannt gewesen war von diesem Anblick. Ihr Rücken, dem sie ihm zugewandt hatte, war nicht makellos. Sonderbare Striemen verliefen auf ihm, schienen zwar alt zu sein, jedoch nie ganz verheilt. Sie hoben sich dunkel ab gegen die gespenstisch weiße Haut, die so rein wie Neuschnee wirkte. Das lange blonde Haar der Spielfrau war im Nacken zu einem Knoten gefasst, so dass Murtagh ihren anmutigen Hals erkennen konnte. sie drehte sich etwas, so dass er ihr Profil sehen konnte. Sicher, sie war keine klassische Schönheit zu nennen; dafür waren ihre Gesichtszüge nicht regelmäßig genug, aber irgendetwas an ihr ließ einen das übersehen. Als sie sich schlussendlich völlig in seine Richtung gedreht hatte, war Murtagh doch versucht, seine Augen ganz fest zu verschließen. Sicherlich würde die Spielfrau ihm eine runterhauen, sollte sie jemals erfahren, dass er sie bei ihrem nächtlichen Bad beobachtet hatte. Doch so sehr er auch gar nicht hinsehen wollte, er war einfach zu schwach dagegen anzukämpfen. Er musterte ihre vollen, milchig-weißen Brüste, die schmale Taille, die zu kurz geratenen Beine, das Gesicht mit den ausdrucksstarken, grauen Augen, umrahmt von blondem Haar. Seltsam, ihre Haut war zu hell, um einer Spielfrau zu gehören, ihr Haar hatte nicht die klassische Farbe. Vielleicht war sie ein Mischling. Aber nein, er glaubte, etwas an ihr wiederzuerkennen.

Das plötzliche Klatschen von Wasser ließ ihn aus seiner Trance erwachen. Die Spielfrau hatte sich hinter einen Felsen versteckt. Laute Stimmen drangen an Murtaghs Ohr.

‚Verdammt!’, durchzuckte es ihn. Wie hatte er nur so dumm sein können?

‚Wir sind nahe an Bullridge dran. Hier lauern ebenfalls Soldaten!’, rief er sich in Erinnerung.

Hastig begab er sich zurück zum Lagerplatz, raffte die Habseligkeiten Caterinas, sowie seine eigenen zusammen und machte sich daran, das Mädchen aus seiner prekären Lage zu befreien.
 

Caterina war gleichwohl erschrocken, aber auch sehr erleichtert über Murtaghs Geistesgegenwart. Sie hatte schon befürchtet, von den Soldaten geschnappt zu werden, was unweigerlich zur Entdeckung ihrer Person geführt hätte. Und dann wäre sie wieder in Urû’ baen gelandet, wo man sie eingesperrt hätte in ein Turmgemach.

‚Nicht zu vergessen die grausame Strafe, die mich für meine Flucht erwartet hätte.’, dachte sie unbehaglich, während sie rasch in ihrer Kleider schlüpfte, den Umhang umlegte und Murtagh so leise wie möglich folgte.

Als sie eine ganze Weile gegangen waren und der junge Mann es schließlich für sicher genug befand, anzuhalten und endgültig das Nachtlager aufzuschlagen, schlang Caterina ihre Arme um ihn und sagte aus tiefstem Herzen nur ein einziges Wort: „Danke!“



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