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Strange World

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Achtung: Doch noch ein Sayachi-Kapitel. Nicht wundern. :3 Komplett anzeigen

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Ein letztes Mal

Viel Spaß bei meiner neuen Digimon-Story ;)

Ich hoffe sie findet anklang =)

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Tequila, Vodka, Bier und anderes Gesöff.

Den Überblick über die Getränke hatte ich längst verloren.
 

Ich sah stattdessen in die lachenden Gesichter meiner Partygäste, die die harmonische Atmosphäre voll und ganz genossen. Sie hatten eine Menge Spaß.

Nur ich saß stumm auf einer Fensterbank, die Knie bis ans Kinn gezogen, und beobachtete das rege Treiben.
 

Der Grund für meine Antriebslosigkeit lag wahrscheinlich auch am Thema der Fete: Mein Abschied.
 

Ich hatte ein Stipendium an einer großen Modeakademie in Frankreich an Land gezogen, und würde nun für die kommenden vier Jahre von Familie und Freunde mehr als weit weg sein.

Wegen der Sprache musste ich mir zum Glück keine Sorgen machen.

An der Schule wurde überwiegend Englisch gesprochen, da sie zu 90% aus ausländischen Studenten bestand. Die letzten drei Jahre hatte ich vorsichtshalber einfach mal einen Englischkurs belegt. Man konnte ja nie wissen.
 

Bei dem Gedanken, alles hinter mir zu lassen, und ganz alleine in ein großes, fremdes Land zu reisen und dort zu studieren, trieb mir die Tränen in die Augen.

Es war nicht so, als würde ich mich nicht freuen, klar sonst hätte ich ja nicht zu gesagt.

Doch der Trennungsschmerz überwiegte in den letzten Tagen.

Über Matt durfte ich gar nicht erst nachdenken...
 

„Hey Sora! Komm lass uns ein Tänzchen wagen! So ein Abschiedstango!“, rief mir Tai zu und riss mich aus meinen Gedanken.
 

In einiger Entfernung stand er knapp vor dem beigen Sofarücken und winkte mir eifrig zu.

Doch ich schüttelte nur den Kopf. Mir war nicht nach feiern zu Mute.
 

Ich zog das hier eigentlich auch nur durch, weil mich meine Freunde dazu angestachelt hatten.
 

„Wenn du schon gehst, dann mit Pauken und Trompeten!“
 

Toll.
 

Enttäuscht ließ er den Arm sinken und ging auffordernd rückwärts.

Ich hatte es kommen sehen.

Das hinter ihm das Sofa stand, hatte er anscheinend vollkommen ausgeblendet.

Ob es am Alkohol lag?
 

Er fiel in Sekundenschnelle über die Lehne und landete irgendwie halb auf dem Boden, halb auf dem Sofa. Neben ihm saß Matt, völlig entspannt, und nippte an seinem Getränk.
 

„Das gibt aber Abzüge in der B-Note, mein Guter.“, murmelte er und grinste.
 

„Ja ich weiß, an meinem Abgang habe ich noch zu feilen...“, entgegnete mein bester Freund und versuchte zu ihm hoch zu robben.

Er schmollte, als ich näher kam, und mich über das Möbelstück beugte.
 

„Da haben wir die Übeltäterin ja!“
 

Ich grinste falsch und zuckte mit den Schultern.
 

„So hast du doch noch dein „Tänzchen“ bekommen... Wenn auch auf eine andere Art und Weise..“, meinte ich und schmunzelte. Es sah einfach zu komisch aus.
 

Wie er da so quer über dem Sofa lag und betrübt nach oben starrte, mit einer Hand im Stoff des Bezuges krallend, in der anderen Hand seine Flasche Bier.
 

Meine Freunde schafften es doch immer, wenn auch unbewusst, mich in allen Lebenslagen zum Lachen zu bringen.
 

Matt lächelte matt und half seinem besten Freund in die Senkrechte.
 

„So gefällst du mir schon besser. Ich unterhalte mich höchst ungern mit deinen Socken...“
 

Tai streckte ihm die Zunge raus und wandte seinen Blick wieder zu mir.
 

„Das kriegst du noch zurück Fräulein...“, murmelte er grinsend, stand auf und lief um das Sofa herum. Ich nahm die Hände vorsichtshalber schon mal abwehrend hoch, wer weiß was er vor hatte.

Doch alles, was er tat, war mir in den Hintern zu kneifen und davon zu ziehen.
 

Grinsend schaute ich ihm nach, als ich plötzlich eine zarte Berührung auf meiner Hand spürte.
 

Schmunzelnd schielte ich nach unten und kassierte ein kleines Zwinkern.

Wie ein unsichtbares Seil, zog es mich um das große Polsterstück herum, auf den Schoß meines Freundes der mich mit glühenden Augen betrachtete.
 

„Nette Party....“, murmelte er und strich mir durch das rote Haar.
 

Ich lächelte und seufzte zu gleich.

Eigentlich war es ja zum heulen.

Sein charmantes Grinsen würde ich eine ganze Weile nicht mehr bewundern dürfen.
 

War es eigentlich normal bei dem Anblick seines Freundes ihn an Ort und Stelle vernaschen zu wollen?
 

Ging aber leider nicht. Ich hatte hier eine Party am Laufen.
 

Das gedämpfte Licht im Raum spiegelte sich in seinen tief blauen Augen wieder und verlieh seinem blonden Haar einen leichten Schimmer. Ein Traum von einem Schwiegersohn..
 

Er legte seine Hände auf meine Wangen und zog mich zu sich runter.

Bevor wir uns küssen konnten, tippte mir jemand hartnäckig auf die Schulter.
 

Grummelnd wand ich mich um, und schaute Mimi entgegen.

Ihre honigfarbenen Augen wirkten ganz gläsern. Sie stand kurz vorm Weinen.
 

Ich zog fragend die Augenbrauen zusammen und wartete auf eine Reaktion ihrerseits.

Im Grunde genommen wusste ich, worum es ging.
 

„Er sitzt nun schon den ganzen Abend bei diesem Mädchen und nimmt mich überhaupt nicht wahr!“, jammerte sie und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.
 

Erschöpft seufzte ich. Wie oft musste ich mir das nun schon anhören...

Mimi war es nicht gewohnt bei Jungs abzublitzen, und schon gar nicht bei Izzy.

Aber sie hatte ihn viel zu lange nur benutzt und verletzt, ohne zu merken, wie sehr er unter ihr litt.
 

Zu spät erkannte sie ihre wahren Gefühle.

Nun hatte er jemanden gefunden, der ihn mochte. Der ihn wirklich mochte.

Allerdings wollte das Mimi nicht ganz in den Kopf.

Egal wie oft man es ihr sagte.
 

„Mimi sieh´s ein....“, gab Matt von sich, schob mich runter und stand auf.
 

Sichtlich genervt schenkte er mich einen Kuss auf die Wange und verschwand im Dunkeln.
 

Ich warf meiner Freundin einen genervten Blick zu.

Es war einer dieser seltenen Momente, in denen ich mit Matt alleine sein konnte.

Und natürlich musste Mimi das wieder kaputt machen.
 

Ich hatte keine Lust mehr die leidige Geschichte über Izzy zu hören.

Was dachte sie eigentlich würde passieren?

Das er ihr sofort wieder in die Arme sprang, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn nun wirklich liebte? Sie war ja so naiv....
 

„Sora!“, quiekte sie herzzerreißend und schüttelte mich.
 

Verwirrt schaute ich in Richtung Izzy, der sich gerade über seine Freundin gebeugt hatte und die beiden eine wilde Knutschorgie starteten. Meine Augen weiteten sich.
 

Aus dem schüchternen Computerliebhaber war allmählich ein Mann geworden.

Gut, mit mittlerweile siebzehn Jahren kein besonderes Merkmal. Aber bei Izzy....
 

Ich hätte mich liebend gern gefreut ohne Ende, währen da nicht zwei entscheidende Dinge, die mich doch recht störten:
 

Erstens, Mimi stand den Tränen nahe vor mir und brauchte mal wieder meine Schulter zum ausheulen...

Zweitens wünschte ich mir, dass Matt und ich dort liegen würden. Küssend, Fummelnd und...

Huch, ich weiche vom Thema ab...
 

Ich schüttelte den Kopf und lächelte Mimi aufmunternd an.
 

„Komm, wir lassen uns auf hohem Niveau volllaufen. Nieder mit allem anderen. Nieder mit meiner Abreise, mit dieser Party und mit Iz´neuer Freundin..“
 

Ich musste zugeben, dass ich Letzteres gar nicht beurteilen konnte. Ich kannte sie gar nicht...
 

Aber eins stand fest: Sie war verdammt hübsch!
 

Die fließend braunen Wellen ihrer glänzenden langen Haare, die grünen Augen, die wie Smaragde leuchteten. Außerdem hatte sie einen ausgezeichneten Sinn für Mode, sie sah einfach zum dahin schmelzen aus.
 

Wenn ich ein Junge wäre, würde ich mich wahrscheinlich auch in sie verlieben.
 

Mimi schniefte und zog mich motiviert zum Tresen.
 

Nun war das Schönsaufen angesagt.

Das hatte ich auch bitter nötig.

Ich hatte keinen großen Bedarf, meinen Abschied zu feiern, der hier den meisten der Anwesenden sicherlich scheißegal war. Hauptsache Party.
 

Es war ein kniffliger Weg zu den Weltverschönern, immer wieder stolperte man über tanzende, knutschende und Flaschendrehen spielende Menschen, die das ganze Wohnzimmer belagerten.
 

Immer wieder hielt ich Ausschau nach Matt, der vor wenigen Minuten völlig entnervt abgedampft war.

Trotz des überfüllten Wohnzimmers musste doch der Blondschopf auffallen.
 

Doch alles was ich fand, war Joe, der auf dem Tisch abging wie Schmidts Katze.

Der sonst so pflichtbewusste Student hatte alle seine strengen Manieren abgelegt und sich ordentlich die Kante gegeben. Das Ergebnis war ein völlig verwandelter Joe der Stimmung machte und sogar mit Mädchen flirtete. Ein sehr ungewohntes Bild.
 

Während ich betete, dass der Holztisch sein Gewicht aushielt, bahnte sich Mimi einen Weg durch die feiernde Menge.
 

„Sag mal kennst du die alle überhaupt? Mindestens die Hälfte habe ich noch nie gesehen..“, rief sie mir zu und setzte sich auf einen Hocker.
 

Mir fiel auf das die Musik hier noch lauter war.

Wahrscheinlich saßen wir direkt unter einem Lautsprecher.
 

„Ich muss gestehen, mir geht es ähnlich! Aber ich habe auch niemanden eingeladen, dass waren die Jungs!“, entgegnete ich und hoffte doch schwer, dass sie mich verstand.
 

Mimi grinste und schnappte sich ein Getränk der großen Auswahl.
 

„Auch egal. Ich hoffe nur, dass die Bude danach noch steht!“
 

Mimi nahm den Satz „Sich den Abend schön saufen“ sehr ernst.

Ein Cocktail nach dem anderen landete in dem zierlichen Körper meiner Freundin und dem entsprechend stieg auch ihre Laune.

Sie wurde zunehmend unangenehmer, sie kicherte wegen jedem Müll.

Sie machte mir Angst...

Einst stand fest: Sie würde gut schlafen, und mächtige Kopfschmerzen bekommen.
 

Ich beobachtete sie weiter skeptisch und schlürfte meinen Tequila.
 

Nach einiger Zeit stand sie fest entschlossen auf und ging einige Schritte wankend vorwärts.
 

„Wenn Izzys mich schon nicht liebt, dann suche ich mir eben auch jemand anderes..“, sagte sie und schwankte in das Gewusel.
 

Ich sah ihr verdattert nach.

Was bei ihr anscheinend zu viel gewirkt hatte, zeigte bei mir keinerlei Wirkung.

Ich war genau so traurig drauf wie zuvor.
 

Und wieder saß ich alleine da. Wo war nur Matt?
 

Ich beschloss mich auf die Suche zu machen und stellte mein Glas ab.

Erst jetzt bemerkte ich, wie schnell die Zeit voran geschritten war.

Ich hatte Glück, die ersten hatten keine Lust mehr.
 

„Super Party, S... S.. Sora...“, säuselte Joe vor sich hin bevor er, von Davis und Cody gestützt, durch die Tür schlurfte.
 

Ich hoffte, dass er bis zu meinem Abflug wieder voll und ganz auf dem Damm war.
 

Ich winkte und verabschiedete weitere Gäste.

Der Schwung von Partymenschen nahm ab, und so langsam leerte sich die Wohnung wieder.
 

„Mach´s gut Sora, mein Herz. Wir sehen uns dann ehm... in vier Tagen!“, rief mir Tai zu und warf mir eine Kusshand zu. Ich grinste breit und fing sie symbolisch auf.
 

Bei seinem Abgang fiel mir etwas an seinem Hals auf. War das etwa ein Knutschfleck?

Nachdenklich zuckte ich mit den Schultern. Er würde es mir sicherlich noch früh genug erzählen.
 

Nachdem auch die Letzten verschwunden waren, schaute ich mich um.

Es war ein großes Chaos. Und wer durfte das wieder aufräumen?
 

Ich liebte es.... Erst feiernd die hier eine Party, von der ich nichts wusste, und hauen dann ab, wenn es ans Beseitigen der Spuren ging. Typisch..

Hier hatte doch sowieso niemand wirklich darum getrauert, dass ich bald abreisen würde.

Niemand hatte „auf Wiedersehen“ gesagt.
 

Ich stellte mich seufzend an das große Fenster des Wohnzimmer und beobachtete das Lichterspiel der Außenwelt.
 

Matt umarmte mich von hinten und küsste mein Haar.

Er war als Einziger geblieben, um mir wenigstens ein bisschen beim Aufräumen zu helfen.

Wir wussten beide, dass es dazu nicht kommen würde. He he..
 

„Was für ein Abend...“, murmelte ich erschöpft und schmiegte mein Gesicht an seiner Wange an.
 

Er strich mir über die Arme und grummelte.
 

„Ich hasse Partys....“
 

Der Blonde schmunzelte und küsste meinen Hals.
 

„Was hast du erwartet? Die Leute, die Tai da bestellt hatte waren eh nur zum abfeiern gekommen.

Ich glaube die meisten kannten dich noch nicht einmal... Don´t worry, Honey... Tai hat´s nur gut gemeint...“
 

Tai hatte diese Feier für mich organisiert. Er wollte mich gebührend verabschieden.

Aber die Party war echt für den Schredder..
 

Von draußen leuchteten die Straßenlaternen in die dunkle Wohnung.

Die Lichtstrahlen tanzten an den Wänden und fuhren wie ein Scanner über unsere Körper.

Schweigen hallte durch den Raum.
 

„Wo warst du eigentlich den ganzen Abend? Ich habe dich ja kaum gesehen...“
 

Matt kicherte leise.
 

„Ich habe euch alle beobachtet. Die frustrierte Mimi, die schließlich irgendwann über Tai hergefallen ist..“
 

Daher also der Fleck an seinem Hals...
 

„Izzy, der knutschend in der Ecke saß und nach einiger Zeit mit seiner Angebeteten verschwunden ist... Joe, der schließlich nach Tonnen von Alkohol unter dem Tisch lag und wie du gesehen hast von Davis und Cody nach hause getragen werden musste. Die hatten zuvor mit Kari,Wallace und T.K Flaschendrehen gespielt... Die werden viel zu schnell erwachsen, dass war nicht mehr jugendfrei..“
 

Verwundert lauschte ich seinen Worten und schaute ihn mit großen Augen an.

Was er alles beobachtet hatte...
 

„Yolei hat Ken die ganze Zeit zu gelabert, ich glaube deswegen ist er auch so schnell wieder abgehauen..“
 

Er lächelte warm und strich mir liebevoll über die Wange.
 

„Dich habe ich auch gesehen... Aber ich wollte warten, bis ich dich ganz für mich alleine habe..“, flüsterte er und hauchte mir sanft einen Kuss auf die Lippen.
 

Ich sog den Duft seiner Haut ein und genoss seine Anwesenheit.

Er schaute mir tief in die Augen, strich mir über den Rücken und zog mich zu näher zu sich.

Ich seufzte.
 

Es gab nicht viele Momente, in denen wir zwei alleine waren.

Wir hatten lange Zeit für die Schule lernen müssen, um irgendwie unser Abitur zu kriegen, er hatte viele Proben mit seiner Band und ich war viel mit meinem Tennisverein auf Turnieren gewesen.

Und wenn da mal eine Sekunde da war, waren meistens all unsere Freunde dabei.

Kein leichtes Leben.
 

Nach einigen stillen Augenblicken des Anstarrens, verfielen wir in eine wilde Knutscherei.

Gierig krallte ich mich in seinen Rücken, wie ich nach seinen Berührungen lechzte.

Jeder Kuss brannte sich in meine Seele ein.
 

Während ich so vor mich hin träumte, ließ Matt mich auf das mächtige Sofa fallen und küsste mich von meinem Hals ab runter zu meinem Ausschnitt und wieder hoch.

Ich schloss die Augen und genoss die Liebkosungen.
 

Meine Beine fingen an zu zittern, und Hitze stieg in mir auf.

Er wusste wie er mich rumkriegte, obwohl er dass heute gar nicht musste.
 

Nach einem ganzen Abend voller Alkohol und meiner deprimierten Partystimmung, wäre das der erste Höhepunkt des Tages gewesen.
 

Er strich mir über die grüne Bluse, runter zu meinem roten Rock und über meine Beine.
 

„Worauf wartest du?“, hauchte ich und beobachtete ihn wie er ganz langsam einen Knopf meines Oberteils öffnete.

Er grinste und beugte sich über mein Gesicht.
 

„Sei nicht so ungeduldig...“, flüsterte er und zeichnete mit dem Zeigefinger die Abzeichnungen meiner Brüste auf der Bluse nach.
 

Ich wuschelte ihm durch die Haare und grinste schwach.
 

„Du willst mich also ärgern?“
 

Ich schaute ihm fordernd ins Gesicht und bekam einen Kuss. Weitere blieben mir verborgen.

Er starrte mich nur weiter an und ließ seine Hand zwischen meine Beine fahren.
 

„Ich liebe es, dich zur Weißglut zu treiben....“
 

Ich stöhnte langsam und krallte mich in seinen Nacken.

Es war grausam zu wissen, dass ich mich eh nicht wehren konnte.
 

Während er mich an den empfindlichsten Stellen streichelte kratze ich ihm gerade die Haut vom Rücken. Ich wurde völlig wahnsinnig.
 

„Junge Frau, sie tun mir weh!“, bemerkte er und lachte.
 

Ich schmollte.
 

„Wenn du mich hier auch so fertig machst..“
 

„Du bist viel zu empfindlich, dafür kann ich nichts. Du armes Seelchen...“
 

Er löste mich von meiner Bluse und strich mir über den Bauch.

Ich setzte mich auf uns riss ihn sein blödes Hemd vom Leib.

Es musste doch mal was passieren, ich brauchte Spaß...
 

„Kind, dass war mein Lieblingshemd..“, murmelte er und kniff mich in die Seite.
 

Ich grinste.
 

„Das ist mir so egal....“
 

Er zog lächelnd eine Augenbraue hoch und schmiss mich zurück auf das Sofa.
 

„Trag´ die Konsequenzen, Schätzchen!“, grummelte er und knabberte an meinem Ohrläppchen.
 

Ich fing lauthals an zu lachen. Ich liebte unsere Gespräche.
 

Er entriss mir den Rest meiner Kleidung und ließ sich über mir fallen.

Wir grinsten uns an.
 

„Schluss mit den Spielchen.. Jetzt mach ich dich fertig, Sora!“, drohte er und fletschte seine Zähne.
 

Ich prustete bei seinem Anblick los, was sich allerdings daraufhin in ein Stöhnen umwandelte.

Es fühlte sich an, als wären wir eins, als wir uns vereinigten.

Ein Traum.

Stöhnend küssten wir uns.
 

Nach einiger Zeit fiel er erschöpft neben mich und schnappte nach Luft.
 

„Ich hab einen Hörsturz...“, sagte er unter Keuchen und schmunzelte.
 

Ich wand meinen Kopf in seine Richtung und schaute ihn fragend an.
 

„Was meinst du?“
 

„Du hast mir derbe in die Ohren geschrien´ist dir das nicht aufgefallen?!“
 

Ich riss die Augen auf.

Das hatte ich gar nicht mitbekommen.

In meinen Ohren hörte ich nur Glocken, und ein Feuerwerk. Das schien allerdings ich selbst gewesen zu sein.
 

Matt lachte und küsste meine Schulter.
 

„Du bist echt unverbesserlich, Sora...“
 

Mit diesen Worten war er schließlich eingeschlafen.

Ich starrte weiterhin an die Decke und dachte nach.
 

Und den musste ich hier vier Jahre zurück lassen?

Es war so schön, so aufregend. Ich genoss jede Minute mit Matt.

Aber bald hieß es Abschied nehmen. Ich würde in ein paar Tagen nach Frankreich fliegen.

Au revoir Sora...

Jemand Neues in meinem Herzen

Und wieder was zum Lesen ;)

Viel Spaß

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Ich wachte mit einem tierischen Kater auf. Zum Glück hatte ich es wenigstens nach Hause, in mein Zimmer geschafft. Ich lag halb angezogen auf meinen Bett, quer über meinen Oberkörper tauchte Saya auf.

Ich langen braunen Haare kitzelten meine Arme.
 

Grinsend lauschte ich ihrem Atem, der sich wie ein andauerndes Seufzen anhörte.
 

Sonnenstrahlen drängten sich durch die Lücke meiner Vorhänge und verliehen ihrer porzelanweißen Haut einen leichten Glanz. Sie sah aus wie eine schlafende Schönheit.
 

Seit knapp zwei Monaten waren wir nun schon zusammen.

Nach der Flaute mit Mimi war Saya eine willkommene Wende in meinem Leben.
 

Mimi hatte mich wochenlang nur ausgenutzt und getriezt.

Izzy mach dies, Izzy mach mal das, kannst du nicht aufpassen du Volltrottel. Idiot, Schlappschwanz.

Warum ich mir das gefallen lassen habe?

Weil ich sie verdammt nochmal geliebt habe...
 

Viele Male hatten mir die anderen geraten sie zu verlassen, sie würde mich noch kaputt machen.

Die Wahrheit war, dass sie das längst erreicht hatte.

Mit ihrer Ignoranz und ihrem Egoismus.

Aber das wollte ich nicht sehen, ich trug wie man so schön sagt, die rosarote Brille.
 

Außerdem war sie auch nicht immer so gewesen, sie hatte auch ihre liebevollen Seiten.

Das musste ich ihr einräumen.
 

Dennoch war die Waagschale mit den schlechten Angewohnheiten so schwer, dass dieser eine positiver Funke nur wie eine kleine Feder wirkte. Gegen Ziegelsteine kam die nicht wirklich an.
 

Als ob das nicht genug war, musste sie noch einen drauflegen.

Sie fing an mich für jede Kleinigkeit anzuschnauzen und ohrfeigte mich sogar.

Das war sogar für mich zu viel. Und so fiel die Brille runter, und ich merkte was für eine miese Schlange sie sein konnte.

Schluss.
 

Ein Rascheln ließ mich aufschauen.

Langsam erhob sich der zarte Körper Sayas und ein verschlafenes Augenpaar blickte mir entgegen.

Ich grinste und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
 

„Schönen, guten Morgen..“, murmelte ich und setzte mich auf.
 

Sie schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, dass mich fast zum Schmelzen brachte.
 

„Hunger?“
 

Ich setzte meine Füße auf den blauen Teppichboden auf und schniefte.
 

Ob meine Eltern etwas von unserem regen Treiben mitbekommen hatten?

Leise waren wir nämlich nicht gewesen.

Ein leichtes Grinsen huschte über mein Gesicht.
 

Doch der Gedanke an meine Eltern ließ mich nicht in Ruhe.

Zumindest meine Mutter wäre doch schon ins Zimmer gestürmt, und hätte nach Frühstück gefragt.
 

Saya robbte neben mich und schaute mich an.
 

„Wenn du was Leckeres findest..“, sagte sie und stand auf.
 

Erst jetzt fiel mir auf, dass sie mein Hemd trug

Der graue Stoff umspielte ihre zierliche Figur, man sah deutlich, dass es ihr zu groß war.

Einer der Ärmel rutschte ihr immer wieder von der Schulter.
 

Noch mehr von ihrer weichen Haut, da kann man(n) doch nur schwach werden, oder?
 

Sie zog mit einem Ruck die Vorhänge auf, und ließ die komplette Sonne ins Zimmer.

Ich zuckte zusammen wie ein lichtscheues Tier und kassierte ein Lachen.
 

„Wie ein Vampir, der bei Sonnenstrahlen verbrennt.“, witzelte sie und wuschelte mir durch die Haare.
 

Sie war so lieb, und doch so gemein....
 

Ich stand auf, pickte sie in die Seite und wurde zu einem Kuss runtergezogen.

So was hatte ich gern. Erst meine Augen quälen, dann wieder einschleimen.

Mädchen, dass Komplizierteste der Welt!
 

Ein unschuldiges Lächeln, ein kleines Haare zurückstreichen inklusive Augengeklimper und schon gehörte ich ihr. Das ging aber auch leicht bei mir....
 

Genau wie damals, als wir uns näher kamen.

Es war direkt nachdem ich mit Mimi Schluss gemacht hatte.
 

Ein kurzes, schmerzloses „Ich mach Schluss.“, mehr war das nicht.

Mimi hatte mir wütend eine geklebt und war abgedampft, nichts von Emotionen.
 

Ich hatte nur gelacht. Laut, befreiend.

Zum ersten Mal seit langem war ich wieder glücklich.

Raus aus der Tyrannei, zurück in das Leben.

Allerdings ohne Mädchen, davon hatte ich genug.
 

Doch das sollte sich ruckzuck ändern. Mit Saya.

Und wie gesagt, dass ging sehr schnell.

Ich hab sie quasi „überrumpelt“.
 

Aber von vorne:
 

Ich fuhr eines Tages mal mit dem Fahrrad zur Schule, weil ich total verschlafen hatte.

Ich hatte mal wieder tausend Dinge auf einmal im Kopf und achtete nicht auf die Straße.

Das wurde für Saya, die aus einer Seitenstraße kam zum Verhängnis.
 

Sie sah mich nicht, ich sah sie nicht, und schon war das Chaos perfekt.

Ich bremste hart, als sie direkt vor meinem Reifen stand und flog über den Lenker.

Direkt auf sie zu.

Natürlich riss ich sie mit runter auf den Bürgersteig und stöhnte beim Aufprall.
 

Einige Sekunden der Schreckensverarbeitung später sahen wir uns scheu an.
 

„Hey...“, murmelte ich und keuchte. Sie lag direkt auf meiner Lunge, kein schönes Gefühl.
 

Als mich ihre smaragdgrünen Augen trafen, war es praktisch schon um mich geschehen.

Ich schluckte.
 

„Izumi... Na so was....“ Sie lächelte errötet.
 

Ich konnte nicht anders als es zu erwidern. Wie konnte man nur so verdammt hübsch sein?Es traf mich wie ein Blitz.
 

„Tut mir Leid, für gewöhnlich fliege ich nicht, sonder gehe zu Fuß.“
 

Sie lachte und richtete sich auf.

Sie war mit Straßendreck leicht bedeckt und klopfte es sich von der Uniform.
 

Ich dachte eigentlich, Izzy, du weißt Mädchen sind nur Zicken, lass die Finger davon.

Aber jetzt? BAM!
 

Ich hatte mich völlig verknallt. Und das so schnell.
 

Ich sprang auf und ignorierte meine vom Aufprall stammenden Schmerzen.

Flott schnappte ich mir das Fahrrad, auf dem ich nie wieder fahren werde, und stellte mich wieder neben sie.
 

„Ich hoffe deine Knochen blieben unversehrt..“, sagte ich und reichte mit meinem charmantesten Grinsen, dass ich aufbringen konnte, die Hand.
 

Sie nahm sie schmunzelnd entgegen und erhob sich. Ihr Bein zuckte, womöglich war sie genau drauf gefallen.
 

„Es geht schon, danke. Ein paar blaue Flecke, ich werd´s überleben...“
 

Ihre Stimme klang in meinen Ohren engelsgleich. Verdammt, an den Mythos „Liebe auf den ersten Blick“ hatte ich doch noch nie geglaubt... Bis dato.
 

Besorgt schaute ich auf ihr Bein. Sie bekam es nicht mal gerade...

Ich biss mir auf die Lippe.
 

„Darf ich dich wenigstens zur Schule begleiten? Als Entschädigung, für meinen rabiaten Fahrstil.“, sagte ich und reichte ihr meinen Arm zum einhakten hin.
 

Sie kicherte und nahm das Angebot an.

Zusammen humpelten wir Richtung Schule, und erzählten unsere Lebensgeschichten.

Ja, was man alles auf den Schulweg schaffte.
 

Ich hatte sogar den Mut gefasst, und sie gefragt, ob sie mal mit mir ausginge.

Sehr überraschend was?

Hättet ihr wohl nicht vom schüchternen Izzy gedacht.

Aber ich hab´s euch gezeigt! Ha, ha!! Entschuldigung...
 

Und sie hatte sogar zugesagt.

Wir hatten viele Gespräche, und merkten, wie gut wir zusammen passten.

Und dann passierte es schließlich. Ein Kuss, ein „Ich liebe dich“ und schwuppdiwupp waren wir zusammen.
 

Sehr zur Freude der anderen.
 

Ich ging zu meinem Schrank und zog mir ein T-Shirt über, es war irgendwie frisch.
 

„Sind deine Eltern vielleicht gar nicht da? Es ist so leise...“, fragte Saya und stellte sich schon mal an die Tür.
 

Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf und ging auf sie zu.
 

„Das wollen wir doch mal überprüfen, nicht wahr?“
 

Entschlossen öffnete ich die Tür und lauschte. Stille.

Normalerweise hörte man doch meine Mutter in der Wohnung rumwuseln.
 

Schultern zuckend drehte ich mich wieder zu Saya um.
 

„Merkwürdig, keiner da.“
 

Saya trat an mir vorbei und hob einen Zettel von der Kommode auf.

Ein Hinweis!
 

„Ich bin mit deinem Vater bei einer Bekannten, die hatte einen Unfall und brauchte dringend unsere Hilfe. Essen steht im Kühlschrank, falls wir bis morgen Nachmittag noch nicht zurück sind. Wenn wir auf dem Heimweg sind, rufen wir durch. Gruß Mama+Papa.“, las sie vor.
 

Wir haben Blau und Schlau gelöst, wir haben Blau und Schlau gelöst, wir haben Blau und Schlau gelöst, denn wir sind ganz schön schlau. Eh... wie alt war ich gleich nochmal, Frau Autorin?

Siebzehn? Ah, danke, hatte ich gerade vergessen..
 

„Sturmfrei, nach klasse. Kein Wunder, dass noch niemand ins Zimmer geplatzt ist.“, sagte ich und lachte.
 

Wenigstens musste ich mir um die Beiden keine Sorgen mehr machen.

Saya tätschelte mir die Hand.
 

„Essen? Jetzt? Sofort? Auf der Stelle?“
 

Wir lachten. Saya war etwas verfressen.

Sobald man ihr das Wort „Essen“ an den Kopf knallte, war sie sofort Feuer und Flamme.
 

Doch unsere Pläne wurden durch ein Klingeln gestört. Die Tür.

Grummelnd schlürfte ich hin und öffnete einen Spalt.

War ja klar. Mimi stand vor auf der Matte.
 

Seit einiger Zeit hatte es sich die Nervensäge zur Aufgabe gemacht, mich regelmäßig zu besuchen. Generell versuchte sie jetzt all den Kram zu machen, den man eigentlich in einer Beziehung machte. Irgendwie ja zu spät.
 

„Was willst du?“, fragte ich sie emotionslos.
 

Sie biss sich auf die Lippe. Gleich kam wieder ihre Mitleidstour.
 

„Izzy.. ich..“, stotterte sie und fing an zu weinen.
 

Jedes Mal wurde sie dreister, langsam platzte mir der Kragen.
 

Ich war ja ein friedliebender Mensch, aber was zu viel war, war zu viel.
 

„Was Mimi? Hast du kein neues Opfer gefunden? Will keiner mehr deine Klamotten tragen, sich von dir erniedrigen und schlagen lassen? Oder kommst du hier jetzt ernsthaft angekrochen, weil die eingefallen ist, dass du mich liebst? Du bist die größte Schlange auf der Welt, damit du´s weißt!“
 

Angewidert starrte ich sie an.

Meine ganze Wut platzte heraus, ich war richtig in Rage.
 

Mimi heulte bittere Tränen.

Ja, dass konnte sie gut. Weinen um an ihr Ziel zu kommen.

Früher hatte das bei noch gefruchtet.
 

„Deinen jetztigen Gefühlszustand hast du mehr als verdient. Man musst dich anscheinend anschreien, damit du endlich kapierst...“
 

ich schüttelte den Kopf als sie den Mund öffnete..
 

„Mach es nicht noch schlimmer...“,sagte ich kalt und schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
 

Ich konnte sie nicht mehr sehen, nicht mehr hören.

Sollte sie doch endlich wieder nach Amerika abhauen.

Ich zitterte vor Wut.
 

Saya stand hinter mir und hatte die ganze Zeit über meine Hand gehalten.

Sie war mein Antrieb gewesen.

Ohne sie hätte ich mir Mimis Gejammer wohlmöglich wieder angehört, und ihr dann in einem angespannten Ton erklärt, dass es nie wieder ein „UNS“ geben würde.
 

Dabei war ich innerlich so was von sauer auf sie.
 

„Alles okay...?“, wollte sie vorsichtig wissen und rückte näher.
 

Langsam umarmte ich sie und atmete den ganzen Müll aus.
 

„Ja, jetzt schon....“
 

Sie strich mir beruhigend über den Rücken. Wie ich sie brauchte...
 

„Das hast du sehr gut gemacht... Du warst auch nicht zu grob, falls dir der Gedanke gerade kommt. Sie brauchte das. Sie muss begreifen, dass sie dich nicht mehr haben kann.“
 

Woher wusste sie, dass ich das gerade gedacht hatte? Mensch, sie war gut.
 

Sie zog mich Richtung Küche und grinste breit.
 

„Und darauf ein Brötchen, oder so..!“, witzelte sie und zwinkerte.
 

Sie schaffte es in schnell, mich wieder abzulenken.
 

Vielleicht war das der Grund, weshalb ich mich so in sie verliebt hatte...
 

Ich, der zuvor so schüchterne Koushiro, der sich auch nach Jahren lieber hinter den PC klemmte, und alles Neue mit der Atemluft aufsaugte.
 

Vorallem, nachdem ich auch noch von jemanden, den ich in meine veschlossene Welt gelassen hatte, nach Strich und Faden in den Boden gestampft wurde und nach dessen Rauswurf den Schlüssel weggeworfen hatte.
 

Saya hatte als Einzige versucht, diesen wieder zu finden, dass richtige Schloss geknackt und mit ihrer impulsiven Art mein Leben auf den Kopf gestellt.

Sie ließ die Sonne scheinen, obwohl es regnete. Was ganz Besonderes.
 

Das erste Mädchen, bei dem ich mich auf Anhieb wohlgefühlt hatte.
 

Und das erste Mädchen, mit dem ich weiter gegangen war.

Wir waren ja nicht umsonst früher von der Party verschwunden... he he...
 

Nun stand die Frau meines Herzens in der Küche, um mir ein Brötchen zu schmieren.

Wirklich süß, nicht wahr?
 

Ich nahm ihr das Messer aus der Hand und schaute ihr tief in die Augen.
 

„Nanu, was geht denn jetzt?“, fragte sie mit verwirrtem Blick.
 

Ich beugte mich zu ihr runter und küsste sie.
 

„Danke. Danke, dass du da bist.“

Der rote Faden

Es war so wie die letzten Jahre auch.

T.K und ich standen nur nebeneinander und unterhielten uns, und schon war Davis am Toben.

Er hatte sich kein Stück verändert.

Ein lächerliches Bild.
 

Auch gestern auf der Party hatte er kein Benehmen gezeigt, sondern die Stimmung zerstört.
 

Wir spielten Flaschendrehen und Yolei war an der Reihe gewesen.

Da Cody gerade wieder zu uns gestoßen war, ließen wir die „nicht ganz jugendfreien“ Sachen sein, und beschränkten uns auf Dinge wie Küssen.

Anders bekam man den dreizehnjährigen nicht zum Mitspielen.
 

„Also, auf wen die Flasche zeigt, der muss Kari küssen!“, sagte sie und grinste.
 

Sie hätte damit garantiert aufgehört, wenn der Flaschenkopf auf sie gezeigt hätte.

Wie Ken wohl darauf reagiert hätte?
 

Aber sie hatte Glück.

Er hielt bei T.K.
 

Na welch ein Zufall.

Allgemeines Schmunzeln, nur Davis hätte platzten können. Er war so anstrengend.
 

Alle waren stets der Meinung, T.K und ich wären ein absolutes Traumpaar.

Die „Ausrede“, wir wären nur beste Freunde, wollte keiner mehr für wahr halten.

Dafür saßen wir wohl wirklich zu oft aufeinander.
 

Alles wurde daran gesetzt, uns zusammen zu bringen.

Und ich musste gestehen, dass ich in T.K´s Nähe schon ein leichtes Magenkribbeln verspürte.

Aber deswegen war ich doch nicht gleich verliebt!
 

„Yolei, dass hast du doch mit Absicht gemacht! Klar, dass die Flasche mal wieder auf T.K zeigt!“
 

Sie wechselte einen vielsagenden mit Wallace und kicherte.
 

„Natürlich. Ich habe eine ferngesteuerte Flasche entwickelt, die urplötzlich funktioniert. Sie zeigt auf die Menschen, die ich will wenn ich einen großen, roten Knopf drücke..“ sagte sie mit überzeugender Miene und beobachtete ihn.

Er kaufte es ihr doch tatsächlich ab?
 

Wie sich später herraustellte, hatte Yolei die Flasche tatsächlich präpariert, Wallace hatte es mir per SMS erzählt. Diese Teuflin..
 

„Hey T.K, du hast da noch einen Auftag zu erledigen!“, drängte Wallace und zuckte mit den Augenbrauen.
 

„Oh nein, rühr´ Kari nicht an!“, zischte Davis und gab uns einen neuen Grund zum Lachen.

Er schnaubte wütend.
 

„Bleib doch mal locker, ist doch nur ein Spiel.“, entgegnete T.K und zwinkerte mir zu.
 

Davis schmollte.

Cody und Yolei standen beinahe synchron auf.
 

Cody verschwand wortlos in der Menge, ihm war wohl endgültig die Lust vergangen.
 

„So macht das keinen Spaß. Ein einfacher Kuss und schon tickst du aus. Das ist so spießig. Die beiden werden sowieso bald mehr machen, als sich küssen, darauf wette ich! Ich brauch Abwechslung...“
 

Mit diesen Worten war das impulsive Mädchen ebenfalls verschwunden. Sie hinterließ eine angespannte Atmosphäre. Sie war die Erste, die das leidige Thema auf den Punkt gebracht hatte.
 

Wallace räusperte sich.
 

„Hat noch jemand Bock zu spielen? Den bitte ich dringend mir was abzugeben...“

Ich gluckste.
 

Aus irgendeinem Grund fand ich Wallace war ein grandioser Scherzkeks, der aus jeder Situation den Witz zog.
 

Davis war verstummt. Mal was Neues..?
 

Plötzlich stand er ebenfalls auf und biss sich auf die Lippen.
 

„Ich brauche frische Luft...“, murmelte er und watschelte wie ein Trauerkloß Richtung Ausgang´.
 

Irgendwie tat er mir wieder Leid.

Er muss wirklich wahnsinnig in mich verliebt sein, wenn ihn jede Art von Berührung, zwischen T.K und mir so störte. Wir waren auch nicht gerade nett gewesen.

Wir hatten diese Situation ja provoziert. Armer Kerl.
 

Wenn er sich doch wenigstens in ein anderes Mädchen verlieben würde...

Ich mag ihn, als Freund. Aber ich empfinde nichts für ihn, und daran wird sich auch nichts ändern.

Da bin ich mir sicher...
 

„Als hätten wir die Pest..“, murmelte Wallace und verrenkte sich den Kopf nach einem lachen Mädchenduo.
 

„Hübsche Frauen..“, er wandte sich blitzschnell um und sprang auf. „Ich muss weg!“
 

Fix war er zwischen den beiden Mädchen gelandet die sich kichernd an ihn klammerten.
 

„Keine Sorge Mädels. Es ist genug für euch beide da!“
 

Und schon waren T.K und ich alleine. Davis hatte alle erfolgreich vergrault.

Ich seufzte.
 

„Was für ein nettes Spiel..“, sagte er und lachte.

Er krabbelte neben mich und starrte die Flasche an.
 

Mein Herz schlug schneller.

Als wäre ich einen Marathon gelaufen.
 

„Alles okay Kari? Du bist ganz blass.“, fragte er und beugte sich über meine Schulter.

Ich schaute ihn mit großen Augen an und lächelte schwach.
 

Wieder dieses Kribbeln. Wie es mich nervte..

Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr jemanden ansieht, und plötzlich hört ihr Musik?

Okay, ich bin auf einer Party. Aber es war ein anderes Lied.
 

Onaji egao shiteta

Sonna bokura mo ikunen mo kasane sugite

Sure chigau keshiki o

Ukeirerarezu ni mogaiteru
 

Muda na PURAIDO sutesari

Kono sekai ni yasashisa o
 

I Gotta Say

Yuuki o misetsukete mo tsuyogatte mo

Hitori de wa ikirarenai

Ano hi no yakusoku nara

Kokoro no fukaku ni nokotteiru yo ima de mo
 

Wakarete mata deai

Arata na michi ni hikari mitsuke arukidasu

Umarete kara zutto

Kurikaesu koto de tsunagatteku
 

Itsu no ma ni kimi to boku mo

Sorezore mirai o te ni shite
 

I Gotta Say

Tooku hanareteite mo aenakute mo

Tsuyoi kizuna wa aru kara

"Yume ga kanaimasu you ni"

Kokoro no soko kara inotteiru yo

We're friends forever

Mata au koto o chikai

Yubikirishite

Bokura wa arukidashite ne

Mienai yukisaki e to

Mayoinagara de mo

Susundeiru yo

Itsudemo
 

Kawariyuku kisetsu to

Toki no naka

Natsukashii melodies

Otona ni natte mo

Iroase wa shinai yo

Bokutachi no precious memories
 

I Gotta Say

Yuuki wo misetsukete mo tsuyogatte mo

Hitori de wa ikirarenai

Ano hi no yakusoku nara

Kokoro no fukaku ni nokotteriru yo

As life goes on... (as life goes on)

Wasurecha ikenai kara Yeah

Don't let it go... (dont' let it go, don't let it go)
 

Das Lied passte perfekt...
 

Nur Yolei hatte ich anvertraut, dass ich solch ein Gefühl in seiner Gegenwart spürte.

Und was hatte sie getan? Sie hatte herzhaft gelacht.
 

„Na endlich! Auf diesem Moment wartet doch schon die halbe Welt.!“
 

Aber ich fand das völlig falsch. Wir waren immer schon beste Freunde gewesen.

Allerdings waren Sora und Matt das ebenfalls gewesen. Und jetzt sind sie schon vier Jahre zusammen.
 

„Ich muss raus hier..:“, sagte ich hastig und erhob mich.
 

Nein, dass durfte einfach nicht sein. ICH WAR NICHT BEREIT!
 

T.K sah mich lachend an und stand ebenfalls auf.

Mir wurde leicht schwummerig und ich hielt mich an der Wand fest.
 

„Na komm, eh du mir unterwegs den Boden genauer begutachtest, begleite ich dich lieber..“
 

Er ließ seine Hand zu meinem Rücken fahren, und schob mich in die Tokionacht hinaus.

Ich sog die frische, klare Nachtluft ein und mein Schwindel verschwand.

Nur das Gefühl war immer noch da.
 

„Geht´s wieder?“, wollte er wissen und lehnte sich am der Wand an. Ich nickte lächelnd.
 

Hatte Yolei recht gehabt? War ich wirklich verliebt?

Dieser Gedanke ließ mich einfach nicht mehr los...

Ich schüttelte den Kopf.
 

Takeru zog fragend eine Augenbraue hoch.
 

„Stimmt was nicht?“, fragte er und grinste.
 

„Ach, ich musste nur gerade an das Flaschendrehen denken. Wie schnell sich so eine lustige Runde auflösen kann... Und alles nur wegen Davis..“ Ich kicherte.
 

Wollte dieser nicht auch nach draußen?

Ich wünschte, er würde uns nicht sehen. Das würde ihn vielleicht nur noch mehr kränken.
 

Schnell lenkte T.K mich wieder ab, in dem ich seinem strahlenden Lachen lauschen durfte.

Er kam einen Schritt näher.

Meine Wangen wurden rot, mein Herz raste.
 

„Ja, dass war schon heftig. Aber...“ Er stockte.
 

Verwirrt schaute ich zum ihm hoch.
 

„Aber... was?“
 

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Ein Zeichen dafür, dass er wieder was im Schilde führte.
 

„Ich schulde dir noch einen... Kuss..“
 

Mein Mund öffnete sich um etwas zu erwidern, doch da waren seine Lippen schon auf meine gepresst.
 

Eigentlich hatte ich vor ihm zu sagen, dass er das nicht einlösen musste.

Aber im Nachhinein war ich sehr glücklich, dass er schneller gewesen war.
 

Sein Mund war so weich und schmeckte irgendwie nach Zucker...

Ich schloss die Augen und genoss den Augenblick.
 

Die Kusszeit war längst vorbei.

Aber dieser hier entwickelte sich gerade zu einem Traumkuss mit Zunge.
 

Seine Hand fuhr über meine Wange. Ein leichtes Schaudern.
 

Allmählich lösten wir den Kuss und schauten uns verträumt an.

Yolei hätte sich jetzt kaputt gelacht.
 

„Wow...“, hauchte ich leise und lächelte.
 

„“Wow“ ist gar kein Ausdruck. Von mir aus können wir öfter Flaschendrehen spielen!“
 

Er lachte.
 

„Aber nur wenn Davis mitspielt!“, meinte ich und stimmte ein.
 

Wenn ihr denkt, dass wir dann noch in eine wilde Knutscherei verfielen sind, habt ihr euch geschnitten. Wir waren fein am Lästern.
 

Ha ha. Ich sagte doch wir sind Freunde!
 

Und nun zur heutigen Situation:
 

„Takeru lass Kari los, oder ich werd´nachhelfen..“,
 

Davis war wie immer auf Krawall gebürstet- Alles seufzten
 

Es war der Tag nach der Party und eigentlich hatten wir uns getroffen, um uns noch was Kleines für Sora einfallen zu lassen.

T.K und ich teilten uns nur gerade einen Platz, weil Cody einen Stuhl zu wenig geholt hatte.

Jede Berührung ließ mich zittern, und Davis angriffslustiger werden.
 

Erst, als ich einen eigenen Stuhl hatte, wurde er wieder ruhig.
 

„Es ist erstaunlich, wie lange du dir nun schon Hoffnungen machst...“, meinte Ken und schüttelte den Kopf.
 

„Du verpestest meine Gedanken, so kann ich nicht nachdenken..“, zischte Yolei und lächelte Ken an. Er grinste verlegen.
 

Was nicht alle wussten. Die Beiden hatten morgen Abend ein Date. Yolei hatte es geschafft.
 

„Ihr könnt soviel reden wie ihr wollt. Ich...“
 

Ja, dann gingen ihm die Worte aus.

Denn nun fiel ihm auf, dass ich anwesend war.

Und schwupps war der Hochmut verschwunden.
 

Cody bedachte ihn mit einem ernsten Blick.
 

„Ich glaube Kari kannst du die nächsten Male noch anhimmeln“, meinte er.
 

„Aber Sora werden wir vier Jahre nicht sehen. Also können wir wenigstens so tun, als wenn wir nachdenken?“
 

Betrübt schauten alle auf den Tisch.

Ja, Sora würde uns mit ihrer lieben Art fehlen...
 

Aber so wirklich fiel uns nichts ein.

Außerdem musste Davis ja ständig eifersüchtig durch den Raum springen.
 

„Ich glaube es ist besser, wenn ich gehe...“, sagte ich und stand seufzend auf.
 

Wallace hob die Arme und wedelte herum.
 

„Wenn hier einer gehen sollte, dann Davis. Der hat die Sympathie eines Stachelschweins..“

Leises Kichern.
 

Aber ich schüttelte den Kopf.

Es machte keinen Sinn.
 

„Yolei, ruf mich an, wenn ihr was zu Stande gebracht habt..“, meinte ich und lächelte.
 

Außerdem musste ich weg von Takeru. Das Gefühl machte mich irre.
 

Yolei lächelte und brachte mich zur Tür.
 

„Wegen T.K stimmt´s?“, fragte sie direkt und rückte ihre Brille zu recht.
 

Ich errötete und schüttelte heftig den Kopf.
 

„Red doch keinen Unsinn. Es ist nur wegen Davis...“
 

Yolei zog die Augenbraue hoch.

Ein klares Zeichen dafür, dass sie mir kein Wort glaubte.

Ich stöhnte.
 

„Du kannst mir nichts vormachen gute Frau. Verknallt bist. Und zwar über beide Ohren!“

Sie lachte.
 

Ich warf ihr einen genervten Blick zu und lief Richtung Aufzug.
 

„Denk an den roten Faden Karilein..“
 

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich ein letztes Mal um.
 

„Ruf mich an okay!?“, rief ich und stieg ein.
 

Der rote Faden.

Bekannt als das unsichtbare Verbindungsstück zwischen zwei Liebenden.
 

So hatte es mir Yolei erklärt.

Wo sie das nur wieder her hatte..

Sie und ihre rege Fantasie.
 

Der Aufzug hielt und die Türen gingen auf.
 

Ob T.K und ich wirklich....

Ach was, nein..
 

Ich trat heraus und lief durch die hellerleuchtete Straße.

Es war aber auch ein Durcheinander mit mir...
 

Ich mochte T.K.

Er war ein starker, selbstbewusster, guter Mensch, der mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand.

Seine blauen Augen strahlten eine Wärme aus, die mich in seinen Bann zog.

Das Kribbeln.
 

Oh verdammt, Yolei schien doch recht zu haben.

Ich war anscheinend wirklich verknallt...
 

Der Albtraum einer jeden Freundschaft.

Wenn er erst erfuhr, dass ich etwas für ihn empfand, würde er sich vielleicht von mir abwenden...

Er wüsste ja gar nicht, wie er sich verhalten sollte... Und ich auch nicht...

Es würde weh tun. Verdammt weh tun.

Es war zu heulen..
 

Als ich zu hause ankam, stürzte ich mich auf mein Bett und kreischte in mein Kissen.

Ich wollte es mir von der Seele schreien, dieses Gefühl, in der Hoffnung, dass es verschwand.

Pustekuchen...
 

Mein Handy klingelte, und Yoleis fröhliche Stimme meldete sich.
 

„Als um ehrlich zu sein, haben wir nicht das Geringste für Sora. Aber Davis ist schon wieder ausgetickt. Möchte mal wissen, warum er plötzlich immer so seine Fassung verliert. So geht es schließlich nicht weiter...“, erzählte sie hörbar genervt.

Ich stöhnte.
 

„Yolei....“
 

„Ja?“
 

„Du hattest Recht..“
 

„Womit?“
 

„Der rote Faden... Ich glaube, da ist was dran..“
 

Schweigen.
 

„Ich freue mich, dass du es endlich eingesehen hast!“, quietschte sie schließlich vergnügt.
 

Ich wandte mich auf den Rücken und jammerte.
 

„Aber was soll ich denn machen? Was ist wenn T.K das ganz anders sieht?“
 

Yolei schnaufte.
 

„Also wirklich Kari! Takeru ist rattenscharf auf dich, das sieht sogar ein Blinder. Du bist echt eine Schnecke, wenn es darum geht, Gefühle zu deuten..“
 

Hatte Yolei wieder recht?
 

„Hör zu. Am besten du sagst ihm was Sache ist, sonst tut´s nur weh. So wie ich es morgen wage, Ken meine Gefühle zu gestehen! Komm schon Kari. Du bist doch eine selbstbewusster Frau, die weiß was sie will! Also schnapp die den Schnuckel, er ist gerade im Sonderangebot!“
 

Ich fing an zu lachen.

Wie glücklich ich doch war, eine Freundin wie Yolei zu haben.

Sie war immer für mich da, stärkte mir den Rücken, gab Tipps.
 

„Gut, überredet. Ich werde das Gespräch suchen!“, meinte ich.
 

Yolei ließ einen Freudenschrei los.
 

„Du erzählst mir jede Kleinigkeit, okay!?“
 

„Aber nur wenn du mir von dem ersten Kuss mit Ken erzählst!“
 

Wie lachten.

Also war es beschlossen.
 

Ich würde den roten Faden aufnehmen und zu Takeru gehen.

Ihm sagen, dass wir mehr als Freunde sind.
 

Vielleicht, wickelt er dann das Ende des Fadens um seinen Finger, um mir meine Ansicht zu bestätigen. Und vielleicht, ja vielleicht, bekam ich dann wieder meinen Traumkuss mit Zunge..
 

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Hier der Link zum Lied.

http://www.youtube.com/watch?v=2kjvlnAlkSE

Da gibt es dann einen englischen Untertitel, damit ihr versteht, worum´s geht ;)

Ungeküsst

Ich war noch nie ein Frauenheld gewesen.

Ich hatte mich immer hinter meine Bücher geklemmt, und blieb meist unerreichbar.
 

Ich war halt zielstrebig, wollte immer möglichst die besten Noten bekommen.

Wer war erreichen will, der muss sich reinhängen! Mein Motto.
 

Aber während ich fleißig am Lernen war, hatten sich meine Freunde mit dem Leben da Draußen beschäftigt. Sogar mein guter, alter Freund Koushiro hatte sich von den Büchern abgewendet und vergrub sich nun lieber in den Armen von Mädchen.
 

Und die allgemein bekannte Nebenwirkung, wie ich gedacht hatte, trat nicht ein. Ganz im Gegenteil.

Statt in der Schule schlecht zu werden, trudelten bei Herrn Izumi die Collegebriefe aus aller Welt ein, die ihn anflehten, bei ihnen zu studieren.

Er ist erst siebzehn!!
 

Klar hatte da das Gymnasium seine Finger im Spiel...
 

Und ich, Joe Kido, neunzehn Jahre alt, musste um meinen Studienplatz bis aufs Blut kämpfen.

Es war schon unfair, oder?
 

Ich lag auf meinem Bett, in meiner Studentenbude, die ich mir mit zwei anderen teilte.
 

Jason, ein zweiundzwanzigjähriger Jurastudent, der die halbe Nacht in irgendwelche Bars rumhang und dann jeden Morgen neben einer neuen Frau aufwachte.
 

Und Hans aus Deutschland, der kein Wort Japanisch sprach, aber festentschlossen Medizin studierte. Warum er dafür ausgerechnet nach Tokio kam , hatte ich bis heute nicht herausgefunden.

Wie auch?
 

Mittlerweile kommunizieren wir grandios per Zeichen- und Körpersprache.

Nur schade, dass ich Arzt werden wollte, und nicht Übersetzer für Gehörlose.
 

Allerdings hatte ich ein ganz anderes Problem:

Ich hatte noch nie eine Freundin gehabt.
 

Das war mir nicht nur peinlich, sondern machte mich auch sehr traurig.
 

Matt hätte mich ausgelacht, wenn er das wüsste.

Der hatte ja auch massenhaft Liebesbriefe im Spinnt. Und Sora.
 

Wahrscheinlich hatte selbst Cody schon seinen ersten Kuss hinter sich.

Es war doch zum schreien!
 

Auch auf der Abschiedsparty war keine bereit gewesen mich auch nur anzugucken. Glaub ich zumindest...
 

Ich hatte ordentlich ins Glas geschaut und einen ziemlichen Filmriss.

Wahrscheinlich hatte ich mich auch dementsprechend verhalten.
 

Wenn ich etwas machte, machte ich es richtig. Richtig scheiße.

Ich setzte mich stöhnend auf und schielte in den Spiegel gegenüber.

Meine kinnlangen, blauen Haare waren ordentlich frisiert gewesen, meine dunklen Augen hinter meiner großen Brille versteckt.
 

Ein weißes Hemd, plus grauschwarzen Pullunder und eine graue Hose machten mein Aussehen komplett. Sah ich denn so grässlich aus?

Roch ich schlecht? Benahm ich mich nicht angemessen?

Was war es nur, dass mich die Mädchen mieden?
 

Kiss me out of the bearded barley

Nightly, beside the green, green grass

Swing, swing, swing the spinning step

I wear those shoes and You will wear that dress.

Oh, kiss me beneath the milky twilight

Lead me out on the moonlit floor

Lift your open hand

Strike up the band and make the fireflies dance

Silver moon's sparkling

So kiss me

Kiss me down by the broken tree house

Swing me upon its hanging tire

Bring, bring, bring your flowered hat

We'll take the trail marked on your father's map

Oh, kiss me beneath the milky twilight

Lead me out on the moonlit floor

Lift your open hand

Strike up the band and make the fireflies dance

Silver moon's sparkling

So kiss me

Kiss me beneath the milky twilight

Lead me out on the moonlit floor

Lift your open hand

Strike up the band and make the fireflies dance

Silver moon's sparkling

So kiss me

So kiss me

So kiss me

So kiss me
 

Tai hatte mir spaßeshalber vorgeschlagen, mal im Internet nach Misses Right zu suchen.

Wenn es so weiterging, würde ich es bestimmt ausprobieren.

Wie armselig du doch bist, Joe..Bist sogar bereit, dein hart verdientes Geld- ich arbeitete als Kassierer in einem Modegeschäft, gute Bezahlung, böse Blicke- in ein aussichtsloses Internetportal zu schieben, in dem du dann mit mit einer Lola schreibst, hinter der sich aber in Wirklichkeit entweder Manfred, ein fünfzigjähriger, schmieriger Mechaniker verbarg, oder sogar der Inhaber der Seite selbst.

Man musste sehr verzweifelt sein, um sich bei so was.... okay, okay, ich gebe ja zu, ich war auch mal angemeldet gewesen...
 

Und nein, mein Chatpartner hieß nicht Lola, sondern Ming-Ming aus China, wenn ich ihr Glauben schenken durfte...
 

Wenn das die anderen wüssten, würden sie mich sicher auslachen, bis ich sechzig war.

Was für eine Misere.
 

Vielleicht brauchte ich auch einfach mal die Meinung einer Frau.

Ich meine eine echte Frau. Wie zum Beispiel... Mimi!

Ja, sie war perfekt für den Job!
 

Hastig griff ich zu meinem Handy und suchte ihre Nummer. Tuten. Tuten.

Geh ran.. geh ran...

„Ja?“

Ein Glück, sie war da.

„Ah, Mimi!“, rief ich erleichtert.
 

„Joe? Wa... was gibt’s denn?“

Stotternd suchte ich nach den passenden Worten. Mimi hörte sich schlecht gelaunt an, wahrscheinlich noch wegen Izzy...
 

„Also ich... brauche deine Hilfe...“

„Meine Hilfe?“

Ich schluckte.

„Du bist ja ein Mädchen und... du auch was Mädchen mögen...“,

„JOE! Was willst du?“

Ich stockte. Sie war wirklich nicht gut drauf...

Sollte ich ganz direkt sagen, was ich wollte?

„Joe..!“

„Also gut. Ich will wissen wie man bei Mädchen ankommt! Ich hatte doch noch.. nie eine Freundin...“

Mimi lachte.

Na immerhin konnte sie es wieder, nachdem sie solange getrauert hatte.

„Du willst also Frauen aufreißen?“

Ihr Lachen wurde immer lauter, und ich immer kleiner. War das denn so abwegig?

„Ja ja, sehr witzig. Aber bekomme ich denn nun deine Hilfe?“

Ich betete, dass sie zu stimmte. Sonst musste ich wirklich zurück zu meiner Internetbekanntschaft.

Mimi beruhigte sich und hustete.

„Das war schön...“, gluckste sie.

Ich begann in meinem Zimmer auf und ab zu gehen. Das machte ich ganz kirre!

„Okay ich werde dir helfen. Das lenkt mich sicher ab von...“

Stille.

„Danke Mimi. Das wäre wirklich traumhaft von dir!“

„Ach lass´mal stecken! Soll ich sofort vorbei kommen? Ich habe heute eh nichts mehr vor..“

Das ging ja schnell. Ein Schauer lief mir über den Rücken das rief ich ihr ein „okay“ in den Höher.

„Ich hoffe du weißt noch wo ich..“ Ein Tuten. Sie hatte doch tatsächlich längst aufgelegt.
 

Ich hoffte nur, dass sie noch wusste wo ich wohnte. Es war eine Weile her, dass sie bei mir war. Damals hatte ich ihr mit dem Unterrichtsstoff geholfen. Da sie eine Zeit lang in den USA war, kam sie hier nicht mehr ganz so gut mit. Sie lebte bereits zwei Jahre wieder hier.

In meinen Gedanken vertieft, bemerkte ich erst gar nicht, dass es bereits geläutet hatte.

Schnell rannte ich zur Tür, ehe es sich Mimi wieder anders überlegte.
 

„Ich bin überrascht, du bist.... so was von früh hier...“, sagte ich und sah sie an mir vorbei rauschen.

„Mein Dad hatte mich mitgenommen. Außerdem wohnst du um die Ecke!“

Zielsicher lief sie durch die Wohnung, genau in das falsche Zimmer.

„Achtung Mimi das ist nicht..“ Zu spät.
 

Ein kurzer Schrei. Fix huschte Mimi mit erschrockener Miene aus dem Raum.

„Interessante Nachbarn...“, stammelte sie und verzog ihr Gesicht.

„Gegenüber ist noch so ein Kandidat. Aber den willst du wirklich nicht kennenlernen...“

Die Rede war von Hans. Sie würde ihn ja nicht mal verstehen. Denn Englisch sprach der auch nicht...
 

Ich wies sie weiter gerade aus in MEIN Zimmer.

„Sorry, ich war schon eine ganze Weile nicht mehr hier. Und außerdem hat es sich hier auch ziemlich verändert...“, stellte sie lachend fest und sah sich genau um.

Das machte mich nervös...
 

„So Herr Kido. Nach eindeutiger Inspektion ihres Zimmers, kann ich ihnen mitteilen, dass sie ein sehr langweiliges Leben führen müssen. Überall nur Notizzettel, Hausaufgaben und Bücher. Wo bleibt denn da der Wohlfühlfaktor?“, fuhr sie schultern zuckend fort und rupfte an meinem Pullunder rum.

Sie zog einer Augenbraue hoch und sah mich an.

„Das ist nicht dein ernst oder?“

Ich lächelte verlegen. Was war denn falsch an meinen tollen Pullunder?

Sie schüttelte den Kopf und stieß mich auf das Bett.

Sie übernahm schnell das Reglement und begutachtete mich mit Argusaugen.

„Was gedenkst du zu tun?“, fragte ich und ließ mir die Brille abnehmen.

Keine gute Idee. Ohne Sehhilfe war ich blind wie ein Maulwurf. Mimi schüttelte abermals den Kopf.

„Das weiß ich auch nicht so ganz. Aber es wird nicht einfach, aus dir einen anderen Typen zu machen. Du bist doch eigentlich ganz okay so. Wie kommt der Sinneswandel?“, harkte sie nach und riss die Tür meines Schrankes auf.
 

Ich seufzte.

„Anscheinend komme ich mit meiner Art nicht gut an. Da dachte ich, es liegt vielleicht an meiner Kleidung, oder an meinem Charakter...“

Mimi verdrehte die Augen.

„An deinen Charakter solltest du niemals zweifeln. Wenn du dich nur verstellst wissen die Mädchen doch gar nicht, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Na ja und dein Styling..“

Sie kramte einige Hemden raus und schaute mich an.

„Weißt du Joe, so wie du dich anziehst, so bist du auch. Ein bisschen strebermäßig. Aber weißt du, dass ist okay. Das passt zu dir. Nicht böse gemeint, aber es steht dir einfach am besten. Stell dir mal vor, wir würden dich in Matts Garderobe stecken. Das nimmt dir keiner ab, sorry...“, erklärte sie.

Allmählich verstand ich, worauf sie hinaus wollte.

Sie wollte mich nicht umgraben, sondern mir zeigen, dass ich bleiben sollte wie ich nun mal war.
 

Mimi schien noch weitergehen zu wollen, und begann mich umzukrempeln.

Hemd mit geöffneten Knöpfen, Sonnenbrille, und zusammengebundene Haare- Ich sah aus wie der letzte Lackaffe. Grässlich.
 

„Und? Sag ehrlich, wen siehst du?“, fragte sie und stellte sich neben mich.

„Jemand völlig fremden...“, entgegnete ich mit traurigem Unterton. Mimi hatte recht gehabt.

„Mein ich ja! Das da im Spiegel ist nicht Joe Kido, der eifrige Schüler. Das ist so ein schleimiger Machotyp, der jede Woche eine Neue hat. Tu´mir das nicht an Joe. Ich mag dich so wie du bist, und wenn das keiner anderen auffällt, sind die alle blind. So wie du ohne Brille!“

Sie grinste breit.

Ich nahm die Sonnenbrille wieder ab, löste den Zopf und setzte mein Kassengestell auf.

Ja, da lächelte mir doch der wahre Joe entgegen.
 

„Ich danke dir Mimi. Tut mir Leid, dass ich dich deswegen herbestellt hatte.... Wie konnte ich nur glauben, dass ich mich umstellen muss, um jemanden zu gefallen?! Manchmal bin ich so dämlich..“
 

Mimi tätschelte meine Schulter.

„Jeder macht mal Fehler. Und ich helfe dir gern. Ich bin froh, dass du so eine schnelle Auffassungsgabe besitzt, und rasch geschnallt hast, dass du dich nicht ändern solltest. Auch wenn du neunzehn Jahre lang auf den ersten Kuss wartest, solltest du nicht so schnell die Flinte ins Korn werfen... Ich bitte dich. Die Ungeküssten sind doch gerade so heiß begehrt!“, meinte sie und lachte weiter.

Ich stimmte mit ein.

Sicherlich war es tragisch für mich, als Einziger meiner Freunde noch Jungfrau in diesen Dingen gewesen zu sein, aber ich wollte es im Nachhinein auch nicht überschlagen...

Die Richtige würde kommen. Ganz sicher!
 

_______________________________

Der Song: A New Found Glory - Kiss Me

Ja ich weiß, die weibliche Version ist auch schön, passt aber nicht ganz zu Joe, oder? XDD Ich hoffe das Kap gefällt euch. X3

Nach all der Zeit

Ich hatte es geschafft.

Nach vier Jahren hatten Ken und ich ein Date.

Jippie!
 

Nach all dem Anhimmeln hatte ich endlich Erfolg gehabt.
 

Wie es dazu kam?

Na ja es begann auf der Party.
 

Als ich enttäuscht von der Runde Flaschendrehen durch die feiernde Menge trabte entdeckte ich in einer Ecke Ken mit einem Cocktail in der Hand.

Sofort machte mein Herz einen Sprung und ich winkte ihm ganz automatisch.

Er erwiderte meinen Gruß und schlürfte gechillt an seinem Getränk.
 

Schnell huschte ich zu ihm rüber und stellte mich vor ihm.
 

„Na, macht ihr eine Spielpause?“, fragte er mit breitem Grinsen und rückte einen Platz auf dem Sofa frei.
 

„Hach, reden wir nicht drüber..“, hauchte ich und ließ mich wie ein nasser Sandsack fallen.
 

„Lass mich raten. Davis hat die Stimmung wieder zum überkochen gebracht, stimmst?“
 

Als er anfing zu lachen, klopfte mein Herz gegen den Brustkorb, wie ein Presslufthammer auf dem Asphalt.
 

Ich seufzte.
 

„Siehst du, genau deswegen habe ich nicht mitgespielt. Ich habe es geahnt...“

Er grinste.
 

Ken war Davis´ bester Freund, aber selbst er konnte ihn nicht besänftigen.
 

„Dann hättest du mich doch retten können, oder?“, jammerte ich und lehnte meinen schweren Kopf an seine Schulter. Er zuckte schreckhaft zusammen. Ich hob den Kopf.
 

„Tu.. tut mir leid.. „Ich wollte dich nicht verscheuchen.
 

Er lächelte matt.
 

„Schon okay. Ich bin mal wieder nur aufdringlich.“
 

Ich war manchmal wirklich anhänglich, aber mal ehrlich:

Mein Kopf war weniger als zwei Sekunden auf seiner Schulter.

Und da zuckt er so zusammen??
 

Dabei sollte das einer meiner harmlosen Annäherungsversuche werden..

Hach war das deprimierend.
 

„Denk jetzt bloß nicht, dass ich Berührungsängste habe.“, meinte er und zwinkterte.
 

Doch, genau das dachte ich!
 

„Ich habe da eine Sportverletzung. Ich hab´s beim Fußball übertrieben..“
 

Er grinste breit.
 

Ich stöhnte.
 

„Ich dachte, du kannst mich plötzlich nicht mehr leiden..“, entgegnete ich und lachte.
 

Ken wurde leicht rot und schaute zu Boden.
 

„Als wenn ich dich aufeinmal nicht mehr lie.. eh mögen würde.“ Er schmunzelte verlegen.
 

Ich blinzelte.

Wollte Ken etwa...

Innerlich quieckte ich.
 

Ich wusste ich lehnte mich mal wieder zu weit aus dem Fenster, aber wollte er nicht gerade so etwas sagen wie „liebe“?

Wenn ich ein Dreieck gehabt hätte, wäre ich drin herum gesprungen!
 

Ein schüchterne Blickwechsel.

Ken sah zur Uhr.
 

„Ich glaub ich mach mich langsam auf den Heimweg.“, sagte er und stand auf.
 

„Wa.. waaa. Waaaas?“, rief ich und sprang ebenfalls auf.
 

Er sah mich verwundert an.
 

„Weißt du, Partys sind nicht so mein Fall. Ich wollte nicht den ganzen Abend damit verbringen, mich mit Hochprozentigem volllaufen zu lassen.“
 

Ich schmollte.

Konnte er nicht meinetwegen bleiben?
 

Seine klaren, blauen Augen sahen mich versöhnlich an.
 

„Bitte sei mir nicht böse...“
 

„Aber es ist doch noch total früh!“
 

Er tätschelte meinen Kopf.
 

„Scheint dir ja viel auszumachen...“
 

„JA!“
 

Er legte den Kopf schief und lächelte schief.

In dem Fall war ich wie Sora. Ich liebte es...

„Tut mir wirklich Leid, Yolei... Aber wie wär´s, hast du Mittwoch schon etwas vor?“, fragte er und ließ seine Hand auf meiner Schulter ruhen.
 

Ich sprang in die Luft und stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Sofort kassierte ich die abwertenden Blicke einiger Gäste.

Ich war schon immer jemand gewesen, dem nie etwas unangenehm war, allerdings musste ich zugeben, dass war schon peinlich.
 

Ich kratze mich leicht verlegen am Hinterkopf und kicherte.
 

„Das nenne ich mal Begeisterung..“, sagte er und lachte.
 

Ich zuckte mit den Schultern. Mir war wieder alles egal, ich war völlig auf Ken fixiert.
 

„Wollen wir uns dann so gegen vier am Bahnhof von Shibuya treffen? Wir könnten durch die Stadt latschen oder Ähnliches..“
 

Ich nickte aufgeregt.

Einen Nachmittag. Nur Ken, ich und tausend andere Menschen, die ich nicht kenne. In Shibuya.

Wie lange hatte ich schon auf so eine Gelegenheit gewartet?

3 Jahre? 4?
 

Und nun sollte es endlich soweit sein!
 

Die darauf folgenden Nächte bekam ich kein Auge zu.

Vor lauter Spannung wälzte ich mich in der Dienstagnacht so extrem im Bett hin und her, dass ich schließlich rauskullerte und völlig außer Atem auf dem Boden lag.

Was sollte ich anziehen?

Wie sollte ich mich verhalten?

Es war doch zum verrückt werden!
 

Eines allerdings stand bereits fest:

Ich würde ihm gestehen, dass ich in ihn verliebt war.

Nach vier Jahren musste ich es mich einfach trauen!

Bingo!
 

Wenn es auch sonst an Themen happern sollte, musste ich diese berühmten drei Worte doch über die Lippen bringen. Außerdem hatte ich es Kari bereits versprochen.
 

Obwohl unser Treffen erst gegen sechtzehn Uhr stand fand, stand ich schon um halb sechs auf.

Dabei waren gerade erst Frühlingsferien...
 

Meine Mutter war ebenfalls auf den Beinen und wartete auf den Lieferanten, der die Lebensmittel für unseren Laden brachte. Der Typ kam zwar grundsätzlich zwei Stunden zu spät, aber meine Mutter gab niemals die Hoffnung auf, dass er mal pünktlich käme.
 

Verdutzt starrte sie mich, mit einer großen Kaffeetasse in der Hand, an.
 

„Nanu, Miyako?“
 

„Ja ich weiß, ich hab´ Ferien und könnte ausschlafen.. Aber ich bin viel zu aufgeregt..“, sagte ich und schnappte mir einen Schluck aus der Tasse.

Zu spät viel mir ein, dass Kaffe nicht gerade dafür bekannt war, Nerven zu beruhigen.

Ich seufzte.
 

„Ach Mensch Kind... Atme erstmal tief durch.. Du glühst ja richtig, vor Nervosität. Mach dir nicht so einen Kopf. Das klappt schon!“, sagte sie und zwinkerte.
 

„Geh am besten erstmal duschen, danach geht’s dir besser!“
 

Ich nickte und stolperte Richtung Badezimmer.

Dort angekommen schaute ich angespannt in de Spiegel, und hätte fast einen Schrecken bekommen.
 

Meine Wangen waren gerötet, meine Stirn voller Schweißperlen.

Ich sah aus, als hätte ich 40°C Fieber.
 

Hey, vielleicht hab ich das ja wirklich!

Das Ich-bin-bis-zum-platzen-aufgeregt-Fieber.
 

Ich schielte nervös zur Uhr. 05.46 Uhr.

Noch knapp elf Stunden bist zum Date.
 

In der Zeit galt es aus der schwitzenden Miyako ein halbwegs ruhiges, und wie sonst auch gut gelauntes Mädchen zu gestalten. Für´s Erste eine scheinbar unlösbare Aufgabe.

Aber hey, ich bin Yolei.

Ich habe schon Schlimmeres überstanden, also pack ich das auch!
 

Der Mut packte mich und so sprang ich unter die Dusche.

Allerdings war ich so mutig, dass ich auf kalt stellte.

Schnell war ich ein Eisklotz, und aus der stahlharten Yolei, wurde ein Warmduscher.
 

Ich wusch mir die letzten durchgemachten Nächte vom Leib.

Allmählich ging es mir wirklich besser. Ich versuchte zu entspannen und vergaß die Zeit.

Einfach hier stehen bleiben...
 

Plötzlich klopfte es an der Tür.
 

„Yolei? Lebst du noch? Mach hin ich muss da auch mal rein!!“, rief meine Schwester und riss mich aus meiner Traumwelt. Ich zuckte zusammen.
 

„Ja, ja!!“, schrie ich zurück und schnappte mir ein Handtuch.
 

Tatsächlich hatte ich eine knappe Stunde rumgekriegt. Solange hatte ich noch nie geduscht!
 

Ich huschte an meiner genervten Schwester vorbei in mein Zimmer.

So war das nun mal, wenn man drei Geschwister hatte.

Nie hat man seine Ruhe und erst recht kein eigenes Bad.

Ich jedenfalls nicht.
 

Frisch geduscht stand ich vor dem Spiegel und rätselte über mein späteres Äußeres.

Ich hatte mich noch nie wirklich dafür interessiert, besonders gut auszusehen.

Ich trug immer das, was mir gefällt.
 

Ob das heute genug war?

Ich schüttelte den Kopf.

Deswegen sollte ich mich jetzt nicht auch noch verstellen!
 

Schnell war etwas gefunden.

Hose. T-Shirt. Mütze. Das Übliche eben.

Ich war richtig begeistert, dass ich mich zu beruhigen schien.

Mir ging es allmählich wieder wie immer. Gut eben!
 

Groove slam work it back

Filter that baby bump that track

Groove slam work it back

Filter that baby bump that track

Groove slam work it back

Space Cowboy just play that track

Gaga in the room so starstruck

cherry cherry cherry cherry boom boom
 

Rollin up to the club on the weekend

Stylin' out to the beat that you're freakin

Fantasize on the track that you're tweakin' blow my heart up

Put your hands on my waist, pull the fader

Run it back with original flavor

Cue me up on the twelve on your table
 

I'm so starstruck
 

Starstruck,

Baby could you blow my heart up ( x4)
 

Baby now that we're alone, got a request

Would you make me number one on your playlist

Got your dirty headphones

With the left side on

Wanna scratch it back and forth, back and forth uhuh

Put your hands on my waist, pull the fader

Run it back with your original flavor

Put the breakdown first, up into the chorus to the verse
 

Starstruck,

Baby could you blow my heart up ( x4)
 

[ Space Cowboy]:

Hey

Lil Mama

Really, really, is that him?

I have seen him before

When she got all them big rims

Give to that cash flow

My family they on trips

Shawty say hands up with

Your signature right here

Like I just a Dali Lai

And I'm supposed to sign

How she had it automatic

And I think it's goin' down

She so starstuck

The gal all struck

Aw----i had an overdose

Too many strarbucks

Ain't never seen a baller

Paper that stack taller

So let that top back on

That chevy impala

I'm having all that

Fully loaded with two starters

What did you call that

When your shawty win two dollars

But that's another chapter

So I'm a banchelor

How now me just

Spotted a baby actor

More free swagger

Bet on that dagger

Got what she want

Shawty happily ever after
 

Starstruck,

Baby could you blow my heart up ( x4)
 

[ Flo Rida]:

Groove slam work it back

Filter that baby bump that track

Groove slam work it back

Filter that baby bump that track

Groove slam work it back

Filter that baby bump that track

Groove slam work it back

Filter that baby bump that track
 

Baby now that we're alone, got a request

Would you make me number one on your playlist

Got your dirty headphones

With the left side on

Wanna scratch it back and forth, back and forth uhuh

Put your hands on my waist, pull the fader

Run it back with your original flavor

Put the breakdown first, up into the chorus to the verse
 

I'm so starstruck...
 

Es war erst neun Uhr, aber die Nervosität schwand mit jeder Minute.

Sie wandelte sich in lauter Vorfreude um.

Ja, heute würde ich es ihm sagen.

„Ken.. ich liebe dich..“, würde ich sagen, und ihm um den Hals fallen..
 

__________________________________________

Lied: Lady GaGa- Starstruck
 

Sorry, dass ich so lange nichts mehr hochgeladen habe >_<.

Aber ich hoffe ihr verzeiht mir =)

Zukunfstpläne und andere Katastrophen

Kapitel 6- Nichts und wieder nichts..
 

In meiner Welt waren Mädchen eher nebensächlich.

Die meiste Zeit war ich sowieso nur am Fußballspielen.
 

Obwohl ich zu geben musste, dass ich mal eine zeitlang auf Sora stand.

Wenn auch nur ein bisschen...
 

So ereignete sich auf die von mir organisierte Abschiedsparty etwas sehr stranges für mich.

Man hatte mich aus heiterem Himmel geküsst.

Und zwar nicht von irgendwem. Sondern von Mimi. MIMI!
 

Ich hatte bis dato immer gedacht, sie sei so sehr in unseren Koushiro verschossen.

War wohl doch nicht „forever together“ mit deren Beziehung.
 

Aber mal ehrlich, muss man mich so überfallen?

Okay, bei einem Kuss klopft man zwar nicht an und sagt:“Hey, Achtung, ich küss´dich jetzt!“

Aber ich hatte das Recht verwirrt zu sein!
 

Die Frühlingsferien meiner Schwester hatten gerade begonnen und so tanzte sie schon am frühen Morgen gut gelaunt durch die Küche. Von soviel Freude bekam ich Kopfschmerzen...
 

„Na, schlechte Laune?“, fragte sie und kniff mich in den Arm. Ich grummelte nur.
 

Ich liebte meine Schwester wirklich über alles, aber es gab Momente, in denen ich ihren kindlichen Körper packen könnte, und durch die nächste Scheibe donnern könnte.
 

Ich grinste falsch und setzte mich an den runden Holztisch.

Meine Mutter schneite herein und zog mir, mit einem Buch, eins über den Schädel.

Ich brauch euch, glaube ich, nicht erklären, wie weh das tat.

Ihre tägliche Antwort, auf meine Faulheit.
 

„Du kannst nicht ständig hier herum sitzen und ungesunde Cornflakes essen, während da draußen ein Studienplatz auf dich wartet!“, meinte sie und war einen Apfel in die Schüssel.
 

Die Milch schwappte quer über den Tisch und lief auf meine Hose. Mein Gesicht war ebenfalls voll. Super.
 

Kari konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

Schönes Gefühl, wenn dir die eigene Schwester in den Rücken fällt und auf die Seite des Bösen wechselte.
 

Ich schob die Schüssel genervt zurück und zog an meiner Mutter vorbei, als wäre sie Luft.

Ihren geschockten Blick konnte ich schon vor mir sehen.

Ich hasste ihre Tour.
 

Ich wusste, dass ich noch keine Ausbildung oder einen Stuuudienplatz oder Ähnliches in Aussicht hatte. Aber deswegen musste man mir nicht die wichtigste Mahlzeit am Tag verderben.
 

Ich bin achtzehn Jahre und zehn Monate alt. Das Leben liegt noch vor mir!
 

Als ich mir die Milch abgewaschen hatte kam ich zurück und blieb stumm in der Tür stehen.

Meine Mutter seufzte, Kari machte den Fleck auf dem Tisch weg.
 

„Warum ist Tai nur auf einmal so schwierig?“, fragte sie Kari.
 

Sie hatte mich noch nicht bemerkt. Ihr Glück

Wenn Blicke töten könnten..
 

„Du setzt ihn aber auch ganz schön unter Druck Mama!“, entgegnete Kari.
 

Also war sie doch noch auf meiner Seite. Ein Lichtschweif am Ende des Tunnels.
 

Meine Mutter drehte sich um, und schaute mir versöhnlich entgegen.
 

„Ach Tai... Tut mir Leid wegen eben. Aber du musst mich auch verstehen. Ich möchte nicht, dass mein Ältester irgendwann in der Straßenecke sitzt und nach Geld betteln muss. Es geht um DEINE Zukunft.“, erklärte sie und stellte sich direkt vor mich.
 

Ich schaute emotionslos zu ihr runter. Ich war einen ganzen Kopf größer als Mum.
 

„Matt wird ende der Woche neunzehn und hat auch noch nichts...“, verteidigte ich mich und verschränkte die Arme.
 

Es war allerdings nicht ganz richtig. Der Gute hatte sich an einer Uni eingeschrieben, um Musik zu studieren.

Warum studiert nur alle Welt?
 

„Deine Freunde interessieren mich diesbezüglich nicht!“, sagte sie giftig.

„Krieg endlich deinen Arsch hoch!“
 

Blah.. Ich weiß ich bin faul.

Aber ich hab gerade das Abitur hinter mich gebracht, da will ich jetzt meine Ruhe.

Aber meine Mutter war ja nie zufrieden.
 

Ich drehte mich um und lief zur Tür.
 

„Bin bei Matt.“, rief ich und verschwand.
 

Ich hasste ihre Belehrungen.

Ziellos lief ich durch die überfüllten Straßen.

Mädchengruppen liefen mit tausend Tüten in den Händen durch die Gänge.

Wer war denn so bescheuert und ging um diese Uhrzeit shoppen?

Grausam.
 

Endlich erreichte ich eine relativ leere Ecke, und setzte mich stöhnend auf eine Bank.

Die Zeit würde langweilig werden, wenn jetzt alle anfingen sonst was zu studieren.

Sora war auf den Weg nach Frankreich.

Matt würde sich vergraben, und niemals zu geben, dass er ohne Sora nicht könnte.

Izzy würde sein Abitur machen.

Joe... ach der hatte sowieso nie Zeit.

T.K, Kari und der Rest waren noch kleine Küken.
 

Es war zum heulen.
 

My eyes are open wide

And by the way, I made it

Through the day

I watched the world outside

By the way, I'm leaving out Today
 

I just saw Hayley's comet,

shoo-ting

Said ,"Why you always running in place?

Even the man in the moon disappeared

Somewhere in the stratosphere"
 

[Chorus]

Tell my mother,

Tell my father

I've done the best I can

To make them realize

This is my life

I hope they understand

I'm not angry, I'm just saying...

Sometimes goodbye

Is a second chance
 

Please don't cry

One tear for me

I'm not afraid of

What I have to say

This is my one and

Only voice

So listen close, it's

Only for today
 

I just saw Hayley's comet, shoo-ting

Said ,"Why you always running in place?

Even the man in the moon disappeared

Somewhere in the stratosphere"
 

[Chorus]

Tell my mother,

Tell my father

I've done the best I can

To make them realize

This is my life

I hope they understand

I'm not angry, I'm just saying...

Sometimes goodbye

Is a second chance
 

Heres my chance

This is my chance
 

Tell my mother,

Tell my father

I've done the best I can

To make them realize

This is my life

I hope they understand

I'm not angry, I'm just saying...

Sometimes goodbye

Is a second chance
 

Sometimes goodbye

Is a second chance [x2]
 

Ich lehnte mich vor und starrte auf den frisch gemähten Rasen einer kleinen Grünfläche.

Vielleicht hatte meine Mutter recht.

Ich war wirklich zu unachtsam was meine Zukunft anging.

Ich sollte mal den Hintern hochkriegen...

Ja, so sollte es geschehen!
 

Ich würde irgendwo hingehen und mein Ding durchziehen, irgendwas richtig gutes Studieren.

Vielleicht sogar im Ausland wer weiß....
 

Während ich so vor mich hin dachte, bemerkte ich nicht die Person die sich plötzlich vor mich stellte. Noch nicht mal in ruhe grübeln konnte ich!
 

„Hey, geh mir aus der Sonne, Schätzchen..“, murmelte ich.

Erst jetzt erkannte ich wer das da vor mir war. Es war Mimi.

Ich schreckte zusammen.
 

„Oh, tut mir Leid, den Gefallen kann ich dir nicht tun, und weißt du warum?“
 

Sie beugte sich vor und schaute mir ironischen Blickes ins Gesicht.
 

„Die Sonne scheint ja gar nicht, du Blödi!“
 

Ich grinste peinlichberührt.

Als wenn ich jeden auf Anhieb erkennen würde...
 

Eine andere Frage drängte sich in mir auf.
 

„Hey... Mimi! Schön dich zu sehen... aber was tust du hier?“, fragte ich und bot ihr an, sich neben mich zu setzten. Mit hochgezogener Augenbraue folgte sie meinem Vorschlag, und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Ich sitze hier neben einen Idioten... Und was machst du so?“, antwortete sie Zähne knirschend.
 

Man hatte die schlechte Laune. Passte ja irgendwie zu mir. Jedenfalls in diesem Moment..
 

„Nachdenken...“
 

Stille.

Ich hasste Stille. Sie war so... na ja still eben.

Ich schielte zu Mimi und sah, dass ihr an der Mimik an, dass da noch etwas anderes war.
 

„Na komm Schnubbelchen, erzähl dem Idioten mal, was wirklich ab geht..“, witzelte ich um die Stimmung vielleicht mal aufzulockern.
 

Sie neigte langsam den Kopf in meine Richtung. Sie sah ziemlich traurig aus.

Das wir uns gestern geküsst haben, war zum Glück erstmal in weite Ferne gerückt.

Aber eins sage ich euch: Dem würde ich auch noch nachgehen!
 

Sie schluckte.

Und schon wusste ich Bescheid.
 

„Izzy, mh?“
 

Sie nickte stumm und versuchte nicht in Tränen auszubrechen.

Das arme Ding... Sie tat mir wirklich Leid.
 

Ich legte tröstend einen Arm um sie und rutschte näher.
 

„Hey... lass den hübschen Kopf nicht so hängen, wie eine Blume die kein Wasser kriegt.. Das steht dir wirklich überhaupt nicht...“, sagte ich. Im aufmuntern war ich schon immer eine Niete gewesen.

Vielleicht half es wenigstens ein bisschen...
 

Sie lehnte sich an mich an und schluchzte. Okay, es war nicht gelungen...
 

Ich streichelte ihr über die Schulter, und ließ sie einfach mal ausweinen.

Matt hatte mir mal erzählt, dass man den Schmerz auch mal raus lassen musste.

Nur das Mädchen das vorzugsweise mit Heulen tun würden.

Ich hätte es hinaus gebrüllt wie ein wilder Tiger.

Aber nun gut.
 

Nach einiger Zeit ließ das Weinen nach und sie hob wieder den Kopf.

Ich blinzelte die lächelnd an.
 

„Na? Ist es besser?“, fragte ich vorsichtig und erntete ein leichtes nicken.
 

Sie holte tief Luft und starrte auf den Boden.
 

„Vielleicht.. vielleicht sollte ich ihn endlich loslassen.... Ich mein, er hat ja jetzt Saya.... Und sie ist so verdammt hübsch.... Sie behandeln ihn sicher auch besser als ich es getan habe....“, murmelte sie und wischte sie die Tränen aus den Augen.
 

Ich kramte in meiner Hosentasche nach einem Taschentuch.

Komisch, so was hatte ich irgendwie immer dabei.
 

Ich reichte es ihr, sie nahm es dankend an.
 

„`Tschuldige, dass ich dich hier so voll heule...Ich wollte eigentlich gar nicht...“
 

„Lass mal, ist schon okay. Irgendwann platzt es aus jedem heraus. Ich versteh das sehr gut. Und hey, wofür hat man Freunde?“, sagte ich und lachte kurz.
 

Sie lächelte und seufzte.

Es war überraschend zu sehen, dass selbst der kleine Wirbelwind neben mir mal eine windstille Seite zeigte.
 

„Danke... Das hab ich echt gebraucht. Jemand, der einfach mal fünf Minuten für mich hat.“, hauchte sie und biss sich auf die Unterlippe.
 

Anscheinend war ich auch auf der Party ihre „fünf Minuten“ gewesen.
 

„Immer wieder gern...“
 

Sie verharrte zitternd neben mir, während ich stumm auf die Straße starrte.

Ob ich sie einfach darauf ansprechen sollte?

Doch sie war schneller.
 

„Wegen vorgestern.... Ich.. wollte dich nicht einfach so überumpeln.. Mit dem Kuss, meine ich...“
 

Sie schaute leicht schüchtern zu mir rüber. Ich grinste.
 

„Na ja, geschehen ist geschehen... Aber sag mal..“
 

Ich beugte mich zu ihr rüber.
 

„.. Warum?“
 

Sie schaute mich mit großen Augen an.
 

„Warum... was?“
 

„Warum du mich geküsst hast, du Nudel..“
 

Ich zog erwartungsvoll die Augenbrauen hoch.
 

Sie spielte nervös an ihrem Rock rum, was ja auf sehr vieles schließen konnte.

Zu viel Alkohol.

Zu viel Liebeskummer.

Zu viel keine Ahnung.
 

„Nun... so genau weiß ich es auch nicht...“
 

Ach, Variante drei also...
 

„Aber du sollst wissen, dass ich es nicht gemacht habe, weil ich so abgefüllt war!“
 

Also doch Variante zwei?
 

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Frauen!

Wussten auch nicht, was sie taten...
 

Sie lächelte verlegen.
 

„Wenn du den Grund gefunden hast, kette ich an und zeig ihn mir, eher er wieder abhaut, okay?“, schlug ich ironisch vor. Sie kicherte.
 

Ich schob es im Nachhinein doch auf Variante eins.

Ich meine, wenn man mindestens zehn Gläser Alkohol in sich hatte, und zwar nicht so Null-Acht-Fünfzehn-Alkohol, sondern Zeug, dass es richtig in sich hatte, dann kann es schon mal dazu kommen, dass man sich vorbeugte und einen Freund küsste.

Sogar mit Zunge.

Wenn ich nicht ein bisschen nüchterner geworden wäre, hätte sie sich garantiert mein T-Shirt gepackt, und eine Nummer auf dem Tisch mit mir geschoben.
 

Sie stand auf und schaute plötzlich total entschlossen auf mich runter.

Sie sah aus, als wäre sie bereit, einen Krieg zu gewinnen.

Was ging denn hier?
 

„Ich schwöre dir, mit dem heutigen Tag bin ich nicht mehr in Koushiro Izumi verliebt!“, brüllte sie plötzlich.
 

Ach was...

Ich sah sie ungläubig an und legte den Kopf schief.

Wie kam sie eigentlich jetzt auf den Käse?
 

„Es mag für dich jetzt komisch klingen aber...“
 

Oh ja das tat es!
 

„... ich werde keiner verblassten Liebe mehr hinterher trauern. Ab diesen Moment ist Mimi Tachikawa wieder auf Beutefang!“
 

Ich hustete.

Nahm sie Drogen? Ja, sie musste Drogen nehmen.

Eben noch vollkommen deprimiert, und plötzlich so voller Elan?

Außerdem ging es doch geraden noch um etwas völlig anderes.

Oder hatte ich zwischendurch gepennt?

Hallo? Autorin? Sie haben ihre Charaktere nicht mehr unter Kontrolle!!
 

„Was bringt dich auf diesen Trip, und woher hast du es? Ich will es auch!“, sagte ich skeptisch und stand auf. Sie lachte.
 

„Mir ist nur aufgefallen, was für verrückte Dinge ich vollbringen kann. Ich meine ich habe dich einfach so geküsst! Ha ha.“
 

Okay ich gab´s auf. Ich verstand sie nicht mehr.

Ich wollte mich am liebsten umdrehen und gehen.
 

Und warum war es so verrückt mich zu küssen? Voll mies ey...

War ich so schlimm?
 

„Sorry, Tai. Ich drehe gerade am Rad! Aber trotzdem danke, für das Aufmuntern! Das kannst du prima... Wir sehen uns!!“, sagte sie drückte mich und lief die Straße entlang.
 

Ich blieb perplex zurück.

Mit ihrem Abgang kam die Sonne durch die Wolken, und schien wie ein Lichtblick auf die graue Straße. Ich blinzelte.
 

Frauen.... Würde ich sie eines Tages verstehen? Wer weiß das schon....
 

Aber ich glaubte, erstmal sollte ich meiner Mutter den Gefallen tun, und mir was für meine Zukunft suchen. Sie hatte ja recht.
 

Wenn ich weiter so faul blieb würde sich auch nichts ändern.

Vielleicht hatte dies auch Mimi eingesehen.
 

Ich schaute lächelnd zur Sonne hoch und lief langsam nach hause...
 

_____________________________

Lied: Shindown- Second Chance
 

Der Schluss ist irgenwie etwas gehackt aber ich hoffe, ihr verzeiht mir ;)

Abgründe einer Prinzessin

Die Bezeichnung „Prinzessin“ passte schon immer perfekt zu mir.

Alles musste immer so ablaufen, wie ich es wollte. Und wehe nicht, dann brach ein Sturm über Tokio herein.
 

So musste auch Izzy seine qualvolle Erfahrung mit mir und meinem Temperament machen.

Was, im nach hinein betrachtet eine echte Zumutung war.
 

Er musste meine Sachen schleppen, mit mir shoppen gehen, sich mein Gemeckere anhören, sich als Schwächling bezeichnen lassen und sogar Schläge einkassieren. Ich war eine richtige Brutalobraut.

Genau das, habe ich erst bemerkt, als es schon viel zu spät war.
 

Vor gefühlten zwei Jahrhunderten, aber erst vier Wochen her, stand ein plötzlich super wütender Koushiro vor mir, knallte mir eine Tüte vor die Füße und sagte eiskalt: „Ich halt´s nicht mehr aus. Ich mach Schluss. Such dir einen neuen Packesel, oder noch besser: Kauf dir gleich einen!“

Dann hatte er sich umgedreht und war verschwunden.

Ich blieb verdutzt zurück.
 

Zum ersten Mal war mir jemand gegenüber getreten und hatte mich von meinem Thron gestoßen.

Plötzlich war ich zum Dorfmädchen degradiert worden.
 

Das hatte man mit mir noch nie gemacht. Ich wurde noch niemals abserviert.

Ich war es eher gewohnt, dass ich anderen den Laufpass gab.

Diese Erfahrung gab meinem Selbstbewusstsein einen entscheidenden Knacks.
 

Ich dachte zum ersten Mal ernsthaft über mein Verhalten in der Beziehung mit Izzy nach.

Wenn man es überhaupt so nennen durfte.

Das war ja eher... eine Diktatur!
 

Ich fühlte mich grausam und hätte mich echt vom Hochhaus stürzen können... okay, dass war übertrieben. Aber es schmerzte echt unheimlich, als ich mir all die schrecklichen Bilder vor Augen führte. Ich hatte ihn mehr massakriert als geliebt.
 

Die Welle des Schuldgefühles wurde von einem Tornado der Eifersucht verdrängt, als ich ich erfuhr, dass ich bereits kurze Zeit später tatsächlich ausgetauscht wurde.
 

Izzy hatte eine neue Freundin gefunden. Und das Furchbare:

-Sie war hübsch- Sie war unheimlich liebevoll- Und überhaupt viel besser als ich es je zu ihm war.
 

Das gab mir den Todesstoß.

Eine neue Prinzessin hatte meinen Thron bestiegen.

Ich fiel in eine Art Depression.

Mir fiel auf, wie sehr ich ihn brauchte. Wie sehr ich ihn liebte.

Und seine Liebe hatte ich so verschmäht.
 

Tja Mimi, dass hatte man davon, wenn man auf einer Egoistentour verharrte.

Doch meine Einsicht sollte ihn mir auch nicht wieder zurück bringen.

Mh, wäre ja auch ein echtes Wunder, oder?
 

Doch mein Unterbewusstsein befahl mir, nicht aufzugeben.

Ich hatte ja sonst auch nie locker gelassen. Ich musste ihn mir zurückholen.

Und so versuchte ich mehrmals das Gespräch zu ihm zu suchen.

Noch nicht einmal das funktionierte.
 

Izzy wollte nämlich überhaupt gar nichts mehr mit mir zu tun haben. Er hatte mich sprichwörtlich satt.

Erst vorgestern hatte er mir im Beisein von Saya klar gemacht, dass er keinerlei Interesse daran zeigt, sich mit mir auseinander zu setzen. Ich solle endlich begreifen, dass ich keine Chance hätte.

Das hatte gesessen.
 

Saya hatte ihn in seiner Ansprache sichtlich den Rücken gestärkt.

Und generell machte sie all die Dinge, die ich nie getan hatte.
 

Aber es war zu spät und zu anstrengend der Vergangenheit noch weiter hinterher zu trauern.

Ich musste wieder nach vorne blicken, sonst würde es noch ganz zu Ende mit mir gehen.
 

Die taffe Mimi musste wieder auf den Plan.

Die Welt war voller Männer, die nur darauf warten würden, von mir geküsst zu werden!

Bingo! Wie Yolei jetzt sagen würde.
 

Mit meinem wiedergefundenen Selbstvertrauen war ich bereit für einen Spaziergang, um eventuelle Beute ausfindig zu machen. Mein Vorsatz war klar: Nie wieder Domina spielen!
 

Als ich schließlich Tai im Park auf der Bank sitzend begegnet war, kam es wieder in mir hoch.

Er war bereits zu einem meiner Opfer geworden.
 

Auf der Party, die ja eigentlich Soras Abschied gelten sollte, war ich total abgefüllt auf ihn zu gegangen und hatte ihn einfach geküsst. Unkontrolliert.

Ob er wirklich darauf gewartet hatte, sei mal dahin gestellt.

Und ich musste im Nachhinein sagen, auch ich war sehr perplex.
 

Ich hatte schon damit gerechnet, dass er mich wegdrängen würde. Denn bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich, er würde auf Sora stehen und deswegen noch nie andere Mädchen geküsst hatte.

Aber anscheinend lag ich falsch.

Er ließ es über sich ergehen und schaute mich danach einfach nur fragend an.

Ich war schneller verschwunden, als er überhaupt „Was war das denn?“ fragen konnte.
 

Eins stand fest: Wir waren beide wieder bei klarem Verstand, und ich konnte und wollte nicht noch mal abhauen. Er wollte sicherlich wissen wieso, weshalb, warum.
 

Doch es sollte ganz anders kommen.

Er erkannte meinen tiefen Schmerz sofort.

Plötzlich kam die Sache mit Izzy doch noch einmal hoch.

Es war vielleicht doch noch zu früh, nach jemand neuem zu suchen...

Ich saß da, wie ein Häufchen Elend.
 

Doch Tai war wie immer einer der besten Freunde, die man sich nur vorstellen konnte.

Er war immer so fürsorglich, wenn es einem mal schlecht ging. Tai war einfach immer für einen da.

Es brach einfach alles raus. Ich heulte wie ein Schlosshund. Das war mir im Nachhinein sogar richtig peinlich. Aber zurückhalten konnte ich es dann doch nicht mehr.

Und was machte Tai?

Er war einfach nur für mich da. So wie in alten Zeiten..

In seinen Armen konnte man sich wunderbar ausheulen und wieder beruhigen.

Mir ging es schnell wieder besser.
 

Doch Schlussendlich entkam ich meinem Schicksal nicht. Ich lenkte zwar selbst auf das Thema „Kuss“, aber nur, weil ich ahnte, dass es ihm ebenfalls auf den Lippen brannte.

Tai nahm es zwar locker, doch, warum auch nicht, wollte er natürlich wissen warum.
 

Ich wusste es nicht.

Und würde den Grund auch nicht finden und anketten können, so wie Tai es mir aufgetragen hatte.

Das war noch bestürzender. Ich konnte einem Freund nicht sagen, wieso ich ihn geküsst hatte.

Statt noch weiter zu graben, war ich dann doch wieder abgehauen.
 

Das konnte ich gut.

Mich aus der Affäre ziehen, bloß weg mit den Fragen. Ich wollte einfach in Ruhe gelassen werden und frei sein.
 

So lief ich ziellos durch die Straßen und wünschte, ich könnte wieder zurück nach Amerika.

Dort war ich zumindest etwas sorgenfreier als hier in meiner Heimat.
 

Warum ich eigentlich wieder hier war?

Nun, mein Vater wurde abermals versetzt und so zogen wir wieder um.

Dabei gefiel es mir so wunderbar. Es war zwar anfangs schwierig, wegen dem Sprachproblem, aber nach drei Jahren hat man das meiste drauf.

Kaum war ich glücklich, wurde ich wieder rausgerissen. So wie damals.

Meine Eltern schworen mir, dass es das letzte Mal sein würde... Wer´s glaubt.

Klar, ich war sehr froh wieder bei meinen Freunden zu sein. Aber musste man mich rumschubsen?

Allerdings war ich mittlerweile alt genug, um selbst entscheiden zu können, wo ich hin gehörte.
 

Ach, was redete ich da..

Ich war gerade 17 geworden, Single und überhaupt nicht in Stimmung, für lange Reisen..

Mein Leben fiel wieder wie ein Kartenhaus zusammen.

Dabei dachte ich, ich hätte meine Lebenskrise eben erst überwunden.

Oder hab ich das nur geträumt?

Mein Selbstbewusstsein war doch eben noch da. Warum war ich denn jetzt schon wieder so unten?

Frauen und ihre Stimmungschwankungen... ob ich jetzt schon in die Wechseljahre kam?

Ach quatsch.. Dafür musste man doch richtig alt sein... So Ende dreizig...
 

Ich brauchte dringend etwas zu Essen. Essen half immer. Glaub ich.

Der nächste Imbiss war nicht weit, ich musste nur die Straße weiter runter..
 

Dort angekommen stieg mir sofort der Duft von Nudelsuppen in die Nase. Ob die auch Tunfischmajo hatten? Das wäre jetzt wirklich meine Lebensrettung.

Ich sah mich auf den Weg zum Tresen etwas um.

Das kleine Stübchen war fast leer. Höchstens fünf Leute. Einige hatten sich sogar an Sechsertischen breitgemacht. Ich zog angewidert die Stirn kraus, als mir der verpickelte Verkäufer mit Zahnspange zu lächelte.
 

„Guten Tag und Willkommen bei „Lucky Soup“. Womit kann ich sie glücklich machen?“, fragte er höflich und fletschte die Zähne. Er lispelte. Wie eklig.
 

Mein Blick ging einmal komplett über die Karte. Kein sehr großes Angebot.

Es gab Nudelsuppe. Und Nudelsuppe.... Hey.. Melonensuppe... und Nudelsuppe. Welch Auswahl.
 

„Ich nehm´eine Melonensuppe...“, meinte ich schließlich und kramte nach Geld.
 

„Sehr gern, Madam. Zum hier essen oder zum mitnehmen?“

„Ich esse hier....“, sagte ich leichtsinnig. Ich wusste, dass der schmierige Verkäufer garantiert mit mir versuchen würde zu reden. Der Arme hatte wahrscheinlich noch nie ein Mädchen gesehen.

So kam es mir jedenfalls vor.
 

Die Tür ging auf und es wagte sich doch tatsächlich noch einer in den Schuppen.

Ich hatte diesen Laden eigentlich ganz anders in Erinnerung.

Hier boomte mal das Leben...
 

Reflexartig wandte ich meinen Kopf und ich machte innerlich einen Freudensprung.

Davis! Na immerhin, eine bekannte Seele!
 

Als er mich erblickte nickte er grinsend und kam näher.
 

„Wie immer, Shigekazu.“, rief er dem Verkäufer zu und erntete ein Metalllächeln.
 

Dann drehte er sich zu mir. Er sah total übermüdet aus.

Ich legte sorgenvoll den Kopf schief.
 

„Alles okay mit dir?“, wollte ich schließlich wissen und sah meine Melonensuppe kommen.

Wenigstens sah es essbar aus.
 

Davis rieb sich die Augen und zwinkerte.
 

„Dasselbe könnte ich dich fragen. Was führt dich in diese bescheidene Hütte?“
 

Ich zuckte mit den Schultern und gab dem Wesen namens Shigekazu, was nebenbei bemerkt ein selten dämlicher Name ist, das Geld.
 

„Vielen Dank, und beehren sie und bald wieder....“, griente er und leckte sich über die rissigen Lippen. Ich hätte mich auf der Stelle übergeben, wenn ich nicht so einen Hunger hätte.

Stattdessen lächelte ich müde.
 

Dann sah ich wieder zu Davis und zeigte auf das wässrige Ding in meiner Schale.
 

„Hunger. Aber sag mal, du siehst aus, als hättest du die ganze Woche über nicht geschlafen- Woran liegt das?“
 

Er wies mit dem Kopf auf eine Sitzecke auf der linken Seite. Ich nickte verständlich und zog mich dorthin zurück. Der Boden müsste auch mal wieder gewischt werden... Es klebte...

Allmählich bekam ich hier drin Angst. Die wenigen Gäste starrten mich lüstern an.

Wenn ich nicht so neugierig wäre, hätte ich die Suppe fallen lassen und hätte diesen Saftladen auf der Stelle verlassen.
 

Nervös ließ ich mich auf das rote, abgenutzte Polster nieder und wartete ungeduldig auf Davis, der noch immer am Tresen stand. Er sah wirklich fertig aus.
 

„Danke.. Ähm...“, hörte ich ihn stottern. Shigekazu und schüttelte den Kopf.
 

„Vergiss es Davis. Geht auf´s Haus.“, meinte dieser und grinste.
 

„Danke... Hast was gut bei mir...“
 

„Ja... ähm.. Du kennst die Kleine dahinten doch oder?.. Also....“
 

Davis lachte laut auf und kam schließlich zu mir.

Ich sah ihn angespannt an.
 

„Was war das denn?“
 

Davis tauchte seinen Löffel in die dampfende Brühe und schloss die Augen.
 

„Er will mit dir ausgehen..“, eröffnete er mir schließlich und steckte sich eine Ladung in den Mund.
 

Ich sah angewidert zum Verkäufer an, der mir verliebt zu winkte. Es schüttelte mich auf der Stelle.
 

„Nein... bloß nicht!“, zischte ich und knirschte mir den Zähnen.
 

Davis lachte kurz, dann wurde seine Miene wieder ernst.

Ich stocherte in das mittlerweile glibbrige Melonenzeug herum. Wenn ich das nächste Mal Diät halten wollte dann würde ich wieder hier her kommen. Da verging einem ja der Appetit.
 

„Also...? Was liegt dir auf dem Herzen?“

Ich hatte schon lange, oder eher gesagt noch nie ein richtiges Gespräch mit ihm geführt. Das lag garantiert daran, dass er mir einfach zu überheblich vor kam. Außerdem hatte er doch meistens nur eins im Kopf: Kari
 

Gespannt wartete ich auf eine Reaktion. Sollte es keine geben, würde mich das auch nicht wundern. Warum sollte er auch mit mir über solche Dinge sprechen. Davis hielt mich bestimmt für viel zu eingebildet.
 

„Ach... Liebeskummer... Es wird alles nur schlimmer.... ich habe die beiden auf der Party knutschen sehen..“, erzählte er und ließ den Kopf hängen. Er war doch redefreudiger als erwartet.
 

„Ja.. Liebeskummer.. ich weiß genau wie es dir geht.“, entgegnete ich und probierte nun doch einen Löffel. Ich schluckte schwer. Da war man aber schon besseres gewöhnt..
 

„Schmeckt´s dir nicht?“, wollte er wissen und schaute mich an. Ich schüttelte grimmig den Kopf.
 

„Das ist doch nicht so mein Fall...“
 

„Dir geht’s also auch scheiße?“
 

Ich schaute ihn erschrocken an. Sollte ich jetzt also wirklich mit Davis über dieses Thema reden?

Allerdings schienen wir in dem Punkt etwas gemeinsam zu haben.

Ich seufzte.
 

„So kann man es sicherlich formulieren...“, murmelte ich und schob die kalte Suppe ein Stück weg.

Davis schlürfte den Rest seiner Suppe auf und wischte sich über den Mund.

Manieren waren wohl aus, als er geboren wurde.
 

„Immer noch wegen Iz? Ich bitte dich, das hat doch keinen Sinn. Der hat eine Neue..“, schmierte er es mir noch einmal auf das Butterbrot. Ich biss mir mir auf Lippe.
 

„Ach nee... Solche Reden schwingst ausgerechnet du, der schon seit geraumer Zeit hinter dem einen Mädchen her ist, und nicht einmal eine Umarmung geschweige denn ein aufrichtiges, liebes Wort von ihr bekommen hat. Ja, genau du solltest solche Dinge sagen..“, zischte ich und schmiss ihm eine Serviette auf den Tisch.
 

Er grinste verlegen und nahm sie dankend an.
 

„Tut mir Leid... Bei Tai klappt so was auch immer...“, sagte er und schaute auf dem Tisch herum.
 

Ich stöhnte.
 

„Da du nicht Tai bist, solltest du das lassen. Und außerdem: Ich bin über Izzy hinweg! Ich bin offen für neues!“
 

Davis guckte mich ungläubich an.
 

„Für jemand, der auf Veränderungen aus ist, siehst du mir aber nicht aus. Und hast du nicht noch vor zwei Tagen Soras T-Shirt vollgeflennt?“
 

Er war gut.... Aber nicht zu gut..
 

„Das war vor zwei Tagen. Heute ist heute!“
 

Mein Gegenüber lachte auf. Den Witz musste ich verpasst haben.
 

„Deine Motivation ist ja echt mitreißend... Du strahlst richtige Freude aus, dass ist ja unglaublich!“
 

Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Pff! Angeber.
 

„Das ist meine private Angelegenheit. Wenigstens gehe ich meinen Freunden nicht ewig mit meiner Eifersucht auf den Wecker!“
 

PAM! Das hatte gesessen. Er kniff die Augen zusammen und beugte sich vor.
 

„Privat Angelegenheit, mh? Ach, deswegen muss man sich immer dein Gequatsche anhören, das es einem zu den Ohren wieder rauskommt, deine privat Angelegenheit!!“, rief er mir ins Gesicht.
 

Musste ich es mir eigentlich bieten lassen, von einem Fünfzehnjährigen so angefaucht zu werden?

Ich schluckte wütend.

Das dumme an der Sache war, er hatte recht.
 

Ich musste immer ständig jedem von meinem Problem mit Izzy erzählen, und drängte mich so dermaßen in den Vordergrund, das kein Platz mehr für die anderen waren. Oh Schreck lass nach, Davis öffnete mir die Augen noch weiter...
 

Sein eigenes Problem war in weite Ferne gerückt.
 

„Was ist los Prinzessin? Hab ich dir dein Schloss kaputt gemacht? Das tut mir aber Leid!“, schrie er . Der Verkäufer war mittlerweile auch hellhörig geworden. Zum Glück waren wir nun die einzigen Gäste in dem Laden. Das wäre ja noch peinlicher geworden.
 

Irgendwie erinnerte Davis gerade ganz furchtbar an Izzy, wie er vor mir stand, und mich ebenfalls zurecht biegte.
 

„Such dir einen neuen Packesel!“
 

Ich versuchte den dicken Kloß runter zu schlucken, aber es ging nicht. Mir stiegen allmählich die Tränen in die Augen. Ich wollte gehen, auf der Stelle.
 

„Na, was ist? Bist ja so still geworden! Soviel dazu, du hast alles überwunden, wa! Nichts hast du. Du hast wahrscheinlich auch noch nicht mal richtig kapiert, warum Izzy dich verlassen hat! Du bist nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, dich im Spiegel zu betrachten! Liebeskummer?! Du hast überhaupt keine Ahnung was das ist! Du eingebildete, möchtegern Tussie!!“, keifte er und musste anschließend erstmal wieder Luft holen.
 

Mir liefen die Tränen heiß und still über die Wangen.

Er hatte so recht.

Deswegen war ich vorhin bei Tai auch wieder in Tränen ausgebrochen, meine eingebildete Motivation hatte mich so dermaßen eingenommen, dass mich der Liebeskummer in unregelmäßigen Zeitabständen daran erinnerte, dass es falsch war, sich sofort an jemand neues zu hängen.
 

Deswegen war ich auch so trist den ganzen Tag.

Meine Lippen bebten und ich senkte den Blick.
 

„Mimi... ich... es tut.. es tut mir Leid.. das ist so aus mich herausgeplatz. Ich wollte dich nicht beleidigen oder fertig machen...“, meinte er mit ruhigere Stimme.
 

Ich lächelte matt. Das ausgerechnet dieser Hitzkopf eine Gehirnwäsche verpasst, hätte ich nie gedacht. Das Leben hielt halt doch schon einige Überraschungen bereit.
 

„Ist okay Davis. Ist okay.“, hauchte ich und stand auf.
 

„Mimi...?“
 

„Danke für deine Gesellschaft... schönen Abend noch...“, sagte ich und ging zur Tür.
 

„Mach´s gut Shigekazu..“
 

Er winkte noch mitleidig, dann war ich aus dem Laden getreten.

Es war mittlerweile schon am dämmern und die kalte Frühlingsluft ließ mich frösteln.
 

Nur schnell nach hause, dachte ich und legte die Arme um mich selbst. Ich hatte ja sonst niemanden mehr. Ich hatte alle von mir abgeschottet. Es tat weh.
 

Ich lief durch die Stadt und ließ mich von Passanten durch die Gegend schubsen. Ich nahm kaum etwas war. Vor mir lag nur die Trauer und Einsicht, die mir Davis noch einmal offen gelegt hatte.

Nichts mit „neuem Mann suchen“ und „die warten alle nur auf mich“.

Das war wie weggeblasen.
 

Das, was ich jetzt brauchte, war ein Tee, meine beste Freundin und eine Jahresration an Taschentüchern. Das machte man doch bei.. Liebeskummer, oder?

Ich mein, vielleicht sollte ich mich mal so richtig „auskotzen“, dass sollte ja wahre Wunder vollbringen. Und erst, wenn der Schmerz geflickt war, erst dann sollte ich mich vielleicht wieder auf die Suche nach etwas Neuem begeben.
 

Ich beschloss zu Sora zu gehen. Sie hatte immer ein offenes Ohr für mich. Allerdings... nein.

Sie würde morgen Abend nach Frankreich fliegen, und ich wollte ihr nicht die Freude nehmen.

Also doch lieber nach hause.
 

Gedankenverloren starrte ich auf die Straße und bemerkte nicht, wie mir etwas entgegen kam. Ein Fahrrad.
 

„Pass auf Mimi!“, rief eine Stimme und riss mich aus den Gedanken.

Der Fahrradfahrer konnte wohl kaum so schnell bremsen. Wie gelähmt stand ich da.

Mit einem Mal wurde ich zur Seite gestoßen und landete etwas unsanft auf dem Boden.
 

„Blödes Gör!“, rief der Fahrer und fuhr weiter.
 

„Ach geh sterben, du Arsch!“, rief mein Retter und reichte mir seine Hand. Es war wieder Tai.
 

„Na Träumerle. Komm steh´auf es ist kalt!“, meinte er und zwinkerte.
 

Ich nahm seine Hand dankend und ließ mich mit einem Schwung wieder auf die Beine befördern.
 

„Mensch Mimi, so labil kenn ich dich ja gar nicht. Du musst deine schönen Augen zum auf die Straße gucken benutzen, weiß du das nicht mehr?“
 

Er schaute mich grinsend an und bot mir seinen Arm zum einharken an.

Ich presste mich sofort an seinen Körper.
 

„Tut mir Leid...“, flüsterte ich und legte ließ mich ganz langsam vorwärts ziehen.
 

„Ach, du machst auch Dinger, Süße... Ich dachte, gleich gibst Briefmarkenmimi. Zu deiner Verteidigung kann ich sagen, der Typ hatte keine Klingel.“, sagte er und stupste mich leicht an.
 

Ich lachte schwach. Tai schaffte es immer, aus der miesesten Lage einen Scherz zu machen.
 

„Jetzt läufst du mir aber nicht mehr weg, klar? Ich bringe dich jetzt nach hause. Und wehe, ich erfahre nicht endlich die ganze Wahrheit!“
 

Ich schaute ihn,immer noch verwirrt, an. Die Wahrheit?
 

„Was meinst du damit?“, wollte ich wissen und strich mir durch das Haar.
 

„Die Wahrheit deines Befindens.“, sagte er kurz und schaute mich ernst an.

Ich sah erschrocken zurück.
 

„Die Wahrheit... meines Befindens?“, wiederholte ich und wurde ausgelacht.
 

„Ja, du musst mir aber nicht alles nachplappern.“
 

Er beugte sich zu mir rüber und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.
 

„Lass mich dein Seelenklempner sein, Schätzchen!“
 

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Diesmal kein Lied. Mir fiel keins ein. xD

Ich habe eine Frage an euch:

Wollt ihr, dass Saya auch ein Kapitel bekommt?

Ich bin da nämlich etwas unschlüssig...

Was meint ihr? ;)

Doch nicht so cool wie man denkt

Kapitel 8- Doch nicht so cool, wie man denkt.
 

Sora zur Liebe, schlief ich bereits seit zwei Wochen bei ihr. Wir wollten vor ihrer Reise ins Unbekannte soviel Zeit wie nur möglich, zusammen verbringen.

Schließlich würde ich vier Jahre lang, in eher unregelmäßigen Abständen sehen.

Denn nur wenn ich beziehungsweise sie flüssig waren, konnte einer von uns beiden zum jeweils anderen.. fliegen. Wie sich das anhörte...
 

Wir wohnten höchstens zwanzig Minuten von einander entfernt. Und das würden wir in weniger als vierundzwanzig Stunden gegen zwei Tage eintauschen. Wenn es nicht sogar länger dauerte.
 

Was ich bisher noch einigermaßen verbergen konnte, lief Sora nun schon den ganzen Tag über die Wangen. Die Trauer, ihre Eltern und Freunde hinter sich zu lassen, zerriss sie in den letzten Stunden vor ihrem Flug. Sie war völlig fertig, nicht mehr zu beruhigen.
 

Wenn es nicht um ihren Traum ging, würde ich sie an mich ketten und einfach nicht mehr loslassen.

Aber wer bekam mal eben die Chance, an einer Modeakademie in der Stadt der Mode zu studieren?

Das weg zu werfen wäre sicherlich noch weit aus mehr zum heulen.
 

Und so musste ich meinen liebsten Schatz ziehen lassen. Und ließ mir den Verlust, stur wie ich war, nicht anmerken. Schon allein, um Sora nicht noch mehr zu beunruhigen.
 

Ihre Eltern waren mit der Situation total überfordert.

Sobald ich nur ganz kurz den Raum verließ, brachen über Sora die Niagarafälle ein, und sie kratzte ihrem Vater buchstäblich die Arme blutig. Und das war keine Metapher. Blanker Ernst.
 

Jede einzelne Träne brannte sich in mein Gedächtnis ein, und der Anblick meiner sonst so lebensfrohen und wunderschönen Sora brach mir das Herz. Ein nasser Schwamm war gar nichts gegen sie.. Au, der war mies...
 

„Sora.. ich müsste mal ganz, ganz, ganz, kurz zu mir rüber. Ich muss gucken, ob die Bude noch steht, und bräuchte noch ein paar Dinge. Außerdem hat mich mein Vater zu ihm zitiert...“, versuchte ich es zu erklären.
 

Sie krallte sich sofort in mein Hemd, und damit auch in meine Haut. Ich hatte schon öfters Kratzspuren von ihr abbekommen, aber die hier waren ein Witz gegen die alten.

Ich verzog schmerzend das Gesicht.
 

„Nur für... eine halbe... Stunde...“
 

Das war mein Todesurteil. Sie würde mich niemals gehen lassen.
 

„Du... du... du kannst nicht gehen... du darfst nicht gehen...“, murmelte sie und schniefte.
 

Ach man, irgendwie war sie selbst in diesem Zustand unheimlich süß. Auch wenn ich ihr sonst nichts abschlug, dieses Mal musste ich hart bleiben. Ich wollte nicht, aber ich musste.
 

Klar, ihr werdet jetzt denken: „What the hell are you doing to her?!“. Aber, ich brauchte, auch wenn es hart klingen mag, auch mal fünf Minuten für mich.

Ich konnte es nämlich nicht mehr lange ertragen sie so leiden zu sehen.

Wenn das so weiter ging, würde ich mir das mit dem Anketten ernsthaft überlegen..!

„Sora, mein Schnuffel, ich renne so schnell ich kann, okay?“, schlug ich vor und versuchte aufzustehen. Ihr Vater schmunzelte.
 

„Nein, du sollst hier bleiben...“, gab sie zickig zurück und hängte sich an meinen Körper.

Schleifend versuchte ich nun die Haustür zu erreichen.
 

Okay, ich weiß, was ich eben gesagt hatte, und ich liebte sie wirklich sehr, aber dieses Rumgeschleife fiel mir dann doch lästig.
 

„Sora... bitte, lass mich los...“, schnaufte ich. Sora war wirklich nicht schwer, aber schwer los zu werden. Ihre Eltern beschmunzelten meine Lage. War ja klar, lasst ihn nur leiden...
 

Doch plötzlich ließ meine schwer depressive Freundin tatsächlich von mir ab. emotionslos starrte sie auf meine Schuhe.
 

„Du liebst mich überhaupt nicht....“, quiekte sie und fing an zu weinen. Ich stöhnte.
 

Sie klang schon fast wie eine schwangere Frau. Die hatten doch auch immer so extreme Stimmungsumschwung und ihr größtes Hobby war es, ihren Männern die Nerven zu rauben.

Ich krampfte allmählich. Ich hielt das nicht mehr lange durch.
 

Wie gern würde ich wieder neben ihrem schlafendem Engelsgesicht liegen und leise vor mich hin flennen, weil es mir unheimlich weh tat, dass sie bald weg war. Für vier Jahre. Ich schluckte.
 

Um das Gesicht voller Wasser wenigstens etwas aufzuheitern, half momentan nur eins:
 

„Ach Sora... Fängst du damit wieder an? Du weißt ganz genau das ich dich mehr liebe, als alles andere auf der Welt. Das mein ich ernst!“
 

Ich hob ihren trauernden Kopf etwas hoch, damit sie mich ansehen konnte, und gab ihr einen langen Kuss. Ich hatte ja noch Hoffnung... Vielleicht half es dieses Mal ja auch.
 

„Renne wie der Wind, mein Liebster...“, flüsterte sie lächelte schwach. Ihr Lächeln... Wie ich es vermisste...
 

Ich nickte und rasch war ich aus der Tür gehüpft. Wer weiß, wie schnell sie es sich noch anders überlegte. Sora war von heute auf morgen total sentimental geworden. Die Wochen davor war sie so fröhlich wie immer, hatte von ihrer neuen Schule geschwärmt. Doch mit jedem Tag, der ihrem Flug nach Frankreich näher kam, wurde sie immer ruhiger.
 

Ich lief, soweit es mir möglich war, in einem rasanten Tempo über die Straßen, die wohl bemerkt immer auf rot standen wenn ich kam, und schubste den einen und anderen Menschen um.

Und was bekam ich dafür? Hupende Autofahrer, und Passanten die mir unheimliche Schimpfwörter an den Kopf knallten. Ein alter Mann lachte, als ich anhalten musste. Ich hasste Sport, und war deshalb nie besonders gut in meiner Ausdauer.
 

„Die Jugend von heute, hält auch nichts mehr aus... Damals, als ich so alt war wie du...“, fing er an und schon ging es mir wieder besser. Wer wollte schon Geschichten eines gelangweilten Mannes hören?
 

Zu hause angekommen pfiff ich aus dem letzten Loch. Ich hasste es zu laufen...

Lustigerweise war mein Dad tatsächlich daheim. Eine wahre Seltenheit..

„Ach, du lebst auch noch..?“, fragte ich monoton und schlich in mein Zimmer. Er folgte mir stampfend vor Wut.
 

„Sag mal geht es eigentlich noch? Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung auch mal ein Lebenszeichen von dir geben könntest?“, schnauzte er. Als ob es ihn wirklich stören würde...
 

„Wieso? Interessierst du dich auf einmal wieder für deinen Sohn?“
 

„Werde bloß nicht frech, Jungchen! Solange du unter meinem Dach wohnst, hast du.“
 

„Ach halt dein loses Mundwerk alter Mann! Das hier ist eine drei Zimmerwohnung, die du zur Miete bewohnst du Idiot! Und du kannst dich schon lange nicht mehr als mein Vater bezeichnen, du weißt ja noch nicht mal wie alt ich bin.“, maulte ich zurück.
 

Er schluckte...
 

„Du bist... 17!“, rief er plötzlich und es kam ein Hauch von stolz in ihm auf.
 

Ich schnappte meine neu gepackte Tasche und schaute ihn emotionslos an.
 

„Mach´s gut Daddy, und grüß deinen siebzehnjährigen Sohn von mir... Mich kannst ja nicht meinen...“, hauchte ich und zog an ihm vorüber. Er war sichtlich geschockt.
 

Als ich an der Tür stand drehte ich mich nochmal seufzend um.
 

„Ich bin achtzehn. Und noch etwas: Ich habe übermorgen Geburtstag und werde neunzehn, falls du das auch vergessen hast..“
 

Dann war ich weg. Ich ertrug meinen eigenen Vater nicht mehr. Ich ertrug mein ganzes Leben gerade nicht mehr. In mir kam eine dringende Sehnsucht nach Sora auf. Scheiße, was würde ich denn nun machen, wenn sie nicht mehr da war? Ich hatte keine Rückzugmöglichkeit mehr.. Außer Tai..
 

Warum ich plötzlich so ein schlechtes Verhältnis zu meinem Vater hatte?

Ganz einfach: Er mutierte zum Idioten. Von heute auf morgen.

Gut, er hatte schon immer einen straffen Zeitplan bezüglich seiner Arbeit gehabt, aber seit einiger Zeit schien er in der Midlifecrisis gefangen zu sein. Aber so extrem, dass er komplett vergaß, dass ich existierte..

Früher rief er wenigstens an, wenn es später wurde. Mittlerweile erfuhr ich so was nur, wenn ich seine Kollegen anrief. Und die teilten mir dann nicht mit „dein Vater muss noch an einer Sendung feilen, mach dir keine Sorgen...“.

Nein.

„Dein Vater ist in die nächste Bar gestapft...“

Toller Dad...

Und als wenn das noch nicht die Krönung, kam er dann irgendwann in der Nacht wieder nach Hause, besoffenen. Versucht man dann noch, ihn anzusprechen, kriegt man einen Tobsuchtsanfall umsonst...
 

„Was denn? Was denn? Was denn?“
 

Das waren so mit die einzigen Worte die er noch raus bekam. Bewundernswert nicht wahr?

Und da sollte ich nicht gereizt reagieren?

Meistens flüchtete ich deswegen zu Tai oder, am liebsten natürlich, zu Sora.

Natürlich konnte ich mich vor meinem eigenen Vater verstecken, dass war mir klar.

Tai motivierte mich zu einem Gespräch. Auf seine Weise...
 

„Würde´ich ja grade biegen...“, meinte er.
 

Worten, folgten Taten. Ohne Erfolg. Nun war klar woher ich meine Stumpfheit hatte.

Er sah nicht ein, dass es zwischen uns ein Problem gab, dass es mich tatsächlich interessieren würde, was er nach der Arbeit mache. Schwachkopf.

Nach mehrmaligen Anläufen hatte ich einfach die Schnauze voll. Kein Bock.

Soll der Alte doch ersaufen.... Okay, so was sagte man nicht...
 

Sora wusste von meinem kleinen Problem nicht. Ich wollte sie damit nicht belasten, die Kleine hatte schon genug in ihrem Kopf.
 

Sobald ich vor ihrer Tür stand, riss sie diese auch schon hektisch auf. Ich lächelte sie warm an.

Nur bei ihr fühlte ich mich richtig wohl.

Sie lächelte erleichtert zurück und klammerte sich heftig an meinen Körper.
 

„Sachte schöne Frau... Ich habe mich doch schon beeilt...“, meinte ich ruhig und umarmte sie.

Sie sah mich ungläubig an.
 

„Das war zu lange... Du bist so unsportlich wie immer...“ Sie schmollte.
 

Ich küsste sie und grinste.
 

„Ich bin Musiker, kein Marathonläufer, Honey...“, sagte ich und lachte. Sie streckte mir die Zunge raus und tanzte in ihr Zimmer. Ich folgte, nur nicht tanzend... Das kann ich nämlich auch nicht..
 

„Ah, wieder da?“, rief Soras Mutter aus der Küche und winkte. Ich nickte schnell und war in Soras Zimmer verschwunden. Dort saß sie trüb auf ihrem Bett und schaute mich an.
 

„Ganz schön leer hier...“, meinte ich und das war noch milde ausgesprochen.
 

Fast ihr komplettes Zimmer war in Koffern verstaut. Die Kosten für das Übergepäck wollte ich lieber nicht wissen.
 

„Mein Leben steckt in diesen Quadraten.“, entgegnete sie, während ich mich neben sie setzte. Das hob garantiert nicht dir Stimmung... Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter.
 

„Wie wäre es wenn du dich auch in einen reinlegen würdest? Dann wäre ich zufrieden.“
 

„Tut mir Leid. Deine Koffer sind groß, aber ich bin größer...“, antwortete ich und küsste ihr Haar.

Sie seufzte.
 

„Dann besorge ich eine spezielle Transportbox, mit der Aufschrift „Achtung, sehr wertvoll!“.“

Sie schaute zu mir hoch und lächelte müde. Ich streichelte ihr über die Wange und nahm sie fest in den Arm. In meinem Hals steckte ein Kloß, den ich eben erstmal runterschlucken musste.
 

Wenn ich könnte würde ich dich sehr gerne begleiten, dachte ich und umschloss sie noch fester.
 

Ich kann dir nicht versprechen

dir die Sterne vom Himmel zu stehlen

kann dir nicht versprechen

auf alle Fragen eine Antwort zu geben
 

Kann keine Meere teilen

Nicht in die Zukunft sehen

Kann keinen Berg versetzen

die Geschichte nicht verdrehen
 

Ich kann dir nicht versprechen

die Welt zum Stehen zu bewegen

kann dir nicht versprechen

alle Meere zu durchsegeln
 

Kann Geschehenes nicht ändern

die Zeit nicht rückwärts drehen

kann Wunder nicht herbeiführen

und nicht durch´s Feuer gehen
 

Ich kann dich lieben

wie´s kein andrer vermag

Ich kann dich lieben

mit jedem Herzschlag
 

Ich kann dich lieben

Tag für Tag

Ich kann dich lieben

ahh ahhh
 

Ich kann für dich da sein

an deiner Seite gehen

kann Sorgen mit dir teilen

dich versuchen zu verstehen
 

Ich will dir ein Licht sein

wenn du im Dunkeln irrst

ich will dir Wärme geben

wenn du im Dunkeln frierst
 

Ich kann dich lieben

wie´s kein andrer vermag

Ich kann dich lieben

mit jedem Herzschlag
 

Ich kann dich lieben

Tag für Tag

Ich kann dich lieben

ahh ahhh
 

Ich kann dich lieben

wie´s kein andrer vermag

Ich kann dich lieben

mit jedem Herzschlag
 

Ich kann dich lieben

Tag für Tag

Ich kann dich lieben

wo uh ah
 

Kann dich lieben

Ich kann dich lieben
 

Ich will dein Licht sein

Ich will dir Wärme geben

Ich will dein Licht sein

yeah yeah
 

Ich will dein Licht sein

Ich will dir Wärme geben

Ich will dein Licht sein

will dir Wärme geben
 

Ich kann dich lieben

wie´s kein andrer vermag

Ich kann dich lieben

mit jedem Herzschlag
 

Ich kann dich lieben

Tag für Tag

Ich kann dich liiiiiiiiiiiiiiieben
 

Ich kann dich lieben

wie´s kein andrer vermag

Ich kann dich lieben

mit jedem Herzschlag
 

Ich kann dich lieben

Tag für Tag

Ich kann dich lieben

Ich kann dich lieben

Ich kann dich lieben

Ich will dich lieben

Ich kann dich lieben

Ich kann dich lieben

Ich kann dich lieben

Tag für Tag

Ich kann dich lieben

yeah yeah
 

Ich will nur dich

Ich kann dich lieben

Ich liebe dich so sehr

Ich kann dich lieben

Ich liebe dich so sehr

Ich kann dich lieben
 

Sie lag vollkommen erschöpft, vom vielen Weinen und Packen, in meinen Arme und döste lächelnd vor sich hin. Ich starrte nachdenklich gerade aus und merkte erst gar nicht, dass sie mit mir sprach.
 

„..und Mimi wird bestimmt losheulen... Sie hasst Abschiede doch so sehr... Tai wird sicherlich alles cool überspielen. Genauso wie Joe und Davis und T.K. Bei Izzy bin ich mir nicht sicher... Ob Kari und Yolei wohl auch weinen würden? Wallace weiß bestimmt gar nicht so recht, was er da morgen machen soll. Er kennt mich schließlich nicht sonderlich gut. Aber Kari hat ihn eingeladen. Ken und Cody kann ich auch nicht wirklich einschätzen...“
 

„Machst du dir etwas jetzt schon Gedanken über die Reaktionen der anderen?“, harkte ich nach und schaute zu ihr runter. Sie hatte mich die ganze Zeit beobachtet. Jetzt lächelte sie.
 

„Ja warum nicht? Ich mein, Morgen um diese Zeit sitze ich schon im Flieger... Ich verpasse sogar deinen Geburtstag..“
 

Ich fragte mich gerade, ob sie überhaupt noch hier war. Sie sprach plötzlich so komplett geistesabwesend. Ob das normal war?

Ich zog die Stirn in Falten.
 

„Sora?...“
 

Sie nahm das gar nicht wahr. Sie schien echt weggetreten zu sein. So als wenn sie Tequila getrunken hätte, den vertrug sie nämlich nicht. Beziehungsweise: Sie wurde schnell beschwipst davon.

Deswegen hasste sie das Zeug. Es würde überhaupt keinen Spaß machen, wenn sie von diesem Alkohol so schnell weg wäre. Sie könnte da ja auch gleich Wasser trinken.

Ach, ich liebte ihre Macken...
 

„Wie wirst du reagieren, Matt? Wenn du weißt, das ich nicht mehr bei dir sein kann...“
 

Diese Frage stach mir direkt ins Herz. Wenn sie nicht mehr bei mir sein kann?
 

„Lass bloß die Finger von anderen Mädchen, okay? Sei schon brav... Zu Weihnachten komme ich wieder... Tai wird mir alles erzählen, jede Kleinigkeit, die du getan hast, dokumentiert er für mich... ich habe ihn schon auf dich angesetzt...“ Sie lachte schwach.
 

Noch immer schluckte ich an ihrem Satz. Sie tat gerade so, als ob sie morgen sterben würde.

Wir würden uns doch noch sehen. Ich würde sie besuchen. Sie würde mich besuchen. Telefon. SMS. Internet. Es war doch alles möglich...
 

„Schade... ich kann dich für lange Zeit nicht mehr Gitarre spielen hören... Dabei liebe ich deine Musik so...“ Aus ihren geschlossenen Augen traten kleine Tränen hervor.
 

Jetzt war sie also nicht nur geistesabwesend, sondern weinte auch wieder. Das war nun etwas zu viel für mich. Und diese wirre Gerede.
 

„Wenn du weißt, das ich nicht mehr bei dir sein kann...“
 

Ich schluckte, mein Atem wurde schneller, meine Augen waren weit aufgerissen.
 

„Hör auf...Hör auf...“, murmelte ich. Sie erhob sich und schaute mir leerend Blickes entgegen.
 

„Womit aufhören?“
 

„Mit dieser Scheiße! Hörst du dich eigentlich selbst? Bist du überhaupt noch auf diesem Planeten?“, zischte ich und zum ersten Mal kam all die aufgestaute Trauer in mir hoch. Auch wenn sie sich zunächst in Wut wandelte. Sora schien mich nicht zu verstehen.
 

„Du tust gerade so als würdest du unsere Welt verlassen! Für immer!“
 

„Das fühlt sich aber im Moment auch so an...“
 

„Red keinen Müll!“, keifte ich. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu platzen.
 

„Ich rede keinen Müll... Ich..“
 

„Du findest also, mir zu sagen, dass du nicht mehr bei sein wirst, ist kein Müll? Und das ich auch ja keiner anderen hinterher starren soll, ist kein Müll? Und das du nicht mehr meine Musik hören kannst, ist kein Müll? Sperr die Lauscher auf: DAS IST MÜLL!“
 

Ihr Mund klappte vor Schreck auf. Ich hielt den Atem an. Ich wollte sie nicht anschreien. Egal, wo ich schon mal dabei war:
 

„Die ganzen letzten Tage redest du nur noch so eine gequillten Scheiß! Das ich dich nicht lieben würde, nur weil ich für zwei Minuten mal die Wohnung verlasse, um auch mal durchzuatmen! Meinst du etwa, du wärst die Einzige hier, die leidet? Alle leiden, weil sie einen so wunderbaren Menschen wie dich, für eine ganz lange Zeit nicht mehr bei sich haben können. Nur die Freude zu wissen, dass es dein Traum ist, Modedesignerin zu werden, und du hiermit eine Riesenchance ergreifen kannst, lässt sie alle noch lächeln.“
 

Ich hatte erst jetzt bemerkt wie mir, während meiner beschwinglichen Rede die Tränen über die Wangen rollten. Verdammt! Ich wollte doch nicht auch heulen..
 

„Und ich... ich bin unheimlich stolz auf dich, dass du das durchziehen willst. Aber mit deiner neuen Art, dieses abwesende, dieses weinerliche, komme ich nicht mehr klar. Du machst mich mit fertig.

Wo ist die Sora, die sich total gefreut hat, dieses Studium bekommen zu haben? Wo ist die Sora, die mich immerzu zum lachen gebracht hat? Wo ist verdammt nochmal die Sora, die ich liebe?“
 

„Yamato....“ Sie strich über mein Gesicht.
 

„Eins sage ich dir: Wenn das die französische Sora ist, dann schick sie doch bitte nochmal zurück.. Ich will die gar nicht erst kennen.. Ich will meine Sora zurück...“, hauchte ich. Meine Stimme war weg.
 

Sora lachte. Sie lachte. Seit Tagen hatte ich das vermisst.
 

„Tut mir leid... Ich wollte... Ich wollte dir nicht die Nerven rauben... Ich glaube, es ist ziemlich mit mir durchgegangen... Aber ich bin so traurig, und aufgeregt zugleich, dass die Mischung mich wohl ganz bekloppt gemacht hat...“, erklärte sie sich.
 

Gerade als sie ihre Hand zurücknehmen wollte, schnappte ich sie mir.
 

„Du wirst niemals weg sein.“
 

Sora schaute mich fragend an.
 

„Du bist immer in meinem Herzen. Meine kleine, lachende Sora. Ich hab vielleicht viele Verehrerinnen, aber davon kann dir keine das Wasser reichen. Tai hat nichts zum aufpassen, eher muss ich auf ihn achten, der alte Schussel. Und meine Musik kannst du dir gerne jeden Abend anhören, denn ich werde dich jeden Abend anrufen, und dir etwas vorspielen.. egal wieviel es kostet nach Frankreich zu telefonieren, dann such ich mir eben einen Job. Und an meinem Geburtstag verpasst du nichts. Ist mir eh egal, nur ein weiteres Jahr auf meinen Schultern. Du musst mir allerdings wenigstens am Telefon sagen, dass du mich liebst. Dann hatte ich einen gelungenen Geburtstag.“
 

Ich hatte fein säuberlich ihre Fragen, beziehungsweise Sätze abgearbeitet, damit sie weiterlächelte.

Das tat sie.
 

„Oh Matt... Du bist ein Klatschkopf... Aber ich liebe dich trotzdem...“, sagte sie und küsste mich.
 

Oh man, wie ich das genoss. Endlich wieder ein aufrichtiger Kuss meiner Sora.. Denkt euch einen Smiley. Sie lachte mich an und ich stieg mit ein.
 

Tränen würden morgen wieder fallen. Aber das war mir egal. Solange ich diese wenigen Minuten und Stunden in denen Sora und ich noch einmal richtig glücklich zusammen sein konnten genießen konnte, war mir der Rest egal.
 

_____________

Lied: Ich kann dich lieben-Philippe

^-^

Wir sind keine Freunde mehr

Zwischen mir und Kari entstand mittlerweile eine intensive Nähe. Wir hatten schon oft Sprüche gehört wie:

„Sind die nicht zusammen?“

oder:

„Ihr seit doch keine Freunde. Sieht doch ein Blinder, dass ihr in einander verliebt seit!“
 

Ich war meistens der Part, der das nicht so offensichtlich legte. Kari hingegen, wurde bei solchen Attacken immer verdächtig nervös. Das verriet mir schon einiges..

Oder dachtet ihr ernsthaft, sie käme mit ihrer Tour bei mir durch? Ihrem scheinbar besten Freund?

Nee, nee.
 

Auch wenn Davis immer dazwischen zu funken versuchte. -Was ja meistens nichts brachte.

Vor allem die letzten Wochen hatten mir gezeigt, dass Kari und ich.... mehr als Freunde waren.

Dieses warme Gefühl wenn sie in meiner Nähe ist. Das leichte Kribbeln.

Wenn ich sie ansah, konnte ich immerzu nur lächeln. Hallo?! Ich war total verknallt.

Und ich wusste, dass Kari mich auch mehr mochte.
 

Sie war eine schlechte Vertuscherin. Allerdings war die Situation auch sehr bedrückend.

Keiner von uns beiden gab auch nur ansatzweise zu, dass er Gefühle für den anderen hatte.

Wir verteidigten uns eisern mit dem Spruch:
 

„Wir sind nur beste Freunde!“
 

Sie wusste genauso gut wie ich, dass das nicht mehr fruchtete. Und Davis war hierbei vielleicht sogar mal der Schnellste, der es erkannt hatte. Deswegen tickte er ja auch ständig aus, sobald wir uns auch nur fünf Sekunden unterhielten.

Er wollte nicht, dass sich einer von uns beiden mal traute, etwas zu sagen, und tanzte dabei allen auf den Nerven herum.
 

Schien ihm aber total egal zu sein.

Hauptsache, er hatte seine Kari, für sich ganz allein.
 

Doch ich hielt es langsam nicht mehr aus. Weil ich zunächst noch dachte, Kari will wirklich nichts von mir, versuchte ich meine Gefühle zu unterdrücken. Ich wollte wirklich nur eine Freundschaft.

Doch da hatte ich die Rechnung, ohne Yolei und Wallace gemacht, die seit geraumer Zeit alles daran setzen, uns doch irgendwie näher zu bringen.

Bisher ohne sichtbaren Erfolg.

Mir ging es dabei nur schlechter. Statt, dass die Gefühle schwanden, wurden sie unerträglich.
 

Auf der Party hatte ich deswegen einfach mal einen Schritt nach vorne gemacht, was ja, wie ich beobachtet hatte, meistens der männliche Part war.

Das Flaschendrehen hatte mir einen Gratiskuss eingeheimst. Den ich nicht verkommen lassen wollte.

Als ich Kari geküsst hatte, konnte ich deutlich spüren, dass sie es auch eingesehen hatte.

Man konnte Gefühle nicht unterdrücken. Wir waren keine Freunde mehr.

Wir liebten uns.
 

Auch wenn ich das ein kleines bisschen doof fand.

Kari und ich unterstützten hiermit voll und ganz das Klischee, Jungs und Mädchen können nicht einfach nur befreundet sein. Scheiß Verliebsein.

Na ja, immerhin hatte unsere Freundschaft bis dato schon acht Jahre ohne Liebe gehalten.

Da konnte man sich doch auf die Schulter klopfen und in Ruhe schwach werden oder?
 

Seit der Party, jedenfalls, hatte ich kein Lebenszeichen mehr von ihr gehört...

Gedanken wie „fand sie es so schlimm?“ und „hättest du es mal doch gelassen..“ kreisten in meinem Kopf.
 

Meine Mutter machte sich allmählich schon Sorgen um mich.
 

„Sag mal, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie mich heute beim Frühstück.
 

Vielleicht sollte ich mal meine Mutter ausfragen. Immerhin war sie ja auch eine Frau.
 

„Nee... Du Mama?“ Ich starrte weiter gerade aus und biss in mein Brötchen.
 

Sie drehte ihren Kopf zu mir und ließ den Kaffee sinken.
 

„Mh?“
 

„Ist es normal, dass wenn man ein Mädchen küsst, zwei Tage nichts mehr von ihr hört?“
 

Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich sehen, wie ihre Augen größer und ihr Lächeln breiter wurde. Sie freut sich anscheinend einen Keks. Ich nicht.
 

„Hast du etwa Kari geküsst?“, fragte sie, setzte sich rasch auf den Stuhl mir gegenüber und stellte aufgeregt ihre Tasse ab.
 

Es war also schon bis zu meiner Mutter vorgedrungen..
 

„Ich mag es nicht, wenn du meine Fragen immer mit Gegenfragen beantwortest..“, entgegnete ich spitz und kaute auf meinem Brötchen. Sie kicherte.
 

„Tut mir Leid, Schatz. Deinem Gesicht nach zu urteilen, hatte ich aber recht was?“
 

Ich nickte stumm. Sie lächelte.
 

„Wieso rufst du sie denn nicht an?“, schlug sie vor und nahm einen Schluck zu sich.
 

Lustig. Als hätte ich das nicht schon sechshunderttausend Mal versucht. Okay... es waren fünf Mal gewesen..
 

„Du musst es nur immer wieder versuchen... Sie wird schon abnehmen... Meistens warten Mädchen immer darauf, dass der Junge anruft..“
 

„Kari anscheinend nicht...“, meinte ich und schnappte mir mein Handy. Ich hatte immer die Hoffnung, dass sie eventuell ja doch zurückrufte.

Das Mädchen musste man wohl zu einer Aussprache zwingen...
 

Ich stand auf und ging langsam durch den Flur, während ich ihre Nummer wählte. Die konnte ich jetzt auswendig.. Als ich auf „Anrufen“ drückte, hörte ich von draußen ein Handy klingeln.
 

Verwundert trat ich zur Tür und schaute durch den Spion.

Und wer stand da, total versteift und erschrocken auf ihr Display starrend? Kari
 

Ich öffnete die Tür und grinste während ich auflegte.
 

„Lass mich raten... Du warst gerade in der Nähe?..“, fragte ich und lehnte mich gegen den Türrahm.
 

Sie lächelte ertappt.
 

„Sorry, dass ich nicht ans Handy gegangen bin... Ich dachte... ich dachte, wir sollten von Angesicht zu Angesicht sprechen...“, meinte sie und kam einen Schritt näher.
 

„Komm rein...“
 

Ich ließ ihr den Vortritt. Wie jahrelang geübt ging sie zielstrebig erst in die Küche, um meine Mutter zu begrüßen, und stürmte anschließend mein Zimmer.
 

Ich folgte ihr auf leisen Sohlen.
 

Sie drehte sich zu mir um und spielte nervös mit ihren Händen.
 

„Mir ist etwas klar geworden.“, sagte sie und schaute zu mir hoch.
 

Ich ließ sie zuerst reden.
 

„Aber, bevor ich sicher gehen kann, wollte ich nur wissen... wollte ich dich fragen....“
 

„Was Kari?“
 

„Na ja... ich...“
 

„Meinst du vielleicht die Frage, ob die anderen vielleicht recht gehabt haben? Das wir beide...“
 

Auch ich stockte kurz. Es war doch komplizierter als gedacht...

Kari kam einige Schritte auf mich zu uns sah mir direkt in die Augen.
 

„Glaubst du auch, dass wir mehr als Freunde sind..?“
 

Ich schaute zurück. Die Situation kam mir vor, wie aus einer dieser schlechten Liebesfilmen aus England oder der USA, die sie immer zeigten, wenn ihnen nichts mehr einfiel. Und die zeigten sie oft...
 

Statt direkt zu sagen „ Ja, es stimmt“, kürzte ich das alles mit einem viel sagenden Kuss ab. Da war wieder dieses berauschende Gefühl, wie eine Droge, das mich schon beim letzten Mal überfiel.

Ich brauchte sie. Ich wollte sie. Ich liebte sie.
 

Sie löste den Kuss und wich etwas zurück. Nani? Ich sah etwas verdutzt zu ihr rüber.
 

„Ich weiß, dass klingt vielleicht etwas kitschig, und auch irgendwie filmmäßig...“
 

Wir sprachen schon immer dieselbe Sprache...
 

„... aber... ich möchte.. das wir es sagen... Und uns nicht einfach nur küssen, und damit hat sich das dann geklärt..“
 

Ich lächelte kopfschüttelnd. Also doch Liebesfilm. Na gut...
 

„Hoffnungslose Romantikerin...“, meinte ich und bekam einen Knuff.
 

„Ich mein das ernst...“, zischte sie und wurde knallrot. Ich lachte.
 

Doch dann krallte sie sich in mein T-Shirt und sah mich wirklich ernst an. Ich hörte auf zu lachen.

Sie wollte es schnell über die Lippen bringen. Das spürte ich.

Ich fand das aus irgendeinem Grund unheimlich komisch und verkniff mir ein Grinsen. Kari schmollte.
 

„So kann das nicht funktionieren... Du musst schon mitarbeiten..!“, maulte sie. Da war es vorbei... Ich konnte nicht mehr. Ich lachte lauthals los.
 

Ich wollte sie keineswegs auslachen. Die Situation war für mich nur unendlich kitschig und so aufgesetzt. Ich konnte nicht auf Knopfdruck wie auf der Leinwand sagen:
 

„Oh Liebste.... Ich liebe dich so sehr..“ Tut mir Leid, da packte mich das Lachen!
 

Kari konnte das auch nicht. Sie stieg ins Lachen ein.

Wir lachten solange bis wir vor Kraftlosigkeit umfielen und nach Atem rangen.
 

„Ich liebe es mit dir ungehemmt lachen zu können...“, sagte ich und drehte sah zu ihr rüber.
 

„Ja... Das kann ich aber auch nur mit dir...“, entgegnete sie und erwiderte meinen Blick.
 

Ich weiß nicht wie lange wir uns ansahen. Für mich blieb irgendwie die Zeit stehen...

Sie lächelte. Ich konnte nicht anders als es zu erwidern.

Ganz automatisch fügten sich unsere Hände zusammen, und hielten einander fest.

Niemand würde je los lassen. Das lag einfach in der Luft.
 

„Ich liebe dich Kari....“, sagte ich dann doch schließlich.. Ich musste einfach. Es platze geradezu aus mir heraus.. Ihr Lächeln wurde breiter...
 

„Ich liebe dich auch...“
 

Nun war es doch offiziell. Wir liebten uns. Wir hatten es uns gesagt. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Zum krönenden Abschluss küsste sie mich.
 

In dem Moment stand meine Mutter in der Tür.
 

„Ken hatte gerade angerufen und... oh ohhh.. Oh...“
 

Das waren zuviele Ohs... Die Hölle stand für sie weit auf.

Ich sah sie ganz besonders böse an.
 

„MUTTER?! Jetzt, wo es so spannend wurde...“, meckerte ich und sah wie Kari zusammen zuckte.
 

„Tu.. tut mir leid... ehrlich..“, sagte sie und winkte abwehrend.

Ich stand auf, riss ihr den Hörer aus der Hand und rief: „Kein Anschluss unter dieser Nummer!“

Dann legte ich auf.
 

„Ich geh dann mal wieder...“, meinte meine Mutter und lief schnell in ihr Arbeitszimmer.
 

Angenervt schloss ich die Tür und wandte mich zu Kari um. Die saß immer noch erschrocken auf dem Boden.
 

„Was?“, zischte ich genervt und verschränkte die Arme vor der Brust. Kichernd stand sie auf.
 

„Hatte ich Halluzinationen, oder hast du dich eben in Davis verwandelt?“, fragte sie mich und fing an zu lachen. Böse..... Das war eine grauenhafte Anschuldigung.
 

„Na warte... das wird ein Nachspiel haben!!“, rief ich, schmiss sie auf mein Bett und kitzelte sie aus. Sie lachte immer lauter und hätte sich fast an ihrer eigenen Atemluft verschluckt.
 

„Stopp! Stoooohoopp! Ich kann nicht mehr, du hast gewonnen..!“, quiekte sie und wischte sich die Lachtränen weg. He he..
 

Eigentlich hatte sich zwischen uns nicht viel geändert. Wir liebten uns, konnten aber noch immer genauso miteinander umgehen, wie vorher. Manchen fiel so was schwer.

Einige Klassenkameraden hatten mir davon schon berichtet. Sobald sie mit jemandem zusammen waren, konnten sie solche Dinge, wie Kitzeln, nicht mehr einfach so tun. Warum auch immer.
 

Wir lagen erschöpft und zufrieden auf meinem Bett und starrten an die Decke.
 

„Davis wird hocherfreut sein....“, murmelte Kari. Das sie jetzt noch an ihn denken konnte....

Ich hatte gerade nur sie im Kopf. Da war kein Platz für Nervensägen.
 

„Mir doch egal... Hauptsache, es ist jetzt endlich raus... Und Wallace und Yolei können mit ihren Aktionen auch aufhören... Findest du nicht?“, gab ich zurück und sah zu ihr rüber.
 

„Ja... stimmt... ´Schuldige..“
 

Sie kuschelte sich an mich und seufzte.
 

„Ich will nur einfach keinen weiteren Rosenkrieg erleben...“
 

Plötzlich klingelte ihr Handy. Erschrocken setzten wir uns auf. Sie brauchte dringend einen neuen Klingelton. Der weckte ja Tote...
 

„Hallo Mama?“, meldete sie sich und lächelte entschuldigend.
 

„Ah... Ja.... Okay.... Ja hab ich.... Gut...... Ja, bis später!“
 

Ich legte fragend den Kopf schief.
 

„Mein Vater hat versucht zu kochen. Das Essen ist total verbrannt und jetzt hat meine Mutter nichts mehr für das Abendessen. Ich soll jetzt schnell los und etwas vom Imbiss mitbringen. Mein Bruder scheint wieder auswärts zu essen, also bleibt die Arbeit bei mir hängen..“, erklärte sie und seufzte.
 

Ja, ja... die lieben Verwandten...
 

„Soll ich dich vielleicht begleiten? Es regnet und einer muss dir doch den Regenschirm halten..“, bot ich an und grinste.
 

„Wenn es dir nichts ausmacht...“ Ein auf den! Sonst hätte ich ja nicht gefragt...
 

Und so zogen wir los. Ich hielt den Schirm, Kari harkte sich bei mir ein.

Aber dieses Mal, gingen wir als Pärchen durch die Straßen. Dieses Mal stimmte es ja auch...
 

Als wir gerade das Abendessen der Yagamis gerettet hatten, und Kari die volle Tüte Sushi mit sich schleppte, passierte es.
 

Aus der benachbarten, nicht gerade mit einem guten Karma bedeckte, Nudelsuppenbude kam Davis mit niedergeschlagener Miene heraus. Kari erschreckte sich. Auch ich stoppte.
 

So wie er aussah, konnte er uns gerade am allerwenigsten brauchen. Doch zur Flucht war es bereits zu spät. Wir konnten schlecht wieder umdrehen und... Hey, doch. Konnten wir.

Ich zog Kari am Ärmel und wollte mich gerade umdrehen, als er uns bereits zurief.
 

„Na ihr zwei.... Schönen Spaziergang gemacht..?“, murrte er. Er ahnte bestimmt, dass sein schlimmster Albtraum wahr geworden war. Kari sah nervös auf den Boden.

Ich, für meinen Teil, hatte echt die Nase voll.

Sollte er es doch wissen.
 

„Was dagegen?“, rief ich und zog sie weiter. Ich hatte keine Lust das Gespräch zu vertiefen.
 

„Dann seit ihr also doch zusammen...“, fuhr er fort und folgte uns.
 

„Takeru...“ Kari war diese Situation deutlich unangenehm. Vielleicht hatte sie sogar ein wenig angst. Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte ihr vermitteln, dass sie ihn einfach ignorieren sollte.

Er musste damit klarkommen. Wir konnten ihn da nicht helfen.

Ich wollte mich auch nicht weiter, um auf ihn Rücksicht zu nehmen, verstecken.
 

„Geh einfach weiter...“, flüsterte ich. Sie klammerte sich an meinen Arm.
 

„Ignoriert ihr mich also schon, ja? Und so etwas nennt sich Freunde!“, zischte er und stapfte wütend mit dem Fuß auf. Ich spürte, dass er deutlich zur Gewalt bereit war.

Ich ging schneller.
 

Ich konnte gut verstehen, wie hart das für ihn sein musste. Aber was sollte ich machen?

Ihn um den Hals fallen und sagen, wie Leid es mir tut, dass ich ihm Kari „weggeschnappt“ hatte?

Nein! Das tat es nicht!

Er hatte ja noch nie eine Chance gehabt! Und das wusste er.
 

Besser lernte er es so.
 

Sie sah mich irritiert an, als wir an einer Ampel hielten. Davis war nicht mehr hinter uns.

In mir stieg die Wut.
 

„Takeru... Das war großartig...“, sagte sie und lächelte. Ich zog die Stirn in Falten.
 

„Nur so kann er es lernen... Du bist seiner Provokation ausgewichen.... Das... war heldenhaft...“

Sie stellte die Tasche ab, legte ihre Arme um meinen Hals und küsste mich. Heiß und innig.

Ich schloss die Augen.

Wenn ich für jede Heldentat, so einen Kuss bekam, würde ich mich zum Ritter machen.
 

Kari und ich. Wir waren keine Freunde mehr.

Wir hatten uns unseren Gefühlen hingegeben. Wir liebten uns.

Und das durfte gerne die ganze Welt wissen!

Aus der amerkanischen Sicht

Das, was ich bisher in meinem Austauschjahr hier in Japan schon erlebt hatte, hätte ich mir niemals träumen lassen.
 

Ich dachte mir so, hey, endlich siehst du Kari und Yolei wieder.. und lauter anderer hübscher Japanerinnen.. Ach und natürlich Davis, T.K und den Kurzen (Cody).

Das tat ich ja auch.

Aber statt mit meinen lustigen Freunden, lustige Dinge, im lustigen Japan zu machen, wurde ich vom Austauschschüler, zum Verkuppler ähm... befördert? Degradiert? Ich weiß gerade nicht so was schlimmer sein sollte...
 

Davis war immer noch total scharf auf Kari, die aber lieber auf T.K abfuhr, er auch auf sie, aber das würden die beiden ja nie zugeben, denn sie sind ja „nur Freunde“. Dann kommt Yolei, die ja so unsterblich in den Ken verliebt war, und nicht wusste, wie man sich an ihn ranschmiss. Der einzig Normale da war Cody! Und Cody war auch schon nicht mehr ohne..
 

Ich war deutlich verwirrt.

Es war, als wäre ich in einem Paralleluniversum, oder wie hießen doch gleich diese Shows, in denen man mit versteckter Kamera einen ahnungslosen Menschen veräppelte?
 

Das Ganze wurde dann noch durch den Abflug der süßen Rothaarigen betrübt, die für ein paar Jährchen nach Frankreich flog. Irgendwie war alles Käse geworden. Schimmelnder Käse.

Und eins sage ich euch: Ich hasste Schimmelkäse wie die Pest..
 

Zu meinem Leiden fiel mir auch noch auf, dass Kari und Yolei hauptsächlich mit Jungs befreundet waren... So ein Dreck!

Dabei wollte ich in Ruhe Mädchen angraben...

Und als sei das noch nicht die Krönung gewesen, musste mir Davis mit seinem Eifersuchtsscheiß noch auf den Sack gehen.
 

Zu viele Gründe wieder abzureisen? Nö, dafür fand ich es doch noch etwas zu lustig.

Und okay, es war irgendwie schon witzig mit Yolei auf Verkuppeltour zu gehen.

Unser Ziel war zunächst, Kari und T.K zusammen zu führen.

Wir ließen keine Gelegenheit aus.
 

Nebenbei bemerkt war das nicht ganz leicht für mich.. Kari ist wirklich eine Süße...

Aber es hieß loslassen.

Auch wenn ich gestehen musste, dass mich vergebene Mädchen noch mehr anmachten...

Ähm, lassen wir das..
 

Yolei und ich gingen das ABC des Verkuppelns durch, um die Distanz zwischen Hikari und Takeru auf Null zu minimieren. Ich wusste, dass die beiden irgendwann nachgeben mussten.
 

Und siehe da, es hatte geklappt. Ich hatte es gesehen!

Auf meinem kleinen Spaziergang durch Tokio hatte ich die zwei gesehen. Und sie hatten sich geküsst. Da konnten wir uns doch auf die Schulter klopfen, oder?
 

Dabei wollte Miyako schon aufgeben.

Es war sehr schwer, sie zum weitermachen zu motivieren. Wo sie doch selber einen Amor brauchte. Hier möchte ich wieder auf meinen neuen Job hinweisen, der mich ja zu Anfang nicht wirklich zu sagte...

Ja, ich verpflichtete mich, auch ihr zu helfen. Ken und sie waren zum Glück auch nicht mehr weit von der Liebe entfernt.

Echt, ich würde drei Kreuze im Kalender machen, sobald dieser Frühling vorbei war.

Grauenhaft, diese Frühlingsgefühle überall...
 

Oft war die „große Liebe“ ja im Sommer wieder vorbei... spätestens im Herbst.

Denn da wurde es wieder kalt, und die Mädchen ketteten sich an ihre Freunde.

Nichts war nerviger, als ein anhängliches Mädchen, dass die ganze Zeit rief, ihm sei kalt.

Brrr...
 

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Yolei und Ken

Nichts mit verschnaufen, nachdem man sich die Arme abgerissen hatte, um das eine Paar zusammenzuführen. Ab zum nächsten. Wehe danach kommt Cody an, und will auch, dass ich ihm helfe...
 

Warum musste ich eigentlich immer den süßen Mädchen begegnen, die schon seit Jahrhunderten in den einen Kerl verliebt waren, und nichts sie von dieser Liebe abbringen konnte?

Konnte sich denn keine vorstellen, sich mal in mich zu verknallen?

Ich war zumindest frei. Und nicht ganz so blind wie die anderen, die es ja anscheinend nie begriffen, wenn ein Mädchen sie etwas mehr mochte..

Na ja egal. Genug Selbstmitleid, genug geärgert..
 

Die Welt war ungerecht! Punkt.
 

Wäre ich nicht dazu erzogen worden, einer Lady immer zu helfen, wäre ich wahrscheinlich eiskalt geblieben.
 

Zum Glück musste ich Ken nicht lange bitten, beziehungsweise kontaktieren.

Der Gute rief selbstständig an.
 

„Wallace... du.. du kennst dich doch auch mit Frauen aus...“, stammelte er, nachdem er angerufen hatte. Frage war, wer war denn noch gemeint? Egal..
 

„Geht´s um Yolei?“, fragte ich fröhlich nach, obwohl es ja längst klar war. Manche waren einfach zu offensichtlich verschossen...
 

Ken begann verdächtig zu husten. Ich verkniff mir ein Lachen.
 

„Könnte sein....“ Ich zog eine Augenbraue hoch. Ich war verwirrt. Waren solche Antworten normal?
 

„Wie jetzt?.. Ja oder ja?“
 

Stille. Ey, entschuldige mal, aber wie bescheuert war er denn? Dabei dachte ich, er sei so klug..
 

„J.. ja...“ Na ging doch..
 

„Und wie kann ich dir da helfen?“, wollte ich wissen. Und eigentlich wollte ich noch wissen, was für eine Nummer er hier abzog.. Trotzdem: Ich brauchte ja Informationen. Sonst war nichts mit Hilfe. Hilfe für Dumme...
 

„Ich bin heute mit ihr verabredet.. So um Vier Uhr. Ich weiß gar nicht... ich mein....“, murmelte er.

Ich hatte gewisse Schwierigkeiten Ken zu verstehen.

Es war mehr Genuschel als Reden. Ken wurde mittlerweile ganz apathisch.
 

„Wie wäre es, wenn du ihr Sachen sagst wie <Ich liebe dich>, oder <Du bist das Beste, was mir je passiert ist!>.“, schlug ich vor. Letzteres würde selbst ich niemals verwenden... Wah, da schüttelte es mich doch glatt...
 

Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sich seine Hautfarbe veränderte. Alter Angsthase...
 

„Ich weiß ja nicht so...“
 

„Ach komm! Sei doch nicht so widerspenstig. Mädchen mögen es übrigens auch, wenn man ihnen Komplimente macht... Vesuch´s doch mal!“
 

„Meinst du wirklich, dass das ankommt..?“
 

Nee... Mädchen wollten niemals hören, dass man sie gern hatte, und auch nicht, dass ihnen das Kleid in knallpink super gut steht. Nie und nimmer. Wie kam ich nur darauf...
 

„Wer von uns beiden kannte sich angeblich nochmal mit Mädchen aus?“
 

Er hustete wieder. Ich stöhnte.
 

„Ja, entschuldige... Ich bin nur so furchtbar aufgeregt...“
 

So, so... Nervosität. Ja, eine beliebte Krankheit... Da wurde man schnell mal steif und brachte keinen Ton mehr heraus.
 

„Wenn ich vor Yolei stehe, rutsch mir das Herz in die Hose...“
 

Langsam verstand ich ihn.. Es war halt nicht jeder so mit Selbstbewusstsein getränkt wie beispielsweise ich. Als die Schüchternheit verteilt wurde, hatte Ken wohl ganz laut hier geschrien.
 

„Dann musst du dein Herz mit Klebeband fixieren. Ich verstehe, dass du nicht Extrovertierteste bist, aber du hast es jetzt immerhin schon bis zu einem Date geschafft! Du musst am Ball bleiben.“
 

Menschen wie ihn, musste man ohne Ende motivieren, bis sie etwas umsetzten. Etwas nervig, aber der Liebe zu Gute tat ich doch mittlerweile fast alles...
 

„Ich sag´s dir: Die wartet nicht ewig! Du musst jetzt handeln“
 

Stille. Ich hoffte, dass es bei ihm langsam „Klick“ machte.
 

„Und du meinst wirklich, ich pack´das? Ich muss echt zugeben, dass ich arg schüchtern bin..“, sagte Ken und gab mir einen weiteren Grund zum Lachen. Ach was? Er war schüchtern? War mir gar nicht aufgefallen...
 

„Ken.... das ist die Hürde, die es zu überwinden gilt! Stell dir vor, du bist auf dem Fußballfeld, und es liegt an dir das letzte, entscheidende Tor zu machen. Da drehst du dich doch auch nicht um, und sagst <Nee, das trau ich mich nicht!>, oder?“
 

Gute Metapher, nicht wahr? Yolei hatte mir erzählt, er würde sagenhaft Fußball spielen. Vielleicht konnte ich ihm hiermit ja den letzten Stupps geben.

„Yolei wartet doch nur darauf, dass du auf sie zugehst. Trau dich...Sonst schnappe ich sie mir!“
 

Wenn er es nicht begriffen hatte, würde ich aufgeben Drohen war meine letzte Reserve.

Wieder Stille. So eine Stille, dass ich schon dachte, er hätte vielleicht vergessen, dass wir telefonierten..
 

„Erde an Ken?“
 

„Ahh, tut mir Leid, ich war wohl gerade in Gedanken versunken..“
 

Ja, da kann man schon mal einiges vergessen.
 

„.. und du hast recht! Ich muss die Zähne zusammenbeißen und ihr meine Gefühle klarmachen. Danke!!!!!!!!“
 

Schwupp. Aufgelegt. Na das, nenne ich mal rasante Einsicht. Hat ja auch gedauert.
 

Ich ließ mich erschöpft auf mein Bett fallen und erholte mich von dieser Liebe....

Vielleicht sollte ich eine Love-Agentur aufmachen.

Schnell. Kompetent. Ich verhelfe zu ihrem Glück!
 

Damit wäre ich zwar nicht der Einzige auf dem Markt, denn man brauchte ja nur im Internet nach solchen Angeboten zu suchen, und hatte dann Millarden Chats auf dem Bildschirm, bei denen man angeblich die große Liebe fand, aber in Endeffekt mit merkwürdigen Gestalten vom Seitenbetreiber zu tun hatte, aber egal.
 

Ich wäre vielleicht mit der Einzige, der auch wirklich half.
 

Nur eine Frage hatte ich doch, um nochmal kurz im Selbstmitleid zu versinken: Warum half mir keiner, meine Liebe zu finden??

Weil du mich glücklich machst

Bevor ich mit Izzy zusammengekommen war, war ich schon lange mit ihm in einer Klasse gewesen. Und auch jetzt hatten wir noch reichlich Kurse miteinander gehabt..

Nie hatte ich vermutet, dass der scheinbar so ruhige und computerfazinierte Koushiro, ein so aufregendes Leben hatte.
 

Die Digiwelt war doch sein bisher größtes Abenteuer.

Allerdings prägten ihn auch eher unangenehme Zeiten. Und damit meine ich nicht nur seine stetige Frage danach wer seine Eltern waren.

Ich redete von Mimi, mit der er einige Wochen, vielleicht auch Monate zusammen war.

Sie war eine Tyrannin, wie sie im Buche stand. Eine Domina. Seine Hölle.
 

Bevor aus uns mehr wurde, pflegte ich es, die beiden stets zu beobachten.

Warum?

Weil es mich sehr interessierte, was noch alles passieren musste, bis ihm der Kragen platze.

Zunächst nur aus lauter Schadenfreude. Ich war noch lange nicht das liebe, nette Mädchen von nebenan wie alle immer vermuteten. Ich hatte schon immer durchaus eine böse Ader.
 

Auch wenn es krank klang, mir machte es eine zeitlang ernsthaft spaß anderen dabei zu zusehen, wie sie litten. Seelisch. Körperlich. Das war mir egal.

Keine Sorge, ich hatte mich geändert. Und das lag an Izzy.

Aber eins nach dem anderen.
 

Wie gesagt, behielt ich die beiden nur zu gern im Auge. Mimi hasste ich zwar, wie die Pest, aber mein Hochgefühl war mir wichtiger. Ja ich war egoistisch.

Im Nachhinein war ich vielleicht sogar ein bisschen wie Mimi.
 

Sie jedenfalls schliff ihn täglich durch die langen Gänge der Schule, vorbei an den staunenden Schülern. Und natürlich an mir. Das einzige, was Koushiro erwiderte waren seine flehenden Rufe.
 

„Warte doch Mimi! Ich kann doch selber laufen..“
 

„Halt die Klappe, Schlaffi! Du bist mir zu langsam..“
 

Ein Lachen breitete sich auf meinem Gesicht aus, wenn ich diese Szene sah. Die anderen tuschelten heftig.
 

„Der Arme..“
 

„Warum lässt er sich das nur gefallen?“
 

Ja, dass war auch eine Frage, die mich sehr beschäftigte. Warum das Ganze?

Er war so ein intelligenter Mensch, und dreimal so schlau wie Mimi, warum tat er sich das an?

Trug er tatsächlich so eine dicke rosa Brille?

Ich verstand ihn nicht.
 

Vielleicht lag es ja auch an meiner düsteren Aura. Die schreckte nicht nur Gefühle, sondern auch Menschen ab. Ich war meistens alleine. War mir aber egal. Wie so vieles.
 

Nach einigen Wochen musste ich feststellen, dass mir die beiden langweilig wurden. Aber ich konnte nicht aufhören, an Izzy zu denken. Ich hatte wegen ihm mein Kopfkissen zerrissen, weil ich nicht verstand, warum ich an diesen Idioten, der sich von seiner Freundin schlagen ließ, so oft denken musste. Es war zum verrückt werden.

Dann wurde es mir bewusst. Ich wurde weich. Ich taute wirklich auf.

Das dunkle in mir wich, allmählich, kam der Sonnenschein auch in meinem Herzen an.

Ich wollte es zwar nicht, aber man fragte mich nicht um Erlaubnis.
 

Und so fuhr ich mit meinen Beobachtungen fort.

Also beschloss ich, ihm einmal zu helfen. Nicht seinetwegen!

Meine Nerven hielten ihre hysterische Stimme einfach nicht mehr aus.

Er tat mir mittlerweile sogar Leid.
 

„Du kannst Koushiro nicht dafür verantwortlich machen, dass du zu doof bist, um wenigstens Fünfzig Prozent zu erreichen. Wenn du zu faul bist, um zu lernen kann er ja wohl nichts dazu..“, zischte ich, ohne mich auch nur in ihre Richtung zu wenden.
 

Sie schrie zwar gerade auf ihn ein, er sei ein Looser, aber ich wusste, dass sie mich wahrnehmen würde.
 

Ich lag doch wohl richtig, wenn sie zu bescheuert war, um die Antworten, die er ihr freundlicherweise auf einen Zettel geschrieben hatte und ihr zugesteckt hatte, richtig abzuschreiben.

Es sei denn Izzy war doch nicht so kreuzdämlich wie ich bis dahin dachte.
 

Und tatsächlich. Sie reagierte, drehte sich zu mir und sah mich von der Seite an.

Dachte wohl, ich drehe mich noch zur Prinzessin. Nicht mit mir...
 

„Na so was Sayachi. Du kannst ja sprechen... Man hört ja nicht viel von dir... Aber ich glaube nicht, dass du dich ausgerechnet jetzt, und vor allem in dieser Angelegenheit, zu äußern hast. Ich hoffe das verstehst du..“
 

Sie hatte nicht nur meinen unerträglichen, vollen Namen ausgesprochen, nein, sie kam auch noch ganz nah an mein Ohr..
 

„Zieh Leine, Fledermaus!“
 

Ich sah sie emotionslos an, und sie wich erschrocken zurück. Fledermaus... Das hallte mir heute noch in den Ohren...

Aber ich tat, was sie sagte.

Ich stand auf.

Ich sah noch kurz zu Koushiro, der schon halb unter dem Tisch lag, weil ihm alles so peinlich war.

Er lächelte. Das hieß wohl soviel wie, „Danke für deine Mühe..“
 

„Na dann entschuldige... Du Teilzeit Dompteuse...“, murmelte ich und ging.
 

Meine sich anschleichende Verliebtheit war in Hass getaucht. Ich war in windeseile wieder die Alte.

Die Fledermaus eben.
 

Damals war ich ziemlich enttäuscht von Izzy, dass er sich überhaupt nicht wehrte.

Wie konnte man jemanden nur so im Griff haben?
 

Mit der Zeit wurde das Verhältnis zwischen der Schreckschraube und dem Weichei auch nicht besser. Und meine Aura wurde doch wieder heller, meine Gefühle leider stärker.

Ich fing sogar mal an, zu lachen, als jemand einen Witz machte.

Meine Mitschüler waren erschrocken.
 

Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr ein komplett anderes Bild von mir hattet, nicht wahr?

Die liebe, zarte, dürre Saya(chi), die nur süß lächelt, und total freundlich zu jedem ist.

Nun, nur so hatte man mich Izzy kennengelernt.
 

Aber um mich kurz zu erklären, war ich alles andere als gutmütig. Hatte ich am Anfang ja auch schon angedeutet. Ich war nie besonders glücklich gewesen, hatte nie enge Freundschaften geknüpft. Für mich war das überflüssig. Ich hatte ein Ziel. Die Schule beenden und einen guten Beruf erlangen. Ohne Freunde. Das war für mich leichter.

Mit Menschen, die ständig um einen herumwuselten, den neuesten Klatsch austratschen mussten, kam ich nie besonders gut klar.

Auch nicht mit Jungs. Ich bekam ständig Liebesbriefe in meinen Spind. Ich hasste es.
 

Ich wollte es nicht.

Also baute ich ein böses und dennoch emotionsloses Gesicht auf, so, dass sich niemand mehr an mich ran traute. Das gelang mir so gut, dass sich jeder erschreckte, sobald ich anfing zu lächeln.
 

Daran, dass ich mich langsam in einen guten Menschen verwandelte, war nur Koushiro schuld. Ich drücke mich mal so aus, wie ich es damals sah. Denn wie gesagt, Gefühle wollte ich ausblenden.
 

Im Nachhinein bin ich ihm sehr dankbar. Es ist schön, zu lachen. Es tut gut, zu lachen.

Es befreit.
 

Doch mein langsames glücklich sein begann mir allmählich angst zu machen. In der Nähe von Izzy, wurden meine Wangen ganz heiß. Vor lauter Schreck, war ich deswegen sogar mal früher nach hause gegangen. Ich dachte ich sei krank.

Meine Mutter lachte nur.
 

„Saya, du hast kein Fieber. Du bist verliebt!“
 

Verliebt? Eine Fledermaus?

Ich wollte nicht verliebt sein.

Aber ich musste mir eingestehen, dass es sich schön anfühlte. Mir wurde ganz warm ums Herz, sobald er den Raum betrat. In dem einzigen Fach, in dem wir nebeneinander sitzen, und Mimi nicht zu sehen war, begannen wir sogar mit einander zu sprechen.

Sehr zum verwundern der anderen.
 

„Dein Stimme ist wirklich schön Sayachi... warum sprichst du so wenig?“, fragte Koushiro mich einmal. Ich hatte ihn ganz verdutzt angesehen. Mein Stimme war schön?
 

Er war doch kein Waschlappen. Er konnte durchaus volle Sätze sprechen. Und er war so lieb, und freundlich und... hach, ich war total hin und weg.
 

Die böse Saya hätte sich umgedreht, und hätte aus dem Fenster geguckt. Aber die böse Saya verschwand und wurde immer blasser, je mehr ich mich mit Izzy unterhielt.
 

Allerdings quälte mich da immer noch etwas. Da ich mich ja gut mit Izzy verstand, fragte ich einfach frei heraus.
 

„Warum wehrst du dich nicht?“
 

„W.. was?“
 

Tut mir Leid, noch einmal musste ich gemein werden.
 

„Warum bist du nur so ein Weichei? Warum lässt dir das gefallen?“
 

„Wo.. wovon sprichst du bitte?“
 

Dieser Augenblick brannte sich in mein Gedächtnis ein wie ein heißes Hufeisen auf dem Pferdefuß.

Er tat so, als wenn er nichts wüsste.

Ich kniff die Augen zusammen.
 

„Warum lässt du dich so unterbuttern? Du bist so ein toller Mensch, hast deinen eigenen Kopf, deine eigene Meinung. Du bist sogar richtig niedlich. Jede andere könntest du haben. Warum Mimi? Warum lässt du dir das Leben so schwer machen?“, rief ich.
 

Jeder konnte mithören, aber meine Ignoranz siegte.
 

„Erkläre es mir...“
 

Sein Gesicht wurde kreidebleich. Ich holte hektisch Luft.
 

„War... warum willst du das wissen? Du hast damit nichts zu tun. Du musst dir deinen Kopf nicht wegen mir zerbrechen... Das muss niemand.“
 

Mir schossen die Tränen in die Augen, weil mein Herz so weh tat. Ich konnte nicht mehr.

Ich war mittlerweile so verliebt in ihn, dass mir sein Leid schwer zu schaffen machte.

Meine Boshaftigkeit war seinetwegen verschwunden, ja, ich war sogar nett zu anderen geworden, ich war seinetwegen glücklich.
 

Das einzige, was ich mir nun mehr wünschte war, das auch er wieder aufrichtige Lachen konnte.

So wie er es tat, wenn wir beide in Chemie saßen, und uns fast jedes Experiment missglückte.
 

You with the sad eyes

don't be discouraged

oh I realize

it's hard to take courage

in a world full of people

you can lose sight of it all

and the darkness inside you

can make you fell so small
 

But I see your true colors

shining through

I see your true colors

and that's why I love you

so don't be afraid to let them show

your true colors

true colors are beautiful

like a rainbow
 

Show me a smile then

don't be unhappy, can't remember

when I last saw you laughing

if this world makes you crazy

and you've taken all you can bear

you call me up

because you know I'll be there
 

And I'll see your true colors

shining through

I see your true colors

and that's why I love you

so don't be afraid to let them show

your true colors

true colors are beautiful

like a rainbow
 

Ich schluckte.

Er hatte mir eine Frage gestellt. Wenigstens sah ich mich in der Lage sie zu beantworten.
 

„Weil... Weil...Weil... ach vergiss es...“
 

Mit den Worten verließ ich den Raum. Ich konnte es nicht. Ich war auch ein Weichei.

Ich rannte auf die Toilette und sah tief traurig in den Spiegel.
 

Schlag ihn dir aus dem Kopf Saya, er wird sich nie ändern, dachte ich und heulte.

Heulen war auch sehr befreiend.
 

Ich beschloss mich von ihm fern zu halten. Machte wieder zu. Jedenfalls bei ihm.
 

„Saya?... Alles in Ordnung?“, fragte er mich öfters. Ich antwortete nicht.
 

Wenn er in seiner kleinen Hölle bleiben wollte, sollte er das ohne mich tun.
 

Zu hause betrieb ich Kummerverarbeitung auf meine Weise.

Ich hatte ein Bild von Mimi und Izzy aus weiter Ferne gemacht.
 

Sie pisackte ihn gerade wieder, während er wie ein Trauerkloß geradeaus starrte.

Ich hätte ihr am liebsten eins mit meinem Pinsel verpasst, eine schöne verschmierte Fratze würde ich sehr gut stehen. Ich war schon immer Kunstliebhaber.

Sie würde ein Meisterwerk abgeben. Keine Sorge, das hatte ich nicht getan.
 

Ich hatte das Bild mit meiner Wut zugekritzelt. Es tat gut, oh jaaa.!!

Ernsthaft, danach ging es mir wirklich besser.
 

Doch dann kam der alles verändernde Fahrradunfall. Ich war wieder knallrot geworden, wusste mich auch nicht recht zu verhalten.. Ich verfiel seinem Charme.

Ja, er hatte Charme.
 

Die ganze Wut war weg, und auch er wollte einfach nur wieder, dass alles gut wurde.

Und so fingen wir an, richtig lange Gespräche zu führen. Ich war nicht mehr sauer, dafür war ich nur noch mehr verliebt.
 

Je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto eifersüchtiger wurde Mimi.

Sobald ich in die Schule kam, zog sie Izzy weg, oder küsste ihn sogar.

Ich zuckte zwar immer zusammen, aber ich ließ mir nichts anmerken.
 

Allmählich wehrte sich Izzy sogar. Er stieß sie weg, er schrie zurück.

Langsam wurde er richtig mutig.
 

Und dann, nach vielem Krach, war es schließlich vorbei. Er hatte ihr den Laufpass gegeben.

Das erzählte er mir gleich, als wir das erste Mal ausgingen.
 

„Du hast mich aus dieser Höhle der Verdammnis geführt. Ich war seelisch schon so am Ende, dass ich keine Kraft mehr hatte, mich gegen sie zu wehren. Aber... dank dir habe ich mich befreien können...“
 

Dabei hatte er meine Hand genommen. Mein Herz war am hämmern.
 

„Ich hab dir aber auch einiges zu verdanken. Du hast mich vielleicht nicht so wahrgenommen, aber ich war ein furchtbarer Mensch, der niemanden an sich rangelassen hat. Ich glaube, ohne Freunde kann man einfach nicht durchs Leben gehen, dass habe ich jetzt begriffen...“
 

Wir lächelten uns an.
 

„Ich wusste nicht, dass man soviel von einander lernen kann, Sayachi...“
 

„Bitte, bitte, nenne mich nicht Sayachi. Ich mag meinen Namen nicht so gern. Saya reicht.“
 

„Okay... Saya....... ich... ich glaube ich liebe dich, Saya..“
 

Noch nie hatte mich ein Liebesgeständnis so erreicht, wie seines. Wahrscheinlich auch, weil ich nur seines wollte. Ich lächelte gerührt.
 

„Ich liebe dich auch..“
 

Ich denkt wahrscheinlich, oh wie süß, ein glückliches Pärchen, wie es im Bilderbuch steht.

Auch wenn wir wirklich glücklich sind, habe ich ein ganz dumpfes Gefühl.
 

Manchmal, wenn wir einfach nichts tun, und in der Sonne sitzen, fiel mir auf, dass er oft einfach da sitzt und merkwürdig aus der Wäsche guckt. Zunächst dachte ich mir nichts dabei.

Aber mittlerweile... Ja, mittlerweile denke ich, er ist über Mimi vielleicht doch nicht ganz so gut hinweg, wie ich, und viele sicherlich auch, dachten.
 

Immerhin hatte er sie schließlich auch sehr gern, er hatte sie ja mal wirklich aufrichtig geliebt.

Das er mich liebte, wusste ich auch.
 

Aber irgendetwas war in seinen Augen, dass mir sagte, dass etwas nicht stimmte.

Ich musste es herausfinden. Unbedingt.
 

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Puhh, ist etwas abgehackt am Ende, aber ich hatte es abends doch noch schnell abgetippt.

Das Lied: Cindy Louper(keine Ahnung ob ich sie richtig geschrieben hab..xD)-True Colors

Die Einsicht

Ein Kuss von Kari... Das war schon seit mehr als drei Jahren mein größter Wunsch.

Aber dazu, so schien es bisher, würde es wohl niemals kommen. Zumal sie ja eh mit T.K anbändelte. Verdammter Idiot...
 

Anfangs war es es nur harmlose Neckerei. Damals fand es Kari noch lustig, wenn ich meine Eifersucht zeigte.

Mittlerweile gewinne ich damit bei keinem mehr einen Blumentopf. Ich ging den anderen tierisch auf den Sender. Ich konnte aber nichts dafür.

Die Vorstellung, dass die beiden wirklich mal ernsthaft zusammen kommen würden, fraß mich auf. Ich wurde zur männlichen Furie.
 

Und ich behielt recht. Das was sich die anderen nur wünschten, und mir das Herz brach, trat allmählich ein.. Sie verliebten sich tatsächlich in einander.

Zunächst überzeugten mich meine Gefühle noch davon, dass ich mir die Zuneigung nur eingebildet hatte. Doch schließlich siegte mein Verstand...
 

Mit starken Herzschmerzen musste ich einsehen, dass die Chance, Kari jemals näher zu kommen, auf minus fünfhundert gesunken war. Und das war ja irgendwie nicht besonders viel..
 

Da ich kein Mensch bin, der seine Gefühle unterdrückte, äußerte ich meine Abneigung gegenüber dem nahendem Pärchen durch Extremnerven.

Bei jedem kleinsten Kontakt, griff ich dazwischen. Oder ich maulte die ganze Zeit rum. Es brachte zwar nicht im geringsten irgendetwas, aber es ging mir danach deutlich besser.
 

Ich reizte damit allerdings nicht nur Karis und Takerus Gemüter, sondern ging den anderen auch sichtlich auf den Wecker.
 

„Kein Wunder, dass Sora abhaut. Ich halte dich auch nicht mehr lange aus..“, scherzte Cody einmal.

Er war damit der Brüller gewesen. Ich war nur wieder in die Luft gegangen.
 

Auch wenn ich es vielleicht nicht anders verdient hatte, tat es mir tierisch weh, dass alle anderen sich gegen mich verbündeten und mich wie einen Vollidioten aussehen ließen.
 

„Komm runter. War doch Spaß!“
 

HA! HA! Ich habe herzhaft gelacht... Alles war gegen mich.

Cody war verdammt frech geworden, nicht mehr dieses kleine vernünftige Kind, dass drei Köpfe kleiner war als ich. Nein, inzwischen war er sogar auf Überholspur.
 

Alles war sowieso ganz anders geworden...
 

Sora und Matt waren ständig verschwunden, Tai „erholte“ sich, Joe studierte eifrig, Izzy war auch immer nur beschäftigt und der Rest war auch in ganz Tokio verstreut.
 

Sogar mein bester Kumpel Ken hatte sich so sehr gewandelt, dass er mein Klagen nicht mehr wahrnahm.

In seinem Universum gab es nur noch ein Wesen: Yolei.

Ständig quaselte er von dieser Frau. Na ja was hieß Frau, sie war gerade sechzehn geworden und war flach wie Holland. Ehrlich, so spannend war die nun auch nicht..
 

Aber er sah das ganz anders.
 

„Ich finde sie schön, so wie sie ist. Meinetwegen ist sie eben ein bisschen älter, und kein Busenwunder. Aber ich brauch das nicht. Ich mag sie so wie sie ist. Außerdem sind wir ja alle im Wachstum..“
 

Seine Worte! Wenn man mit Ken alleine war, redete komplett anders. Die Schüchternheit war da futsch. Beeindruckend.

Wenn er das noch bei Yolei hinbekäme, wäre er auf der Stelle gekauft.

Okay... Yolei würde ihn auch von der Ecke weg heiraten. Woher ich so was immer weiß?

Ab und zu redete man doch noch mit mir.
 

Das bestimmt aber auch seine Gründe hatte. Entweder, man versuchte mich ruhig zu stellen, und mich von Kari abzulenken (süße Freunde hab ich, nicht wahr? Manchmal waren sie ja doch nicht so grausam..), oder Miyako versuchte auf diesen Weg Informationen über Ken zu erhaschen.
 

Da ich mittlerweile ein Realist war, tippte ich auf Letzteres.

Die Welt war doof!
 

„Ich wünschte mir, dass du auch mal wieder glücklich wirst... Du wirkst so gestresst in letzter Zeit... Du musst langsam mal ent-lieben.. Sei offen für Neues!“, schlug mir Ken vor, als er dann doch mal eine Minute für mich hatte.
 

Doller Vorschlag.

Als hätte ich das nach gut vier Jahren nicht schon gefühlte hundertmal Versucht!. Aber davon hätte er ja keine Ahnung.. War ja nur schon genauso lange mit mir befreundet...
 

Meine ernüchternde Einsicht: Gute Freunde waren auch nicht mehr das, was sie vorher mal waren..
 

Und als ich so dachte, schlimmer könnte es doch nicht mehr kommen, gab man mir den Gnadenschuss.
 

Da hatte mein Tag doch recht schön angefangen, endete er in meiner Lieblingsnudelsuppenbude mit einem Ausraster vor Mimi, die ich wohl ordentlich erschreckt hatte.
 

Aber mir war der Kopf geplatzt als sie, die auf so ober toll machte, und nachdem ich sie mit Izzy des öfteren gesehen hatte, gar kein Recht zu behaupten, sie wisse was Liebeskummer sei.

Das überstieg meine Nerven.
 

Im Nachhinein tat es mir natürlich unheimlich Leid, ich wollte sie nicht mit meinem Temperament überfahren. Doch wer wusste nicht besser als ich, was wahrer Liebeskummer war?

Ich durfte mich schließlich täglich damit rumschlagen.
 

Da kam mir so eine wie Mimi, die es nun echt nicht verdient hatte, überhaupt einen Freund zu haben, so wie sie mit ihnen umging, überhaupt nicht gut.
 

Der Tag jedenfalls, war anschließend für mich gelaufen. Noch nicht mal Shigekazu, der Verkäufer und guter Zuhörer konnte mich aufmuntern.
 

„Hey Davis... Kopf hoch. Ich kann dich gut verstehen.. Mich weist man auch ständig ab.. Allerdings tut mir das schöne Mädchen auch Leid. Du hast sie ganz schon niedergemacht...“
 

Ich nickte. Ja, als wäre mir das nicht klar gewesen.
 

„Es war die Wahrheit... Aber.. aber ich hätte ihr nicht die Luft zum atmen nehmen dürfen.. Sie hatte ja noch nicht mal mehr die Chance sich zu verteidigen... Ich hab sie an die Wand geworfen..“
 

Shigekazu sah mich fragend an.
 

„Hast du denn so was öfter?“
 

Ich dachte nach. Diese lauten Angriffe.. Na klar, ich griff ständig Kari und T.K an. Ich war ständig am schreien. Mir fiel auf, dass ich sie durch meine regelmäßigen Wutausbrüche immer weiter von mir wegtrieb. Dasselbe passierte mit all meinen Freunden, die dies natürlich mitbekamen.
 

„Davis?“
 

„Ich bin ein Arsch...“, stellte ich fest und ließ meinen Kopf auf den kalten, und so vertrauten Tisch fallen.
 

„Ich will einfach nicht mehr.. Kann ich mich nicht bei dir verstecken, bis ich sterbe?“
 

This is the way you left me.

I'm not pretending.

No hope, no love, no glory,

No happy ending.

This is the way that we love,

Like it's forever.

Then live the rest of our lifes,

But not together.
 

Wake up in the morning,

Stumble on my life.

Can't get no love without sacrifice.

If anything should happen,

I guess I wish you well.

Mmh A little bit of heaven,

But a little bit of hell.
 

This is the hardest story that I've ever told. (ooooo)

No hope, no love, no glory.

A happy endings gone forever more.

I feel as if I'm wasted,

And I'm wasted everyday.
 

Refrain:

This is the way you left me.

I'm not pretending.

No hope, no love, no glory,

No happy ending.

This is the way that we love,

Like its forever.

Then live the rest of our life,

But not together.
 

Two o'clock in the morning,

Something's on my mind.

Can't get no rest,

Keep walking around.

If I pretend that nothing ever went wrong

I can get to my sleep

I can think that we just carried on.
 

This is the hardest story that I've ever told. (ooooo)

No hope, or love, or glory.

A happy endings gone forever more.

I feel as if I'm wasted,

And I'm wasted everyday.
 

Refrain:

This is the way you left me, (Oh I feel as if I'm wasted)

I'm not pretending.

No hope, no love, no glory,

No happy ending.

This is the way that we love, (And I'm wasted everyday)

Like its forever.

Then live the rest of our life,

But not together.
 

„Wie wäre es, wenn ich dir eine Nudelsuppe mache? Deine Lieblingssorte, ja?“
 

„Ich hab kein Geld. Leute wie ich, haben nie Geld..“
 

„Keine Sorge.. Die geht auf mich!“
 

Ich schaute ungläubig zu ihm hoch. Er zahlte ständig für mich. Ich hatte nämlich wirklich nie Geld.
 

„Aber...“
 

„Nichts aber... Dafür sind Freunde doch da, oder?“
 

Sein aufmunterndes Angebot ließ mich leicht lächeln. Shigekazu sah zwar aus wie der letzte Müll, war aber ein ehrlicher, und guter Freund von mir geworden.

Seit nun mehr drei Jahren war ich sein Stammgast, wir hatten uns sofort gut verstanden.

Wegen mir bekam er bestimmt viel Stress mit seinem Vater, dem Besitzer.

Aber das war ihm scheinbar egal. Solange er jemanden helfen konnte, war er glücklich.
 

Nachdem ich seine mal wieder gespendete Suppe leer gelöffelt hatte, sah ich zur Uhr.
 

„Ich glaub, es ist mal wieder Zeit abzuhauen..“, sagte ich und stand auf.
 

Shigekazu wischte gerade den Boden und grinste.
 

„Na, geht’s dir etwas besser?“, fragte er und hielt inne. Ich lächelte.
 

„Ja, etwas... Danke nochmal..“
 

„Hey, lass mal stecken! Für einen Freund, tu ich doch alles!“, meinte er und winkte mir zum Abschied.
 

Anscheinend gönnte man mir da oben im Himmel nicht das geringste Glücksgefühl.

Denn sobald ich die Straße betrat, sah ich sie.
 

T.K und Kari, Hand in Hand unter einem Regenschirm.

Karis erschrockener Blick traf mich direkt ins Herz.
 

Jetzt war es also offiziell. Sie waren zusammen. Mein Horror wurde wahr.

Ich schluckte schwer, als Takeru Kari zu sich zog und sie in die andere Richtung gingen.

T.K´s verachtende Augen trafen mich dennoch.
 

Ich folgte ihnen, warum, wusste ich selber nicht. Ich machte alles nur noch schlimmer.

Verwirrt rief ich ihnen hinterher. Ignoranz.
 

Kari drehte sich einige Male nervös um, sie steckte vielleicht auch in Erklärungsnot.

Aber hey, was gab es da noch zu erklären?
 

Er liebte sie. Sie liebte ihn. Das verstand sogar ich.

Doch meine innere Eifersucht begriff es nicht. Die Wut stieg in mir hoch, wie ein Katapult, dass man gerade abgefeuert hatte.
 

Und so schrie ich. Wie ein betrunkener Irrer war ich ihnen hinterher gerannt.

Der einzige Vernünftige unter uns dreien war Takeru. Er hatte die Situation unter Kontrolle, ignorierte mich und zog weiter seine Verstörte Kari hinter sich her.
 

Seine Kari...

Ich blieb gedankenverloren stehen und sah den beiden nach.

Was war ich doch nur für ein Trottel?

Dachte ich ernsthaft, dass mein krankes Verhalten bei Kari irgendwie etwas auslöste?

Dachte ich ernsthaft, dass ich so ihr Herz erobert hätte?
 

Ich war viel zu sehr von meiner Eifersucht getrieben, und so hatte sich jemand anders ihr zartes Gemüt angenommen. Ich hatte endgültig verloren. Game over.
 

Es war kein Wunder, wenn Kari nun panische Angst vor mir hatte.

Es war kein Wunder, dass mich Takeru bis an den Rest seines Lebens hasste.

Es war kein Wunder, dass ich nun wie ein begossener Pudel da stand, und nicht wusste wo links und wo rechts war.
 

Und nun? Sollte ich etwas zu meinen Freunden gehen, und Mitleid erhaschen?

Die wollten doch auch nichts mehr von mir hören... Ich hatte alle weg geekelt, sogar Ken..

Anstatt das ich mich auch einfach mal für ihn freute, dass wenigstens er glücklich werden konnte.

Er musste ohne unterstützenden Worte, von seinem besten Freund, zu dem Date mit Yolei gehen..
 

Mein Leben war ein beschissenes Laufrad. Ich rannte von einer, in die nächste Scheiße, ohne aus diesem Kreislauf jemals rauskommen zu können...
 

Was kam denn bitte als nächstes?
 

Ich sah auf mein Handy. Ich hatte drei eingegangene Anrufe und eine SMS von Ken.

Ich schloss die Augen und öffnete die Nachricht.
 

„Danke, dass du an meiner Seite warst, als ich dich am meisten gebraucht habe. Deine motivierenden Worte waren es, die mich mit aufrechten Kopf zu diesem Date gingen ließen. Danke, Schwachkopf, danke für gar nichts!“
 

Ich biss mir auf die Lippe und wählte automatisch seine Nummer.

Ob er wohl abnehmen würde, stand in den Sternen. Und die Sterne waren reichlich gegen mich.

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Lied: Mika-Happy Ending

Liebe? Nein, danke!

Meine Freunde haben ganz schön Probleme, was?

Die einen haben Liebeskummer, die anderen wiederum schweben im Liebesglück.

Und dann gibt es noch die Menschen, die nicht wirklich wissen, was sie von dem Ganzen halten sollen. Wie ich zum Beispiel.
 

Klar, alle können gerne zu mir können, uns sich ausheulen, mich volllabern, oder desgleichen. Auch wenn ich nicht mit eigenen Erfahrungen prallen kann, habe ich dennoch ein offenes Ohr.

Aber so recht anfangen, kann ich mit der Liebe nicht viel.
 

Ich war zwar schon offener geworden, aber dadurch war ich auch keine Labertasche geworden. Außerdem war ich auch viel zu sehr mit meinem Kendotraining beschäftigt. Ich nahm immer öfter an großen Wettkämpfen teil und hatte auch schon ein paar gewonnen.
 

Doch genau das schien meinen Beliebtheitsgrad in der Schule zu steigern. Das war nicht meine Absicht, auch wenn mir das oft von neidischen Jungs nachgesagt wurde.
 

So fing also mein erstes Jahr am Gymnasium an. Mit Vorurteilen und Mädchenschwärmereien.

Immerhin wurde es nie langweilig...
 

In den Pausen ging ich den Leuten aus meinem Jahrgang besser aus dem Weg. Entweder saß ich alleine auf einer Bank, oder gesellte mich zu den Kari und den anderen.

Was mich anscheinend noch „cooler“ machte.
 

„Wow, der hängt mit denen aus der Neunten und Zehnten rum..“
 

„Oh, wenn er so nachdenklich auf der Bank sitzt, sieht er richtig süß aus.“
 

Hilfe... Es war Frühling, als waren das die Hormone. Oder? ODER?

Ich bekam Angst.
 

Was hätten sie denn gesagt, wenn ich ein Jahr früher da gewesen wäre, und bei Tai, Sora und Matt gesessen hätte? Wären dann Sachen gekommen wie:
 

„Wow die aus der Oberstufe!!“
 

„Sind die nicht etwas zu alt für ihn?“
 

Es war doch zum verrückt werden. Yolei hatte mich im Fahrstuhl ausgelacht.
 

„Hey, hey, hey! Mach dir doch deswegen keinen Kopf. Du bist halt ein interessanter, niedlicher Typ. Auf den stehen wir Mädchen nun einmal!“
 

Ha, ha... Aber wollte ich das überhaupt? Wollte ich beliebt sein? Wollte ich, dass man auf mich stand? Ich glaubte, nicht.... so wirklich...
 

Da war ich etwas gespaltenen. Eine Seite meinte, jau, dass finde ich großartig, die andere wiederum meinte nee, lieber nicht.
 

Vielleicht waren das die Hormone.. Scheiß Pubertät.
 

Allerdings musste ich halt einsehen, dass ich keine Neun mehr war.

Ich kam allmählich in das Alter, wo man sich auch mal alleine mit Mädchen traf, und halt die ganzen Sachen anfing, wie Knutschen oder Händchen halten.
 

Auch wenn ich mich äußerlich weiter taff gab, und darüber lachte, bekam ich innerlich Bammel.

Wie küsste man ein Mädchen?
 

Und warum machte ich mir darüber Gedanken, wenn ich mich doch eigentlich aus dem Thema raushalten wollte? Es war ein bisschen zum Verzweifeln...
 

Selbst beim Kendo konnte ich diese Sache nicht vergessen. Sie bohrte sich von Tag zu Tag mehr in mein Gehirn. Meinen Großvater machte das stutzig.
 

„Cody, was ist mit dir los? Du bist heute sehr unkonzentriert...“, sagte er und setzte seinen Schutzhelm ab. Ich tat es ihm gleich und schaute beschämt auf den Boden.
 

„Ähm...“
 

Nun, es war vielleicht gar nicht so schlecht, wenn ich mal mit ihm darüber redete. Schließlich war er doch voller Erfahrungen. Und mit wem sollte ich sonst reden? Mit meiner Mutter?

Nee, dass war, glaubte ich, nicht so gut..
 

„Na los, sag schon. Du weißt doch, wenn du ein Problem hast, kannst du es mir ruhig erzählen...“, fuhr er fort und setzte sich. Wieder machte ich ihn nach.
 

Wie erklärte ich meinen Großvater nun diese verzwickte Lage?
 

„Also... die... die Mädchen in meiner Schule scheinen sich für mich zu interessieren, und.. ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll...“
 

Plötzlich fing lauthals an zu lachen. Ich erschrak. Was war daran so lustig?
 

„Entschuldige, Cody... Ich lache nur, weil ich gestern Abend noch mit deiner Mutter darüber gesprochen hatte, wann du wohl mit dem Thema anfangen würdest... Das es nun aber so flott ging, hatte ich nicht ganz vermutet...“
 

Ich schaute ihn verwirrt an. Eltern, beziehungsweise meine Mutter und mein Opa warteten auf solche Dinge?.. Das machte mich doch etwas stutzig.

Dabei dachte ich sonst immer, dass die Eltern einen am liebsten für immer und ewig einsperren wollten. Verlustängste und so.
 

Nun kam alles ganz anders. Mein Großvater nahm eines dieser komischen Dinger zum lutschen und machte wieder diesen Knutschmund, der mir auf die Nerven ging.
 

Ich guckte ihn grimmig an.
 

„Ach ja, als ich so alt war, wie du, da hatte ich auch meine erste Freundin... Ai hieß sie...“
 

Super, jetzt fing er wieder an, mit seinen stundenlangen Geschichten, über längst vergangene Zeit...

SO gern ich sie auch hörte, brauchte ich in diesem Moment etwas Unterstützung..
 

„Aber das erzähle ich dir später. Ich kann mir denken, dass dich das jetzt weniger interessieren würde...“
 

Ich nickte heftig. Alles was später war, war mir lieber. Auch das mit der Liebe.
 

„Macht es dich denn so nervös, mit einem Mädchen zu sprechen? Ich meine mit der Yolei und Kari sprichst du doch auch...“
 

„Das ist nicht dasselbe...“, sagte ich und wurde rot. Yolei kannte ich schon eine halbe Ewigkeit, und auch Kari war eine meiner besten Freunde. Das zählte einfach nicht.
 

Mein Großvater verstand offensichtlich und nickte immer wieder mit dem Kopf.
 

„Nun, du kennst sie auch schon... Ihr seit gute Freunde... Und die Mädchen aus der neuen Schule sind ja neu.. Hat denn da schon eine konkrete Annäherungsversuche gestartet?“, wollte er wissen und brachte mich noch mehr in Verlegenheit.
 

Ich mochte das Thema von Sekunde zu Sekunde immer weniger.

Aber dennoch: Da war tatsächlich ein Mädchen, dass mich schon mal gefragt hatte, ob ich Lust hätte, mit ihr mal Eis essen zu gehen, oder ins Kino. Sie war ebenso nervös wie ich.

Wahrscheinlich auch ihr erste Mal... Wah, wie sich das nun wieder anhörte...
 

Mein Opa wartete.
 

„Ähm... ja, da war jemand....“
 

„Jemand?“ Er bohrte. Ich kniff die Augen gequält zusammen.
 

„Ja...“
 

„Wie heißt das gute Kind denn?“
 

In meinen Ohren rauschte das Blut. Lag es an ihr, oder an dieser Bohrerei?
 

„Sie heißt.. Kaname, wenn ich mich nicht irre..“ Ich irrte mich nicht. Ihr Name schwirrte mir schon die ganze Zeit im Kopf herum. Mein Großvater fing an zu lächeln.
 

„Kaname hm? Netter Name... Sieht sie denn auch nett aus?“
 

Er nahm mir immer mehr Luft. Dabei dachte ich, er wollte mir nur bei dem Problem helfen, dass nicht nur eine Einzelne, sondern mehrere mich „mochten“. Ich brauchte doch nur einen Tipp, wie ich damit umgehen sollte...
 

Nun waren wir bei Kaname Uikano gelandet. Sie ging in meine Klasse, saß, wie von Lehrer bestimmt, neben mir und war außerordentlich freundlich. Ich meinte sie sogar noch von der Grundschule zu kennen.
 

Sie war bisher die Einzige, die sich wohl getraut hatte mich mal um eine Verabredung zu bitten.

Ich hatte noch nicht zugesagt, hatte aber auch nicht abgesagt.

Jetzt wartete sie bestimmt darauf, dass ich zustimmte. Ein Schauer lief mir den Rücken runter.
 

„Ich schließe aus deiner körperlichen Reaktion, dass sie wohl nicht ganz dem entspricht, was du dir so vorgestellt hast, nicht wahr?“
 

Ich hatte mir bisher noch nie vorgestellt, was für ein Typ Mädchen ich mochte. Ich wollte mir auch nichts vorstellen. Dachte ich zumindest.

Mein Opa sah sie wahrscheinlich schon am Esstisch bei uns sitzen. Für ihn war alles bereits klar.

Das sah ich in seinen Augen.
 

„Nein, nein, dass verstehst du falsch! Ich finde sie... hü..hü..“
 

Verdammt, mir kam noch nicht mal das Wort über die Lippen. Warum war es so schwer für mich über Mädchen zu sprechen?
 

Ich rieb mir verzweifelt die Schläfen, um meinem Kopf beim Denken und Sprechen zu unterstützen.

Mein Großvater fing an zu lachen.
 

„Meinst du vielleicht hübsch? Mensch Cody, ich wusste ja gar nicht, dass dir das so schwer fällt. Ich dachte du hast diese zurückhaltende Art abgelegt. Du warst doch so viel offener.. Was ist los?“
 

Ja, er hatte recht. Mich überfiel gerade wieder mein altes Laster. Aber doch nur, weil ich so eine Panik hatte, mich das erste Mal in jemanden zu verlieben. Der erste Kuss, und was weiß ich was alles dazu gehörte, dass alles kam jetzt doch sicher auf mich zu!
 

Ich war mit zum zerreißen angespannt, je mehr man mich damit konfrontierte.
 

„Ich bin so hypernervös, Großvater. Ich habe angst, ich könnte etwas falsch machen. Ich blamiere mich bestimmt bei ihr, ich benehme mich sicher wie ein Trottel ich..“
 

Mein Opa kippte mir einen Becher voller Wasser ins Gesicht. Schock.
 

„Ganz ruhig, mein Junge.“, meinte er und reichte mir ein Handtuch.
 

„Jetzt wollen wir uns doch erstmal wieder runterfahren, und entspannen. Alles was du dir da zusammen spinnst, ist völliger Unsinn. Du bist dreizehn Jahre alt. Klar, ist das alles neu und noch unerforscht. Aber nur, weil dich ein Mädchen vielleicht zu einem Eis eingeladen hat, oder was weiß ich, heißt das noch lange nicht, dass ihr sofort knutschend in einer Ecke verschwinden müsst. Du bist noch so jung, lass das alles locker auf dich zu kommen. Sicher, die Mädchen fangen in dem Alter an zu schwärmen, aber das heißt nicht viel. Sie bewundern dich vielleicht einfach nur, sie müssen nicht unbedingt, wie sagt ihr Jugendlichen immer, auf dich abfahren. Und sollte es doch soweit kommen, mach das, für das du dich bereit fühlst, der Rest kommt schon von selbst..“
 

Ich trocknete mir aufmerksam zuhörend das Gesicht ab. Mein Großvater konnte einen doch ganz schnell wieder beruhigen. Deswegen mochte ich es wahrscheinlich auch so sehr, mir bei ihm Rat zu holen. Auch wenn er manchmal mit seinen alten Geschichten anfing.
 

Ich stand auf und fühlte mich um einige Tonnen leichter.
 

„Danke Großvater. Du hast mir sehr geholfen..“, bedankte ich mich und lächelte.
 

„Das ist doch selbstverständlich. Du weißt, du kannst immer zu mir kommen!“
 

Mit den Worten beendete er die heutige Stunde.
 

Und so war es beschlossen. Ich wollte die Einladung von Kaname herzlichst annehmen.

Die Liebe ließ ich erstmal warten. Ich glaubte, dafür war ich noch nicht bereit.
 

„Kaname?“
 

Gleich am nächsten Morgen wollte ich die Gelegenheit nutzen, um mit ihr zu sprechen.

Entweder sie wollte nicht mehr, oder ihr Angebot stand noch.
 

„Cody? Was gibt’s?“, fragte sie und lächelte.
 

„Du hast mich doch den Tag gefragt, ob wir mal was zusammen machen wollen... Gilt das noch?“
 

Sie sah mich verwundert an.
 

„Aber klar.. Hast du es dir überlegt?“
 

„Jap. Warum auch nicht. Ich meine wir könnten schließlich richtig gute Freunde werden, nicht wahr?“
 

„Deswegen doch! Ich finde dich nämlich super!“, sagte sie und zwinkerte. Das ließ mich wieder zurückschrecken. Solch ein Zwinkern konnte mehr heißen.
 

„Hey, guck nicht so. Oder dachtest du, dass ich dich gleich überfalle und mit Küssen übersähe? Nein, darauf war ich eigentlich nicht aus!“, lachte sie und klopfte mir auf die Schulter.
 

Allein an dem Schlag konnte ich erkennen, dass sie eindeutig eher der Kumpeltyp war.
 

„Nein, nein, wie kommst du darauf? Lass uns nur gute Freunde werden. Mehr möchte ich auch nicht..“, entgegnete ich und fing auch zu lachen.
 

„Dann sind wir uns ja einig! Ach und... dein Opa gibt dir doch Kendounterricht oder? Kann ich da dann auch mal zu gucken? Ich find das voll cool!“
 

Und schon gings los. Die üblichen Gespräche, die ich auch mit Yolei führte.

Es war alles ganz locker.
 

Und welch Überraschung: Sie mochte Kendo.
 

Ein Sport der bei den meisten Mädchen die ich kannte eher abturnend war.
 

Da kann man mal sehen, wie anders Mädchen sein konnten, wenn man sie erstmal richtig kennenlernte. Ich sollte nicht immer gleich davon ausgehen, dass man mich mit Liebe überschütten wollte.
 

Denn dafür hatte ich noch das ganze Leben Zeit!

Einfach mal machen!

Dieser Tag, war etwas besonderes. Dieser Tag, veränderte mein Leben.
 

Wie ihr vielleicht schon oft lesen musstet, traf ich mich nun endlich mal mit Yolei.

Dem Mädchen, dass trotz Tollpatschigkeit und überschwänglichem Verhalten mein Herz im Sturm erobert hatte.
 

Es hatte mich sehr überrascht, als ich plötzlich den Mut auffasste, sie zu fragen, ob sie tatsächlich Interesse an einem Treffen hätte. Das war neu, das war anders. Aber es fühlte sich gut an, dieser Mut, diese Power.

Auch wenn sie danach relativ schnell wieder verflogen war.
 

Je näher der Tag rückte, je näher die Stunde rückte, desto nervöser wurde ich.

Meine Knie waren am durchdrehen.
 

Zum Glück hatte ich meinen besten Freund. Dachte ich.

Aber weit gefehlt. Monsieur Motomiya hatte ja keine Zeit, nur einmal sein Gehör ernsthaft mir zu schenken. Er hatte ja so viele Probleme, die viel wichtiger waren, als alles andere im Universum.

Nun gut, ich wollte vielleicht auch, zu einem kleinen Teil, nicht unbedingt reden. Da sich seine Probleme ständig und immer zu nur um Kari drehten, wollte ich sein Klagen nicht hören. Ich wusste, früher oder später, würde er sowieso aufhören mir zu zuhören und irgendwas von Kari träumen.
 

Und früher, würde sehr schnell kommen.

Nein, ich brauchte jemand verlässligen. T.K war meine erste Wahl gewesen.

Allerdings schien ich wohl zu stören, da man mir nach freundlicher Begrüßung seiner Mutter, ein wenig den Gehörgang erschütterte.
 

„Kein Anschluss unter dieser Nummer!“ Und schon war aufgelegt.
 

Hastig überlegte ich, wen ich noch fragen konnte.

Und wer konnte wohl noch gut mit Frauen umgehen?

Wallace. Na klar!
 

Nachdem mir äußerst motivierend zugesprochen hatte, ich müsste nur auf Yolei zugehen, ging es mir etwas besser.

Ich hatte ehrlichen Mut gefasst.
 

Da mir Wallace versichert hatte, dass sie nur auf einen Schritt von mir wartete, nahm ich mir fest vor, ihr diesen Gefallen zu tun.

Ich liebte sie. Und das sollte sie auch erfahren.
 

Ganz gleich ob Davis hinter mir stand oder nicht.

Ich pfiff auf seine Unterstützung.
 

Da ich ihn aber wenigstens darauf hinweisen wollte, was für ein verlogener Freund er war, schrieb ich ihm wütend eine Mail. Solle er in der Hölle schmoren..
 

Egal. Ich atmete tief durch und strich ihn aus meinen Gedanken..

Nur an Yolei denken... Und schon schien in mir wieder die Sonne.
 

Als ich mich schließlich festentschlossen aufmachen wollte, hielt mich meine Mutter auf.
 

„Gehst du los Ken?“, fragte sie. Ihre Freude war auf dem ganzen Gesicht zu sehen.

Ich grinste.
 

„Ja, auf in den Kampf!“, antwortete ich und winkte.
 

„Ich wünsche dir viel Spaß! Und sei immer schön höflich! Und lass sie nicht warten!“
 

Meine Mutter. Sie war sehr besorgt, dass vielleicht etwas schief laufen könnte.

Das trug nicht gerade dazu bei, meine Nervosität herunter zuschrauben.

Ich war noch immer deutlich angespannt, aber ich hatte ein klares Ziel vor den Augen:

Miyako sagen, dass ich sie liebte!
 

Mit dieser Entschlossenheit, die ich sonst nur von Miyako selbst kannte, stieg ich also in die Bahn.

Der Mut hielt genau bis zur nächsten Haltestelle. Bei der darauf Folgenden war ich kurz davor aus zu steigen. An der dritten überlegte ich mir schon ernsthaft, was für eine Ausrede ich ihr präsentieren konnte.. Es war zu verzweifeln.
 

Meine Knie zitterten und ließen mich nur wankend durch den vollen Bahnhof laufen.

Ich durfte jetzt nicht schlappmachen, und wieder umdrehen.

Sie würde auf mich warten.
 

Und so ließ ich mich mit der Menge treiben, lauter Geschäftsleute, Kleinfamilien, und Anderen, bis sie sich in zwei aufspalteten und der Ausgang sichtbar wurde. Jetzt gab es eh kein Zurück mehr!
 

Schnell lief ich auf den Lichtpunkt zu und entdeckte Yolei draußen auf einer Bank sitzen.

Ob sie schon lange wartete?
 

Als unsere Blicke sich trafen, grinsten wir verlegen.
 

„Bist du schon lange hier?“, fragte ich und setzte mich neben sie. Sie schüttelte den Kopf.
 

„Nein.. auch eben erst gekommen.. Ich dachte ich warte lieber hier draußen... Da drin ist es immer voll und so stickig..“
 

Nervös kratzte ich mich am Kopf und versuchte mich an Wallace Worte zu erinnern.
 

„Hast du einen bestimmten Wunsch, wo wir vielleicht hingehen sollen?“, wollte ich wissen und schaute sie aus den Augenwinkeln an. Sie spielte mit ihren Händen herum, wusste wahrscheinlich auch nicht, wie sie sich verhalten sollte.
 

„Nee, du?“ Diesmal schüttelte ich den Kopf. Das würde ja was werden.
 

Ein wenig Zweifel taten sich in mir auf.

Was wenn sie ebenfalls diese Unsicherheit und Nervosität spürte? Konnten wir uns dann noch dazu bewegen, auf einander zu zu gehen?
 

Egal, ich durfte nicht die Hoffnung verlieren!

Wir würden uns einen schönen Nachmittag machen, und alles würde perfekt werden!

Durch atmen, und durch starten!
 

„Wie wäre es, wenn wir einfach ein bisschen durch die Stadt laufen? Vielleicht fällt uns dabei etwas ein?“, schlug ich vor und überspielte alles mit einem Lächeln. Sie nickte und stimmte ein.
 

Nun, vielleicht lag es wirklich erstmal an mir, die Sache ins Rollen zu bekommen.
 

Trotzdem es war ein komisches Gefühl plötzlich so ohne die anderen nebeneinander her zu gehen. Vor allem, weil wir, glaubte ich, beide wussten, was der eine für den jeweils anderen empfand.
 

Ich seufzte. Wie ging ich die Sache denn nun am besten an?

Ein nervöser Blick zu ihr rüber, und schon wusste ich, dass sie ungefähr dasselbe dachte.
 

Wir trotteten weiter, schweigend, durch die Stadt. Allmählich wurde das Gedränge immer dichter.

Mensch an Mensch klebte wie Kaugummi zusammen, niemand sah ein, dass die Straße eigentlich breit genug für alle war. Niemand wich zur Seite.

Und wie sollte es auch anders sein, kamen einem die Menschen grundsätzlich immer entgegen.

Wie ich es hasste.
 

Ein besorgter Blick zu Yolei. Wenn das nicht nachließ, würden wir noch auseinander gerissen werden. Schnell schnappte ich nach ihrer Hand und hielt sie ganz fest.

Sie schaute mich erschrocken und zu gleich errötet an. Ich lächelte.
 

„Ich will dich doch nur nicht verlieren. Du gehst hier doch ganz schnell verschütt!“, sagte ich und zwinkerte. Sie lächelte und harkte sich fest bei mir ein.
 

„Du... wirst mich schon nicht so schnell los... versprochen..“, meinte sie leise.

Beinahe wäre ihre Stimme in der lauten Menschenmenge untergegangen.
 

Ich loste uns irgendwie durch die rücksichtslosen Meute, die mit Aktenkoffern, riesen Tüten und Kinderwagen in den Kampf stiegen. Keine leichte Aufgabe.
 

Schließlich schaffte ich es, uns aus dem Gedränge zu befreien, und bog in eine Seitenstraße ein.
 

„Meine Güte.. ist hier vielleicht irgendwo eine Demo?“, fragte und holte tief Luft.
 

Miyako fing an zu lachen und harkte sich zögernd aus. Sie hätte ruhig so bleiben können....
 

„Ich habe keine Ahnung... Aber ich habe gehört, dass so ein riesiges Möbelgeschäft dicht macht. Da ist jetzt bestimmt Restverkauf. Da greifen doch die meisten zu.“, erklärte sie und streckte sich.
 

Ich seufzte.
 

„Ja, aber muss das immer uns passieren?“ Ich schmollte.

Eigentlich empfand ich es gar nicht als zu dramatisch... Ich konnte Miyako ganz nahe sein...

Das hatte ich mir schließlich schon lange gewünscht.. Auch wenn sie sich nur bei mir eingeharkt hatte, konnte ich dennoch ihre Wäre durch meine dünne Jacke spüren.
 

Nun standen wir wieder schweigend voreinander.
 

„Ist mir egal. Solange du dabei bist, macht das sogar riesen Spaß!“, entgegnete sie und grinste breit.
 

Ich sah sie sanft lächelnd an. Ach Yolei..
 

There’s something in your eyes

Is everything alright

You look up to the sky

You long for something more, darling

Give me your right hand

I think I understand

Follow me and you will never have to wish again
 

I know that after tonight

You don’t have to look about the stars, no no no no

I know by the end of tonight

You don’t have to look about the stars

And I know that love is alright

You don’t have to look about the stars, no no no no

I know by the end of tonight you wont have to look about the stars
 

Tell me how you feel

And if I’m getting near

I’ll tell you where to steer

You tell me where to steer, da-da-da-darling

Way above the clouds

And high above the stars

Through the unknown black holes

No one knows where we are

But we don’t do worth so we’ll do it all over again
 

‘Cause I know that after tonight

You don’t have to look about the stars, no no no no

I know by the end of tonight

You don’t have to look about the stars

And I know that love is alright

You don’t have to look about the stars, no no no no

I know by the end of tonight you wont have to look about the stars
 

Come away with me

Fly away with me

Just for one night no one will ever know, darling

I will leave you satisfied

Forever past time

You don’t have to hide

You’re free to fly
 

I know that after tonight

You don’t have to look about the stars, no no no no

I know by the end of tonight

You don’t have to look about the stars

And I know that love is alright

You don’t have to look about the stars, no no no no

I know by the end of tonight you don’t have to look about the stars
 

Sie sah mich verwundert an.
 

„Alles in Ordnung Ken? Du guckst mich ganz merkwürdig an... Das... das macht mich nervös...“, meinte sie und spielte mit ihren Fingern. So zurückhaltend kannte ich Yolei gar nicht.

Ich musste grinsen. Aber sie hatte recht, ich starrte wieder sehr...
 

„Tu.. tut mir wirklich leid.. Ich kann nicht anders gucken...Ich meine.. argh..“

Verzweifelt versuchte ich mich rauszureden.. „Ich kann nicht anders gucken“?

Was für eine dumme Erklärung..

Sie kaute sich unsicher auf der Lippe herum. Wieder betretendes Schweigen.
 

„Ich..“, fingen wir plötzlich beide an und stockten sofort, um den jeweils anderen das Wort zu erteilen. Keiner übernahm das Ruder. Ich schluckte.
 

Ich glaubte, es war nun der passende Zeitpunkt, mal auf das Thema zu lenken. Ich musste mir ein Herz fassen und einfach mal anfangen. Auch wenn es dann vielleicht auf Kindergartenniveau startete, so fing es dann doch wenigstens an, oder?
 

Sie wollte wissen, warum ich sie so anschaute? Okay. Sie sollte es erfahren! Hier und jetzt!
 

„Also... der Grund... der Grund warum ich dich so anschaue ist... Nun ja.. du bist irgendwie so niedlich... Ich mag es, wenn sich deine Mimik in Sekundenschnelle verzieht. Wenn du sauer bist.. zuckt deine Nase immer so... Ich mag es dir beim Lachen zu zu sehen... Du siehst dann immer so unheimlich erfüllt aus... Das macht mich glücklich..“, erklärte ich stotternd.
 

Das meiste ergab im Zusammenhang vielleicht überhaupt keinen Sinn, aber es war immerhin ausgesprochen. Ich machte eine Gedenkpause. Ich hoffte inständig, dass Yolei einlenkte.
 

Unsicher beobachtete ich, wie sich ihre Gesichtsfarbe einer Tomate näherte. Sie lächelte verlegen und scharrte mit dem Fuß vor sich her. Eindeutige Zeichen...
 

„Niedlich..?... Meinst... du das ernst?“ Mittlerweile knetete sie ihre Hände. Hoffentlich tat sie sich mit ihrer ungebändigten Kraft nicht weh.

Ich nickte entschlossen.
 

„D.. danke... Du bist aber auch sehr.. süß...“ Sie zuckte aufgeregt zusammen und kicherte. Meine Güte, dass war ja wieder so wie in einem Liebesfilm...
 

Wenn ich jetzt nichts unternahm, würde das noch ewig und drei Tage dauern, dachte ich mir, und ballte meine Hände zu Fäusten. Miyako erschrak..
 

„Ken?....“
 

Ich ging auf sie und zu und blieb direkt vor ihr stehen. Sie sah mich perplex an.
 

„Wa... wa... was denn? Stimmt etwas nicht?“, wollte sie stammelnd wissen.
 

Meine steinerne Miene bröckelte und ich lächelte sie mild an. Plötzlich erschien es mir so einfach...
 

„Ich liebe dich... Miyako-chan...“, sagte ich, nahm sie in den Arm und küsste sie. Genauso hatte ich es mir komischerweise vorgestellt.

In einer leeren Seitenstraße, abgegrenzt vom lauten, Menschengedränge, fernab von allem.

Nur sie und ich.
 

Auch wenn ich nicht gewusst habe, dass man sich da so herum quält. Ich hatte nur die berühmten drei Worte gehört.
 

Yolei erwiderte zögern Kuss und Umarmung und entspannte sich schließlich.
 

Nach einigen Momenten lösten wir uns von einander und schauten uns vertieft in die Augen.
 

Sie lächelte. Mein Herz machte einen Salto.
 

„Ich liebe dich auch, Ken....“, sagte sie schließlich mit leuchtendem Kopf. Wah, sie war so süß, wenn ihr etwas unangenehm war... Ähm.. Entschuldigung..
 

„Das freut mich...“
 

„Ken?“
 

„Mh?“
 

„Hast du es auch gewusst?“
 

Ich schaute sie verwundert an. Was meinte sie?
 

„Wovon redest du?“
 

Sie schaute mich direkt an.
 

„Na... hast du gewusst, dass.. wir beide...“ Den Rest sollte ich mir wohl denken.
 

Ehrlich gesagt, bis vor drei Jahren hätte ich niemals daran gedacht, dass Yolei und ich mal wirklich zusammen kommen würden. Aber seit der Zeit, in der ich mich in sie verliebte, war es schon mein innigster Wunsch gewesen.
 

„Gewusst nicht.... aber gehofft..“, sagte ich und lächelte.
 

Das Schicksal hält halt immer wieder Überraschungen für uns bereit.

__________________
 

Es tut mir unheimlich Leid, dass ihr solange warten musstet.. >-<

hab mich beeilt, deswegen ist das Kapitel ein bisschen knapp, und nicht ganz so gut geworden.. *viel um die Ohren hatte* >-<

Lied: Justin Nozuka-After Tonight

Abschied nehmen

[Sora]
 

Flughafen Tokio, viertel vor acht.

Es war soweit. Mein Flug ging in einer Stunde und dreißig Minuten.
 

Während mein Vater mit einem Angestellten wegen meinem Übergepäck diskutierte, saß ich mit meiner Mutter und Matt an einer etwas ruhigeren Ecke und schwieg.

Meine Mutter kaute aufgeregt auf ihrem Kaugummi herum.
 

„Oh Gott.. Ich bin ja nervöser als du, Sora...“, meinte sie hastig und begann vor uns auf und ab zu laufen. Kein Spur von Traurigkeit. Ich glaubte, meine Mutter realisierte es genauso wenig wie ich oder mein Vater, dass ich wirklich lange nicht mehr bei ihnen sein würde.
 

Ich hätte mir wirklich gewünscht, wenigstens noch Matts Geburtstag mit zu feiern. Aber mein Flug konnte nicht umgebucht werden, da man mich so schnell wie möglich dort haben wollte. Zumal ich dort in das Semesterjahr hineinrutschen musste. Es würde bestimmt eine Menge Stress wegen mir geben...
 

Allerdings waren die so begeistert von mir, dass sie mich eingeladen hatten. Vielleicht waren sie ja dann auch noch begeistert genug, um einer kleinen Japanerin das fremde Land zu erklären. Wenigstens ein bisschen.
 

Ich war unheimlich müde. Schon um vier Uhr morgens machte meine Mutter Terz, ich würde meinen Flug verpassen. Dabei ging der doch erst um zehn Uhr fünfzehn..

Hach ja... meine Mutter...
 

„Hat jemand von euch Hunger? Ich hab uns ein paar Brötchen geschmiert... Wir hatten ja keine Zeit zum frühstücken.. Tut mir Leid, Sora, dass du dein letztes Essen so auf die kahle Hand bekommst...“
 

Ich lächelte sie warm an und schüttelte den Kopf.
 

„Das geht schon in Ordnung, Mama... Mach dir mal darum keine Sorgen...“, entgegnete ich und seufzte. Mein letztes japanisches Brötchen, für die nächsten vier Jahre. Mann, das war, wenn man es sich nochmal vor Augen führte, eine verdammt lange Zeit.

In meinem Magen machte sich ein ungutes Gefühl breit.

War meine Entscheidung, nach Frankreich zu gehen, wirklich richtig?
 

„Sora?“
 

Eine Stimme von der Seite riss mich aus meinen Gedanken. Das war sicherlich auch besser so. Hätte ich noch weiter nachgedacht, wäre ich wahrscheinlich aufgesprungen, und hätte alles abgeblasen.
 

„Mh?“
 

Matt wies auf mein Brötchen. Ich folgte seinem Finger, und sah, dass sich die eine Hälfte gerade verselbstständigte und drohte, auf meinen Rock zu fallen.

Schnell rettete ich es und grinste verlegen.
 

„Sorry.. Ich bin noch nicht ganz wach...“, entschuldigte ich mich. Er lächelte kopfschüttelnd.
 

„Lügnerin..“ Ich sah ihn verdutzt an. Er lächelte noch immer.
 

„Was?“ Schmollend schubste ich ihn leicht. Noch immer keine Erklärung.
 

„Du hast gerade gedacht, ob das wirklich das Richtige für dich ist, stimmst?“
 

Ertappt. Matt kannte mich zu gut. Er und Tai waren mit die Einzigen, die mich wie eine Klarsichtfolie durchschauen konnten. Schon hundert Mal hatte ich ihm gesagt, er solle nicht ständig in meinen Kopf gucken... Grummelnd biss ich ins Brötchen.
 

„Denk bloß nicht dran, junge Dame! Das ziehst du jetzt durch..“, mahnte er mich und küsste mich auf die Wange. Schuldbewusst ließ ich meinen Kopf auf seine Schulter fallen.
 

„Ja, ja... Diese Gedanken schleichen sich immer wieder ein... Ich kann nichts dafür... Verzeih mir...“
 

Er lachte kurz auf und stupste mich an. Ich sah verwundert zu ihm hoch. Er machte nur wieder Handzeichen.
 

„Guck mal wer da kommt!“, sagte er und zeigte Richtung Eingang. Izzy kam winkend auf uns zu.

Ich freute mich unheimlich... Er kam also auch, um mich zu verabschieden..

Vor lauter Rührung hätte ich fast angefangen zu weinen.
 

„Izzy...“, flüsterte ich und sprang spontan auf. Er hatte sogar Saya mitgebracht. Ich war zwar verwirrt, aber war trotzdem glücklich.
 

„Du bist gekommen, wie schön!“, rief ich und fiel ihm um den Hals. Saya kicherte.
 

„N... Na klar, Sora. Ich kann dich doch nicht wortlos davonfliegen lassen! Saya wollte dir auch „Auf Wiedersehen“ sagen..“
 

Ich lächelte sie an und umarmte sie ebenfalls.
 

„Das ist wirklich furchtbar lieb von dir... Danke!!“
 

„Hey, auch wenn wir uns noch nicht so lange kennen, dachte ich mir, komme ich trotzdem. Du bist eine gute Freundin von Izzy, dass wollte ich mir nicht entgehen lassen!“, sagte sie und grinste.
 

Sie kaute auch Kaugummi... War das eine Krankheit?
 

Egal, ich war in diesem Moment einfach nur froh, die Beiden zu sehen.
 

Matt gesellte sich zu uns und wuschelte Izzy durch die Haare. Er und Saya kannten sich, soweit ich wusste, noch nicht.
 

„Wer ist denn deine neue Flamme, mh?“, wollte er neckend wissen. Wie immer. Ich seufzte.
 

Tai und Matt verstanden es perfekt, Izzy aufzuziehen. Leider ließ er es auch so leicht mit sich machen... Wieder etwas, was ich vermissen würde..
 

[Izzy]
 

Nachdem Matt aufgehört hatte, meinen armen Kopf zu massakrieren, räusperte ich mich, um stolz meine Saya vorzustellen.
 

„Meine neue „Flamme“, wie du es so fein ausgedrückt hast, heißt Sayachi und geht in die selben Kurse wie ich. Wir sind seit knapp zwei Monaten zusammen.“
 

„Ähh.. Saya reicht völlig!“, wandte sie noch ein und grinste.
 

Yamato schaute mich fragend an.
 

„Seit zwei Monaten? Und warum weiß ich davon nichts?“ Böse schielte er zu Sora, die nur mit den Achseln zuckte. Saya lachte. Ich wedelte wild mit den Armen herum.
 

„Das... das ist doch nicht ihre Schuld! Du hattest nur auch soviel zu tun, und wir haben uns halt nicht sehr oft gesehen.. Das ist das wohl irgendwie untergegangen...“, erklärte ich wird fuchtelnd.
 

Jetzt lachten alle. Man, ich hasste es...
 

„Reg dich ab, Kurzer. Ich werde es überleben..“, murmelte er und zwinkerte.
 

„Kurzer?“, wiederholte Saya und griente mich an. Super. Jetzt hatte sie das auch noch drauf.

Die Ecke kam immer näher... Man musste mich ja auch immer hineindrängen..
 

Ich schickte ein Stoßgebet, dass vielleicht jetzt jemand dazu stoßen würde, der die ganze Situation aufmischte. Vermischte eher gesagt. Ich wollte nicht weiter getriezt werden, ich hatte die schlechte Angewohnheit, mich nicht wehren zu können.
 

Saya harkte sich versöhnlich bei mir ein lächelte.
 

„Nimm´s nicht so schwer, Izzy. Ist doch nicht böse gemeint... Wenn du willst, sag ich das auch nie wieder!... Kurzer....“ Sich kicherte. Irgendetwas in mir verriet mir, dass sie sich nicht daran halten würde. Misstrauisch sah ich ihr in die Augen. Unschuldslächeln.

So ein Dreck, das zog bei mir auch immer....
 

Sora und Matt beobachteten mich sorgenvoll. Ich hatte wahrscheinlich wieder meine Gedanken mimisch verdeutlicht. Und schwupp hatte ich mich wieder zum Horst gemacht..
 

„Izzy?“ Ahnungslos schaute auch Saya mich an. Ich drehte mich zu den Stühlen und setzte mich kommentarlos hin. Es reichte mir jetzt schon. Sayachi begann nervös auf ihrem Kaugummi herum zu kauen.
 

„Keine Sorge, dass macht er öfter...“, erwähnte Sora und lachte.
 

„Die Seite kannte ich noch gar nicht...“
 

Hinter uns erschien ein neuer Rutsch an Menschen. Joe, Kari und Tai waren auf den Weg zu uns.

Von weitem sah ich, wie Kari ein wenig weinte.
 

Sora nahm sie sofort in den Arm.
 

„Süße... nicht du auch noch... Hör auf, sonst mach ich noch mit...“, beruhigte sie sie und lachte sie an.
 

„Tut mir Leid... Ich bin nur einfach etwas traurig... Aber ich freue mich unheimlich für dich, dass musst du mir glauben!“, versicherte sie und stieg ins Lachen ein.
 

Joe setzte sich schnaubend neben mich. Tai gesellte sich zu Matt.
 

„Ich hasse Flughäfen! Du findest bereits um diese Uhrzeit keinen Parkplatz mehr!“, grummelte er und schüttelte immer wieder wütend den Kopf.
 

„Dreimal ist er um das ganze Ding gefahren.. Ich habe ihn noch nie so aufbrausend gesehen...“, witzelte Tai und verkniff sich ein lautes Lachen.
 

„Er wurde schon ganz grün im Gesicht.....“, ergänzte Kari. Alles lachte. Endlich war ich nicht mehr die Witzfigur.
 

Joe wirbelte angesäuert mit den Händen in der Luft herum.
 

„Das nächste Mal lauft ihr eben... Wenn ihr so unzufrieden mit mir wart...“
 

Es war sicherlich schwierig, als Autofahrer einen Parkplatz zu bekommen. Aber jetzt stellt euch doch mal bitte Joe am Steuer vor....Dieses verplante... dieses verwirrte Persönchen.

Ein Lacher schlechthin.
 

Tai fiel über Sora her, und kitzelte sie erstmal in aller Ruhe aus.
 

„Mach dich auf eine Kitzeltortour gefasst... Das kann ich schließlich eine Weile nicht mehr machen!“, rief er und riss sie sogar fast zu Boden. Sora lachte Tränen.
 

„Bitte....Bitte... nicht.... lass das... wahahah“
 

Es dauerte eine Weile, bis sich beide wieder erholt hatten.
 

Saya setzte sich neben mich.
 

„Kann Sora überhaupt Französisch? Oder machen die dann ein auf Gebärdensprache?“, wollte sie wissen.
 

„Sie hat die letzten zwei Jahre Englischkurse besucht. Und sie ist nicht die erste Studenten dieser Schule, die aus einem anderen Land kommt. Die werden sich damit schon arrangiert haben..“, erklärte ich.
 

„Ich wünsche ihr auf jedenfall viel Glück. Ich finde sie wahnsinnig mutig... In ein fremdes Land zu gehen, wo man niemanden hat, außer sich selbst, und einen Koffer voller Hoffnungen und Träume...“
 

Ich sah Saya verdutzt an. Es klang wirklich wunderschön, was sie da sagte, aber es war so verwunderlich, es aus ihrem Mund zu hören.
 

Sie streckte mir Frech die Zunge raus. Ja, dass klang schon eher nach Saya...
 


 

[Kari]
 

Ich hatte mir fest vor genommen, eben nicht zu weinen. Klappt ja wieder prima...
 

Dabei wollte ich nicht, dass Sora eventuell mit weint. Ich dachte sowieso, dass sie unheimlich traurig auf dem Stuhl sitzt, und auf ihren Flug warten würde.

Doch wurde ich eines Besseren belehrt. Die Stimmung war ausgelassen..

So wie es schon immer war.
 

Vielleicht lag das aber auch daran, dass Tai mal wieder seine Witze reißen musste. Er hob jede noch so dunkle Situation wieder an. Mein Bruder eben.
 

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass bereits jemand da war. Wir waren viel zu früh los gefahren, weil Joe mal wieder total verwirrt unterwegs war.
 

„Egal! Jetzt bin ich schon da, und ihr springt jetzt in mein Auto. Ich hätte gerne einen Parkplatz in der Nähe des Einganges. Also, hopp hopp!“
 

Wie ein Kommandoführer hatte er uns vom Frühstück in seinen Wagen, der eigentlich nur von seinem Bruder Chou ausgeliehen war, und demnach nicht seines(!), verfrachtet und war davongebraust.
 

Tai war im Auto fast wieder eingeschlafen. Er war es nicht mehr gewohnt, in aller Frühe aufzustehen und irgenwo hinzufahren. Kein Wunder, wenn man auch ein ganzes Jahr nur vor sich hin vegetierte.
 

Wir blieben nicht lange zu siebt. Hinter uns tauchten Mimi, mit breitem Grinsen, T.K, Yolei und Ken auf. Bemerkung: Ken und Yolei hielten Händchen. Wir alle grinsten hellerfreut.
 

„Ja, ja.... guckt nicht so... Als ob ihr es nicht geahnt hättet!“, murrte Ken. Miyako lachte hysterisch los.
 

„Was...? Sora.. ich bekomme ja nichts mehr mit... Lasst mich raten, ihr seid schon seit vier Monaten zusammen, nicht wahr?“, rief Matt und schmollte. Alle lachten laut los.
 

„Nein, das ist noch ganz frisch!!“, quiekte Miyako und hüpfte auf mich zu. Wir grinsten uns so breit an, wie es nur ging.
 

Neben mir tauchte T.K auf und sah mich fragend an.
 

„Ich habe zwei Fragen: Erstens: Ist das ansteckend? Und zweitens: Tut das nicht weh?“, meinte er und schaute zwischen uns hin und her.
 

„Keine Sorge, dass überträgt sich nur von Mädchen zu Mädchen!“, erklärte ich mit professionellem Nicken. Yolei schwebte zu Ken rüber, der sich gerade von Tai trietzen ließ.
 

Nun standen wir alleine. Ich kuschelte mich an ihn heran.
 

Klappe die dritte: Matt schaute uns ganz perplex an.
 

„Ihr wollt mich doch alle verarschen, oder? Jetzt auch noch mein Bruder... Ist das eine Epidemi? Und warum bekomme ich das alles nicht mit!!“, fluchte er und vergrub sich traurig in Soras Halsbeuge. Die knabberte seelenruhig an einem Brötchen.
 

Mein Bruder begutachtete mich skeptisch, dann schielte er rüber zu Matt.
 

„Ich habe es dir doch gesagt. Wir beide werden eines Tages noch verschwägert sein. Du wolltest es ja nicht glauben...“ Er zuckte mit den Achseln. Mimi klatschte begeistert.
 

„Wow, das ist ja echt so ein „Boom“ an Beziehungen!“, rief sie und wankte hin und her.
 

Takeru sah mich verwirrt an.
 

„Und was hat bitte Mimi geraucht?“, fragte er mich leise und fing an zu lachen.
 

Es war schon recht auffällig. Sora und Matt, Koushiro und Saya, Ken und Yolei und Takeru und ich.

Na ja gut, nehmen wir mal Sora und Matt raus. Aber ob das wirklich an dem Frühling lag?
 

Wieder tauchten einige unserer Freunde auf. Allmählich wurde es richtig voll bei uns.

Viele waren in Gruppen gekommen. So wie aus jetzt. Davis, Cody und Wallace. Nun waren wir komplett.
 

„Oh nein.. Ich dachte wir verabschieden hier Sora.. Hätte ich gewusst, dass es sich um ein Pärchentreff handelt, hätte ich das Blondie von neulich doch mitgebracht!“, maulte Wallace.
 

Davis sah sich wohl etwas fehl am Platz. Er setzte sich schnurstracks neben Joe und schaute in eine andere Richtung. Niemand nahm ihr wirklich wahr.
 

Ein wenig Mitleid hatte ich schon. Aber nachdem, was er gestern abgezogen hatte, ignorierte ich ihn. Was zu viel war, war zu viel.
 

Bis auf Joe, tat mir das jeder gleich. Der bekam ja schließlich auch nicht allzu viel von unseren Problemen mit.
 

„Na, was hast du denn ausgefressen?“, wollte er wissen und wechselte von uns zu ihm. Er zuckte mit dem Schultern und gab keinen Ton von sich.
 

Sora wedelte mit den Armen.
 

„Wo ist eure gute Stimmung denn hin? Hey, deprimiert sein könnt ihr, wenn ich weg bin! Los, lachen!!“, meckerte sie und wirbelte um sich.
 

„Sora-Schätzchen hat recht! Los Kinder! Party!!“, rief Tai, ganz Anführer. Sofort waren natürlich alle wieder guter Dinge. Niemand widersprach jemals dem großen Taichi!
 

Während er mit Sora ein Tänzchen á la „just one last dance“ wagte, labberten alle wild drauf los, wie es wohl sein würde, wenn unser liebenswerter Rotschopf nicht mehr bei uns sein würde.
 

Bei jedem neuem Satz kam ich den Tränen leider wieder näher. Sora.. Sie ist die gute Seele unserer Gruppe, hat immer vermittelt und hatte immer ein offenes Ohr... Es würde schwer werden... Sehr schwer...
 

[Joe]
 

Ich weiß meine Vorgänger haben sicherlich erwähnt, dass meine Autofahrerfähigkeiten gewöhnungsbedürftig waren. Aber versucht mal, mit zwei Kindern (ich meine bewusst Kinder, denn Tai ist zwar schon achtzehn, aber noch immer ein Kleinkind!) auf dem Rücksitz die Nerven zu behalten!
 

Ich muss dazu wohl nichts mehr sagen!
 

Zurück zum eigentlichen Geschehen.
 

Noch immer turnte unser liebster Tai mit Sora durch die Flughalle und rempelte andere Leute an.

Mir wäre so was ja hoch peinlich gewesen. Nun war ich ja auch nicht so selbstbewusst wie Tai.
 

Soras Vater kam näher und setzte sich zu uns.
 

„So.. Ich hasse Übergepäck. Schon mal Übergepäck gehabt? Übergepäck ist grauenvoll... Nochmal 300 Yen! Ich fasse es nicht. 300 Yen!“ Er regte sich noch weiter vor sich hin auf.

So ganz konnte ich nicht folgen.
 

Davis sah verzweifelt zu mir rüber. Er bekam schließlich die volle Dröhnung ab. Ich nickte nur.
 

Ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel verriet uns, dass ihr Flug bereits dran stand.

Japan-Paris zehn Uhr fünfzehn.
 

Wieder ein Stimmungstief. Niemand konnte sich wirklich vorstellen, dass sie nicht mehr da sein würde. Ich verkniff mir eine kleine Träne.
 

Ich hatte viel zu viel Zeit in mein Studium gesteckt, viel zu wenig in meine Freunde. Jetzt, wo ich sah, dass einer von ihnen ging, kam ich mir dumm vor.

Ich bekam ja noch weniger mit als Yamato.
 

Wann hatte ich schon mal wieder mit irgendeinen, außer Mimi vor kurzem, ausführlich gesprochen?

Das war lange her, mit einigen hatte das noch nie stattgefunden..
 

Okay, ich wusste, es war zu spät der Vergangenheit hinterher zu trauern..

Aber es hinterließ schon einen gewissen Schmerz.
 

„Du scheinst auch nicht besonders glücklich?“, riss mich schließlich Davis aus den Gedanken.

Zuckend sah ich zu ihm rüber.
 

„Ach nun ja... Ich weiß nicht, ob es an dem Altersunterschied liegt, oder an mir, aber ich habe allmählich das Gefühl, dass ich nicht mehr ganz hineinpasse...“, antwortete ich und lächelte schwach. Das gab einen mächtigen Stich in meinen Herzen.

Welch kalte Erkenntnis.
 

Davis schüttelte den Kopf.
 

„Ach Quatsch! Das hat doch damit nichts zu tun! Alle haben Verständnis für dich, du mit deinem krassen Arztstudium!“
 

„Medizinstudium!“, korrigierte ich ihn schnell. Er schnaubte.
 

„Dann eben das! Alle stehen hinter dir, glaub mir, keiner hier hat das Gefühl, du interessierst dich nicht mehr für einen. Du bist doch immer noch einer von unseren Pappenheimern!“
 

Ich lachte. Trotz seiner scheinbar schlechten Laune konnte er doch noch richtig gut aufmuntern.

Schon fühlte ich mich etwas besser...
 

„Danke für das Trostpflaster... Aber ich scheine nicht der Einzige zu sein, der etwas im Abseits steht... Was stimmt denn mit dir nicht?“, harkte ich nach.
 

Er schaute gedankenverloren zu Boden.
 

„Ach... na ja... Da ist so dieses und jenes.. nicht so wichtig..“, flüsterte er und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Komisch. Er selber unterstützt, aber wenn er selber Probleme hat, dann ist er verschlossen. Warum will er denn nicht, dass ich ihm helfe?
 

Verstehe einer die Kinder... Ich glaubte langsam doch, dass ich nicht mehr reinpasste.
 

Noch jemand schien nicht recht glücklich. Mimi.
 

Rasch huschte ich zu ihr herüber, um wenigstens ihr versuchen zu helfen. Sie stand leicht verloren, etwas abseits, und schaute Tai und Sora hinterher.
 

„Na... hier herrscht ja wirkliche Trauerstimmung...“, eröffnete ich. Ich hatte sie offenbar erschreckt.

Zuckend drehte sie sich um und grinste.
 

„Ach Joe! Du hast mich vielleicht erschreckt!...“ Sie lachte schon wieder.
 

„Tut mir Leid! Ich dachte nur, du könntest etwas Gesellschaft gebrauchen!“
 

Sie lächelte.
 

„Danke... Ich stehe hier gerade wirklich etwas verloren.... Sieh mal wie glücklich die Beiden sind... Als wäre heute eine Party.... Dabei...“ Sie brach ab. Ihr Gesicht verriet mir, dass sie alles andere als fröhlich war. Auch wenn sie vorgab, es zu sein.
 

Klar, wir sind alle betrübt, dass Sora geht... Vor allem, weil sie solange geht..

Eigentlich kann man sich das gar nicht vorstellen, dass jemand, der immer da war, plötzlich weg sein sollte.
 

Aber um nochmal auf Mimi zurück zu kommen: Ich hatte das Gefühl, dass noch etwas hinter ihrer Fassade steckte. Ich begutachtete sie noch einmal genau.

Wieder sah sie nachdenklich zu den beiden Tanzliesen.
 

„Glaubst du.... Tai ist in Sora verliebt?...“, fragte sie mich auf einmal und ließ meinen Atem stocken.
 

Nervös blinzelte ich.
 

„Wie... Wieso fragst du das?“, harkte ich nach. Das war ja mal eine interessante Wende.
 

War Mimi etwa in Tai... Aber war sie nicht in Izzy..? Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
 

Wollte ich wirklich, um diese Uhrzeit schon, solche Informationen auf einen Flughafen sammeln. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, sich neben sie zu stellen...
 

[Yolei]
 

Voller Stolz waren Ken und ich vor die anderen getreten, und hatten ohne große Worte verkündet, das wir nun zusammen waren... Ich vermutete im Nachhinein ernsthaft, dass es alle sowieso schon wussten. Gut, außer Matt.
 

Die Stimmung war ausgelassen. So, als ob wir uns einfach mal so eben getroffen hätten, um dem Üblichen Tratsch und Klatsch nach zu gehen. Niemand war meines Erachtens in einem Umhang aus Trauer und Verzweiflung gewickelt.
 

Um so besser für Sora.
 

Noch etwas war mir aufgefallen. Davis saß nun ziemlich alleine, abgegrenzt von allen anderen.

Eigentlich doch total kindisch!

Alle ignorierten einen scheinbaren Störenfried, niemand suchte vielleicht mal nach einer Lösung.
 

Mir drehte sich der Magen um bei der Vorstellung, dass wir ihn ausstoßen mit dieser Taktik.

Klar, jeden nervte es, dass er minütlich hoch ging, und niemand verstand sein Verhalten mehr, aber dennoch mussten wir doch auch an die gute alte Freundschaft denken.
 

Es schien allerdings auch niemand an einer Klärung dieses Konfliktes interessiert zu sein. Noch nicht mal Ken.
 

„Lass ihn doch einfach in Ruhe.. Das lenkt sich schon wieder ein..“, meinte er und grinste.
 

Ich fand das mehr als lasch. Auch wenn es mich immer ziemlich gerädert hatte, empfand ich es als niederträchtig ihn einfach fallen zu lassen, wie eine heiße Kartoffel.
 

Selbst Cody, der doch sonst so für Gerechtigkeit und Frieden war, zuckte mit den Schultern.
 

„Wenn wir ihm jetzt den kleinen Finger reichen, reiß er uns den Arm ab. Und was hätten wir davon? Seine miesen Eifersuchtsattacken würden uns wieder stören. Das find ich nicht so toll...“, sagte er.
 

„Aber vielleicht können wir das ja jetzt begraben. Ich meine jetzt, wo T.K und Kari zusammen sind, hat er doch wirklich Null Chance mehr. Ich habe die stille Hoffnung, dass er einsieht, dass es keinen Sinn mehr macht. Dann wird er auch aufhören!“, entgegnete ich.
 

Wenn ich Cody auf meine Seite ziehen konnte, war ich erstens nicht mehr alleine mit meiner Ansicht, und zweitens würden wir zusammen vielleicht schon einen kleinen Erfolg einheimsen können.
 

„Er ist verliebt, Yolei! Der wird das heute und auch morgen noch nicht begriffen haben. Wie lassen ihn am besten ein bisschen in Ruhe. Er wird schon von alleine auf uns zu kommen. Wenn es soweit ist, werden wir ihn mit Freuden wieder aufnehmen. Okay?“
 

Verdammt. Er war dreizehn und konnte schon diskutieren wie ein Erwachsener. Das machte mir ein wenig Angst. Allerdings musste ich wohl einsehen, dass er schon recht hatte. Mist.
 

Mein schlechtes Gewissen verschwand zwar nicht, aber es ließ sich einschließen. Und schon war ich wieder mehr an Ken interessiert.
 

Ja, ja ihr denkt jetzt wahrscheinlich „What? Wie geht das denn?“, aber ihr müsstet mich kennen.
 

Wenn es um Ken geht, kenne ich nun mal nichts anderes mehr. Doppelpunkt, Bindestrich, Klammer zu.
 

„Na, Idee verworfen?“, harkte er nach, als ich mich wieder anschmiegte.
 

„Was?...“ Er fing an zu lachen. Ich wusste scheinbar schon gar nicht worum es ging.
 

Soras Mutter ging durch die Reihen und verteilte etwas. Essen. Woah, ich liebte Essen schon immer!!!!!
 

„Darf ich euch auch etwas anbieten? Ich habe etwas zu viel gemacht, ihr könnt also ordentlich zu schlagen!“, sagte sie und reichte und eine Schale mit Onigiris (= japanische Reisbällchen ).
 

Mir floss das Wasser im Munde zusammen. Ich liebte Onigiris! Ken nahm einen, ich gleich drei.

Sie hatte schließlich gesagt, wir sollten ruhig zu schlagen.
 

„Du.... bist ziemlich verfressen, Miyako-chan...“, murmelte er und biss behutsam in sein Reisbällchen. Ich verschlang den ersten in einem Zug. Wundersame Blicke trafen mich.
 

„Wa... was war das denn?“, wollte Kari von mir wissen, die mit den anderen neugierig näher kam.

Nur Tai und Sora kreisten noch immer durch die Halle.
 

„Iff epfe..“, meinte ich, beziehungsweise versuchte es. Man bedachte mich mit einem verwirrten Lächeln.
 

„Nimm den anderen doch auch noch in den Mund, dann verstehen wir dich noch besser!“, schlug Matt vor und wies auf meinen zweiten Onigiri.
 

„Oh ja.. Platz genug wäre bestimmt...“, ergänzte Sayachi und grinste mich an.
 

Grummelnd drehte ich mich und versuchte den Reis runter zu bekommen. Danach wandte ich mich siegessicher wieder um.
 

„Ich habe eben einen gesunden Appetit.“, verteidigte ich mich und biss in den nächsten.

Ken schüttelte nur den Kopf.
 

„Ich weiß schon wie du in vierzig Jahren aussehen wirst. Ja ich habe das Bild genau vor mir...“, fing Matt an zu philosophieren.
 

„Du mit Schürze, die dir aber nicht mehr passt, weil du aufgequollener als Hefe in der Sonne bist. Mal wieder kochst du dir ein zwanzig Gängemenü, so wie jeden Morgen. Du bringst gut und gerne 180 Kilogramm auf die Waage... Dein Mann und deine Kinder sind alle halbverhungert, schließlich reicht das Essen nur für dich. Und du würdest es ja niemals wagen, es zu teilen.....“
 

Verärgert klatschte ich ihm ein Reisbällchen ins Gesicht, während der Rest anfing zu lachen.

Er zuckte nicht mal zusammen. Er wusste, dass ich so reagieren würde... Alter Schwachkopf.
 

„Das gute Essen....“, sagte er und zupfte sich einzelne Reiskörner aus dem Haar.
 

Verdammte Kiste! Mein schöner Onigiri... Nur, weil ich ihm es heimzahlen wollte.. Und dann hatte es noch nicht einmal ein Ergebnis erzielt. Ich war sichtlich etwas enttäuscht.
 

[Tai]
 

„Eins, zwei, drei und eins, zwei, drei...“, sagte ich während Sora und ich durch die rasenden Beamten tanzten. Es war echt ein Knüller, den sowieso schon genervten Leuten, die ja ihren Flieger hundertpro verpassen würden, wenn sie nicht sofort durchkamen, in die Quere zu „tanzen“.
 

Sora war die ganze Zeit nur am Lachen, wenn sich so ein Beamtenmensch mit mir anlegen wollte.

Gut, zu achtzig Prozent rannte ich mit ihr schnell um die nächste Ecke, aber manchmal rief ich dann doch etwas zurück.
 

„Die haben echt alle gute Laune, was?“, meinte ich und grinste. Sora lächelte nur und schüttelte den Kopf.
 

„Und du bist natürlich nicht der Auslöser...“ Ich zuckte mit den Achseln.
 

Dabei wollte ich die Leute doch nur ordentlich aufmischen. Zur Belustigung meiner Sora.
 

Ja, ja, ich kann mir denken, was ihr denkt. Ihr meint wahrscheinlich „Hey, der steht ja total auf Sora!“. Und manchen von euch würde das sicherlich gefallen, aber ich muss euch enttäuschen.

Ich mochte Sora wirklich sehr, aber mehr wie eine Schwester.
 

Wir kannten uns schließlich schon ewig und drei Tage, hatten Fußball zusammen gespielt, die Abenteuer in der Digiwelt gemeinsam durchlebt, und diversen Kummer überstanden. Neben Matt war sie echt die engste Vertraute.
 

Nun kam allerdings ein dickes Problem: Sie ging, ich blieb.

Das würde bestimmt ganz grausam sein, wenn ich dann plötzlich ernsthafte Gespräche mit Matt führen musste. Ich hatte ihn wirklich lieb, aber was er auf den Tod nicht ausstehen konnte, waren tiefgründige Talkrunden. Ich hoffe nur, ich komme euch jetzt nicht verweichlicht vor. In jedem Mann steckt ein Fünkchen Frau. Basta!
 

„Wollen wir nicht wieder zurück...? Die anderen fragen sich wahrscheinlich schon wo wir bleiben.“, murmelte Sora und seufzte. Ich spürte deutlich, dass sie langsam sentimentaler wurde. Es nährte sich ihr Abflug.
 

Behutsam nahm ich sie an die Hand und führte sie, langsamer als vorher, über den Platz.
 

„Ich will dir ja nicht noch mehr Zeit mit den anderen nehmen..“, entgegnete ich und zwinkerte. Sie verstärkte ihren Händedruck und kniff die Lippen zusammen. Ich zog die Stirn kraus.
 

„Sora?... Alles okay?“
 

„Ach... ich... Mir fiel nur gerade auf, dass ich dich ganz schrecklich vermissen werde....“, sagte sie und grinste mich gequält an.
 

Aua... Stich in Herz. Das tat wirklich weh.
 

„Sora.... Ich werde dich auch unheimlich vermissen....“, murmelte ich und nahm sie fest in den Arm. Besser ich heulte jetzt, als es später zu tun. Verdammt, ich hasste Tränen.
 

Dabei dachte ich, ich sei stark genug solche Gefühlssachen wegzuschließen. Aber Pustekuchen!
 

Sora krallte sich in mein Shirt.
 

„Komm schon... wir wollen doch jetzt nicht rum plärren.“, flüsterte ich schließlich und wischte mir das nervende Wasser aus dem Gesicht. Wir lösten uns von einander und lachten uns beide aus. Keiner von uns beiden war es wirklich gewohnt den anderen so aufgelöst zu sehen.
 

„Ja, du hast recht.. Man wie peinlich...“, sagte sie und kicherte. Zum Glück sah man uns das Geflenne nicht an. Man hätte uns total aufgezogen. Hauptsächlich mich. Und ich hasste es, wenn man mich „ärgerte“. Ich tat das bei anderen, doch niemand durfte das bei mir. Stand in meinem Goldenen Regelbuch, dass nicht existiert.
 

„Warum entführst du meine Freundin?“, fragte mich Matt leicht angefressen, als wir zurück waren.
 

„Frag nicht immer so doof. Sie gehört dir schließlich nicht..“
 

Sofort packten seine Musikerklauen um die schmale Taille Soras. Noch ein passendes Gesicht dazu, und schon vermittelte er mir deutlich, dass sie sehr wohl in seinen Besitz gefallen war.
 

Sora und ich blinzelten uns nur verwirrt an. Manchmal war er ja schon schräg. Schräger als ich.
 

„Schnucki, du bist verrückt..“, sagte ich ganz locker ohne meine Mimik zu verändern. Er vergrub nur sein Gesicht in Soras Haare. Ich schob es auf den nahenden Abschied von seinem Lieblingsmensch.
 

Obwohl ich manchmal am zweifeln bin, ob es nicht doch eher seine Gitarre war, die er mal heiraten würde. Die behandelte er nämlich wie ein richtiges Lebewesen. Sie hatte sogar einen Namen. Ich sage bewusst sie, denn nicht nur der Artikel von „Gitarre“ ist weiblich, sondern auch Matt seine an sich. Sie hieß.... ähm.. Hoshi oder so ähnlich.

Es machte mir regelmäßig angst, wenn er anfing mit ihr zu sprechen... Da konnte es einen doch auch nur schütteln, oder? Vielleicht verstand ich es auch nur nicht, weil ich Fußballer war und kein Saitenvergewaltiger.

Und nein, mein Ball hatte keinen Namen!
 

Was Sora wohl dazu sagte? Ob sie das überhaupt wusste? Konnte man Gitarren eigentlich heiraten? Und wieso dachte ich darüber nur nach? Mein Schädel brummte spürbar.

Denken war nicht meine Stärke...
 

„Tai? Lebst du noch oder hattest du gerade wieder einen Kurzschluss da oben?“, wollte Matt wissen. Ich zuckte zusammen. Ich hasste es, wenn man mich so hektisch in die Realität zurückrief.
 

„Alles okay!“, gab ich an und tänzelte auf der Stelle. Nun hatte ich meine Position als merkwürdigster Mensch in der unmittelbaren Umgebung eingenommen.
 

„Jap.... Ich hab dich auch lieb, Taichi...“, entgegnete Yamato auf meine brillante Tanzeinlage. Ich hatte es heute aber auch mit den Tanzen....
 

Sora hatte sich in aller Ruhe an Matt gekettet und sah keine Grund, ihm Platz zum Atmen zu lassen. Sein Kopf wurde schon ganz rot.
 

„Liebste Sora... Bitte....“, jammerte er und versuchte seinen Hals frei zu bekommen. Solche Momente waren echt zum schießen. Der ewige Kampf um Luft..
 

[Mimi]
 

Ihr habt bestimmt noch meine Frage an Joe im Kopf.

Ob Tai in Sora verliebt war.
 

Warum ist mich das fragte? Nun.. Weil ich seit dem letzten Abend ein ganz merkwürdiges Kribbeln im Bauch hatte.
 

Taichi hatte mich, wie ihr vielleicht noch wisst, gestern nach Hause begleitet, um die ganzen Ausmaße meiner Traurigkeit zu erfahren. Mir war schleierhaft, warum er so darauf brannte, hatte es ihm aber im Nachhinein doch erzählt.
 

„Dein Herz hängt also noch an Izzy, aber dein Kopf will nach etwas Neuem suchen, nicht wahr?“
 

Das war seine Schlussfolgerung gewesen. Ich musste zugeben, dass es stimmte. Er hatte ja recht.
 

„Du willst jemanden haben, der dich ständig in den Mittelpunkt rückt, weil du diesen Rausch echt brauchst, nicht wahr?“
 

Das war echt gemein! Aber auch das war richtig. Ich war Aufmerksamkeitsabhängig.

Aber scheinbar schien das Taichi gar nicht zu jucken. Er lachte mich sogar aus, als ich sagte, das ich niemanden finden würde, bei dem ich bedingungslos das Wichtigste war, und von dem ich pausenlos angehimmelt werden würde. Eben das, nachdem ich so gierig war.
 

„Ich dachte bisher eigentlich immer, dass man das Mädchen, dass man liebt, für einen das Wichtigste ist... Nun... ich war schon lange nicht mehr verliebt...“
 

„Aber niemand will jemanden wie mich. Ich will vierundzwanzig Stunden am Tag gesagt bekommen, dass ich die Tollste bin...“, gab ich deprimiert zu. Immerhin war es die Wahrheit.
 

„Du bist eben eingebildet..“ Tai war immer so direkt, das es schon fast weh tat.
 

„Na danke!“
 

„Ach, dass wusstest du noch nicht?“ Ich hatte noch immer sein verwundertes Gesicht im Kopf, als ich an unser Gespräch zurück dachte. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen.
 

Er konnte so toll ungläubig gucken...
 

Allerdings wäre es jetzt ein ziemlich dämlicher Zeitpunkt sich ausgerechnet in Mister „Ich hab nur Fußball im Kopf“ zu verknallen. Vor allem nicht, nachdem ich gestern noch wegen Izzy geheult hatte. In meinem Kopf herrschte reines Chaos.
 

Und überhaupt! Wir passten gar nicht zusammen. Und warum machte ich mir Gedanken?
 

Ach ja... Dieses Kribbeln... Verdammt!
 

Ich versuchte es zu ignorieren, was sich als schwieriger erwies, wie zunächst gedacht. Vor allem weil der gnädige Herr plötzlich wieder neben uns auftauchte. Es war nicht sehr hilfreich zu vergessen, wenn die betreffende Person neben dir stand..
 

Aber ich konnte ja auch schlecht sagen: „Hey geh mal bitte weg!“
 

„Duu Mimi!! Ich hab hier so ein lustiges Erinnerungsbuch für Sora, und soll dich fragen ob du auch noch etwas dazu schreiben magst?“ SAYA!!!! Sie stand plötzlich vor mir.
 

Ich machte gute Miene zu bösem Spiel und lächelte sie an. Auch wenn ich scheinbar wieder an anderen interessiert war, konnte ich sie nicht leiden. Sie hatte etwas ganz widerwärtiges an sich.
 

„Das würde ich furchtbar gern... wenn ich denn einen Stift hätte..“, antwortete ich und lächelte weiterhin. Sie zückte sofort drei Filzstifte hervor und fletschte ihre Zähne.
 

Oh mein Gott, sie trug eine Zahnspange. Sofort schüttelte es mich. Ich wollte mir eigentlich vorstellen, wie Essensreste in dem Metall stecken blieben, allerdings hatte ich schon daran gedacht. Das projizierte gruselige Bilder in meinen Kopf.
 

Sayachi zog eine Augenbraue hoch und wedelte mit dem Buch herum.
 

„Eh hallo? Grün, Rosa oder Gelb?“, stichelte sie ungeduldig. Wollte wahrscheinlich wieder Izzy abschlecken, mit ihrer... Metallbfresse.
 

Ich entschied mich für Rosa und nahm ihr das Buch ab. Sie drehte sich augenverdrehend um und hopste Richtung Koushiro. Ich hasste Sayachi... Alte Schrulle.
 

Was schrieb man jemanden, den man wirklich verdammt lieb hatte, und der für vier Jahre das Land verließ? So was wie « viel Spaß» oder «Komm bald wieder» war da eher weniger gut..
 

Und wenn man schrieb, dass es bestimmt ganz furchtbar ohne sie werden würde, trug das auch nicht gerade zu ihrer Belustigung bei. Also schrieb ich Folgendes:
 

„Liebste Sora!

Nun verlässt du uns für eine lange, sicherlich auch schwierige Zeit. Aber ich möchte das Blatt nicht für um dich trauernde Worte verschwenden, schließlich sollst du dich ja freuen, wenn du das liest. Mach dich um Matt und Tai mal keine Sorgen, ich werde mich gut um die beiden kümmern. Und auch darauf achten, dass alle Mädchen von Matt wegbleiben.

Liebste Grüße an dich und an den Eiffelturm, deine Mimi.“
 

Noch ein Herzchen dazu und fertig. Mit erhobenem Haupt ging ich auf Sayachi zu und reichte ihr das Buch zurück. Sie sah mich fragend an.
 

„Was soll ich denn damit?“, wollte sie wissen und zog die Augenbraue hoch. Ich zuckte mit den Schultern.
 

„Hast es mir ja auch in die Hand gedrückt, drück ich es dir eben zurück.“, antwortete ich und fühlte mich siegessicher.
 

„Du bist echt dumm.“ Ich sah sie verdutzt an. Wie bitte?
 

„Du bist die Einzige, die nicht weitergedacht hat, und eine Seite weitergeblättert hat, um herauszufinden, wer der nächste ist... Das ist arm, findest du nicht?“
 

Sie schaute mich kopfschüttelnd an und zeigte mir sogar die Seite. Ich stand nur erstarrt vor ihr.

Jetzt war ich hier die Doofe..

Trotzallem, auf der Seite stand... TAI! Meine Augen weiteten sich.
 

[Matt]
 

Ich war recht überrascht, über das rege Treiben am Flughafen. Alles waren... so ausgelassen.

Aber den Satz durftet ihr sicherlich auch schon hundert Mal gelesen.

Ich wollte das nur nochmal betonen!
 

Was mich allerdings störte, war die Tatsache, dass ich absolut nichts mehr mitbekam. Innerhalb einer halben Stunde, erfuhr, beziehungsweise sah ich Dinge, die mir völlig fremd waren.

Ich fühlte mich leicht ausgeschlossen, zumal selbst Sora von allem Bescheid wusste.

Sehr deprimierend.
 

Lag wahrscheinlich wirklich daran, dass ich kaum noch Zeit hatte.

Wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, mit meinen Jungs zu proben, hockte ich bei Sora rum, oder schlief den lieben langen Tag. Warum ich den lieben langen Tag schlief?

Weil ich seit einem halben Jahr die halbe Nacht kellnerte.

Und warum tat ich das?

Weil ich Geld brauchte. Viel Geld.

Schließlich lassen sich neue Saiten nicht von selbst verdienen und mein Herr Vater ließ sich nicht dazu herab, mir welche zu bezahlen.

Ich war ihm ja eh scheißegal.
 

Aber kommen wir zurück zu meiner Sora. Die ich in knapp zwanzig Minuten loslassen musste. Es wären sicherlich mehr gewesen, wenn Tai nicht mit ihr sämtliche Tänze vollzogen hätte.

Leicht zitternd hielt ich sie noch immer fest.
 

„M.. Matt ich bekomme langsam keine Luft mehr...“, murmelte sie in mein T-Shirt hinein und wuselte wild herum. Sofort befreite ich sie.
 

„Sorry... Überheblich wie ich bin....“ Sie streichelte mir über die Wange und lächelte.
 

„Ich weiß schon... Langsam werd ich auch wieder richtig nervös... Noch 18 Minuten... Mit dir.. Mit den anderen..“ Sie schluckte.
 

„Bitte... erinnere mich nicht daran... Wie soll ich die nur alle allein ertragen?“ Ich zwinkerte.
 

„Ach... du bist doch eh nie da... Das wirst du packen... Ich finde es nur schade, dass du ohne mich neunzehn wirst... Ich wäre gern noch dabei gewesen.“, meinte sie und zuckte traurig die Schultern.
 

Hm.. Auch wenn ich mir nicht viel aus meinen Geburtstag machte, war es schon ziemlich dumm, dass Sora nicht da war. Ich hätte mich sowieso, wie jeden anderen Tag, bei ihr verkrümelt. Sie war die Einzige, mit der ich feiern wollte...
 

Ich lehnte meine Stirn an ihre und atmete tief durch. Dann schaute ich ihr in die Augen und legte meine Arme auf ihre Schultern.
 

„Es ist mir scheißegal, dass ich morgen Geburtstag habe.. Ich würde ihn nur trotzdem gerne mit dir verbringen... Nur mit dir..“
 

Ihr rollte lautlos eine Träne über die Wange und schniefte.
 

„Matt...“, flüsterte sie. Es tat mir in der Seele weh, dass ich ihr meine Gedanken so übermittelt hatte. Garantiert wog sie nun wieder in Gedanken ab, ob sie flog, oder ob sie blieb.

Ich Idiot..
 

„Vielleicht könnte ich ja...“, fing sie an. Ich legte ihr sofort den Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
 

„Denk nicht einmal dran, Fräulein..“
 

„Aber..“
 

„Bah Bah Bah! Nichts da! Du steigst in diesen Flieger, und vergisst, was ich gesagt habe!“
 

„A..“
 

Bevor es noch zu mehreren Millionen „aber“ ´s kam, küsste ich sie. Erstens, führte es zu nichts, und zweitens war ich nie der Typ für lange Diskussionen gewesen.
 

„Was mach ich nur ohne deine Küsse?...“, fragte sie mich leicht benommen und grinste. Ich schmollte.
 

„Das werden wir wohl beide überstehen müssen... Obwohl.. wir müssen nur bis zu deinen Semesterferien warten. Dann kommst du ja, hoffentlich, vorbei.“
 

Sie winselte gespielt und vergrub sich in meinem Hals.
 

„Das ist doch noch eine halbe Ewigkeit...“, jammerte sie und stampfte wie ein kleines Kind auf den Boden. Soras Mutter sprang sorgenvoll auf und eilte sofort zu uns.
 

„Oh Gott, Sora, Liebling, geht es dir gut?“, rief sie aufgeregt und ließ vor lauter Schreck ihre Jacke fallen. Sora sah sie mit verwuschelten Haaren an.
 

„Alles top!“, sagte sie und wuselte weiter an mir herum.
 

Beruhigt kehrte ihre Mutter zu ihrem Vater zurück. Schon schräg.
 

„Wenn du so weiter machst, rubbelst du noch mein T-Shirt durch.Wenn du es haben möchtest, hättest du etwas sagen können. Ich hätte es dir gern gegeben..“, meinte ich und versuchte ihre Wischmoppfrisur zu richten.
 

„.. Ich... ich muss dir gestehen... Ich hab mir einfach eins aus deinem Schrank gezogen...“ Sie schaute mich mit einem Engelsgesicht und klimperte mit den Augen.
 

Deswegen konnte ich mein dunkelblaues Shirt heute nicht finden... Kleine Gaunerin.
 

Ich schüttelte den Kopf.
 

„Das hat Konsequenzen meine Schönheit. Du listiger Elster du...“, murmelte ich und kitzelte sie, bis sie umfiel vor Lachen.
 

Ich liebte, liebte, liebte sie. Vor allem wenn sie so glücklich war, wie jetzt.
 

[T.K]
 

Mal was anderes. Ich weiß, ihr habt schon oft gelesen, wie alle gut gelaunt durch die Gegend hüpften, obwohl Sora bald flog. Da war aber noch was. Davis
 

Wir waren absolut bescheuert zu ihm, klar, er war bescheuert, aber deswegen musste man ihn doch nicht wie einen Abgestoßenen behandeln. Er war sehr nervig, und das, was er gestern abgezogen hatte, war unter aller Sau. Aber es war auch falsch von uns, ihn nun wie heiße Luft zu ignorieren.
 

Kari stand neben mir, hatte sich eingeharkt, und quaselte aufgeregt mit Yolei.
 

Ich rang innerlich mit mir. Sollte ich vielleicht mal auf ihn zu gehen und den Anfang machen?

So konnte es nicht weitergehen... Nein, so durfte es nicht weitergehen.
 

Kari würde sauer werden... Aber hier geht es schließlich darum, eine alte Freundschaft zu retten. Das ist sicherlich auch im Sinne der anderen.
 

So seilte ich mich von Kari los, die mich daraufhin besorgt am Ärmel packte. Ein erschrockenen Augenpaar schaute mir entgegen, ich lächelte.
 

„Ich lauf dir schon nicht weg. Ich will doch nur.... etwas klären.“, meinte und befreite meinen Pullover. Der war erst neu, meine Mutter würde mich umlegen, wenn der jetzt schon im Eimer wäre.
 

Kari konnte scheinbar Gedanken lesen, und schaute von mir, zu Davis. Ich nickte.
 

„Aber...“, wollte sie gerade anfangen, doch da unterbrach Yolei sie und lächelte.
 

„Takeru weiß, was zu tun ist. Ich finde auch, einer muss der Mutige sein, und anfangen... Danke...“
 

Ich zwinkerte und wandte mich schließlich um. Kari zischte noch ein „Der ändert sich nie“, doch sie hielt mich nicht weiter ab. Einer musste der Mutige sein. Und der war ich.
 

Und so nahm ich den Kampf auf, verfolgt von ungläubigen Blicken der anderen. Auch Davis staunte nicht schlecht, als ich mich plötzlich neben ihm auf den Platz fallen ließ.
 

„Was wird das denn, wenn´s fertig ist...?“, murmelte er und verkrampfte seinen Körper ganz merkwürdig. Ich räusperte mich.
 

„Es muss aufhören.“, sagte ich und starrte auf den polierten Boden vor mir. Er starrte mich fragend an.
 

„Aufhören? Was muss aufhören?“ Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Okay, ich hatte mich auch doof ausgedrückt.
 

„Das du so aus der Haut fährst. Das wir dich strafen, indem wir dich ignorieren. Das wir allmählich zu Feinden mutieren. So geht es nicht weiter. Findest du nicht auch?“
 

Stille. Verstohlen blickte er mich von der Seite an. Immerhin schien er nachzudenken. Passierte ja nicht so oft. ..
 

„Mag sein...“

Ich drehte mich wütend um.

Das war alles? Das war seine Antwort?
 

„Mehr fällt dir dazu nicht ein?“, zischte ich und knirschte mit den Zähnen. Der war ja mittlerweile ignoranter als mein Bruder. Er wich meinem Blick aus.
 

„Was soll ich denn dazu sagen? Ja du hast ja so recht, T.K. Komm lass uns die Sache vergessen, nochmal von vorne anfangen. Lass uns wieder dicke Freunde werden.“ Er übertrieb es richtig und grinste mich falsch an.
 

Andere hätten ihn jetzt eine verpasst, andere, so wie ich, verdrängten die Provokation in seinen Worten. Ich musste ruhig bleiben.
 

Er schien nicht sonderlich bereit dazu zu sein, den Streit niederzulegen. Wenn ich jetzt locker ließ, würde es niemals aufhören! Ich musste stark bleiben.
 

„Hör zu, Davis.... Ich, und ich denke ich spreche für alle, verstehen ja, dass du verliebt bist, und auch verletzt, weil.... Kari und ich zusammen sind. Aber sei doch mal ehrlich. Findest du nicht auch das du dich total albern verhältst ? Das ist doch schon nicht mehr normal... Ich will dich jetzt nicht wieder aggressiv machen, ich sage nur die Wahrheit. Bitte Davis... Komm wieder runter. Dann können wir alle auch wieder normal miteinander umgehen...“
 

Ich musste mich wirklich beherrschen, dass ich nicht lauter wurde, oder ihn sogar angriff. Ich ballte die Fäuste. Davis zeigte kaum eine Reaktion.
 

„Wie... wie kann man nur so bockig sein?“, zischte ich. Aufgebracht baute ich mich vor ihm auf.

Ich musste scheinbar härter werden. Endlich schaute er mir ins Gesicht. Wut, und Verzweiflung stiegen in ihm auf. Auch er stand auf.
 

„Hör auf mir deine Storys zu erzählen. Ich hab kein Bock auf den ganzen Scheiß hier!... Friede, Freude, Eierkuchen, blah, blah, blah! Spiel dich mal nicht so auf, du Waschweib. Wenn ihr mich schon alle ausschließt, kann ich auch nach hause gehen!..“
 

Mit diesen Worten stürmte er Richtung Ausgang, ohne einen von uns weiter zu beachten. Doch plötzlich lief Kari vor ihn und stoppte ihn, mit dem bösesten Blick, den ich je gesehen hatte.

Klatsch! Sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, dessen Echo durch den halben Raum hallte.

Stille. Alle Augen waren auf die beiden gerichtet.
 

„DU... DU.... Du arrogantes Arschloch! Was glaubst du eigentlich wer du bist?“ Ihre Stimme bebte, ihre Hände zitterten. Sie war richtig aufgebracht. Vorsichtig näherte sich Yolei.
 

„Komm Kari, ruhig...“ Doch Kari war so voller Wut, dass sie ihre Hand wegschlug und sofort die Fäuste ballte. Yolei wich erschrocken zurück. Hilfesuchend sah sie sich nach uns um. Tai zuckte zusammen und näherte sich dem Geschehen.
 

„Was willst du denn erreichen? Meinst du ich mach mit Takeru schluss, nur weil du einen Aufstand machst? Hast du wirklich gedacht, dass wenn du das lange genug machst, kommen wir zusammen?.. Du... Du...“
 

„Jetzt ist gut.“, sagte Tai und stand zwischen ihnen.
 

„Ich glaube es wäre besser, wenn du erstmal frische Luft schnappen gehst, Davis. Es ist zwar nicht der richtige Ton gewesen, den ich anschlagen würde, aber du reagierst ja auch nicht auf die ruhige Art.“ Er sah zu mir rüber. Scheinbar hatte er alles verfolgt.
 

„Komm´ zurück, wenn du der Meinung bist, dass du dir deine Fehler auch eingestanden hast. Geh, wenn du nicht eingesehen hast, was für eine bekloppte Nummer du abziehst. Entscheide du.“
 

Mit diesen Worten schob Taichi Davis raus auf den Parkplatz und kam entspannt wieder. Als wäre nichts gewesen.
 

[Wallace]
 

Ich schaute mal ganz vorsichtig in die starre Runde. Niemand wagte es einen Ton zu sagen. Ich hoffte nicht, dass sie das Atmen ebenfalls aufgegeben hatten. Das wäre nicht so gut.
 

Ein wahres Machtwort hatte unser Tai da gesprochen. Endlich hatte sich mal einer erhoben. War auch nicht mehr auszuhalten, dieser alte Müllsack.
 

Okay, ich hätte mich vielleicht auch mal einmischen können, aber hey! Ich räume bei Mädchen auf, und nicht bei Jungs, wenn ihr versteht, was ich meine. Hehe.. Außerdem war ich ja erst seit kurzem hier. Ausreden, über Ausreden..
 

Seit wir am Flughafen angekommen waren, hatte ich eindringlich nach hübschen Stewardessen oder andere süße Reisende Ausschau gehalten. Aber nichts feines für mich. Ich war ein stückweit deprimiert, woraufhin man mir ein Taschentuch reichte, mit den Worten „Das wird schon wieder“.
 

Grummelnd stellte ich mich zu Joe, den ich kaum kannte, weil er nie da war, wo ich war. Aber er guckte ebenfalls komisch, da dachte ich, aus Solidarität, tu ich mich dazu. Er grinste.
 

„Ach hallo Wayne!“ Ich zog verwundert eine Augenbraue hoch und guckte mich vorsichtshalber um, ob hinter mir ein Wayne war. Nö, ich war allein.
 

„Äh.. Meinst du mich?“, harkte ich nach und kratzte mich an der Nase. Joe nahm seine Monsterbrille ab und begann sie mit seinem Pullunder zu reinigen.
 

„Ja klar, wen denn sonst?“ Gut, dann musste ich ihn mal aufklären.
 

„Du, ich will dich ja nicht enttäuschen, aber... ich heiße nicht Wayne..“ Ich schüttelte heftig den Kopf. Wayne... Wer hieß denn schon Wayne? Ich mein außer Wayne Carpendale... Oder wie der heißt..
 

„Wie? Ach du heiliger Bim Bam! Das tut mir Leid.... Wie ist denn dann dein Name?“, fragte er und setzte seine Brille wieder auf.
 

Heiliger Bim Bam? Tokio hatte komische Wortlaute...
 

„Mein Name ist Wallace. Kapito?“ >Er nickte abwesend. Hatte er mir überhaupt zugehört? Ich tippte auf, N wie nö.
 

„Schicker Name.“ Na immerhin, ein Gespräch entwickelte sich, mehr oder weniger.
 

„Ja... Woran liegt es, dass ich dich kaum sehe?“, wollte ich wissen.
 

„Ich bin ein vollbeschäftigter Mann, Kurzer!“, sagte er und lachte. „vollbeschäftigter Mann“?
 

Mal ehrlich ich war schockiert. Wo war er denn ein Mann? Ich meine, er sah aus wie ein Milchbub, dass von Mami angezogen wurde. Ich verkniff mir mein Kichern.
 

„Und warum bist du so vielbeschäftigt, Mann?“ Ich biss auf meine Lippe, um nicht gleich loszulachen. Joe war echt ein komischer Kautz... Oder Mann....
 

„Na ja ich studiere. Ich studiere Medizin.“, antwortete er stolz wie Olle. Gut, dass kaufte ich ihm ab. So sah er aus.
 

Kleine Nebenbemerkung: Der Rest der Truppe bewegte sich mittlerweile auch wieder!

Davis war noch nicht zurück gekommen, Kari saß stumm neben T.K auf der Bank, Tai stand bei Sora und Matt, und Mimi quatschte mit Yolei und Ken. Das Mädchen neben Izzy war auch eine heiße Schnitte.....

Warum sind eigentlich alle Mädchen, die ich heiß fand, entweder vergeben oder verknallt? Das ist unfair...
 

Joe neben mir berichtete plötzlich ganz aufgeregt über sein spannendes Studium. Was interessierte mich denn, wie ich eine Impfspritze richtig setzte, oder was auch immer er da laberte.
 

Ich suchte nach einem neuen Gesprächspartner, jemand, der spannend war. Cody vielleicht. Der aß gerade Reis in Würfelform. Ich nickte Joe zu und wanderte zu ihm rüber.
 

Verdutzt schaute er zu mir hinauf.
 

„Was kann ich denn für dich tun?“, fragte er zwischen zwei Bissen und wies auf den Platz neben sich. Ich setzte mich und sah ihn an. Er sah zurück.
 

„Auch eins?“ Ich schüttelte den Kopf. Er zuckte mit den Schultern. Mal ehrlich, Cody war doch der Coolste hier. Ihn interessierte nicht eine kleine Streitigkeit die hier stattfand, er saß nur ruhig da, und aß. Beeindruckend...
 

„Wie machst du das?“, harkte ich nach und sah ihn genau an. Er schaute unwissend zurück.
 

„Was meinst´n du?“ Er war echt der Knüller...
 

„Na das! Du ignorierst ja förmlich all das Gequarke um dich herum, sitzt da und isst Reis!“
 

„Das ist kein Reis, dass ist ein Onigiri..“, verbesserte er mich und ging gar nicht weiter auf meine Aussage ein. Wow... Ich war verblüfft.
 

„Da! Du machst es schon wieder....“, stellte ich fest und atmete tief durch.
 

„Beruhig dich... Das ist keine Krankheit oder so...“, entgegnete er und nahm das letzte Stück in den Mund.
 

„Und wie machst du das?“
 

„Jahrelanges Training.... jahrelanges, hartes Training... Glaub mir, eines Tages, kriegst du das auch nicht mehr mit, wenn der sich mit dem in den Haaren hat... Das gehört zur Tagesordnung und juckt mich nimmer mehr...“

Hiermit erklärte ich Cody zu meinem absoluten Held, der gesamten Runde!
 

[Sayachi]
 

Nachdem auch Izzy aus seiner Starre erwacht war, laberte er mich wieder mit irgendeinem Computer zu, den er sich unbedingt zum Geburtstag wünschen müsste. Wie spannend.
 

Warum war ich überhaupt mitgekommen? Ich kannte Sora fast gar nicht.

Izzy war auf dem Boden rumgekrochen und hatte mich angefleht. Er wollte jegliches Gespräch mit Mimi vermeiden, ich wäre der perfekte Schutz.

Na danke. Mich als Parasitenschutz zu verwendenden kränkte mich.
 

Zum Schluss bin ich doch mitgekommen. Vor allem weil ich angst hatte, dass sie sich wieder bei ihm einschleimen könnte. Koushiro war viel zu leicht zu überzeugen, dass man sich geändert hätte.

Und in Nullkommanichts wäre ich wieder Solo gewesen.
 

Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel, diese miese Schlange. Eines war klar: Beste Freundinnen würden wir nicht werden.
 

Plötzlich lehnte Izzys Kopf auf meiner Schulter, und ließ mich aus den Gedanken aufwachen.

Natürlich zog er mir fast die Haare raus, die stolz über zehn Jahre hatte wachsen lassen. Sie waren fast so lang, wie ich groß.
 

„Aua..“, murmelte ich. Aber ich wollte nicht das er wieder von mir wich, ich fand das schön. Doch reflexartig richtete er sich doch wieder auf und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
 

„Tut mir Leid... Deine Haare mal wieder...“ er sah zu Boden, wo sich vereinzelte Haarsträhnen sammelten. Schnell sammelte ich alle ein und wickelte sie auf meinem Schoß zusammen.

Nichts überredete mich dazu, sie abzuschneiden, ich liebte meine Haare!
 

Böse funkelte ich ihn an, was ihn total nervös werden ließ. Er nahm mich in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ein Lächeln huschte für kurze Zeit über mein Gesicht.
 

„Na siehste, nicht mehr sauer!“, er lachte und strich mir über die Wange. Manchmal war er echt zum heulen süß... Vielleicht war ich deswegen so besessen darauf, dass Mimi ihm bloß fern blieb.
 

Ich hatte ja schon mal meine Bedenken geäußert, dass er eventuell noch etwas für sie empfindet.

Ich wollte ihn das schon mal fragen, hatte mich aber nicht getraut. Wäre glaube ich auch etwas unverschämt..
 

Wieder starrte ich stumm auf den Boden und versuchte eine Haarsträhne um meinen Finger zu wickeln. Ging schlecht, meine Haare waren zu schwer und zu dick.

Ob er meine langen, welligen Haare besser fand, als Mimis schulterlange Wuschelpracht?
 

Er jedenfalls strich nun meine Haare achtlos zur Seite und ließ seinen Kopf auf meine Schulter fallen. Also mochte er sie nicht. Ich biss mir auf die Lippe.
 

Okay, alle ist gut. Es sind nur Haare... Er liebt mich!.. Ja... genau... Oder...?...

Ich war plötzlich so durcheinander. Ich zitterte ein bisschen. Was machte ich mir eigentlich so einen Kopf? Hatte ich etwa wirklich Panik davor, dass mir Mimi meinen Koushiro wieder klauen könnte?

Ha! Das war ja völlig verrückt..
 

„Alles klar bei dir? Deine Hände zittern und sind ganz kalt..“, wollte er wissen und schaute mir direkt in die Augen.
 

„Doch.. doch... alles Klärchen...“ Ich grinste. Doch überzeugen konnte ich ihn scheinbar nicht.
 

Er kam näher und betrachtete meine Mimik genau.
 

„Ich bin vielleicht nicht der Hellste im Bezug auf Menschenkenntnis, aber das mit dir was nicht stimmt merk selbst ich!“ Er nickte eifrig und setzte einen eindringlichen Blick auf. Ich rutschte tiefer in den Stuhl.
 

„Erwischt!“ Siegessicher verschränkte er die Arme und grinste. Ich konnte nicht lachen. Ich fühlte mich jetzt schon furchtbar. Wie sollte ich ihm, dem Sensibelchen in Person, erklären, dass ich an seiner Liebe zweifelte.
 

Ich kratzte mich in verzwickten Lagen meistens am Hals. Als ich da wild herum fuchtelte wusste er Bescheid. Es lag wirklich etwas im argen.
 

„Spuck es aus!“ Noch war er guter Stimmung... Ich schniefte.
 

„Also...Ich habe mir so einiges durch den Kopf gehen lassen und...“ Ich schaute prüfend in seine Augen, die von einer Sekunde auf die nächste Angst versprühten. Ich glaubte er hatte er das Gefühl, dass ich es beenden wollte.
 

„Ich habe mich gefragt... ob du... ob du vielleicht doch noch an Mimi hängst...“ Ich schluckte, traute mich dieses Mal nicht ihn anzuschauen. Ich konnte mir sein Gesicht sowieso gut vorstellen.

Voller Bitterkeit.
 

„Wie kommst du darauf?“, fragte er kühl. Ich schaute zögern zu ihm rüber. Er starrte auf irgendeinen Punkt auf dem Boden. Wie kam ich darauf?
 

„Ich weiß nicht. Du scheinst mir manchmal so verträumt, und du beobachtest sie oft. Na ja...“
 

Er zog seine Augenbraue von Wort zu Wort immer weiter nach oben.
 

„So so... Und daraus schlussfolgerst du, dass ich die alte Schrulle liebe, und dich nur durch den Dreck ziehen will, weil ich das so unheimlich gut finde?“ Er war stocksauer.
 

Hätte ich mal die Klappe gehalten. Normalerweise ließ ich mir nichts gefallen, aber dieses Mal viel mir nichts ein. Innerlich wünschte ich mich auf einen anderen Planeten.
 

„Nein... Natürlich nicht aber...Ich hatte halt so ein Gefühl...“

Ich spielte mit meinen Haare rum und machte einen dicken Knoten rein. Izzy nahm meine zitternden Hände und drückte sie ganz fest.
 

„Ich finde es schade das du mir nicht glaubst... Aber du sollst wissen, dass ich dich liebe, und nicht Mimi... Ich kann sie wirklich nicht leiden. Und wenn dich mein Verhalten unsicher gemacht hat, tut´s mir noch mehr Leid...“ Er schaute mit seinem Dackelblick in meine Augen.
 

Ich biss mir wieder auf die Lippen. So sehr ich mir auch wünschte ihm zu glauben, es ging nicht. Immer wieder kam mir Mimis Gesicht ins Gedächtnis, mit ihrer innerlichen Botschaft.

„Ich schnapp ihn mir zurück!“ Ich umarmte ihn und krallte mich in sein T-Shirt. Meins, meins, meins, meins, meins, meins....
 

[Davis]
 

Draußen blies mir der eklige Frühlingswind ins Gesicht, und ließ mich meine Augen zu kneifen.

Scheiße!

Ich kickte einen Kieselstein vor mir her und traf ein kleines Balg, dass mit Lolli in der Hand sofort zur Mami rannte. Wen kümmerst...
 

Ich konnte zu niemanden rennen. Niemand war mehr auf meiner Seite.

Tais Worte hallten mir noch immer im Ohr. Ich war wirklich ein blöder Idiot. Wahrscheinlich dachte ich echt, ich wäre im recht. Wenn so dreizehn Leute gegen dich waren, dann fühlte man sich echt vom Leben verarscht.

Eigentlich wollten sie mich doch nur zurück. Den alten Davis, der keine Ahnung von nichts hatte, und trotzdem immer eine dicke Lippe riskierte.
 

Das Problem war, dass dieser Davis schon lange verschwunden war. Verdrängt, durch einen dickköpfigen und starrsinnigen Davis. Selbst meine Schwester beschimpfte mich schon als Großkotz und abartig. Am liebsten würde ich mich jetzt ins Koma saufen, dass würde ich von all dieser Demütigung hier nichts mehr mitbekommen. Ich seufzte und lehnte mich gegen einen Mülleimer.
 

Was sollte ich tun? Einfach reinspazieren konnte ich nicht, nicht nachdem man mich quasi rausgeworfen hatte. Auch wenn man mir gesagt hatte, ich solle wieder kommen wenn ich dazu bereit war, allerdings das in einem Ton, der schon alles sagte: Verzieh dich und komm ja nicht wieder!
 

Ich hatte sie endgültig vergrault. Glaubte ich zumindest.
 

Meine Jackentasche vibrierte. Mein Handy.

In stiller Hoffnung, dass es sich nicht um meine nervige Schwester Jun handelte, zog ich es raus und schaute betrübt auf den Display. Ken hatte mir eine SMS geschrieben.
 

Ich fuhr erschrocken zusammen. Kündigte er mir jetzt auch die Freundschaft?

Schnell öffnete ich die Nachricht und las:
 

„Bitte Davis, komm in alter Form zurück. Lass endlich die Faxen, wir sind schließlich keine sechs mehr. Ken“
 

Er brachte es nochmals auf den Punkt. Kinderkram.

Ich tippte zurück:
 

„Du hast ja recht, mit dem was du sagst. Ich traue mich nur.. nicht mehr rein..“
 

Das war Kinderkram. Ich war ein feiges Schwein.
 

„Dann muss ich dich wohl holen kommen..“, sagte eine Stimme hinter mir, und klappte hörbar ein Hand zu. Rasendschnell drehte ich mich um und sah plötzlich in die treuen, blauen Augen meines besten Freundes, der mir verständnisvoll ins Gesicht schaute.
 

„Komm du Verbrecher!“, meinte er und grinste.
 

„Alle warten auf den Tollpatsch, der du früher einmal warst. Ich weiß, dass er nicht weg ist, und ich weiß, dass er wieder vor mir steht. Nicht wahr?“
 

Ich hätte heulen können vor Freude, als er mich wieder so wie früher behandelte. Statt herum zu flennen, wie ein Mädchen, fiel ich ihm um den Hals. Okay, dass war zwar auch nicht unbedingt typisch Junge, aber das war mir in dem Moment egal.

Ken lachte.
 

Zum ersten Mal seit langem, spürte ich wieder wahre Freundschaft. Ein tolles Gefühl.
 

„Nun komm...“, murmelte er und zog mich am Arm, rein in die Halle zurück. Alles Gesichter waren im Nu wieder auf mich gerichtet. Ich schluckte.

Doch als ich sah, dass alle anfingen zu lächeln, fiel mir der Mount Everest vom Herzen.
 

Tai kam näher und klopfte mir auf die Schulter.
 

„Welcome back Honey..“, meinte er und zwinkerte.
 

„Ihr seid gar nicht mehr sauer?“, fragte ich verwundert und schaute in die Runde. Achselzucken und Schweigen.
 

„Da musst du Kari fragen, ob wir dich wieder mögen...“, entgegnete Takeru leicht unterkühlt.
 

Sofort suchte ich nach Blickkontakt. Sie stand leicht errötet hinter T.K. Klar, sie hasste es, wenn man sie so anstarrte. Sie lächelte schwach.
 

„Ich will nur das wieder Ruhe ist. Lass uns aufhören mit diesem Zoff.“ Sie kam zögernd auf mich zu und umarmte mich. Mein Herz sprang zwar im Dreieck, aber ich ließ mir nichts anmerken. Sonst würde die tolle Stimmung vielleicht wieder kippen.
 

„Es... es tut mir echt alles unheimlich Leid. Ich gebe zu, ich bin der größte Idiot auf dieser Erde...“
 

Alles lachte. Und auch ich versuchte mich wieder darin. Lange war es her, das wir alle zusammen gelacht hatten. Ich hatte sie allmählich wieder auf meiner Seite.
 

Kari huschte sofort zurück zu T.K. Ich spürte, dass die Beiden noch nicht ganz zu mir standen. Verständlich, nachdem Vorfall.
 

Sora jedenfalls war völlig aus dem Häuschen.
 

„So kann ich doch beruhigter davonfliegen!“, rief sie und grinste.
 

Das allerdings weckte in uns wieder den Abschiedsschmerz.
 

Sora schmollte.
 

„Och Leute.... Ich hab nicht mehr lange, jetzt lacht doch bitte wieder!!“, jammerte sie und schniefte gespielt.
 

Matt schnappte sie sofort und knuddelte sie durch. Wieder das Lachen. Das Lachen meiner Freunde.
 

[Cody]

Es fehlte nur noch, dass wir uns alle um den Hals fielen, und im Hintergrund irgendeine Menge klatschte. Welch rührende Sitcomszene, bei der sich alle am Ende sowieso wieder lieb hatte. Kotz.
 

Okay ich war schon froh, dass Davis wieder dem Teppich war, aber trotzdem fand ich dieses Szenario total peinlich. Wie aus einem Märchen: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute..“
 

Wallace neben mir hatte dennoch Tränen der Rührung in den Augen.
 

„Bramissimo! Wie im Theater...“, jubelte er und wischte sich über die nasse Wange. Ich begutachtete ihn fragend.
 

„Mach dir nichts drauß. Ich wollte schon immer mal zum Film! Als Schauspieler muss man doch so übertreiben!“
 

Er grinste breit und klopfte mir auf den Rücken. Da ich mich seit einigen Minuten irgendwie nicht sehr wohl fühlte, und generell zu den Standloseren gehörte, fiel ich auf den kalten, spiegelglatten Boden der Halle.
 

„Cody..?“
 

Unversehrt stand ich sofort wieder auf und setzte mich, als wäre nie etwas gewesen. Es hatte sogar niemand mitbekommen.
 

„...Ohne mit der Wimper zu zucken aufgestanden. Respekt.“, meinte er und schaute mich sorgenvoll an. Ich grinste.
 

„Tut mir echt Leid, Kumpel...Ich konnte ja nicht ahnen, dass du gleich vom Stuhl rutscht. Alles klar?“
 

Ich nickte.
 

„Ich mache zwar Judo, aber das heißt nicht, dass ich hart wie Beton bin. Außerdem....“

Ich stoppte und holte kurz Luft.
 

„Außerdem fühl ich mich im Moment nicht besonders......“, fügte ich hinzu und schaute zu Boden.
 

Wallace tatschte sofort an meine Stirn.
 

„Mensch, ganz schön warm, Schnuckel.“, stellte er fest und nickte fachmännisch. Er verkniff mir ein Grinsen.
 

„Was tut uns denn weh?“, wollte er schließlich wissen und beugte sich, ganz Arzt, zu mir rüber. Spinner. Aber ich musste lachen.
 

„Ich habe lediglich ein bisschen Kopf- und Gliederschmerzen... Herr Doktor..“
 

Wir kicherten wie blöde, zwischen durch musste ich allerdings heftig Luft holen, weil es mich sehr anstrengte. Konnte man plötzlich krank werden? Ich mein, vorhin ging es mir doch noch perfekt.
 

„Für den Fall, dass es nicht mehr auszuhalten ist: Wir haben ja noch unseren Saubermann von Medizinstudent. Der hilft bestimmt!“, schlug Wallace vor und grinste.
 

Ich runzelte die Stirn. Ob Joe so was schon gelernt hatte?
 

„Hey, der kann immerhin schon prima mit Spritzen umgehen! Hat er mir vorhin jedenfall verklickert.“ Ich riss erschrocken die Augen auf. Spritzen? SPRITZEN?
 

Ich schüttelte mich.
 

„Bloß nicht.....“, murmelte ich und schaute zu Joe rüber, der sich von Mimi berieseln ließ.

Ich mochte Joe wirklich, aber ich konnte ihn mir immer noch nicht in einem Arztkittel vorstellen.
 

Der würde doch sicherlich im Unterricht nur rumzappeln. Musste man für diesen Beruf nicht auch Blut sehen können? … Ich war etwas am Zweifeln.
 

„Soll ich ihn mal rüber pfeifen?“, fragte Wallace und grinste hinterhältig. Ich wollte ihn noch aufhalten, aber zu spät. Er war bereits aufgestanden und auf Joe zu getänzelt
 

Dieser schob verblüfft seine Brille hoch, nur zögernd kam er näher.
 

„Cody.. Mensch alles in Ordnung?“, wollte er wissen. Selbst Mimi war gekommen und setzte sich auf neben mich. Wallace stand grinsend hinter dem knienden Joe und verschränkte seine Arme vor der Brust. Dem würde ich das noch heimzahlen...
 

„Ja.. ja....“ Ich winkte ab. Joe runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf.
 

„Hältst du noch ein paar Minuten durch? Soras Flug geht bald, danach kann ich dich nach Hause fahren und sicherlich etwas tun. Hier am Flughafen fällt mir absolut nichts ein..“, schlug er vor und stand wieder auf. Mimi tätschelte meinen Kopf.
 

„Klar... Kein Pro...“ Durch einen Ruck wurde ich plötzlich nach unten gedrückt, und fand mich auf Mimis Schoß wieder. Alles guckte erschrocken, selbst Wallace zuckte zusammen.

Wahrscheinlich hätte der viel lieber mit mir getauscht.
 

„Äh...“
 

„Keine Sorge Joe! Ich pass auf den Kleinen auf. Du kannst dich solange bei mir ausruhen..“, sagte sie festentschlossen und lächelte zufrieden. Ich zuckte.
 

„.. Gu... Gut... Dann bis gleich....“, sagte Joe, räusperte sich, und sah zur Uhr.
 

Wallace spähte ebenfalls. Beide sahen alles andere als glücklich aus.
 

„Noch eine Viertelstunde..“, meinte Wallace. Womit auch diese peinliche Situation ruckzuck überspielt wurde. Mimi war ganz schön bequem, allerdings etwas knöchig.
 

„Was.... Nur noch so wenig Zeit?“, harkte Mimi nach, und fing an sich zu bewegen. Ich wurde ziemlich durchgerüttelt.
 

Noch eine Viertelstunde. Dann würde Sora fliegen. Ich schluckte.
 

[Ken]
 

Verdutzt blickte ich rüber zu Cody, der merkwürdigerweise halb auf Mimi lag. Was das nun wieder bedeutete... Hier überschlug sich wirklich ein Ereignis nachdem anderen. Ich seufzte.
 

Immerhin hatte ich endlich meinen besten Freund zurück. Was wollte ich mehr?
 

Plötzlich rannte Herr Takenouchi aufgeregt durch die Gegend.
 

„Sora, noch dreizehn Minuten! Hörst du!“, rief er und verschreckte alle. Auf einmal sah ich nur noch Codys Kopf durch die Luft schleudern und Mimi heulend aufspringen.
 

„Oh nein, Sora.... Soraaaaaaaa“ Sie krallte sich in Sora fest und erwürgte sie fast. Das große Jammern startete... jetzt!
 

Yolei und Kari rannten ebenfalls los und klammerten sich weinend an Sora, die mit zunehmender Belastung allmählich zu Boden sank. Noch war sie guter Dinge.
 

„Finger weg! Das ist meine Sora!“, zischte Matt und versuchte zusammen mit Tai und Joe, den Rotschopf aus der Misere zu befreien. Wie sehr sich Mädchen doch in jemanden verhaken konnten..
 

Schnelle eilte ich zur Hilfe, und packte mir Yolei, die sofort wieder nach Soras Arm griff.
 

„Ganz ruhig...“, murmelte ich und versuchte sie festzuhalten. Ich wusste gar nicht wie stark sie sein konnte. Ich hatte richtige Schwierigkeiten sie nicht frei zu lassen.
 

Die einzig Vernünftige war Sayachi. Aber die hatte ja auch noch nicht sonderlich viel mit Sora zu tun gehabt.
 

„Tut mir Leid.... Ich bin nur so nervös....“, quiekte Yolei und stapfte immer wieder mit den Füßen auf, so dass ich aufpassen musste, dass sie mich nicht sonst wo traf.
 

„Ach herrje.. Was habe ich denn nur angestellt...“, fragte sich Soras Vater und lächelte verlegen.
 

Allmählich legte sich alles wieder.

Kari wurde fest von T.K umklammert, ich hatte Yolei im griff und Mimi.... na ja... Tai und Joe versuchten sich daran, den zappelnden Käfer still zu kriegen. Tai schien eine zündende Idee zu haben, denn irgendwie nahm ich ein seltenes Leuchten über seinem Kopf wahr.
 

„Ich könnte jetzt was tun, aber dann guckt ihr alle geschockt...“, sagte er während er ihre Hände krampfhaft zusammenhielt. Wallace nahm Cody und stellte ihn neben mich.
 

„Halt mal kurz, ich helfe den mal aus...“, murmelte er mir zu und stürzte sich mit einem Freudenschrei auf den schlaksigen Körper. Okay, das dürft ihr euch jetzt nicht vorstellen wie ein Bauchklatscher im Schwimmbad...
 

Aber auch mit Wallace war nicht viel zu retten. Mimi war außerordentlich stark. Sora wollte sie gern beruhigen, durfte sich aber auch nicht rühren. Sie wurde von einem verliebten Musiker festgehalten, der sie unter keinem Umständen loslassen würde. Ihr wisst, wenn ich meine.
 

„Und was war nun dein Superplan?“, rief Wallace und versuchte sich mit Mimis Füßen, die Joe schon im Gesicht hatte, so wie er aussah.

Tai drehte Mimi mit einem Ruck um, und grinste.
 

„Danach biste´still Schätzchen...“, sagte er und lachte laut. Und da fiel es jedem wie Schuppen von den Augen. Tai wollte Mimi küssen.
 

„Du willst ein Mädchen küssen?“, wollte Matt noch verwundert wissen, weil selbst er das noch nie erlebt hatte, aber da war es schon passiert. Mimi verfiel in eine stocksteife Pose und Wallace konnte wieder aufstehen. Allerdings fiel er, nachdem er das beobachtete, sogleich wieder um.
 

Tai hatte merkwürdige Methoden um eine Sache zu klären... Ich schaute verwundert zu Yolei, die mich ebenfalls anschaute. Auch sie konnte nicht glauben, was sie sah.
 

„Ich trau Tai ja viel zu, aber dass er einfach jemanden küsst, hatte ich nicht erwartet...“, flüsterte sie mir, ich nickte. Beide schluckten wir.
 

Ich schaute einmal durch die Runde, der erstaunten Gesichter. T.K und Davis gafften beide dumm aus der Wäsche, während sich Kari irgendwie freute. Wahrscheinlich dachte sie, dass Tai so endlich an eine Freundin kam. Matt beugte sich immer weiter vor, weil er es nicht glauben konnte. Sora tat es ihm, mehr oder weniger gezwungen, gleich. Joe nahm sogar seine Brille ab um sie zu putzen, Cody neben mir rieb sich die Augen.
 

„Sag mir, dass das das Fieber ist....“, murmelte er, ich verstand zwar nichts aber kicherte trotzdem.
 

Izzy und Sayachi rissen beide die Augen weit auf. Izzy war sichtlich erschrocken, während sich Sayachi scheinbar sehr freute.
 

Und Mimi?
 

Tai löste sich wieder und stand auf. Zufrieden grinste er und machte ein Piecezeichen.
 

„Siehste, bist wieder ruhig..“, sagte er stolz und verschränkte die Arme vor der Brust. Matt klatschte vor Begeisterung. Tai sah ihn böse an.
 

„Ich bin stolz auf dich, du hast endlich mal ein Mädchen geküsst. Auch wenn es Mimi war...“ Er tätschelte seine Wuschelmähne wie ein kleines Kind. Tai sah sichtlich begeistert aus. Ironisch.
 

Mimi kam langsam wieder zu sich und richtete sich vorsichtig auf.
 

„Alles okay Mimi?“, fragte ich schnell und bekam ein schwaches Nicken als Antwort. Nachdenklich biss ich mir auf die Lippe. So wie ich Mimi in Erinnerung hatte, wäre sie jetzt ausgetickt und wäre Tai an die Gurgel gegangen. Aber nichts desgleichen geschah.

Sie lief auf eine Bank zu und setzte sich stumm.
 

„Man... Müsst ihr solche spannenden Sachen ausgerechnet dann starten, wenn ich mal wegfliege?“, zischte Sora beleidigt und schmollte. Matt kniff ihr in die Wange.
 

„Nur solange du hier bist. Wenn du weg bist, wirst eh langweilig...“, antwortete er und küsste ihren Hals. Ich schluckte und sah zur Uhr.
 

Erschrocken riss ich meine Augen auf.
 

„Was hat dich denn gebissen, Ken?“, wollte Davis wissen und schaute mich fragend an.
 

Sora schien zu wissen was ich meinte.
 

„Wie.. wie lange noch?“, fragte sie mich und sah zu Boden. Ich knetete meine Hände. Am liebsten hätte ich geschwiegen. Aber alle sahen mich erwartungsvoll an.
 

„... Fünf Minuten....“, sagte ich schließlich und senkte den Blick.
 

[Autorensicht]
 

Soras Blut gefror, als die hörte, dass sie in weniger als 600 Sekunden in den Flieger steigen musste. Matt vergrub stumm sein Gesicht in ihre Halsbeuge. Alle anderen setzten eine bedrückte Miene auf.
 

„Ich wünschte, dieser Moment würde niemals kommen...“, hauchte sie und schluckte den schweren Kloß in ihrem Hals hinunter.
 

„Sora?.. Schatz du musst langsam gehen..“, meinte ihre Mutter, die sich wie üblich angeschlichen hatte. Sie hielt eine kleine Reisetasche für Sora bereit und hatte Tränen in den Augen.
 

„Ach Mama...“, murmelte sie und fiel ihr um den Hals. Beide fingen an zu weinen.
 

„Ruf mich doch bitte sofort an, ja? Und erzähl mir, wie schön Paris ist...“, sagte sie und schluchzte.

Sora nickte eifrig und versuchte sich zu beruhigen. Ihr Vater hatte ihr Flugticket in der Hand.
 

„Ohne das hier... kommst du nicht weit...“, witzelte er und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie lächelte und nahm ihn auch in den Arm.
 

„Mach mir keine Schande, mein Mädchen.. Sei fleißig und lerne viel...“
 

Sora zitterte. Sie traute sich kaum in die Gesichter ihrer Freunde zu sehen, die ebenfalls voller Traurigkeit waren. Trotz alledem, sie musste sich auch von ihnen verabschieden. Es schmerzte ihr im Herzen sie alle zurück zu lassen.
 

Joe machte den Anfang.
 

„Komm, kein langes Ansehen, dass macht es nur noch schlimmer..“, murmelte er vor ihr und stoppte. Seine Stimme versagte und er musste sich beherrschen, nicht auch zu weinen. Sora lachte und wurde fest gedrückt.
 

„Ich hoffe ich bekomme auch mal eine Karte, oder einen Anruf!“ Sora nickte. Sprechen fiel auch ihr schwer.
 

Cody und Wallace kamen gleichzeitig. Cody hustete, es ging ihm sichtlich schlechter. Sora tätschelte seinen Kopf und zwinkerte.
 

„Passt gut auf euch auf ihr zwei!“, murmelte sie und umarmte sie beide. Sie lachten.
 

„Na klar. Kannst dich auf uns verlassen, Schönheit!“, entgegnete Wallace und grinste. Er war der Einzige, der sie nicht noch mit einer Trauermiene belastete.
 

Ihr Vater drängte sie sich zu beeilen. Auch wenn er hier sehr hart rüberkam, so fiel es ihm doch mit am schwersten, seine einzige Tochter ins ferne Europa reisen zu lassen. Er kümmerte sich um die trauernde Mutter, die sich noch immer an der Tasche klammerte.
 

Yolei und Ken kamen ebenfalls zu zweit. Yolei weinte fürchterlich und fiel ihr schluchzend um den Hals. Sora sah zu Ken.
 

„Was sie dir damit sagen möchte ist, dass wir dich beide ebenfalls schrecklich vermissen werden... Dennoch wünschen wir dir viel Spaß und vorallem Erfolg!“, übersetzte er Yoleis gesäusel und versuchte sie von Sora zu lösen.
 

Koushiro stand im Nu vor ihr und drückte sie fest. Sonst eher distanziert klammerte selbst er sich an seine langjährige gute Freundin. Sayachi stand daneben, und umarmte Sora über Izzy.

Alles drei fingen an zu lachen.
 

„Viel Spaß!“, sagten beide gleichzeitig. Mehr ging nicht denn Mimi drängelte sich zwischen die Beiden und knuddelte das rothaarige Mädchen ordentlich durch.
 

„Ich werd dich so schrecklich vermissen..“, wiederholte sie immer wieder und jammerte fürchterlich, eher sie von T.K und Kari abgelöst wurde.
 

Kari reichte ihr ein kleines Buch und ein Fotoalbum. Sora sah sie verwundert an.
 

„Von uns allen, an dich. Damit... Damit du uns nicht vergisst...“, sagte sie und verbarg ihre Tränen hinter ihren Händen. Sora nahm beide nochmals in den Arm, bis ihr Vater sie schließlich am T-Shirt zog.
 

„Du musst los..“, sagte er ruhig und setzte sie fürchterlich unter Druck. Sie konnte noch nicht gehen. Nicht, ohne den Beiden wichtigsten auf Wiedersehen zu sagen.
 

Taichi grinste breit, während Matt eher deprimierend aus der Wäsche guckte. Sora liefen heiße Tränen über die Wangen. Ihren besten Freund und festen Freund zurück zu lassen, zerriss ihr das Herz.
 

Tai nahm sie als erster fest in den Arm. Sie krallte sich in seine Jacke.
 

„Du rufst an du Nudel, verstanden! Und bring doch ab und zu mal eine heiße Französin mit, wenn du uns besuchen kommst... Klar?“, sagte er und lachte. Sie versuchte auch zu lachen, aber es blieb ihr im Halse stecken.
 

„Und nun nimm deinen Freund, küss ihn bis er nicht gerade gehen kann und flieg deinem Glück entgegen...“ Er löste sich von und lächelte sie sanft an. Sie nickte und wanderte zum letzten rüber.
 

Fest umschloss sie seine Hände und schaute ihm in die tief blauen Augen, die ihr irgendwie emotionslos entgegen schauten. Sie legte fragend den Kopf schief.
 

„Du fehlst mir jetzt schon...“, murmelte er kaum hörbar und legte seinen Kopf auf ihre Schulter.
 

Weil ihr Vater schon wieder meckerte, zog sie ihn mit Richtung Schalter.
 

„Den darfst du leider nicht mitnehmen!“, rief Taichi hinterher. Das wusste sie.
 

Sie blieb stehen und sah ihrem Freund nochmals in die Augen. Kuss um Kuss tat es ihr mehr weh, ihn hier zu lassen. Sie krallte sich in sein Hemd und schluchzte.
 

„Ich liebe dich..“, sagte er und drückte sie fest an sich. Das war mit Abstand der schwerste Teil ihrer Reise. Jemanden zurück zu lassen, den sie über alles liebte.
 

„Ich liebe dich noch tausendmal mehr...“, entgegnete sie und schluckte ihren Schmerz runter.
 

„Nein ich liebe dich viel viel mehr.. Hör bitte auf zu weinen... Ich ertrag das nicht....“
 

„Das könnte jetzt ewig so weitergehen....“, murmelte sie und löste sich von ihm.
 

„Ich... Ich muss gehen.... Ich ruf dich als aller Ersten an, wenn ich angekommen bin, okay?“
 

Er lächelte sie und gab ihr noch einen letzten, leidenschaftlichen Kuss. Der musste immerhin ein Vierteljahr halten. Erst dann hatte sie Semesterferien und konnte zu ihm zurück.
 

„Der Flug 234 nach Paris über Amerika fliegt in wenigen Minuten ab. Wir bitten die Passagiere sich an Bord des Fliegers einzufinden.“
 

Die Ansage ließ beide zusammen zucken. Sora nahm ihre Tasche und lächelte ihn an.
 

„Nun geh schon, eher ich es mir anders überlege und dich entführe...“, meinte er und küsste sie noch einmal. Sie lachte und wandte sich zum gehen. Noch einmal drehte sie sich um, winkte allen, ihren Eltern, ihren Freunden, ihrem Freund, ihrer Heimat.

Dann ging sie durch die Schleuse und verschwand im Gang.
 

Sie war gegangen. Auf in ein neues, anderes Leben, fernab von allem ihr Bekanntem.
 

Matt atmete schwerfällig aus.
 

„Ich liebe dieses Mädchen, sie ist echt eine Wucht...“, sagte Tai hinter ihm und klopfte ihm auf die Schulter. Er lächelte.
 

„Ja... Unsere Sora....“

Flug der Tränen

Und so machte ich mich auf den Weg in mein Flugzeug, dass mich, wie Tai meinte, meinem Glück näher bringen sollte. Hm..
 

Im Moment war ich alles andere als seiner Meinung. Ich war tief traurig, völlig weggetreten und plötzlich von einer unheimlichen Müdigkeit überrumpelt. Wenn mich nicht jemand angesprochen hätte, wäre ich wahrscheinlich umgefallen und eingeschlafen.
 

„Entschuldigen sie, geht es ihnen nicht gut?“, wollte eine Stewardess wissen und half mir ins Flugzeug. Benommen setzte ich mich auf meinen Platz.
 

„Nein... mir geht es gut... Nur ein bisschen Flugangst.. und Müdigkeit...“, antwortete ich und lächelte schläfrig. Sie kicherte und half mir mit einer Decke aus.
 

„Soll ich ihnen etwas bringen? Ein Wasser vielleicht?“, fragte sie freundlich und lächelte. Ich nickte stumm und lehnte mich zurück. In meiner Hand hatte ich noch immer das Geschenk, das mir Kari überreicht hatte. Ein Fotoalbum und noch ein kleineres Buch.
 

Mit halb geöffneten Augen schlug ich das Album auf und grinste. Es waren Bilder von unseren Ausflügen der letzten Sommer- und auch Winterferien gewesen.
 

Im Sommer waren wir fast täglich unten am Strand und haben alle anderen Badegäste verscheucht, weil wir uns vor lauter Lachen nicht mehr eingekriegt hatten. Blöde Spießer, hatte Tai immer gegrummelt und die sich beschwerenden Leute nachgeäfft.

Auf einem Bild war Mimi zu erkennen, damals noch mit Izzy zusammen, wie sie diesem Salat aus den Haaren pflückte, weil Tai Joe ein Bein gestellt hatte, und sich anschließend das Grünzeug über Koushiro ergossen hatte. Izzy war alles andere als begeistert gewesen. Seitdem machte sich außerdem eine leichte Abneigung gegenüber Salaten bei ihm bemerkbar. Ich kicherte.
 

„Na, schöne Fotos von den Lieben?“, fragte mich mein mittlerweile ebenfalls angekommener Sitznachbar und schielte in das Album. Ich nickte. Er lachte. Die nette Stewardess kehrte mit einer Flasche Wasser und einem Glas zurück.
 

„Bitte schön Maidame. Wenn ich noch etwas für sie tun kann, rufen sie einfach nach Marika!“, erklärte sie und dampfte fröhlich ab.
 

„Eh! Bekomme ich einen Kaffee, wertes Fräulein?“, rief mein Sitznachbar und brachte Marika ins taumeln. Sie kicherte verlegen und tänzelte zu ihrem Wagen, um den Mann seine heiße, braune Plärre zu bringen.
 

Währenddessen versank ich wieder in meinem Album. Die meisten Fotos hatte eindeutig Kari gemacht. Bei den Fotos, wo sie mit drauf war, war alles recht verwackelt. Wahrscheinlich war das dann Davis, oder noch schlimmer, Tai.
 

Die weiteren Fotos zeigten uns Mädchen wie wir versuchten gleichzeitig ein Rad zu schlagen, was in einem riesen Knoten aus Gliedmaßen endete. Ich erinnerte mich, dass sich Yolei sogar fast die Hand gebrochen hatte, weil sich Mimi und Kari beide draufgefallen waren.
 

Wieder kicherte ich. Mein Sitznachbar genoss gerade einen Schluck Kaffee, und sah mir wieder über die Schulter.
 

„Ah.. süße Mädchen am Strand..“, lüsterte er, woraufhin ich ihm am liebsten das Buch vor die Nase geknallt hätte. Widerling..
 

Ich rückte stattdessen ein wenig mehr zum Fenster und sah ihn grummelnd an. Er zuckte nur mit den Schultern und kramte, zum Glück, seine eigenen Sachen raus.
 

Marika lief wieder grinsend durch die Gegend und bat verschiedene Sachen an. Ich überlegte krampfhaft, ob ich gegen die Müdigkeit etwas mit Essen tun sollte, verwarf die Idee aber wieder, als ich sah, wie ein anderer Passagier gerade auf alles Leckere mit seinen Wurstfingern packte. Mir verging sofort der Appetit.
 

Ich wollte mir die restlichen Fotos für später aufsparen, und widmete mich nun dem anderen Buch. Es war schlicht rot, mit einem blauen, herzförmigen Aufkleber, auf dem „Vergiss uns nicht“ draufstand. Ich lächelte schwach.
 

Wenn ich das jetzt anfing, zu lesen, würde ich sicherlich weinen, aufspringen und wieder rausrennen. Trotz meiner Befürchtungen schlug ich es auf. Den ersten Eintrag hatte Kari gemacht, und viele Herzchen gemalt. Sie war leidenschaftliche Herzenmalerin.
 

„Ich weiß gar nicht so recht, was ich dir schreiben soll. Nun fliegst solange von mir fort, und ich hab nicht die passenden Worte für dich. Du kleine, Entschuldigung, große Ausreißerin. Ich habe ziemlichen Respekt vor diesen Schritt, den du machst. Ich wünschte dir von ganzem Herzen, dass du das schaffst, was du dir vorgenommen hast, in einer Welt, wo das Baguette und der Wein regiert. Aber nicht, dass du zu einer alkoholabhängigen Brotesserin wirst! Na ja, damit ich meinen Roman mal beende, wünsche ich dir einfach nur viel Glück und vor allem Spaß! Deine Kari!“
 

Danke. Ich lachte kurz laut auf, und verschreckte meinen Nachbarn.
 

„Na hola, schöne Frau, sie sind ja plötzlich so hellwach und voller Freude...“, stellte er fest und grinste verschwitzt. Meine Laune sank sofort. Er war.. irgendwie … eklig.

Ich schaute angeekelt zum Fenster und wünschte mir auf der Stelle Tai oder Matt her, die dem Typen ordentlich die Visage poliert hätten. Auch wenn ich strikt gegen Gewalt war...
 

Es gab noch zwölf weitere Einträge. Ich blätterte einige Seiten durch, und fand auch den von Matt. Aber den wollte, und konnte ich nicht lesen. Ich musste erst weit genug weg sein, damit ich meine Drohung, aufzustehen und wieder wegzurennen nicht wahrmachen konnte.
 

Stattdessen las ich Tais, was ja eigentlich fast genauso schlimm war, wie Matts.
 

„Meine liebste Lieblingsfreundin. Was soll man dir, einem Glückspilz, denn eigentlich noch wünschen? Hast einem Freund, hast die coolsten Freunde und gehst jetzt deinen Traum studieren, bei den heißen Französinnen. Und das alles bei Wein und länglichem Brot, was sich Baguette schimpft. Und das alles ohne mich! Das wäre doch perfekt für mich... Okay, dass ist dein Ding. Hauptsache du denkst ab und an auch mal an mich... Ach und bring mir ruhig mal was mit. Eine Französin, oder... Wein. Du kennst mich, ich bin da nicht so anspruchsvoll. Ich lieb dich Schnuckel, du machst das da drüben schon. Und wenn du doch Heimweh bekommst, du kennst meine Nummer. Tai“
 

Ich hätte lachen und gleichzeitig heulen können, so schön war das. Da hatte sich der charmante Taichi doch mal richtig ins Zeug gelegt. Ich war stolz auf ihn.

Schnell klappte ich das Buch zu, damit ich nicht doch alles las. Ich musste mir das schließlich gut einteilen. Für vier Jahre... Man, so eine lange Zeit...

Ob es das überhaupt wert war?

Klar, ich würde das studieren, was ich später bestimmt einmal beruflich machen werde, aber dafür eine halbe Ewigkeit von meinen Liebsten getrennt zu sein...
 

Wenn ich zurück kam war selbst Cody schon fast achtzehn, und wahrscheinlich hatte Yolei längst Ken geheiratet. Die konnte es nämlich gar nicht abwarten volljährig zu werden.

Tai würde sich hunderpro nicht ändern. Bestimmt würde er auch noch in vier Jahren untätig bei seinen Eltern wohnen und dabei zu sehen, wie sich der Sekundenzeiger immer wieder ein Stück seines Lebens nahm.

Ob Izzy auch im Ausland studieren würde? Ich glaubte er hatte mir davon mal erzählt, dass er die USA als sehr lukrativ empfand. Man klatschte ihn ja jetzt schon mit Einladungen für Stipendien zu. Der hatte garantiert keine Probleme was zu finden. Er sollte Tai mal was abgeben, der faule Sack.

Joe würde mit Sicherheit schon seinem Beruf nachgehen und sich gar nicht mehr blicken lassen.

Mimi würde bestimmt Talkshowmoderatorin geworden sein, sie redete doch so gern..

Und Matt?

Er wollte doch Musik studieren. Wenn ich wiederkam, war er damit sicher auch schon durch und wir könnten da weitermachen, wo wir heute aufgehört... Nein was dachte ich da nur?
 

Als wenn man nach vier Jahren einfach so weitermachen konnte wie vorher. Trotz das wir uns vielleicht drei- viermal im Jahr sehen konnten, würde es niemals so sein wie bisher.

Ob er mich dann überhaupt noch liebte?

Vielleicht trennten wir uns ja, und er suchte sich eine neue, eine, die bei ihm blieb, und nicht für ein Studium ins meilenweite Frankreich ging. Es war vieles möglich.
 

Ich rutschte deprimiert in meinen Sitz. Mir war plötzlich klirrend kalt, als wäre gerade der Winter über mich herein gebrochen. Die Müdigkeit wurde stärker.
 

„Haben sie nicht gut geschlafen, oder warum nicken sie mir hier alle fünf Minuten weg?“, wollte mein Nachbar wissen, der von Marika schließlich zur Ruhe gebeten wurde.
 

„Ich glaube dem werten Fräulein geht es nicht gut. Wir sollten sie etwas etwas schlafen lassen.“, erwiderte sie und lächelte mich charmant an.
 

„Aber wenn sie pennt, bekommt sie gar nicht ihren Vortrag für die Sicherheitsvorkehrung mit.“, grummelte er. Ich rückte genervt hoch.
 

„Das wird sie schon hören, nicht wahr?“, meinte sie ebenfalls angekratz, und überspielte alles mit ihrem Perlweißlächeln. Ich nickte und versuchte meine Augen aufzuhalten. Es war wirklich nicht zu glauben, dieser Mensch war jetzt schon mein Albtraum.
 

Schnell hopste Marika Richtung Eingang und nahm ihre Position ein. Und nun begann das große Ballett. Eindrucksvoll präsentierte sie uns Gästen, wo wir die Sauerstoffmasken und Schwimmwesten fanden, wie wir diese aufzublasen hatten. Mein werter Nachbar musste selbstverständlich jeden Satz genauestens überprüfen.
 

„Man muss ja heutzutage alles checken, was einem aufgedrängt wird, nicht wahr junge Dame? Wer weiß, wenn wir abstürzen, und dann geht das Ding hier gar nicht..“, flüsterte er mir zu und keuchte mir ins Ohr. Ich biss mir wütend auf die Lippe
 

Mir war in diesem Moment ehrlich gesagt völlig egal, ob wir abstürzen würden, oder heile ankamen. Ich wollte weg. Zu Matt...
 

Mich überkam wieder diese Angst, ihn zu verlieren, die Angst, seine Liebe an jemand anderen zu verlieren. Zitternd kuschelte ich mich in die Decke ein und döste. Marika laberte fröhlich weiter, während sich ihr Gesicht vor meinen Augen langsam verzog, und immer dunkler wurde, bis es schließlich ganz verschwunden war.
 

Ich weiß nicht so recht, warum mich diese Angst einschlafen ließ. Normalerweise knabberte ich mir in solchen Fällen die Lippe kaputt und wälzte mich hin und her. Gut, dass mit dem Wälzen ging nicht, aber ich müsste zumindest irgendwas köpfen... Ich verhielt mich äußerst merkwürdig.
 

In meinem Traum befand ich mich auf einer großen Wiese, voller bunter Blumen und Sträucher. Irgendwie trällerte sogar ein Vogel. Sie Sonne schien mir warm auf das Gesicht und ließ keine Wolken an ihren Himmel. Eine leichte Brise machte das Bild komplett. Ein richtig schöner Frühlingstag....

Eine Stimme rief immer wieder meinen Namen, und lockte mich zu einen Schatten, der in Mitten von Rosenbüschen stand. Wie benebelt folgte ich dem Klang. So tief, so leise, so beruhigend. Es hörte sich beinahe an wie... Matt... Matt!

Ich spürte das er es war, der dort stand, und mich rief. Mein Herz machte einen Sprung und ich beschleunigte meine Schritte. Immer und immer schneller...
 

„Fräulein? Hallohoo?“, rief plötzlich jemand und packte mich am Arm. Die Wiese, die Sonne, die Brise und der Vogel verschwanden samt Matt im Dunkeln und ließen mich alleine zurück.

Kreischend riss ich die Augen auf und sah geschockt in Marikas Gesicht, die halb über meinen Nachbarn geklettert war, um nach mir zu sehen.
 

„Sind sie sich sicher, dass sie nichts gegen Flugangst haben wollen, Miss?“, fragte sie mich und reichte mir eine Packung Taschentücher. Ich wandt erschrocken mein Gesicht ab und tupfte mit den Tüchern meine Augen trocken. Ich hatte wohl volle Kanne angefangen zu weinen, hatte wohl herumgebrüllt und alle anderen aufgewühlt.
 

Ich wurde knallrot und versuchte zu lächeln. Mein Nachbar schüttelte perplex den Kopf.
 

„Ich muss mich doch sehr über die Jugend wundern. Die sind doch sonst immer so abenteuerlustig und haben keine Angst mehr. Habe ich mich da etwa geirrt?“, wollte er wissen und sah mir in die aufgequollenden Augen. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich ihm gern den Kopf abgeschlagen.

Er war so ein mieses..... Nein. Ein bisschen meiner Würde bewahre ich mir...
 

„Schätzchen, ist das denn wirklich noch Flugangst?“, fragte eine ältere Dame über ihren Sitz hinweg und tätschelte meine Wange. Spätestens jetzt, hatte ich die ganze Aufmerksamkeit der Insassen des Fliegers. Ich versuchte zu atmen und nachzudenken, aber beides ging gerade nicht gleichzeitig.
 

Marika sah scheinbar meine Verzweiflung und zog mich vorsichtig von meinem Platz.
 

„Achtung! Mein Kaffee!!“, beschwerte sich mein Nachbar und grummelte.
 

„Das Fräulein kommt jetzt mal kurz mit mir, bitte machen sie sich keine Gedanken mehr. Wir werden in wenigen Minuten starten, schalten sie ihre Telefone bitte ab und... na ja den ganzen Rest habe ich ja schon erzählt!“, sagte sie und lächelte.
 

Sollte man sich nicht kurz vor dem Start anschnallen? Ich sah sie verkrampft an, doch sie zog mich unbeirrt zu ihrem kleinen Wagen, neben dem sich auch ihr Sitz befand.
 

„So. Da setzt du dich jetzt hin.“, meinte sie und warf mich auf den Platz wie eine Puppe. Sie platzierte sich rasch neben mich und schnallte uns beide an. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen.
 

„Dein Name ist..?“
 

„S.. Sora...“
 

„Ah...“
 

Sie kramte in ihren Taschen herum, während der Flieger zum Abflug ansetzte. Ich beobachtete sie verdutzt. Was sollte das werden? Mir ging es pri... prima....
 

„Ah! Ich hab sie...“, rief sie singend und reichte mir eine Packung mit Tabletten herüber. Grinsend nickte sie.
 

„Für deine Flugangst.“ Sie lächelte. Schockiert schaute ich sie weiter an. Dann lachte sie und nahm die Packung wieder an sich.
 

„War nur Spaß. Ich weiß das dir was anderes fehlt.... Vorzeitiges Heimweh, nicht wahr?“
 

Ich nickte einfach mal. Es steckte viel mehr dahinter, als nur läppisches Heimweh. Ich war keine zwei Minuten im Flieger, und schon kreischte ich nach meinem geliebten Blondschopf. Wie sollte ich das nur vier Jahre aushalten?
 

Während mich Marika volllaberte, dass ich doch nicht so traurig sein sollte, und abwarten sollte, wie schön es dort währe, wo ich hinflog, und dass ich all meinem Kummer sicherlich ganz schnell vergessen würde, wenn ich erstmal da wäre, oder so ähnlich...
 

Das mag ja alles sein, ich mein, Frankreich ist wirklich ein Land mit klasse, aber ich stellte mir nun immer wieder die Frage, ob ich das ernsthaft wollte.

Natürlich wollte ich studieren.

Und natürlich war ich mir darüber im Klaren, dass ich weit weg sein würde, wenn ich das Studium in Frankreich annehmen wollte. Ich wusste das, und hatte es auf mich genommen.
 

Nun hatte ich jetzt schon, wo die Maschine gerade erst startete, solchen Herzschmerz und Panikattacken.
 

Ich versuchte tief durchzuatmen, und Marikas furchtbares Gequatsche zu ignorieren, mich voll und ganz auf das Kommende zu konzentrieren und mich darauf einzulassen. Das würde schon werden.
 

„Einen Keks?“, wollte Marika wissen und grinste mich wieder an. Ich lehnte dankend ab.

Ich musste zunächst einmal alles aus meinem Kopf bekommen. Und vorallem Matt.

Aua.
 

„Sag mal, hast du einen Freund? So ein hübschen Mädchen wie du, hat doch sicher einen Freund.. nicht wahr?“, fragte sie und piekte mir in die Seite. Ich schluckte schwer.
 

Ich nickte und dachte schnell an ein paar Blumen.... Ich durfte nicht wieder an ihn denken, sonst würde ich wieder durchdrehen.

Marika rückte näher.
 

„Uiiii! Und wie heißt er?“
 

Ich kaute auf meiner Lippe. Noch mehr Fragen, und ich sprang aus dem Flieger, um wieder bei ihm sein zu können. Mein linkes Auge zuckte, während es bereits mit der Tür liebäugelte.
 

„Matt....“, murmelte ich und versuchte mich abermals ruhig zu verhalten. Marika kicherte.
 

„Woah, was für ein Name. Ist das eine Abkürzung? Was macht der denn so? Oh nein, lass mich raten: Er ist Sänger, in so einer total abgefahrenen Schülerband! So was gabs bei uns früher auch! Ich stand total auf den Gitarristen... Heute hör ich nur ab und zu mal unseren Piloten singen, wenn er wieder der Meinung ist, er ist alleine.. Hihi..“
 

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und senkte immer weiter den Kopf. Irgendwann musste sie doch mal merken, dass ich das alles nicht hören wollte. Es interessierte mich nicht. Ich wollte nichts wissen, nur meine Ruhe.
 

„Sora? Sag mal ist dir schlecht?..“ Sie nervte. Sie nervte. Sie nervte. Und sie erinnerte mich immer wieder an ihn. Immer und immer wieder, ohne dass sie es wirklich wissen konnte.
 

Eine Träne kullerte über meine Wange. Marika legte den Arm um mich und rückte mich näher an sie heran.
 

„Hey... Alles wird gut... Tut mir Leid. Jetzt versteh ich, was Sache ist... Du vermisst deinen Matt....“, stellte sie schließlich fest und wog mich in ihren Armen. Ich weinte leise.
 

Matt. Du fehlst mir jetzt schon so sehr...Ich bin eine alte Heulsuse...

Ein Hin und Her

Nachdem unser kleines Gespräch von Sora Abschied unterbrochen worden war, hatte Sayachi kein weiteres Wort gesprochen.Sie hatte mich zwar umarmt, aber nichts gesagt. Das sollte jetzt kein Vorwurf an Sora sein!
 

Stumm waren wir beide nachhause gefahren. Der Zug raste auf den Schienen, und schauckelte seine Insassen mächtig durch. Immer wieder prallten unsere Schultern aneinander. Ein flüchtiger Blick, und wir wendeten uns wieder ab.

Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte ihr versucht klarzumachen, dass mir nichts mehr an Mimi lag, hatte sogar gesagt, dass ich sie liebe. Trotzdem sprach sie nicht.
 

Seufzend lehnte ich mich in meinen Sitz zurück. Warum ging eigentlich alles, was gerade so schön begonnen hatte in so kurzer Zeit den Bach runter? Lag das an mir? Hatte ich kein Glück verdient?
 

„Nächster Halt: Stadtmitte. Ausstieg rechts.“
 

Um uns herum saßen gefühlte dreitausend Pärchen, die sich mit merkwürdigen Kosenamen bewarfen und versuchten ihre Gesichter in den Hals des anderen zu drücken. Mir wurde schon beim hinsehen flau im Magen.
 

Saya und ich saßen zwar niemals so nebeneinander, aber unterhielten uns zumindest. Einmal hatte ich ihr dabei aus Versehen mal die Hand so durchgeknetet, dass sie vor Schmerzen aufschrie. Zu mehr waren wir beide in der Öffentlichkeit auch nicht bereit. Ich war generelle ein eher distanzierter Mensch, und auch Sayachi mochte es überhaupt nicht, wenn man an ihr klebte.

Aber diese Situation war sogar für mich, einem total schüchternem Menschen, nicht tragbar.
 

Wie gern hätte ich wenigstens einmal ihr Lächeln gesehen, nur um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist, dass ich mir keine Sorgen machen musste, das irgendwas nicht stimmen sollte....
 

Aber sie wand ja eiskalt ihren Blick von mir ab.
 

Der Zug fuhr in die Stadtion ein und kam zum stehen. Viele Pärchen standen lächelnd auf und verließen den Wagon.
 

„Izzy?“ Schnell drehte ich mich zu Sayachi. Sie hatte mich doch tatsächlich angesprochen. Ich sah sie durchdringend an. Rede mit mir, dachte ich und knetete meine Hände.
 

„J- Ja?“ Sie wies auf die noch offene Tür und sah mich nervös an.
 

„Du... Du musst doch raus, oder nicht?“, fragte sie und schaute wieder auf den Boden.
 

Ich schluckte. Stadtmitte?... Scheiße, stimmte!
 

Ich stürzte stolpernd aus der sich in wenigen Sekunden schließende Tür und fiel auf den kalten, schmutzigen Boden der Haltestelle.
 

„Bitte treten sie zurück. Der Zug fährt ab“
 

Ich schnellte auf die Beine und drehte mich hastig um. Sayachi saß noch immer regungslos auf ihren Platz und sah mich mit einem glasigen Blick an.
 

„Sayachi...“, murmelte ich und sah dem abfahrenden Zug hinterher. Mein Geist leerte sich, mein Körper stand noch eine ganze Weile an der selben Stelle. Warum waren denn jetzt schon ein so verkorkstes Paar? Warum konnten wir nicht, wie ganz normale Menschen, miteinander reden?
 

„Wir sind nicht normal. Wir sind, wie die anderen es immer so schön ausdrücken, Freaks“
 

Das hatte Sayachi mal gesagt, als wir mal wieder draußen in der Sonne saßen, und einfach nichts taten, außer reden. Ja, reden konnten wir beide echt gut. Doch anscheinend war uns diese Fähigkeit binnen Sekunden entwischt.
 

Bestimmt war es einem Freak wie mir einfach nicht vergönnt glücklich zu sein. Es sollte nicht sein.
 

Als ich wieder zu mir kam wandte ich mich zum gehen. Es herrschte ein wildes Gedrängel auf den Gängen zum Zug. Haufenweise Geschäftleute, die sich auf den Weg zur Arbeit, oder zu Terminen machten. Ich ließ mich hin und her schubsen, ich war wie gelähmt.

Ich war einfach viel zu sensibel, war viel zu verletzlich. Wahrscheinlich war ich auch viel zu naiv gewesen. Wie konnte ich auch glauben, dass mal was in meinem verdammten Leben klappte?

Ich rannte sowieso von einer in die nächste Scheiße.
 

„Platz da!“
 

„Aus dem Weg Kurzer!“
 

Seufzend ließ ich mich auf den Ausgang hin tragen. Ich hasste solche Momente. Ich war zu wenig Mann, um mich umzudrehen, zu ihr fahren und die Sache zu klären. Ich vergrub mich viel lieber in meinem Zimmer, setzte mich an meinem PC und wartete bis Gras über die Sache gewachsen war.

Und ich wusste, genau das, würde ich jetzt auch machen.
 

Aber hey, dieses Mal war ich doch eigentlich nicht der Schuldige oder? Ich meine sie hatte mich ja gefragt, ob ich noch an Mimi interessiert war. Schade, selbst diese Feststellung half mir nicht, mich besser zu fühlen.
 

„Izzy!!!“ Meine Ohren vernahmen meinen Namen. Meine Füße gingen weiter. Ich hießen bestimmt noch andere Leute Izzy.... Okay, eher nicht.
 

„Warte! I-Izzy!“ Sayachi... Sie war deutlich kleiner als ich. Ob man sie vielleicht nicht sogar niedertrampelte...
 

Oh mein Gott, Sayachi! Ich drehte mich rasendschnell um und rettete sie gerade noch vor dem Umfallen. Ich packte sie am Arm und zog sie aus der Menge zu mir.
 

„A-Alles Okay?“, fragte ich und begutachtete sie von allen Seiten. Sie nickte
 

„Schon gut. Das hat man nun davon wenn man nur 1, 55 m groß ist...“, lachte sie und schob sich mit mir aus dem Gebäude, raus aus dem Gewühl aufgebrachter Menschen.
 

„Warum bist du denn zurück gekommen?“ murmelte ich als wir draußen angekommen waren und löste mich von ihr. Betretendes Schweigen war eingetreten.
 

„Ich möchte nicht, dass wir so anfangen. Ich wollte mich entschuldigen, dass ich dich gefragt habe, ob du noch was von Mimi willst. Das war dumm. Schließlich sind wir jetzt zusammen. Und – na ja...“
 

Ich drehte mich zu ihr um, und sah wie sie sich um Kopf und Kragen redete. Irgendwie ganz angenehm, mal jemand anderen schwitzen zu sehen. Sonst war ich ja immer derjenige, der mit den Worten rang.

Sie strich sie eine Haarsträhne zurück und faltete ihre Hände.
 

„Koushiro... Ich bin eine riesen Idiotin, und ich hab dich viel zu gern, um dich wieder gehen zu lassen. Vergiss einfach alles, was ich gesagt habe.“
 

Sie hampelte nervös herum und schlug einige Leute halb nieder. In Stresssituationen neigte Sayachi immer dazu den Kopf zu verlieren. Immerhin war sie Frau genug, um sich der Sache zu stellen.

Im Gegensatz zu mir. Ich stand vor ihr wie ein feiges Huhn.
 

Entschlossen, etwas dagegen zu tun, packte ihre in die Höhe geschossene Hand und zog sie in meine Arme. So hielt ich sie für bestimmt fünf Minuten.
 

„Das ist gut oder?“, fragte sie verwirrt und tätschelte meine Schulter.
 

„Frag mich das nie wieder klar!?“, forderte ich und schaute ihr ins halb wütend ins Gesicht. Sie nickte überrascht.
 

„Du kannst ja voll den Herren raushängen lassen... Ich bin beeindruckt..“, meinte sie und klimperte mich angeregt an. Sofort verlor ich meinen Mut wieder und stand stammelnd vor ihr. Sie lachte mich prompt aus.
 

Es war zwar schön, sie wieder fröhlich zu sehen, aber es schien mir, als hätte sie das ganze nicht wirklich ernst genommen. War das immer so? Man entschuldigte sich und dann war alles wieder schön?
 

In meinem Magen breitete sich ein merkwürdiges Gefühl aus. Ich fühlte mich fast schon verarscht.

Sie lächelte einfach weiter. Als wäre nie etwas gewesen.
 

„Für dich scheint jetzt wieder die Sonne, was?“, fragte ich trocken und schaute ihr in die blauen Augen. Fragend legte sie den Kopf zur Seite und erwiderte meinen Blick.
 

„W-Was meinst du?“
 

„Na ich mein, du lachst ja wieder. Ich hab dir verziehen. Alles wieder gut, stimmst?“ Ich kniff die Augen zusammen. Sayachi hob eine Augenbraue.
 

„Was soll das denn?“, fragte sie und verschränkte die Arme. Ich war vielleicht kein Mensch von großen Reden, aber dennoch fand ich die Situation alles andere als geklärt. Ich konnte nach solch Sache nicht einfach weitermachen. Sie hatte mich gefragt, ob ich noch auf meine Ex stand! Das ging bei mir momentan gar nicht. Und es wegblasen ging auch nicht.
 

Entweder sie hatte das nur gefragt, um mich zu testen, und es interessierte sie wirklich nicht, oder sie beschäftigte das wirklich und sie verbarg es einfach super gut hinter einem strahlenden Lächeln.

Ich war sauer und verwirrt, wenn das überhaupt gleichzeitig ging.
 

„Könntest du mir vielleicht mal erklären, was das ganze sollte? Weshalb fragst du mich den Schrott? Und warum nimmst du das jetzt alles so locker?“, zischte ich und wich einen Schritt zurück.

Sie sah mich weiter an und und seufzte.
 

„Das hatte ich dir bereits erklärt. Weil du dich so komisch verhalten hast, und ich manchmal das Gefühl hatte, du denkst noch an sie. Und was denkst du denn, soll ich jetzt machen? Mich sorgenvoll vor dich stellen und dich dreimal fragen ob du mir verzeihst? Macht für mich, irgendwie, keinen Sinn.“, sagte sie schnippisch und stemmte ihre Hände in die Hüften.
 

„Du sollst es nicht immer für so selbstverständlich halten, dass man dir verzeiht. Außerdem muss ja schon irgendwas dahinter stecken, wenn du mich fragst!“, maulte ich zurück und sah sie böse an.
 

Sie wich erschrocken zurück. Ich hatte sie anscheinend enttarnt.
 

„Ich halte es absolut nicht für selbstverständlich, dass du meine Entschuldigung angenommen hast, zumal ich dir eine ziemlich gemeine Frage gestellt habe. Und natürlich hatte ich einen Hintergedanken. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich doch meine Klappe gehalten oder nicht?“
 

Sie brüllte schon beinahe und die Passanten um uns herum starrten uns nieder. Mir war es in dem Moment egal.
 

„Doch das tust du! Du hast noch nicht mal etwas gesagt, als ich dir quasi verziehen habe. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit Danke?! Selbst Mimi konnte das!“, rief ich zurück und stockte.
 

Hatte ich gerade ernsthaft Mimis Namen benutzt? Nein, das.. das hatte ich mir nur eingebildet oder?
 

Sayachi sah mich erschrocken an und ließ die Kinnlage runterklappen. Ich klatschte mir auf den Mund und wich weitere Schritte zurück. Das war nicht wahr..
 

Ich hatte Mimi mit Sayachi bei einer ganz banalen Sache verglichen. Ich fühlte mich wie der schrecklichste Mensch auf der Welt. Vorsichtig lugte ich zu ihr herüber.

In Sayas Augen hatten sich Tränen gebildet und sie zitterte.
 

„So.. Mimi konnte das also auch, ja..? Na dann entschuldige. Tut mir Leid, dass ich nicht wie Mimi bin. Das ich nicht so groß bin wie Mimi, dass ich nicht solche großen Brüste habe wie Mimi, dass ich mich so schäbig benehme wie Mimi, dass ich mich nicht so schön bedanke wie Mimi. Tut mir Leid. Aber eines tut mir am meisten Leid. Das ich meine Zeit damit verschwendet habe, daran zu glauben, du würdest mich wirklich lieben.“
 

Sie hob den Kopf, holte tief Luft und schluckte sie herunter. Ihr liefen die Tränen über die Wangen. Ich stand stocksteif da, und begriff noch immer nicht, dass ich das dümmste in meinem ganzen Leben gemacht hatte. Ich hatte meine Freundin, mit meiner Ex verglichen. Das war die Todesstrafe.
 

Würdevoll, wie Sayachi war, drehte sie sich erhobenen Hauptes um und schlich Richtung Bahn zurück. Ich riss den Arm hoch um sie aufzuhalten, wollte sie zurückrufen, aber aus meinem Mund kam kein Wort heraus.

Selbst wenn etwas heraus gekommen wäre, wäre sie dann überhaupt stehen geblieben?
 

Mir wurde schlecht und ich ließ den Arm wieder sinken. Ich hatte verloren. Ich hatte ihr das Herz gebrochen, ohne es zu wollen. Dabei wollte ich einmal hören, dass sie sich freute, dass ich ihr verzieh, dass sie sich freute, dass ihre Frage unbegründet war.
 

Aber nun stand das Gegenteil im Raum. Wahrscheinlich hatte sie sich deswegen nicht anders benommen, weil sie mir mein „Nein“ nicht geglaubt hatte. Weil sie tief in ihrem Herzen wusste, dass ich eventuell wirklich noch nicht mit Mimi abgeschlossen hatte. Vielleicht hatte sie sogar recht. Wir hatten hier quasi eine Bestätigung. Ich hatte sie als besser dargestellt. Besser als meine Sayachi.
 

War das ein Zeichen? Ich soll wohl wirklich nicht glücklich sein, dachte ich und ließ mich auf eine kleine Mauer hinter mir, um kurz einen klaren Gedanken fassen zu können. Die Umgebung spiegelte meine Laune exakt wieder.
 

Umgekippte Mülleimer, besprühter Eingangsbereich, selbst die Pflanzen blieben nicht verschohnt, und waren von rebellischen Jugendlichen sorgfältig zerstört. Überall lag Erde und zerrissene Zeitung herum. Ein komplettes Chaos. Genauso wie mein Leben es nun wieder war.
 

Sayachi war mittlerweile in der Menschenmenge verschwunden. Ob ich sie jemals wieder sprechen, küssen oder umarmen konnte, stand in den Sternen, die ich nicht lesen konnte.
 

Seufzend ließ ich mein Gesicht in meine Hände fallen. Ich war am Boden, fertig. Ich hatte alles noch kaputter gemacht, als es sowieso schon war. Sie würde mich bestimmt hassen.
 

Indirekt hatte Mimi ihr Ziel erreicht, ohne wirklich etwas dafür getan zu haben. Sayachi und ich waren nicht mehr zusammen. Genau das hatte sie uns geschworen.
 

„Ich werde dafür sorgen das ihr nicht glücklich werdet. Ich werde euch auseinander bringen, dass schwöre ich euch!“
 

Wieder hallten mir ihre Worte im Ohr. Ich biss mir auf die Lippe und überlegte mir meine Vorgehensweise. Eins stand fest: Ich wollte Sayachi zurück!
 

Zunächst sollte ich sie allerdings in Ruhe lassen, dachte ich und stand langsam auf. Wenn sie etwas für sich war, ließ sie sich sicher noch mal auf ein Gespräch ein. Ja. Dann würde ich sie anrufen, und alles mit ihr besprechen!
 

Ja. Das würde werden. Sie liebte mich, ich liebte sie. Wir mussten einfach wieder zusammen kommen!

Die Sache mit dem Führerschein

Sora war weg. Und damit auch unsere Hoffnungen, dass Matt jemals wieder sprechen würde.
 

Joe fuhr uns glücklicherweise auch wieder nach Hause. Da Matt nicht mehr ganz zurechnungsfähig war, nahm er ihn gleich mit. Zusammen mit T.K war seine Entenschaukel auch schon voll.
 

Ich platzierte mich hinten in der Mitte, zu meiner linken T.K, zu meiner rechten Matt. Mein Bruder hatte sich, zum Leidwesen von Joe, nach vorne gesetzt und kommentierte nun jeden kleinen Wutanfall unseres Chauffeurs. Man sah meinem Bruder deutlich an, dass er sich einen riesen Lachanfall verkneifen musste, als Joe abermals vor sich hin schimpfte.
 

Ich konnte zwar kein Auto fahren, und hatte dafür ja schließlich auch noch Zeit, aber selbst mir fiel auf, dass Joe das Lenkrad ab und an nicht ganz im Griff hatte. Selbst Tai könnte das besser, und der hatte fast noch weniger Ahnung als ich.
 

„Pass auf deinen Blutdruck auf, Joelein, bei deinen ganzen Ausrastern kann das ganz schnell, böse enden.“, witzelte Taichi und lenkte Joe abermals ab. Warum er nicht einfach auf die Straße schauen konnte und ihn ignorierte, war mir schleierhaft.

Es gab einfach Momente, in denen Tai unsichtbar gemacht werden musste.
 

Wie zum Beispiel in den Momenten, wenn ich telefonierte. Mein Brüderchen besaß die Gabe, genau dann hereinplatzen wenn ich mit Yolei über Jungs aus unseren Jahrgängen schwärmten. Dann setzte er sich meist breit grinsend auf mein Bett und lauschte.

Auch wenn ich versuchte das Zimmer zu verlassen und ins Wohnzimmer gehe, folgte er mir.
 

„Ach komm Kari. Ich will mehr über Kiyoshi wissen! Er ist ja, wie du sagtest „sooo süüüüüß“.“
 

In diesem Momenten könnte ich ihm echt den Hals umdrehen!
 

„Tai! Bitte lass mich einfach fahren, okay? Ich habe keine Lust auf deine Kommentare!“, entgegnete Joe und trommelte nervös auf dein Lenkrad herum.
 

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Joe nicht sehr gerne Auto fuhr. Er fing an zu schwitzen und seufzte fast schon erleichtert als wir an einer roten Ampel hielten. Tai und ich wechselten einen verwirrten Blick.
 

„Sollen wir vielleicht lieber aussteigen und mit dem Zug fahren, Joe? Dann kannst du ganz ungestört fahren!“, schlug ich vor und lächelte. Er wedelte genervt mit der Hand vor meiner Nase herum und trat auf das Gas. Das hieß wahrscheinlich soviel wie „Ruhe auf den billigen Plätzen!“.
 

Schmollend ließ ich mich in meinen Sitz zurückfallen und verschränkte die Arme vor der Brust.

Da will man diesem ach so gestressten Studenten von seinen nervigen Insassen befreien und wird eiskalt abgewürgt.

Schnaufend ließ ich meinen Blick durch das sorgfältig gesaugte und akkurate Auto schweifen. Dabei entdeckte ich doch tatsächlich am Rückspiegel einen dieser total spießigen Duftbäumchen. Ein leichtes Grinsen lief mir über das Gesicht.
 

Als ich mich zum Fenster wandte verschwand es allerdings sofort. Matt saß, seine Stirn an der Scheibe klebend, wie ein Sack Kartoffeln in dem Sitz. Mitleidig schaute ich in an. Er tat mir Leid. Von allen Leuten die Sora verabschiedet hatten, und nun mit ihrer Trauer umgehen mussten, hatte es ihn am schwersten getroffen.

Seitdem wir den Flughafen verlassen hatten, sprach er nicht mehr, und hatte diesen leeren Blick.

Er war völlig am Boden.

Ich fragte mich ernsthaft, ob er es durchhielt. Ob er es wirklich schaffen würde ohne Sora vier Jahre hier in Japan zu überleben. Er gab ja jetzt schon keinerlei Lebenszeichen mehr von sich.

Sorgenvoll beobachtete ich, ob er noch atmete. Klar tat er das noch, aber ich war manchmal nicht so sicher.
 

„Lass ihn am besten ein wenig in Ruhe..“, flüsterte T.K und seufzte.
 

„Er muss erstmal realisieren... na ja, du weißt schon.“
 

Ich nickte besorgt und sah runter auf meine Schuhe. Mir fehlte Sora ebenfalls unheimlich.

Stöhnend bemerkte ich, dass ich die ganze Fahrt über schon auf einem Buch stand. Deswegen waren meine Knie also viel höher, als die von den beiden Jungs neben mir gewesen.

Joe war also doch nicht ganz so ordentlich.
 

Kichernd hob ich das etwas dickere Buch auf und blickte leicht verwirrt auf den Titel.
 

„Ein guter Autofahrer- Tipps, damit auch sie ihre Prüfung bestehen.“
 

Fragend tippte ich T.K an, der anschließend genauso aus der Wäsche guckte.
 

„Wahrscheinlich hat er damit geübt und es hier dann vergessen..“, versuchte er es sich zu erklären und zuckte mit den Schultern. Mich beschäftigte es allerdings noch etwas mehr.
 

Ich erinnerte mich daran, dieses Buch schon einmal gesehen zu haben. Als ich das letzte Mal bei einer Schulfreundin war lag es auf dem Küchentisch, und sie hatte mir daraufhin erzählt, dass ihre große Schwester damit für ihre Fahrprüfung büffelte.
 

Irgendwie machte sich in meinem Magen ein ganz dumpfes Gefühl breit.

Hatte Joe seinen Führerschein überhaupt schon?
 

Wenn nicht, würde es als das herum kurven, und die vielen Wutanfälle erklären. Sogar seine Nervosität wäre aufgeklärt. Das Einzige, was er konnte, war einparken.
 

Ich schluckte. Nein, Joe würde doch niemals ohne Fahrerlaubnis fahren. Dafür war er viel zu klug.
 

Gelangweilig drehte sich mein Bruder zu mir um und zeigte fragend auf das Buch in meiner Hand. Angstvoll reichte ich es ihm und wartete gespannt auf seine Reaktion.
 

„Ein guter Autofahrer- Tipps, damit auch sie ihre Prüfung bestehen.“, las er laut vor und wir machten einen eleganten Linkschwenker.
 

Tai krallte sich am Sitz fest, während wir auf der hinteren Reihe einmal komplett nach rechts flogen.
 

„Bleib locker, man!“, zischte Tai und sah zu uns herüber. Ich gab ihm mit den Fingern ein Zeichen, dass alles okay war.
 

„T-Tut mir wirklich Leid...“, stammelte er und schluckte.
 

Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass ich recht behalten würde.
 

„Warum fährst du denn wie ein Irrer?“, wollte T.K wissen und richtete seinen Gurt. Auch ich rapelte mich wieder auf und wartete gebannt auf seine Antwort.
 

„Ich sagte doch, es tut mir Leid!“
 

Tai wies auf das Buch.
 

„Hast du mithilfe dieses Buches deine Prüfung bestanden?“, fragte Tai. Ein Rechtsschwenker.
 

Dieses Mal knallte ich gegen T.K. und Matt gegen mich. Mein lieber Freund gab ein gequältes „Au“ von sich, und versuchte verzweifelt seinen rechten Arm zu befreien.
 

„Wenn du das nochmal machst, reiß ich dir die Nase ab!“, zischte Tai und schlug ihm das Buch auf den Kopf.
 

Langsam versuchte ich den leblosen Körper von Matt nach oben zu hieven. Ich war der festen Überzeugung, dass er eingeschlafen war. Aber wie konnte man dabei nur schlafen?!
 

„Ja Ja... Lasst mich einfach...“, grummelte er und bog in eine Seitenstraße ein. Ich sah besorgt von T.K zu Tai. Beide sahen ebenfalls nicht sonderlich glücklich aus. Allmählich schien Tai zu begreifen, was meine Sorge war.
 

Er sah vom Buch zu mir, wieder zum Buch und dann zu Joe.
 

„Sag mal...“, fing er an und beugte sie langsam zum neunzehnjährigen herüber.
 

„Hast du deine Prüfung überhaupt schon gemacht?“
 

Abrupt wurde das Auto gestoppt, die Reifen quietschten richtig, als Joe auf die Bremse trat. Zum Glück standen wir nicht mitten auf der Autobahn.
 

Der Typ der die Gurte erfunden hat, war in diesem Moment ebenfalls mein Held. Ohne die wären wir alle fünf durch die Scheibe geflogen und hätten eine Weltreise gemacht.
 

Tai fluchte.
 

„Ich schwöre dir, ich hau dich kaputt!“, fauchte er und packte ihn am Kragen. Joes Brille verrutschte und er fing an zu schreien. Zum Glück konnten T.K und ich uns noch dazwischen drängeln, eher mein Bruder ihm die Visage polieren konnte.
 

„Du verdammter Mistkerl, du fährst also tatsächlich ohne Lappen?“, keifte Tai und versuchte runterzukommen. Er war komplett angespannt, und ich musste mich an ihn klammern, damit er nicht über den Sitz kletterte.
 

Joe stotterte nur.
 

„Also.. Also...“
 

„Joe, dass kannst du nicht machen! Was ist wenn die Polizei uns anhält?“, rief T.K und schüttelte den Kopf.
 

„Du kommst in den Knast, du Idiot!“
 

„Ich- Ich weiß....“, murmelte er und schlug die Hände ins Gesicht. Ein Erklärung war dringend erforderlich. Mein Bruder rastete gleich völlig aus.
 

„Ist das alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast?“, knirschte er und atmete tief ein, um etwas runter zu kommen. Allmählich eskalierte die Situation, ich wusste nicht was ich machen sollte.
 

„Joe... Warum?“, fragte ich und sah zu ihm. Er war total verzweifelt.
 

„Das wir nichts gemerkt haben! Du fährst die ganze Zeit schon Schlangenlinien, schwitzt, bist nervös, schaust dich die ganze Zeit um.“
 

„ICH WEIß!!!“, rief er schließlich und es wurde still.
 

„Ich weiß... Ich habe keinen Führerschein. Ich habe die Prüfung nie gemacht, ich hatte zu viel Panik davor. Dabei war ich so gut vorbereitet. Den theoretischen Teil hatte ich bereits mit Bravour bestanden. Doch als es dann mit dem Fahren voran ging, wurde ich immer nervöser, weil mein Prüfer mir immer vor Augen führte, wie die Prüfung ablaufen würde. Und als mir dann schließlich der Termin genannt wurde, geriet ich in Panik, und hab beim Üben alles falsch gemacht, was nur ging. Also rief ich an und sagte ich sei krank und könnte nicht kommen. Ich sollte eigentlich anrufen, wenn ich wieder gesund sei, aber... das habe ich nie getan...“, erzählte er und seufzte.
 

Stillschweigen wechselten wir mitfühlende Blicke.
 

„Alter... Aber du kannst doch trotzdem nicht einfach durch die Gegend fahren. Was ist wenn man dich wirklich erwischt?“, meinte Tai und klopfte ihm auf die Schulter.
 

„Hach, ich weiß. Ich fahre eigentlich auch nur, damit ich die Angst davor verliere. Ich habe mal gelesen, man soll sich seinen Fürchten stellen. Klar, es ist immer sehr risikoreich, aber ich wollte es versuchen.“
 

„Sag mal..“, fing ich und setzte mich auf.
 

„Wann hast du dich bei der Fahrschule das letzte Mal blicken lassen?“
 

Er zuckte mit den Schultern.
 

„Vor drei- vier Monaten?“
 

Ich schluckte.
 

„Spinnst du? Das kostet doch sau viel Geld!“, rief Takeru und klatschte seine Hand gegen die Stirn.
 

„Ja... schon... Aber ich hatte bisher noch nicht den Mumm dazu...“
 

Wir stöhnten. Typisch Joe. Immer ein auf Erwachsen machen, und dann doch wie ein Kleinkind den Schwanz einziehen.
 

„Dann helfen wir dir da jetzt! Du wirst da sofort anrufen!“, schlug ich vor und schob ihm seine Brille wieder auf die Nase. Er schaute mich verdutzt an.
 

„Wie... jetzt?“ Er klang total geschockt und sah aus, als stünde er einem Herzinfarkt nahe. Besorgt beugte ich mich weiter vor.
 

„Natürlich jetzt! Das ist die Gelegenheit. Wenn du es nicht tust, wird dich das dein Leben lang verfolgen, und du wirst niemals deinen Führerschein in den Händen halten. Außerdem kannst du nicht ewig so durch die Landschaft gurken. Bei deinem momentanen Fahrstil wird man dich früher oder später sowieso anhalten...“
 

Joe wich in seinen Sitz zurück und rieb sich nervös die Hände an seiner Hose. Tai nickte und kramte sein Handy hervor. Joe sah ihn flehend an, doch so wie wir ihn kannten, ließ mein Bruder nicht locker und wies ihn mit einer Kopfbewegung an. Zögernd nahm unser kleiner „Schwarzfahrer“ das Gerät und schluckte.
 

„Ich- ich hab doch gar nicht die Nummer...“, quängelte er und rückte seine Brille zurecht. T.K betrachtete gelangweilt das Buch, und stieß mich an.
 

„Hey, ist das nicht die Nummer von der Fahrschule, die in der Nähe vom Gymnasium ist? Ich bin der Meinung das Logo schon mal gesehen zu...“
 

Joe unterbrach ihn in seiner Rede und riss ihm das Buch rasch aus den Händen. Schwer atmend klammerte er sich an das Lehrheft und sah uns fast schon beängstigend an.
 

„Du irrst dich! Das Buch ist schon... drei Jahre alt, die Nummer stimmt bestimmt nicht mehr...“, sagte er und nickte hektisch. Ich ließ den Kopf genervt fallen und stöhnte. Wie konnte man nur so gestört sein...
 

„Du hast doch ne´ Macke!“, zischte Tai und versuchte ihm das Buch weg zu nehmen, als es Joe kurzer Hand raus in die Botanik beförderte, und es direkt in eine Matschpfütze landete. Super.
 

Stille. Niemand sagte auch nur ein Wort. Ich hielt sogar kurz die Luft an, um nicht so laut zu sein. Mein Bruder knirschte mit den Zähnen, er war sauer, ziemlich sauer. T.K trommelte immer schneller auf der Lehne des vorderen Sitzes. Die Anspannung war fast zum greifen.
 

„Huch..?“, meinte Joe schließlich und kicherte schwach. Das war sein Todesurteil. Tai sprang auf seine Seite und begann ihn zu würgen, wir hatten Mühe ihn davon abzubringen, geschweige denn wieder aufzuhören.
 

„Du verdammtes Arschloch! Wie kann man nur so hohl sein!!“, schrie Tai und drückte immer wieder den Hals von Joe. Ich krallte mich in seine Hand, um ihn loszubekommen, während sich T.K aus dem Wagen bemühte und von der Beifahrerseite auf Tai sprang.
 

„Da will man dir helfen, und du nimmst sie nicht an! Dieses Buch ist vielleicht deine Eintrittskarte in die Autofahrerwelt!!“
 

Durch das ganze Schreien hörte ich eine Tür knallen. Schnell wandte ich meinen Kopf zu dem Platz, an dem Matt saß. Er war weg. Ich drehte meinen Körper und schaute aus jedem Fenster.

Matt war ausgestiegen und ging zu Fuß weiter, schleppende Schritte ließen ihn von hinten aussehen, als hätte er zu viel Alkohol getrunken.
 

Erschrocken sah ich zu den anderen Dreien, die Matts Abwesenheit ebenfalls bemerkt hatten. Tai schluckte.
 

„Siehst du..“, sagte er und sah Joe bitter an.
 

„Der hat auch schon keinen Bock mehr auf dich...“
 

Geknickt ließ ich den Kopf wieder hängen und seufzte. Armer Matt. Armer Joe.
 

„Tai...“
 

„Nee, lass mal Takeru...“, murmelte Tai und ließ Joes Kehle los.
 

„Er will nicht. Soll er doch ohne fahren. Mir egal. Ich jedenfalls will nicht mehr in diesem Auto durch die Gegend gefahren werden. Da schließ ich mich doch lieber Matt an und gehe zu Fuß..“
 

Aufmerksam hob ich den Kopf und beobachtete, wie mein Bruder sich an T.K vorbeischlängelte und ausstieg. Matt holte er zwar nicht ein, weil dieser mittlerweile verschwunden war, aber dennoch legte er ein beeindruckendes Tempo hin.
 

Da waren es nur noch drei. Ratlos sah ich zu Takeru, der nur mit den Schulern zuckte. Wir konnten ihn doch schlecht auch noch alleine lassen. Das war nicht gut, das war gegen meine Prinzipien.
 

„Wenn ihr wollt, könnt ihr auch gehen. Ich will euch da nicht im Weg stehen... Ich komme hier schon weg... Und wenn man mich anhält ist es mir auch egal..“
 

Joe rutschte in seinen Sitz hinunter und seufzte.
 

T.K sah mich fragend an.
 

„Nichts da!“, grummelte ich entschlossen und stieg aus. Ich riss die Fahrertür auf und zog an Joe Ärmel. Komisch, er ließ sich ganz locker rausziehen. Entweder war ich plötzlich sehr stark, oder Joe einfach nur sehr schwach.
 

„W-Was wird das?“, fragte er ächzend und sah mich unmotiviert an.
 

„Du, T.K und ich, wir werden diesen verfluchten Wagen jetzt in die Stadt schieben, und dann wirst du dich vor deinen Fahrlehrer aufbauen, und ihm sagen, dass du bereit bist, für deine Prüfung nochmal zu üben, und dann bist du auch bereit für deinen Führerschein! Auf geht’s!“, rief ich und sprang anspornend in die Höhe. T.K lachte begeistert und trat ins Freie.
 

„Du willst also den Wagen schieben?“, fragte er nochmal und grinste über das Dach des Autos hinweg. Ich streckte ihm die Zunge raus.
 

„Willst du etwas fahren?“, entgegnete ich und schaute vorsichtshalber beide an. Ich würde Joe nicht nochmal fahren lassen, das stand fest.
 

„Ach komm, dass Stück fahr ich noch...“, murmelte Joe zitternd.
 

Allein schon von seiner Stimmlage her erkannte ich, dass er alles andere als begeistert von seiner Idee war. Ich lächelte.
 

„Nein Joe. Das letzte Stück schaffen wir auch mit schieben. Ich weiß noch von meinem Dad das diese Ecke hier häufig kontrolliert wird, und ich will nicht das du Probleme bekommst.“ Ich zwinkerte und zog ihn das letzte Stück in die Freiheit hinaus. Er stand zögernd vor mir.
 

„Nun komm schon! Ich setzte mich rein und lenke, während du und T.K schiebt.“, schlug ich vor. Sofort kam Protest von der anderen Seite.
 

„Du faules Ei!“
 

Ich belächelte den Kommentar müde und ließ mich hinter dem Steuer nieder. Als wenn sich die beiden gegen mich wehren könnten..
 

Zufrieden lehnte ich mich zurück und lauschte dem einsetzenden Stöhnen meiner zwei Pappenheimer, die sich mit dem netten, grünen Wagen ordentlich abmühten.

Wenn alles schief geht

Geschafft.

Nach mehr als einer Stunde hatten wir es gepackt und mein Auto, dass ehrlich gesagt auch nicht wirklich meins war, sondern das von meinem Bruder Chou, in die Stadt zurück befördert.

Wir kamen an einer ziemlich verlassenen Straße zum Stehen und stöhnten vor Erleichterung.
 

Sichtlich fertig ließ sich T.K neben der noch putzmunteren Kari auf dem Beifahrersitz nieder. Ich rang verzweifelt nach Atem. Schon mal einen Wagen von einer Autobahnabzweigung bis in eine naheliegende Stadt geschoben?

Ich wusste zwar, dass es ein hartes Stück Arbeit sein würde, aber das ich mich danach so tot fühlen würde... Wäre ich doch mal gefahren, dachte ich still vor mich hin und schlürfte zu Kari dich mich fröhlich angrinste.
 

„Na also!“, sagte sie erleichtert und schaute ganz erwartungsvoll.
 

„Der erste Teil unserer Mission wäre schon mal geschafft!“
 

Grinsend sah sie zu Takeru, der seinen Kopf erschöpft auf ihre Schulter fallen ließ und abermals stöhnte. Sie kicherte.
 

„W-was, wie, Mission?“
 

Ich schluckte. In mir kam ein leichtes Gefühl von Panik auf. Kari strahlte mich weiterhin an.
 

„Unsere Mission „Joe-braucht-seinen-Führerschein!“ “, rief sie aufgeregt und bugsierte ihren Freund auf die andere Seite des Autos.
 

„Ah... Und... und was beinhaltet Teil zwei?“, fragte ich vorsichtig, obwohl ich eindeutig zu wissen glaubte, was nun auf mich zu kam. Ein Anruf bei meinem ehemaligen Fahrlehrer.
 

Hikari zog angenervt eine Augenbraue hoch und bedachte mich mit einen stechenden Blick. Ich schluckte wieder und lächelte versöhnlich. Mit ihr durfte man es sich nicht verscherzen.
 

„Du weißt genau, was du zu tun hast, Jou!“, zischte sie antreibend.
 

Verdammt, wie recht sie hatte. Ich musste es endlich anpacken, endlich dafür sorgen, dass ich einen Führerschein bekam. Auch wenn mein Kopf schon völlig Feuer und Flamme für das Projekt war, so schienen der Rest meines Körpers anderer Meinung zu sein.

Es war mir einfach furchtbar unangenehm nach all der Zeit dort anrufen zu müssen, und um eine neue Chance zu bitten. Man würde sicherlich sauer sein, unheimlich sauer.
 

Zitternd stand ich vor der Fahrertür und starrte ins Leere.
 

„Oh man. Ein erwachsener Mann, zu feige, um einen Anruf zu tätigen..“, brummte sie.
 

Ich schluckte den Schuldkloß in meiner Kehle herunter und wich schwach zurück als sie ausstieg. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, lief sie um das Auto herum, und half ihrem geschwächten Freund auf den Bürgersteig.
 

„Ich kann da doch nicht anrufen! Ich habe doch vorhin dummerweise das Buch mit der Nummer in die Büsche geworfen... Was soll ich denn tun?“, rief ich gespielt ratlos. Ich wusste, dass ich Kari damit nicht abschütteln konnte. Dazu war sie zu ehrgeizig.
 

Zuvor noch vollkommen motiviert und guter Laune, stand Kari mir nun angespannt und gequält gegenüber. Sie musste sich sichtlich beherrschen, um mir nicht auf der Stelle den Hals umzudrehen.

Ich war aber auch ein schwieriger Fall...

Wie konnte man nur so verklemmt und Introvertiert sein?
 

Ich ließ seufzend den Kopf sinken und machte mich mental auf eine Standpauke gefasst. Es war Wahnsinn. Ein Volljähriger musste sich von einer Neuntklässlerin belehren lassen...
 

Hikari jedoch, atmete tief durch und versuchte es nochmals mit einem Lächeln.
 

„Dann nehmen wir eben den direkten Weg.“, murmelte sie, schnappte nach meiner Hand und zog mich, samt T.K, die leere Straße entlang.
 

„Hey! Mein Auto!!“, jammerte ich und stolperte, als ich ihm trauernd nachsah. T.K gab einen ächzenden Stöhnlaut von sich, und versuchte ebenfalls verkrampft Schritt zu halten.
 

„Bitte Kari... Nicht ganz so schnell...“, beschwerte er sich. Er schien noch immer völlig kaputt vom Schieben zu sein. Was wahrscheinlich daran lag, dass er die meiste Arbeit gemacht hatte, während ich, schwach wie ich war, kaum etwas geleistet hatte.
 

„Doch! Schnell. Bevor Joe uns noch entwischt. Wenn er nicht endlich etwas tut, um diesen beschissenen Lappen zu bekommen, wird er irgendwann nochmal einen Unfall bauen. Und ich möchte ihn ungern im Krankenhaus besuchen müssen, oder gar im Leichenschauhaus identifizieren müssen.“, erklärte sie und bog rasch um die Ecke, was mich aus dem Gleichgewicht brachte.
 

Sie machte sich Sorgen. Sorgen darüber, dass ich tatsächlich so weiterfahren würde, wie bisher, ohne Führerschein, und ohne jegliches Gefühl fürs Fahren. Sie wollte mir unbedingt helfen.

Und alles was ich tat, war kontraproduktives Geplänkel von mir zu geben.

Gut gemacht!
 

Ich erkannte allmählich, dass ich mir etwas von Karis Mut und Ehrgeiz abschneiden musste, und die Dinge endgültig ins Reine bringen musste. Ja wohl! Ein neuer Joe mit Selbstvertrauen musste her!
 

Ich würde darein spazieren, dem Mann vom Fach in die Augen schauen, ihm sagen, dass ich meinen Führerschein haben will. Zuvor brauchte ich sicherlich nochmal Fahrstunden, warum, könntet ihr euch auch denken.
 

Mit neuer Energie bestückt, holte ich Kari locker ein und lief locker flockig über die Straße.

Dumm nur, dass ich übersah, dass sie rot war..
 

„Joe!!“, rief Kari, ich blieb abrupt stehen. Langsam realisierte ich, dass sich ein Auto gefährlich schnell näherte und heftig hupte. Geschockt, dass ich mitten auf der Hauptstraße stand begann ich zu zittern.
 

„Joe! Lauf!!!!!!!!“, schrie Kari mit keuchender Stimme und kam näher. T.K und sie waren wohl sehr weit abgekommen und wollten mich abermals vor einer Katastrophe bewahren.
 

Endlich hatte ich meine Beine wieder im Griff und versuchte den gegenüberliegenden Bürgersteig zu erreichen, um doch nicht über den Haufen gefahren zu werden.

Glücklich darüber, dass ich dem einen Auto ausweichen konnte bemerkte ich nicht das zweite Auto, das auf der Spur daneben fuhr. Natürlich musste es so kommen.
 

Unter Aufbringung meiner letzten Kräfte, versuchte ich schneller als der Wagen zu sein. Der Fahrer machte keine Anstalten langsamer zu fahren, nein, er legte sogar noch ein bisschen drauf.
 

„JOE!!!“
 

Ein lautes Krachen hallte durch die Straße, und ich flog über die Autohaube, quer durch die Luft. Mein Körper schmerzte an jeder nur erdenklichen Stelle und ich stieß einen Schrei aus. Für einen Moment dachte ich, die Welt stünde still als ich durch die Lüfte flog und anschließend mit einem dumpfen Knall auf den harten Asphalt aufschlug.

Ich hörte Kari schreien und mit T.K auf mich zu laufen, bis sie zu einem Wirbel verschwamm und plötzlich weg war. Ich fiel in Ohnmacht.
 

Summer don't know me no more

Eager man, that's all
 

Summer don't know me

He just let me love even in my sea

Cause I do know, Lord,

from you that

Just dyin
 

So that day,

Lost my mind

Lord, I'll find

Maybe in time

You'll want to be mine
 

Don't stop the buck when it comes

It's the dawn, you'll see
 

Money won't get there

Ten years passed tonight

You'll flee
 

If you do that,

I'll be strong

To find you
 

So that day,

Lost my mind

Lord, I'll find

Maybe in time

You'll want to be mine
 

So that day,

Lost my mind

Lord, I'll find

Maybe in time

You'll want to be mine

Maybe in time

You'll want to be mine

Maybe in time

You'll want to be mine
 

„Alles gut, er ist nicht schwer verletzt. Er hatte großes Glück!“, hörte ich eine männliche, tiefe Stimme sagen. Ich versuchte die Augen zu öffnen, und nahm eine Gestalt in Kittel wahr. Es roch klinisch. War ich etwa... in einem Krankenhaus?
 

Als ich die Lider komplett aufschlug bestätigte sich mein erster Gedanke. Ein großer Mann in weißer Kleidung und grauen Haaren stand vor einer Krankenschwester und überreichte ihr eine Mappe. Dann wandte er sich zu mir um und grinste. Es war mein Vater.
 

Sofort versuchte ich mich aufzusetzen, doch stoppte mich ein aufkommender Schmerz, der sich durch meinen gesamten Körper zog. Ich fiel wieder zurück und stöhnte.
 

„Bleib liegen, mein Junge.“, sagte er und stellte mir ein Glas Wasser auf den Tisch neben mir.

Scheiße. Warum musste ich ausgerechnet in Behandlung bei meinem Vater sein?

Er würde mir eine ellenlange Predigt halten, wie man sich im Straßenverkehr verhielt.
 

„Du hast dir ein paar Rippen gebrochen, eine leichte Gehirnerschütterung und dein Arm hatte sich auch recht ungesund verdreht..“, erklärte er mir in seiner hoch-professionellen Art und schob seine Brille zurecht, als er sich setzte.
 

„Wo sind...“, fing ich an und wurde durch einen Hustenreiz unterbrochen. Meine Muskeln verkrampften sich und ließen mich in Schmerzen baden. Ich fluchte.
 

„Deine Freunde? Die haben wir vorerst nach Hause gebracht. Du möchtest sie allerdings sofort anrufen, wenn du aufgewacht bist. Aber das muss noch kurz warten.“
 

Mein Vater stand auf , ging an dem Stahlbett vorbei und trat an das mit einer riesigen Gardine behangene Fenster. Emotionslos sah er hinaus. Ich schluckte.
 

„Was ist passiert?“, fragte er schließlich und faltete seine Hände hinter dem Rücken.
 

„Wie? Was soll passiert sein?“ Schwer von Begriff, wie eh und je. Ich schob es mal auf meine Gehirnerschütterung.
 

„Der Unfall natürlich, Jou.“ Er strich sich eine seiner grauen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
 

Eine ziemlich kühle Atmosphäre entstand. Und daran war nicht die sterile Einrichtung des Zimmers verantwortlich. Mein Vater zeigte sich, wie so oft, von seiner kalten Schulter. Niemals hatte ich ihn lächeln sehen, niemals war er mit mir zufrieden gewesen. Er würde mich wahrscheinlich erst dann respektieren, wenn ich mein Medizinstudium durchziehen und abschließen würde.
 

„Ach... Nun ja....“
 

Ich sah in die andere Richtung.
 

„Ich wollte über die Straße und... Ich hatte nicht gesehen, dass es schon rot geworden war. Dann kam von einer Seite dieses Auto und... an den Rest erinnere ich mich nicht.“
 

Stille.
 

„So so... Dann habe ich noch eine Frage...“ Er drehte sich um und schlich weiter durch den Raum.

Die Geräusche seiner Schuhe machte mich nervös.
 

„Warst du nicht heute mit dem Auto unterwegs?“ Mein Vater sah mir direkt in die Augen.
 

Ich hatte das Gefühl, er wusste alles. Das ich den Wagen stehen gelassen hatte und mit Hikari und Takeru auf den Weg zur Fahrschule gewesen war. Das ich, wie man daraus schließen könnte, gar keinen Führerschein hatte.

Wenn er das wusste, würde er mich nur noch mehr abweisen. Ich sah ihn geschockt an. Aus seinen dunklen Augen ließ sich keinerlei Information herausholen. Es war wie verhext.
 

„J-ja....Ich äh...“, stammelte ich, doch mein Vater hörte mir scheinbar nicht mehr zu. Er lief weiter zur Tür und legte seine Hand auf die Klinke.
 

„Ruhe dich aus. In zwei Tagen darfst du nach Hause...“, murmelte er und ging.
 

Er ließ mich voller Panik zurück in meinem unfreundlichen Zimmer, dass nach Reinigungsmittel roch, um den Tod zu verdecken. Ich sank in meinem Bett zusammen und grübelte.
 

Wusste er es? Wenn ja, was würde er tun? Was würde mein Bruder sagen, wenn ich ihm beichten musste, dass sein Auto am Rande der Stadt geparkt war?
 

Eins war mir klar. Wenn mein Vater wusste, dass ich „schwarz“ fuhr, konnte es ihm nur eine erzählt haben. Hikari. Wahrscheinlich hatte er sie ausgequetscht, so wie er es mit jedem tat...

Ich musste sie schleunigst anrufen. Sofort!
 

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Lied: Gorillaz-El Manana

Anti-Tänzerin

„ Wie wäre es? Heute Abend, halb acht, bei mir? Meine Eltern sind bei Freunden eingeladen und wir hätten die komplette Wohnung für uns...“

Ken stand lächelnd vor mir und sah nervös zwischen mir und der Backsteinmauer hinter mir her.

Ein Date?
 

Verdattert schaute ich ihm in die blauen Augen. Es war ungewohnt zu sehen, dass Ken durchaus aus sich heraus gehen konnte. So mutig hatte ich ihn noch nie erlebt.

Meine Reaktion ließ ihn erröten. Ich kicherte.
 

„Klaro, wenn das bedeutet, dass du mir etwas leckeres zu Essen machst?“
 

Er zog eine Augenbraue hoch und grinste schließlich. Das war ein gutes Zeichen!
 

Bevor er sich zum gehen wandte, drehte er sich noch einmal um.
 

„Was willst du eigentlich essen?“
 

Grübelnd sah ich in den leicht bewölkten Himmel. Ein dumpfes grau zog sich über das strahlende himmelblau und verdeckte die wärmende Sonne. Mit einem schwermütigem Seufzer sah ich wieder zu Ken und zuckte mit den Schultern.
 

„Überrasch´ mich doch einfach!“, sagte ich und schob mich rückwärts durch die schwere Eingangstür.
 

Nachdenklich wartete ich auf den Fahrstuhl der mich in die fünfte Etage bringen sollte. Klar, ich könnte auch locker die Treppe nehmen. Das wäre wahrscheinlich schneller als auf das alte Klappergestell zu warten. Aber wirklich motiviert war ich dazu nicht.
 

Viel mehr beschäftigte mich heute Abend. Ich hatte schon viele Filme mit romantischen Dates gesehen. Ein feines Essen, nette Musik, schüchterne Blicke.. Und dann ging es ordentlich ab.

Ihr wisst schon was ich meine.

Während ich so vor mich hinlächelte und an die bevorstehende Verabredung dachte, traf mich mit einmal ein heftiger Schlag. Nein, nein, ich wurde nicht von einem vermeintlich brutalen Mörder, der hinter mir im Fahrstuhl stand, bewaffnet mit einem Baseballschläger, der es liebte kleine Mädchen zu verdreschen. Nein. Mir fiel nur voller Panik ein, dass ich... gar nicht tanzen konnte!

Mir stockte der Atem. Ich war fast siebzehn und hatte noch nie einen von meiner Mutter monatelang schön geredeten Tanzkurs besucht. Oh man. Hätte ich doch nur auf Mama gehört und wie alle meiner Geschwister einen gemacht.. Meine Schwestern hatte sie noch gezwungen, aber als ich schließlich dran war, und ihr bei einem Fluchtversuch aus der Halle mit der Tür fast die Nase gebrochen hatte, beließ sie es beim Beschönigen. Es war ein Unfall, an den ich noch heute nicht gern zurück dachte...
 

Okay, also ein kurzer Exkurs, hier das ganze Geschehen.

Letzten Winter schleppte mich meine Mutter durch die Stadt, versorgte mich zunächst mit Dingen, die ein Mädchenherz höher schlagen ließen. Durch die ungewohnte Situation griff ich natürlich ordentlich zu, solche Gelegenheiten muss frau ja nutzen!

Doch während ich so vollbepackt mit allerlei meiner Mutter durch das alltägliche Getümmel folgte, kam ich doch arg ins grübeln. Seit wann war meine Mum so unheimlich nett, und kümmerte sich mal ausschließlich um mich? Das war ich nun überhaupt nicht gewohnt.

Wo meine Mutter doch immer so schrecklich viel mit dem Laden und dem Haushalt zu tun hatte. Meine Geschwister studierten zwar mittlerweile und führten halbwegs ihr eigenes Leben, was sie aber nicht davon abhielt, meine Mutter nicht auch weiterhin mit ihrer Anwesenheit und ihren Wünschen zu „belästigen“.

Immerhin meine älteste Schwester hatte es geschafft auszuziehen.. Wuhu..

Aber zurück zum Eigentlichen.

Zielstrebig manövrierte uns meine Mutter an genauso überladenen Menschen vorbei wie ich und steuerte das noch nicht allzu lang bestehende Sport- und Freizeitzentrum an. Es hieß man könne in diesem Zentrum jegliche Sportart ausüben, die es auf der Welt gibt, was ich allein schon deshalb nicht für wahr hielt, weil das Gebäude dafür nun doch definitiv zu klein war. Schon von weitem erblickte ich das hell erleuchtete Haus, mit geschätzten acht Etagen in einem ekelhaftem braun Ton.

Ohne die Beleuchtung sähe das Ding überaus schäbig aus.

Nicht ahnend, dass ich das „Ding“ gleich von innen sehen würde, stiefelte ich weiter durch die Enge und kühle Straße.

Schließlich erreichten wir den riesen Kackhaufen und meine Mutter blieb abrupt stehen. Sie wandte sich mit einem breiten Grinsen zu mir um und wies mich doch tatsächlich dazu an, da hineinzugehen. Zunächst unbeeindruckt blieb ich an Ort und Stelle, man konnte ja nie wissen. Perplex stellte ich allerdings fest, das meine Mutter mein pubertäres Verhalten ganz und gar nicht schmeckte, und sie mich fast unter Anwendung von Gewalt durch die gläserne Tür schob. Alles, was ich dagegen tun konnte war ein jammervolles Quieken von mir zu geben, dass ihr deutlich meine Abneigung gegen jegliche Sportart zeigen sollte.

Ich wollte kein Basketball spielen und Fußball. Auch nicht Federball oder Badminton wie man es ja mittlerweile sagte. Klang wohl cooler..

„Stell dich nicht so an Miyako!“, zischte sie und ging mit einer, von außen betrachtet, vier Jahre alten Rotzgöre zum Informationspunkt.

Eine wirklich reizende Dame, im pinkfarbenen Kostüm und blonden hochtupierten Haaren begrüßte uns mit dem falschesten Lächeln, dass ich je gesehen hatte. Sie passte überhaupt nicht in ein Sportzentrum. Besser platziert wäre sie in einem Büro als Sekretärin die für den Chef die Anrufer bedauerte, weil der gerade ein Schäferstündchen mit der Buchhalterin abhielt.

„Guten Tag, willkommen bei „Sportattack! Dem angesagten Sport- und Freizeitzentrum für Jung und Alt! Wir haben aaaaaaaaaaaaaaaaaalles, was sie sich nur wünschen, jede sportliche Aktivität die es auf der groooooooooooooooooßen, weiten Welt existiert können wir ihnen hier, ohne Ausnahme anbieten! Wie kann ich sie heute glücklich machen?“, ratterte die gute ihren Text runter, der mir immer noch ziemlich gut im Gedächtnis blieb. Das hatte sie drauf.. Wahrscheinlich war das alles was sie in ihrem wasserstoffblondem Kopf hatte.

Leicht irritiert versuchte meine Mutter die Fassung zu waren.

„Eh also.. Meine Tochter hier interessiert sich für einen ihrer Tanzkurse... Wir wollten uns mal informieren..“, erklärte meine Mutter und versetzte mir einen Schock. Ich interessierte mich garantiert nicht für einem Tanzkurs. Und schon gar nicht bei Blondie hier.

Die Empfangsdame kicherte und drehte sich zu ihrem Computer. Ihre Fingernägel waren knallpink und falsch. Wie ihr Lächeln.

Ich begann meine Mutter zu kneifen.

„Seit wann will ich denn tanzen?“, zischte ich ihr leise zu während Blondie in ihrem Computer vertieft war.

„Seitdem ich das will. Alle aus unserer Familie haben einen gemacht. Du bist die Nächste.“, murmelte sie zurück und begann sofort wieder zu lächeln, als Blondie fertig war.

„Ich habe mal fix im PC nachgesehen, und sie haben Glück!“, sagte sie mit einer solchen Euphorie, dass mir mein Mittagessen fast wieder hochgekommen war.

„Wir haben doch tatsächlich noch Plätze frei! In welchen Kurs darf ich ihre Tochter denn eintragen? Anfänger, Fortgeschrittene oder Profi?“

Sie sah mich kurz an und zuckte mit den Augenbrauen. Oh, wie ich sie anfing zu hassen.

„Wohl Anfänger wie?“

Meine Mutter bestätigte es mit einem Nicken und kniff mich zurück, damit ich doch auch endlich anfing, zu lächeln.

„So... Also, einer unserer Kurse findet am Mittwoch um achtzehn Uhr statt, und läuft bis ungefähr zwanzig Uhr... Wir hätten aber noch einem Platz im Dienstagskurs frei. Selbe Zeit.“

Sie ließ ihre strahlend gebleichten Zähne aufblitzen. Meine Güte, die Frau war nirgendwo mehr echt.

„Ich denke ihr würde es am Dienstag besser passen.. Mittwoch hilft sie mir immer im Laden aus.“, antwortete meine Mutter, wohl gemerkt für mich, und sorgte doch wirklich dafür, dass mich die falsche Truller registrierte. Ich stand kurz vor dem totalen Ausraster.

Meine Mum schien zufrieden. Noch.

„Du wirst sehen, dass wird toll!“, meinte sie und lächelte.

Mich packte die blinde Wut und so zerriss ich das von Blondie gerade herüber gereichte Anmeldeformular in tausend kleine Stücke. Nicht sehr Lady like, aber shit, ich war sauer!

Meine Mutter konnte nicht einfach so über meine wertvolle Freizeit bestimmen! Ich hasste es abgrundtief wenn man mich einengte.

Blondie guckte blöd aus der Wäsche und brachte nur noch ein „Äh?“ hervor. Meiner Mutter schnaubte wütend.

„Miyako!“, keifte sie und bedachte mich mit einem warnenden Blick. Mir egal.

„Mama!“, entgegnete ich genauso wie sie. Wir lieferten uns einen kurzen Blickkampf.
 

„Ich werde nicht tanzen! Ich will das nicht, verstehst du? Du kannst mich doch nicht ständig mit meinen Schwestern gleichsetzen. Nur weil sie das gemacht haben, muss ich das doch nicht auch machen. Mama, ich bin ein eigenständiger Mensch! Warum quälst du mich? Ich bin gut in der Schule, mache so gut wie nie etwas kaputt und helfe dir sogar im Laden aus. Und alles was dir dazu einfällt ist mich zu einen erbärmlichen Tanzkurs zu schleifen und sorgst dafür, dass mich diese dumme Pute hinter dem Tresen unter einen Kreis voller Deppen und Hirnampotierten bringt, die mit mir lustig und frei von der Lebe ChaChaCha machen?“, platze es aus mir heraus.

Meine Fresse war ich sauer. Deswegen war sie mit mir Schoppen gegangen. Um mich zu besänftigen und so leichter zum Hüften schwingen bringen konnte. Empört wandte sich meine Mutter zum gehen. Nach meiner wirklich verletzenden Rede war sie gekränkt und traurig, was mir ein schlechtes Gewissen verpasste.

„Soll ich ihre Tochter wieder aus dem Computer nehmen, Miss?“, rief Blondie ihr hinterher. Meine nickte stumm und wartete an der Tür darauf das ich ihr nach Hause folgte.
 

„Mama warte..“, murmelte ich und lief zu ihr herüber. Sie blieb starr stehen und bestrafte mich mit einem emotionslosen Gesicht. Ich schluckte.
 

„Hör zu... Es tut mir Leid, dass ich so ausgerastet bin, aber du hast dich einfach über meinen Kopf hinweg für etwas entschieden, was ich gar nicht wollte. Ich wusste ja noch nicht einmal was davon.“ Sie holte hörbar tief Luft.
 

„Das war ja meine Absicht. Ich wusste, dass ich dich nicht so zum Tanzen kriegen würde, also hielt ich es für das Beste, dich einfach hier hin zu schleifen..“
 

Wenn sie mich ernsthaft zum Tanzen zwingen wollte, hätte sie mich auch einfach ohne meine Anwesenheit anmelden können.
 

„Warum hast du mich nicht einfach ohne mich eintragen lassen?“, fragte ich schließlich und hörte sie seufzen.
 

„Ich hätte doch deine Unterschrift gebraucht. Hier brauch man nicht nur die Unterschrift der Eltern, sondern auch der Kinder...“ Das schien ihr ordentlich gegen den Strich zu gehen.

Ich biss mir auf die Lippe. Sie hätte es auch ohne mich getan, wenn sie gekonnt hätte.

„Aber... Ich habe eingesehen, dass ich da wohl etwas zu voreilig an die an die Sache gegangen bin.. Das tut mir sehr Leid...“ Sie lächelte entschuldigend und nahm ein Teil meiner Taschen in die Hand.
 

„Ich schwöre dir, ich werde dich nie wieder zu etwas zwingen, was deine Schwestern auch tun mussten.. Du bist wirklich sehr anders als deine Geschwister.. Und das ich auch gut so..“
 

Ich lächelte. Meine Mutter schien schnell verstanden zu haben, dass ich meinen eigenen Willen hatte. He He.. Obwohl, vielleicht etwas zu schnell...?
 

„Mal sehen.. Vielleicht hast du ja zu einem späteren Zeitpunkt...“,
 

AHA! Sie würde also doch nicht aufgeben!
 

„NIEMAAAAALS!“, rief ich und riss die Tür mit voller Wucht auf. Meine Mutter, die dahinter gestanden hatte, bekam diese genau auf ihre Nase und flog rückwärts gegen die Wand.
 

„Oh mein Gott!“, schrie Blondie von hinten.
 

„Ein Notarzt! Ein Notarzt! Hat denn hier keiner ein Telefon!“ Das rief sie solange, bis ihr auffiel, dass sie doch selbst eins vor ihren Augen hatte. Sie stand schließlich an der Rezeption!
 

„Oh nein! Mama! Mama! Alles okay? Mama lebst du noch?“, jammerte ich besorgt und war den Tränen nahe. Benommen rieb sie sich den Kopf und stellte wenige Sekunden später fest, dass ihre Nase sehr stark blutete.
 

„Aua....“, stöhnte sie, während ich versuchte ihr aufzuhelfen.
 

Das Ende vom Lied war, ein Besuch in der Notaufnahme, eine gebrochene Nase, und das endgültige Versprechen meiner Mutter, mich niemals wieder zu einem Tanzkurs zu überreden.
 

Das Aufgehen der Fahrstuhltür ließ mich aus meinen Gedanken erwachen und ich stieg aus. Wie sehr ich doch betete, dass Kens CD-Player kaputt war. Obwohl.. Wir waren im Zeitalter der Elektronik, also warum sollte man sich auf so ein Gerät reduzieren. Laptop, PC, Ipod mit passenden Boxenanschluss uns so weiter... Verdammt...

Frustriert schloss ich die Wohnungstür auf und donnerte meine Jacke samt Schal in meine übliche Ecke. Ja, ich trug noch einen Schal, bei mittlerweile schon fünfzehn Grad. Keine Ahnung, ich fand´s schick!
 

Meine Geschwister standen wie ein aufgeregter Pulk Tauben um meiner Mutter herum und verlangten nach ihrer Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich ging es mal wieder um Geld und „Futter“.

Sobald sie bekommen hatten, was sie wollten, würden sie wieder ausscharren und verschwinden.

Ich schlich in mein Zimmer und schlüpfte aus meinen Schuhen.

Schnell war mein PC angeschaltet und ich saß jammernd vor dem Bildschirm. Ein bisschen herumspekulieren in meinem Möchtegern Intelligenzforum für Menschen die nichts besseres zu tun haben, als Dinge auseinander zu nehmen und wieder zusammen zu bauen, half mir schon ein bisschen. Auch wenn wir Freaks meist als Leute abgestempelt werden, die von Gefühlen keinerlei Ahnung haben, spürten meine mitfühlenden Chatpartner sofort, dass etwas mit mir nicht stimmte.

Ich stöhnte.

Wollten die mich jetzt auch noch nerven?

Nachdem ich mit bohrenden Fragen wie „Heute n schlechten Tag, wa?“ und „Ist auch wirklich alles ok?“ gequält wurde loggte ich mit der Nachricht aus, es sei alles wie immer. Friede, Freude, Eierkuchen.

Ich lehnte mich zurück und betrachtete meinen Bildschirm, mit den vielen kleinen Ordnern und dem Hintergrundbild von Kari und mir an unserem letzten Strandausflug. Kari.. Das war überhaupt die Idee..

Schnell zückte ich mein Handy, drückte auf die eins und wartete auf ihre Stimme. Ja, Kari war in meiner Kurzwahl die Nummer eins!
 

„Hallo?“, meldete sich wenige Sekunden später ihre kindliche Stimme, leicht verwirrt und zimperlich. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich immer mit unterdrückter Nummer anrief...
 

„Ich bin es Yolei!“ Ein erleichterter Seufzer von der anderen Seite, brachte mich zum Grinsen. Kari lebte in ständiger Angst, das „Böse“ würde bei ihr anrufen, seitdem wir einst einen Horrorfilm gesehen hatten, in der eine Frau mit einem Anrufer tyrannisiert wurde, und schließlich von diesem um die Ecke gebracht wurde. Es war zwar schon ein Jahre her, aber sie zuckte noch immer zusammen, sobald das Telefon klingelte.
 

„Was gibt’s?“, fragte sie. Tellergeräusche. Wahrscheinlich störte ich sie gerade bei Essen..
 

„Ich habe heute eine Verabredung mit Ken.“, erklärte ich zögerlich.
 

„Das ist doch toll!..“
 

„Ja....“
 

„Aber?“
 

„Na ja.. du kennst das doch.. wir wollen zusammen essen, und.. du weißt doch was passiert, wenn man so beieinander sitzt, was isst, schöne Musik hört und...“
 

„Ach so..“, meinte sie vollkommen verständnisvoll und schloss wenig später einer Tür. Sie war wohl in ihr Zimmer gegangen, damit sie ungestört war.
 

„Du hast Angst, dass ihr...“
 

„..anfängt zu tanzen! Genau!“, rief ich ihr dazwischen. Nach einer kurzen Pause begann Kari hysterisch an zu lachen. Sie kriegte sich fast gar nicht mehr ein.
 

„Eh...“ War das denn so komisch?
 

„Du machst dir nicht ernsthaft darum Sorgen, dass ihr das Tanzbein schwingt, oder? Oh man Yolei.. Du bist zum brüllen!!“, quiekte sie und lachte weiter. Immer lauter.

Es war wohl doch nicht so klug sie anzurufen. Pah! Und so was schimpft sich beste Freundin.
 

„Hey! Ich dachte ich könnte ein wenig Beistand von dir verlangen!“, giftete ich durch den Hörer und bekam sie endlich ruhig.
 

„Okay.. okay. Ich.. ich habe mich beruhigt..“, stammelte Kari und holte tief Luft.
 

„Ich dachte eigentlich, dass du mehr Schiss vor... na ja.. du weißt schon..“
 

Ich blinzelte fragend, auch wenn sie das natürlich nicht sah. Woran sollte ich denken?

Ich stand eindeutig auf dem Schlauch.
 

„Yolei? Du weißt doch was ich meine, oder?“
 

„Meinst du etwa....... SEX?“, rief ich erleuchtet und ich bildete mir ein, dass mein Zimmer in einem hellen Schein erstrahlte.
 

„..Der Kandidat erhält hundert Punkte... Ich mein, überleg´ doch mal... Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr vielleicht heute miteinander schlaft ist größer, als das ihr ein Tänzchen wagt. Findest du nicht?“
 

Ich schluckte. Das ergab Sinn. Und ich machte mich hier zum Affen... Ihr da hinter dem Bildschirm hätte auch mal was sagen können! Hmpf, na ja egal..
 

„Dann hab ich mich ja völlig umsonst aufgeregt...“, sagte ich und viel erleichtert auf mein Bett.

Nichts mit tanzen!
 

„Wie? Das war dein Problem? Du machst so eine Welle wegen em Tanzen? Wenn ich ehrlich bin hätte ich viel mehr Muffe vor dem anderen Geschehen..“, meinte sie.
 

Ich hob die Augenbrauen und dachte nach. Eigentlich hatte ich davor keine Angst, oder Panik. Ganz im Gegenteil! Ich freut mich schon ewig auf mein erstes Mal. Das muss doch furchtbar aufregend sein, wenn alles neu ist, und keiner so einen wirklichen Plan hat. Wenn man dann doch irgendwann vielleicht in völliger Ekstase ist und am liebsten die ganze Welt umarmen möchte....

Hach ja...
 

„Ich freu mich....“, säuselte ich gedankenverloren und begann total bescheuert zu kichern.
 

„Äh... ja... Ich muss dann auch mal los...“, murmelte Kari und räusperte sich.
 

„Bis später, und äh... viel Spaß...“
 

Ja den würde ich haben. Nachdem mir klar war, dass ich zu neunzig Prozent nicht tanzen würde, sondern wohl eher mit dem Mann meines Herzens schlafen würde, war ich doch wieder recht positiv gestimmt. Meine Laune änderte sich schlagartig!

Es klopfte an der Tür und meine Mutter linste herein.
 

„Yolei, ich habe Suppe gekocht, willst du auch einen Teller?“, fragte sie und trat in mein Zimmer.
 

Freude strahlend ging auf sie zu und umarmte sie.
 

„Mama! Ich werde heute Sex haben!“, rief ich vollends begeistert und stellte mir vor, wie meiner Mutter wohl gerade die Gesichtszüge entgleisten...

Bis der Groschen fällt 1

Kapitel 22-
 

Genervt versuchte ich das keifende Wesen auf der anderen Seite meiner Zimmertür zu ignorieren. Meine Mutter regte sich wieder sinnloserweise wegen irgendeiner Kleinigkeit auf, die sowieso keinen interessierte.

Außerdem hatte ich weitaus wichtigere Dinge zu verarbeiten.

Zum Beispiel, nein, hauptsächlich den gesterigen Abend, der dann doch anders verlief, als ich zuvor vermutet hatte. Was passiert war?

Nun ich war Gentlemen genug und hatte Mimi meine Schulter zum Ausweinen geliehen.

Allerdings wandelte sich der Abend irgendwie um 180°.
 

Nachdem ich Mimi mit Hängen und Würgen nach Hause bringen konnte, setzten wir uns ins Wohnzimmer und schwiegen. Sie hatte darum gebeten, dass Licht auszulassen. Sie wollte nicht, dass ich sie weiter so verheult sah, wie auf der Straße.
 

Wimmernd zog sie ihre Knie an ihr Kinn und versuchte ihren Atem zu kontrollieren. Die Angelegenheit mit Izzy hatte sie nach all der Zeit wohl noch immer nicht vollständig verarbeiten können.

Ich starrte zunächst noch etwas gedankenverloren in den immer dunkler werdenden Raum.

Draußen ging allmählich die Sonne unter.

Es war schrecklich Mimis Tränen im Schein der letzten Sonnenstrahlen des Tages schillern zu sehen. Ich biss mir auf die Lippe und rückte näher an sie heran. Langsam legte ich ihr einen Arm um die zierliche Schulter und strich abwechselnd herauf und herunter.

Sie schluchzte ein paar mal ehe sie den Kopf schwermütig auf meine Beine nieder ließ.

Ich seufze und starrte wieder gerade aus.
 

Das klang irgendwie wie eine Aufzählung von irgendwelchen noch unrelevanten Ereignissen aber scheiße, ich musste den Abend nochmal durchgehen.
 

„Darüber reden, oder lieber weiter weinen?“ Mimi verkrampfte sich und sog die Luft tief durch ihre Nase.
 

„Ich will nur noch im Erdboden verschwinden...“, murmelte sie.
 

„Hey, von einer dritten Möglichkeit war nicht die Rede..“, scherzte ich und schaffte es doch tatsächlich, Mimi ein Kichern zu entlocken. Zufrieden lächelte ich in mich hinein und strich ihr über den Kopf.
 

„Warum sind Männer nur so kompliziert?“ Mimi richtete sich auf und zog sich einzelne Haarsträhnen aus den Gesicht. Ich grinste.
 

„Weil wir alle riesen Arschlöcher sind..“, antwortete ich und streckte mich ausgiebig. Sie lachte leicht und schniefte erneut.
 

„Taschentuch gefällig?“, fragte ich und schob mich bis zur Kante des Sofas vor, um an eine Packung auf dem Tisch zu gelangen. Schwach lächelnd nahm sie eines heraus und wischte ihre Tränen vom Gesicht.
 

„Danke...“
 

Wieder Stille. Mimi kauerte sich etwas zusammen und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
 

„Warum hast du eigentlich keine Freundin?..“
 

Perplex riss ich die Augen auf und räusperte mich irritiert. Warum hatte ich keine Freundin? Ach ja genau... eh.. nein, ehrlich gesagt viel mir kein guter Grund ein. Außer, dass ich mich bislang wohl doch eher mit Fußball spielen beschäftigt hatte, als mit Mädchen.

Was nicht heißen sollte, dass ich noch nie eines geküsst hatte!
 

„Rababah Rababah...“, murmelte ich und verschränkte unsicher die Arme. Warum warf mich diese Frage jetzt so aus dem Konzept? Verdammt.
 

Abwesend legte Mimi ihr Gesicht in ihre Hände und schaute zu mir herüber. Anhand ihres verträumten Blickes nahm ich an, dass sie schon längst vergessen hatte, dass ich überhaupt da war. Sie schwebte wohlmöglich auf einem Wölkchen durch ihre zerbrochene Glitzerwelt, um nach den letzten Scherben zu suchen, die sich verzweifelt zusammen zu kleben versuchte.
 

„Ich bin bescheuert..“, murmelte sie plötzlich und ließ mich aufhorchen. In manchen Momenten hätte ich wohl dazu meinen Kommentar abgelassen, doch in Anbetracht der nun doch etwas gereizten und deprimierten Stimmung ließ ich das besser.

Mimi seufzte so ergreifend das sich meine Nackenhaare aufstellten. Man, was sagte man an dieser Stelle wohl zu einer Frau, die gerade überhaupt nicht auf demotivierende, pessimistische Äußerungen kann? Ich schwieg zunächst und versuchte ihr durch ein Tätscheln ihrer Hand das Wichtigste zu vermitteln.
 

„Du kannst ruhig zugeben, dass ich recht habe...“ Ich biss mir auf die Lippen. Gar nicht gut.
 

„Nun ja....“, begann ich und versuchte mir vorzustellen, was meine lieben Freunde wohl getan hätten. Matt hätte wohl stumm genickt. Würde ich ihm jedenfalls zutrauen. Joey wäre wohl plötzlich eingefallen, dass er morgen eine wichtige Vorlesung hat, und dringend nach Hause musste. Na ja und Koushiro? Hm, über den durfte ich hier wohl lieber nicht nachdenken, war er doch schließlich der Grund für all den Zirkus.
 

„Viel zu lange lass ich mich von diesem grauenhaften Gefühl leiten. Viel zu lange, schon glaube ich doch ernsthaft daran, dass er mich doch wieder haben will. Viel zu lange schon, gehe ich verbittert durch die blühende Welt und vergraule mir meine Freunde.“

Entschlossen schoss sie hoch und nahm eine Kampfpose ein.Verdutzt starrte ich sie an, und wartete erwartungsvoll auf eine Fortsetzung dieser Aktion.
 

„Ich muss endgültig damit aufhören. Ich muss wieder stark sein. Ihm weiter hinterher zu weinen ergibt eh keinen Sinn!“ Sie grinste zu mir rüber und wurde leicht rot, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. Ich schien nicht sehr überzeugt auszusehen, als sie schließlich ihre Hände in die Hüften stemmte und mich fordernd ansah.
 

„Ich.. eh freue mich, dass du zu dieser Erkenntnis gelangt bist, liebe Mimi, aber...“ Ich räusperte mich und stand ebenfalls auf um mich abermals zu strecken. Diese Couch war furchtbar, wie konnte man darauf denn nur sitzen?
 

„.. bist du dir sicher, dass du das dieses Mal ernst meinst?“
 

Grimmig biss sich Mimi auf die Lippe. Ich hatte scheinbar einen wunden Punkt getroffen.
 

„Was soll das Tai?“
 

„Ganz einfach.... Es ist nicht dein erster Versuch dieser Situation zu „entkommen“. Du hast uns schon einmal versichert, dass du dein Leben wieder in Griff bekommen willst...“
 

Mimis Augen wurden glasiger und verschwommen, Wasser sammelte sich in ihnen. Na großartig, Yagami. Du hast es geschafft, ein Mädchen erst aufzubauen und dann wieder umzuhauen. Wenn Sora doch nur hier wäre... Die würde das regeln können...
 

„Mimi... hör zu. Das tut mir Leid, aber...“ Ich stöhnte und merkte, dass ich selber nicht weiter wusste. Was hätte ich schon sagen sollen? Ich wusste es nicht.
 

„Schon gut....“, murmelte sie und sah irgendwie gebrochen aus. Mit einer Hand strich sie sich den Arm entlang hoch zu ihrer Schulter und umarmte sich schließlich schützend. Ich schluckte.
 

„Ich weiß das... So versuche ich steht´s meine Fassade zu erhalten. Das ist das erste Mal, dass es immer und immer wieder nicht klappt...“ Sie seufze und lehnte sich mit der Stirn gegen meinen Oberkörper. Mitfühlend legte ich meine Arme um sie.

Mittlerweile standen wir im völligem Dunkeln, draußen sah ich die leuchtenden Straßenlaternen und den Abendverkehr.

Zu dieser Zeit kamen meist die Menschen nach Hause, die für ihren Chef die Überstunden schoben, in der Hoffnung auf mehr Geld oder eine Beförderung. Beides würden sie wohl nie erhalten...
 

„Weißt du... es ist nie gut, sich zu verstellen. Das vermittelt doch immer einen falschen Eindruck. Wie soll man da wissen, wie du wirklich bist?“ Ich hörte sie erschrocken einatmen und fühlte wie ihre Muskeln arbeiteten.
 

„Auch das mit deinem Liebeskummer musst du doch nicht verbergen. Du hast doch gemerkt, dass du nicht mehr konntest, du bist auf offener Straße in Tränen ausgebrochen...“
 

„Ich weiß...“, murmelte sie.
 

„Letzten Endes hast du mich ja auch aufgefangen. Du hast versucht mich wieder aufzubauen....“
 

Ja ha, versucht! Und versagt, dachte ich mir und räusperte mich.
 

„Dafür danke ich dir.... Du bist ein wahrer Freund... Ein sehr, sehr guter Freund...“
 

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Und da sagte meine Mutter ständig, ich sei zu nichts gut. Ha, Mum, Headshot, voll ins Knie!

Tai war also doch kein Frauenloser.
 

Sie löste sich von mir und schüttelte ihre Frisur zurecht. Professionell wie immer.
 

„Komme gleich wieder...“, murmelte sie und verschwand im dunklen Flur. Ich schielte derzeit auf den Display meines Handys. 22.13. Uhr. Mum würde wieder ausflippen. Ich hatte mich ständig wie ein kleines Kind zu melden. Das war vielleicht der Nachteil an Japan. Hier war man erst mit zwanzig volljährig. Und so würde sie mich noch weitere zwei Jahre quälen...
 

Mimi kam wieder und verbreitete eine Parfümwolke. Im Schein der Lichter von Draußen sah ich, dass sie sich neu geschminkt hatte. Ich seufzte.
 

„Was? Ich hasse es schlecht auszusehen... Auch wenn es mir scheiße geht...“, grummelte sie und schmollte. Ich lachte kurz und ließ mich wieder auf das komische Sofa fallen. Es stieß mich fast wieder von sich, so hart war es. Mimi lachte ebenfalls und verschwand hinter der Theke der angrenzenden Küche.
 

„Sorry, das Sofa ist echt der Horror... Willst du vielleicht was trinken?“, hörte ich ihre zitternde Stimme sagen und gab ein „Hm“ von mir.
 

„Klar, ein Wa-“ Mimi kam mit zwei vollen Flaschen flüssigem Lustigmacher wieder. Spricht Alkohol. Ich schluckte meine Worte herunter und staunte nicht schlecht, als sich Madame neben mich setzte und grinste.
 

„Ich dachte... ich dachte, wir könnten ein bisschen Trübsaltrinken machen... Du weißt schon... Den Kummer „wegsaufen“.“ Mit einer schwungvollen Bewegung ließ sie ihren Arm in die Höhe schießen. Bewundernd schaute ich von ihr, zu den Flaschen.
 

„Meinst du ernsthaft, Kummer kann man wegspülen?“, fragte ich und sah ihr in die Augen.

Sie schaute zurück und lächelte. Ihre honigfarbenen Augen leuchteten im einfallenden Licht.
 

„Nein...“, antwortete sie und rückte näher.
 

„Aber man kann ihn für eine gewisse Zeit vergessen machen....“
 

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Tschuldigung für die ellenlange Pause >-<

Seid gespannt, wie es weitergeht ;3

Bis der Groschen fällt 2

Ich war Tai mittlerweile gefährlich nahe gerückt und vergaß allmählich, dass ich eigentlich ordentlich Alkohol zu mir nehmen wollte. Irgendwie fand ich ihn viel interessanter, ich fühlte mich quasi zu ihm hingezogen. Ich war wie in einer Art Trance, die mich dazu verleitete, ihm so nahe zu kommen, dass sich unsere Nasen und dann unsere Lippen trafen. Anstatt sich zu wehren erwiderte Taichi den Kuss und intensivierte ihn sogar recht schnell. Seine Hand fuhr erst an meiner Wange, dann runter an meinem Hals entlang, ehe sie schließlich auf meiner Schulter ruhte. Alles war vergessen, mein Schmerz, Koushiro, die Welt, das Universum. Vor mir war nur Tai, an den ich mich immer mehr anschmiegte und meine Arme um ihn schlang, als hätte ich Angst, er würde davon laufen.

Kurz stoppte Tai den innigen Kuss und sah mir nachdenklich in die Augen.

„Bist du dir sicher, das du...“, sagte er ehe ich ihm einen Finger auf den Mund legte und ihn somit unterbrach.

Ich wollte nicht mehr reden. In mir wuchs der ungeheure Drang mit Tai mehr zu machen, als ihn nur zu küssen. Schon solange waren wir Freunde und wenn irgendetwas schief lief in meiner rosaroten Barbiewelt, hatte er steht´s ein offenes Ohr dafür. Und das gerade in der Zeit nach Izzy. Seine Schulter war immer frei, damit ich mich anlehnen konnte. Doch nun, wo ich ihm so nahe war, und in seine tiefbraunen Augen sah, fühlte ich einfach etwas mehr als nur Freundschaft. Geborgenheit und... Liebe..?

Ich wollte Tai plötzlich mehr als nur zum Freund ich wollte ihn ganz nahe spüren, Haut an Haut. Es war als wäre ich von ihm magisch angezogen.. Ich wollte Tai!

„Psst... ich will nicht weiter in Trauer versinken... Bitte... lass es mich wenigstens für heute vergessen...“, flüsterte ich und lächelte sanft.

Taichi fuhr durch meine Locken und zog mich wieder ganz nahe an sich heran.

Ohne noch irgendetwas zu erwidern, wanderte seine Hand von meinem Hals hinunter u meiner Hüfte, wo sie vorsichtig mein Top hochschob und mir über meinem Rücken strich.

Ein Kribbeln durchzog meinen Körper und meine Nackenhaare stellten sich auf. Wieder begann ich ihn zu küssen, dieses Mal nur wilder. Mein Verlangen stieg immer weiter und so fuchtelte ich energisch an seinem T-Shirt herum.

Tai begann zu kichern.

„Mein T-Shirt gegen dein Top...“, hauchte er mir ans Ohr und ließ mich aufseufzen. Ein dickes Grinsen machte sich auf meinen Lippen breit während unser „kleines Tauschgeschäft“ von Statten ging. Mein braunhaariger Freund stieß mich anschließend auf den Rücken und drückte mich mit einem Kuss tief in die Sofakissen. Mein Herz begann zu rasen und mein Atem wurde schneller.

Dafür, das Taichi angeblich nochmals mit einem Mädchen geschlafen hat, geschweige denn eine zur Freundin hatte, wusste er ziemlich genau, wie er mich zum kochen brachte.

Mich am Hals und Dekolleté küssend nestelte er bereits an meinem Hosenbund. Als Mann konnte er ausgezeichnet an zwei Orten gleichzeitig hantieren. Ich war so sehr begeistert, dass ich vor lauter Hitze und Lust wie blöde kicherte, und das alles mit Gestöhne untermalte.

Ich hatte aber auch eine wichtige Beschäftigung gefunden, die allerdings für Tai wohl eher schmerzhaft war. Mit meinen eigentlich frisch manikürten Fingernägeln kratzte ich dem armen Schönling ordentlich über seinen vom Fußballspielen gut trainierten Rücken, die definitiv rot, bis blutige Striemen hinterlassen würden. Es schien ihn aber, anders als gedacht, überhaupt nicht zu stören. Nein, er grinste sogar schelmisch.

„Na warte Kätzchen... Zeit, deine Krallen mal zu stutzen...“, murmelte er und küsste mich anschließend leidenschaftlich.
 

~
 

Langsam schlug ich die Augen auf und starrte in die irritierten Gesichter meiner Eltern. Wie erstarrt lag ich auf dem Sofa, wohlwissend, dass es durchaus sein könnte, dass ich nichts anhatte, und wohlmöglich Tai genauso spärlich bekleidet neben mir platziert war.

Verdammter Mist, wer hatte die denn eingeladen?

„Was zur Hölle macht ihr denn hier?“, fragte ich mit piepsiger Stimme und griff nach der nicht existierenden Decke.

„Was soll denn die Frage? Soweit ich weiß, wohnen wir hier!“, beschwerte sich mein Vater und rückte seine Brille zurecht. Meine Mutter runzelte die Stirn.

„Mimi, Liebling, geht’s dir nicht gut?“

„Ihr wolltet doch zu Oma!“, überging ich die Frage und rang um Fassung. Verdammt, verdammt!

„Da waren wir doch auch..“

„Bis zum Zwanzigsten!“

„Heute ist sogar schon der Einundzwanzigste!“

Ich schluckte schwer. Ich hatte total vergessen, dass meine Eltern für eine halbe Woche zu meinen Großeltern gefahren waren, um bei deren Umzug zu helfen. In den Ferien verlor ich aber auch ständig mein Gefühl für Raum und Zeit...

„Tut mir Leid... Ich- Ich hab vollkommen vergessen, wann ihr wieder zurück seid...Momentmal..wenn heute schon der Einundzwanzigste ist, und ihr gestern wiederkommen wolltet...“

Meine Augen wurden vor lauter Schock immer größer. Hatten meine Eltern etwa irgendetwas von Tai und mir... gesehen?

Ich schreckte schwer atmend hoch und stellte fest, dass ich gar nicht nackt war. Ich trug Tais T-Shirt. Verblüfft sah ich wieder zu Mama und Papa.

„Wir sind ehrlich gesagt erst vor einigen Minuten zur Tür herein... Uns hat doch ein übler Stau erwischt, hast du denn den Anrufbeantwortet nicht gecheckt? Wir saßen die ganze Nacht im Auto und haben uns den Hintern platt gesessen. Ich kann dir sagen, dass war vielleicht eine Tortur..“, stöhnte meine Mutter und ließ sich neben mir auf das Sofa fallen.

Ich erschrak, immer noch voller Angst, Tai könnte noch neben mir liegen. Aber als ich meinen Blick schweifen ließ, war der Platz neben mir leer. War er tatsächlich abgehauen?

Ich biss mir auf die Lippen und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Wie konnte er einfach... verschwinden?

„Aber sag mal Schatz, weswegen liegst du denn auf dem Sofa? Ist dir dein Bett nicht mehr gut genug?“ Meine Mutter riss mich wieder den Gedanken. Mistkerl. Wut stieg in mir auf. Waren denn alle gleich? Ich hätte kotzen können.

„Ich... Ich habe einen Film im Fernseher gesehen, und bin wohl... eingeschlafen...“, log ich mit schwacher Stimme und hoffte, dass es meine Eltern schluckten. Wenn meine Aussage stimmte, würde der Fernseher doch noch laufen, oder?...

„Na dann... Sonst alles gut? Du wirkst so traurig..“, wollte meine Mutter wissen und ging lächelnd Richtung Küche. Ich zuckte zusammen und winkte ab.

„Nee, alles okay..“ Mein Vater verstaute das Gepäck derzeit im Schlafzimmer.

„Dann koche ich uns erstmal was leckeres zu essen!“, rief sie begeistert und kramte wie eine Wilde in den Schränken. Oh je... Wenn sie erstmal loslegte, ergaben sich die merkwürdigsten Gerichte..

Mein Vater war jedenfalls wieder endlos begeistert.

„Ich geh mal duschen..“, murmelte ich. Erst huschte ich in mein Zimmer um mein Handy zu suchen und verkroch mich anschließend im Badezimmer. Traurig verschloss ich die Tür.

Vielleicht hatte er ja eine SMS geschrieben?

Vorsichtig sah ich auf den Display meines Handys- Tatsächlich, ich hatte eine Nachricht von ihm.

„Liebe Mimi, du wirst wahrscheinlich unheimlich sauer auf mich sein, wenn du bemerkt hast, dass ich weg bin. Sorry! Aber das Ganze hat einen Grund, der dir nicht egal sein dürfte... Ruf mich am besten an, sonst wird das hier noch ein Roman... Hey, das hat sich gereimt... Tai“

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und mit spitzen Fingern wählte ich seine Nummer an.

Vielleicht... vielleicht war er doch nicht der Mistkerl für den ich ihn gerade hielt.

Er nahm sofort ab.

„Gut das du anrufst, Mimi. Ich habe schon die ganze Zeit darauf gewartet...“, sagte Taichi mit ruhiger Stimme und lachte schwach. Ich schwieg. Ich bekam kein Wort raus. Aus irgendeinem Grund stiegen mir die Tränen in die Augen. Jetzt kam bestimmt : “Eh, wir bleiben doch Freunde, oder?“, oder, „Ich gegangen, weil es sich falsch anfühlte..“

„Hör zu. Ehe ich von dir eine Standpauke bekomme, und du eine Horrorszene vom Feinsten abziehst, möchte ich die Situation doch bitte erstmal aufklären. Denk bloß nicht, das ich einer dieser Menschen bin, die so was sagen von wegen: „Unsere Freundschaft ist mir wichtiger.“ Pustekuchen, ich fand das gestern weder falsch noch grauenvoll, und ich weiß nicht wie es dir geht, aber... irgendwie kamen da ganz warme Schwingungen auf mich zu...“, brabbelte er vor sich hin. So seltsam hatte ich Taichi auch noch nicht erlebt. Mister schlagfertige Zunge fehlten doch tatsächlich die Worte?! Ein genervtes Brummeln kam durch den Höhrer.

„Ich komme besser mal zu Punkt, sonst platzt einer von uns beiden noch...“, murmelte er.

„Mitten in der Nacht ging euer Telefon, und davon bin ich wach geworden. Das ist übrigens ein absolutes Wunder, denn normalerweise kriegt mich nichts wach. Nicht mal mein Monster von Mutter. Jedenfalls konnte ich schlecht rangehen, ich meine wie käme das denn rüber? Und so ging dann der Anrufbeantworter dran. Deine Eltern waren dran, und sagten sie ständen im Stau und würden eventuell erst in den frühen Morgenstunden zu Hause sein. Das war für mich der Starschuss, denn sollten deine Eltern früher kommen, so würden sie uns auf dem Sofa sehen, und ich wusste nicht, wie deine Eltern darauf reagieren würden. Meine würden mir den Kopf abreißen... Deswegen bin ich so gesehen geflüchtet, und hab dir schnell was übergezogen, damit es einfach so aussah, als wärst du eingeschlafen. Ich hoffe du kannst mir folgen?“

Nach seiner langen Rede saß ich perplex auf dem Toilettensitz und atmete tief durch. Er war nicht abgehauen, er wollte lediglich Ärger vermeiden... Ich lächelte und heiße Tränen liefen mir vor Freude über die Wangen. Taichi war also kein Mistkerl.

„Mimi?“ Seine Stimme ließ mich zusammen zucken.

„Danke..“, sagte ich leise, um endlich auch mal was erwidern.

„Also... War das richtig so? Du bist mir nicht böse, oder so?“, wollte Tai wissen und klang irgendwie leicht panisch. Ihm schien viel an mir zu liegen...

„Das war eine gute Idee... Ich war nur erst ziemlich bestürzt, weil... ich dachte du seist einfach abgehauen und würdest das alles unter den Teppich kehren, als wäre nichts gewesen...“, erklärte ich und bemerkte wie dumm ich gewesen war. Nicht jeder war so ein Idiot. Taichi schien eben doch anders zu sein.

„Das hast du nicht ernsthaft von mir gedacht, oder? Mimi, du müsstest mich mittlerweile besser kennen. Du weißt wie sehr ich es hasse, jemanden vor den Kopf zu stoßen. Und schon gar nicht dich. Dafür mag ich dich viel zu sehr...“ Seine Stimme war sanft und hüllte mich wie eine warme Decke ein. Ich seufzte und fühlte wie meine Wangen immer röter wurden.

„Du magst mich... wie sehr?“, fragte ich wie ein kleines Mädchen. Gott, dass war vielleicht peinlich. Ich fühlte mich zurück an meine erste Beziehung katapultiert. Taichi lachte am anderen Ende der Leitung, was meine Situation nicht gerade verbesserte.

„Süß... Fehlt nur noch: „Willst du mit mir gehen? Ja, Nein, Vielleicht!“ Ich grummelte.

„Antworte einfach, du Dussel..“, erwiderte ich und schmollte. Er konnte das zwar nicht sehen, aber ich erhielt trotzdem ein mitleidiges „Ohhhh“.

„Also gut, mein Kleines. Ich mag dich nicht nur ganz doll, ich hab dich sogar ganz doll lieb!“ Er antwortete mit der gleichen Masche wie ich, was mich ein wenig zur Weißglut brachte. Dennoch musste ich grinsen, als sein schönes Lachen ertönte.

„Danke, der Herr, jetzt bin ich schlauer...“, kicherte ich und lehnte mich zurück. Meine Mutter klopfte an die Tür.

„Mimi, Schatz sprichst du mit dir selbst?“, fragte sie besorgt. Ich lachte.

„Nein Mama, ich telefoniere!“ Ein erleichtertes Stöhnen entglitt ihr.

„Dann ist ja gut... gleich gibt’s Essen!“

„Okay..“

„Madame muss also aufhören zu telefonieren?“

„Sieht so aus...“, jammerte ich. Ich wollte noch nicht aufhören, ich wollte noch Stunden mit ihm sprechen, Tage, Monate...

„Dann sollten wir aufhören.“

„Hmm..“

„Beende dein Selbstgespräch mit mir und lege auf Mimi!“ Ich kicherte.

„Leg du doch auf!“

„Ich habe das zu erst gesagt, Fräulein!“

„Na und, darauf pfeife ich!“

„Wollen wir etwa frech werden?“

„Oh jaa...“

„Na warte... Ich weiß wo du wohnst, ich komme vorbei und kitzel dich ins Nirvana..“

„Oho, jetzt habe ich aber Angst.“ Ein lautes Lachen durchdrang die Leitung.

„Okay ich muss wirklich schluss machen... Mein Vater lässt mir sonst nichts übrig..“, meinte ich und strich sanft über den Display meines Handys.

„Gut, ich ruf dich später nochmal an, wir müssen da nämlich noch was vorbereiten.“, entgegnete Tai.

„Vorbereiten?“ Verwirrt kratzte ich mich am Kopf.

„Ja, Matt hat morgen Geburtstag, falls du es vergessen hast. Ich dachte mir, wir feiern ein Wenig... Um ihn abzulenken, und so...“

„Das hab ich total vergessen...“

„Dafür hast du ja mich, und nun hopp, das Essen wird sonst kalt!“ Seine motivierende Stimme ließ mich aufspringen.

„Jawohl, Herr General! Bis später!“

„Bis später und... Ehm Mimi?“

„Hm?“

„Ich liebe dich...“ Mein Herz machte einen Sprung, seine Worte hallten in meinem Kopf immer und immer wieder.

„Ich... dich auch..“ Antwortete ich und legte auf.

Mein langes Trauerspiel hatte schließlich doch ein Ende gefunden. Ich hatte Taichi gefunden, obwohl er schon so lange bei mir war. Ich lächelte und sah in den Spiegel.

Ach Sora... Ich wünschte, du wärst hier...

Mein bester Freund ein Frauenheld?

Okay, was geschieht hier? Ist das etwa nach 5 Jahren endlich wieder ein Kapitel?
 

Wenn du das hier ließt lieber Leser, bist du tatsächlich im neuen Kapitel dieser Fanfiction!
 

Wieso ich jetzt erst wieder zurückkehre? Nun wir alle kennen es: Es nennt sich real life :D

Da ich immer noch Kommentare von euch bekomme, in denen ich gebeten werde weiterzuschreiben, dachte ich ich nutze dies als Wiedereinstieg in die Welt des Schreibens. :3
 

Ich versuche mich jetzt langsam wieder in die Geschichte einzufinden, und hoffe, diese in diesem Leben noch zu beenden. Als ich mich durch ein paar Kapitel gelesen habe, sind mir viele Logik- und Rechtschreibfehler aufgefallen. Und ich habe mir überlegt, parallel zu neuen Kapiteln, die bestehenden zu überarbeiten. Mal sehen. Jetzt erstmal viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
 

(Für die, die es nicht mehr wissen, die einzelnen Charaktere übernehmen jeweils ein Kapitel. Matt ist nun dran)

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Ich kniff die Augen angestrengt zusammen und schnaubte. Tai war bei mir, wie ein Wasserfall redend, und durchquerte mein Zimmer wie ein hungriger Löwe im Zoo. Vieles von dem, was mein bester Freund von sich gab, verursachte bei mir schwere Kopfschmerzen. Die ganze letzte Woche hatte ich mich wegen Sora eher halbherzig für die Geschichten rund um unseren Freundeskreis interessiert, seit sie weg nicht war mal mehr mit meinem Bruder ein vernünftiges Wort gewechselt.

Nun erfuhr ich Dinge die ich nicht hören wollte, und mir sofort wünschte ich hätte ihm nicht die Tür aufgemacht.
 

Kurze Zusammenfassung der letzten halben Stunde, seitdem Tai die Bonanza-Melodie an die Haustür geklopft hatte und mich mit ekelhafter Freude umarmend in mein Zimmer schleifte: Irgendwas war mit Izzy und seiner Freundin, woher Tai das auch immer wusste. Ich hatte nicht zu gehört. Erst dann wurde ich hellhörig:
 

„Und dann hab ich mit ihr geschlafen.“ Tai lehnte sich angestrengt über meinen Schreibtischstuhl und keuchte. Das Herumgelaufe und Reden hatte den Sportler in ihm wohl ordentlich gefordert.
 

„Mit wem hast du geschlafen?“, hakte ich erschrocken nach. Mein bester Freund, von dem ich dachte ich würde ihn irgendwann seinen Fußball heiraten sehen, hatte mit einem Menschen geschlafen. Kam da jemand endlich in die Pubertät?
 

„Sag mal tust du nur so, oder bist du wirklich mein bester Freund? Du sollst mir doch zuhören!“, fragte Tai und schüttelte erschüttert den Kopf. Ich prustete. Das hatte doch tatsächlich meine Lebensgeister geweckt.
 

„Ich überlege noch. Sag mir lieber wer die oder der Glückliche war!“
 

Taichi griff sich theatralisch an seine Brust. „Der Glückliche? Du hältst mich für schwul?“
 

„Oh Tai.. Ich hatte schon oft das Gefühl das du kein Bock auf Frauen hast, weil du nie mit einer vor mir standest. Und weißt du was? Mir ist völlig egal auf was du stehst, solange du glücklich bist. Das Herz will was das Herz will...“, sagte ich. Meine Kehle war ganz trocken. Kein Wunder, ich hatte seit Tagen nicht mehr so viel gesprochen. Okay, das stimmte nicht ganz.
 

Tai starrte mich mit großen Augen an, als hätte ich ihm gerade versucht Integralrechnung beizubringen. Etwas, was schon während der Schulzeit nicht bei ihm funktioniert hatte. Dann lachte er lautstark.
 

„Matt, du bist WIRKLICH mein bester Freund. Willkommen zurück im Team.“ Ich grinste angenervt. Jetzt wollte ich aber wirklich wissen, wovon mein toller bester Freund hier wirklich sprach. Ich rutschte an die Kante meines Bettes, auf dem ich gesessen habe, und beugte mich gespannt zu Tai. Dieser wippte mit der Lehne des Stuhls hin und her und wartete.
 

„Das Gehör deines besten Freundes soll nun ganz dir gehören.“, meinte ich mit tiefer Stimme und konnte mir ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. „Also, wer war´s noch gleich?“
 

„Wenn mir dein Gehör wirklich gehören würde, dann wäre dir nicht entgangen, dass ich mit Mimi geschlafen habe.“, entgegnete er gelassen und ließ sich mit einem Ächzen des Stuhls auf diesem fallen. Ich schluckte und sah ihn eine Weile ungläubig an. Das musste mein armes Gehirn kurz verarbeiten. Das schien ihn zu belustigen, denn in der nächsten Sekunde fing er an zu kichern wie ein kleines Kind.
 

„Mimi? Bist du dir sicher?“, fragte ich verwirrt, weil es einfach nicht in meine Birne wollte. Schlief jetzt eigentlich jeder mit jedem in unserem Freundeskreis? Ich sag´s nur ungern, aber wenn das so weiter ging, waren wir alle in 30 Jahren miteinander verwandt. Tai verdrehte nur die Augen.
 

„Ich weiß ja nicht wie dein Sexleben im Detail abläuft, aber ich für meinen Teil weiß für Gewöhnlich wo ich ihn reinstecke... Wenn du verstehst was ich meine...“ Jetzt verdrehte ich die Augen.
 

„So wie du klingst hast du ja ein unfassbar reges Liebesleben, mein Guter – das du mir by the way übrigens verschwiegen hast.“, pfefferte ich zurück und wurde zum Dank gegen die Schulter geboxt. Schweigen machte sich breit und Tai kratzte sich am Hinterkopf.
 

„Also echt Mimi, ja?“ Tai nickte und seufzte. Ein Seufzen, dessen Stimmung ich nicht deuten konnte. „Was ist denn los, eben warst du doch noch so euphorisch? War es so schlimm? Mach dir mal nicht draus, das erste Mal ist bei fast jedem scheiße.“
 

Taichi rutschte in meinem Stuhl herunter so das sein Kinn seinen Oberkörper berührte. Seine Hände klopften nervös auf seinen Bauch. Er schaute mich an und seufzte erneut. Ich runzelte die Stirn.
 

„Das ist es nicht. Es war schon geil. Aber... -“, Tai rutschte vom Stuhl und krabbelte vor mir auf den Boden. „... ich hab da glaub ich etwas getan, was etwas überstürzt war.“ Er biss sich auf die Lippen, während ich nur die Augenbrauen hob. Ich hatte Taichi selten so unsicher erlebt. Ich ahnte schon das Schlimmste.
 

„Was hast du angestellt?“, fragte ich vorsichtig, meinen Kopf auf meinen Händen stützend. Tai faltete die Hände und holte tief Luft.
 

„Ich hab vorhin mit ihr telefoniert und eh.... ich hab ihr gesagt, dass ich sie liebe.“, platze es schließlich aus ihm heraus und er legte sein Gesicht in seine Hände um es zu verdecken.
 

„Oh Tai...“ Ich stieß einen Laut der Enttäuschung aus. Jetzt war es offiziell. Meine Vision von uns allen in 30 Jahren wird wahr, ich hab es euch gesagt. Warum lieben sich plötzlich alle?
 

„Ich weiß, ich weiß... das Schlimmste ist, dass, sobald ich aufgelegt hatte, habe ich mich gefragt, ob ich.... sie wirklich liebe, oder das nur gesagt habe, weil es ihr so schlecht ging wegen Izzy..“
 

Ich verpasste ihm eine Kopfnuss. „Willst du mich verarschen? Tai, das ist das aller Letzte!“, maulte ich und haute ihm direkt nochmal auf den Kopf. Ich hatte nicht damit gerechnet das Tai, trotz seiner selbstbewussten Art, jemals eine Frau abschleppt, aber erst recht nicht damit, dass er einfach jemanden Gefühle vorgaukelt, um sich dann zu fragen ob diese wirklich vorhanden sind?
 

„Die hab ich verdient gehabt...“, meinte er und rieb sich die Stelle die ich getroffen hatte. Ich starrte ihn wütend an. Über die Zeit hinweg hatte ich ein wenig den Draht zu unserer Prinzessin Mimi verloren, aber nach der Sache mit Iz und seiner neuen Flamme tat sie mir leid. Sie litt. Taichi hatte ich bislang immer für den Richtigen gehalten, wenn es darum ging jemanden wieder aufzubauen. Das war einfach sein Steckenpferd. Immer einen lockeren Spruch oder Witz auf Lager, ein kesses Grinsen dazu und man konnte Dank Tai wenigstens wieder ein wenig lachen. Aber das er mit Mimi schlief und ihr sagte er würde sie lieben und das vielleicht nicht so meinte – das war zu viel für mich.
 

Er schaute sich schämend wieder hoch. „Ich mag sie wirklich gern. Nach dem Iz mit ihr Schluss gemacht hatte – auch wenn das ja wohl abzusehen war – war ich echt super gern für sie da. Sie konnte sich immer bei mir ausheulen. Vorgestern traf ich sie dann aufgelöst in der Stadt und brachte sie nach Hause... und auf einmal saß sie auf mir drauf und küsste mich... ich wollte sie nicht wegstoßen... schon gar nicht weil es mir ziemlich gefallen hat, was sie da angefangen hat und - „
 

„Ja, ja danke keine Details. Das heißt das du den letzten Abend vor Soras Abflug ordentlich Spaß auf Kosten von Mimi gehabt?“, unterbrach ich ihn und schnipste ihm gegen die Stirn.
 

„Ich - … nein man.... Was glaubst du wie sie reagiert hätte, wenn ich gesagt hätte „Nein, danke?“. Das hätte ihr doch den Rest gegeben...“ Schockiert verpasste ich ihm eine Ohrfeige. War das Tai oder der Teufel höchstpersönlich? Vielleicht sollte er doch beim Fußball bleiben.
 

„Okay jetzt reichst! Ich klatsch dir auch gleich mal eine!“, fluchte Tai und stand auf. Ich verfolgte ihn wütend mit meinem Blick, während er zum Fenster ging. Ich war so sauer, dass ich nicht mal mehr wusste, was ich sagen sollte. Ich wollte auch nichts mehr sagen.
 

„Ich wollte nicht wie der letzte Arsch klingen... Du kennst mich, ich bin echt nicht so drauf...“, versuchte er entschuldigend zu sagen, doch das änderte nichts daran das ich ihm wegen seines verachtenden Verhaltens eins in die Fresse geben wollte. Das erinnerte mich an alte Zeiten, in denen wir uns nicht besonders verstanden und uns regelmäßig verdroschen hatten. So eine Wut hatte ich auch gerade auf ihm.
 

„Matt... echt, sorry für das, was ich gesagt hab. Ich schätze ich hab einfach Panik..“ Er drehte sich verzweifelt zu mir um, rieb sich die Wange und kam wieder zu mir zurück. Er setzte sich neben mich und seufzte.
 

„Panik? Wovor?“, fragte ich nach einer Weile und hatte eine leichte Vorahnung zu wissen, wovor er Angst hatte. Ich sah meinem besten Freund in die Augen, und sah die Verzweiflung, die sich in ihnen wiederspiegelte. Da tat mir meine Dresche an ihn direkt wieder leid.
 

„Man Matt... ich mag Mimi wirklich sehr. Sie ist eine tolle, verrückte Frau. Und sie hat wegen Izzy so sehr gelitten. Und gerade deswegen, weil sie an ihm hängt... oder gehangen hat, hatte ich heute plötzlich das Gefühl, dass das alles viel zu schnell geht. Auf einmal schläft sie mit mir? Das ist so....“
 

„unwirklich?“, beendete ich seinen Satz. Meine Vermutung war bestätigt. „Du hast Angst, dass du ein Lückenbüßer bist. Aber wo war dann der coole Tai, um die Situation gekonnt zu meistern?“
 

Tai sah mich genervt an. „Der hat wohl Ausgang gehabt... Aber jetzt mal ehrlich... Mimi ist kein Kind von Traurigkeit. Die kann doch jeden haben. Und ich glaube, dass hat sie sich an dem Abend auch genommen. Ich war der jemand. Und jetzt hab ich das Gefühl mit den berühmten drei Worten ein großes Wirrwarr angerichtet habe. Ich weiß selber nicht wieso ich das.... einfach rausgehauen hab.“
 

„Vielleicht warst du noch überwältigt von der heißen Nacht?“, witzelte ich um die Stimmung zu heben. Auch wenn das etwas schwer war. Taichi lachte schwach. Ich klopfte ihm auf die Schulter.
 

„Mimi ist vielleicht schräg, aber ich glaube nicht das sie einen guten Freund für ein bisschen besser fühlen ausnutzen würde. Dein übereiltes Liebesgeständnis war wagemutig. Wie hat sie reagiert?“
 

„Sie sagte sie liebt mich auch...“, entgegnete er. Mir fiel die Kinnlade runter und ich gab ein dümmliches Geräusch von mir. Was zur Hölle ging hier vor sich?
 

„Ich hab noch nicht verdaut das ich gestern meine Freundin in den Flieger gesetzt habe, und jetzt kommst du mir mit so einer Hammerstory, die sich mal so neben dem ganzen Flughafengedöns gestern ereignet hatte? Sind wir hier in einer Sendung á la versteckter Kamera? Ich finde das nicht witzig!“
 

„Ey, du hast dich immer beschwert, dass ich keine Frauengeschichten habe... Jetzt hab ich eine und das passt dir auch nicht?“, scherzte er und versuchte zu lachen. Ich schüttelte einfach nur noch den Kopf. Wenigstens hatte ich Sora einiges zu berichten, wenn wir das erste Mal telefonieren sollten.
 

„Okay, während wir überlegen, was das alles soll: Kommst du heute Abend mit in diese Bar, die wir neulich entdeckt haben?“ Taichi der Meister der Überleitung. In dem ganzen Trubel, den der junge Mann zu meiner linken in der letzten Stunde in meinem Kopf verursacht hatte, schien ihm aufzufallen, dass heute mein Geburtstag war. Auch wenn mich das nicht sonderlich juckte. Verdächtig war jedoch, dass mir bislang keiner meiner Freunde gratuliert hatte. Sora war es zu verzeihen, die war noch auf ihrer Weltreise. Die führten was im Schilde. Was die Sache mit Mimi nicht in Vergessenheit geraten lassen sollte, dafür würde ich schon sorgen.
 

„Erstens: Das ist die schlimmste Ablenkung von einem Thema die ich je erlebt habe. Und Zweitens: Wenn das so eine verquere Art ist mir zu sagen, dass ihr mit mir meinen Geburtstag feiern wollt, nachdem du Idiot mir nicht mal gratuliert hast, dann erkläre ich dich hiermit noch zum schlechtesten Schauspieler der Welt.“, entgegnete ich und winkte ab. Ich war nicht so begeistert fett zu feiern, während Sora von einem Flugzeug ins nächste stieg, obwohl sie lieber dabei gewesen wäre.
 

„Man, du Grummelbär machst einem alles kaputt! Wenn du wegen Sora jetzt hier ein auf einsamer Jammerlappen machst bin ich schwer enttäuscht!“, entgegnete Tai und schüttelte theatralisch den Kopf. Ich holte resignierend tief Luft. Er würde nicht locker lassen, und mich am Ende an meinen Socken durch die Stadt ziehen – das würde er wirklich tun. Das sollte ich mir ersparen.
 

„Wer jammert hier den die ganze Zeit herum?", antwortete ich und schnaubte. "Also gut. Wenn ich jetzt ja sage, versprichst du mir dann, dass wir uns der Mimi-Sache nochmal widmen?“ Tais breites Grinsen verwandelte sich in ein verzweifeltes Schmollen.
 

„Menno... dir zur Liebe, mein Bester“

Sellerie-Kohlrabi-Kuchen

„Cody kommt nicht.“, rief ich Kari zu, die ihrer Mutter in der Küche bei den Einkäufen half. Ich war bereits seit Mittags bei den Yagamis, weil wir beide über die „Überraschungsparty“ für meinen Bruder reden wollten. Dem einen oder anderen scheint aufgefallen zu sein, dass sich diese Geschichte nur um „Ich liebe dich“, Parties und Tragik drehte. Deal with it.
 

Unser Plan sah wie folgt aus: Wir hatten mit der Erlaubnis von Karis Eltern das Wohnzimmer für heute Abend bekommen, um in unserer gemütlichen Runde ein wenig auf seinen 19. Geburtstag anzustoßen. Dazu sollte Tai ihn unter einem Vorwand aus seinem Zimmer kriegen. Ich hoffte inständig, dass das alles klappte. Karis Bruder wollte sich bei ihr per SMS melden.
 

„Der Arme... immer noch krank?“, fragte sie und kam mit einer Flasche Limonade in der Hand zurück in ihr Zimmer, wo ich auf ihrem Bett saß. Ich nickte.
 

„Wallace schrieb mir etwas verärgert, dass Joe ihm und Cody am Tag von Soras Abflug versprochen hatte, ihn nach Hause zu fahren und dann einfach mit uns abgedampft ist....“ Ich verzog das Gesicht. Das würde noch zu einer Diskussion führen... Kari zuckte erschrocken zusammen.
 

„Oh nein... das darf doch wohl nicht wahr sein... Der arme Cody... Das sieht Joe aber echt nicht ähnlich, so was vergisst man doch nicht...“ Verärgert ließ sich meine Freundin neben mir nieder und seufzte enttäuscht. „Das wird er von mir aber noch zu hören bekommen!“
 

„Ja... ich sehe das ja ähnlich wie du..“, sagte ich und legte ihr zur Beruhigung meine Hand auf ihre. „Aber wenn möglich, dann reiß ihm bitte nicht heute Abend den Kopf ab. Das Selbe habe ich Wallace auch geschrieben... Joe kommt nämlich.“ Kari grummelte vor sich hin und zückte ihr Handy. Ich seufzte.
 

„Was auch immer du tust, wenn es mit einer bösen SMS an Joe zu tun hat, werde ich dich aufhalten.“ Aufgrund dessen, dass sie mich erneut grummelt ansah lag ich wohl richtig.
 

„Komm schon, K. Wir wollen heute einfach mal ohne Drama einen Abend alle zusammen genießen. Meinem Bruder zu liebe okay? Das kann doch nicht zu viel verlangt sein... Selbst Davis gibt jetzt Ruhe!“ Kari schnaubte, ehe sie wieder lächelte. Dann legte sie endlich das Handy weg und griff wieder zur Limo, die sich neben sich auf den Boden gestellt hatte. Mit einem Zischen öffnete sie die Flasche und nahm einen großen Schluck.
 

„Okay, genug gemeckert. Hast du denn alle anderen erreicht?“, wollte sie stattdessen wissen und reichte mir die Flasche. Ich lehnte dankend ab und checkte nochmal meine Nachrichten. Soweit hatte keiner abgesagt, außer Izzy, der mir noch immer nicht geantwortet hatte. Komisch....
 

„Iz meldet sich nicht, aber der steckt bestimmt wieder knietief in seinem PC und hört sein Handy nicht.“, entgegnete ich und las mir Davis´ „Alles Roger ich bring was zu Essen mit!“ nochmal durch und musste grinsen. Hatte Davis sich echt beruhigt? Würden wir uns jetzt endlich wieder verstehen? So ganz traute ich dem Braten noch nicht.
 

„Was grinst du so?“ Ich zuckte zusammen als Kari mich aus den Gedanken riss und zeigte ihr die SMS. Verwundert riss sie ihre Augen weit auf.
 

„Ist das echt von unseren Davis?“ Ich nickte. In Karis Mimik konnte ich Erleichterung erkennen. Sie war merklich froh, dass sich das Verhältnis zwischen uns Dreien nun wohl doch wieder bessern würde. So die Theorie zumindest.
 

„Mal sehen. So ganz trau ich ihm noch nicht. Das wird noch dauern. Aber wenn er jetzt aufhört sich wie der letzte Arsch zu benehmen, wäre er schon deutlich angenehmer. Ich hätte jedenfalls immer noch Lust ihm auf die Fresse zu hauen....“ Ich lehnte mich auf dem Bett zurück. Kari legte ihren Kopf so auf meinen Schoss, dass sie an die Decke starren konnte.
 

„Das erlaube ich nicht. Blut geht so schlecht aus Klamotten raus..“, antwortete sie und kicherte leise.
 

„Da spricht jemand aus Erfahrung?“ Ausgesprochen bereute ich meine Frage, schließlich konnte ich sie, weil ich nun mal der Bruder meines Bruders war, selbst beantworten. Wie oft hatten sich Tai und Matt halb tot geprügelt, weil wieder einem was an anderem nicht gepasst hat. Noch heute hat entweder meiner oder Karis Bruder ein Pfeilchen, weil die beiden trotz Volljährigkeit noch nicht gerafft haben, das Gewalt nicht die Lösung ist. „Vergiss was ich gefragt habe.“ Ich winkte ab.
 

Kari lachte und veränderte ihre Position so, dass sie ihren Kopf nun in meine Halsbeuge legen konnte. Sanft legte sie ihre Hand auf meinen Oberkörper und kuschelte sich eng an mich. Meinen Arm um sie legend seufzte ich. Ob Karis Mutter immer noch das Blut aus Tais Klamotten schrubbte, oder sie mittlerweile ihre eigene Tochter dazu verdonnerte?
 

„Kinder? Wollt ihr vielleicht das ich für eure Feier einen Sellerie-Kohlrabi-Kuchen backe?“, hörten wir Karis Mutter hinter der Tür rufen. Bei dem Wort „Sellerie-Kohlrabi-Kuchen“ stellten sich mir meine Nackenhaare auf. Wie kam man nur auf die Idee so etwas Schreckliches auf die Menschheit loszulassen. Und das sagte jemand, der gegen bösartige Digimon der Königsklasse gekämpft hatte.
 

„Sellerie-was?“, fragte ich Kari angewidert, die sich genervt aufsetzte. Sie hatte nichts gegen den Gesundheitswahn ihrer Mutter, zumindest nichts wirksames.
 

„Nein danke Mama, ich will das meine Freund Spaß haben und sie dabei möglichst nicht vergiften!“, antwortete sie und erntete ein empörtes Grummeln. Kari schnaubte.
 

„Warte hier, ich muss das kurz gerade biegen...“, murmelte sie und stand auf. Angespannt setzte ich mich auf.
 

„Also doch Sellerie-Kuchen?“, wollte ich mit zitternder Stimme wissen. Wenn wir diesen Kuchen kriegen würden, dann müssten wir ihn auch essen. Und ich wollte noch nicht sterben. Versteht mich nicht falsch, ich hab auch nichts gegen Gemüse. Es lag eher an den nicht vorhandenen Backkünsten von Tais und Karis Mutter, die alles gebäckartige in ungenießbare und gefährliche Brocken verwandelte. Und so eine Lebensmittelvergiftung war echt nicht schick. Ich sprach aus Erfahrung.
 

„Nein, keine Sorge.“ Kari griff zur Türklinke und sah über die Schulter zu mir. „Aber vielleicht ein paar Rote Beete-Kekse...“
 

Mit ihren Verschwinden klingelte mein Handy. Das dürfte Izzy sein, dachte ich, griff zum kleinen Gerät und nahm den eingehenden Anruf ohne auf das Display zu gucken ab.
 

„Mensch Iz, schön das du dich meldest. Hättest doch aber auch einfach auf meine SMS antworten können, das hätte doch locker gereicht!“, sagte ich ohne abzuwarten das er sich meldete und lachte.
 

Keine Antwort. Mein Lachen verstummte. Alles was ich hörte war ein Rauschen und vereinzelnd Lautsprecheransagen, die ich aber nicht verstand. Wollte mich hier jemand verarschen?
 

„Hallo? Izzy? Bist du das?“, harkte ich nach, doch wieder keine Antwort. Nein, obwohl doch. Es gab eine Reaktion. Ein leises Wimmern. Ja, da weinte jemand. Erschrocken stand ich auf. Was war denn hier los? Dann viel es mir ein. Auf dem Display müsste die Nummer stehen, wenn es jemand aus meiner Kontaktliste war, dann konnte ich so doch locker herausfinden, wer da sprach.

Ich sollte aufhören so lange zu denken und das Offensichtliche endlich tun!
 

Ich nahm das Hand von meinem Ohr und erstarrte zu Stein, als ich auf den Display schaute. Ein Schauer lief mir den Nacken herunter. Ich konnte nicht nur die Nummer auf den Handy lesen, nein. Es war jemand aus meiner Kontaktliste. Ich schluckte, als ich zusammenzuckend zur Tür sah, durch die Kari gerade wieder hereinkam.
 

„Boah... also ich konnte uns vor einem Kuchen bewahren, dafür muss ich aber gleich ihre widerlichen Kekse probieren. Ihr seid mir allesamt etwas schuld-“ Sie stoppte mit ihrer Rede als sie mein wahrscheinlich total verschrecktes Gesicht sah.
 

„Oh Gott T.K. was ist denn mit dir passiert? Du bist ja kreidebleich!“
 

Das Schluchzen an meinem Ohr wurde lauter. Ich schluckte schwer.
 

„Du glaubst niemals wen ich hier an der Strippe habe...“, hauchte ich ihr entgegen und seufzte.

Zu Gast bei Familie Hida

Was wäre eine Geschichte, wenn es nicht eine schicke Sitestory gäbe? Macht mit mir einen Ausflug in die Vergangenheit. Denn neben den ganzen Liebesgeschichten möchte ich, Wallace aus Amerika, uns alle auf etwas besinnen. Und zwar auf Freundschaft. Und auf die wohl abgefuckte Art und Weise wie meine Freunde hier in Japan mit diesem wundervollen Wort umgehen. Ich meine hallo? Einer von denen hat das Wappen der Freundschaft bekommen, und das nicht weil es im Sonderangebot war. Also darf ich mich über Folgendes doch sehr wundern!
 

Warum also durfte ich am Tag des Abfluges der heißen Sora, den ebenso heißen Cody in die nächste U-Bahn schleppen, obwohl ein gewisser „Ich studiere Medizin“-Kerl uns versprach, den armen Kleinen nach Hause zu fahren? Richtig, weil der Hüter des Wappens der Zuverlässigkeit nicht einmal weiß, wie man dieses Wort buchstabiert! Und je mehr ich meine Gedanken wieder daran verschwendete, desto wütender wurde ich wieder!
 

Nachdem sich die Traube an weinenden Freunden aufgelöst hatte und ich mich verwundert nach Joe umsah und statt ihm den schwitzenden Cody auf der Bank sitzen sah, hätte ich schreien können. Allen war anscheinend egal gewesen zu sein, dass sich das Nesthäkchen vor Fieber glühend auf die Bank zurückgezogen hatte. Ich sah gerade noch wie Mimi sich vom Acker machte, mich entschuldigend anlächelnd. „Du machst das schon, ich glaub an dich!“ Pah.

Vom Frauenversteher zur Krankenschwester. Krankenbruder... Wie nennt man das denn richtig?
 

Mit zunehmenden Metern, die wir beide hinter uns gelegt hatten, keuchte der Kurze neben mir nur noch mehr. Sein Husten klang als wenn er mir gleich wegsterben würde. Permanent versuchte ich den Möchtegern von Arzt zu erreichen, aber natürlich ging nur die Mailbox ran. Ich kannte mich nicht besonders gut aus. Zum Glück ging es Cody noch so gut, dass er wusste welche U-Bahnen wir nehmen mussten, um zu ihm zu kommen. Zum Arzt wollte er nicht.
 

„Ich wurde heute schon von genug Ärzten im Stich gelassen...“, jaulte er und ließ seinen Kopf in seine Hände fallen. Ich tätschelte seinen Kopf während ich immer wieder wütend schnaubte. Die Frau neben mir schaute mich angewidert an, richtig abgeturnt. Der wütende Wallace war also kein Frauenmagnet, das könnten wir uns ja an dieser Stelle einmal alle notieren! Cody murmelte Unerklärliches vor sich hin, vielleicht fing er auch schon an zu halluzinieren.
 

„Wie weit müssen wir denn noch fahren?“, fragte ich ihn und bekam ein „Pfünfschnmntn“ als Antwort, was ich nach einigen Berechnungen und der Befragung des Kosmos erfolgreich als 15 Minuten identifizieren konnte. Deprimiert lehnte ich mich zurück. SO hatte ich mir meinen Nachmittag nicht vorgestellt. Ursprünglich wollte ich einen meiner Freunde fragen, ob sie mich nicht vielleicht auf eine kleine Tour durch die Innenstadt begleiten wollten. Und natürlich wollte ich Details von meinen guten Ken, der ja offensichtlich meinem Rat gefolgt und sich Yolei geschnappt hatte.
 

Nachdem nun aber auch Kari offiziell weg war, blieb mir aus dem unmittelbaren Umfeld ja nur noch Mimi. Sie war echt eine heiße Schnitte. Mit diesen braunen Wuschellocken und den engen Röcken die sie immer trug.... Die für meinen Geschmack gerne kürzer sein könnten. Ich kicherte.
 

Cody sah auf und ich erschrak, weil mich der pure Tod ansah. Röchelnd erhob er seinen dürren Körper, für mich das Zeichen es ihm gleich zu tun, denn wir würden offensichtlich gleich aussteigen.
 

„Können wir bitte den Aufzug nehmen?“, fragte er leise und steuerte den Fahrstuhl an, um den bereits einige Damen mit ihren Kinderwagen kämpften. Ich hoffte inständig, das weder die Damen noch wir bei diesem Kampf ums Leben kamen. „Klar Kumpel.“
 

Eingequetscht zwischen kreischenden Kindern und schwitzenden Menschen versuchte ich den kränklichen Cody vor noch weiteren Bazillen zu schützen und stellte mich vor ihn. Ein Mädchen, ungefähr mein Alter, hatte sich ebenfalls in den engen Fahrstuhl gedrängt und stand gefühlte zwei Millimeter entfernt vor mir. Wir grinsten uns an und ich atmete ihr süßliches Parfüm ein. Ohhhh ja. Ich zwinkerte und kassierte von Cody einen schwachen Schlag in den Rücken.
 

„Dein Ernst? Ich sterbe hier und du flirtest?“, zischte er und röchelte seinen Husten des Todes aus. Ich lächelte verlegen, doch das Mädchen hatte sich schon angewidert abgewandt. Fuck! Cody hatte mir die Tour vermasselt noch ehe sie begonnen hatte.
 

Die Türen des Aufzuges öffneten sich und der Kampf der „Ich bin ganz Hinten muss aber als Erster raus“ ging los. Ich war noch immer sauer um meine verpasste Chance bei der schnuckeligen Asiatin, wollte dem kranken Huhn neben mir aber die Welt nicht noch schwerer machen. Sein böser Blick traf mich sowieso schon hart genug.
 

Ein Glück wohnte der Kurze nicht weit von der U-Bahnstadion entfernt. Auch hier erwartete uns ein Fahrstuhl. Nur dieses Mal ohne schöne Mädchen.
 

„Danke für´s nach Hause bringen.“, sagte Cody und lächelte gequält. Ich klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter. Selbst dabei musste ich darauf achten, das der Arme nicht einfach umfiel.
 

„Kein Ding. Allerdings hat unser Rendezvous an dieser Stelle ein Ende. Ich komme nicht noch auf einen Kaffee zu dir rein, damit du mir zeigen kannst, wie gut meine Klamotten zu deiner Bettwäsche passt.“, scherzte ich und erntete einen überaus schockierten Blick der mich laut auf Lachen ließ. Ich glaube derartige Scherze durfte man mit ihm noch nicht machen. Oder niemals. Es gab echt so viel, auch Einfaches, das Cody absolut nicht verstand und nicht nachvollziehen konnte. Oder wollte.
 

Cody klingelte und nur wenig später stand seine Mutter im Türrahmen und sah und verwundert an. Hatte er denn gar keinen Schlüssel? Okay, vielleicht war er auch einfach nur zu schlapp danach zu suchen. Keine Vorwürfe.
 

„Oh Cody, ich dachte du verabschiedest eine Freundin? Du bist ja schon wieder da!“, sagte sie ehe sie ihren Sohn genauer ansah und besorgt an seine Stirn fasste.
 

„Du glühst ja!“
 

„Ja Mama... schon in Ordnung.“, beruhigte Cody seine Mutter. Doch einen Mutterinstinkt kann man nicht durch ein „Schon in Ordnung“ nieder machen. Ich grinste.
 

„IN ORDNUNG? Sofort kommst du rein! Du gehörst ins Bett, aber auf der Stelle!“, rief sie und noch bevor sie ihren Satz beendete war Cody in der Wohnung verschwunden und hinterließ nichts als eine Staubwolke.
 

„Dann ist meine Mission hier ja wohl beendet...“, sagte ich und wandte mich mit einem „Bye“ zum gehen. Codys Mutter hielt mich am Ärmel fest und zog mich in den Flur ihrer Wohnung. Verdutzt sah ich ihr in die Augen. Sie lächelte.
 

„Na na, nicht so eilig. Ich will dir herzlich danken, dass du meinen Sohn den Weg hierher begleitet hast.... Das war sehr liebenswert. Du hast doch bestimmt Hunger, komm ich mach dir was.“ Mit diesem Worten rannte sie in die Küche und machte sich ans Werk. Ich war noch nie bei Cody gewesen. Zögernd und leicht überfordert folgte ich ihr weiter in die Wohnung, vorbei an einer Menge von Familienfotos, die ich mir beiläufig ansah. Auf vielen war auch Codys Vater zu sehen, was mir einen Stich im Herzen verpasste. Ich hatte gehört, dass sein Vater vor Jahren verstorben war, und seitdem Codys Großvater mehr oder minder die Vaterrolle übernahm. Ich holte tief Luft und versuchte mir vorzustellen wie es wäre, wenn mein Dad oder meine Mum nicht mehr wäre und schüttelte den Kopf. Das konnte ich. Diese Situation erinnerte mich aber prompt daran, dass ich meine Eltern heute Abend dringend anrufen sollte.
 

„Jetzt hab ich dich gar nicht nach deinem Namen gefragt!“, rief mir Codys Mutter zu, was mich aus meinen Gedanken riss.
 

„Das beruht auf Gegenseitigkeit Frau...eh...“ Ich wusste nicht mal Codys Nachnamen.
 

„Hida. Fumiko Hida!“, antwortete sie und reichte mir ein Glas. Ich grinste und setzte mich auf einen Stuhl der in der geräumigen Wohnküche stand. Die Wohnung war wirklich liebevoll eingerichtet. Ich war bislang nur einmal kurz bei Davis gewesen, dort wirkte alles etwas praktischer. Hier herrschte echt die Liebe zum Detail. Überall Dekoration, aber nicht so, dass man total überfallen wird von schlimmem Schnick-Schnack. Dennoch stand an fast jeder freien Stelle ein Element. Neben mir konnte ich raus auf dem kleinen Balkon schauen, auf welchem ich, wenn auch nur von hinten, den Großvater von Cody sah. Zumindest vermutete ich das. Es sei denn Codys Mutter mag sehr realistisch aussehende Puppen die ab und ein so lautes Schnarchen von sich gaben, das man das sogar durch die geschlossene Balkontür hören konnte. Ich grinste.
 

„Du möchtest doch bestimmt auch etwas Trinken.“ Sie reichte mir eine Flasche Limonade und eilte dann zurück zum Tresen. „Ich sehe eben nach Cody, ich bin gleich wieder zurück. Dann kümmere ich mich um dein Essen!“
 

„Bitte Fumiko, machen Sie sich doch keine Umstände!“ Ich nahm ihr das Tablett mit einer Tasse dampfendem Tee ab und grinste. „Ich bringe ihm das schon!“ Sie lächelte. Ich hatte sie einfach bei Vornamen genannt, was sie mir anscheinend nicht übel nahm.
 

„Das ist sehr lieb von dir... Ich komme trotzdem kurz mit, ich will ihn mir mal ansehen.“
 

Das hätte Joe auch machen könnten, dachte ich und merkte wie ich mich erneut ärgerte.
 

Als wir Codys Zimmer betraten lag dieser bereits dick eingekuschelt in den Federn und glühte so vor sich hin. Seine Mutter verließ nochmal das Zimmer während ich das Tablett mit dem Tee an sein Bett stellte. Codys sah mich mit halbgeöffneten Augen an.
 

„Noch hier...?“ Ich nickte.
 

„Deine Mum ist echt in Ordnung. Sie macht mir was zu essen. Ein gutes Essen lehnt man doch nicht ab!“, entgegnete ich und sah ihn leicht lächeln.
 

„´Tschuldige, dass ich nicht mehr Tschüss gesagt habe...“
 

„Alter, kein Ding. Deswegen bin ich dir noch nicht böse...“ Ich ließ meinen Blick schweifen und machte Fumiko Platz, als sie mit einer Schale Wasser und einem Waschlappen wiederkam und Codys behandelte. Ich sah mich weiter im Zimmer um. Ein gewöhnliches Zimmer eines 13-jährigen. Schrank, Schreibtisch mit Computer, Schulkram, Bett und ein paar Bilder an der Wand. Seine Kendosachen lehnten an seinem Schreibtisch. Die Kleidung sah verdammt schwer aus, was mich in Anbetracht des schmächtigen Cody fast schon schmunzeln ließ. Aber da er das echt schon lange machte, vermutete ich, dass er das locker tragen konnte. Doch dann erweckte ein Polaroid meine Aufmerksamkeit.
 

„Dann ruh dich jetzt bitte aus. Vielleicht kannst du ja sogar etwas schlafen... Ich sehe später nochmal nach dir, ich werde mal sehen, was meine Vorräte hergeben. Dann können wir dich heute Abend mit ein paar Hausmittelchen wieder auf Vordermann bringen!“ Entschlossen erhob sich Fumiko und winkte mich an sie ran, was so viel bedeutete wie „Komm mit“.
 

„Ich komme gleich nach.“, entgegnete ich und wartete, bis Codys Mutter die Tür geschlossen hatte. Grinsend beugte ich mich über das Bild, was Codys mit einem Mädchen zeigte. Also doch, der kleine Schlawiner...
 

„Wenn ich dich nicht anstecken soll, solltest du besser rausgehen..“, murmelte Cody und setzte sich auf, um einen Schluck von seinem Tee zu nehmen. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass er genau wusste, worauf ich gerade starrte. Wie eine Trophäe hielt ich das Bild hoch und sah ihn verschmitzt an. Wie glücklich die beiden auf dem Bild lächelten, sie hatte sogar leicht gerötete Wangen. Die Kleine auf dem Bild hatte genau wie Cody grüne Augen und langes, dunkelbraunes Haar, dass sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Ein niedliches grünes Kleid komplementierte ihr süßes Aussehen. Allerdings war sie mindestens genauso flach wie ein Brett wie sie süß war. Nicht mein Fall also...
 

Ich hörte ein lautes Röcheln. Verzweifelt versuchte Cody gerade sich nicht an seinem Getränk zu verschlucken. Wir wussten beide das ich ihm nun alle unangenehmen Fragen stellen würde, die man nur stellen konnte.
 

„Das werd´ ich, nachdem du mir gesagt hast, wer die Süße hier ist....“

Liebe ist nicht berechenbar

Die Tage waren seit der Auseinandersetzung mit Koushiro am Bahnhof wie zähes Kaugummi vergangen. Ich hatte weder etwas von ihm gehört, noch hatte ich seine Nummer gewählt oder ihm geschrieben. Man könnte fast meinen, wir seien nicht mehr zusammen. Vielleicht war das auch so. Vielleicht war das Koushiros Art mir zu sagen, dass es vorbei war. Und vielleicht war das auch gut so. Der Gedanke daran, dass er vor mir stehend sagt, dass es kein „wir“ mehr gibt, zerriss mich förmlich in tausend Stücke. Andererseits war es eher selten der Fall gewesen, dass Izzy mal richtig raushaute, was er dachte oder fühlte. Bis auf vorgestern.
 

„Selbst Mimi konnte das“
 

Ich lag auf meinem Fußboden und starrte zur Decke rauf. Leise, aber dennoch bemerkbar, konnte ich meine Mutter vor meiner Zimmertür patroullieren hören. Seitdem ich Vorgestern schreiend nach Hause gekommen und direkt in mein Zimmer gerannt war, um dort mit allem herumzuwerfen, was ich fand, machte sie sich große Sorgen. Es wäre ihr wohl lieber gewesen, wenn ich einfach geweint hätte. Aber so bin ich nun mal nicht. Ich bin nicht Mimi. Wohl ein Fehler.
 

Mein Handy gab ein „Pling“ von sich. Schwerfällig erhob ich mich und sah auf das Display. Enttäuschung machte sich in mir breit, als ich feststellte, dass die SMS nicht von Izzy war. Irgendetwas in mir schien wohl zu hoffen, dass er sich doch meldete. Stattdessen war es Takeru, der mich fragte, ob ich Lust und Zeit hätte heute Abend zu Kari zu kommen um Matts Geburtstag zu feiern. Ich seufzte. Woher hatte der überhaupt meine Nummer? Und was sollte ich antworten?
 

Auf der einen Seite mochte ich die Truppe echt gern, und ich hätte gern nochmal die Gelegenheit, den einen oder anderen besser kennen zu lernen. Es war echt ein bunter Haufen verrückter, lustiger Leute, die fest zusammen hielten und für einander einstanden. Das faszinierte mich. Auf der anderen Seite würde Izzy hunderprozentig auch kommen. Und das bedeutete wir würden uns sehen, müssten wahrscheinlich gute Miene zum bösen Spiel machen. Ich legte mich wieder hin und rollte mich hin und her. Was sollte ich nur tun?
 

„Was wird das denn?“, fragte meine Mutter, die nun doch hereingekommen war. Ertappt sah ich zu ihr auf. Ich richtete mich auf und klopfte nicht vorhandenen Staub von meinen Klamotten und grinste verlegen.
 

„Ehm... Denksport....?“, entgegnete ich an meinen Haaren zwirbelnd. Meine Mutter zog die Augenbrauen hoch. Sie machte sich echt mega Sorgen.
 

„Sayachi... Liebeskummer ist wirklich furchtbar. Und es ist auch wichtig, dass du das erlebst und zulässt. Denn nur so kannst du das auch verarbeiten und dann hinter dir lassen.“ Meine Mutter war übrigens ein riesen Fan der Psychologie. Ich verdrehte die Augen.
 

„Du liest zu viele Taschenromane...“, murmelte ich und wandte mich ab. Was wusste sie schon. Ich hörte sie seufzen und die Tür wieder schließen. Das war das kürzeste Mutter-Tochter-Gespräch der Geschichte. Aber wieso dachte sie das ich Liebeskummer hätte?
 

Ich sah meine Spiegelung im Fenster. Da stand eine ziemlich traurig drein blickendes, dürres Klappergestell mit zu langen Haaren und zu großen Augen für das schmale Gesicht. Nicht so wie Mimi. Mir wurde schlecht wenn ich an diese blöde Oberziege dachte. Wenn Izzy sie doch noch so toll fand, dann soll er doch zurück in ihren Arsch kriechen. Und mir sollte es wieder egal sein, jawohl! So fing es schließlich mal an. Mir war es egal. Ich hatte mich einst doch so über ihn lustig gemacht.
 

Ich schnappte mir mein Handy und entschloss mich T.K. zu antworten.
 

„Danke für die Einladung. Ich komme gern.“ Ich schluckte entschlossen und warf das Gerät wieder auf mein Bett. Ich würde mir die Tage nicht weiter von Koushiro vermiesen lassen. Wenn er auf ultra sensibel machen wollte, dann sollte er eben in seinem Zimmer hocken und heulen. Ich würde das nicht tun. Sowieso verstand ich das alles nicht. Wieso konnte er einfach nicht akzeptieren, dass man nicht alles drei Mal durchkauen musste. Irgendwann ist auch einfach mal gut.
 

Es klopfte. Wieder meine Mutter, die nochmal in ihren Büchern nachgeschlagen und nun den ultimativen Tipp hatte? Es war zum Haare raufen. Aber wenn ich sie nicht herein bat, würde sie sowieso gleich in der Tür stehen.
 

„Ja... Komm rein. Aber laber mich nicht wieder mit Mist voll...“, sagte ich und tat so, als ob ich dringend irgendetwas für die Schule machen musste, in dem ich Papiere auf meinem Schreibtisch zusammensammelte. Ein Räuspern verriet mir, dass das nicht meine Mutter war.
 

Geschockt wirbelte ich herum und starrte direkt in Izzys müdes Gesicht. Er sah furchtbar aus, hatte sicherlich seit Vorgestern nicht geschlafen. Seine Augen waren fahl und von Augenringen verziert, er wirkte blasser als sonst. Sein Hemd war falsch geknöpft und er trug zwei verschiedenfarbige Socken. Er war vollkommen fertig.
 

„Hey...“, krächzte er.
 

„Hey...“ Stille.
 

Izzy sah an sich runter und schien zu realisieren, dass etwas mit seinem Hemd nicht stimmte. Zitternd versuchte er es zu korrigieren, aber er schien viel zu nervös dafür zu sein. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich hatte Mitleid.
 

„Lass mich mal...“, sagte ich schließlich und ging zu ihm rüber, knöpfte sein Hemd auf und richtig zu. Er trug ein T-Shirt drunter, also war es weniger merkwürdig als manch einer vielleicht denken mochte. Meine Wut auf den schrulligen Nerd vor mir war fast verflogen, nachdem ich das Häufchen Elend gesehen hatte. Es nahm ihn scheinbar unendlich mit... und mich wohl auch.
 

„Danke...“ Er fuhr sich durch die kastanienbraunen Haare, die er garantiert auch nicht gekämmt hatte und wandte sich ab. Was bei ihm ja sowieso wenig Sinn hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe. Er war ein wenig zum kleinen Jungen mutiert, dem man das Eis weggenommen hatte.
 

„Ich... wirke wahrscheinlich wie der letzte Volltrottel auf dich.“, sagte er, drehte sich einmal um sich selbst und blieb wieder vor mir stehen. Er wirkte auf mich eher vollkommen benebelt, was sich garantiert auf seinen akuten Schlafmangel zurück zu führen war.
 

„Bist du high?“, fragte ich frei heraus, bereute instinktiv meine patzige Art und schämte mich vielleicht ein kleines bisschen. Aber nur ein bisschen. Er tat mir zwar wirklich leid, denn sein Anblick brach mir echt das Herz. Aber wenn ihr jemand so vor euch stehen sehen würdet, wäre das sicherlich auch etwas gewesen, was ihr euch gefragt hättet. Oder vielleicht war das nur ich, die sich diese Frage stellte. Izzy schnaubte, verzog sein Gesicht zu einem gequälten Lächeln und fuhr sich erneut durch die Haare.
 

„Ob ich high bin? Das... weißt du, das kann gut sein. Aber wovon soll ich high sein? Von Drogen ganz sicher nicht, denn wie du vielleicht weißt nehme ich keine.... Also wenn es keine Drogen sind, was dann, hm? Vielleicht dreh ich auch einfach nur durch? Weil mein komplettes Leben einfach den Bach runtergeht, wegen dieser Scheiße Namens Liebe....“ Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und rang nach den richtigen Worten. Wortlos ließ ich zu, dass er sich auskotzte. Denn das war ganz offensichtlich notwendig.
 

„Ich war ein... Ja, ich ein zufriedener Mensch der sich immer hinter seinen PCs verstecken konnte. Weil dass das war, was ich schon immer getan hatte. Und das, was ich am besten konnte. Ich krieg jeden Virus klein, jeden!... Aber Frauen... Frauen aus denen werd ich nicht schlau. Und weißt du, es scheint auch keinen zu interessieren wie es mir geht... Scheißegal Izzy steckt alles weg, nicht wahr? Mit mir kann man das ja machen...“
 

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte eindringlich seinen offensichtlich wirren Gedankengang zu verstehen. Er war zu tiefst verletzt. Ich schluckte schwer und schämte mich für mein Verhalten am Bahnhof. Vielleicht hätte ich mich nicht einfach umdrehen sollen, sondern irgendwas sagen sollen. Irgendwas. Auch wenn er mich ziemlich verletzt hatte, in dem er mich mit Mimi verglichen hatte. Nein warte, ich war im Recht! Er hatte mich mit Mimi verglichen!
 

Trotzdem. Ich hatte ihn noch nie so geistesabwesend erlebt. Er schien die Realität vollkommen verlassen zu haben.
 

„Koushiro...“ Er riss die Augen auf und sah mich mit glasigem Blick an.
 

„NEIN! Lass mich ausreden. Einmal in meinem Leben will ich ausreden dürfen. Das mag überraschend sein, aber das was in meinem Herzen gerade los ist, das muss raus!“ Ich wich einen Schritt zurück. Nicht nur Izzy war mit dieser Situation überfordert. Worin sollte das denn enden?
 

„Aber... Aber weißt du denn, was du da redest?“ Er kicherte irre.
 

„Nein, das weiß ich nicht. Ich weiß langsam gar nichts mehr.... Ich kann nicht mehr, verstehst du?“ Er fiel vor mir auf die Knie, seine Hände vor seinem Gesicht. „Ich halte das nicht aus... Das ist einfach zu viel.“ Starr wie ein Stein stand ich vor meinem knienden Freund der vollkommen verzweifelt vor sich hin schnaufte. Was mit Mimi anfing ging mit mir weiter. Der kleine Computerfreak konnte dir deinen PC retten aber wenn es um Beziehungen mit dem anderen Geschlecht ging... war Izzy hilfloser als ein Baby.
 

Und dann realisierte ich etwas. Das mit Izzy und mir, so kurz nach Mimi - das war zu viel für ihn. Zu viel für mich, weil ich immer noch Mimis Staub einatmen konnte. Zu viel für uns, weil wir uns in etwas drängten, was uns nicht gut tat. Wenn wir uns jetzt schon darum stritten, ob Izzy noch Interesse hatte oder nicht, und die Vergleiche mit Mimi, dann taten wir uns doch nur noch mehr weh, als wenn wir es... sein lassen würden. Ich schluckte. Hatte Izzy das vielleicht auch gemerkt?
 

Ich beugte mich zu ihm runter. Seit einer Minute hatte er weder etwas gesagt, noch sich bewegt. Behutsam, aber mit Tränen in den Augen, legte ich meine Hand auf seine Schulter und entschloss mich mich ebenfalls auf den Fußboden zu knien. Koushiro sah hoch bemerkte meine Tränen und biss sich auf die Unterlippe.
 

„Izzy...“, fing ich an und bemühte mich normal zu klingen, was mir in Anbetracht dieser schwierigen Situation nicht leicht fiel. Er erwiderte meine Berührung in dem er seine Hand auf meine legte. Er verzog aber keine Miene.
 

„Wir beide... wir... sind nicht die Art von Menschen, die Dinge auf die emotionale Weise verstehen oder lösen können. Wir sind Kopfmenschen und versuchen Logik in allem zu finden... Aber bei der Liebe... da gibt es selten Logik... Und genau deswegen sitzen wir beide hier... verzweifelt, weil es für genau so ein Problem kein Antivirenprogramm gibt. Es gibt keine Formel auf der Welt, die einem mit einem ausgerechneten Ergebnis helfen kann. Liebe ist nicht berechenbar.“
 

Ich merkte wie mir die Tränen heiß über die Wangen liefen, meine Stimme bebte und mein ganzer Körper zitterte. Aber nicht nur bei mir. Auch Koushiro weinte still vor sich hin. Er war im tiefsten seines Herzens ein echtes Sensibelchen.
 

„Ich weiß...“, hauchte er und versuchte zu lächeln. Was nicht klappte.
 

„Wie kommt´s das du hier den kühlen Kopf bewahren kannst, und ich vor dir zusammenbreche?“
 

Ich lächelte schwach. Das war eine gute Frage.
 

„Ich rede einfach nur schlau daher. Wie immer... Das kann ich gut, weißt du...“, entgegnete ich und strich ihm eine Träne aus dem Gesicht. Nun zum schwierigen Teil.
 

„Das was ich jetzt sage... fällt mir nicht leicht.“, wimmerte ich und sah von ihm ab. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht, die mir durch die Tränen an den Wangen klebten. Izzy verstärkte den Druck auf meiner Hand.
 

„Koushiro... ich bin wirklich gern mit dir zusammen, und ich liebe dich. Aber... du bist noch nicht soweit. Es mag jetzt eine Zeit gut gegangen sein, und diese Zeit möchte ich auf keinen Fall missen...“ Ich sah hoch in sein verzweifeltes Gesicht, dass er langsam hin und her schüttelte.
 

„Du... dein Herz ist noch immer gebrochen. Und ich bin anscheinend nicht stark genug um, die Wunden die du davon getragen hast, zu heilen. Mimi ist noch nicht aus deinem Herzen und aus deinem Kopf verschwunden... Du hast den mutigen Schritt gewagt dich aus der Hölle loszusagen... aber jetzt musst du noch den langen Weg zurück ins Licht gehen...“ Ich wischte mir schluchzend über die Augen.
 

„Nein... Saya....“, krächzte Izzy und legte seinen Kopf vor meine Knie auf den Boden. Ich hoffte inständig es nicht noch schlimmer zu machen. Aber das schien mir im Moment die beste Lösung. Für so manche neue Liebe gab es kein Happy End. Jedenfalls noch nicht.
 

„Und da... da warte ich dann auf dich, hörst du?“, beendete ich meinen Satz und weinte bitterlich. Das, was ich tat zerriss mich nur noch mehr. War das die richtige Entscheidung? Oder machte ich gerade den größten Fehler meines Lebens?
 

„Nein... nein...“
 

„Doch Izzy... Glaub mir. Werde dir dich selbst erstmal wieder bewusst und dann... dann“ Ich stoppte.
 

Nach einer Weile hob Koushiro wieder seinen Kopf und sah mir tief in die Augen. Irgendwie wirkte sein Blick so, als ob er nun verstanden hätte, was ich dachte. Auch wenn er das wohl möglich nicht nachvollziehen konnte.
 

„...dann gibt es für uns noch eine Chance?“, fragte er mit unerwartet hoffnungsvoller Stimme. Ich nickte. Seine dunklen Augen sahen an mir runter zu meiner Hand, die er noch immer fest umklammerte. Langsam ließ er sie los, und es war mir, als würde er mir ein Schwert in das Herz rammen.
 

Alles in mir schrie. Wie gern hätte ich mich einfach wieder mit ihm versöhnt, gesagt, dass alles gut gehen würde, dass wir das schafften. Aber das konnte ich nicht. Denn das war nicht so. Zumindest dachte ich das. Solange Mimi noch immer im Raum stand, solange Koushiro noch immer diese Person vor Augen hatte, wenn er mit einem Mädchen zusammen war – solange hatte das mit uns keinen Sinn mehr. Und ehe wir uns gegenseitig zerfleischten war es wohl das Beste einen Cut zu machen. Gott, wie konnte ich in einer Situation wie diesen noch so einen klaren Verstand und so sinnvolle Entscheidungen treffen?
 

Niedergeschlagen sah ich auf meinen Handrücken, und ich hätte schwören können, Izzys Abdruck dort noch erkennen zu können. Eine Träne viel auf meine Haut und viele weitere folgten. Ich hatte echt so was wie ein Herz.
 

„Das ist dann wohl... das Ende...“, murmelte Izzy. Benebelt von meinen Tränen und meiner Trauer sah ich zu ihm hoch und schluckte.
 

„Nein Izzy. Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende...“, hauchte ich, beugte mich vor und gab dem liebenswerten Nerd noch einen letzten Kuss.

Davis 2.0

"Noch eine Runde bitte!' Shigekazu, mein guter Freund in der Nudelsuppenbude sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
 

"Davis? Das ist schon deine dritte." Ich schnalzte mit der Zunge und winkte ihn mit meiner neuen Schüssel heran.
 

"Na und? Du tust ja gerade so, als würde ich Alkohol trinken. .." Ich grinste als er seufzend die dampfende Schüssel vor mir abstellte. Voller Freude schaufelte ich auch diese Portion in mich hinein, ohne auch nur aufzusehen. Ich war seit langem mal wieder zufrieden mit mir. Denn ich hatte endlich das getan, wozu mir Ken schon seit Jahren riet: Ich ließ los. und zwar den Gedanken, dass Kari und ich jemals ein Paar sein würden. Viel zu lange schon rannte ich dem Traum nach, dass Kari sich eines Tages doch für mich entscheiden würde. Klar, jeder sollte träume haben und versuchen sie zu verwirklichen. Aber es gab auch Träume die niemals in Erfüllung gehen würden. Und dieser war einer von Letzeren. Nicht nur das ich ihr hinterher gejagt war wie ein Fuchs seiner Beute, nein ich hatte auch meine Freunde bist zur Weißglut getrieben. Das musste aufhören. Beinahe hätte ich allen nur noch mehr die Stimmung auf Soras Abflugstag vermiest.
 

So hatte ich mich fest dazu entschlossen das Kapitel Kari abzuschließen und mich wieder um meine Freunde zu kümmern. Nach meiner ersten Entschuldigung würde ich heute Abend auf Matts Geburtstagsfeier versuchen wieder der alte, aber neue Davis zu sein. Der mit den dummen Kommentaren und Witzen. Ich grinste vor mich hin.
 

"Du freust dich ja so. Ist etwas zwischen dir und Kari passiert?", wollte Shigelazu wissen und riss mich aus den Gedanken. Grinsend sah ich auf.
 

"Nee, das ist unverändert.", entgegnete ich und sah von meinem Essen auf. Der Verkäufer sah mich fragend an und trocknete ein paar Schalen ab.
 

"Das ist Schnee von gestern. Nein, vorgestern." Das schien ziemlich unglaubwürdig zu sein, denn er beugte sich zu mir herüber und klopfte mit seiner Hand an meine Stirn.
 

"Davis? bist du da drin? Alles okay bei dir?", wollte er wissen und sah mich zweifelnd an. Ich lachte.
 

"Es ist an der Zeit, das ich mich vom alten Davis trenne und mich weiterentwickele. Das mit Kari und mir wird wohl nie etwas. Das hab ich endlich begriffen..." Es tat noch immer weh, aber ich musste nach vorne schauen. Vor allem meinen Freunden zu Liebe.
 

"Mensch, ich erkenne dich jetzt schon nicht wieder...", meinte Shigekazu und ging in die Küche des Nudelsuppenrestaurants. Ich seufzte und schlürfte die Flüssigkeit meiner Suppe genüßlich aus der Schale. Für meinen großen Auftritt als neuer Davis brauchte ich Kraft. Daher die drei Nudelsuppen. Vielleicht lag es aber auch an der Nervosität in mir. Konnte ich den anderen beweisen, das ich mich geändert hatte?
 

Ich musste. Meine Freunde bedeuteten mir schließlich alles.

T.K. hatte ich direkt geantwortet, als er mich fragte ob ich zu Matts Feier käme. Ich wolltw nicht nur kommen sondern auch aktiv etwas beitragen. Essen mitbringen. Das war doch eine gute Idee? oder? Ken fand den Gedanken großartig.

"Freue mich, dass du zur Vernunft kommst!", hatte er direkt geschrieben als ich ihm schrieb was ich vorhatte. Er erklärte sich sogar bereit dazu mir beim Einkauf zu helfen und den Kram zu Kari zu tragen. Womit hatte ich eigentlich diesen tollen Kerl als Freund verdient?
 

Ich vertilgte den letzten Rest meiner Suppe, zückte mein Portmonee und legte ordentlich Trinkgeld für Shigekazu auf den eigentlichen Betrag oben drauf.
 

"Du gehst? ", fragte er als er wiederkam und dankend das Geld entgegen nahm.
 

"Jo! Ich treff mich gleich mit Ken. Wir feiern heute den Geburtstag eines Kumpels...." Ich wollte schon rausgehen, machte aber in letzter Sekunde auf dem Absatz kert. "Hey, vielleicht kann ich fragen ob ich dich mitbringen darf? Ist echt eine super entspannte Runde!"
 

Shigekazu sah mich wider ungläubig an.
 

"Wow Davis. Du hast dich jetzt schon verbessert! Wenn du was weißt schreib mir einfach. Ich hab heute noch nichts vor. Wäre also cool!"
 

Ich winkte ihm als Antwort und verließ den kleinen Laden. Der heutige Nachmittag war kühl und so schloss ich meine Jacke schnellstmöglich. Ken und ich wollten uns am Bahnhof in der Innenstadt treffen. Ich schrieb ihm gehend, dass ich auf dem Weg sei und wäre beinahe gegen eine Straßenlaterne gelaufen. Sehr zur Freude einer Mädchengruppe, die gerade an mir vorbei kam. Ich lächelte verlegen und sah zu, das schnellstmöglich Land gewann.

Ken war bereits am Treffpunkt, als ich in die Straße einbog an der sich der Bahnhof befand. Grinsend winkte ich ihm, was er mir gleich tat. Ken war in einen dicken Schal eingemurmelt, was ich verwundert feststellte. Es war kalt, ja. Aber gleich den dicksten Winterschal? Er bemerkte mein Erstauen sofort und errötete.
 

"Halsschmerzen. Große Halsschmerzen.", sagte der Blauhaarige
 

"Halsschmerzen?"
 

"Ja. Große." Ich zog die Augenbrauen hoch.
 

"Und dann willst du heute Abend mit zu Kari?", harkte ich nach und sah in seinen Augen, das er darauf nicht vorbereitet gewesen war. Wer einen überdimensionalen Schal trug musste doch mit Fragen rechnen?
 

"Ehm... ja?", antwortete er, offensichtlich selbst überfordert mit seiner Ausrede. Neugierig, weil mich eine leichte Ahnung beschlich, zog ich an seinem Schal. Ken ruderte zurück und hinderte mich an meinem Versuch, ihm den Schal abzunehmen.
 

"Nicht...", murmelte er, wickelte sich wieder dick ein und zeigte ablenkend auf das Einkaufszentrum.
 

"W-wollen wir nicht los? Wird ja auch immer später."
 

Kopfschüttelnd sah ich zu, wie mein bester Freund sich um Kopf und Kragen redete. Ich schlug ihm auf die Schulter, was ihn zusammenzucken ließ.
 

"Man Alter, wir sind keine 12 mehr... Kannst ruhig zugeben, das Yolei ihre Spuren hinterlassen hat...“, sagte ich breit lächelnd und brachte Ken ordentlich ins Schwitzen. Das ich das überhaupt verstanden hatte, mag den einen oder anderen wundern. Tja, ich präsentierte hier nicht umsonst Davis 2.0.! Ich hatte innerhalb der letzten 48 Stunden ordentlich dazugelernt und trainiert, um ein besserer Mensch zu werden! Okay, eigentlich war ich nur in die Schule gegangen, um danach auf dem Sofa im Wohnzimmer bei einer Dokumentation über Aliens einzuschlafen.
 

Ken sah mich mit hochrotem Kopf an. „Yolei sagt, es gibt so etwas das nennt sich „Abdeckstift“. Sie hatte so was nicht da, aber es gäbe das in der Drogerie. Meinst du ich soll´s mal versuchen?“
 

Ich zuckte mit den Schultern. Auf so was war ich nun wirklich nicht vorbereitet. Und mit Abdeckstiften kannte ich mich nicht aus. War ich etwa eine Frau?
 

„Du fragst den Falschen. Klingt nach Frauenkram, damit befasse ich mich ja eher selten. Meine Schwester hat so ein Zeug immer im Badezimmer verteilt. Frag mich jetzt aber bitte nicht, wie so ein Stift aussieht...“, entgegnete ich und zog ihn über die Straße. Abgesehen von seinem offensichtlichen Knutschfleckenproblem hatten wir ja noch eine Mission. Ken seufzte erneut.
 

„Wie soll so was schon aussehen? Wie ein Stift eben...“, murmelte er, als wir in das volle Einkaufszentrum eintraten und uns unseren Weg durchbahnten. Ich steuerte ohne große Umschweife auf den Zentrum eigenen Supermarkt. Vorbei an sich mit Einkaufskörben verprügelnden Müttern und Einkaufswagen in meinen Hintern schiebenden Omas schlängelten wir uns durch die Gänge.
 

Neben den üblichen Partysnacks schafften wir es sogar mit Hilfe einer freundlichen Angestellten für Ken einen Abdeckstift zu kaufen, den wir zu meiner Verwunderung gar nicht in der Schreibwarenabteilung fanden. Überhaupt hatte ich an dieser Stelle zum ersten Mal die Frauenwelt der Drogerieabteilung betreten und habe mich nicht nur bei dem ominösen Abdeckstift gefragt, wozu der Kram gut sei. Ken jedenfalls lief mit der Angestellten zügig umher, verkleidet als Tomate, denn die Dame wollte ihm nicht einen x-beliebigen Stift andrehen, nein – er musste ja auch zu seinem Hautton passen. Und ich dachte schon Mathe wäre meine größte Herausforderung. Wie Frauen da durchstiegen, verstand ich einfach nicht.
 

Seufend vor Freude heil und am ganzen Stück aus diesem Irrenhaus rausgekommen zu sein checkte ich auf meinem Handy die Uhrzeit – 17:35 Uhr. Verwundert riss ich die Augen auf. Wie schnell war die Zeit da drin bitte vergangen? Das lag bestimmt an der Make-Up-Tante. Eine Nachricht von Kari verriet mir, dass ich, wenn ich etwas Essbares mitbringen sollte, langsam auftauchen sollte. Damit wir alles herrichten könnten, wie sie schrieb. Grinsend sah ich zu Ken rüber, der schwer traumatisiert ebenfalls am Handy hang und seiner Mutter erklärte er würde heute später nach Hause kommen. Seine Mutter war immer super besorgt, was ich ihr aber aufgrund Kens Vergangenheit auch nicht übel nehmen konnte. Aus tiefster Seele schnaubend legte er auf und sah mich an.
 

„Mütter, hm?“, neckte ich und er verdrehte die Augen, eine Einkaufstüte schulternd.
 

„Wie sieht der Plan jetzt aus?“, lenkte er ab und ignorierte meinen Kommentar. Eine Windböe überraschte uns von hinten die dafür sorgte, dass sich Kens sorgsam um seinen Hals gewickelter Schal selbstständig machte, und seine Knutschflecke leicht freilegte. Hastig griff er nach dem Ende des Wollstoffes und fummelte an diesem herum, während ich ihm an seinem freien Arm packte und zur U-Bahnstation auf der anderen Straßenseite zog.
 

„Kari erwartet uns. Mit der U-Bahn sind es nur 5 Minuten.“, antwortete ich während ich hektisch die Treppen herunterstieg. Ken hatte Mühe mit mir Schritt zu halten, sichtlich überrascht über meine plötzliche Eile.
 

„Sag mal, warum rennen wir denn so? Bist du auf der Flucht?“, keuchte der Blauhaarige und es war schwer zu glauben, dass er einmal ein Meister im Fußballspielen war. Nicht mal die Kondition war ihm geblieben. Doch seine Frage war berechtig. Wieso hetzte ich so, nur weil Kari geschrieben hatte? Bis die Feier losging war sicher noch massig Zeit. Aber ich hatte nichts besseres zu tun, als sofort zu springen wenn mir das einstige Mädchen meiner Träume schrieb?
 

Ich bremste abrupt ab, Ken rannte in meinen Rücken. Verärgert grummelte er etwas unverständliches, während ich mich schmollend umdrehte.
 

„Du hast recht“, sagte ich etwas betrübt „es gibt gar keinen Grund sich zu beeilen..“
 

Ken sah mich genervt an.
 

„Was stimmt denn nicht mit dir?“, wollte er wissen, seine Stimme deutlich angespannt, ich seufzte.
 

„Davis 2.0 ist noch in der beta-Phase, wie ihr Genies wohl sagen würdet...“, bemerkte ich und war von mir sehr überrascht, dass ich mich selbst analysiert und zu einem Ergebnis gekommen war, dass sogar Sinn ergab. Ich. Davis. Ken lachte.
 

„Die Bahn fährt in einer Minute, wenn wir uns jetzt weiter beeilen kriegen wir die noch.“, sagte Ken, ohne weiter auf meine hochintelligente Aussage einzugehen, worüber ich sofort etwas traurig war, denn wer wusste schon ob ich jemals wieder so einen hellen Moment haben würde? Er zog mich am Ärmel Richtung Gleis, doch ich stockte.
 

„Ach komm, lass uns doch in Ruhe gehen. Kari und T.K. haben die letzten Stunden ohne uns überlebt, dann können die jetzt auch noch eine halbe Stunde länger warten...“ Mein bester Freund sah mich erneut verwundert an und ich machte mir langsam Sorgen, ob ich jemals nochmal einen anderen Ausdruck in seinem Gesicht sehen würde.
 

„Davis 2.0. gefällt mir.“
 

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Sorry für das Wischi-Waschi-Kapitel. Ich hab gerade eine Menge im Kopf, und wollte das Kapitel irgendwie zusammenschreiben. Beim nächsten bemühe ich mich wieder :p

Nichts ist okay

Das Fieber hatte mich nach wie vor fest im Griff, als mich Yolei besuchte. Der Virus, den ich mir eingefangen hatte, schien mich ganz besonders zu mögen. Zu allem Übel konnte ich damit auch schlecht auf die geplante Party für Matt. Ich würde sicher den ein oder anderen Tratsch verpassen.
 

„Darum mach dir mal keine Sorgen!“, meinte Yolei sich verbeugend und anschließend ihre Brille zurecht rückend. „Der Yolei-Lifeticker steht dir kostenlos zur Verfügung!“ Müde lächelnd bedankte ich mich. Keuchend setzte ich mich in meinem Bett auf, um meine Teetasse zu greifen. Yolei saß in meinem Schreibtischstuhl und brabbelte aufgeregt von ihrem Date mit Ken, ließ dabei pikante Details zu meinem Leidwesen nicht aus, nein, viel mehr ging sie richtig auf darin mir wirklich alles zu erzählen. Wäre das nicht eher etwas für Karis Ohren?
 

Sie stockte, als sie, wie auch schon Wallace zuvor, das Bild auf meinem Schreibtisch entdeckte. Ich hatte es aufgrund meines geschwächten Körpers nicht geschafft, es zu verstecken. Innerlich bereitete ich mich auf Fragerunde Nummer zwei vor. Ihr Grinsen versprach mir nämlich, dass auch sie alles wissen wollte.
 

„Du triffst dich mit Mädchen, und hälst es nicht für nötig mir das zu erzählen?“, fragte sie betrübt und wedelte mit dem Foto vor meiner Nase herum. Ich sah runter auf meine Hände, als ich das Lächeln meiner Mitschülerin Kaname sah. Sie wollte das Foto machen, als wir uns getroffen hatten. Als Erinnerung an einen schönen Nachmittag. Keine Hintergedanken. So waren wir schon vor unserem Treffen miteinander umgegangen.
 

„Sie ist nicht das, was du denkst.“, entgegnete ich schließlich, stellte meine Tasse wieder ab und lehnte mich zurück. Warum mussten alle meine Freunde sofort alle möglichen pubertierenden Gedanken haben und sie mir ins Gesicht schleudern? Seit wann konnte man nicht einmal mehr mit Leuten aus der Schule Eis essen gehen, ohne dass man sich hinterher die Zungen in den Hals steckte? Yolei und ich waren schließlich schon ewig befreundet, und weder sie noch ich hatten uns bis dato geküsst, noch hatten wir es vor.
 

Meine Kindheitsfreundin drehte sich aufgeregt in meinem Stuhl und lachte.
 

„Mensch Cody, entspann dich. Ich hätte mich nur sehr gefreut, wenn du jemanden mehr als nur nett finden würdest. Ist sie aus deiner Klasse?“
 

Ich nickte erschöpft. Mein Körper rebellierte heftig gegen das Wachsein, und dagegen, dass ich mich langen Gesprächen mit Yolei hingab. Aber sie war extra herübergekommen. Da konnte ich sie schlecht rauswerfen.
 

„Das ist Kaname. Sie war sogar heute Vormittag hier und brachte mir den verpassten Schulstoff der letzten zwei Tage...“ Yolei gab ein freudiges Quietschen von sich, das sich nicht wirklich deuten ließ.
 

„Wie süß...“, sagte sie, mich mit breitem Grinsen ansehend und legte das Foto zurück an seinen Platz, ehe sie nach ihrem Handy griff, dass zu dieser Sekunde vibrierte. Ich entspannte währenddessen meine Augen, meine Lider waren schwer wie Blei, mir war trotz dicker Decke unfassbar kalt und ich wollte nur Schlafen. Yolei musste wahrscheinlich eh bald los.
 

„WAS?“, rief sie plötzlich, und ich riss erschrocken die Augen wieder auf. Gerade war ich für eine Sekunde weggedöst, doch durch den Aufschrei Yoleis war ich in null Komma nichts wieder voll da. Na ja, was man in meinem Zustand halt unter voll da verstand.
 

„Mein Gott, Yolei...“, grummelte ich und wollte ihr gerade Vorwürfe machen, als sie sich zu mir umdrehte und mir eine SMS von Kari zeigte.
 

„Sora ist wieder da. Ruf mich an, sobald du kannst – Kari“
 

Ich blinzelte ungläublig. War das mein Fieber und hatte ich wirklich das gelesen, was ich gelesen hatte? Yolei und ich tauschten verwirrte Blicke, ehe sie blitzschnell ihr Handy zurückzog und Karis Nummer wählte.
 

„Was ist denn hier los?“, hörte ich meine Mutter sagen, die sich in die Tür gestellt hatte, wahrscheinlich durch Yoleis Aufschrei angelockt. Ich winkte ab.
 

„Nichts Mama, alles gut. Denke ich zumindest...“, antwortete ich ihr, was sie nicht überzeugte, vielmehr kam sie näher und setzte sich neben mir aufs Bett und fühlte meine Stirn.
 

„Cody, ich finde es ja schön, dass deine Freunde kommen und dich besuchen, aber du musst dich ausruhen und das geht nicht, wenn hier alle Nase lang jemand herkommt.“, meinte sie, während im Hintergrund Yolei nervös in der Leitung hing. Kari ging nicht ans Handy.
 

„Schon gut Mama, das hilft mir gesund zu werden...“, entgegnete ich und versuchte meine besorgte Mutter irgendwie von meinen Worten zu überzeugen, indem ich ihr zulächelte. Sie seufzte, sah meine Teetasse an und stand auf.
 

„Ich koche dir noch einen Tee. Yolei willst du vielleicht doch einen?“ Yolei schüttelte wortlos den Kopf und hing erneut ihr Handy ans Ohr. Ich zuckte mit den Schultern, als meine Mutter mich fragend ansah, doch sie sagte nichts und verließ schließlich das Zimmer. Ich seufzte erneut.
 

„Meine Güte, sagt ich soll sie sofort anrufen und dann geht sie nicht ran!“, zischte Yolei und trommelte aufgeregt mit ihren Füßen auf dem Boden herum. Vor lauter Aufregung schlug mein Herz ziemlich schnell. Sora war wieder hier? Wir hatten sie doch durch das Gate gehen sehen? Wir hatten sie am Flughafen verabschiedet?
 

„Was wohl passiert ist?“, fragte ich sie. Yolei sah mich verzweifelt an.
 

„Das werden wir wohl erfahren, wenn Kari endlich dran geht. Ich hoffe nur, dass es Sora gut geht...“ Ich nickte. Natürlich wünschte ich mir das auch. Was wenn ihr Flugzeug Probleme hatte? Wenn ich es richtig überschlug konnte Sora seit ihrem Abflug vor zwei Tagen nicht schon wieder hier sein. Also musste ja etwas auf dem Flug passiert sein.
 

„Kari! Endlich!“, rief Yolei und seufzte erleichtert. Gespannt beugte ich mich vor, und Yolei rückte so nah ran, dass wir beide hören konnten, was Kari uns erzählen würde.
 

„Sorry, hier ist eine Menge los, wie du dir denken kannst... Bist du noch bei Cody? Grüß ihn mal von uns allen“, sagte sie und ihre Stimme verriet das sie wohl ziemlich aufgelöst war. Gebannt hangen wir am Telefon.
 

„Ich sitze neben ihr und hör mit. Aber jetzt sag schon was ist denn eigentlich passiert?“, fragte ich bevor Yolei es tun konnte, was Kari ein fragendes Geräusch von sich geben ließ. Im Hintergrund konnte man Geschirr und leise ein paar Stimmen hören. Ich nahm an das neben T.K. mittlerweile auch Davis und Ken vor Ort waren. Yolei hatte mir erzählt, dass die beiden die Snacks für die Party kaufen gegangen waren und danach direkt zu Kari gehen würden. Kari murmelte etwas Unverständliches, das anscheinend auch nicht für uns bestimmt war.
 

„So genau haben wir das noch nicht verstanden.“, antwortete sie schließlich, sie wirkte unfassbar angespannt. Ob in Anbetracht dessen die Party wirklich eine gute Idee war? Yolei und ich sahen uns besorgt an. Wieso musste ich auch krank sein?
 

„Aber so wie es aussieht, hat man Sora über´s Ohr gehauen.“ Schockiert hielt ich den Atem an. Oh Gott. War sie wohlmöglich ausgeraubt worden? Vor lauter Schreck rutschte Yolei vom Stuhl und mit ihr das Handy auf dem Fußboden. Hastig griff die Lilahaarige nachdem Gerät, schnellte zu mir aufs Bett und kauerte sich neben mich, damit ich wieder mithören konnte.
 

„Seit ihr noch da? Cody wie geht’s dir eigentlich?“ Das Kari in dieser Situation noch an mich dachte, machte mich nur noch wahnsinniger. Es war jetzt total egal, wie es mir ging – wie ging es unserer Sora?
 

„Sorry, mir ist das Handy runtergefallen....“, murmelte Yolei während wir beide zitterten.
 

„Wie es mir geht ist doch egal, was ist mit Sora?“, fragte ich nervös. Kari seufzte.
 

„Sora hat vorhin T.K. angerufen und wir haben versucht sie zu verstehen. Es war nicht einfach, weil sie total aufgelöst war...“, begann Kari zu erzählen.
 

„Sie hat T.K. angerufen? Warum denn nicht Matt?“, fragte Yolei und fasste knapp meine ersten Gedanken zusammen. Wenn Sora jemanden in ihrer offensichtlichen Verzweiflung anrufen würde, dann ja wohl ihren Freund, oder?
 

„Matt ging wohl nicht ans Telefon. Ich schätze mal er hatte es wie immer auf lautlos. Ihr wisst doch das ihm das Klingeln immer auf die Nerven geht... Trotzdem hatte ich doch eher vermutet dass sie danach meinen Bruder anrufen würde...“, entgegnete Kari. Ein Rascheln verriet mir, dass sich jemand zu Kari gesellt hatte.
 

„Yolei? Hier ist T.K. Ich dachte ich klinke mich mal ein.“, sagte der Blonde. Wenn das so weiterging hatten wir noch eine wahre Telefonkonferenz. Trotzdem schienen mir die beiden das viel zu locker zu sehen. Das kam mir komisch vor. In dem Moment, in dem Takeru die Geschichte vorsetzen wollte, kam meine Mutter herein. Sie stellte eine neue Tasse Tee und eine heiße Suppe neben mir ab, und fühlte besorgt meine Stirn.
 

„Cody du solltest dich wirklich hinlegen!“, ermahnte sie mich und bedeutete Yolei, dass es Zeit war zu gehen. Aber das ging jetzt nicht. Ich wollte doch wissen, was mit Sora passiert war!
 

„In unserem Freundeskreis gab es einen Vorfall, und es ist wirklich super wichtig, dass ich noch ein bisschen bleibe. Wir telefonieren gerade mit Takeru und Kari, und es ist von großer Notwendigkeit, dass Cody das noch mithört. Bitte Frau Hida, ich verspreche Ihnen, dass ich danach gehe!“ Yolei nutzte ihren Dackelblick, der bei meiner Mutter allerdings keine Wirkung zeigte. Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Nein Yolei. Du weißt ich meine es nicht böse, und ich will dich nicht rauswerfen... Ich will doch nur, dass Cody sich auskoriert, und du dich nicht ansteckst. Ihr könnt doch auch morgen noch sprechen...“
 

Besorgt sah ich zu Yolei, die ratlos die Schultern zuckte. Wie so oft, kam in diesem Momenten mein Großvater um die Ecke, um meine Mutter zu beruhigen. Der kleine Mann stand schmunzelnd im Türrahmen, was meiner Mutter gar nicht passte.
 

„Meine Güte, lass den Jungen doch noch fünf Minuten mit seinen Freunden sprechen... Ich bin mir sicher, dass sich Iori dann hinlegen wird und sich ausruhen. Nun komm...“ Mein Großvater winkte meine Mutter zu sich hinaus in den Flur, auf das sie nur zögerlich reagierte.
 

„5 Minuten!“, rief sie und schloss hinter sich die Tür. Yolei und ich seufzten.
 

„Bist du noch dran, T.K.?“, fragte sie hastig als wir uns wieder positioniert hatten und bekamen ein Klirren als Antwort.
 

„Jo. Noch alle anwesend. Ist alles okay bei euch?“
 

„Ja, ja. Nun erzähl uns alles, wir haben nur 5 Minuten!“, rief ich aufgeregt.
 

„Okay.... Wie Kari schon meinte wunderten wir uns, dass Sora mich angerufen hat. Aber wie es scheint war ich wohl der Einzige den sie überhaupt erreicht hat. Und dessen Namen sie in ihrem Zustand in ihrem Handy anklicken konnte. Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass sie Matt wirklich versucht hat zu erreichen, um ihn nicht verrückt zu machen... Das war sie ja schon genug...“ T.K. machte eine kurze Pause und schien jemanden irgendetwas zu reichen.
 

„Auf jedenfall haben wir versucht sie irgendwie zu beruhigen. Was nachdem, was sie uns erzählen konnte, selbst für uns nicht einfach war.“
 

„Aber wie kann es sein, dass sie erst in Frankreich gelandet ist und jetzt wieder hier ist? Das geht doch nicht?“, unterbrach ihn Yolei was ich als super unhöflich empfand, aber nach wie vor eine logische Frage war.
 

„Das liegt daran, dass sie da gar nicht angekommen ist.“, entgegnete T.K. angespannt und seufzte. Erschrocken zog ich die Luft scharf durch die Nase ein. Sie ist da gar nicht angekommen?
 

„Oh Gott, T.K. was ist passiert? War was mit dem Flugzeug?“, rief ich in das Telefon und erschreckte Yolei damit. T.K. gab das Telefon offenbar wieder an Kari ab, weil Davis im Hintergrund irgendetwas kaputtgemacht hatte. Zumindest wenn man der Geräuschkulisse glaubte.
 

„Nein, nein das Flugzeug war zum Glück in Ordnung“, meinte Kari und schien sich erleichtert in einen ruhigen Raum zurückgezogen zu sein.
 

„Tut mir leid, dass wir hier ständig den Sprecher wechseln, aber das Davis mit uns in der Küche hantiert macht uns beide nervöser als das Telefonat mit Sora...“ Kari seufzte.
 

„Also um es auf den Punkt zu bringen: Soras Ansprechpartnerin hatte sie an ihrem ersten Stopp in Moskau abgeholt und vor Ort mit der Universität in Paris und mit der dortigen Studentenunterkunft telefoniert. Der Flug nach Paris war wohl verschoben worden und sie wollte denen mitteilen, dass sie sich verspäten. Und jetzt kommt der Knüller: Weder an der Uni noch in der Unterkunft wusste man wer Sora war. Erst als Soras Ansprechpartnerin Druck gemacht hatte, fand ein Mitarbeiter der Universität Soras Namen, allerdings hatte man keinen Platz mehr für sie in dem Modedesign-Studium. Aus irgendeinem Grund hatte sie jemand einfach ausgetragen und niemandem Bescheid gesagt. Man ließ sich auch nicht darauf ein, dass sie übergangsweise in das Studentenheim unterkam. Dort gab es sie nämlich gar nicht. Ihre Ansprechpartnerin hatte echt alles versucht, nur um unserer total aufgelösten Sora am Ende sagen zu müssen, dass sie sie wieder nach Japan schicken musste.“ Karis Stimme versagte, und man hörte sie leise schluchzen. Mein eingehendes Gefühl, dass sie nicht so mitfühlen würde, tat mir leid. Auch Yolei liefen die Tränen über die Wangen.
 

„Aber.... Aber das geht doch nicht... Sora... will doch Modedesignerin werden....“, hauchte Yolei und ich lehnte mich tröstend an ihre Schulter. Diese Geschichte bereitete mir neben Kummer auch unfassbare Kopfschmerzen. Letzteres wahrscheinlich eher aufgrund meiner Krankheit.
 

Das war doch wohl unfassbar. Wie konnte man jemanden einen Studienplatz anbieten, immakrulieren lassen und dann sagen, dass es diesen Platz nicht mehr gibt und man nach Hause gehen soll? Arme Sora... Sie musste am Boden zerstört sein. Ihre Zukunft hatte sich einfach... Nein, so durfte ich nicht denken.
 

„Es hat mir das Herz gebrochen, sie so zu hören... Wie gern hätte ich sie einfach sofort in den Arm genommen. Das werde ich heute Abend machen... Falls sie wirklich kommt..“, hauchte Kari in den Höhrer.
 

„Wie bitte? Sora kommt zur Party?“, quiekte Yolei. Beinahe rutschte ihr erneut das Handy herunter.
 

„Ja, nicht nur du bist verwundert. Aber sie will Matt sehen. Verständlicherweise. Ist aufjedenfall eine mega Überraschung... Ich kann dir gar nicht sagen, wie überfordert ich mit der Situation bin. Aber ich will gar nicht wissen, wie es der armen Sora gerade geht.“, sagte Kari und schniefte hörbar. Yolei legte einen Arm um mich, und sah mich mit Tränen gefüllten Augen an.
 

„Oh Sora...“, hauchte Yolei. Unfähig irgendetwas zu sagen starrte ich in die Leere. Ich war vielleicht nicht besonders eng mit Sora befreundet, aber tat mir trotzdem unheimlich leid, dass ihre Traum geplatzt war. Wenn ich nicht zu krank wäre, dann hätte ich mich sofort mit Yolei aufgemacht, um Sora nachher mit allen Mut zu zu sprechen. Das musste Yolei nachher für mich mit übernehmen. Selbst wenn ich Kraft hätte, meine Mutter würde mich niemals gehen lassen.
 

„Yolei? Ich muss auflegen. Davis hat schon wieder ein Glas fallen lassen und ich fürchte Takeru bringt ihn gleich um. Und nach dem Tag hab ich echt keine Kraft mehr um Blutflecke aus Mamas Teppich zu schrubben...“, meinte Kari nach einigen Sekunden der Stille.
 

„Ja klar. Ich mach mich eh gleich auf den Weg zu dir. Wir sehen... uns dann gleich...“, murmelte Yolei und legte auf. Noch immer geschockt saßen wir schweigend nebeneinader, bis meine Mutter wieder im Türrahmen stand und ungeduldig mit dem Fuß tippte.
 

„Yolei?“
 

Als ihr Name ertönte erhob sie sich schwerfällig von meinem Bett, sah mich mit leerem Blick an und griff nach ihrer Tasche. Ich schluckte.
 

„Ich.... ruf dich an...“, sagte sie mit schwacher Stimme, schob sich an meiner Mutter vorbei und war verschwunden. Verdutzt schaute meine Mutter erst ihr nach dann zu mir herüber.
 

„Sag mal, ist alles okay?“, fragte sie während ich mich erschöpft auf mein Kopfkissen fallen ließ. Ich war so müde und traurig, dass ich nicht wusste ob ich erst schlafen oder heulen wollte. Sora...
 

„Nein...“, entgegnete ich. „Nichts ist okay fürchte ich.“

Alle gemeinsam

„Du musst schon stillhalten, sonst kann ich das nicht verteilen!“, meinte Yolei mit der einen Hand den von uns gekauften Abdeckstift haltend, der, wie mir Verkäuferin ja quasi aufgedrängt hatte, in meinem Hautton sein sollte. Die andere Hand meiner Freundin beschmierte ihre Liebesabdrücke an meinem Hals, kleine Hinterlassenschaften unseres stürmischen Dates. Es war ersichtlich, wer von uns beiden die sprichwörtlichen Hosen in der Beziehung anhaben würde. Aber das Geschmiere auf meinem Hals war immer noch besser, als den ganzen Abend von den Älteren der Gruppe schräg angeguckt, oder belächelt zu werden, weil Yolei sich nicht zurückhalten konnte. Nein, wir hatten keinen.... Sex gehabt, aber... na ja... ihr könnt es euch sicherlich denken... Als wäre mir das nicht schon unangenehm genug davon zu sprechen.
 

Ich ließ die Prozedur über mich ergehen, denn es war aktuell das einzig Witzige, dass hier passierte. Kari und T.K. hatten sofort losgebrabbelt, als Davis und ich die Einkäufe vorbeibrachten. Sora sei wieder hier, und wurde von ihrer Uni plötzlich verstoßen. Sie war dort nicht existent. Schockiert sog ich die Nachricht in mich auf, wie meine Haut den Abdeckstift. Das war einfach nur furchtbar, und ich fand nicht die richtigen Worte, um diese grausige Situation zu beschreiben. Und Davis´ „Ich hoffe sie kriegt das Geld für den Flug wieder..“ machte es nicht gerade besser.
 

Nachdem meine Freundin mich liebevoll mit Make-Up bestrichen hatte, und ich somit davor gefeit war, den restlichen Abend in meinem dicksten Winterschal vor mich hinzusterben, machten wir uns daran, alles für die kleine Feier herzurichten. Über uns die Wolke der Trauer ums Soras geplatzten Traum.
 

Ich traute mich kaum zu atmen, als wir alle in Totenstille den Wohnraum der Yagamis ein wenig umräumten. Lediglich Davis machte durch das Rascheln der Tüten voller Snacks Geräusche, bemühte sich aber unter größter Anstrengung leise zu sein. Ich sah mich unruhig zu Yolei um, die leise vor sich hinschluchzend an der Spüle stand und mit Kari Gläser spülte. Auch wenn beide zu tiefst betrübt waren, war ich heilfroh dass die beiden das übernommen hatten. Zuvor hatte Davis diese eigentlich nicht schwierige Aufgabe meistern wollen und hatte nach dem dritten kaputten Glas überfordert aufgegeben. Keiner war sich sicher, ob er einfach nur angespannt versuchte uns seinen Davis 2.0 zu demonstrieren, oder er die Nachricht von Sora nicht verarbeiten konnte.
 

Versteht uns nicht falsch – wir freuten uns insgeheim alle, dass Sora wieder gesund in Japan angekommen war, und wohl doch nicht in Frankreich studieren würde. Aber genauso sehr tat es uns allen leid, dass sie das eben nicht tun konnte. Noch viel angespannter waren wir alle in Anbetracht dessen, dass Sora angekündigt hatte vorbeizuschauen. Das fanden wir alle schwierig, niemand konnte einschätzen, wie Matt reagieren würde. Nicht das er sich nicht freuen würde, aber... ach ich wusste doch auch nicht.
 

„Ey Leute, jetzt lasst doch den Kopf nicht so hängen. Wir sollten uns lieber freuen, dass sie wieder hier ist... Mal ehrlich, drei Jahre ohne Sora? Hätte das einer von euch ausgehalten?“, scherzte Davis und versuchte mit aller Kraft die Gemüter zu heben. Mit wenig Erfolg. Ich räusperte mich und ging ihm schließlich zur Hand.
 

„J-ja... Hat doch auch was Schönes, so können wir auch weiterhin alle zusammen sein...“, fügte ich hinzu, worauf Davis eifrig nickte. Hinter ihm konnte ich Yolei schwach lächelnd das letzte Glas abstellen sehen. Auch Kari war fertig und kam uns mit ein paar Schüsseln entgegen.
 

„Sora hat so ein großes Herz, und hat immer erst an uns alle anderen gedacht, wenn was passiert ist“, erklärte Kari mit seichter Stimme. „Sie so leiden zu sehen, beziehungsweise sie so gehört zu haben, tut uns allen ziemlich weh. Sie hat das Beste vom Besten verdient, und dann so was, also echt...“ Kari seufzte, folgte einem Klingeln an der Tür und verschwand. T.K, der stumm an seinem Handy hing, auf dem Tresen neben mir lehnend, klinke sich ein.
 

„Mein Bruder feiert zwar höchst ungern seinen eigenen Geburtstag, aber ich glaube wenn wir hier alle so rumhängen, als hätten wir eine Katze überfahren, dann feiert er nie wieder etwas.“
 

Davis und ich stimmten grummelnd zu. In diesem Moment betraten Joey und Izzy den Raum, beide mit eben solcher Miene wie wir alle. Sie wussten anscheinend auch Bescheid. Auch wenn Izzy noch fertiger aussah als Joey. Beide nickten zur Begrüßung, und Joey beugte sich fast schon väterlich zu uns herüber, und klopfte mir auf die Schulter.
 

„Ich bin nicht hergekommen, um noch mehr betrübte Gesichter zu sehen. Matt wird heute Nacht 19 und ich finde, wir sollten es ihm so nett wie möglich machen. Und ich weiß nicht, ob ich der Einzige bin, aber ich finde es toll, dass Sora vorbeikommt. Das ist eine tolle Überraschung für Matt, und außerdem eine prima Ablenkung für sie.“, meinte er und weckte mit seinen ruhigen Worten in uns allen Hoffnung. Takeru lächelte ihn erleichtert an. Diese Art von Unterstützung hatte ihm deutlich gefehlt.
 

Koushiro hatte sich wortlos auf das Sofa gesetzt, und schien nur physisch anwesend zu sein. Ich kannte ihn nicht besonders gut, aber irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass ihm nicht nur Soras Rückschlag quer lag. Aber gerade weil unsere Freundschaft nicht die engste war, traute ich mich nicht zu fragen. Oder war das vielleicht ein Grund, den ersten Schritt zu machen?
 

Vorsichtig tastete ich mich an das Genie ran. Im Gegensatz zu mir, war er schließlich von Natur aus unfassbar klug. Also lag ich mit meiner Bezeichnung ja richtig. Ich beugte mich über die Lehne und tippte ihn an die Schulter. Er drehte müde den Kopf zu mir herum. Sein Blick ungewohnt leer.
 

„Geht´s dir gut?“, fragte ich, was Besseres fiel mir akut nicht ein. Ich war auch nicht gut im reden. Koushiro lächelte kurz und gespielt, ehe er sich wieder abwandte.
 

„Klar.“ Mehr bekam ich nicht. Aber man konnte mir nicht vorwerfen es nicht wenigstens versucht zu haben. Enttäuscht wandte ich mich ab, nur um Joeys aufmunterndes lächeln zu sehen.
 

„Weißt du was los ist?“, fragte ich flüsternd und er nickte, beugte sich zu mir rüber.
 

„Mit Saya ist Schluss...“, hauchte er, bemüht leise, doch leider war es laut genug, dass sich selbst Kari umdrehte und mich fragend ansah. Ich konnte Koushiro hinter mir grummeln hören. Joey wich nervös kichernd zurück.
 

„Ja, sagst doch noch lauter, ich glaube die in Hong Kong haben´s noch nicht gehört!“, zischte Izzy und ich zuckte zusammen. Bitte nicht noch mehr negative Gefühle. T.K. haute auf den Tresen.
 

„Ich geb´s auf, wir blasen das ab...“, sagte er monoton, verschwand Kopf schüttelnd in Karis Zimmer, die ihm uns entschuldigend ansehend folgte. Yolei seufzte.
 

„Was soll das denn alles....“, hauchte sie, und ging statt Kari zur Tür, als es erneut klingelte. Wallace kam, deutlich glücklicher als wir anderen, in den Raum. Er war nicht allein gekommen, auch Mimi und sogar Sayachi betraten den Raum. Beide mit einem beachtlichen Abstand von einander. Armer Izzy, das würde kein leichter Abend für ihn werden. Mimi musterte sie angewidert, ehe sie Yolei umarmte und dem Rest zu winkte. Ich konnte an ihrer Mimik nicht erkennen, ob sie wusste, dass Sora uns heute Abend mit ihrer Anwesenheit beehren würde. Wallace wusste es auf keinen Fall. Mit unverblühmter Offenheit stolzierte er durch den Raum und begrüßte jeden einzelnen.
 

„Ist der Schlussverkauf vorbei, oder warum seit ihr alle so sad, Mädels?“, scherzte er und sah in ein wenig begeistertes Publikum. Das er mit „Mädels“ auch uns Jungs meinte, schien besonders Davis zu stören. Yolei stellte die Gläser auf den Tresen.
 

„Okay Schätzchen, du kriegst die Kurzfassung: Sora ist wieder da und studiert nicht in Frankreich... Die Idioten haben sie einfach.....“, meine Freundin brach ihren Satz ab und sah in die Runde. Wallace stand mit geöffnetem Mund vor ihr.
 

„Sora ist wieder hier? Hey, dass ist doch super! Dann feiert sie mit!“, rief er und jubelte. Ich sah zu Mimi herüber die sich unsicher über die Lippen leckte und gerade etwas sagen wollte, als sie sich erschrocken zur Tür wandte.
 

„Wer feiert mit?“, fragte eine neue Stimme, die perfekt zu Tai passte. Und wie es der Zufall wollte stand der große Braunhaarige samt Yamato, mit grimmigen Blick im Flur und sah uns prüfend an. Ich begann zu zittern und mein Puls raste. Wir hatten die Zeit vor der Ankunft der Beiden nicht genutzt, um uns einen kleinen Schlachtplan zu überlegen, ob und wie wir Tai und Matt sagen wollten, dass der Rotschopf heute Abend wohl in der Tür stehen würde. Allerdings war ich auch ziemlich überrumpelt über die Tatsache, dass die beiden plötzlich auf der Matte standen.
 

„Happy Birthday!“, rief Wallace und Yolei fasste sich an die Stirn, während Joey nervös kicherte. Matt stöhnte genervt und blinzelte langsam. Ich glaubte nicht, dass ihm diese kleine Party gefallen würde.
 

„... Ich hab erst Morgen...“, grummelte er und versetzte unseren amerikanischen Freund in eine äußerst peinliche Lage. Seiner zuvor selbstsicheren Art wich einem „Ich möchte am liebsten im Boden versinken“. Tai sah nervös zwischen allen anderen und Matt hin und her, der ihm müde zu lächelte.
 

„Süß... Aber Parties könnt ihr doch normalerweise besser machen... falls das eine sein soll...“, fuhr der Blonde fort und lehnte sich schmunzelnd gegen den Tresen. Taichi ergab sich unserem Scheitern und seufzte theatralisch.
 

„Scheiße Leute... Da krieg ich den Kerl mal aus seinem Kerker, und dann sind hier alle nur am schmollen und keiner macht Stimmung...“, stellte er fest, und erschrak als seine Schwester samt T.K. aus ihrem Zimmer kamen, die ebenfalls zusammenzuckten.
 

„Wieso seit ihr denn schon da?“, hauchte Kari und checkte ihre Handyuhr um dann die Hände vor ihrem Mund zusammenzuschlagen. „Oh Gott, Tai, Sorry....“
 

Ihr Bruder winkte ab. Ich folgte Joey auf die Sofalehne, auf die er sich eben gesetzt hatte und verschränkte etwas enttäuscht die Arme vor der Brust. Wenn wir mehr oder minder nicht noch die Sora-Trumpfkarte in der Hinterhand hätten, würde ich dies als den wohl traurigsten Geburtstag aller Zeiten abstempeln. Auch wenn Matt noch gar nicht Geburtstag hatte. Während sich Stille in der gemütlichen Wohnung ausbreitete, sammelte ich meinen geringen Mut zusammen und holte tief Luft, was allen signalisierte, dass ich etwas zu sagen hatte.
 

„Dann ist die Überraschung eben schief gegangen“, fing ich an und stieß mich mit Elan von der Sofakante wieder weg. „Aber hey, wir haben doch schon oft zusammengefeiert und wissen, dass wir aus jeder Situation trotzdem eine tolle Zeit machen... Also lasst uns nochmal anfangen und Matt heute gebührend ins neue Lebensjahr begleiten!“ Alle Augen waren auf mich gerichtet, gebannt, denn kaum einer hatte wohl vermutet, dass ich meinen Mund öffnen und eine solche Ansprache halten würde. Joey klopfte mir erneut, dieses Mal anerkennend, auf die Schulter.
 

„Das nenn ich ein Wort!“, rief Mimi, die sich anscheinend seit ihrer Ankunft hinter mich zu Izzy auf das Sofa gesetzt hatte. Diese kleine Nebenhandlung, die sich hier gerade abspielte, war mir gar nicht bewusst geworden. Nicht nur, dass Mimi neben Izzy saß und dass ohne, dass die beiden sich umbrachten. Ich entdeckte Sayachi, neben Tachi stehend, die genau das argwöhnisch beobachtete. Auch Tai sah kurz verwundert rüber, war dann scheinbar doch mehr von meinen Worten angetan.
 

„Das hätte von mir sein können, Ken!“, rief er stattdessen und alle lachten. Zufrieden stieg ich in das Lachen ein. Mein Herz ging auf bei dem Gedanken, das ich den anderen tatsächlich ein wenig Zuspruch leisten konnte. Alle waren unter der Anspannung wegen Sora total unter Strom und hatten beinahe vergessen, dass wir Matt eine Freude machen wollten. Langsam lockerte sich die Stimmung. Yolei schenkte mir einen ihrer „Ich bin sehr stolz auf dich“-Blick, was mich erröten ließ. Ich hatte es von allen begründeter Weise am schwersten in die Gruppe zu kommen, und nach all der Zeit so einen Treffer zu landen, gab mir wirklich Mut.
 

„Ich danke euch allen von Herzen...“, meinte Matt schließlich und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. Taichi zwinkerte seinem besten Freund zu. Manchmal fragte ich mich, ob man die beiden im Weitesten mit Davis und mir vergleichen konnte? Als Taichi allerdings zu sprechen begann, verwarf ich meinen Gedanken schnell.
 

„Ey, wie unser guter Ken eben schon meinte... egal wie schwer die Zeit ist, wir stehen das gemeinsam durch!“, sagte er und abermals sackte ich scharmrot in mich zusammen, als sich wieder alle Blicke auf mich richteten. Nur Davis schien nicht mitzukommen.
 

„Hä? Das hat Ken doch gar nicht gesagt?“ Ich seufzte. Davis glänzte erneut mit seiner unfassbar ausgeprägten Fähigkeit nicht aufzupassen, was alle nur noch mehr zum Lachen animierte. Ich konnte sehen wie Kari sich hinter ihrem Bruder entlang schlich, um hinter die Küchenteke zu gelangen.
 

„Also?“, begann sie und hielt in der einen Hand Saft und in der anderen etwas Hochprozentiges. „Wem darf ich was einschenken?“
 

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Ich habe bewusst Saft am Ende geschrieben, weil ich die Clique nicht als absolute Säufer darstellen wollte. Zudem sind ja auch die meisten noch minderjährig, ne? :D
 

Kleines Dankeschön an die liebe dattelpalme11 , weil darum :D ... Nein, du schreibst wirklich immer so fleißig ausführliche und liebe Kommentare, dass ich einfach mal danke sagen wollte :D Natürlich auch danke an abgemeldet du schreibst schließlich auch ganz liebe Kommentare!! :3

Dort wo ich sein will

Meine Knie zitterten noch immer, als ich mit meinen Eltern in der Küche sitzend zu Abend aß. Na ja vielmehr aßen sie, ich starrte nur auf meinen Teller Suppe. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie mich meine Mutter besorgt musterte.
 

"Misosuppe, Sora.", meinte sie aufmunternd. "Die magst du doch so gern." Ich schluckte. Im Moment mochte ich gar nichts. Ich wollte nur schreiend durch diese Welt voller Ungerechtigkeit laufen und alles verfluchen. Mein Traum war vor nicht allzu wenigen Stunden geplatzt. In Frankreich gab es keinen Platz für mich, keinen Platz für meine Kreativität, Leidenschaft und Zukunft. Man hatte mich ausradiert wie eine Skizze auf dem Zeichenbrett, mich behandelt, als existiere ich gar nicht. Noch immer sah ich das betroffene Gesicht meiner Ansprechpartnerin vor meinem geistigen Auge, als sie mir mitteilte, dass der nächste Flieger mich nicht nach Paris, sondern zurück in meine Heimat bringen würde. Da wo ich doch erst mühsam hergekommen war.
 

Und dennoch ein Teil in mir war sogar erleichtert. Ich wäre nicht drei Jahre von Matt und all meinen Freunden und meinen Eltern getrennt. Aber ich hatte mich ja nicht in Paris beworben weil ich Langeweile hatte. Das war schon ein riesen Traum in der Modemetropole zu studieren. Und es war so ein langer Weg gewesen. Wie lange ich an meinem Portfolio gearbeitet hatte... Woche um Woche waren Unmengen an Papier, Stifte, Schweiß und Tränen in dieses Heft gegangen. Und wofür? Dafür das man mich am Ende einfach aus dem Studiengang strich.
 

Mein Vater, seines Zeichens selbst Dozent, war fuchsteufelswild gewesen, als ich es irgendwie geschafft hatte ihn zu erreichen. Noch ehe ich ins Flugzeug zurück nach Japan stieg, hatte er im Selbstversuch bei der französischen Universität angerufen, um sich in meinem Namen zu beschweren. Denn man hatte mich nicht nur einfach aus dem Studium gestrichen - man hatte das Geld für meine Studentenunterkunft sowie den ersten Teil der Studiengebühren herzlichst vom Konto meines Vaters abgebucht und einbehalten. Das alles erzählte mein mir mein sonst so ruhiger Vater auf dem Weg nach Hause, nachdem ich es tatsächlich geschafft hatte irgendwie diesen erneut langen Flug zu überstehen und in den Armen meiner Mutter zusammen zu brechen. Im Auto hatte sie sich zu mir nach hinten gesetzt um meine bebenden Hände gehalten, während ich einfach stumm vor mich hin weinte. Immer wieder strich sie mir sie Haare aus dem Gesicht.
 

"Ich verspreche dir, das wird sich alles aufklären, Sora.", meinte mein Vater uns riss mich aus meinen trüben Gedanken. Die Suppe vor mir war bestimmt längst kalt, aber das war mir egal. Demonstrativ schob ich sie von mir weg, was meine Mutter mit einen enttäuschten Schnauben kommentierte. Ich zuckte nur mit den Schultern.
 

"Was solls...", meinte ich, und spähte auf die Uhr die über der Wohnzimmertür hing. 20 Uhr. Meine Eltern bemerkten beide meinen Blick.
 

"Du willst doch nicht wirklich zu dieser Party?", fragte meine Mutter, wobei es eher nach einem Verbieten dieser Aktion ihrerseits klang. Erneut zuckte ich mit den Schultern. Von der Feier zu Matts Geburtstag, in den die anderen reinfeierten, hatte ich meinen Eltern noch im Auto berichtet. Wie ich das geschafft hatte, war mir ein Rätsel. Auch wie ich es schaffte noch am Flughafen verzweifelt meinen Freund anzurufen und am Ende mit seinen Bruder fast eine halbe Stunde telefoniert hatte, als meine Mutter mit mir in der Halle sitzend darauf wartend, das sowohl ich als auch mein Vater sich beruhigt hatten. Meine Mutter hielt es für eine absolute Zumutung mich auf die Party zu lassen. Mein Vater wiederum war sich noch unschlüssig.
 

"Du hast zwei ellenlange Flüge hinter dir, Kind. Du solltest dich etwas hinlegen. In den letzten zwei Tagen ist zu viel auf dich eingeprasselt. Findest du nicht, du hast jetzt Ruhe verdient?“ Ich wusste, sie meinte es nur gut. Und ich wusste sie hatte recht. Und so froh ich auch darüber war, dass ich wieder unter die schützenden Flügel meiner Eltern untergekommen war, und sie mir um jeden Preis helfen würden, dass ich aus dieser Situation heil herauskam. Dafür liebte ich sie sehr. Aber mein Herz schrie einfach nur ohrenbetäubend laut nach Yamato. Ich wollte einfach wieder mein Gesicht in seine Halsbeuge vergraben, seinen wunderbaren Duft einatmen und seine melodische Stimme sagen hören, dass alles gut werden würde. Egal, ob er selbst daran glaubte. Ich wollte das er mich festhielt. Denn ich hatte gerade das Gefühl auseinander zu brechen. Und das konnte mein Vater nicht durch einen Anruf bei seinen Kollegen wett machen.
 

„Ich muss deiner Mutter zustimmen Sora...“, sagte er und legte seinen Arm um mich, als er seinen Stuhl um den Tisch rückte, um mir näher zu sein. Ich ließ den Kopf hängen, weil ich vermutete, dass er jetzt entgültig auf ihrer Seite war. Dabei war ich mir zugegebenermaßen selbst nicht sicher, ob das eine gute Idee war.
 

„Du kannst ihm doch morgen schreiben!“,schlug meine Mutter vor, sehr davon angetan, dass mein Vater ihr vermeintlich den Rücken stärkte. Meine Hände knetend sah ich zu ihr auf, und konnte ihr Mitgefühl spüren. Sie meinte es gut, ich wusste das.

„Aber... das ist nicht dasselbe... Ich kann jetzt eh nicht schlafen...“, entgegnete ich, wenn auch mit schwacher Stimme. Ich war wirklich fertig. Allein der Hinflug nach Moskau, meinen eigentlichen Zwischenstopp, hatte mich sowohl körperlich als auch nervlich bis an meine Grenzen getrieben. Zumal ich den halben Flug vor mich hin geweint hatte. So sehr mein Herz auch schrie, genauso sehr schrie mein Körper nach einem Bett. Meine Kraftreserven wurden in den letzten 48 Stunden wirklich ausgeschöpft. Doch ich wusste, wenn ich nicht hingehen würde, würde ich es bereuen. Er war mein Freund. Und ich musste doch die Erste sein, die ihm gratuliert. Oder? Okay, ignorieren wir den Fakt, dass ich das auch nicht hätte tun können, wenn ich in Frankreich wäre.
 

Mein Vater streichelte mir über die Schulter. „Du bist alt genug um zu entscheiden, was du tun und lassen willst.“, sagte er im Aufstehen und kassierte auf seinen Weg zum Kühlschrank einen unfassbar bösen Blick von meiner Mutter. „Aber bitte erwarte nicht von uns, dass wir das verstehen geschweige denn unterstützen.“ Seine Stimme verriet, dass er alles andere als begeistert war. Ich ließ überfordert mein Gesicht in meine Hände fallen. Meine Eltern hatten ja Recht. Selbst Matt hielt mich bestimmt für verrückt, wenn ich in meinem Zustand auf eine Party ginge. Was tat ich mir und allen um mich herum nur an? Würde ich nicht auch die Stimmung auf der Party vollkommen verderben, wenn ich, müde und abgekämpft, dort auftauchen würde? Dennoch plagte mich das schlechte Gewissen: Matt war nicht der Erste gewesen, der von meinem Drama erfahren hatte. Wenn ich jetzt bis morgen wartete, und ihm dann erzählte, dass ich schon seit heute wieder da war... wäre er dann nicht unfassbar wütend? Oder hätte er Verständnis? Ach man, wieso konnte nicht einmal etwas einfach sein?
 

„Ich kann doch nicht nicht hingehen...?“, murmelte ich vor mich hin, total verzweifelt. Meine Müdigkeit trübte meine Gedanken. Und dennoch überzeugten mich meine Gefühle zu Matt, dass es eine gute Idee sei, vorbeizugehen. Ich musste Matt sehen, und wenn ich in seinen Armen zusammenbrechen würde. Dann wäre ich jedenfalls in den richtigen gelandet.
 

Meine Mutter schien meinen Gedankengang zu verfolgen, denn sie stand nun hinter mir und umarmte mich. „Auf deinen jungen Schultern lastet im Moment unfassbar viel Leid. Und ich kann nachvollziehen, dass Yamato wohl der Einzige ist, der dir Kaft geben kann. Wir haben verstanden, dass wir dir auf dieser Ebene nicht helfen können. Aber bitte versteh du auch, dass wir uns um dich ernsthaft sorgen. Wir sind deine Eltern und lieben dich..“, sagte sie liebevoll und ihre wärmenden Arme umschlossen die zitternde Leere in mir, die sich durch die Ereignisse der letzten Tage gebildet hatte. Tränen stiegen mir in die Augen bei den Worten meiner Mutter. Sie klang so traurig, als sie sagte, dass nur Matt mich glücklich machen könnte. Es tat weh, dass es ihr offenbar schwer fiel mich los zulassen. Ich griff nach den Armen meiner Mutter.
 

„Ach Mama... Das weiß ich doch....“ Sie drückte mich fester, während mein Vater zurück an den Tisch kam und sich herüberbeugte.
 

„Kann ich davon ausgehen, dass du bei Yamato unterkommst, oder muss ich dich heute Nacht wieder bei Taichi abholen?“, wollte er wissen, und erhielt sowohl von mir, als auch von meiner Mutter einen verwunderten Blick. Meinte er das ernst? Mein Vater würde mich wirklich zu der Feier fahren?Mein Puls begann sich zu beschleunigen, meine Mutter schien das zu bemerken und sah mich besorgt an.
 

„Haruhiko! Das kannst du doch nicht einfach tun!“, rief sie aufgebracht, und löste ihre Umarmung. Es fühlte sich beinahe so an, als würde sie mich alleine lassen. Aber sie verteidigte lediglich ihre Position. Ich sah meinen Vater prüfend an. Seine Mimik verriet ihn, er machte sich große Sorgen um mich. Aber er schien genauso zu denken wie meine Mutter – Matt jetzt zu sehen, würde mir den benötigten Frieden geben, den ich brauchte, um wieder klare Gedanken fassen zu können. Auch wenn ich dafür wohlmöglich noch mindestens 12 Stunden Schlaf drauf rechnen musste. Er lächelte, ebenfalls müde von den ganzen Strapazen.
 

„Wir können ihr schlecht verbieten, ihrem Freund zum Geburtstag zu gratulieren...“, begann er und winkte mich zu sich. Schwerfällig aber aufgeregt erhob ich mich, um in einem der Koffer, die in der ganzen Wohnung verstreut standen, eine kleine Tasche für ein paar Kleinigkeiten zu finden. Meine Mutter hielt mich kurz am Ärmel fest, ließ dann allerdings los und gab offensichtlich auf.
 

„Wenn Sora zusammenbricht, sprech ich nie wieder mit dir!“, zischte sie meinen Vater an und polterte wütend mit den Tellern des Abendessens rüber zur Spüle. Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich aus einem großen grünen Koffer meine Lieblingstasche zog. Sie war gelb, wie so vieles meiner Sachen, hatte aber die optimale Größe für mein Handy, Portmonnaie und Krimskrams. Wer sich an dieser Stelle fragt, ob ich nicht auch ein Geschenk für Matt hatte, den kann ich beruhigen. Na ja so halb zumindest. Ich hatte Taichi mit der heiligen Aufgabe betreut, mein Päckchen für Matt aufzubewahren und ihm an meiner Stelle zu geben. Nun da ich jetzt ja doch da war, konnte ich es ihm selbst geben. Sofern Tai es nicht vergessen hatte, wofür ich ihn höchstpersönlich über das Knie legen würde – hätte ich die Kraft dazu.
 

Das Klimpern des Schlüssels meines Vaters verriet mir, dass er bereits fertig war. Nervös lief ich rasch ins Badezimmer, um mich frisch zu machen. Als ich mein blasses Gesicht im Spiegel sah, bekam ich fast einen Herzstillstand. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie derartige Augenringe gehabt, meine orange-roten Haare standen mir in alle Richtungen ab, und meine Augen waren vom vielen Weinen und der Müdigkeit rot und verquollen. Das grelle Licht der Neonröhre oberhalb des Spiegels verstärkte mein kränkliches Aussehen natürlich noch ums dreifache. Ich sah zum ersten Mal wirklich so aus, wie einen die Spiegel in Umkleidekabinen immer aussehen ließen. Nicht mal Mimi konnte mich jetzt retten, fürchtete ich, rückwärts gegen die geflieste Wand stolpernd. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so sehr über mich selbst erschrocken. Meine Hände wanderten ungläubig meine Wangen entlang, befühlten die geschwollenen Lider. Das meine Eltern mich als ihre Tochter identifizieren konnten, war mir ein Rätsel. Ich sah nicht aus wie Sora.
 

Mein Vater klopfte und öffnete ohne auf eine Antwort zu warten die ohnehin nicht geschlossene Tür. Er räusperte sich um mich aus meiner Starre zu wecken. Mit wenig Erfolg.
 

„Wollen wir los? Es wird mir sonst allmählich zu spät, Schatz...“, sagte mein Vater ohne meinen Schock wirklich ernst zu nehmen. Oder vielleicht tat er es doch und das war alles nur ein Trick um mich Zuhause zu behalten. Mit aufgerissenen Augen sah ich ihn an.
 

„Das geht nicht...“, hauchte ich und bemerkte, wie meine Sicht verschwamm. Es tat weh mich so zu sehen, zu erkennen, wie geschafft ich mich nicht nur fühlte, sondern es jeder sehen konnte, wie sehr mich die letzten zwei Tage zerbrochen hatten. Wenn ich etwas hasste, dann meine Verletzlichkeit preis zu geben. „Ich kann doch so nicht gehen...“
 

„Ach Sora...“ Mein Vater seufzte und verschwand, nur um wenige Sekunden später meine noch immer wütende Mutter durch die Tür zu schieben. Zunächst noch sich wehrend erkannte sie schnell, in welcher Situation ich steckte, als sie mich im hellen Licht unseres Badezimmers sah. Anscheinend war ich nicht die einzige gewesen, der erst jetzt bewusst wurde, wie schlimm es um mich stand. Meine Mutter verlor jegliche zornige Mimik und sah mich mitleidig an. Mit ihrem Handrücken strich sie über meine Wange, als mein Körper sich gerade dazu entschlossen hatte, die letzte Kraft zu nutzen und das übrige Wasser aus meinen Tränendrüsen zu quetschen.
 

„Mein armes Mädchen...“, flüsterte sie und drückte mich fest an sich, so als ob sie nun verstand, wie wichtig es mir war, Matt noch zu sehen. Und das ich darunter litt, dass es mir kaum möglich war. So wie ich aussah und mich fühlte. Schluchzend presste ich mich gegen meine Mutter.
 

„Sora? Dein Handy vibriert ganz laut!“, rief mein Vater aus der Ferne und unterbrach die innige Umarmung mit meiner Mutter. Wir lösten uns voneinander und sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Ich wischte mir nur die Tränen aus dem Gesicht während meine Mutter einen unserer Badezimmerschränke öffnete, in welchem sie ihre Kosmetika aufbewahrte. Ich hatte bei Weitem nicht so viel wie sie, nicht nur, weil ich mich nicht sonderlich dafür interessierte. Auch weil es gerade meine Mutter nicht gern sah, wenn ich mich mit Make-Up zu kleisterte.
 

„Dann wollen wir doch mal schauen, wie wir den Trauerschleier aus deinem Gesicht kriegen und meine hübsche Tochter wieder rauskitzeln!“, sagte sie und entlockte mir so ein schwaches Lächeln.
 

„Echt? Dein Make-Up, Mama?“, entgegnete ich spitz, was sie zum lachen brachte. Sie sammelte einiges aus ihren Kästchen zusammen und bedeutete mir mich hinzusetzen.
 

„Ich weiß, ich weiß. Normalerweise heiße ich es auch nicht gut. Aber heute machen wir eine Ausnahme. Matt soll schließlich keinen Herzinfarkt bekommen, wenn...“ Sie stoppte mit ihrem Satz, weil sie merkte, wie gemein das klang. Aber ich konnte es ihr nicht verdenken.
 

Meine Mutter brauchte einiges aus ihren Kästchen und Tübchen um aus mir wieder einen Menschen zu machen. Zuvor hatte sie mich allerdings noch unter die Dusche gestellt. Eine unfassbar entspannende Idee, wie sich herausstellte. Als sie mit meinen Gesicht fertig war half sie mir mit etwas Haarspray zu einer normalen Frisur. Mich im Spiegel betrachtend begann ich tatsächlich wieder zu lächeln. Ich sah dank ihr wieder aus wie ein Mensch, den man tatsächlich unter andere Menschen lassen konnte.
 

„Denk nur dran, dich nicht zu sehr an Matt zu drücken, wenn du ihn siehst. Der Junge trägt immer so viel Schwarz... Nach deiner Umarmung hat er beige Klamotten!“, betonte meine Mutter und wollte gerade das Badezimmer verlassen, doch ich hielt sie am Arm fest und schlang meine Arme um sie. Sie gab ein überraschtes Geräusch von sich.
 

„Danke Mama...“, flüsterte ich und erntete ein Seufzen, während sie mir sanft über den Kopf strich.
 

„Wenn es dich glücklich macht...“
 


 

Mein Vater hielt vor dem Wohnblock in dem Kari und Tai wohnten, dem heutigen Ort des Geschehens. Während der Fahrt hatte mein Vater mir einen Vortrag darüber gehalten, was er und seine Mutter darüber dachten, was ich tat. Allerdings hatte ich nur halbherzig zugehört und stattdessen mit Kari geschrieben.
 

„Weißt du schon, ob du wirklich kommen willst?“, hatte sie anfangs geschrieben, das Vibrieren, dass mein Vater noch Zuhause vernahm.
 

„Ja. Dank meiner Mutter werde ich auch aussehen wie ein Mensch. Schätze ich bin so gegen 22 Uhr da. Muss mich noch restaurieren.“, schrieb ich zurück bevor wir losgefahren waren. Es war mittlerweile sogar schon kurz vor elf, weil meine Mutter mir kurz vor der Abfahrt noch empfahl frische Kleidung anzuziehen.
 

„Wo bleibst du? Muss ich mir Sorgen machen? Sitzen auf heißen Kohlen!“ Kari hatte zuvor in einem langen Text geschrieben, dass nicht nur Matt keine Ahnung hatte, sondern auch Tai keinen Schimmer hatte, dass ich quasi vor der Tür stand. Das machte mich nur noch nervöser.
 

„Entschuldige! Ich stehe gleich vor der Tür.“, schrieb ich während mein Vater seufzend aufgab mit mir zu reden.
 

„Ich geh dann jetzt...“, sagte ich und schaute ihm durch die Dunkelheit des Wagens an. Ich sah ihn schwach lächeln.
 

„Wenn ich nichts von dir höre, gehe ich davon aus, dass du bei Matt untergekommen bist...“, entgegnete er, küsste meine Stirn und entließ mich in die kühle Frühlingsnacht. Auf schwachen Beinen machte ich mich auf den Weg in das Gebäude mit den 16 Etagen. Der Fahrstuhl kam sofort, denn um diese Zeit waren nur noch wenige Bewohner unterwegs, trotz dessen, dass es Wochenende war. Mit klopfendem Herzen drückte ich die gewünschte Etage, Nummer 8, und wartete ungeduldig darauf, dass der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte.
 

„Matt wird sich freuen.“, schrieb mir Mimi und ich musste lächeln. Würde er das? Bestimmt.
 

„Alle warten gespannt auf dich!“, kam von Joey mit einem Foto im Anhang, dass Davis gerade dabei zeigte, wie er versuchte mit drei Orangen zu jonglieren. Alle lachten. Matt auch.
 

Hibbelig stieg ich aus dem Fahrstuhl, der nun endlich die richtige Etage erreicht hatte, und ging die letzten Meter zur Wohnung der Yagamis. Es kam mir fast vor wie in Zeitlupe, doch gleichzeitig fühlte mich noch nicht bereit. Einige Minuten vergingen, ich lief vor der Tür herum als wüsste ich nicht mehr, wie man klopfte. Kurz verlor ich einen Gedanken ans Gehen, nahm dann all meinen Mut zusammen und.... klingelte. Panik brach in mir aus, ich wollte fliehen aber es gab kein Zurück mehr. Schritte hinter der Tür verrieten mir, dass es gleich soweit war. Jemand würde öffnen und mich geschockt ansehen. Noch konnte ich fliehen...
 

„Oh mein Gott Sora!!!“, schrie mir Tais kleine Schwester entgegen, als ich gerade fluchtartig Richtung Fahrstuhl zurücklaufen wollte, blieb stehen und wurde von ihr stürmisch umarmt. Sie kicherte und hüpfte vor mir auf und ab, als wäre ich Jahre weggewesen, und nicht zwei Tage. Langsam begriff auch mein Gehirn, dass ich tatsächlich vor ihr stand und dass das hier real war. Das ich den Geburtstag meines Freundes live erleben würde.
 

„Jaa... Sora... yay..“, brachte ich raus und linste über Karis Schulter in die verwunderten Gesichter meiner Freunde. Na ja eigentlich waren nur zwei wirklich ernsthaft verwundert, während die anderen zwischen heulen und grinsen hangen. Kari zog mich in die warme Wohnung, in welches es sich bei gedimmten Licht und leiser Musik alle auf den Sofas gemütlich gemacht hatten. Neben Knabberzeug waren diverse Becher und Getränke verstreut.
 

Ich zitterte wie Espenlaub vor Aufregung, als Mimi heulend auf mich zu rannte und mich halb tot drückte. Meine Aufmerksamkeit galt allerdings nicht ihr, vielmehr war ich auf der Suche nach dem Mann, den ich meinen Freund nannte. Ich fand den großen Blonden mit heruntergeklapptem Unterkiefer, und einem Glas fallen lassend in der Ecke des Wohnzimmers. Offensichtlich war er kurz draußen gewesen, denn die andere Hand schloss gerade die Balkontür.
 

„Und Nummer vier...“, hörte ich Takeru hinter Kari flüstern hören, konnte damit aber nichts anfangen, anschließend Mimi von mir pulend um zu umarmen. Nach einander ließ ich jeden seine Freude über mein Wiederkehren an mir auslassen, starrte weiterhin wie in Trance Matt an, der sich nicht einen Schritt bewegte, geschweige denn atmete. Zumindest wirkte es so.
 

„Du... was...“, stammelte er, wurde allerdings durch Tai unterbrochen der mit einem lauten Knall auf den Fußboden von seiner Position auf der Couch aufstand und mich ansah, als wäre ich der Staatsfeind Nummer eins. Doch das interessierte mich herzlich wenig. Matt und ich sahen uns einige Sekunden an, ehe mein Freund wie aus der Pistole geschossen auf mich zu rannte, mich in seine Arme schloss und fest an sich drückte. Ich tat es ihm gleich, sog seinen süßlichen Duft ein und fühlte mich beinahe wie benebelt, als ich meine Nase in seine Halsbeuge vergraben konnte.
 

„Sora?“, quiekte Tai und konnte auch nicht recht die richtigen Worte finden.
 

„Du bist hier...“, hauchte mir Matt ins Ohr und ich gab nur ein zustimmendes Geräusch von mir. Er wiederholte diesen Satz mehrfach, offenbar konnte er nicht ganz realisieren, dass ich es wirklich war. Aber ich konnte es ihm nich verübeln. Mir ging es genauso.
 

„Kann mich vielleicht mal jemand aufklären, während die beiden sich auffressen?“, zischte Tai aus dem Off. Wieder ignorierte ich es. Ich hatte was ich wollte.
 

„Sora bleibt hier, Tai.“, fasste Joey mit fröhlicher Stimme in einem Satz zusammen, woraufhin alle anderen mit einem lauten „Hurra“ die Gläser klingen ließen. Von Tai kam nur ein perplexes „Häääää?“, was alle anderen zum Lachen brachte.
 

Matt löste sich leicht aus unserem Knoten, sah mich an und umfasste mein Gesicht mit seinen warmen Händen. Sofort verlor ich mich wieder in dem tiefen Blau seiner Augen, die mir so voller Liebe entgegen blickten. Er lächelte glücklich wie schon lange nicht mehr. Mein Herz machte einen Sprung bei dem Gedanken, dass ich Matt mit meinem nicht Abreisen nach Europa eine unfassbare Last von den Schultern, oder vielmehr vom Herzen, genommen hatte. Er küsste mich kurz aber sanft.
 

„Du gehst nicht weg?“, fragte er und in seinem Gesicht bemerkte ich, dass ihm langsam bewusst wurde, dass mein Erscheinen ja auch einen Grund haben musste. Ich nickte und bekam ein verwundertes Hochziehen seiner Augenbrauen als Antwort.
 

„Lange Gesichte...“, fing ich an, und sah an meinem Freund vorbei in die Runde. Jeder schenkte mir ein verständnisvolles Lächeln. Alles was ich nach all dem Scheiß brauchte, war genau hier. Mein Freund und meine Freunde, die alles dafür tun würden, dass wir eine super Zeit haben würden.
 

Ich sah zu Matt auf. Er schien zu verstehen, dass es nicht der richtige Moment war, das jetzt auszudiskutieren, und schien es dabei belassen zu wollen. Er würde alles erfahren, aber nicht jetzt.
 

„Im Moment ist nur eine Person wichtig“, sagte ich und linste auf die Uhr meines Handys. 0:00 Uhr. Hier hatte jemand die 19 geknackt. Ich grinste. „Happy Birthday, Matt“

Erinnerungen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Des Schwesters Schulter

Angestrengt saß ich an meinem Schreibtisch und versuchte für anstehende Prüfungen zu lernen, während mein Bruder hinter mir in einem Anflug von Gefühlsduselei seinen aktuellen Herzschmerz herunterbetete. Das, was er mir erzählte, klang nach einem dieser schlechten Liebesfilme, zu denen mich Miyako immer zwang.
 

„Verstehst du?“, fragte Taichi plötzlich, erschrak mich bis ins Mark, denn natürlich hatte ich nicht zugehört. Kleine Schwester at it´s best. Grinsend wand ich mich zu ihm und zuckte mit den Schultern.
 

„Sorry, Brüderchen. Ich hab nicht wirklich aufgepasst. Kommt das morgen im Test vor?“ Mein Bruder verdrehte die Augen und ließ sich mit einem leidenden Seufzer auf mein Bett fallen. Ich schnalzte mit der Zunge und sah zu meinen Büchern. Es gab nur einen Weg hieraus. Ich musste ihm zuhören sonst würde ich ihn nicht loswerden. Außerdem war ich heute Abend noch mit T.K. verabredet und ich sah meinen Bruder leider schon an meiner Hand mit uns gehen. Als Aufpasser. Mich schüttelte es.
 

„Okay, Tai. Was ist denn passiert?“
 

„Niemand hört mir zu. Du bist wie Matt... Nur mit Brüsten... oder so was Ähnliches...“
 

Wütend grummelnd bewarf ich ihn mit einem meiner dicksten Bücher, dass ihn mit voller Wucht am Arm traf. Er schrie kurz auf während ich aufstand und kurz davor war, ihn herauszuwerfen.
 

„Hau ab, und lass mich lernen!“, zischte ich. Tai sah mich entschuldigend an und faltete die Hände zum Gebet. Ich verdrehte die Augen.
 

„Komm schon Schwesterchen, ich hab´s nicht so gemeint...“ Er robbte vor mir auf den Knien und bettelte winselnd wie ein Hund um Leckerlis. Ich tätschelte grummelnd seinen Kopf woraufhin er sich freuend die Arme hoch riss. Schwer zu glauben, dass tatsächlich er der Ältere war.
 

So fanden wir uns auf meinem Bett wieder, und mein Bruder erzählte. Und ich hörte zu. Und bekam Ohrenkrebs. Nicht nur, dass es schwer fiel zu glauben, dass Tai mein tatsächlich älterer Bruder war – das er ein männliches Wesen war stand gerade ebenfalls zur Debatte. Denn wie er es erzählte klang für mich verdammt nach meinen Freundinnen aus der Schule, die mich immer als Schulter zum Ausweinen nutzten.
 

„Verstehst du´s jetzt?“, schloss mein großer Bruder ab, mit einem meiner Kissen in seinem Schoß, dass er gerade mit aller Kraft durchknetete. Ich sah Taichi ungläubig an, und konnte mir wage vorstellen, welch gewaltigen Kopfschmerzen der arme Matt oft haben musste, wenn Tai sich bei ihm auskotzte. Denn ich bekam gerade welche. Zumal das alles keinen Sinn ergab.
 

„Du erwartest also von mir zu verstehen, dass du mit Mimi geschlafen hast, ihr beide euch gesagt habt, ihr würdet euch lieben und du auf der anderen Seite zu Matt gesagt hast, dass du das nicht so meinst? Und Mimi wohl auch nicht?“ Als mein Bruder nickte begann ich an seiner Intelligenz zu zweifeln. Vor mir saß ein 18-jähriger junger Mann, der sich über die Jahre ein schier endloses Repertoire an Witzen über Leute angeeignet hatte, die in einer Beziehung waren oder zumindest verliebt waren. Und genau über Leute, die ohne Sinn und Verstand mit Freunden ins Bett hüpften, hatte ich eigentlich die Sprüche des Jahrhunderts erwartet, und nicht, dass mein Bruder Teil einer solchen Geschichte wird. Tai hatte keine Erfahrungen mit Beziehungen. Er hatte sprichwörtlich noch nie zuvor ein Tor geschossen. Also was die Liebe anging. Und jetzt sprang er auf das bunte Mimi-Karussel auf, für das er scheinbar keine Fahrkarte hatte – und auch nicht wollte.
 

„Hast du irgendwelche Drogen zu dir genommen?“, fragte ich und machte mir ernsthaft Sorgen, dass mein Bruder illegale Substanzen zu sich nahm. Und Mimi auch. Anders konnte ich mir das nicht mehr erklären.
 

„Ich weiß was du jetzt denkst.“, begann er, meine Frage ignorierend, doch ich unterbrach ihn direkt.
 

„Du weißt nicht mal annähernd, was ich denke. Und ich verwette mein Taschengeld drauf, dass du während den letzten Tagen nicht einmal selbst gedacht hast. Oder überhaupt mal in deinem Leben!“
 

„Ey, sei mal nicht so grob, ich bin dein großer Bruder!“ Er schmollte.
 

„Großer Bruder? Dann benimm dich doch auch mal so?! Derartige Gespräche sollten andersrum verlaufen, findest du nicht? Ich sollte dir so einen Scheiß erzählen... Obwohl nein, niemand sollte irgendwem so einen Scheiß erzählen, geschweige denn tun, dass ist doch krank!“ Ich schnaubte etwas verächtlich, während Taichi seine Kopf auf meinen Schoß sinken ließ. Er war in solchen Situation ein echtes Kleinkind.
 

„Matt hat mich auch schon für verrückt erklärt. Ich weiß doch selber nicht, warum ich das einfach gemacht habe...“ Seufzend strich ich über das braune Wuschelhaar meines Bruders. Die Wut, die sich während der letzten Minuten in mir aufgestaut hatte, war verflogen. Ich hatte Mitleid.
 

„Na ja, kannst du es ihm und mir verdenken? Das ist eine absolut verwirrende und schockierende Geschichte.“
 

„Ich weiß...“
 

„Und Mimi stieg da einfach mit ein?“ Taichi schaute zu mir auf und nickte, wirkte aber nicht besonders sicher. Wie konnten beide denn so – Entschuldigung – dumm sein? Das Mimi im Moment nicht alle Latten am Zaun hatte, war mir auch aufgefallen. Aber was sie hier in einem Duett mit meinem Bruder abzog, war doch höchst ungewöhnlich. Tai war absolut nicht alleine schuld. Beide waren komplett übergeschnappt.
 

„Nicht dein Ernst, oder? Wie alt seit ihr beide bitte?“
 

„Man... du benimmst dich wie Mum..“
 

„Muss ich ja offensichtlich auch. Hat man dir denn nicht erzählt, dass man nicht einfach mit jemandem schläft, dann behauptet, diese Person zu lieben nur um das dann Tage später zurück zu nehmen...?“
 

Stille. Tai starrte ins Leere, wusste offenbar nichts mehr zu seiner Verteidigung zu sagen. Auch ich war ratlos, kam mir vor, wie in einer schlechten Soap, die nachmittags im Fernsehen lief.
 

„Ich glaube ich wollte einfach nur, dass sie wieder lächelt...“, murmelte Tai tief in Gedanken versunken, sich an das Kissen in seinem Arm klammernd. „Sie hat doch noch immer so gelitten wegen Izzy... Aber...“ Er stoppte und seufzte schwer.
 

„Aber?“, harkte ich vorsichtig nach. Wenn Tai nun scheinbar doch bereit war, sich weiter zu öffnen, würde ich etwas bohren müssen. Es war schließlich meine Pflicht als seine Schwester ihm bei zu stehen. Denn an dieser Misere war ja nicht nur er Schuld.
 

„Als wir miteinander geschlafen haben, hatte ich das Gefühl, dass ich sie befreit habe. Von ihrem Liebeskummer. Von ihrem stetigen Drang Iz und seine Freundin auseinander zu bringen. Ich dachte, ich könne sie wieder auf den richtigen Weg führen. Ich mag sie wirklich gern, Kari. Das sie so litt, dass tat mir leid. Tage zuvor hatte ich sie immer wieder beobachtet, sie aufgemuntert. Sie war so... losgelöst als wir Sex hatten. Ich sah sie zum ersten Mal wieder glücklich. Und in dieser Euphorie mein Ziel erreicht zu haben da... da sagte ich ihr, dass ich sie lieben würde. Für einige Momente glaubte ich das sogar.“
 

„Glaubst du, dass es ihr ähnlich ging?“, fügte ich hinzu, als mein Bruder eine Pause machte. „Ich mein... weil ihr endlich jemand wieder Aufmerksamkeit gab, die sie so sehr wollte und nicht bekam? Weil du ihr gut getan hast?“
 

„Kann sein.“, antwortete er knapp. „Oder sie wollte mich nicht verletzen. Eben weil ich ihr gut getan hatte...“ Stille.
 

„An dem Abend von Matts Geburtstagsfeier schenkte sie mir kaum Aufmerksamkeit, begrüßte mich nur mit einem Lächeln. Ich wollte mit ihr sprechen, gerade weil ich mir mit meiner Aussage echt etwas eingebrockt hatte. Doch als ich sie dann dort sah, auf dem Sofa neben Izzy sitzend, als sie ihn so sehnsüchtig ansah, da wusste ich es.“, fuhr er schließlich vor.
 

„Was wusstest du?“
 

Taichi löste sich von mir und setzte sich auf, den Rücken zu mir. Draußen setzt allmählich die Dämmerung ein, und ich vermutete, dass Takeru bald vor der Tür stehen würde um mich abzuholen. Mein Gefühl verleitete mich dazu, unauffällig mein Handy zu nehmen, um T.K. kurz zu melden, dass ich erst später konnte. Ich würde ihm noch erklären wieso, aber mein Bruder war gerade wichtiger. Mein Bruder war steht´s für alle da. Das vergaß ich manchmal. Wenn ich Probleme hatte, konnte ich auch immer mit seinen offenen Armen rechnen. Er brauchte mich jetzt.
 

„Ich wusste, dass ich nicht mehr mit ihr reden musste. Selbst wenn meine Gefühle wahr gewesen wären, so waren sie von keinerlei Bedeutung mehr...“, antwortete er schließlich und wand sich schwach lächelnd zu mir um. Sein Gesicht hatte sich in tiefe Schatten gelegt, und er wirkte ernsthaft verletzt. Mich beschlich der Gedanke das sein angeblich so daher gesagter Satz „Ich liebe dich“ doch ein Fünkchen Wahrheit beinhaltete. Mein armes Brüderchen. Ich strich ihm sanft über die Schulter und sein Lächeln wurde breiter.
 

„Sie liebt ihn immer noch.“, hauchte er, sichtlich enttäuscht, und ließ sein Gesicht in seine Hände fallen. Nun war vollkommen klar, das Taichi sich wohl doch etwas aus der Geschichte mit Mimi machte – oder vielmehr gemacht hatte. Tröstend rückte ich näher, umarmte den sportlichen Körper meines Bruders, drückte ihn fest an mich.
 

„Es tut mir so leid, Tai...“, murmelte ich. Seine Arme tätschelten dankbar meine. Es war so Herz zerreißend für mich, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Taichi hatte doch echt auch mal jemanden verdient, der ihn aufrichtig liebte. Und damit meinte ich jemanden, der nicht aus seiner Familie stammt. Auch wenn mein Bruder immer so tat, als wenn er kein Interesse hätte – diese Sache nahm ihn mehr mit, als er je zugeben würde.
 

„Ohne böse sein zu wollen, aber wer hätte gedacht, dass der Kurze mal beliebter bei den Mädels ist als ich? Ich mein ich bin groß, sportlich und witzig. Koushiro ist... ein Nerd.“
 

„Ey, Koushiro ist unfassbar intelligent und liebenswert... und witziger als du!“, scherzte ich, eigentlich, um ihn aufzumuntern, bereute meine Wortwahl aber instant. Doch Tai lachte, wirbelte mich herum und kitzelte mich durch.
 

„So so? Meine eigene Schwester fällt mir in den Rücken?“, entgegnete er in alter Frische, lachend. Ich kicherte, nicht nur, weil ich todeskitzelig war. Scheinbar konnte ich ihm über seinen Schmerz hinweg helfen. Wer war hier jetzt der beste Freund Matt, hm?
 

„Ich ergebe mich!“, rief ich vollkommen außer Atem und mein Bruder ließ von mir ab. Grinsend half er mir in die sitzende Position. Draußen war es mittlerweile so gut wie dunkel geworden, sodass ich ihn nur durch das einfallende Licht erkennen konnte. Mein Handy klingelte, dass mir Tai sofort reichte. Es war T.K.
 

„Na geh schon ran. Dein Bruder hat genug geheult...“, meinte er und stand, mich auf die Stirn küssend, auf. Ich grinste in die Dunkelheit. „Danke, Schwesterchen.“
 

„Immer wieder gern.“, antwortete ich und nahm den Anruf entgegen, während Tai das Zimmer verließ.
 

„Vielen Dank für Ihre Geduld, Sie werden nun verbunden!“, rief ich ins Telefon, als ich parallel versuchte, ohne über irgendetwas zu stolpern zu meinem Schreibtisch zu gelangen um die Lampe anzumachen.
 

„Na endlich. Ich bin schon seit einer halben Stunde in der Warteschleife!“, entgegnete T.K. lachend. Den Hintergrundgeräuschen zur Folge, war er unterwegs. Ich suchte nach meinen Schuhen und versuchte das Handy an meinem Ohr zu behalten. Was sich als unfassbare akrobatische Leistung herausstellte.
 

„Sorry! Aber ich habe meine Schwesterpflichten wahrgenommen!“
 

„Alles gut bei euch?“
 

„Mehr oder minder... Tai ist ziemlich geknickt. Erzähl ich dir alles später. Bist du schon auf dem Weg?“
 

„Stehe unten vor eurem Haus, Mylady. Ich muss gestehen, dass ich es sogar besser finde, dass wir uns erst jetzt treffen. Wir könnten runter zum Frühlingsfest, und dort mit dem Riesenrad fahren. Das ist doch bei Dunkelheit viel cooler!“, schlug er vor und ich verliebte mich direkt nochmal in den Blonden. Ich grinste ins Telefon.
 

„Cooler? Du meinst wohl romantischer...“
 

„Säuselst du verliebt vor dich hin, Kari? Du klingst nämlich so, als hätte ich einen verdammt guten Vorschlag gemacht.“
 

„Ja das hast du. Und wenn ich es geschafft habe, meine Schuhe anzuziehen und meine Jacke zu finden, dann bekommst du auch deinen Orden!“
 

„Orden? Oh man, du machst es aber spannend.“ Mit diesen Worten legte er auf.
 

Ich stand auf, nachdem ich es endlich geschafft hatte, mir meine Schuhe anzuziehen, und stiefelte gut gelaunt in den hell erleuchteten Flur. Meine Mutter stand wie gewohnt in der Küche, während mein Vater und Tai vor dem Fernseher hockten. Ich seufzte, als ich Tai geknickt auf dem Sofa liegend sah. Als er meine Tür ins Schloss fallen hörte, schaute er auf und lächelte, formte mit seinen Lippen ein „Viel Spaß“ und sah wieder auf den Bildschirm. Ich lächelte.
 

„Soll ich dir etwas vom Essen in den Kühlschrank stellen, Kari?“, fragte meine Mutter, während ich meine Jacke überstreifte und Schlüssel und Portmonnaie in eine Umhängetasche packte. Ich winkte ab.
 

„Danke Mama, aber T.K. und ich holen uns was auf dem Frühlingsfest.“, entgegnete ich. Sofort lief sie zu ihrer Tasche und zückte einige Scheine, zu meinem Erstaunen. Lächelnd reichte sie sie mir.
 

„Ich hab doch schon Taschengeld gekriegt, oder?“, fragte ich, was meinen Vater zum lachen brachte.
 

„Mensch Kari, du bist das einzige Kind auf dieser Welt, dass nicht einfach das Geld der Eltern nimmt und abzischt.“, rief er rüber, und warf meinen armen Bruder mit deutlicher Anspielung mit einem Kissen ab, was er nur mit einem Grummeln kommentierte. Ich kicherte.
 

„Hört auf mit dem Schwachsinn, und kommt an den Tisch ihr Zwei. Essen ist fertig.“ Sie lächelte mich an. „Und du hab viel Spaß und grüß mir Takeru! Passt auf euch auf. Und denk dran, dass du nicht zu lange wegbleiben solltest, Morgen ist Schule! Und du hast Prüfungen!“
 

„Ja-ha“, rief ich auf meinem Weg zur Tür. Als mir die kühle Luft ins Gesicht pustete sog ich sie fröhlich ein. Ich würde versuchen den Abend zu genießen, auch wenn ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Tai hatte. Aber er würde nicht wollen, dass ich seinetwegen zu Hause blieb und ihm weiter den Kopf tätschelte. Er wollte nicht, dass seine Probleme zu meinen wurden. Und so schloss ich unsere Haustür und rannte in Windeseile meinem Freund entgegen.

Sprechstunde

Glücklich und zufrieden schloss ich mein Lehrbuch zur Biochemie und seufzte. Nachdem ganzen Trubel rund um meine Freunde, war ich heil froh, wieder an meinen Lieblingsort zurückzukehren: Meinen Schreibtisch voller Bücher und Hausarbeiten, die es zu schreiben galt. Und noch viel glücklicher war ich, dass ich gleich zwei auf einmal fertig hatte. Die Ausdrucke lagen sorgfältig in Mappen geordnet vor mir, und zum ersten Mal seit langem waren keine Flecken von spontan umgekippten Säften drauf. Ich musste es also nicht nochmal ausdrucken. Zumindest hoffte ich es.
 

Als es an meine Zimmertür klopfte zuckte ich zusammen. Manchmal vergaß ich, dass ich hier nicht alleine wohnte. Mein Mitbewohner Hans, seines Zeichens ebenfalls Medizinstudent, lugte herein.
 

„Joe? Sag mal kann ich mir dieses eine Chemiebuch nochmal ausleihen? Ich hab mein´s immer noch nicht gefunden...“, fragte er und ich seufzte. Im Gegensatz zu mir nahm es weder er noch unser dritter Mitbewohner mit dem Aufräumen und der Hygiene sehr genau. Okay aufräumen tat ich auch nicht besonders gern, aber meine Lernbücher verlor ich niemals. Was ein Wunder, hm? Trotzdem war ich sehr verblüfft darüber, dass Hans, der bislang kein Wort Japanisch sprach, einen flüssigen Satz über die Lippen gebracht hatte. Vielleicht erinnert ihr euch daran, dass er aus Deutschland ohne Japanisch-Kenntnisse kam?
 

Wortlos zeigte ich auf mein umfangreiches Bücherregal, dass ich, um den Überblick zu behalten, alphabetisch sortiert hatte. Seht ihr, hier hielt ich Ordnung! Hans schnalzte mit der Zunge, zog das Buch aus dem Regal und schaute mich eine Weile an. Ich zog die Augenbrauen fragend zusammen bis er grinste.
 

„Dein Wasser ist ausgekippt, Joe...“, sagte er im gebrochenen Japanisch, drehte sich um und verschwand, während mir das kalte Nass langsam auf die Hose tropfte. Ich schrie auf, nicht nur vor Schreck, sondern auch aus Wut, weil ich meine kostbaren Hausarbeiten nun doch wieder ausdrucken durfte.
 

Es dauert eine Weile, bis die Sauerei von meinem Schreibtisch beseitigt war. Denn nicht nur meine Hausarbeiten waren voll gesogen, nein, auch andere Papiere waren klitschnass. Meinem armen Holztisch bekam das wahrscheinlich am allerbesten. Meine Hose wechselnd entschloss ich mich, für heute Schluss zu machen. Das war so ein Zeichen dafür, dass ich wieder viel zu viel auf einmal gemacht hatte. Vielleicht sollte ich mal vor die Tür gehen?
 

Dabei wanderten meine Gedanken zu Sora. Seit Tagen war es wieder sehr still um sie geworden. Oder vielleicht war ich auch einfach mal wieder der Letzte, der irgendetwas mitbekam. Das lag natürlich rein gar nicht an meinem Lernrausch. Nein. Trotzdem sollte ich mich nicht immer darüber beschweren, dass mir niemand etwas erzählte, sondern einfach selbst nachfragen. Vielleicht konnte ich Sora irgendwie helfen, was wahrscheinlich unmöglich war. Weder konnte ich Französisch, noch hatte ich Beziehungen zu Universitäten. Ich besuchte nur eine.
 

Entschlossen griff ich zu meinem Handy und wählte unter meinen Kontakten Soras Nummer aus. Nach wenigen Sekunden nahm sie ab.
 

„Joe?“, fragte sie überrascht was mich grinsen ließ.
 

„Ja, ja ich weiß. Kido ruft von ganz alleine an, dass ist neu.“ Sie lachte. Das war ein gutes Zeichen, oder?
 

„Ich freue mich, dass du anrufst...“
 

„Das hätte ich schon eher machen sollen... Darf ich fragen, wie es dir geht? Konntest du dich von deiner Reise erholen?“ Ein paar Stimmen im Hintergrund bedeuteten mir, dass ihre Eltern wohl im selben Raum waren.
 

„Doktor Kido ich bin selbstverständlich ihrem Rat gefolgt! Ich habe nach der Feier fast zwei Tage lang nur geschlafen. Matt musste zwischendurch meine Eltern anrufen, um ihnen zu sagen, dass ich noch lebe...“
 

Ich seufzte erleichtert. Sora klang wieder wie Sora und an ihrer Tonlage konnte ich erkennen, dass sie den ersten Schock wohl überstanden hatte. Auch wenn ich wirklich neugierig war, wollte ich nicht mit der Tür ins Haus fallen, und sie fragen, ob sie wieder plante nach Frankreich zu gehen.
 

„Wow fast zwei Tage? Das hattest du aber auch dringend nötig!“
 

„Ja... Wenn du gesehen hättest, wie ich aussah, als ich ankam, hättest du mich wahrscheinlich direkt ins Krankenhaus befördert...“ Sie seufzte und wechselte kurz ein paar Worte mit ihrem Vater, soweit ich es raushören konnte. Meine Finger trippelten nervös auf meinem Knie. Wenn ich das Gespräch aufrecht erhalten konnte, dann würde sie mir vielleicht auch ohne Nachfrage sagen, was sie nun vorhatte.
 

„Einen schönen Menschen kann doch nichts entstellen!“ Wieder lachte sie.
 

„Joe du Schleimer... ich finde es übrigens super, dass du anrufst...“, sagte sie mit ruhiger werdender Stimme. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich mochte gerade seit meinem Studium ein mieser Freund gewesen sein, aber das Wohl meiner Freunde lag mir steht´s am Herzen. Und gerade Sora, nachdem ihr so viel Leid angetan wurde.
 

„Wirklich? Ich dachte schon, ich störe gerade...“
 

„Nein, nein. Wenn du nicht angerufen hättest, hätte ich es getan...“ Meine Augen weiteten sich. Sie hätte mich sonst angerufen?
 

„W-wirklich?“
 

„Ja... Joe du bist immer jemand gewesen, der ernste Situationen mit einem halbwegs objektiven Blick betrachten konnte. Und ich konnte mich immer auf deine ehrliche Meinung verlassen. Alle unsere Freunde sind gerade so sehr mit sich selbst beschäftigt, nur du kannst mir gerade eine Stütze sein... Ich mein neben Matt natürlich... und auch nur wenn... du Zeit hast. Und Lust.“
 

„Mensch Sora du weißt doch, du kannst dich auf mich verlassen. Immer!“ Ich bereute meine Worte sofort, denn meine Zuverlässigkeit ließ in letzter Zeit stark zu Wünschen übrig. Ich hatte Cody einfach am Flughafen vergessen, als ich zuvor versprach, ihn nach Hause zu bringen. Weil er krank war. Und bis heute hatte ich mich dafür nicht entschuldigt. Das schlechte Gewissen begann mich wieder zu plagen. Aber zumindest an Sora konnte ich es doch gut machen.
 

„Also... Hast du denn Zeit?“
 

„Perfekter könnte der Zeitpunkt nicht sein, ich bin gerade mit meinen Aufgaben fertig. Soll ich mal vorbeikommen, oder wollen wir uns irgendwo treffen?“
 

„Komm doch vorbei. Wenn es okay ist...“
 

„Ich bin quasi schon da!“, sagte ich und legte auf. Sora brauchte mich. Joe. Ich lächelte. Ich freute mich endlich wieder beweisen zu können, dass ich ein guter Freund war. Bei Cody würde ich mich danach entschuldigen. Auf jedenfall.
 

Ich schnappte mir Handy und Schlüssel und ging in den Flur, um mir meine Schuhe anzuziehen. Dort hustete Jason, mein andere Mitbewohner, vor sich hin. Die vielen ausschweifenden Nächte, die der Jurastudent so sehr liebte, schienen sich nun an ihm zu rächen. Er sah mich mit gläsernen Augen an und ich verzog das Gesicht.
 

„Joe... my friend...“, säuselte er und stolperte auf mich zu. Meine Arme vor mich haltend, konnte ich ihn gerade noch davon abhalten, mich zu umarmen. Mit einem leichten Schubser stieß ich ihn weit genug von mir weg, so dass er mir nicht ins Gesicht nieste. Er schmollte.
 

„Hey Doc, I need your healing powers!“ Das Jason hier wohnte hatte nur ein Gutes: Ich konnte endlich ein wenig Englisch lernen. Ich war erst im dritten Semester, aber man musste kein Arzt sein um zu erkennen, dass er eine dicke Erkältung hatte. Da ich selber ein Mann war, wusste ich natürlich, dass wir steht´s so taten, als wären wir dem Tode nah, sobald die Nase lief. Und Jason würde mich nicht in Ruhe lassen, ehe ich ihn verarztet hatte. Ich seufzte.
 

„Well, Jason. You should go back to bed and get some sleep! And I go and get you some supplies for your recovery!“, versprach ich ihm und hoffte, dass es damit gut war. Jason grinste dankend und verbeugte sich.
 

„You´re the best, Joe. I knew I could rely on you!“
 

„But I hope it´s okay, that you have to wait a little longer...“ Ich schwang mich in meine Jacke, während mich Jason schmollend ansah. „I have a very important appointment that can´t wait...“ Er musste ja nicht wissen, dass ich ihm offensichtlich einer wirklichen Freundin vorzog. Das hätte nur noch mehr Fragen aufgeworfen.
 

Jason zuckte mit den Schultern und verschwand ohne Kommentar in seinem Zimmer. Ich hoffte dass das, was ich gesagt hatte, Sinn ergeben hatte. Aber es war mir auch egal.
 

Von meinem Studentenheim zu Sora waren es nur wenige U-Bahnstationen. Somit stand ich wirklich in Null Komma nichts bei ihr auf der Matte. Mich umarmend begrüßte sie mich. Sie sah wirklich deutlich besser aus, als an dem Abend ihrer Wiederkehr. Und sie roch nicht mehr nach Flughafen. Ihre Augen strahlten wieder in ihrem alten Glanz.
 

„Das ging aber wirklich schnell...“, stellte sie fest, als sie mich in den warmen Flur der Takenouchis zog. Ein angenehm blumiger Duft erfüllte den Raum. Kein Wunder, war ihre Mutter doch immer sehr darauf bedacht, dass in der Wohnung viele Blumen aus ihrem Laden standen. Ich winkte Soras Mutter zur Begrüßung, die kurz um die Ecke lugte. Sora schob mich in das Wohnzimmer, vorbei an die Küche, in welcher ich aus dem Augenwinkel ihren Vater erkannte.
 

„Ach, Joe! Mensch, lange nicht gesehen.“, rief er mir zu und ich winkte ihm ebenfalls. Sora bot mir einen Platz auf dem Sofa an und setzte sich zu mir.
 

„Es ist ungewohnt, dass Matt nicht hier herumschleicht...“, sagte ich im Scherz während Soras Mutter etwas zu Trinken brachte. Ich bedankte mich und nahm einen Schluck Tee. Man schien mich erwartet zu haben, denn Soras Mutter machte keine Anstalten zu gehen. Erst, als Sora sich verärgert räusperte, ging sie. Aber nicht weit weg.
 

„Er kümmert sich um Tai... Dem geht’s... ehm bescheiden.“ Ich zog die Augenbrauen fragend zusammen, denn offensichtlich hatte ich noch deutlich mehr nicht mitbekommen. Sora sah mir meine Verwirrung an und zuckte mit dem Schultern.
 

„Wirklich, ich hab keine Ahnung. Ich hab nur gehört, dass da wohl etwas mit Mimi gewesen sein soll.“ Ich verdrehte die Augen. Diese Frau nahm aber auch Überhand in letzter Zeit.
 

„Darüber können wir ja ein anderes Mal philosophieren...“, entgegnete ich und schaute sie gebannt an. „Was kann ich für dich tun, Sora?“ Sie lächelte, offenbar erleichtert, sich jemand anderem öffnen zu können.
 

„Du klingst echt schon wie ein richtiger Arzt, Joe...“ Ich spürte wie mein Wangen rot wurden, was alle im Raum zum Lachen brachte.
 

„Ich brauche deinen Rat.“ die Augenbrauen anhebend sah ich meiner anscheinend sehr entschlossenen Freundin in die hellbraunen Augen. Mein Eindruck schien sich zu bestätigen. Sora war zu alten und neuen Kräften gekommen. Hatte sich nicht hängen lassen. So kannten wir sie, die Kämpfernatur. Auswegslos war es ja schon öfter gewesen. Und Sora machte nun wohl das beste draus. Stolz schenkte ich ihr meine volle Aufmerksamkeit.
 

„Also... Dank den Kontakten meines Vaters ist es mir möglich ins Sommersemester des jetzt anfangenden Modedesign-Studiums an der Nagoya-Universität einzusteigen...“, berichtete sie mir aufgeregt und ich sah in ihren Augen wie froh sie über diese Chance war. Erstaunt klatsche ich in die Hände.
 

„Das klingt ja wunderbar! Ich freu mich riesig für dich!“ Ich sah aus der Ferne, das auch ihre Eltern sehr erleichtert wirkten, vor allem ihre Mutter. Eine Mutter konnte nun mal am schlechtesten dabei zu sehen, wie das Vögelchen das Nest verlässt. Trotzdem. Auch Nagoya war nicht unbedingt um die Ecke. Da war man locker an die drei Stunden unterwegs.
 

„Darf ich fragen, was mit deinem Frankreich-Studium ist? Ich mein, es ist super, dass du uns erhalten bleiben könntest, aber dein Traum war es doch in Paris zu studieren?“ Sie nickte stumm und sah nervös zu ihren Eltern.
 

„Nun ein Positives gibt es zu vermelden: Ich habe mein Geld zurückbekommen. Auch wenn ich da erst mit einem Anwalt drohen musste...“, erklärte Soras Vater aus der Ferne. Das hieß wohl so viel wie das der Traum endgültig geplatzt ist. Enttäuscht sah ich zu Sora, die zwischen erleichtert und traurig zu schwanken schien.
 

„Das zu hören tut mir leid...“ Sie sah zu mir auf und lächelte dankbar.
 

„Es gab angeblich einen Systemfehler im Datenserver der Uni. Sämtliche Daten zu Studenten mussten erst wieder hergestellt werden. Und ausgerechnet meine seien nicht mehr aufgetaucht. Und so hatte man mich gar nicht erst in der Kartei des Studiengangs.“ Ich schüttelte irritiert den Kopf. Auch ich hatte schon mit Prüfungsämtern und Universitätsmitarbeitern zu tun gehabt, aber so ein Fall war mir noch nie zu Ohren gekommen. Man konnte doch nicht einfach eine eingeschriebene Studentin rauswerfen?
 

„Aber das kann doch nicht deren Ernst sein? Wozu der ganze Aufwand, wenn die dich auf nicht mal an ihrer Uni studieren lassen? Da muss doch was zu machen sein!“ Sora zuckte mit den Schultern, fast, als wäre es ihr egal.
 

„Man kam mir mit einem anderen Vorschlag entgegen. Ich könnte zum Wintersemester anfangen. Das beginnt in Europa im Oktober...“, antwortete sie, sich an ihrem Becher Tee festklammernd. „Sie wollen so den von Papa angedrohten Rechtsstreit umgehen...“
 

„Nun... Immerhin hättest du die Möglichkeit...“
 

„Verstehst du nicht Joe?“ Sora unterbrach mich und sah mich verzweifelt an. Mir stockte der Atem, als ich spürte, wie sie die Situation zerriss. „Die wollen mich nicht. Die wollen nur keine Probleme...“ Sie lehnte sich seufzend zurück und ich sah sie mitleidig an. Von ihrer eingehends gezeigten Euphorie war im Moment nicht mehr viel übrig. Das musste ich doch wieder aufbauen können.
 

„So darfst du nicht denken Sora! Du hast soviel deiner Kreativität und Energie darein gesteckt, und um deinen Platz gekämpft! Ich habe ja wirklich keine Ahnung von Mode, aber das, was du ich gesehen habe, war doch wohl der Wahnsinn! Wenn die Uni dich nicht gewollt hätte, dann hätten sich alle den Aufwand ja auch sparen können. Waren sie nicht begeistert? Du bist dort immerhin immatrikuliert Sora. Das hat seinen Grund.“ Sie lächelte und strich sich eine kleine Träne von der Wange. Einen Schluck Tee trinkend beobachtete ich Sora, wie sie sich wieder aufrichtete um ihren Becher abzustellen.
 

„Danke... Tut gut das zu hören. Aber eben weil ich einen Beweis habe, dass ich Studentin an dieser Uni bin, kommen sie mir mit dem Angebot. Leugnen können sie mich nicht, aber sie können mich angeblich auch nicht in den eigentlichen Studiengang packen. Er sei zu voll. Daher der Vorschlag mit dem Wintersemester. Papa sagt, dass sie das machen müssen, weil sie sonst die schon erwähnten rechtlichen Probleme kriegen. Eigentlich müssten sie sogar dafür sorgen, dass ich in den Studiengang komme, für den ich eingetragen bin. Da Papa schon ahnt, dass die einen langen Atem haben werden, hatte er mir die Möglichkeit mit Nagoya verschafft.“ Sie stand auf und lief vor mir auf und ab.
 

„Klingt nach einer Menge Stress, zu dem es nicht hätte kommen müssen...“, stellte ich fest und streckte meine Beine aus. Sora schnaubte zustimmend.
 

„Wem sagst du das... Kannst du dir jetzt vorstellen, warum ich... na ja... einen erwachsenen Rat brauche? Ab gesehen von dem meiner Eltern natürlich.“ Sie sah von mir zu ihren Eltern und wieder zurück, tippelte nervös auf der Stelle, kaute an ihren Nägeln. Nachdenklich sog ich den Duft meines Tees ein. Was sollte ich ihr raten?
 

„Ich bin ehrlich überfragt. Aber wenn ich ehrlich sein soll...“ Ich sah zu ihr hoch und unsere Blicke trafen sich. Erwartungsvoll wartete sie auf meine Antwort. „...Nagoya soll ja ganz... schön sein...“ Ihre Augen weiteten sich, fast schon vor Freude. Es wirkte so, als ob sie mich umarmen wollte, weil es scheinbar das war, was sie hören wollte. Dass ich ihr von Frankreich abriet. Sie lieber hier bleiben sollte.
 

„Ich kann während meines Studium in Nagoya auch ein Auslandsjahr machen, sagt Papa.“, fügte sie aufgeregt flüsternd hinzu. Ich nickte.
 

„So was in der Richtung habe ich nächstes Jahr auch vor.“
 

„Wirklich?“ In ihren Augen konnte ich ein unglaubliches Leuchten sehen. Und dann begriff ich: Sie hatte längst mit Frankreich abgeschlossen. Das hier war nur die Suche nach einer Bestätigung von einem Freund. Von einem, der nicht 24 Stunden um sie herumkreiste. Eben nicht ihre Eltern. Oder Matt. Etwas enttäuscht lehnte ich mich vor.
 

"Aber dein Traum...?", flüsterte ich als wäre das hier das größte Geheimnis der Welt. Sora sah hin und her, wich meinem fragenden Blick aus. Sie setzte sich wieder neben mich und seufzte.
 

"Ja ich weiß... Aber so sehr ich auch in Paris studieren und endlich mal raus aus Japan wollte, genauso sehr sehnte ich mich danach das alles so blieb wie es war. Matt und ihr alle in meiner Nähe. Immer greifbar, verstehst du?" Nickend räusperte ich mich, nahm noch einen Schluck Tee und grübelte. Natürlich verstand ich Sora. Aber das waren Gedanken, die sie nicht erst seit gestern hatte. Gedanken, die ihr sicherlich schon von dem Punkt an im Kopf kreisten, von dem sie von ihrem Studienplatz wusste. Und bot so eine Gelegenheit nicht auf die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen? Das war doch super!
 

"Ich habe immer das Gefühl das, wenn ich das erzähle, dass jeder schlecht von mir denkt. Das man vielleicht meinen könnte, ich wollte nie nach Frankreich und das mir das gut in den Kram passt, wieder hier zu sein." Tränen wegblinzelnd sah sie zu mir herüber. Wahrscheinlich hoffte ein Teil von ihr, ich würde ihr widersprechen.
 

"Das man den Eindruck gewinnt, das du es nicht besonders schlimm findest, wieder in Japan zu sein kommt nicht von deinen Worten Sora.", begann ich schließlich zu erklären. "Man sieht es dir einfach an. Deine Augen sprechen Bände."
 

"Ich wusste, dass du das sagen würdest.", meinte sie sich auf die Lippe beißend. "Deswegen rede ich ja auch mit dir und nicht mit... Tai oder so." Ich lächelte.
 

"Ich wette Matt hat dir das auch schon gesagt. Und wenn nicht mit Worten, dann mit seiner Körpersprache. " Sora sah mich eine Weile wortlos an ehe sie erneut nach ihrem Becher griff.
 

"Hat er wohl. Aber ich glaube Matt ist das Thema mittlerweile einfach nur noch leid... Ich will ihm damit nicht immer in den Ohren liegen, weißt du..." Sich zurücklehnend seufzte sie. "Das soll nicht heißen, das du jetzt mein Ersatz bist, Joe... Ich brauche wirklich deinen Rat."
 

Soras Eltern schlichen gruselig auffällig um uns herum. Wahrscheinlich hatten sie das Gespräch eh mitgehört und neugierig zu erfahren, was ich zu erzählen hatte. Sora dachte von ihnen hundertprozentig genauso wie von Matt: Keiner hatte mehr Lust ihr zu zuhören. Ich wartete bis die beiden wieder etwas weiter weg waren.
 

"Sora das ist ein klassischer Herzens-Konflikt. Ein Teil von dir will raus in die Welt und dem Traumstudium in Paris folgen. Aber der andere Teil hängt in Japan fest, an deinen Eltern an deiner Liebe an deinen Freunden.“ Sie nickte und nippte wieder an ihrem Tee.
 

„Soweit war ich auch schon. Glaub mir... Aber irgendwas in mir sagt, dass... ich nach Frankreich muss.“
 

„Sora das musst du nicht. Mach das nicht zu deiner Pflicht!“, ermutigte ich sie. „Das, was du für dich am Besten hälst, das solltest du tun. Niemals solltest du etwas machen, nur weil das jemand anderes für richtig hält oder weil du ein schlechtes Gewissen bekommst, wenn du es jemand anderen nicht recht machen kannst. Geh deinen Weg.“ Sora stellte ihre Tasse ab und umarmte mich. Und ich umarmte sie. Ich konnte spüren das ich ihr tatsächlich geholfen habe. Konnte merken, dass ihr Steine, nein Gebirgsketten, vom Herzen gefallen waren. Ich hörte ein leichtes schniefen.
 

„Normalerweise bin ich es, die solche Ratschläge gibt. Danke Joe. Tausend Mal Danke.“
 

„Ey ich dachte das mit dem Anfassen ist mein Part?“, hörten wir plötzlich eine Stimme sagen, und ein Blick nach links meinerseits verriet mir, dass Matt vor uns stand. Weder hatte ich eine Klingel gehört noch Schritte. Der Blonde grinste und stellte eine große Sporttasche neben sich ab.
 

„Dann übergebe ich mal, was?“, scherzte ich, löste die Umarmung. Sora grinste breit und sprang auf, um ihren Freund zu umarmen. Überrascht fing er sie auf, und hatte Mühe die Balance zu halten.
 

„Hat Joe lustige Pillen mitgebracht?“, fragte er und lachte als Sora ihn bestimmt 300 Mal küsste. Erleichtert stand auch ich auf. Ich konnte tatsächlich etwas tun. Wer hätte das vermutet?
 

„Ich hab mich entschieden, denke ich!“, sagte Sora, was auch die Aufmerksamkeit ihrer Eltern auf sie zog, die sofort näherkamen. Matt zog fragend die Augenbrauen zusammen.
 

„Was entschieden?“, wollte er wissen und ich versuchte ihn mit einem Lächeln zu beruhigen.
 

„Ich... gehe auf die Universität in Nagoya. Das ist ein sicherer Studienplatz und ich... bin ganz in deiner Nähe...“, säuselte Sora, fast wie ein kleines Mädchen wippte sie hin und her. Matt staunte nicht schlecht. Der Musiker öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, aber Soras Vater kam ihm zu vor.
 

„Dann können wir uns das Theater ja sparen!“, rief er begeistert und umarmte seine Frau, die stumm vor sich hin weinte. Beide schienen trotz des ganzen Trubels, der ja überhaupt erst deswegen veranstaltet wurde, sehr froh über den Ausgang zu sein. Und auch Matt und Sora waren es. Und ich natürlich.
 

„Meine Uni ist in der Nähe von Nagoya...“, stellte Matt fest und schien das Ganze noch nicht vollends zu realisieren.
 

„Wenn ihr nicht 3 Stunden pendeln wollt, empfehle ich euch echt, euch nach einem Studentenheim umzuschauen... Oder nach einer bezahlbaren Wohnung.“, sagte ich. Bei dem Wort Wohnung hatte ich Yamato voll erwischt. Im Positiven wohl gemerkt.
 

„Oh mein Gott, ja Sora! Ich hab dir doch von diesem 1 Zimmerappartment erzählt, dass ich mir angesehen habe. Natsuko hatte mir versprochen, sie würde das Geld beisteuern...“
 

„Warte mal, deine Mutter bezahlt dir etwas?“, harkte Sora erstaunt nach. Soweit ich informiert war, war das Verhältnis von Matt zu seiner Mutter mit der Scheidung seiner Eltern eingefroren. Verwundert sah ich dem Blonden entgegen.
 

„Nun ja... Sie ruft doch neuerdings öfter mal an und... sie sagte sie wolle mir auch mal was beisteuern... Und einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul, oder so Ähnlich...“
 

„Eben noch habe ich mein kleines Mädchen für drei Jahre in den Flieger nach Paris gesteckt, und jetzt zieht mein kleines Mädchen mit ihrem Freund nach Nagoya? Das ist zu viel für mein Vaterherz...“ Alle begannen zu lachen, als Herr Takenouchi theatralisch an seine Brust griff. Ich entschied den Moment der Freude zu nutzen, um zu gehen.
 

„Ich müsste dann doch wieder los... Ich habe meinem Mitbewohner versprochen, ihn ein wenig aufzupeppeln. Er hat sich stark erkältet. Doktor Kido muss sich um einen überfeierten Partyjuristen kümmern.“ Sora löste sich von Matt und umarmte mich noch einmal.
 

„Danke Doktor Kido. Dein Rezept war das Beste.“
 

„Gerne doch.“ Ich zwinkerte ihr zu, verabschiedete mich vom Rest und betrat erneut die Außenwelt. Von der Wärme der Wohnung in die frische Frühlingsluft Tokyos. Ich machte mich auf den Weg zur nächsten Apotheke und dachte schlechten Gewissens an Cody.
 

„Du stehst als nächstes auf meiner Liste. Versprochen. Dieses Mal wirklich.“, sagte ich zu mir selbst und stieg die Treppen hinab zur U-Bahn.

Wachstumsschmerzen

„Zwei venti Matcha-Frappuccinos mit Sahne bitte.“ Die Barista schnappte sich zwei Plastikbecher und zückte einen Stift.
 

„Für?“
 

„Yolei und Kari“
 

„Kommt sofort. Das macht 1100 Yen.“ Ich reichte ihr das Geld und rückte vor zum Tresen. Kari hatte uns einen kleinen Tisch an der Fensterfront des gemütlichen Ladens ergattern können und sah unermüdlich auf ihr Handy. Wir hatten uns spontan nach der Schule zum Café aufgemacht, weil ich das Gefühl hatte, ihr lag etwas schwer auf dem Herzen. Und es war nun mal meine Pflicht nach zu harken. Wer dachte, dass uns ins der Digiwelt schon unfassbar viel auf einmal passiert sei, der sollte mal meinen Alltag miterleben. Es verging im Moment kein Tag mehr, an dem nicht einer meiner Freunde irgendeinen Kummer zu vermelden hatte.
 

„Zwei venti Matcha-Frappuccino mit Sahne für Jori und Kari!“ Irritiert schnappte ich mir unsere Getränke und lief zu meiner leicht schmollenden Freundin. Ich schmollte ebenfalls, denn man hatte meinen Namen falsch geschrieben. Ich hieß jetzt „Jori“. Seufzend setzte ich mich ihr gegenüber, Kari sah auf und nahm ihren Frappuccino lächelnd an.
 

„Was bekommst du?“, fragte sie und griff nach ihrer Tasche. Ich winkte ab.
 

„Eine Antwort auf die Frage, was los ist.“, entgegnete ich und zog genüsslich die Flüssigkeit durch meinen Strohhalm. Der erste Zug war doch immer der Beste. Kari sah bedrückt von ihrem Handy auf, legte es vor sich und nahm ebenfalls einen Schluck.
 

„Ich möchte eigentlich nicht immer von Problemen reden. Lass uns doch mal über was Schönes sprechen.“ Ich tippelte sie musternd auf dem Behältnis meines Getränkes herum.
 

"Aber dir liegt doch offensichtlich etwas quer!", meinte ich und klopfte entschlossen auf unseren Tisch. Unsere Nachbarin fand das scheinbar gar nicht witzig und schenkte mir einen bösen Blick. Ich schaute genauso zurück.
 

"Ich habe echt keinen Bock darüber zu sprechen..." Sie schaute auf meinen falsch geschriebenen Namen "Jori". Genervt verdrehte ich die Augen. Kari neigte im Moment dazu alles in sich hinein zu fressen. Im übertragenen Sinne. Dieses Kind aß nicht. Jedenfalls fiel es mir schwer das zu glauben, wenn ich ihren spindeldürren Körper anschaute.
 

"Ich finde im Moment passiert einfach zu viel... Ich bin 15 Jahre alt und werde mit Themen konfrontiert, über die ich noch nicht nachdenken will. Also schon aber... das fühlt sich dann immer gleich so real für mich an. Als wäre ich dabei. Als würde ich das erleben.", erklärte sie schließlich doch, immer wieder an ihrem Getränk nippend. Man brauchte sie also nur kontinuierlich anstarren, dann bekam man, was man wollte.
 

"Wovon sprichst du?", wollte ich wissen. Unsere Nachbarin stöhnte genervt und drehte sich zu uns um.
 

"Sie sind wirklich ganz schön laut!", beschwerte sie sich über meine gewohnt impulsive Art. Kari uns ich tauschten einen verwirrten Blick aus ehe ich zum Gegenschlag ausholte.
 

"Und sie sind ganz schön nervig. Wenn sie ihre Ruhe haben wollen gehen sie doch ins Kloster und nicht in ein Café!" Empört wandte man sich von uns ab und Kari sah mich lächelnd an.
 

"Ins Kloster...?" Ich zuckte mit den Schultern.
 

"Mir ist auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen. Aber zurück zu meiner Frage...", stichelte ich und hielt sie davon ab ihr blinkendes Handy anzufassen. Schmollend sah sie mich an.
 

"Vielleicht schreibt mir gerade T.K.?"
 

"Und wenn dir Gott schreiben würde, dass ist mir egal. Ich will eine Antwort." Kari legte ihren Kopf in ihre Hände und sah auf das blinkende Gerät.
 

"T.K. kommt eh schon zu kurz. Was macht da eine SMS schon noch aus..." Ich legte den Kopf schief und versuchte in die Gedanken von Kari einzusteigen. Keine Chance. Was war denn nur passiert, dass sie so betrübt war?
 

"Mensch, Kari. Was ist denn los?"
 

"Alles ist los. Jeder ist los.", platzte es aus ihr heraus und beinahe hätte sie ihren Frappuccino dabei umgeworfen. Sie griff in einer Sekunde meiner Unachtsamkeit zu ihrem Handy und checkte die Nachricht. Ihr Blick wirkte enttäuscht.
 

"Doch nicht Takeru?", fragte ich vorsichtig und es tat mir plötzlich sehr leid, das ich ihr fast schon verboten hatte nachzuschauen. Sie seufzte.
 

"Doch. Aber er hat für heute abgesagt. Hat noch Basketball-Training..."
 

"Trefft ihr euch nicht sowieso fast jeden Tag?"
 

"So gut wie. Aber es kommt zu oft etwas dazwischen. Oder einer kann erst später... Oder ich lebe das Leben meines Bruders... Oder rede nur von meinem Bruder...“
 

„Okay....?“ Das sie in Rätseln sprach fiel ihr scheinbar auf, als ich sie mit verkrampft fragender Mimik ansah, förmlich bettelnd, dass sie mir endlich mehr verriet. Kari zuckte mit den Schultern.
 

„Ich liebe Tai. Er ist der beste große Bruder den ich mir je hätte wünschen können. Ich liebe euch alle. Wirklich. Ihr habt alle einen riesigen Platz in meinem Herzen. Aber weil ich irgendwie immer mit einem Fuß in einer Geschichte von Tai oder wem anderes drin stehe, komme ich nicht dazu, die Beziehung mit Takeru zu genießen. Ich mache mir immer zu viele Gedanken über die Probleme anderer. Ich will mich endlich auf mich konzentrieren. Auf mich und T.K.“
 

Ich begriff allmählich, was in Kari los war. Es war ihr alles zu viel geworden. Jeder von uns hatte in letzter Zeit entweder Probleme gehabt, war urplötzlich wieder aus einem anderen Land zurück, kam zusammen oder trennte sich. Die junge Liebe zwischen Takeru und Kari hatte wenig Luft. Gerade weil die beiden vor allem in den Geschichten ihrer großen Brüder mit reingezogen wurden. Ken und ich waren fast gleichzeitig mit den beiden zusammen gekommen und hatten absolut keine Probleme. Woran lag das? War ich vielleicht zu herzlos? Oder nahm Kari einfach mal wieder alles viel zu persönlich?
 

„Kari... Meine Güte... Hänge dich doch nicht immer so in das Gefühlschaos anderer Leute! Genieße mal dein eigenes!“, riet ich mit einem Lächeln zur Aufmunterung. Ehrlich gesagt fiel mir nicht ein, was ich stattdessen hätte sagen sollen. Wenn es um Ratschläge ging war es meistens Sora, die bessere Worte fand. Wie eine große Schwester. Ich hatte nur große Schwestern. Und das höchste, was die mir je geraten hatten, war mich aus ihren Zimmern zu verziehen. Und nicht ihre Schuhe an zu probieren. Jedenfalls als sie noch Zuhause gewohnt hatten. Kari schnaubte, was wohl die passendste Reaktion auf meinen Scheißtipp war.
 

„Wow, im Ratschläge geben bin ich ja so was von mies...“, ergänzte ich und nahm den Deckel meines Frappuccinos ab, um mit meinem Strohhalm die Sahne heraus zu löffeln. Mein Gegenüber lächelte. Immerhin etwas.
 

„Schon okay, Yolei. Du hast es immerhin versucht.“
 

„Darf ich fragen, was mit deinem Bruder ist?“ Wenn ich schon keinen Rat geben konnte, wie es ihr besser ging, frönte ich halt weiterhin meiner Lieblingsbeschäftigung: Egoistisch nach Klatsch und Tratsch zu forschen. Ja, dafür würde ich eines Tag nochmal in die Hölle kommen. Aber „eines Tages“ war noch lange hin. Und wer weiß, vielleicht würde mir ja zwischen drin ein Mittel gegen Karis Trübsal einfallen. Aber seien wir mal ehrlich: Ich würde wohl eher einen Computer auseinander nehmen und eine funktionsfähige Rakete daraus bauen können, als meinen Freunden Tipps gegen Kummer und Sorgen bieten zu können. Traurige Realität.
 

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen er hat Liebeskummer.“, antwortete sie, was dazu führte, dass ich meinen Frappuccino fast ausgespuckt hätte, so sehr erschrak ich. Tai war verliebt? Tai? Taichi Yagami? Der Typ, der noch nie eine Freundin hatte, geschweige denn wusste was Liebe ist? Abgesehen von seiner Liebe zu Fußball natürlich. Mit offenen Mund starrte ich Kari an, die mir daraufhin mit einem gezückten Taschentuch das Getränk vom Kinn wischte.
 

„Bah, Yolei... Schluck wenigstens runter bevor du mich so anguckst...“,sagte Kari, wischte nochmal über den Tisch und knüllte das Taschentuch zusammen.
 

„Sorry... Aber könntest du das nochmal wiederholen? Ich dachte du hättest die Worte Tai und Liebeskummer in einem Satz verwendet. Da kann ich mich ja nur verhört haben“ Sie schüttelte den Kopf.
 

„Hast du aber nicht. Und außerdem bin ich mir nicht sicher. Tai weiß nicht mal wie man Liebeskummer schreibt. Oder Liebe. Oder seinen Namen.“ Sie seufzte nachdenklich und in ihren Worten schwangen die von ihr üblichen Sorgen um ihren Bruder mit. Ich entschloss mich, meinen Mund zu schließen. Vor allem auch, weil unsere wunderbare Nachbarin mich kreidebleich ansah. Angewidert. Ich grinste sie an. Mit voller Freude. Kari beugte sich vor und versuchte meine Aufmerksamkeit zurück zu gewinnen.
 

„Willst du dich noch zu Ende batteln?“ Ich sah wieder zu Kari und lächelte entschuldigend. Sie verdrehte die Augen, ihr Handy blinkte erneut auf und sie widmete sich einer weiteren SMS von T.K. Dieses Mal lächelte sie. Wehe ich würde jetzt nichts mehr erfahren.
 

„Doch noch ein Date mit T.K.?“, harkte ich nach, auch wenn mich das längst nicht so sehr interessierte, wie die Tatsache, dass Tai echt verliebt sein sollte. Und das auch noch unglücklich.
 

„Nein, mein lieber Bruder schreibt mir. Er trifft sich mit Mimi. Zum Reden.“, erklärte sie und erneut fiel mir die Kinnlade runter, ich zählte 1 und 1 zusammen und bastelte mir meine ganz eigene Theorie zusammen. War Tai etwa in Mimi verliebt? Und warum erzählte sie mir das nicht? Ich dachte, wir waren jetzt so gut wie beste Freundinnen? Oh man, was redete ich hier?
 

„Okay. Mimi. Tai. Liebeskummer. Bitte füllen Sie die Lücken in meinem Kopf Frau Yagami!“, bettelte ich, meinen leeren Frappuccino zur Seite pfeffernd. Er fiel vom Tisch, aber wen juckte das? Außer das Personal. Und unsere Nachbarin.
 

„Sie werfen das ja wohl hoffentlich noch weg?“, rief sie rüber und ich bedachte sie mit dem fiesesten Blick den ich drauf hatte.
 

„Halten Sie doch mal ihre Klappe, sie überschminkte Mülltüte!“, zischte ich und ignorierte ihre Reaktion. Nun wollte ich mich nur noch auf Kari konzentrieren, die vor sich hinsummend auf ihrem Handy herumtippte. Plötzlich soviel gelöster.
 

Erst jetzt ging mir auf, wie sie ihre vorherige Erklärung, mit dem Leben ihres Bruders meinte – sie lebte es wirklich. Mit Haut und Haaren. Jedes Auf und jedes Ab. Was Tai fühlte, fühlte seine Schwester auch. Eine unglaubliche zwischenmenschliche Verbindung zwischen dem Braunhaarigen und seiner kleinen Schwester, die dafür sorgte, dass sie litt, wenn er es tat. Sie lachte, wenn er es tat. Sie weinte, wenn er es tat. Kari war schon immer sehr vernarrt in ihren Bruder gewesen. Tai war ihre Stütze. Immer. Die beiden hatten sich sogar ohne Murren jahrelang ein Zimmer geteilt. Sich nie gestritten. Erst vor kurzem hatte Kari ihr eigenes Zimmer bekommen. Tai war in ein kleineres gezogen, das wohl zuvor eine Art große Abstellkammer gewesen war.
 

Schon vor Jahren, so hatte es mir Kari mal erzählt, hatten ihre Eltern mit den beiden darüber gesprochen, sie würden es ausbauen wollen. Um den beiden die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Getrennt. Das hatten sie abgelehnt. Doch vor einigen Monaten zog Tai aus. In das andere Zimmer. Einfach so, wie Kari erklärt hatte. Das konnte sie nur schwer verwinden. Auch wenn es für Außenstehende wohl extremst merkwürdig klang, wenn sie das hörten. Nur wer wusste, wie innig die Beziehung der beiden war, wusste, dass es nicht einfach für die 15-jährige war, dass ihr Bruder ging. Auch wenn es nur den Flur herunter war.
 

Ich kannte das Gefühl. Zwar nicht so intensiv wie Kari, aber auch ich hatte ältere Geschwister. Eine ganze Menge sogar. Und auch ich musste mir immer ein Zimmer mit einem oder zwei von ihnen teilen. Es war nicht einfach, wenn die großen Geschwister plötzlich ihren eigenen Weg gingen. Auszogen. Erwachsen wurden. Und man selbst zurückblieb. Es war fast so, als würden die Pfeiler der eigenen Welt einstürzen, und man selbst in den Trümmern zurückgelassen werden. Versteht mich nicht falsch. Es war herrlich sein eigenes Zimmer zu haben. Seit meine letzte große Schwester ausgezogen war, hatte ich endlich mein eigenes Reich. Und es gab fast kein schöneres Gefühl als das, wenn man mit seinen Eltern in das Möbelgeschäft fuhr, um sein eigenes Zimmer einzurichten. Ich hatte oft mit meinen Geschwistern gestritten, gekämpft aber auch gelacht und geweint. Auch wenn ich mir immer diese Freiheit, diese Ruhe gewünscht hatte – es war anfangs beinahe unerträglich für mich, nicht ohne das Schnarchen meiner Schwester einzuschlafen, nicht ihre Telefonate mitzuhören, sie zu nerven, wenn sie für Prüfungen lernte. Aber so wie das mit nun mal mit dem Lauf des Lebens kommt, man gewöhnte sich daran. Zumindest bemühte man sich. Man tat so, als sei es okay.
 

Wachstumsschmerzen – so nannte es meine Mutter. Man erkannte ungewollt, dass sich im Leben mit dem Heranwachsen alles änderte. Das nicht alles blieb, wie es war. Das das auch gar nicht ging. Doch mit dem Schmerz kam auch oft die Erkenntnis, dass nicht alle Veränderungen schlecht sein mussten. Sie hatten auch was Gutes. Und das Gute musste man erkennen und annehmen. Aufsaugen wie ein Schwamm.
 

„Du bist eine tolle Schwester, Kari.“, sagte ich schließlich, was sie verwundert aufsehen ließ. Fragender Mimik tippte sie trotzdem weiter. Ein wahres Naturtalent der heutigen Technik.
 

„Was? Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Ich lächelte sanft.
 

„Wie du dich um deinen Bruder kümmerst. Das ist einfach großartig. Er ist nicht nur deine Stütze, Kari. Du bist auch seine. Eure Band ist echt wahnsinnig stark. Ich wünschte auch nur einer meiner Geschwister wäre so intensiv damit beschäftigt mich glücklich zu machen. Ich mein klar, wir lieben uns alle und haben ein klasse Verhältnis. Aber so ein Geschwisterband wie bei dir und Tai... Das habe ich noch gesehen.“
 

Einige Sekunden verstrichen, in denen mich Kari einfach nur ansah. War sie über meine Feststellung echt derart überrascht, oder darüber, dass das aus meinem Mund kam? Langsam lächelte sie und wurde rot.
 

„Danke, Yolei. Das war sehr schön gesagt.“ Sie sah auf ihr Handy und schien unsicher darüber, ob sie mir mehr erzählen sollte oder lieber nicht. Manchmal konnte man in Karis Gesicht doch lesen wie in einem Buch. Auch wenn ihres oft die Sprache wechselte.
 

„Tai ist nicht einfach so aus eurem Zimmer ausgezogen, Kari.“, sagte ich aus heiterem Himmel. Wieder sah sie mich wortlos an. Dieses mal verstand sie mich offensichtlich wirklich nicht. Ich lächelte und legte meine Hand auf ihre.
 

„Du hast dir doch gewünscht, dass du ein wenig Freiraum hast. Damit du dich auf die Beziehung mit Takeru konzentrieren kannst. Ich glaube Tai will dir damit genau das geben!“ Kari wirkte mit jedem weiteren Wort verwirrter. Begeistert über meine Sherlock Holmes mäßige Erkenntnis, klatschte ich in die Hände.
 

„Tai wohnt schon seit Monaten im anderen Zimmer... Was hat das mit mir und T.K. zu tun?“ Ich grinste.
 

„Was das damit zu tun hat? Mensch Kari, dass zwischen dir und T.K. mehr ist, als nur Freundschaft, wussten wir alle schon seit Jahren. Und dein Bruder scheint mehr im Kopf zu haben, als ich dachte... Ohne beleidigend zu sein. Aber sind wir mal ehrlich, da oben ist nicht viel los...“, sagte ich mit meinem Zeigefinger gegen die Schläfe tippend. Kari hasste es, wenn wir anderen uns über die Intelligenz ihres Bruders lustig machten. Dabei tat sie dasselbe. Und die Begründung „Ich bin seine Schwester, ich darf das!“ zählte bei mir schon gar nicht.
 

„Er hat sich zurückgezogen, damit du dein Leben leben kannst. An dich denken kannst. Und ihr nicht immer zusammengewachsen durch die Welt wandert wie ein Zwombie... Also ein... “
 

„Danke ich weiß was du mit Zwombie meinst...“, grummelte sie und unterbrach mich. Zähne knirschend zog sie ihr Getränk durch den Strohhalm und quälte mich mit dem widerlichen Geräusch des gurgelnden Restes.
 

„Aber das ist doch das was du wolltest. Deine Ruhe. Du musst nicht immer Tais Leben so miterleben, als würdest du in seiner Haut stecken. Und schon gar nicht von den anderen.“
 

„Das... mag ein Grund sein ja... Aber das stimmt nur zur Hälfte.“
 

Ich sah sie fragend an. Auch wenn meine Erklärung holprig war, fand ich den Gedankengang super. Meine innere Hobbypsychologin war zumindest sehr stolz auf mich. Scheinbar wollte Kari nicht weiter darauf eingehen, denn sie winkte ab und lächelte.
 

„Egal jetzt... Machen wir es nicht noch komplizierter als es schon ist. Du hast Recht. Ich habe ein kleines Problem damit, dass Tai mir den Freiraum lässt, den ich mir eigentlich wünsche. Gewissenskonflikt. Wenn es meinem Bruder scheiße geht, kann ich schlecht einfach meine Tür zu machen. Das bringt nichts. Ich werde auch weiterhin in meinem Käfig der Gefühle hocken. Und irgendwann wird Takeru darauf keinen Bock mehr haben. Aber dann sollte man uns nicht vorwerfen, es wenigstens versucht zu haben.... Denn wenn ich etwas nicht kann, dann ist es nicht für Tai da sein, wann immer er mich braucht. Egal wie tief mich das mit nach unten zieht. Egal wie sehr ich mir wünsche, dass ich endlich mein Leben leben könnte. Da wird immer irgendetwas sein, was mich beschäftigt.“
 

„Ach Kari... Du lädst dir zu viel auf deine kleinen Schultern... Ich mein es ist ja nun wirklich keine Schande, für andere da zu sein. Aber...“ Sie quiekte auf, als sie auf ihr Handy schaute. Wieder einmal wurde mein Versuch, ihr irgendwie zu helfen, zu Nichte gemacht. Sie sah zu mir auf, und dieses Mal war es Kari, die den Mund offen stehen hatte.
 

„Was ist denn jetzt kaputt?“, fragte ich, während Kari zitterte.
 

„Das... glaubst du mir nie...“, sagte sie tonlos und ich wusste sofort, dass sie recht behalten würde.

Verwirrt bis ins Mark

Mit geschlossenen Augen stand ich erhobenen Kopfes unter der Dusche und ließ das warme Wasser auf mich niederprasseln. Tief in Gedanken versunken bemerkte ich nicht, dass ich mittlerweile alleine war. Meine Teamkollegen waren alle längst verschwunden. Auch gut. So wurde ich immerhin nicht mehr böse angeguckt, weil ich heute beim Spiel so derbe versagt hatte. War ja wohl auch kein Wunder, dass ich verwirrter war als Joe vor einer Prüfung.
 

Mimi hatte mir geschrieben. Aus heiterem Himmel. Noch immer bebten meine Lippen bei jeglichen Gedanken an ihre Worte. Dabei waren sie total banal.
 

„Hey Tai. Mir tut es leid, dass ich neulich nicht mit dir gesprochen habe. Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir eine Chance geben würdest, mit dir zu reden. Über alles. - Mimi“
 

Mit der flachen Hand schlug ich gegen die nassen Fliesen an der Wand. Es tat ihr leid. Mich nahm die Situation mehr mit, als sie sollte. Zumindest redete ich mir das kontinuierlich ein. Wohl möglich war an meinem „Ich liebe dich“, dass ich Mimi nach unserem vergnüglichen Abend am Telefon gesagt hatte, mehr dran, als ich dachte. Als ich wollte.
 

Ich hatte meinem besten Freund und meiner Schwester wie ein kleiner Junge die Ohren vollgeheult. Hatte auf die Erklärung für mein Verhalten gewartet. Wozu war ich den mit dem sexiest man alive befreundet, wenn er mir nicht sagen konnte, warum ich nur so hirnverbrannt war. Mir nicht sagte, wie man mit Frauen umging. Und wozu hatte ich eine Schwester, wenn sie mir nicht sagen konnte, was diese Frau mit mir gemacht hatte, das ich so was einfach raushaute?
 

Doch nun war es Zeit endlich meinen Problemen als Mann zu begegnen. Vor allem alleine. Das ich Mut besaß, musste ich wohl niemandem mehr beweisen. Doch das war ein Thema, in dem ich alles war, nur nicht mutig. Und schon gar nicht, wenn es um eine tickende Zeitbombe namens Mimi ging. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Wir hatten uns für 18 Uhr am Eingangstor des Sportplatzes verabredet. Meine erste Bürgerpflicht erfüllend schrieb ich den wichtigsten Personen sofort - Matt und selbstverständlich auch Kari. Sora musste ich nicht extra schreiben. Ich war mir sicher das Matt und sie sowieso wieder wie ein Kaugummi zusammenklebten und das süße, perfekte Paar spielten, das sie ja nun mal auch waren. Gott, wie ich die beiden beneidete. Wie sie seit Jahren in ihrer tiefen Liebe zu einander badeten und mich im Schatten ihrer glitzernden, regenbogenfarbenen Polly-Pocket-Insel wohnen ließen. Sprich: die beiden waren sterbensglücklich und ich war der eifersüchtige beste Freund, der wie ein schmollendes Kleinkind ständig auf dem Platz war und gegen den Pfosten schoss. Aber das sollte gar nicht Thema sein. Es ging nämlich mal um mich. Mich ganz allein. Und es hatte mit Liebe zu tun.
 

Meine Mutter wäre zu Tränen gerührt wenn sie wüsste, dass ihr Sohn endlich mal so was Ähnliches wie Herzschmerz hatte. Sie hatte sich ja sowieso schon immer gefragt, ob ich tatsächlich in die Kategorie „männlich, 40, wohnt noch bei Mama“ gehören würde oder doch mal meinen Arsch hochkriegen würde. Nun, heute Abend wäre meine Gelegenheit. Oder eben nicht. Wer wusste es schon.
 

Matt schrieb mir, ich solle bei der Wahrheit bleiben. Die Wahrheit, die er kannte, war die, dass ich mir sicher war, dass ich mir nicht sicher war. Das ich überstürzt Gefühle offenbart hatte, die nicht existierten. Nachdem ich allerdings Mimi auf der Geburtstagsfeier von Matt sah, wie sie mich achtlos in der Ecke sitzen ließ und stattdessen Koushiro anhimmelte, als wäre er eine schicke Handtasche, war ich mir nicht mehr klar darüber, ob ich nicht doch etwas fühlte. Das ich sie vielleicht doch etwas zu sehr mochte. Denn das sie mich ignoriert hatte, tat weh. Sehr weh. Zu weh für jemanden, der eigentlich nichts fühlte. Mimi hatte nicht mal Tschüss gesagt. Das gab mir den Rest.
 

Kari riet mir auf mein Herz zu hören. Mein Herz schrie nach Antworten, die mein Gehirn nicht hatte. Logisches Denken war nie meine Stärke gewesen, und seien wir mal ehrlich, wann hatte das in Sachen Liebe schon mal geholfen? Als hätte ich Ahnung davon.
 

Ich stellte endlich das Wasser ab und vergrub mein Gesicht in meinem schneeweißen Handtuch. Die letzten Tage waren für mich der reinste Horror gewesen. Denn je länger ich mit meinen Gedanken alleine war, desto länger stand ich vor der schier unmöglichen Aufgabe, mich mit diesen Dingern auseinander zu setzten, die Frauen haben. Nein, ich meinte nicht ihre Brüste. Ich redete von Gefühlen. Komplettes Neuland für mich.
 

Während ich mich langsam anzog versuchte ich mich innerlich zu sortieren. Bloß keine Hoffnungen machen, Yagami, dachte ich, achtlos meine Sachen in die Sporttasche schmeißend. Worauf hoffte ich denn? Darauf, dass Mimi mir in die Arme fiel und wir... ja was? Ein Paar wurden? Ich schüttelte den Kopf, ließ mich auf die Bank der Umkleidekabine fallen und seufzte aus tiefster Seele. Das ging nicht. Ich liebte sie nicht und sie mich nicht. Oder?
 

Nein, nichts oder. Schlag es dir aus dem Kopf, Yagami, dachte ich, meine Tasche schulternd. Außerdem wollte ich das doch auch nicht. Sie war Koushiro verfallen, als läge ein Fluch auf ihr. Niemals hätte ich... Was dachte ich denn da nur schon wieder? Noch vor Tagen hatte ich Matt vorgejammert, wie blöd ich mich fühlte, weil ich Mimi meine angeblich nicht vorhandenen Gefühle gestanden hatte. Am Telefon nochmal zur Erinnerung. Im Affekt. Eigentlich.
 

Mein Herz schlug mit jedem Schritt, den ich aus den Umkleidekabinen raus auf das Feld und zum Eingangstor ging, schneller. Lauter. Unerträglich dröhnte es in meinen Ohren. Das sollte mir nicht so viel ausmachen. Wirklich nicht. Ich war nicht verliebt. Und das mir Mimi gleich den Korb des Jahrhunderts geben würde, das würde mir nichts machen. Sollte es nicht. Ich war ein starker Mann, und mit meinem endlosen Witz würde ich das schon überleben. Irgendwann war immer das erste Mal, dass einem das Herz gebrochen wurde. Auch wenn ich mir einredete, keins zu haben. Zumindest keins, das gebrochen werden konnte. Schließlich liebte ich Mimi ja nicht.
 

Draußen war es bewölkt, passend zu meiner Stimmung. Ich trottete meines Weges und wünschte, ich könnte den Trübsal abschütteln und wieder der alte, witzige Tai sein. Der hatte aber anscheinend beschlossen an der Situation nicht teilzunehmen, und sein „Ich bin gleich wieder da“-Schild aufgestellt. Und auf Anrufe reagierte er auch nicht. Mistkerl.
 

In der Ferne, es kam mir vor wie etliche Kilometer, sah ich sie. Mimi. Wer hätte gedacht, dass sie tatsächlich mal pünktlich, ja sogar vor jemanden, am Treffpunkten ankam. Vielleicht war ich ihr ja doch nicht ganz so unwichtig, wie ich dachte. Wie immer war sie top modisch gekleidet, zumindest vermutete ich, dass das gerade der letzte Schrei war. Ich trug was mir passte, sie trug was gerade in war. Und teuer. So sah ihr aufwendig besticktes, dunkelrotes Kleid und die gelbe Jacke dazu nämlich aus. Woher ich wusste, dass das Kleid aussah, wie es aussah? Weil Mimi es schon einmal getragen hatte. Auf Matts Geburtstagsfeier. Dort, wo ich den halben Abend verbracht hatte, sie zu beobachten und zu mustern. Solange bis es mir das Herz zu schnürte und ich den restlichen Abend auf unserem Balkon damit zu brachte zu atmen. Wo mir Sora ab und an über den Rücken gestrichen hatte, weil sie Mitleid hatte. Wie immer, die gute Seele.
 

Als ich hörbar auf den Steinboden vor dem Sportplatz ankam, drehte sie sich um und sah mich lächelnd an. Wieder dieses Lächeln. Angespannt bis in die Haarspitzen holte ich Luft.
 

„Na?“, sagte ich und hoffte schwer, dass ich cool klang. Damit sie wusste, dass mir das hier absolut nichts machte. Ihr Lächeln wurde breiter, und sie legte ihren Kopf schief.
 

„Hey... Schön das es geklappt hat.“
 

„Klar doch.“
 

Mimi sah mich eine Weile an. Der Wind umspielte ihr Haar, was sie immer wieder zurecht zupfte. In ihren Augen konnte ich Euphorie sehen, etwas, dass ich schon lange nicht an ihr mehr gesehen hatte. Generell wirkte sie wieder viel fröhlicher, so viel ausgeglichener. Die Mimi, die wie ein Schatten ihrer Selbst ihrem Ex-Freund hinterher trauerte, schien fort zu sein. Oder sie schauspielerte einfach so gut, dass selbst ich es nicht mehr erkannte. Schwach lächelnd kratzte ich mir an den Kopf und wartete. Sie hatte mich angeschrieben, also müsste sie auch anfangen.
 

„Ich will mich entschuldigen.“, begann sie leicht nervös an dem Saum ihrer Jacke spielend. Ihre Stimme klang ruhig und klar, das komplette Gegenteil zur sonst hitzigen und oft patzigen Art Mimis. Ich entschloss mich meine nicht mehr vorhandene Coolness durch lässiges am Torgatter lehnen zu unterstreichen.
 

„Wofür?“, fragte ich und stellte mich dumm. Das konnte ich am besten. Sie sah von ihren Händen hilfesuchend auf, und hoffte scheinbar, ich würde ihr hier entgegen kommen. Sie unterstützen, so wie ich es bislang ja immer getan hatte. Aber dieses Mal tat ich das, was ich in der Schule schon immer am besten konnte: Nichts. Stattdessen starrte ich sie erwartungsvoll an. Ihre Nervosität stieg offensichtlich.
 

„Für alles. Die Party neulich... Ich habe dich einfach... ausgeblendet. Das war nicht fair und echt unfassbar albern... Wir sind schließlich keine Kinder mehr.“
 

Ich hob die Augenbrauen erstaunt hoch und bemühte mich, nicht spontan loszulachen. Wir waren keine Kinder mehr? Wenn das hier nicht der größte Kindergarten überhaupt war fraß ich ein Besen. Da ich mit meinen Aussagen allerdings vorsichtig sein sollte, behielt ich den Spruch für mich. Ich schnaubte.
 

„Du hast nicht mal Hallo gesagt...“
 

„Ich weiß.“
 

„Und verabschiedet hast du dich auch nicht von mir.“
 

„Ich weiß.“
 

„Nicht mal...“
 

„Ich weiß, Tai!“, zischte sie. Da war sie wieder. Die Zicke. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, als ihre anfängliche, glückliche Fassade bröckelte, und ihr wahres, schnippisches Ich wieder zum Vorschein kam. Zähne knirschend beobachtete sie mich und ich hätte schwören können, das sie mich mit ihrem Blick töten wollte. Zu meinem Glück blieb ich am Leben, als sie sich abwandte.
 

„In letzter Zeit mache ich Dinge, auf die ich nicht besonders stolz bin. Es ist als wenn ich komplett durchgedreht bin. Alles steht Kopf. Und ich ziehe dich mit in mein Chaos... Das ist unfair...“ Sie leckte sich über die Lippen und strich sich erneut die Haare aus dem Gesicht. Nun schien sie auf eine Reaktion zu warten.
 

„Das bei dir alle Schrauben locker sind, weiß ich ja...“, scherzte ich, meine Hände in meinen Hosentaschen vergrabend. Erst Sekunden später merkte ich, wie verletzend meine Worte klangen. Aber sollte ich mich ernsthaft schlecht fühlen? Sie hatte mich komplett ignoriert, nicht nur auf der Party. Sie hatte mir auch Tage danach nicht eine Nachricht geschickt, also auch keinen Gedanken an mich verschwendet. Dafür hatte ich fast ununterbrochen an sie gedacht.
 

„Danke. Das macht es mir leichter mich zu erklären. Wirklich.“, entgegnete sie fast emotionslos und verschränkte die Arme abwehrend vor ihrer Brust. Ich winkte ab.
 

„Sorry. Gerade hast du noch selbst gesagt, wir seien keine Kinder mehr, und dann mach ich den kleiner-Junge-Move...“, gab ich zu.
 

„Schon okay... Ich habe es wohl nicht anders verdient.“ Wir tauschten ein schwaches Lächeln aus und die Stimmung zwischen uns lockerte sich allmählich wieder. Dennoch, die einst so enge Freundschaft zwischen Mimi und mir war durch diese Situation, diese vermeidlichen Gefühle, ins Schwanken geraten. Wir standen an der Klippe zum tosenden Meer, und der Teil, auf dem wir standen, war kurz vorm Absturz.
 

„Ich bereue nicht, dass wir miteinander geschlafen haben Tai. Kein Stück. Es war wunderbar und... ich habe mich sehr wohl mit dir gefühlt. Es war wunderschön...“ Fast verträumt sah sie in den grauen Himmel und ließ einige Sekunden verstreichen, ehe sie weitersprach. „Du bist für mich ganz besonders. Ich hab schon länger... von dir geschwärmt, okay? Ich bin ehrlich...“ Sie wurde rot, aber so ganz konnte ich ihren Worten noch keinen Glauben schenken. Wut stieg in mir auf.
 

„Dafür, dass du von mir schwärmst, bist du ganz schon abhängig von Izzy.“, unterbrach ich sie, und versetzte ihr damit wahrscheinlich den Todesstoß. Doch zu meinem Erstaunen lachte sie, rieb sich die Stirn. War sie verrückt geworden?
 

„Ja oder? Wie fanatisch ich ihm nachgerannt bin und ihm nachgeheult habe.“, stellte sie enttäuscht von sich selbst fest. Mimi war wie verwandelt. Noch vor einiger Zeit hatte sie heulend in meinen Armen gelegen, jammernd darüber, dass sie ihren Ex nicht vergessen konnte. Trotzdem immer wieder versprechend, sie würde sich jetzt ändern. Scheinbar hatten die letzten Tagen der Funkstille genau das bewirkt? Fragend zog ich die Augenbrauen zusammen. Vor mir stand Mimi Tachikawa in ihrer alten Frische. Aufgeweckt, fröhlich, voller Energie. Nicht das ich mich nicht freute, dass sie ihren Kummer scheinbar hinter sich lassen konnte. Aber was bedeutete das jetzt für mich? Für uns?
 

„Weißt du noch, als ich dir versprochen habe, dass ich mich ändern werde?“, fragte sie mich, plötzlich mit Tränen in den Augen, das Lächeln noch immer auf den Lippen. Verwundert nickte ich. War Mimi vielleicht schizophren? So schnell wie sie die Gemütszustände wechselte konnte doch irgendetwas mit ihrer Psyche nicht stimmen. In den Wechseljahren konnte sie ja wohl nicht sein, oder? Oder kriegten das 17-jährige auch?
 

„Ich hab mich geändert. Habe losgelassen.“ Sie leckte sich über die Lippen und lachte schwach. „Izzy und ich, dass ist Vergangenheit. Und das habe ich endlich verstanden.“ Die Tränen liefen ihr heiß über die Wangen und es zerriss mir das Herz. Diese Frau schaffte es einfach immer wieder einen um den Finger zu wickeln. Mimi umgab eine unfassbare Magie, die ich scheinbar nicht entkommen konnte. Und ihr innerlich die rote Karte zu geben, schien mich nicht davor zu bewahren.
 

„Mimi...“
 

„Nein, nein. Es ist gut. Wirklich.“, sagte sie grinsend und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Das ist gerade der ultimative Befreiungsschlag. Vor dir die Wahrheit zu sagen, und reinen Tisch zu machen tut gerade so gut. Ich will auch mit dir Frieden schließen. Ich will endlich wieder Mimi sein.“ Sie seufzte aus tiefster Seele. Ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen und ich konnte spüren, dass es ihr wirklich besser ging. Das das hier ihr wirklich gut tat. Alles was ich wollte, war Mimi wieder fröhlich zu sehen. Das lag mir bei all meinen Freunden am Herzen. Doch bei Mimi war es anders. Es war mein größter Wunsch sie wieder Lachen zu sehen. Genau das hatte ich erkannt, als ich mit Kari gesprochen hatte. Ich hätte alles getan, um Mimi aus ihrem Tal der Tränen zu holen. Alles. Und wenn ich mit ihr schlafen musste. Warte mal musste? Nein. Das klang unfassbar falsch.
 

„Ich hatte ein... sehr ausführliches Gespräch mit Koushiro und... wie sich herausstellte hatten wir beide Probleme mit der Beziehung abzuschließen. Die ganze Nacht haben wir... geredet. Und irgendwie löste sich endlich der Knoten in meinem Herzen. Es war als hätte jemand einen Vogel aus dem Käfig gelassen damit er frei sein konnte. Ich war noch nie so erleichtert gewesen. Und er auch.“ Mimi lächelte selig vor sich hin während ich meine ganz eigenen Schlüsse zog. Die Art wie sie redete verriet mehr, als sie wollte. Die beiden hatten Abschiedssex gehabt. Das konnte sogar ich aus ihrem Stottern herauslesen. Aus mir unerklärlichen Gründen fühlte ich mich betrogen. Aber wenn ich mir das anmerken ließ, dann würde sie denken, dass tatsächlich etwas an meinem Liebesgeständnis dran war. Wenn sie das nicht sowieso schon dachte. Vielleicht redete sie deswegen so verblümt und wickelte mich in Watte. Aber das war Mimi. Sie hätte mir doch auch einfach früher in die Eier treten können. Ich schnaubte wütend und erinnerte mich an Sayachi. Über sieben Ecken hatte ich erfahren, dass Izzy und Sayachi nicht mehr zusammen waren. Das zog mich nur noch mehr runter. Freie Bahn um die alte Liebe wieder aufleben zu lassen, was?

Am liebsten wäre ich gegangen. Das hatte ich nicht nötig, dass musste ich mir nicht anhören. Das quälte mich. Es fiel mir schwer neben meiner Wut zu erkennen, dass ich Mimi zumindest nicht uninteressant fand.
 

Gott war ich dumm gewesen zu glauben, dass das hier vielleicht in irgendeiner Form gut ausging. Das Mimi und ich einfach wieder mit einander umgehen konnten, wie Freunde. Aber das wühlte alles in mir auf, machte mich rasend. So viel zu, dass ich nichts fühlte. Genau das hatte ich doch Matt noch Tage zuvor noch gesagt? Was war nur los mit mir?
 

„Koushiro und ich wollen jetzt wieder Freunde werden. So wie früher.“, sage Mimi und riss mich aus den Gedanken. Ich sah sie mit zusammen gekniffenden Augen an. Alles an mir bebte.
 

„So? Das ist ja großartig... Sind wir dann hier fertig?“, zischte ich, meine Tasche neu schulternd. Mich zum gehen aufmachend, packte Mimi mich an Arm und riss mich zu ihr herum. Wütend starrte ich in ihre erschrockenen Augen.
 

„Tai? Bitte geh nicht weg... Lass uns reden, bitte!!“, flehte sie und ich riss mich von ihrem Griff los. Einige Minuten vergingen, in denen wir uns beide anstarrten, aber keiner etwas sagte. Sie begriff, dass ich verstanden hatte, was sie eigentlich gesagt hatte. War wohl doch nicht so dumm, wie immer alle von mir dachten, hm?
 

„Tai... bitte...“, hauchte sie und griff erneut nach meinem Arm, und lehnte sich dagegen. Ich konnte nicht weg. Würde ich mich jetzt lossagen, würde sie fallen. Auch wenn die Schadenfreude in mir großen Spaß daran gehabt hätte. Gott, wie ich den Spaßvogel in mir vermisste.
 

„Was gibt’s denn noch zu sagen?“, grummelte ich. Sie zuckte zusammen, sah auf und hatte einen leichten Hoffnungsschimmer in ihren Augen.
 

„Koushiro ist weg aus meinem Herzen Tai...“, sagte sie leise und es schien als wolle sie mir etwas damit sagen. Ich schnalzte angewidert mit der Zunge.
 

„Ich werde nicht deine Nummer 2, Fräulein. Das kannst du dir in deine Pradatasche stecken. Such dir einen anderen Fickpartner, mit dessen Gefühlen du spielen kannst.“, fluchte ich aus tiefster Seele und schenkte ihr meine volle Verachtung. Jetzt hieß es nur standhaft zu bleiben. Nein, noch einen drauf zu setzten. Matt riet mir doch bei der Wahrheit zu bleiben?
 

„Und wo wir schon bei der Wahrheit sind: Das ich dir gesagt habe, ich würde dich lieben, stimmt nicht... Das habe ich nur gesagt, damit du dich besser fühlst.“ Sie ließ mich mit aufgerissenen Augen los und stand stocksteif da. Jegliche Emotionen waren aus Mimis Gesicht gewichen und so starrte sie mich leeren Blickes einfach nur an. Und ich starrte zurück. Und von Sekunde zu Sekunde fühlte ich, wie mein Mut und Hochmut sich in Schmerz wandelte. Ähnliches schien in Mimi vorzugehen. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Meine auch. Wie männlich. Es tat uns leid. Was wir getan hatten. Was wir gesagt hatten.
 

„Wichser.“
 

„Schlampe.“
 

Und dann lachten wir. Losgelöst und ausgelassen. Warum auch immer, ich konnte es mir nicht erklären. War es der Wahnsinn der sich in uns breit gemacht hatte? Verdenken konnte man es uns nicht, schließlich hatten wir miteinander gevögelt, uns die Liebe gestanden und uns dann nicht mehr beim anderen gemeldet. Mimi hatte mit Izzy geschlafen. Und ich war in meinem Gefühlschaos ertrunken. Es mochte gemein klingen, aber ihr eins reingewürgt zu haben, tat nach ihrem Knüller schon etwas gut. Trotzdem sollte man nicht Feuer mit Feuer bekämpfen. Das brachte mir nichts. Außer einen Moment der schieren Vergeltung. Und seien wir doch ehrlich: Ich war einfach nicht der Typ, der anderen, die Scheiße gebaut hatten, nur eins reindrückte, damit ich mich einen Moment lang besser fühlte. Wie ich mich kannte, bereute ich so was meist Sekunden später eh.
 

Langsam beruhigte ich mich. Auch Mimi wurde wieder ruhiger. Sie hatte etwas an sich, dass mich leider nicht dazu brachte, sie zu hassen. Im Gegenteil. Ich fand immer mehr Gefallen an den Gedanken, dass meine Gefühle vielleicht echt sein könnten. Auch wenn es lächerlich war. Alles war lächerlich. Ich war lächerlich.
 

„Ich glaube wir hatten einen holprigen Start...“, murmelte Mimi schließlich und machte bei dem Wort „Start“ diese bekloppten Gänsefüßchen in der Luft.
 

„Start? Was für einen Start meinst du?“, harkte ich schnell nach und armte ihre Bewegung nach. Gut so, Yagami, dachte ich. Tue einfach so, als seist du der coole Typ, der du nicht warst. Mimi zuckte mit den Schultern.
 

„Ich hab doch keine Ahnung, wie ich das nennen soll. Unser Sex und unser Liebesgeständnis... In einem alternativen Universum könnte man meinen wir wären fast...“
 

„zusammen?“, beendete ich ihren Satz und wir wurden beide rot. Zumindest vermutete ich, dass ich es auch wurde, weil mir Hitze in den Kopf stieg.
 

„Ja...“ Wir lächelten beide unsicher und ich kratze mich mehrfach am Kopf. Damit war nur noch nicht geklärt, wo wir jetzt standen. Noch immer bebte Mimis Geständnis schwer in meiner Magengegend und das würde ich so schnell nicht vergessen. Ich konnte sehr nachtragend sein. Wir mussten einen Weg finden, wie wir mit einander umgehen würden nach all dem Quatsch.
 

„Liebst du mich denn, Mimi?“, fragte ich aus heiterem Himmel, auf meine bissige Aussage anspielend. Ich musste es einfach wissen. Auch wenn ich die Antwort schon kannte. Allein ihre Körperhaltung verriet mir, dass es ihr nicht einfach viel, mir in die Augen zu sehen um mir ehrlich zu antworten. Sie wollte mich scheinbar nicht noch weiter verletzten.
 

„Schon okay Mimi.“
 

„Ich kann es dir nicht sagen. Ich... weiß es nicht.“, sagte sie und hatte die gesamte Situation perfekt in einen Satz zusammengefasst. Ich wusste es nämlich genauso wenig. Was hatten wir nur angerichtet? Miteinander schlafen und sich dann sagen, man liebe sich. Unfassbar. Und nun standen wir hier und wussten nicht so recht, wie wir mit den Aussagen und Taten von Vergangenheits-Mimi und Vergangenheits-Tai umgehen sollten. Es war als trieben wir in einem Boot auf dem offenen Meer ohne Rettung in Sicht. Ein Meer aus Fragen. Und niemand der eine Antwort wusste. Einen Ausweg.
 

„Was sind wir Tai?“, fragte mich Mimi. Es begann langsam vor sich hin zu nieseln. Mimi hielt ihre Handtasche schützend über ihre Haare, doch ich hatte eine bessere Idee. Ich streifte meine Jacke ab und legte sie uns beiden auf den Kopf. Sie lächelte.
 

„Wir sind bescheuert.“, sagte ich und küsste sie sanft auf die Wange. Ein Test meinerseits, um zu schauen, ob ich etwas fühlte, oder nicht. Ob ich es wirklich nur tat, um sie aufzumuntern. Vielleicht war ich auch einfach nur ein bisschen verschossen?
 

Was aus uns wurde, wusste niemand. Nicht mal der Regen der auf uns niedertropfte und all die Anspannung von uns beiden in die nächsten Gulli spülte.

Der Hund und das Prinzesschen

Das Chaos in meinem Leben hätte nicht größer sein können. Noch immer benommen von meinem Treffen mit Tai, lag ich nun auf meinem Bett, in meine Decke eingehüllt, und starrte auf meinen Wecker. Worauf wartete ich? Vielleicht auf die Antwort, auf die Frage, was der ganze Schwachsinn sollte. Draußen klopften die Regentropfen unerlässlich an die Scheibe. Taichi hatte mich zur U-Bahn gebracht, seine Jacke über unseren Köpfen haltend. Wir hatten gelacht. Und das tat sehr gut.
 

Nach all dem Mist der seit unserer gemeinsamen Nacht passiert war ihn so neben mir zu haben, mit ihm zu reden, war wunderbar. Niemals hätte ich gedacht, dass Taichi reagieren würde, wie er es nun mal getan hatte. Ich hätte es ihm nicht übel genommen, wenn er sich einfach losgerissen hätte und gegangen wäre. Wer hätte es ihm verdenken können? Ich verstand mich ja selbst nicht mehr.
 

Hoch und heilig hatte ich Tai versprochen, ich würde endlich einen Schlussstrich unter die Beziehung mit Koushiro ziehen. Und das hatte ich auch felsenfest vorgehabt. Doch ich musste dafür nochmal mit Izzy reden. Abzuschließen. Vor allem aber wollte ich Frieden. Doch mein Plan, den ich mir schon am Mittag fest vorgenommen hatte, schien schon noch während der Party an meinem Hormonen zu scheitern. Ich hatte sprichwörtlich nichts besseres zu tun gehabt, als ihn den ganzen Abend an zu schmachten. Natürlich wusste ich, dass Sayachi anwesend war. Und natürlich wusste ich, dass mein Verhalten unter aller Kanone war. Nicht nur, dass aus Koushiro und mir eh nie wieder etwas werden würde – ich hatte Tai ja schließlich auch meine Gefühle gestanden. Gefühle, von denen ich nicht wusste, ob sie existierten. Und es wäre nicht verkehrt gewesen, wenigstens mit ihm über vorher über mein Vorgehen zu sprechen. Auch wenn wir heute, nachdem ich mit Tai heute gesprochen hatte, beide feststellten, dass wir etwas übereilt gehandelt hatten. Und das wir beide bescheuert waren. Keiner eine Antwort hatte, für das, was zwischen uns abging.
 

An dem Abend, an dem ich Izzy sprechen wollte, wusste ich es noch ganz genau. Der Nerd ging mir nicht aus dem Kopf, nicht aus dem Herzen. Aber unser Gespräch endete irgendwie anders als geplant. In einem Rausch der Gefühle taten wir das, was man niemals machen sollte: Sex mit dem Ex. Doch so blöd es klingen mochte, wir schienen genau das irgendwie gebraucht zu haben. Auch wenn es aus den falschesten Gründen überhaupt passierte: Sayachi hatte nicht wenige Stunden zuvor mit Izzy Schluss gemacht, und ich hatte die Geschichte mit Tai hinter mir. Das sollten wir nicht tun, hatte nicht nur Izzy gesagt, als wir taten, was wir taten. Ich hatte das auch gesagt. Vor allem hinterher, als wir beide schweigend nebeneinander gelegen hatten. Als wir im Dunklen meines Zimmers beide an die Decke starrten und sich keiner traute, sich zu rühren. Meine sonst so impulsive Art war kompletter Unsicherheit gewichen. Es war, als hätten Koushiro und ich die Persönlichkeiten getauscht. Er war viel selbstbewusster, sicherer und offener geworden. Das hatte er bestimmt Sayachi zu verdanken. Ich freute mich wirklich sehr für ihn. Auch wenn es bis dahin nur wehtat, zu sehen, wie glücklich er ohne mich war. Wie wichtig einem jemand war, schien man erst richtig zu begreifen, wenn dieser Mensch fort war. Und genau deswegen war ich ihm so lange hinterher gerannt. Nicht unbedingt weil ich noch starke Gefühle hatte. Ja die hatte ich auch. Aber ich vermisste seine Aufmerksamkeit, seine verschrobene Art und Weise mir zu zeigen, dass er mich mochte. Es war einfach einzigartig. Koushiro war einzigartig. Und das wollte ich zurück. Lange Zeit. Und er schien mich zumindest für diese Nacht auch für sich zurück zu wollen.
 

Doch es sollte bei dieser einen Nacht bleiben. Das wussten wir beide, als er sich schweigend anzog ich mir meinen Bademantel überwarf und ihn zur Tür brachte. In der Nacht hatte es auch angefangen zu regnen, genau wie heute. Unsere Eingangstür war nicht überdacht, und Koushiro hatte keinen Schirm. Die Stimmung in dieser Nacht zwischen uns hatte sich von explosivem Hass in Resignation umgewandelt. In gegenseitigem Respekt, den wir uns lange Zeit nicht mehr entgegengebracht hatten. Es schien als hätten wir uns schon ausgesprochen, nur hatten wir keine Worte benutzt sondern unsere Gefühle die in unseren Herzen herumkreisten an unseren Körpern ausgelebt. Wut. Enttäuschung. Liebe. Trauer. Schmerz. Alles war dabei gewesen.
 

Einen Schirm wollte er nicht, er würde eben nass werden. Alles, was ich dann noch von ihm sah, war sein trauriges Lächeln und das „Bis bald“ das er tonlos in die Nacht sprach. Ein Abschied von den gescheiterten Liebhabern. Aber ein Funken Hoffnung hallte zwischen uns hin und her, dass die alten Freunde wiederkehren würden. Die, die ich einst zusammen in der Digiwelt gewesen waren. Noch einmal strich ich ihm damals über die schon klitschnasse Haut seines Gesichts, denn er war schon nach draußen gegangen. „Bis bald“. Ein letzter Kuss. Dann war es wirklich vorbei. Jeder von uns beiden schien endlich seinen Frieden geschlossen zu haben. Und aus irgendeinem verrückten Grund ging ich in mein Zimmer zurück um die ganze Nacht zu Adele´s „hello“, dass durch die Kopfhörer meines Handys in meine Ohren drang, zu weinen bis ich einschlief.
 

[

]

Hello,

it's me

I was wondering if after all these years

You'd like to meet,

to go over

everything

They say that time's supposed to heal ya

But I ain't done much healing

Hello, can you hear me?

I'm in California dreaming about who we used to be

When we were younger

and free

I've forgotten how it felt before the world fell at our feet

There's such a difference

between us

And a million miles

Hello from the other side

I must've called a thousand times

to tell you I'm sorry

for everything that I've done

But when I call you never seem to be home

Hello from the outside

At least I can say that I've tried

to tell you I'm sorry

for breaking your heart

But it don't matter,

it clearly doesn't tear you apart anymore

Hello,

how are you?

It's so typical of me to talk about myself

I'm sorry

I hope

that you're well

Did you ever make it out of that town

Where nothing ever happened?

It's no secret

That the both of us

are running out of time

Hello from the other side

I must've called a thousand times

to tell you I'm sorry

for everything that I've done

But when I call you never seem to be home

Hello from the outside

At least I can say that I've tried

to tell you I'm sorry

for breaking your heart

But it don't matter,

it clearly doesn't tear you apart anymore

Ooooohh, anymore

Ooooohh, anymore

Ooooohh, anymore

Anymore

Hello from the other side

I must've called a thousand times

to tell you I'm sorry

for everything that I've done

But when I call you never seem to be home

Hello from the outside

At least I can say that I've tried

to tell you I'm sorry

for breaking your heart

But it don't matter,

it clearly doesn't tear you apart anymore [

]
 

Als ich am nächsten Tag aufwachte war ich wie ausgewechselt. Es war als hätte man die Ketten, die ich um die Gefühle für Koushiro gelegt hatte, gelöst. Sie waren frei. Ich war frei. Es war nicht so, als wäre mir mein Ex-Freund urplötzlich egal. Keineswegs. Er würde wohl immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Dieser schüchterne Nerd war meine erste große Liebe gewesen, konnte man sagen. Aber ich hatte nicht mehr diesen unglaublich mich auffressenden Herzschmerz in mir. Diesen Drang ihm nahe sein zu wollen, ihm unterschwellig das Leben schwer zu machen, weil er mich nicht mehr beachtete. Ihm nachzurennen wie ein kleines Kind den Süßigkeiten. Es war fort. Zurückblieb ein gutes Gefühl endlich nach vorne schauen zu können. Abgeschlossen zu haben. Auch wenn ich nach wie vor verwirrt davon war, dass es nur eine Nacht brauchte, was Wochen nicht geschafft hatten. Was in Tais Armen ausweinen nicht geschafft hatte.
 

Ich wandte mich von meinem Wecker ab und rollte mich auf die andere Seite meines Bettes. Die letzten Stunden hatte ich nur an Tai und unser Gespräch gedacht. Daran, dass ich ihm die volle Wahrheit gesagt hatte. Und es ihn überraschend tief getroffen hatte. Er war sehr wütend gewesen. Aber wie konnte ich auch glauben, dass ihm das rein gar nichts ausmachte. Gefühle hin oder her – wenn jemand erst mit einem selbst schlief und dann mit wem anders, da konnte man sich ja nur scheiße fühlen. Wie ausgetauscht. Dabei wollte ich ihm keineswegs weh tun.
 

Taichi war in letzter Zeit der wohl einzige Mensch gewesen, der mich nicht hasste. Der mein Gejammer tapfer ertragen hatte und mich immer in den Arm nahm, aufmunternde Worte fand. Und ich hatte nichts besseres zu tun als auch ihm nur zu verletzen. Mit meinen Worten. Mit meinem Taten. Gut, er hatte auch zugegeben, dass seine Gefühle übereilt waren. Trotzdem. Für jemanden, der nichts fühlte, sah ich zu viel Schmerz in seinen Augen. Auch wenn er diese gekonnt zu überspielen versucht hatte. Allein sein Kuss auf meiner Wange hatte mir gezeigt, dass da nicht nichts sein konnte. Dass er irgendetwas für mich fühlte. Schließlich war ich eine Frau, und wir spürten so etwas.
 

„Mimi, willst du nicht mit uns Essen?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter sagen und ich blickte herüber zur Tür. Essen. Durch den ganzen Trubel hatte ich wieder nichts gegessen.
 

„Was gibt’s denn?“, harkte ich nach, denn eines war sicher: Meine Mutter konnte mich nur mit etwas unfassbar Gutem aus meiner Kuscheloase locken. Und es musste etwas sein, dass mich für einen Moment vergessen ließ, was für eine dumme Ziege ist war.
 

„Es gibt Sandwiches. Unser Ofen ist doch kaputt.“, sagte sie und lugte rein. Ich hasste es, wenn man einfach in mein Zimmer kam, und so schenkte ich ihr einen bösen Blick.
 

„Wegen Sandwichs nervst du mich?“, zischte ich und meine Mutter sah mich erschrocken an. Sofort tat mir meine Wort- und Tonwahl leid. Meine Mama konnte ja wohl mal überhaupt nichts für ihr missratenes Prinzesschen.
 

„`Tschuldige Mama... Sandwiches klingen toll...“, murmelte ich kleinlaut und kletterte aus meinem Bett. Sandwiches klangen nicht toll, aber ich wusste, dass sie sich alle Mühe gegeben hatte.
 

„Schon gut, mein Schatz... geht’s dir nicht gut, willst du dass ich dir ein paar bringe?“, fragte sie besorgt und schob mich ohne eine Antwort abzuwarten zurück auf mein Bett. Wie damals, als ich noch klein war, packte sie mich zurück unter meine Decke und lächelte.
 

„Mir geht’s gut Mama...“, antwortete ich, doch einer Mutter widersprach man nicht. Und anlügen konnte man Mütter schon gar nicht. Mit der Geburt eines Kindes schien jede Frau so eine Art Mutter-Gen zu bekommen, dass einem immer sagte, wenn es dem Kind nicht gut ging.
 

„Du bleibst liegen.“
 

Wenige Minuten später kam sie zurück, mit einem Teller voller Mini-Sandwiches. Vor einigen Tagen war unser Herd und Ofen kaputt gegangen, und meine Mutter improvisierte, damit mein Vater und ich trotzdem gut essen konnten. Mit einem Lächeln servierte sie mir ihr Werk.
 

„Wahnsinn Mama, die sehen gut aus.“, lobte ich sie und sah mit klopfenden Herzen, dass sie sogar einige mit meiner heißgeliebten Thunfischmayonaise belegt hatte. Ich strahlte sie an.
 

„Man muss das Beste aus jeder noch so misslichen Lage machen, nicht wahr?“, entgegnete sie und strich mir sanft über die Wange. Ich nickte. Und ich spürte, dass sie mir unterschwellig einen Rat geben wollte. Mich aufbauen wollte.
 

Meine Sandwiches essend starrte ich erneut ins Leere und verfiel wieder meinen Gedanken. Das die Dinge mit Tai gelaufen waren, wie sie es waren, machte mir das Atmen immer schwerer. Abgesehen davon das Tai und ich wahrscheinlich erstmal eine doch eher merkwürdige Freundschaft führen würden, und ich mich somit auch irgendwie so gut wie von all meinen Lasten befreien konnte, spürte ich, dass das noch nicht das Ende der Geschichte zwischen mir und Tai war. Das da noch mehr war. An Tai hatte ich es ja eh schon bemerkt, dass er wohl möglich doch mehr empfand, als er zugeben würde. Aber was war mit mir? Hatten bei mir die drei berühmten Worte von neulich vielleicht doch auch eine Bedeutung?
 

Tai trieb sich schon vor unserer gemeinsamen Nacht des öfteren in meinen Gedanken herum. Ich hatte das immer als willkommene Ablenkung von meinen mich auffressenden Gefühlen für Izzy gesehen. Er war ja nun auch nicht gerade zu verachten. Groß gewachsen, sehr sportliche Figur. Und die Muskeln, die er immer unter den lässigen Klamotten verbarg, hatte ich ja nun auch schon live und in Aktion gesehen. Die waren nicht aufgemalt. Und fühlten sich wahnsinnig gut unter meinen Fingern an, sofern ich mich erinnern konnte. Ich grinste.
 

Tai sah nicht nur gut aus, er war auch unfassbar witzig, hatte das loseste Mundwerk weit und breit. Seine leichte Begriffsstutzigkeit waren wirklich niedlich, und ich wusste schon immer, dass er nicht so dämlich in der Birne war, wie alle immer dachten. Ich glaubte fest daran, dass er das mittlerweile einfach nur noch als running-gag benutzte.
 

Mein Herz schlug schneller, je intensiver ich an ihn dachte. Was war denn nur los mit mir? Ich konnte doch nicht auf einmal in wen anderes verliebt sein. Das ging niemals so schnell. Mir wurde schwindelig, und ich stellte den Teller auf den Nachttisch neben mir, rollte mich in der Embryo-Stellung zusammen und kaute auf meiner Lippe herum.
 

Nein, dass was ich da spürte konnte doch nur wieder meine unglaubliche Gier nach Aufmerksamkeit sein. Traurig aber immerhin gestand ich es mir ein: Ich war sehr egoistisch, wenn ich in einer Beziehung war. Oder generell. Meine Welt drehte sich viel zu oft um mich selbst. Ich dachte nur an mich, selten an andere, wenn es um Wertschätzung und Liebe ging. Immer nur ich, ich, ich. Deswegen war Koushiro gegangen. Weil ich es liebte, wenn ich im Mittelpunkt stand, und oft alles um mich herum vergaß.
 

So musste es sein. Ich wollte nur Tais Aufmerksamkeit. Damit ich wieder das Gefühl bekam, gemocht zu werden. Damit ich mich wieder besser fühlte. Ich verzerrte mich förmlich danach. Das war wohl auch der Grund, warum ich von Izzy zu Tai und wieder zurück gerannt war. Ich hatte sie von beiden bekommen. Und ich hatte wie so oft nur genommen. Nie gegeben. Kein Wunder, dass beide total verwirrt und verletzt waren, nach dem ich „mit ihnen fertig war“.
 

„Mein Körper und Seele sind durch die vielen Bälle, die ich schon abgekriegt habe, so abgehärtet, da kommt keine Gefühle der Welt mehr durch.“, hatte Tai mal im Scherz gesagt, als wir uns darüber lustig machten, dass er Dauersingle war. Mittlerweile wusste ich, dass das natürlich nicht stimmte. Ich hatte eine Lücke gefunden. Die fand ich immer. Bei jedem. Ich war wohl pures Gift für Männer. Wie eine Gottesanbeterin, die ihre Partner nach dem Sex auffraßen. Diese widerliche Erkenntnis traf mich tief in meiner Seele, und ich vergrub mich wieder unter meiner Decke, die mich nun komplett bedeckte. Nie wieder würde ich rausgehen. Ich tat Menschen nur weh.
 

„Mimi?“, hörte ich eine Stimme gedämpft sagen und ich verschluckte mich an meinem eigenen Atem. Ich wusste natürlich sofort wer sich dort in mein Zimmer geschlichen hatte. Wir hatten uns schließlich heute schon einmal getroffen. Tai. Aber ich traute mich nicht, die Decke von mir abzudecken. Wenn ich so tat, als würde ich schlafen, würde er vielleicht gehen.
 

„Schläfst du? Oder tust du nur so, damit du nicht mit mir reden musst?“, fuhr er fort und ich wusste, dass ich aufgeflogen war. Ertappt schlug ich meine Decke zurück und sah ihn unschuldig an. Er lächelte. Klitschnass vom Regen stand er vor mir. Er bemerkte wie ich ihn besorgt musterte und zuckte mit den Schultern.
 

„Ich war duschen und habe vergessen mich abzutrocknen.“, scherzte er was mich zum lächeln brachte.
 

„Mit Klamotten?“
 

„Ja. Da spare ich eine Menge Wasser. Zwei in Eins, weißt du?“ Stolz präsentierte er sich in seinen nassen Klamotten und machte dabei matschige Geräusche. Ich lachte leise.
 

„Ich kann gar nicht glauben das Mama dich so reingelassen hat.“, sagte ich und sah in der nächsten Sekunde meine Mutter hereinstürmen und ihm einige Handtücher anbietend. Tai nahm sie dankend an und zog seine Jacke aus.
 

„Das gibt’s du mal mir... Ach, ich schaue mal ob ich nicht ein paar trockene Sachen für dich hab. Willst du vielleicht einen Tee? Du wirst sonst noch furchtbar krank!“, sagte sie. Da war sie. Die Übermutter. Mir war das fast schon unangenehm, als Tai sich mit dem Handtuch über den Kopf rubbelte.
 

„Ganz ruhig Frau Tachikawa, ich hab schon oft genug bei Regen Fußball gespielt und da ist mir auch nichts passiert. Ich steck´ das erstaunlich gut weg, sie werden sehen.“ Er zwinkerte ihr zu. Doch so ganz überzeugt war sie nicht.
 

„Schon gut Mama. Lass ihn, wenn er nicht will.“, meinte ich und bedeutete ihr das sie gehen konnte. Nur zögernd folgte sie meiner Bitte und schloss die Tür hinter sich. Tai sah mich lächelnd an.
 

„Ich darf mich aber bestimmt nicht hinsetzen oder?“, witzelte er und er schien zu erwarten, dass ich wie wild meinen Kopf schütteln und ihm böse anfauchen würde. Doch das tat ich nicht. Stattdessen bot ich ihm an, neben mir aufs Bett zu klettern. Verwundert folgte er dem Angebot.
 

„Was ist denn los, Prinzesschen? Der nasse Hund darf auf das Cashmere-Sofa?“ Ich konnte nur weiter lächeln, griff zu meinem Teller auf dem Nachtisch. Ich hatte noch zwei Sandwichs übrig. Ich stellte den Teller zwischen uns ab und sah wie er mit großen Augen auf die beschmierten Toastscheiben schaute.
 

„Hat der Hund vielleicht Hunger?“, fragte ich ihn und erntete ein Lächeln. Unsere Hände trafen sich für eine Sekunde, als wir beide gleichzeitig zu den Sandwiches griffen – ich, weil ich ihm eins reichen wollte, und er, weil er sich selbst eins nehmen wollte. Unsere Blicke trafen sich und wir wurden beide rot.
 

„Danke...“, hauchte er und biss in das Sandwiches. Nach kurzem Kauen sah er angewidert auf.
 

„Thunfischmayo?“ Ich nickte.
 

„Super lecker, oder?“, neckte ich ihn und er lachte gespielt. Trotzdem. Das wir hier zusammen saßen machte mich wahnsinnig. Es war, als wäre nie etwas gewesen. Als wäre alles normal. War Tai jetzt ebenso verrückt wie ich es geworden war? Ich beobachtete ihn intensivst, als er sich mit dem Sandwiches abmühte. Wer hätte gedacht, das Tai Sachen aß, die er nicht mochte.
 

„Warum sitzt du klitschnass auf meinem Bett, Tai?“, fragte ich schließlich, als er aufhörte zu essen und mich fragend ansah. Mein Ton war recht emotionslos. Tai sog scharf die Luft ein und ließ die Schultern hängen.
 

„Weil´s regnet, Mimi.“, entgegnete er schließlich und versuchte wie gewohnt witzig zu sein. Aber auch seine Stimme änderte die Tonart.
 

„Du weißt was ich meine...“
 

Einige Sekunden, gefühlte Jahre, verstrichen in denen wir uns nur ansahen, schweigend. Das machte mich unfassbar nervös, und ich vergrub meine Hände in meiner Decke. Den letzten Bissen herunter schluckend, wischte sich Tai mit dem Handrücken über den Mund.
 

„Ich weiß, es ist noch nicht so lange her, dass wir unser komisches Gespräch hatten...“, begann er, aber ich unterbrach ihn.
 

„Komisches Gespräch?“ Er schnaubte.
 

„Du weißt was ich meine.“, äffte er mich nach und streckte ihm die Zunge raus.
 

„Ich musste dich einfach nochmal sehen.“ Mein Mund öffnete sich verwundert, aber kein Ton kam heraus. Diese Worte ließen mein Herz schneller schlagen. Er wollte mich nochmal sehen? Es war wirklich kaum Stunden her, später Abend, seitdem wir uns gesehen hatten. Was ging in ihm vor? War etwas nicht gesagt?
 

„Aber warum?“, hauchte ich fragend und konnte es einfach nicht fassen, dass er mich nochmal aufsuchte. Wir waren irgendwie im Guten auseinander gegangen. Und das wir uns in den nächsten Tagen überhaupt sprechen würden hätte ich nicht gedacht. Vielleicht sollte ich auch einfach mal nicht denken. Aber das ging nicht.
 

„Weil ich noch nicht fertig war.“
 

„Noch nicht fertig? Aber ich hatte dich um ein Gespräch gebeten...“
 

„Na und? Das heißt doch nicht, dass ich nichts mehr zu sagen hätte, oder?“
 

Tai stellte den leeren Teller wieder zur Seite. Für jemanden, der in nasser Kleidung auf einem Bett saß, kam er erstaunlich gut damit zu recht. Es schien wahr zu sein – Tai gab echt nichts drauf was er an hatte, ob trocken oder nass. Er sah mir direkt in die Augen, was meinen Atem stocken ließ. Dieses warme Braun war mir noch nie so intensiv aufgefallen wie in diesem Moment. Ich schluckte.
 

„Ich hab die Wahrheit gesagt. Das mit dem „Ich liebe dich“ meine ich.“, erklärte er und ein Stich in meinem Herzen ließ mich aufkeuchen. Das hatte vorhin schon weh getan. Auch wenn es das doch eigentlich nicht sollte. Aber zu hören, dass man nicht geliebt wurde, tat weh. Gerade von Menschen die einem die Liebsten waren. Er hatte es nur gesagt, damit ich mich besser fühlte. Das hatte ich. Aber nur für kurz.
 

„Aber das heißt nicht, dass du mir egal bist. Ich wollte das nur nochmal klarstellen.“ Es vergingen erneut einige Sekunden bevor ich mir über die Lippen leckend antworten konnte.
 

„Natürlich. Das weiß ich doch...“ Ich brach den Blickkontakt ab und sah auf meine Decke, unter der meine zitternden Beine versteckt waren. Inständig hoffte ich, dass er davon nichts mitbekam. Davon, dass mir seine Worte viel zu nahe gingen. Du wolltest doch nur wieder alles in Ordnung bringen, dachte ich. Ich wollte nur Frieden mit allen und mit mir. Und jetzt kam mir Tai mit seiner lieblichen Stimme daher und säuselte mir diese Worte entgegen. Dabei waren seine Worte lediglich eine Entschuldigung. Für sein Verhalten. Eine Entschuldigung, die ich nicht verdiente. Denn ich konnte mich nicht entschuldigen, dass was ich getan hatte, war nur durch eine Zeitmaschine wieder rückgängig zu machen.
 

Sanft schob Tai seine Hand unter mein Kinn und hob es an, sodass ich ihm wieder in die Augen sehen konnte. Er lächelte.
 

„Es tut mir leid, Tai.“, platzte es aus mir heraus und ich schnellte vor um den überraschten Taichi zu umarmen. Ich ignorierte dass er kalt und nass war. Es war mir egal. Alles, was ich wollte, war die Scherben unserer Freundschaft, oder was auch immer wir waren, wieder aufzusammeln und zusammen zu kleben. Ich wollte alles wieder gut machen. Auch wenn ich es nicht konnte. Ich wollte Tai nie wieder so verletzen. Im Gegenteil. Dieser gutmütige Mensch sollte glücklich werden. Und ich wollte alles dafür geben, dass er es wurde. So wie er es die ganze Zeit für mich wollte. Ich schniefte.
 

„Du weißt das ich klitschnass bin oder Prinzesschen?“, fragte er nervös und wusste nicht recht, wie er mit mir umgehen sollte. Ich ließ langsam von ihm ab, wischte mir ein paar Tränen aus dem Gesicht und lächelte ihn verlegen an. Noch immer erstaunt sah er mich an.
 

„Was macht das schon. Trocknet doch wieder.“
 

„Mein Reden!“, pflichtete er mir bei. „Aber wofür entschuldigst du dich?“
 

Ich sah auf und spürte, dass Taichi wieder den Dummen mimte. Das er vielleicht auch nicht wahr haben wollte, dass ich versuchte mich für etwas zu entschuldigen, wofür es keine Entschuldigung gab.
 

„Für alles. Einfach für alles, Tai...“, flüsterte ich erschöpft. Ich fand keine Worte mehr für die Sachen, die passiert waren. Ich war es leid. Ich war mich leid. Am liebsten hätte ich mich wieder unter meiner Decke eingeigelt. Die Außenwelt ausgeblendet. Aber Tais Anwesenheit hinderte mich daran. Er würde nicht gehen, bevor wir gesprochen hatten. Nochmal.
 

„Du hast getan, was du für richtig gehalten hast.“, sagte er schließlich ruhig und faltete seine Hände zusammen. Sichtlich enttäuscht. Es hatte ihn wirklich hart getroffen, dass ich mit Koushiro geschlafen hatte.
 

„Was ich für das Richtige gehalten habe? Spinnst du Tai?“, zischte ich. Er richtete seinen Oberkörper auf und wirkte mir plötzlich weit überlegen.
 

„Was willst du hören, Mimi?“, grummelte und zuckte mit den Schultern. „Das du total verrückt geworden bist? Das du ne Schlampe bist? Hm?“ Ich wich niedergeschlagen zurück, sachte den Kopf schüttelnd. Niemand wollte so etwas hören. Auch wenn es die Wahrheit war.
 

„Es ist passiert.“, fuhr er fort. „Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und dich davon abhalten, mehr als nur mit deinem Ex zu reden... Was hätte das überhaupt geändert?“
 

„I-Ich... weiß es nicht.“
 

„Wären wir dann zusammen, Mimi?"
 

„Ich... weiß es nicht.“
 

„Hätten wir wieder miteinander geschlafen?“
 

„ICH WEIß ES NICHT, TAI!“, schrie ich, weil ich wollte das es endlich aufhörte mich mit diesen Worten zu quälen. Zitternd umarmte ich mich selbst, ratlos was ich nun tun sollte. Es klopfte.
 

„Alles gut bei euch?“, fragte mein Vater und erschrocken sah ich zur Tür.
 

„Ja, alles super!“, antwortete und betete, dass er nicht reinkommen und fragen würde, was hier los war. Ich hatte Glück. Er ging.
 

„Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich nicht gekommen bin, um dir eins reinzuwürgen?“, wollte er wissen und es fiel mir schwer zu reagieren. Natürlich wusste ich das. Zumindest hoffte ich, dass ich das wusste. Ich nickte stumm.
 

„Mimi... Seit Tagen mache ich mir Gedanken, warum du mir nicht mehr aus dem Sinn gehst... Ich bleibe bei meiner Aussage, dass ich dich nicht liebe aber...“ Er stoppte und sah mich etwas unbeholfen an. „Da ist irgendwas. Und ich weiß nicht was es ist...“
 

„Mir geht’s genauso!“, rief ich ihm dazwischen und hielt mir sofort den Mund mit meinen Händen zu. Er lachte kurz auf und nahm meine Hände um sie in seine zu legen.
 

„Ich habe keine Ahnung davon, also hoffe ich, du nimmst es mir nicht übel, wenn das hier jetzt super holprig wird aber...“ Tai sah mir tief in die Augen und ich wartete auf eine Vorsetzung seiner ruhigen Worte. „Würdest du mit mir zusammen herausfinden wollen, was das zwischen uns ist?“
 

Für einen Moment schien es so, als würde mein Herz stehen bleiben. Das konnte nicht real sein. Hatte Tai mich gerade ernsthaft, ob wir beide unseren vermeidlichen Gefühlen auf den Grund gehen sollten? Tai und ich? Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und ich hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen. Es schien so absurd, dass, nach all dem Scheiß den ich, und auch ein bisschen Tai, angestellt hatte, saß dieser herzensgute Typ vor mir und hatte nichts als Wertschätzung und Warmherzigkeit für mich übrig. Das konnte doch nicht sein. Wenn dies ein Traum war, dann wollte ich nicht geweckt werden. Es war zu schön um wahr zu sein. Sollte nun ernsthaft alles gut werden? Sollte ich endlich wieder glücklich werden?
 

„Bist... du dir sicher, dass du das willst?“, fragte ich mit bebender Stimme und bekam förmlich Schnappatmungen bei seinem liebevollen Blick. Das passierte wirklich. Man hatte mir vergeben. Es war wahr.
 

„Ich war mir noch nie so sicher...“, sagte er entschlossen und ich konnte spüren, dass er genau meinte, was er dort von sich gab.
 

Langsam, fast wie in Zeitlupe, bewegten wir uns aufeinander zu, uns tief in die Augen sehend, ehe sich zaghaft unsere Lippen berührten und zu einem sanften, liebevollen Kuss vereinten. Es geschah tatsächlich. Ich küsste Tai. Wieder. Dieses Mal reinen Gewissens. Ohne Altlasten. Und es fühlte sich gut an. So wie an dem Abend, als wir schon einmal so zusammengekommen waren. Doch das hier fühlte sich besser an. Viel besser.
 

„Und, wie ist das?“, fragte er atemlos, als wir den Kuss lösten und wir uns erneut ansahen. Schüchtern lächelnd.
 

„Du wirst besser, Tai. Aber ich zeig dir noch, wie das richtig geht.“, scherzte ich und wir beide begannen laut und befreit an zu lachen.

Frei sein

Mit einer Strähne ihres flammend roten Haares spielend beobachtete ich meine Freundin beim Schlafen. Sie lag auf dem Bauch und von mir abgewandt, ihr weit ausgeschnittenes T-Shirt war so verrutscht, dass ihr halber Rücken frei lag. Ihr restlicher Körper war von der Bettdecke umhüllt, die sie sich, wie immer, während der Nacht immer weiter für sich beansprucht hatte. Wie sich ihr Brustkorb hob und wieder senkte hatte eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich. Sozusagen meine Entschädigung. Das Sora für mich schon fast zur Droge geworden war, merkte ich allein an dem stetigen Wunsch in mir sie jede Minute küssen zu wollen, meine Finger über ihre Haut gleiten zu lassen und ihren heißen Atem in meiner Halsbeuge spüren zu wollen. Sie war alles für mich. Und kein Wort dieser Welt konnten beschreiben wie erleichtert ich war, das sie bei mir bleiben würde. Für immer. So hoffte ich jedenfalls.
 

Die Nacht hatten wir dieses Mal bei mir verbracht. Meine Mutter, die immer nur bei ihrem Vornamen Natsuko nannte, hatte zugesagt vorbei zu kommen, um über die Wohnung in Nagoya zu reden. Sie hatte sie für mich gefunden und war sogar mit zum Besichtigungstermin gekommen. Ungewohnte Aufmerksamkeit, mit der ich mich noch sehr schwer tat. Seit 13 Jahren waren meine Eltern geschieden und mindestens genauso lange hatte ich meine Mutter gefühlt auch nicht gesehen. Das war in Japan nichts Ungewöhnliches. Wenn sich Eltern scheiden ließen, dann hatten die Kinder oftmals kaum bis gar keinen Kontakt mehr zu einem Elternteil. Wie Fremde. Meine Mutter war mir auch fremd. Doch genau so hatte ich es ja gewollt. T.K. zur Liebe. Seit einigen Monaten bemühte sich Natsuko um ein besseres Verhältnis zu ihrem Erstgeborenen. Nach so einer langen Zeit fühlte man sich dabei leicht verarscht, wenn die Mutter plötzlich aus der Versenkung auftauchte. Und Mutter sein wollte. Für mich. Aber so traurig das auch war: Sie war gerade eine bessere Mutter als mein Vater ein Vater war. Mit diesem lag ich nach wie vor im Klinsch. Immer wieder versuchte er mit mir zu sprechen, fragte nach Sora oder meiner Uni. Er schien zu begreifen, was für einen Scheiß er die letzten Monate gebracht hatte. Aber ich war noch nicht so weit. Mit kurzen bis gar keinen Antworten bedeutete ich ihm, das ich nicht quatschen wollte.
 

Es würde unserem Verhältnis sehr gut tun, wenn ich auszog. Zumindest hoffte ich das. Denn der Idiot hatte mich sturen Esel schließlich groß gezogen. Alleine. Auch wenn ich unfassbar enttäuscht von ihm war, dass er nicht mehr nach Hause kam, mich nur heruntermachte und herum schrie. Ich war es ihm schuldig, dass wir das wieder gerade bogen. Und mein Auszug war der erste Schritt. Schon witzig wie sich mit dem schlechter werdenden Verhältnis zu meinem Vater das zu meiner Mutter besserte. Wie auf einer Waage.
 

Natsuko wollte nach der Arbeit vorbei schauen. Es war erst 10 Uhr und somit noch massig Zeit, sich auf die angespannte und bestimmt gar nicht komische Atmosphäre zwischen meiner Mutter und mir vorzubereiten. Weil ich vor ihr nicht zugeben wollte, das Papa und ich nicht wussten wie man einen sauberen Haushalt führte, wollte ich noch unbedingt alles aufräumen. Sora wollte mich tatkräftig unterstützen. Zum Glück.
 

Lächelnd lauschte ich Soras Atmung und küsste ihren Nacken. Sie seufzte.
 

"Na auch schon wach?", fragte ich legte meinen Kopf auf ihren warmen Rücken. Ihr Herzschlag an meinem Ohr war das schönste Geräusch der Welt für mich.
 

"Wie spät ist es?", murmelte sie verschlafen und gähnte ausgiebig.
 

"10 Uhr irgendwas.", entgegnete ich desinteressiert und strich mit meiner Wange an ihrer sanften Haut entlang. Sie vergrub ihr Gesicht weiter ins Kissen und seufzte. Wie hätte ich das drei Jahre aushalten können? Ohne die Möglichkeit sie immer an jedem Zentimeter ihres Körpers zu berühren und küssen zu können, mit ihr ausgehen zu können, mit ihr sprechen zu können. Natürlich wäre ich sie besuchen gegangen, oder vielmehr geflogen, aber ich hatte gehört wie wie viel Soras Flüge gekostet haben. Ich als baldiger Student hätte wohl von Staub leben müssen, damit ich mir das zusammen sparen könnte. Wenn überhaupt. Das ich das nicht ausgehalten hätte merkte ich schon am Flughafen. Nein, eigentlich schon seitdem Zeitpunkt, an dem Sora anfing zu planen. Es war als hätte sie mein Herz herausgerissen und es als Trampolin benutzt. Denn zu Beginn dieser Frankreich-Scheiße war sie noch so voller Eifer, dass sie dort ihr super tolles Studium machen würde, in ihrem super tollen Wohnheim wohnen würde, und super tolle Erfahrungen machen würde. Und super tolle Franzosen kennenlernen würde und mich dann ganz super toll zu verlassen. Okay letzteres war meiner leichten Eifersucht und Wahnvorstellungen geschuldet. Ich vertraute Sora, aber ich vertraute Frankreich nicht. Mein Großvater lebte dort und ich wusste ganz genau, wie der drauf war: Ein vor Schmeicheleien triefender Charmeur. Und je älter er wurde, desto schlimmer wurde er.
 

Als ich Sora wieder in meinen Armen gehalten hatte wusste ich, dass ich sie nie wieder so einfach gehen lassen würde. Nie wieder. Ich hatte mich die ganzen Wochen zuvor wirklich zusammengerissen, der Freund zu sein, den sie brauchte und meine Gefühle zurückgesteckt. Das mir das alles zu viel war und mich psychisch an meine Grenzen brachte, konnte ich entweder unfassbar gut überspielen oder Sora hatte es nicht bemerkt. Oder sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Was auch immer – ich war keineswegs traurig darüber das sie nun doch in Japan blieb. So konnte ich immerhin meine leicht fanatischen Liebe zu ihr weiter voll und ganz ausleben. Jetzt ging ich meiner eigenen egoistischen Ader nach. Ja, dass Sora mich hier zurückgelassen hätte, fand ich egoistisch von ihr. Aber nur weil ich sie so sehr liebte, und es sich anfühlte, als würde sich das Band zwischen uns lösen, wenn sie das Land verließ. Ich wollte bei ihr sein. Für immer. Das fiel mir nicht erst ein, als sie in den Flieger stieg. Diese Gedanken kreisten seit Wochen, Monaten in meinem Kopf herum. Unausgesprochen.
 

Mitgehen konnte ich nicht. Vielmehr sollte ich nicht. Mein Studienplatz stand länger fest als Soras. Und sie bettelte mich förmlich an, hier zu bleiben und meinen Traum nicht für ihren aufzugeben. Sie war einfach zu herzensgut, es tat weh. Seit sie in den Flieger gestiegen war, hatte ich nichts besseres zu tun gehabt, als nach Flügen zu suchen. Ich wollte ihr hinterher fliegen. Koste es was es wolle. Egal was aus mir wurde, in meinem Kopf war nur diese Frau.
 

Aber jetzt war sie wieder da. Nach nur zwei Tagen. Für mich eine Ewigkeit. Es tat mir wirklich weh, wie sehr sie litt, dass ihr eigentlicher Traum geplatzt war. Es zerriss mich in tausend Stücke, weil ich wusste und spürte, dass das echt ihr Ding gewesen wäre. Doch mein Schmerz, mein Egoismus und Erleichterung waren größer, als ich hörte, sie würde bleiben. Noch nie in meinem Leben war ich glücklicher, als ich erfuhr, dass Sora und ich zusammenbleiben würden. Das wusste sie, zumindest fühlte es sich so an.
 

Tief in meinem Inneren konnte ich spüren, dass auch Sora nicht sonderlich betroffen davon war, dass sie nun nicht in Frankreich studieren würde. Ihre Augen und ihre Körpersprache hatten es mir verraten. Das hatte sie mir vor allem in der Nacht gezeigt, in welcher sie, trotz das sie zwei Flüge hinter sich gebracht hatte, mit mir in meinem 19 Geburtstag gefeiert hat. Und damit meinte ich nicht nur die nette Feier bei den Yagami Geschwistern.
 

„Wann kommt denn deine Mutter?“, wollte Sora wissen, und deutete durch eine Bewegung an, dass sie sich gerne herumgedreht hätte. Mein Dickschädel blieb allerdings an Ort und Stelle, und sie schien auch nicht die Kraft aufbringen zu wollen, sich gegen mich zu wehren. Mich über sie beugend küsste ich mich langsam an ihrem Rücken hinauf zu ihrem Hals.
 

„Wen interessiert das schon...“, hauchte ich Sora ins Ohr und erntete ein leises Kichern. Sora schaffte es, sich unter mir herum zu drehen, und sah mir verschmitzt in die Augen.
 

„Mich. Es geht hier schließlich um deine Wohnung...“ Ich grinste, drückte meinen Körper sanft gegen ihren, mein Gesicht an ihres gepresst und hauchte ihr einen leichten Kuss auf die Lippen.
 

„Unsere Wohnung...“, korrigierte ich sie stolz und sie lächelte, und schlang die Arme um meinen Hals, ihre Hände in meine Haare vergrabend. Lange sah ich ihr verträumt in die Augen. In diese schönen, warmen hellbraunen Augen. Die mich in ihren Bann zogen wie ein schwarzes Loch. Immer und immer wieder.
 

„Du starrst schon wieder so...“, flüsterte Sora mir mit der rechten Hand durch die Haare und mit der linken über die Wange fahrend. Seufzend schloss ich die Augen und genoss die Berührungen. Es kribbelte herrlich durch meinen ganzen Körper. Ich liebte es, wenn man mir durch Haare wuselte, auch wenn mir das aufgrund meiner steht´s top gestylten Matte keiner glaubte. Vielleicht durfte das auch nur Sora. Nein, nicht nur vielleicht.
 

„Ich starre nicht, ich schmachte.“ Meine Hände gruben sich unter die Decke, meine Arme schoben sich unter Soras Oberteil, umfassten ihren schmalen, sportlichen Körper. „Kannst du es mir verdenken? Ich habe die schönste Frau der Welt unter mir liegen, da kann ich nicht anders... Mit deinem süßen Lächeln...“ Sie lachte. Das tat sie immer, wenn ich ihr Komplimente machte. Dieses süße, helle Lachen, dass sich in mein Herz bohrte und meine trübe Welt in bunte Farben tauchte. Ich klang als wäre ich etwas depressiv, aber allmählich glaubte ich, dass genau daran was dran sein könnte. Sora war somit so was wie meine ganz persönliche Therapie. Eine unfassbar schöne Therapie.
 

Mit einem innigen, leidenschaftlichen Kuss riss mich Sora aus den Gedanken. Den süßlichen Duft ihrer Haut einsaugend keuchte ich immer wieder in unseren Kuss und unseren lebhaften Zungenkampf. Immer fordernder drückte ich Sora tiefer ins Kissen, zog einen meiner Arme unter ihr zurück, um mit meiner freigewordener Hand dieses Mal durch ihre Haare zu fahren, mich in ihnen festzukrallen. Sora riss mit dieser Bewegung ihren Kopf seufzend zurück und streckte sich mir entgegen. Als ich mich von ihren Mund löste und zu ihrer Halsbeuge herunter arbeitete, mich immer wieder gierig festsaugte und zu biss, stöhnte meine Freundin leicht auf und versuchte sanft mit ihren Fingerspitzen über meine Schultern und meinen Rücken zu fahren. Natürlich biss ich nicht so, dass ich ihr ernsthaft wehtat. Ich kannte ihre Grenze. Und auch wenn es mir in meiner Lust schwer fiel, konnte ich darauf achten, dass ich ihr nicht aus Versehen wie in Vampir das Blut aussaugen konnte.
 

Ich richtete mich auf, streifte mein T-Shirt ab, und zog sie mit einem Ruck auf meinen Schoss. Sie krallte sich aufgeregt an meinem Oberkörper fest während wir uns weiter küssten. An Soras Oberteil nestelnd bemerkte ich ein dumpfes Geräusch, was mich zunehmend zu stören begann. Sora schien es auch zu hören, denn sie sah mich verwundert an.
 

„Was ist das?“, wollte sie wissen und ich zuckte genervt mit den Schultern. Ich hatte so eine Ahnung, denn das Geräusch wurde zum Klopfen an meiner Tür und einem Räuspern.
 

„Matt? Bist du da?“ Na toll. Mein Vater. Ich ließ meine Arme fallen und atmete angestrengt ein. Das war der wohl beschissenste Augenblick, in dem dieser blöde Arsch nach meiner Aufmerksamkeit verlangte. Es gab echt wirklich viele Momente, in denen ich es mir gewünscht hätte, dass mein Vater an meine Tür klopft. Als ich meinen Schulabschluss in der Tasche hatte zum Beispiel. An dem Tag, als ich meine Aufnahmeprüfung für mein Musikstudium bestanden und meinen Studienplatz bekommen hatte. Am Abend nach dem Sora abgeflogen war. An all diesen gottverdammten Abenden an denen ich einsam Zuhause saß, Gitarre spielte, und darauf wartete, dass mein Vater nicht betrunken nach Hause kam um ein wenig väterliche Ansprache zu erhalten. Nur ein bisschen. Ich war es gewohnt, dass er viel arbeitete. Kannte es nicht anders. Aber seit er sich gewandelt hatte, und ein riesiges Arschloch war, sehnte ich mich einfach nach meinem alten Herren zurück. Der, dem ich mein angebranntes Essen vorsetzen konnte, ohne dass er sich beschwerte, es mit einem Lachen herunterschlang. Mich aufbaute. Trotzdem für mich da war. Und jetzt hatte er nicht besseres zu tun als ein ekelhafter, trinkender Wichser zu sein, der nur dann auftauchte, wenn ich ihn echt nicht gebrauchen konnte.
 

„Matt?“
 

„Verdammt...“, murmelte ich, küsste Sora auf die Stirn und hob sie mit Leichtigkeit von mir herunter. Sie seufzte, ihr Oberteil zurecht zupfend. Ihr dabei zusehend biss ich mir auf die Lippe und sammelte mein T-Shirt wieder auf. Mit einem Grummeln öffnete ich die Tür, und erschreckte meinen Vater mit meinem unglaublichen emotionslosen Blick und einem Hauch Herablassung.
 

„Sieh an. Welch seltener Anblick...“, hauchte ich zynisch und sah an meinem offensichtlich sehr geschafften, besoffenen Vater herunter. Er trug ein fleckiges Hemd, dass halb aus seiner Hose schaute, und auch diese schien unter dem Dreck, der an ihr klebte, einmal blau gewesen zu sein. Er war barfuß. Seine Haare waren zerzaust und er war unrasiert. Kaum zu glauben, aber ich hatte ihn schon in schlimmeren Verfassungen gesehen. Und erlebt.
 

„Ich habe eben erfahren, dass deine Mutter herkommt?“, fragte er, meine Bemerkung gekonnt ignorierend. Ich nickte. Er musste sich am Türrahmen abstützen, so fertig war er. Sein Anblick schnürte mir die Kehle zu. Wie konnte das aus ihm werden? Sora schob sich an mir vorbei, Richtung Badezimmer.
 

„Ich... geh mal duschen...“, meinte sie, meinem Vater noch zur Begrüßung zu nickend und verschwand dann hinter der Tür. Vor ihr waren mir Begegnungen mit meinem Vater doppelt unangenehm. Ich wollte nicht dass sie das sah. Das sie das Gefühl bekam ich würde vielleicht eines Tages auch so werden. Natürlich würde sie das nicht, aber ich war einfach zu paranoid, als das ich mir nicht übermäßig Sorgen um unsere Beziehung machte. Unsicherheit beherrschte mich. Auch wenn das kaum einer glauben mochte. Ich war eben nicht immer dieser selbstbewusste, mitfühlende, Wort gewandte, groß gewachsene Womanizer, an dessen Schulter man sich anlehnen konnte. Der die Sachen schon regelte. Mit einem Lächeln. Irgendwie.
 

In tiefsten Inneren war ich sehr sensibel, oft überfordert mit mir und meinem Leben und unsicher. Versteck hinter meiner Fassade aus gegelten Haaren, zu viel Deo und engen Klamotten. Ich war ein Schauspieler. Das musste ich auch. Das kannte ich schon von meinen Bühnenerfahrungen, als ich noch in Bands spielte. Anscheinend war ich auch verdammt gut darin, denn kaum einer merkte, wie es wirklich in mir aussah. Eigentlich nur eine. Sora. Deswegen waren mir Situation wie Sora mit nach Hause bringen extrem unangenehm. Augenblicke in denen Sora und mein Vater mit mir in selben Raum waren unerträglich. Sie war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Durch diese Situation mit meinem Vater und der Wohnung die immer im Chaos versank hatte ich Angst, dass sie irgendwann keine Kraft mehr dafür hatte. Mich verließ.
 

Noch ein Grund warum ich ausziehen wollte. Ich musste Sora nicht mehr in dieses Drecksloch mit meinem versoffenen Vater schleppen. Das tat ich sowieso schon selten, aber auch das war schon zu viel.
 

„Was willst du?“, zischte ich ihn an, und er taumelte nach hinten, lehnte sich gegen die Wand, weil er sich nicht abfedern konnte. Angewidert sah ich ihn an, wie er da stand und mich krampfhaft versuchte anzuschauen ohne betrunken zu wirken. Doch man roch es. Dazu musste man sich nicht mal besonders konzentrieren. Er verpestete den ganzen Raum. Kein Wunder, dass Sora im Bad Zuflucht gesucht hatte.
 

„Wieso kommt sie her?“, wollte er wissen. Ich verdrehte die Augen.
 

„Du hast gehört das sie kommt, weißt aber nicht wieso?“ Er strengte sich an nicht umzukippen, dass schien ihn allerdings davon abzuhalten, mir zu antworten. Kopfschüttelnd ließ ich ihn im Flur stehen und stapfte in die Küche. Wenn ich schon beim Schäferstündchen mit meiner Freundin gestört wurde, konnte ich mich auch ans Aufräumen machen. Ich musste mich ablenken. Von dem Anblick, den mir mein Vater wieder bot. Von meiner aufkommenden Übelkeit, verschuldet durch den Gestank meines Erzeugers, der sich immer weiter ausbreitete. Ich rannte vor der Peinlichkeit weg.
 

„Ich wollte es von dir hören, Yamato...“, sagte er und schnaufte schwer, als er mir folgte und seinen besoffenen Körper auf einem Stuhl am Esstisch fallen ließ. Ich drehte ihm den Rücken zu, als ich mich mit einem Lappen bewaffnet daran machte, das Geschirr vom Tresen zu räumen und diesen gründlich abzuwischen. An dem verklebten Essensresten und verkrusteten Geschirr konnte ich meine aufkommende Wut super auslassen. Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie er mich grübelnd dabei beobachtete. Wie ich parallel den Geschirrspüler füllte, die Spüle reinigte. Den vollen Müllsack zu knotete.
 

„Ich zieh nach Nagoya. Mit Sora.“, entgegnete ich schließlich und knallte ihm den Sack vor die Füße. Dort wo er hingehörte. Zum noch größeren Müll, dachte ich. Er gab ein angewidertes Geräusch von sich, trat die Tüte von sich weg um danach mit der flachen Hand auf den Tisch zu hauen.
 

„Das kann doch nicht dein Ernst sein, Yamato! Du hast keinen Job, wie willst du das bezahlen?“, schrie er. Mein Vater schien nach wie vor zu glauben, dass ich vor ihm Respekt hatte. In seinem Zustand. Enttäuscht und wütend schmiss ich den Lappen auf den Boden und sah ihn an.
 

„Deswegen kommt ja auch Natsuko! Sie will mir helfen!“
 

„Pah, sie will dir helfen? Das ich nicht lache... Dich mir wegnehmen will sie!“
 

Ich erkannte die wahre Angst in seinen Worten und erstarrte. Meine Wut sank und mein Wunsch, meinen Vater zurück zu kriegen kehrte allmählich zurück. Mit weit geöffneten Augen sah ich ihn an, Minuten lang, wortlos. Leise, ganz leise, konnte man die Dusche hören. Den Wasserhahn der Spüle tropfen. Den Kühlschrank surren.
 

„Du nimmst mich dir weg...“, sagte ich schließlich leise, drehte mich verwirrt um und stellte die Geschirrspülmaschine an. Diese ungewohnten Worte machten mich wahnsinnig. Ich unterdrückte es hartnäckig einfach los zu schreien. Ihm alles an den Kopf zu knallen. Alles. Das ich nicht mehr mit ihm klar kam, so wie er war. Das ich erstickte, wenn ich weiter in dieser Wohnung leben würde. Mich wie ein Vogel im Käfig fühlte. Ich wollte Freiheit. Und die konnte ich nur erreichen, in dem ich hier herauskam. Denn nur so konnten wir wieder zusammenfinden. Vater und Sohn werden. Wie früher.
 

„Wie kannst du mir so in den Rücken fallen...“, hauchte er und es klang fast, als würde er weinen. Zähne knirschend drehte ich mich und sah ihn mit dem Kopf auf seinen Händen gestützt am Tisch sitzen. Ich schluckte schwer.
 

„Ich glaube dies bezüglich haben wir beide verschiedene Ansichten...“, antwortete ich und setzte mich ihm gegenüber. Er holte lange und tief Luft.
 

„Dad... ich habe keine Kraft mehr mit dir zu streiten. Keine Kraft mehr für...“ Ich stoppte und sah mich um. Er folgte meinem Blick und seine benebelte Birne schien mir folgen zu können.
 

„Ich will meinen Vater zurück. Wirklich. Aber ich glaube ich kann dir erst helfen, wenn ich... auf eigenen Füßen stehe. Ich bin zwar schon 19 aber... irgendwie auch erst 19, verstehst du? Das überfordert mich. Dein Wandel. Der ist so extrem...“ Ich leckte mir nervös über die Lippen und war irgendwie froh, dass wir echt redeten. Über uns. Das hätten wir schon eher tun sollen. Schon viel eher.
 

„Matt... Ich weiß, ich habe Fehler gemacht... Und das tut mir alles leid... Ich... war.... bin ein furchtbarer Mensch...“ Er wischte sich über die Schweiß nasse Stirn, sah mich flehend an. Er meinte es ernst. Mein Schmerz wurde unerträglich, ich hätte mich am liebsten aus der Haut geschält, oder wäre aus dem Fenster gesprungen. Das hier war zu viel für mich.
 

„Du brauchst Hilfe. Professionelle. Therapie. Und Urlaub. Irgendwie so was...“ Ich beugte mich vor und legte meine Hand auf seine Schulter, er sah auf. „Und ich auch. Von Mum. Das klingt nicht nur für dich bescheuert, aber... ich brauche diese Wohnung, Dad.“ Zweifelnd stand er auf, wischte sich über den Mund.
 

„Ich weiß... Ich weiß...“, stammelte er und scheinbar war für ihn das Gespräch damit zu Ende. Er torkelte stöhnend in die Richtung seines Schlafzimmers, und schloss fast lautlos seine Tür. Ich blieb verunsichert zurück. Zitternd. Am ganzen Körper. Was sollte ich tun? Mein Vater ging mir schier unglaublich auf die Nerven mit seinem betrunkenen Selbst, dem oft ausfallenden Kommentaren. Aber genauso sehr wie es mich nervte wusste ich, dass er mich brauchte, meine Hilfe brauchte. Und ich brauchte meinen Vater zurück. Er war mir wichtig. Meine Familie. Aber ich konnte ihm nicht helfen. Ich konnte mir ja nicht mal selbst helfen. Über meinen Schatten zu springen und ihm die Hand reichen. Mir fehlte die Kraft. Der Mut. Ich war im Grunde nur noch verzweifelt, wenn ich an meinen Vater dachte. Wie er verwahrloste. Erstaunlich, wie er es dennoch schaffte immer seinen Job zu machen. Und das gar nicht mal schlecht.
 

„Habt ihr sprechen können?“, fragte Sora vorsichtig und riss mich aus den Gedanken. Da stand sie, in einem Handtuch eingewickelt, zögernd im Gang und traute sich kaum näher zu kommen. Ihre Haare tropften, ihre Haut glänzte vom restlichen Wasser. Es wirkte fast so, als hätte sie es eilig gehabt aus der Dusche zu kommen. Ich lächelte sie schwach an.
 

„Kurz. Der ist zu voll, als das man länger mit ihm reden könnte.“, antwortete ich angespannt und beschloss seufzend, dass das wohl auch erstmal das letzte Gespräch sein würde. Ein wenig Sorgen machte ich mir um meine Mutter – wenn die meinem Vater so begegnete würde sie sofort rückwärts wieder zur Tür rausgehen. Das musste ich verhindern. Ich brauchte die Wohnung. Wir brauchten die Wohnung.
 

„Das steht dir nicht.“, sagte ich, schwer bemüht die trübe Stimmung im Raum wieder aufzuhellen. Weil ich ja so ein unfassbarer Sonnenschein war. Wie immer. Sora sah schmollend an sich herunter, und rückte das Handtuch zurecht.
 

„Wie meinst du das? Das ist der letzte Schrei, du hast keine Ahnung!“ Sie streckte mir die Zunge raus, als ich aufstand und mich ganz langsam auf sie zu bewegte. Lächelnd drückte ich ihr erneut einen Kuss auf die Stirn, ihren schmalen Kopf in meinen Händen haltend.
 

„Entschuldige Frau Modedesignerin. Ich werde es nie wieder wagen ihren Kleidungsstil in Frage zu stellen.“ Ich zwinkerte ihr zu, was sie mit einem verschmitzten Lächeln beantwortete. Sora löste sich von mir, ging ein paar Schritte zurück und ließ mit einem gekonnten Griff das Handtuch von ihrem Körper gleiten. Der weiße Stoff blieb an ihrer Hüfte hängen, ehe er mit einem sachten Geräusch auf dem Boden aufkam. Mit offenem Mund starrte ich sie an, zu überrascht über diese Handlung. Das hatte sie noch nie gemacht. Nicht das mir das nicht gefielt. Es gefielt mir. Sehr sogar.
 

„W-was wird denn das?“, stotterte ich und musste mich sehr darauf konzentrieren während des Sprechens nicht zu sabbern. In mir stieg eine unglaubliche Hitze auf beim dem Anblick, der sich mir bot. Nicht das ich das nicht schon gesehen hatte. Ich hatte diesen schönen, kurvigen, sportlichen Körper schon oft gesehen. Nackt. Ihre Haut unter meinem Fingern gespürt. Jeden Zentimeter geküsst.
 

„Du hast doch gesagt, das steht mir nicht.“, sagte sie und ich konnte spüren wie sie unsicher wurde. Das lag entweder daran, dass ihr kalt wurde – und anhand ihrer Brustwarzen konnte ich das sogar sehen – oder daran, dass sie so etwas noch nie einfach gemacht hatte, und nun von ihrer Spontanität selbst überrascht wurde. Und damit nicht umgehen konnte. Ich lächelte und folgte ihr mit den Augen, als sie in Richtung meines Zimmers ging.
 

„Nun komm schon her, ich versuche hier mit aller Macht sexy zu sein, und du machst mir das verdammt schwer!“, beschwerte sie sich und verschwand hinter der Tür. Mir über die Lippen leckend folgte ich ihr langsam nach. Ich hatte das Gespräch mit meinem Vater schnell in die hinterste Ecke meines Herzens gepackt. So wie ich alle unsere Gespräche wegschloss. Denn für mich zählte nur eines: Hier rauskommen. Mit Sora. Der Frau, die ich über alles liebte. Mit der ich zusammen sein wollte. Für immer. Mein Halt. Mein Herz. Meine Liebe. Mein ein und alles.

Beziehungskisten

Wallace und ich räumten zusammen die letzten Bälle vom Training weg, als er mir plötzlich pfeifend auf die Schulter klopfte. Erschrocken zuckte ich zusammen.
 

"Hast du noch Zeit für ein kleines Match?", fragte er und grinste, mit seinen Armen angriffslustig herum wirbelnd. Wallace war zwar ein Jahr älter als ich, doch für sein Austauschsemester war er trotzdem ein Jahr zurückgestuft worden. Das schien ihn wenig zu stören, im Gegenteil. Er fühlte sich pudelwohl in meiner Klasse und war auf meinen Vorschlag hin sogar in meinen Basketball-Club gekommen. Und er war ein verdammt guter Spieler, richtige Konkurrenz für mich. Seine Beweggründe dem Club beizutreten war natürlich ein anderer – das käme gut bei den Mädels an, hatte er mal gemeint. Ich erwiderte sein Grinsen und zog aus unserem Netz einen Ball raus. Vor Freude in die Hände klatschend joggte er über den Turnhallenboden.
 

"Hast du heute noch nicht genug Bälle an den Kopf gekriegt?", neckte ich meinen amerikanischen Freund und er riss laut lachend seinen Kopf nach hinten.
 

"Davon krieg ich nie genug!", entgegnete er und strich sich über das Haar. "Du kennst doch das doch: 'Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöht das Denkvermögen.' " Den Ball auf den Boden trippelnd kam ich langsam näher. Den Spruch kannte ich nicht.
 

"Ist das was Amerikanisches?", wollte ich wissen und startete meinen ersten Überraschungsangriff, preschte vorwärts und versuchte an Wallace vorbei zu dribbeln. Er war gut im Verteidigen und so stoppte er mich mit Leichtigkeit, als ich mich gerade an ihm vorbei drehen wollte, traf den Ball und schlug ihn zu Boden. Ich kam enttäuscht zum Stehen.
 

"Nee, was Sprichwörtliches." Er lief dem Ball nach, rannte an mir vorbei, sprang hoch und warf den Ball in den Korb. Er hatte mich super einfach abgewehrt, ich hatte keine Chance. Grinsend nahm ich seinen Punkt in Kauf.
 

„Was ist los, Takaishi?“, wollte er wissen mit schelmischer Stimme, den Ball provozierend vor mir her dribbelnd. Ich ließ meine Enttäuschung fallen und griff erneut an, dieses Mal mit einer Taktik. Während den Wochen, in denen ich mit Wallace gespielt hatte, konnte ich seinen Schwachpunkt klar ermitteln: Er war Linkshänder und schwach auf der rechten Seite. Dort ließ er oft seine Bälle fallen, wenn man ihn richtig angriff. Ich täuschte vor von der linken Seiten zu kommen, er drehte sich gekonnt weg, ich sprang auf seine sich mir nun zugewandte rechte Seite, überraschte ihn und nahm ihm den Ball an. Den Moment nutzend sprang ich weiter zum Korb und holte mir meinen wohl verdienten Punkt. Wallace lachte.
 

„Das ist los, mein Guter!“, rief ich und keuchte ein wenig vor Anstrengung. Den Ball wieder dribbelnd kam ich auf ihn zu, während er seine Muskeln lockernd auf meine Bewegungen achtete.
 

„Der nächste Angriff entscheidet.“, hörte ich ihn rufen und grinste. Das würde mein Sieg werden. Vielleicht würde er nochmal drauf reinfallen, auf meine Taktik. Nur, dass ich dieses Mal im Ballbesitz war, und seinen Schwachpunkt anspielen würde. So würde ich locker an ihm vorbeikommen und einen Korb machen. Klang doch total einfach. In meinem Eifer vergaß ich allerdings, dass Wallace gut im Verteidigen war, meinen Angriff durchschaute, mich teckelte und den Ball an sich reißen konnte, als ich ihn fallen ließ. Ich fiel zu Boden, während Wallace unbeeindruckt an mir vorbei zog, sprang und seinen Sieg einheimste. Stöhnend breitete ich meine Arme auf dem kalten Holzboden aus. Er hatte gewonnen.
 

„Wer ist der Beste? Ich bin der Beste, ha ha!“, rief er begeistert durch die Halle hopsend. Ich rollte mich erschöpft auf die Seite und beobachtete ihn. Optisch könnten wir fast Zwillinge sein. Blonde Haare, blaue Augen. Gleiche Statur, gleiche Größe. Wenn wir unsere Schuluniform trugen und unsere Haare gleich frisieren würden, könnten wir so einige Leute in die Irre führen. Was für ein schöner Prank das wäre. Ich wette Davis würde darauf reinfallen.
 

„Ich ergebe mich, oh großer Basketballmeister!“, entgegnete ich mich wieder aufsetzend, weil mir sein Gehopse in den Ohren weh tat. Über der Tür die mir gegenüber war hing eine riesengroße Uhr. Es war bereits nach 5. Mama würde bestimmt schon bei Matt sein, um mit ihm über die Wohnung zu sprechen. Seine Wohnung. Wehmut machte sich in mir breit. Wieder würde ich Abschied von ihm nehmen müssen. Von meinem großen Bruder. Wieder wären wir Stunden von einander getrennt. Zwar nicht aus der Welt, aber es würde trotzdem anders sein. Ich müsste 3 Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Tokyo nach Nagoya fahren, um Matt zu besuchen. Aber da musste ich wohl durch. Wie immer. Ich würde ihm ganz sicher nicht von seinem „Ich bin jetzt total erwachsen“-Wahn abhalten können. Wie die Zeit verging. Mein Bruder war 19. Ich würde bald 16 werden. Wo war die Zeit geblieben in der ich heulte, wenn mein Bauklötzchenturm umfiel, und Matt mich warm lächelnd aufmunterte. Fort.
 

„Erde an T.K.! Bitte melden Sie sich in der Basis!“ Wallace hockte sich vor mich hin und sah mich fragend an. Ich blinzelte irritiert.
 

„Sorry. Ich war in Gedanken.“, antwortete ich mich sammelnd. Er zog die Augenbrauen hoch und richtete sich wieder auf.
 

„Na da will ich nicht stören. Kann ich den großen Denker wenigstens dazu überreden, mit in die Umkleidekabine zu kommen? Ich will mir meiner Siegerdusche gönnen!“ Begeistert machte er sich Richtung Tür auf, und ich folgte ihm stöhnend. Meine Knochen bedeuteten mir, dass für heute genug trainiert war. Eine heiße Dusche würde mir auch gut tun.
 

In meinen Sachen wühlend fiel mein Handy aus einer Seitentasche. Mein Herz blieb kurz stehen, denn wie für jeden Teenager, war dieses kleine Stück Technik von unschätzbarem Wert. Hastig holte ich es vom Boden und kontrollierte es auf Schäden. Alles gut.
 

„Meine Güte, du tust gerade so, als würde dein Leben von diesem Gerät abhängig sein.“, witzelte Wallace neben mir. „Ist das Baby denn okay?“ Ich nickte. Und ich hatte eine Nachricht von Kari. Wallace lugte mir über die Schulter und kicherte. Weil ich das Gefühl hatte, das Wallace das Wort „Privatsphäre“ noch nie gehört hatte, drehte ich mich etwas genervt von ihm weg.
 

„Na schreibt dir dein Schätzchen versaute Dinge, oder warum zuckst du so mit rotem Kopf zurück?“
 

„Ich bin nicht rot.“
 

„Wenn du das sagst...“ Er zuckte mit den Schultern und streifte sich sein T-Shirt vom Körper. Nein, das wurde hier jetzt nicht das, was der ein oder andere vielleicht dachte. Aber ich hoffte das Wallace vielleicht schneller unter der Dusche verschwunden war, als ich, und ich in Ruhe mit Kari schreiben konnte. Wieder schaute ich auf mein Handy, öffnete die Nachricht und erschrak. Wallace sah auf.
 

„Hast sie Schluss gemacht?“ Ich schüttelte perplex den Kopf, und zeigte ihm mein Handy. Doch er winkte ab.
 

„Also echt, Takeru. Erst soll ich nicht und dann doch. Du bist wie eine Frau, weißt auch nicht was du willst!“, beschwerte er sich, konnte seine Neugierde dann aber doch nicht überwinden und las die SMS, die mir Kari geschickt hatte. Er grinste verblüfft.
 

„Ich lese nochmal vor: 'Joe hat eine Freundin! Ruf mich an, wenn du kannst.' Was geht denn nur mit euch ab?“ Er fuhr sich verwundert durch die Haare und schüttelte den Kopf. „Jeden Tag ist irgendeiner von euch mit irgendeinem von euch zusammen, verwandt, verheiratet, verschwägert oder geschieden. Es wird echt nicht langweilig mit euch... Da bin ich echt noch trauriger, das mein Auslandssemester bald vorüber ist...“, meinte er sarkastisch und wedelte überfordert mit den Armen. Ohne eine Reaktion von mir abzuwarten, schnappte er sich sein Handtuch und ging in die Dusche. Ich blieb wortlos zurück, auf mein Handy starrend.
 

So sehr ich mich für Joe freute, aber Wallace hatte recht. In meinem Freundeskreis waren bald nahezu alle vergeben. Ich erinnerte mich daran, dass Matt mal Ähnliches erwähnte, dass wir bald alle miteinander verwandt sein würden. Das war sogar nahezu möglich. Wenn Matt Sora heiratete, war sie meine Schwägerin. Und sollte ich Kari heiraten, würde Tai mein Schwager werden. Dann hätten wir schon eine lustige Fünferkette. Wenn Tai dann noch wen aus unserem Freundeskreis heiraten würde, wären es sogar sechs. Das ist die Hälfte unserer lustigen Truppe. Mich schüttelte es und ich setzte mich. Nicht daran denken. Wobei ich stark bezweifelte, dass ich Sora nicht doch irgendwann meine Schwägerin nennen würde. Nachdem Matt mir begeistert erzählt hatte, dass die beiden zusammen nach Nagoya ziehen würden, wartete ich quasi nur noch darauf. Darauf, dass er Sora einen Antrag machte. So verliebt wie er in sie war, hatte er bestimmt schon den einen oder anderen Gedanken daran verschwendet.
 

Mich davon ablenkend wählte ich die Nummer meiner Freundin. Ich beschloss zu Hause zu duschen, und schlüpfte schon einmal in meine normalen Schuhe.
 

„Hier spricht Hikaris persönlicher Assistent, wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich Taichi mit vollem Mund wie mir schien. Ich lachte.
 

„Hier ist T.K. Seit wann gehst du an ihr Handy?“
 

„Seit Madame zu langsam ist...“ Im Hintergrund konnte ich eine genervte Kari hören, die ihren Bruder anflehte, ihr das Handy zu geben. Lachend hinderte er sie daran.
 

„Tai gib mir das Handy!!!“, rief sie, was Tai nur noch mehr anstachelte. Lächelnd klemmte ich mir mein Handy zwischen Ohr und Schulter um meine Tasche zu schließen. Während ich den Geschwistern dabei zu hörte, wie sie sich um den Hörer stritten, kam Wallace zurück. Frisch und frei von aller Anstrengung.
 

„Willst du nicht duschen?“, wollte er wissen, sah, dass ich am Handy hing und wedelte mit den Händen, bedeutete mir, dass ich nicht zu antworten brauchte. Ich schüttelte den Kopf.
 

„Ich geh Zuhause duschen, mir war der Anruf bei Kari wichtiger...“, flüsterte ich ihm zu während er sich anzog. Ich würde noch auf ihn warten und dann mit ihm zusammen nach Hause fahren. Schließlich war ich kein Unmensch. Wallace würde mich eh nicht gehen lassen, bevor ich ihm nicht auch erzählen würde, was mir hoffentlich Kari gleich berichten würde.
 

„T.K.?“ Karis verzweifelte Stimme meldete sich. Sie schien den Kampf gegen ihren Bruder gewonnen zu haben. Oder er hatte auch einfach nur das Interesse verloren. Es nicht wirklich schwer gegen Kari zu gewinnen – sie passte gerade einmal aufrecht unter den Kaffeetisch und war so dünn, dass man sie bei Sturm nicht rauslassen durfte. Sie würde sonst weg fliegen. Schäme dich, dachte ich mir in die Wange beißend. Das klang so gemein. Aber es war die Wahrheit.
 

„Am Apparat. Was hat es mit deiner SMS auf sich? Bitte sag mir, dass du dich vertippt hast.“
 

„Glaube mir, wir sind alle überrascht. Aber angeblich haben Davis und Ken Joe mit einem Mädchen gesehen.“ Enttäuscht sah ich zu Wallace, der mich fragend ansah und mit seinem Lippen ein „Was ist denn nun?“ formte. Ich zuckte mit den Schultern. Das war für mich ehrlich gesagt noch kein Beweis dafür, dass der schüchterne Student eine Freundin haben sollte.
 

„Das heißt doch noch lange nicht, das Joe in festen Händen ist. Er wird in seinem Studiengang allein doch schon die ein oder andere Dame sitzen haben, mit der er mal über die Straße gegangen ist.“ Kari gab ein Grummeln von sich, was mir zu verstehen gab, dass ich ruhig sein sollte, und ihr lauschen sollte.
 

„Davis hat gesehen wie die beiden sich geküsst haben. Ich küsse meine Mitschüler nicht. Du etwa?“, wollte sie wissen und ich war doch etwas verblüfft.
 

„Ich bin ein Mitschüler von dir K.“, sagte ich um sie ein wenig zu ärgern. Ich konnte ihren bösen Blick förmlich durch das Telefon spüren. Grinsend setzte ich mich zu dem sich seine Socken anziehenden Wallace. Er wirkte deutlich betrübt darüber, dass er nicht hören konnte, was Kari sagte. Ich hielt ihn dennoch für schlau genug, sich seine eigenen Schlüsse zu ziehen aus dem, was er von mir hörte.
 

„Halt die Klappe. Du weißt wie ich das meine...“
 

„Ich habe da eine Frage.“
 

„Du hast eine Frage?“, fragte sie mich ironisch, denn sie schien zu wissen, was jetzt kommen würde – ein dicker Davis Diss.

Mich zurücklehnend sah ich zu Wallace, der mir für mein Gefühl unangenehm nahe kam. Ich drehte mich von ihm weg, aber das hielt ihn nicht davon ab, sich an mein Ohr zu kleben. Wie ein Magnet. Ich seufzte und ließ ihn an mich heran gekuschelt mit hören.
 

„Seit wann vertraut ihr auf sein Wort? Davis kann nicht mal eine Laterne von einem Baum unterscheiden. Geschweige denn dass er weiß, wie ein Kuss aussieht.“ Wallace drehte sich von mir weg, sich die Hände vor dem Mund pressend, um nicht laut los zu lachen. Auch ich war sehr stolz auf meinen Witz und konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Kari bemühte sich ihre Fassung zu bewahren, aber ich wusste ganz genau, dass sie sich gerade sehr zurückhielt nicht los zu prusten.
 

„Ja ich weiß. Deswegen haben Yolei und ich ihm ja auch nicht geglaubt, als er mir das schrieb. Aber dann hat Yolei von Ken eine SMS mit dem Text „Ich weiß ihr glaubt Davis nicht, aber vielleicht glaubt ihr ja mir.“ geschickt und ein Bild mit ran gehangen. Da war wirklich Joe drauf mit einer Frau und die haben sich geküsst!“, erklärte Kari aufgeregt und ich konnte Taichi im Hintergrund sehr laut lachen hören. Der sollte eigentlich die Füße still halten, als ewiger Single.
 

„War die auch echt?“, platzte es aus Wallace heraus und ich hielt die Luft an, um mich zusammen reißen zu können. „Ich mein die arbeiten doch echt hart daran, solche Puppen so realistisch wie möglich aussehen zu lassen.“
 

„Ist das Wallace im Hintergrund?“, fragte Kari als ich und Wallace laut loslachten.
 

„Ja... sorry. Wir hatten doch Basketballtraining.“
 

„Und ich bin neugierig Joes aufblasbare Freundin zu sehen, schick´ doch mal das Bild herüber!“, mischte er sich schließlich ein und ich seufzte. Jetzt konnte ich genauso gut auf den Lautsprecher stellen. Klick.
 

„Es freut mich Wallace unfassbar qualifizierten Kommentaren beiwohnen zu können.“, stellte meine Freundin angestrengt fest, wirkte nicht besonders erfreut. Fast schon sauer. Ich biss mir auf die Lippe.
 

„Tut mir leid, K. Aber kommen wir doch mal zurück zu Joe, hm?“ Sie murmelte unverständliches vor sich hin. „Kari, dass ist unfair. Ich kann Tai im Hintergrund lachen hören, wir sind also quitt.“, ergänzte ich und erstickte somit mögliche Zickereien im Keim.
 

„Ja okay... hast ja recht. Yolei hat jedenfalls Ken sofort angerufen und er hat dann erzählt. Davis war gestern nach der Schule Ken vom Unterricht abholen, und die beiden sind auf dem Weg zu Davis an einem Restaurant vorbeigekommen. Und dann haben die beiden Joe drin sitzen sehen, wollten erst rein und ihm hallo sagen. Doch auf einmal kommt da ein Mädchen um die Ecke, steuert direkt auf ihn zu und küsst ihn. Auf den Mund, wohl gemerkt!“, erzählte sie und ich tauschte einen überraschten Blick mit Wallace aus, der sofort zu grinsen begann.
 

„So was. Der hat´s ja faustdick hinter den Ohren!“, meinte Wallace und nickte erstaunt.
 

„Führt Joe etwa ein Doppelleben?“, fragte ich in den Raum, Wallace zuckte die Schultern. Kari lachte.
 

„Ja klar. Des Tages ist er der unauffällige Medizinstudent, unberührt und schüchtern. Und wenn es Dunkel wird, da wird er zum Frauen aufreißenden, selbstbewussten Mann der unerkannt bleiben will.“, witzelte sie während sie sich irgendetwas in den Mund stopfte.
 

„Hat ein bisschen was von Superman. Nur das Joe nicht super ist.“, hörte ich Tai im Hintergrund sagen und musste lachen. Auch wenn es gemein war. Joe war einfach nicht die Art von Mensch den ich als Frauenheld bezeichnen würde. Oder als Superheld. Er war ein super Kumpel auf den man bauen konnte, was wohl seine ganz speziellen Superkräfte waren. Trotzdem. Das er nun eine Freundin haben sollte, klang so ungewöhnlich. Joe. Eine Freundin. Das würde der nächste running-gag in unserer Clique sein.
 

„Ihr seid richtig mies, wisst ihr das!“, beschwerte sich Kari mit vollem Mund, was mein Herz schneller schlagen ließ. Sie war so süß, wenn sie sich Essen hineinstopfte und dann trotzdem sprach. Auch wenn das für die meisten ekelhaft klingen mochte. Ich fand das niedlich. Traurig war nur, dass das, was sie aß, nirgendwo ansetzte. Kari wurde höchstens dünner vom Essen.
 

„Tut mir leid, Liebes. Du hast ja recht.“, pflichtete ich ihr bei, und bekam eine Grimasse von Wallace als Reaktion. Er äffte mein „Liebes“ nach und war sichtlich überrascht.
 

„Liebes? Voll der Abturner. Wie alt bist du? 100?“ Ich haute ihm auf den Hinterkopf, so wie ich es sonst nur bei Davis tat, und ließ ihn verstummen. Möchtegern-Macho.
 

„Ich fand´s süß!“ Taichi wurde ich anscheinend auch nicht los. Aber das schien wohl das Schicksal von mir und Hikari zu sein. Wir waren entweder immer umgeben von Menschen, sprachen über diese Menschen oder Aliens griffen die Erde mit Käse an. Ich hasste Käse. Und Menschen. Seufzend wartete ich auf Karis Antwort.
 

„Ich finde ihr seid alle Scheiße! Und du geh raus aus MEINEM Zimmer, du hast ein eigenes.“, zischte sie, was mich stolz lächeln ließ. Sie machte sich echt gut als Zicke. Dann fiel mir ein wichtiges Detail in Karis Geschichte wieder ein. Sie hatte von gestern gesprochen.
 

„Warte mal. Du sagtest doch vorhin, Davis und Ken hätten die beiden gestern gesehen. Heißt das du weißt das schon seit gestern?“, fragte ich empört und hörte, wie sie erschrocken einatmete. Stille. Ich hatte also recht. Wallace kicherte.
 

„Hups.“ Das war alles, was sie sagte. Ich schmollte.
 

„Hups? Das ist alles, was dir zu deiner Verteidigung einfällt?“
 

„Ganz großes Sorry!“
 

„Pff... Ich habe dich heute in der Schule gefragt, ob es was Neues gibt und da fiel dir nicht ein, mir das zu erzählen?“ Ich war wirklich etwas enttäuscht, aber hauptsächlich machte ich das, um Kari ein wenig zu ärgern. Sie war zu niedlich wenn sie sich eingestehen musste, das sie eine Fehler gemacht hatte. Das würde mir noch viele Entschuldigungsküsse einbringen. Kari seufzte.
 

„Man wir hatten heute doch noch eine Prüfung, da denk ich doch nicht an Joe!“, verteidigte sie sich und ich lachte. Es war zu einfach sie aus der Fassung zu bringen.
 

„Ich hoffe, dass du sowieso nie an Joe denkst. Hat ihn schon einer drauf angesprochen?“, sagte ich, um wieder auf das eigentliche Thema zu kommen. Auch um Karis Laune zu verbessern.
 

„Nein. Aber ich habe vor Sora zu schreiben. Die kann so was doch. Wenn wir das Mimi erzählen springt sie im Dreieck, bedrängt den armen Joe und dann verschanzt er sich. Und keiner erfährt etwas. Und ich glaube sonst sind alle doch recht ungeeignet.“
 

„Und du sagst wir sind gemein...“, stellte ich fest und sah, wie Wallace endlich fertig war. Er hatte sich tatsächlich noch die Zeit genommen, sich die Haare zurecht zu machen. Während ich hier in meinem trocknenden Schweiß saß. Okay, das war meine eigene Schuld.
 

„Bist du endlich fertig?“, fragte ich maulend und stand auf. Wallace drehte sich um, formte seine Lippen zu einem Kussmund und posierte. Ich verdrehte die Augen.
 

„Ich wollte doch nur schick für dich aussehen!“ Ich winkte ab, hob meine Tasche hoch und bedeutete ihm, dass ich mich jetzt auf den Weg machen wollte. Noch immer Kari am Telefon habend wandten wir uns zum Gehen. Joe in festen Händen hin oder her. Es machte mir deutlich, dass ich mich doch im Grunde genommen nur für eine Beziehung interessieren sollte: Meine eigene.
 

„Sag mal K, was machst du denn heute noch?“, fragte ich sie plötzlich und sah anhand von Wallace´s Gesicht, das er enttäuscht war. Wollte er etwas noch ein Match?
 

„Nichts. Willst du vorbeikommen?“, wollte sie freudig erregt wissen. Alles in mir kribbelte. Zeit mit Kari. Mich nur auf sie konzentrieren. Das wollte ich. Unbedingt.
 

„Ich bin unterwegs.“ Ich beendete den Anruf und sah dem traurigen Wallace ins Gesicht.
 

„Du verlässt mich?“ Er wischte sich eine imaginäre Träne weg und wimmerte gespielt. Die Augen verdrehend klopfte ich auf seine Schulter.
 

„Es tut mir leid, aber das mit uns wäre nie etwas geworden.“

Nudelsuppen-Blues

Nachdem mich Takeru sprichwörtlich im Regen stehen gelassen hatte, beschloss ich mir den Nachmittag alleine schön zu machen. Davis hatte mir seine Lieblingsnudelsuppen-Bude empfohlen, und die wollte ich noch unbedingt ausprobieren! Gegessen hatte ich auch noch nichts.
 

Ich schrieb also meiner Gastfamilie, dass ich später kommen würde, und machte mich auf den Weg, den mir der stürmische Idiot mal beschrieben hatte. Gut das mein Gedächtnis dem eines Elefanten glich, und ich ohne Probleme, und nur mit zwei Mal nachfragen, schnell zum Ort der Begierde fand. Der Laden fiel in der belebten Straße Tokyos kein bisschen auf. Eintöniges schwarz-weiß Schild auf dem originellerweise „Nudel´s Suppe“ stand, eine ellenlange Speisekarte neben der Tür und doch leicht verschlissene Fenster. Da ich es gewohnt war, das man als Ausländer in Japan nicht überall so einfach reinkam, checkte ich von außen erst einmal die Lage. Es waren kaum Gäste im Laden. Ich sah einen gelangweilten Angestellten Geschirr abtrocknen. Kurze struppige schwarze Haare, runde Brille, schiefe Zähne. Davis hatte mir von seinem Kumpel Shigekazu erzählt, der hier arbeiten sollte. Und der Typ passte perfekt auf seine Beschreibung. Er sah zu mir herüber, nahm mich aber nicht wirklich war, sah durch mich hindurch. Aber er wirkte nett. Vielleicht würde er mich ja hier essen lassen.
 

Ich betrat den Laden und weckte ein paar, in ihrer Suppe hängenden Gäste. Einige Augenpaare durchbohrten mich für einige Sekunden, und schauten dann wieder auf ihr Essen. Der vermeidliche Shigekazu lächelte, und schenkte mir seine bezahlte Aufmerksamkeit.
 

„Willkommen!“, meinte er, bedeutete mir mit einem Blick mich an den Tresen setzen zu können, und reichte mir eine Karte. In der umfangreichen Karte fand ich viele mysteriöse Nudelsuppen. Und ich wettete um viel Geld, dass Davis bereits die ganze Karte rauf und runter gegessen hatte. Ich wählte eine klassische Nudelsuppe mit Huhn. Wir wollten es ja nicht gleich übertreiben.
 

„Kommt sofort.“ Ich sah mich um, während meine Suppe zubereitet wurde. Der Laden war heruntergekommen, die Farbe an den Wänden schrie nach Aufmerksamkeit und der Tresen hätte neuen Lack nötig. Aber dennoch hatte Davis recht: Es war wirklich sehr gemütlich in der kleinen Bruchbude. Ich lächelte.
 

„Du bist nicht von hier, oder?“, wollte der Angestellte wissen und stellte mir die verführerisch riechende, dampfende Nudelsuppe vor mir ab. Ich machte große Augen. Die war ihr Geld echt wert.
 

„Nein, aber wenn die Suppe so schmeckt, wie sie aussieht bleibe ich.“, antwortete ich und erntete ein dankbares Lächeln.
 

„Dann kann ich dir nur noch einen guten Appetit wünschen!“
 

Mit großer Erwartung tunkte ich meinen Löffel in die Flüssigkeit und bekam förmlich einen Geschmacksorgasmus, als ich die Suppe probierte. Man hatte mir nicht zu viel versprochen, ich war verliebt. In eine Nudelsuppe. Ich stöhnte leise, weil ich so begeistert war, was erneut die Blicke auf mich zog.
 

„Die ist ja der Hammer!“, rief ich, was alle im Laden zum Lachen brachte. Ich grinste, mir war so etwas nicht ein Stück verlegen. Der Laden verdiente Anerkennung. Während ich aß, wurde mir zunehmend bewusst, dass meine Zeit in Japan begrenzt war. Das mein Auslandssemester sich dem Ende zu neigte. Gott, machte mich das traurig. So gute Freunde hatte ich hier gefunden, und ich saugte ihr aufregendes Leben samt Japans Atmosphäre in mir auf wie die Luft, die ich zum Atmen brauchte. Jeder einzelne hatte seine ganz eigene Geschichte, und jeder dieser Geschichten kreuzte sich hier und da, manchmal mehrfach. Schafften explosive, schöne, traurige oder dramatische Momente. Und ich war mittendrin. Und dafür war ich sehr dankbar gewesen. Nur noch vier Wochen, dachte ich und schluckte gequält meine Suppe herunter. Es schien für mich unwirklich, dass ich nächsten Monat um diese Zeit auf dem Heimweg war. Zurück nach Colorado, Amerika. Über den Teich. Weg von dieser fabelhaften Insel. Ich hatte meine Zeit unfassbar genossen. Die Schule, die Freunde die ich hatte und die ich hier fand, das Basketballtraining zu dem mich T.K. eingeladen hatte. Die Mädels. Auch wenn ich keine zu einem Date überreden konnte. Japanerinnen waren wohl doch etwas zu schüchtern. All die Erinnerungen, die ich hier sammeln durfte, würde ich fest in meinem Herzen mit mir zurück nach Amerika nehmen. Und nie vergessen.
 

Ich hatte mir bereits jetzt schon fest vorgenommen, sobald es mir möglich war, zurück zu kommen. Den wirren Haufen konnte man schließlich schlecht lange alleine lassen, die brauchten jemanden, der ihnen allen einen deftigen Klaps auf den Hintern gab. Und dieser jemand würde ich sein. Jawohl. Außerdem musste ich dringend wieder hierher und Nudelsuppen essen.
 

Doch vorerst würde ich wieder nach Amerika gehen. Zu meiner Familie. Meinen amerikanischen Freunden. Ich nahm mir fest vor auch dort ein Basketballteam zu suchen, der Sport hatte mich fest in seinen Bann gezogen. Auch würde meine Suche nach einer netten Schnecke weitergehen. Nach fünf Monaten Unglück in Japan musste es doch irgendwo auch mal eine für mich geben? Gerade jetzt wo ich wusste, das selbst er schräge Joe eine abbekommen hatte. Das machte einem doch Mut! Nicht das es mir an dem fehlte. Keineswegs.
 

Das mein Abschied näher rückte, schien nicht ich, sondern auch alle anderen zu verdrängen. Gestern Abend lud mich Davis zu einem Fest der Schule ein, mit einem Datum, das nach meinem Abflug lag. Na ja gut, es war Davis. Da wunderte mich absolut gar nichts. Das er es bis in die neunte Klasse geschafft hatte, war mir sowieso ein unlösbares Rätsel. Er war wirklich ein super Kerl mit einem großen Herz aber dafür war seine Intelligenz um so kleiner. Von Miyako hatte ich mal gehört, dass dieser Intelligenzwitz seinen Ursprung bei Taichi hatte, der von seinen engen Freunden ebenfalls immer durch den Kakao gezogen wurde, weil er nicht den schlauesten Eindruck hinterließ. Aber den hatte ich schnell durchschaut. Der tat nur so. Davis leider nicht. Der war wirklich dumm.
 

Eins war für mich klar: Wenn ich ging, dann nur mit Pauken und Trompeten. Ich wollte feiern. Mit meinen tollen Freunden, die mir ihr Land gezeigt und mich in ihr Leben gelassen hatten, als würde ich schon immer dazu gehört haben. Ich wurde hier ja richtig sentimental! Ungewohnt für mich ich weiß. Ihr seid anderes gewohnt, liebe Leser. Aber wenn ihr von einem Ort weg müsstet, den ihr lieb gewonnen habt, dann würdet ihr auch nostalgisch werden. Beinahe fühlte ich mich wie Sora, die rothaarige Schönheit, die eigentlich in Frankreich studieren wollte. Mit dem Unterschied, das ich auf jedenfall nach Amerika konnte.
 

„Hat´s geschmeckt?“, wollte Shigekazu wissen und riss mich aus meinen depressiven Gedanken. Ich sah von meiner leeren Schüssel auf. Ich hatte während meines Grübelns tatsächlich aufgegessen. Verblüfft sah ich den Angestellten an, der nach wie vor auf eine Antwort wartete. Nervosität machte sich in seinem Gesicht breit.
 

„J-ja war super geil.“, entgegnete ich noch immer gedanklich weit weg und lächelte. Ich legte ihm das Geld hin und blieb in die Leere starrend sitzen. Aber das machte keinen Sinn. Ich sollte nicht jetzt schon an meine Abreise denken. Würde meine Zeit hier noch weiter nutzen und genießen. Und wenn es etwas gab, was ich hier auf jedenfall immer bekam, dann waren es Geschichten. Gute Geschichten. Joe.
 

Grinsend sprang ich auf verabschiedete mich, und entschied spontan mich bei Davis für den Tipp per SMS zu bedanken. Danach würde ich mich mal mit dem eifrigen Studenten auseinander setzen wollen. Vielleicht schaffte ich es ja, den guten Herren zu treffen, und ihm das ein oder andere zu entlocken? Ich hatte ihn zwar nach der Party von neulich ordentlich zusammengestaucht, aber hey – das konnte man mir nach der Aktion mit Cody ja wohl auch nicht verübeln. Wenn ich ihm versprach, ihn dieses Mal nicht anzuschreien, dann würde er sich bestimmt mit mir treffen wollen. Hoffte ich.
 

Als ich in mein Handy schaute bemerkte ich zu meiner großen Enttäuschung, dass ich seine Nummer nicht hatte. Ich stand schnaubend auf der Straße. Meiner Abendbelustigung stand somit ein gravierendes Problem im Wege – denn ich wusste auch nicht wo er wohnte, geschweige denn, wie ich da hinkam. Ich verzog die Mundwinkel nach unten. Ich konnte also nicht meiner Schadenfreue frönen. Es sei denn... Meine Finger huschten über mein Kommunikationsgerät und wählten Davis´ Nummer. Nicht überrascht war ich, als er sofort ran ging.
 

„Wallace! Was geht ab?“, schrie er ins Telefon und penetrierte mein rechtes Ohr mit seiner quirligen Stimme. Ich war jetzt schon minimal genervt, aber lieber war ich das, als gelangweilt.
 

„D mein guter Freund! Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht!“
 

„Super. Und dir?“
 

„Na mir geht’s doch immer gut!“ Danach herrschte Schweigen und ein ekelhaftes Schmatzen das von der anderen Seite der Leitung kam. Konnten diese Kinder hier eigentlich nur essen?
 

„Sag mal... Hast du Joes Nummer?“, fragte ich frei raus, weil mir dieses Geräusch echt sehr unangenehm im Gehörgang lag. Ich war lieber ehrlich und haute raus was ich wollte. So ersparte ich mir dieses peinliche Schweigen und möchtegern interessiertes Gespräch.
 

„Ja klar.“
 

„Kannst du sie mir geben? Ich wollte mit ihm über Cody sprechen“, log ich und hoffte mein schwer naiver Freund biss an. Ich fand meine Notlüge wunderbar. Und nicht gelogen. Ich könnte Joe wirklich fragen, ob er sich endlich bei Cody entschuldigt hatte. Das war überhaupt die Idee. So würde ich es machen. Gott, war ich gut!
 

„Eh... ja. Warte kurz...“ Es raschelte und ich hörte Davis seufzen. Scheinbar hatte ich ihn bei einen seiner unglaublich wichtigen Entspannungsabenden gestört. Er hatte mal erzählt, dass er am liebsten auf dem Bett lag, schlechte Filme saß und Süßkram futterte, wenn er von der Schule kam. Ohne Hausaufgaben zu machen natürlich. Ich wiederhole: Der Typ war tatsächlich in die neunte Klasse gekommen!
 

„Bist du noch dran?“, hörte ich ihn fragen und er schmatzte. Ich verdrehte die Augen.
 

„Ja.“, antwortete ich und kramte in meiner Tasche nach einem Zettel und einem Stift. Davis teilte mir desinteressiert die Handynummer von Joe mit, ich bedankte mich und legte auf. Mehr von seinem spannenden Abend wollte ich gar nicht hören. Versprach ihm, wir würden die Tage zusammen bei Shigekazu vorbeischauen.
 

Ich entschied mich Joe eine SMS zu schreiben. Ich wollte ihn treffen. Hatte heute schon genug Telefonaten gelauscht. Er schrieb sofort zurück. So viel zum eifrigen Studenten mit Freundin. Ich kannte Matt, und hatte gehört, wenn man dem schrieb, konnte es Stunden dauern bis man ein „ok“ bekam. Wenn überhaupt. Allerdings war er wohl generell nicht besonders an Technik interessiert. So schrieb ich Joe erneut, fragte ihn, ob er einen Moment für mich hätte. Und tatsächlich. Er war eh unterwegs und schlug vor sich an einem Kaufhaus, nur ein paar Blocks von hier entfernt, zu treffen. Hämisch grinsend machte ich mich auf den Weg.
 

Nur wenige Minuten später standen wir uns an einer Laterne gegenüber und er lächelte nervös. Wahrscheinlich vermutete er, dass ich ihn auf Cody ansprechen würde. Nur, dass ich danach das Gespräch in eine vollkommen andere Richtung lenken würde.
 

„Joe! Freut mich das du spontan Zeit hast!“, rief ich und er nickte.
 

„Für meine Freunde doch immer.“ Ich zog die Augenbrauen hoch und er erschrak, als ich ihn ertappte. Er tippelte unsicher auf der Stelle.
 

„So so... Immer.“ Joe winkte ab, seine Haltung änderte sich und er wirkte plötzlich genervt.
 

„Jetzt hör mir mal zu. Ich lasse mich deswegen von dir nicht nochmal aufziehen. Es ist passiert, ja. Hab ich mich entschuldigt? Ja! Also lass es endlich gut sein. Wenn das der Grund war, weswegen du mich angeschrieben hast, dann gehe ich jetzt.“
 

Verwundert über seine Wandlung fiel mir die Kinnlade herunter. Ich hatte den sonst so vor Unsicherheit und Introvertiertheit strotzenden Studenten noch nie so offen und direkt erlebt. Wo kam das her?
 

„Okay okay... sorry, Alter.“ Ich hob entschuldigend die Hände um dem wütenden Vulkan vor mir zu beruhigen. Er stieß wütend die Luft aus und zuckte mit den Schultern.
 

„Was soll´s.“ Er wandte sich tatsächlich zum gehen doch ich packte ihn am Ärmel seiner Jacke. Seine Brille zurecht rückend sah zu mir herunter. Jetzt, wo ich ihm so nahe gegenüber stand fiel mir erst so richtig auf, wie groß er eigentlich war. Wenn er nur etwas selbstbewusster wäre, könnte er die reinste Autoritätsperson werden. Ich lächelte ihn beschämt an.
 

„Mensch Joe, wo kommt den dieser Mut her, hm? Hast du den von deiner Freundin?“ Und da war es mir aus dem Mund geplatzt ohne, dass ich vorher nachgedacht hatte. Erschrocken wechselten wir einen Blick. Er war schockiert, dass ich es wusste. Ich, weil ich es raus gehauen hatte, wie so ein Davis. Ich schluckte.
 

„WAS?“, schrie er und stolperte rückwärts gegen einen Mülleimer, über den er auch geflogen wäre, wenn ich ihn nicht an seinem Ärmel gezogen hätte. Erleichtert erlangte er sein Gleichgewicht zurück. Ich schwitzte.
 

„WAS?“, wiederholte er und ich seufzte.
 

„Das hatten wir schon.“
 

„Wie kommst du darauf, dass ich eine Freundin hätte?“
 

„Tokyo ist kleiner als du denkst.“, murmelte ich und sah ihn vielsagend an. Er schüttelte benommen den Kopf, griff sich durchs Haar und faltete seine Hände anschließend zum Gebet.
 

„Ken und Davis haben dich mit einem Mädchen gesehen. Ihr sollt euch geküsst haben.“ Er lachte wie ein verrückt Gewordener. Ich runzelte die Stirn.
 

„Und das glaubt ihr alle, ja?“
 

„Es gibt ein Foto, Joe.“ Das ich leider immer noch nicht hatte. Verdammt!
 

„Nein... du lügst...“, verteidigte er sich. Offenbar war es ihm schier grenzenlos unangenehm, dass er erwischt wurde. Wenn man es so nennen wollte. Es war schließlich nichts dabei, eine Freundin zu haben. Der Glückliche.
 

„Wieso? Ist das so ein Geheimnis? Mensch, wir freuen uns doch für dich! Das ist doch der Oberhammer!“, munterte ich ihn auf und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Er verdrehte die Augen.
 

„Ich habe ein Privatleben, okay? Ich muss nicht immer alles mit jedem teilen...“, zischte er und ich hatte anscheinend einen extrem roten Punkt getroffen. Nun war ich wahrscheinlich auch nicht gerade der Freund, dem er das gern als erstes erzählt hätte. Ich glaubte fest dass das hübsche Rotkäppchen in der Kategorie „Erfährt es als Erste“ ganz oben in der Nahrungskette stand. Aber ganz oben. Joe wirkte unzufrieden mit seiner Situation und ich wollte ihn nicht quälen. Auch wenn ich vor Neugierde platzte. Ich konnte ihn schlecht dazu zwingen mir mehr zu verraten.
 

„Tut mir leid, dass ich gefragt habe.“, entgegnete ich ruhig und ich bemerkte wie sich mein Gegenüber entspannte. Er nickte.
 

„Schon gut. Ist ja auch was Spannendes, wenn man hört, das ausgerechnet ich eine Freundin haben soll...“ Er lächelte angespannt.
 

„Also... stimmt es?“, harkte ich nach und beschloss, dass das meine letzte Frage zu dem Thema sein würde, denn er seufzte erneut, dieses Mal aus tiefster Seele.
 

„Vielleicht... Sorry, ich muss los! Man sieht sich“, antwortete er zwinkernd, winkte mir zu und verschwand in der Masse der nach Hause strömenden Menschen. Er war einfach gegangen. Ließ mich zurück. Mit meinen Gedanken. Mit seiner Gleichgültigkeit. Ich schmollte. Das war das wohl unbefriedigendste Gespräch meines Lebens. Und auch fast das Kürzeste. Zumindest wusste ich schon einmal, wen ich nicht unbedingt vermissen würde.

Ich weiß es nicht

Abgekämpft verließ ich den Klassenraum. Es war Prüfungszeit und ich hatte gerade meine letzte hinter mich gebracht. Normalerweise machten mir Prüfungen nichts aus. Ich lebte förmlich für Wissensabfragen. Das war mein Steckenpferd. Das, worin ich die Größte war. In meiner gesamten Schullaufbahn hatte ich niemals weniger als 95 % in meinen Klausuren gehabt. Und so sollte es auch bitte bleiben.
 

Die Sache mit Izzy steckte mir nach wie vor in den Knochen. Auch wenn ich fand, das wir einen wundervollen Schluss unter die Beziehung gesetzt hatten. Wir hatten nicht gestritten, wir hatten uns im Guten getrennt. Und das, wenn man es genau nahm, ja auch nur vorübergehend. Auch wenn das natürlich Schwachsinn war. Niemand trennte sich vorübergehend und machte dann irgendwann einfach weiter. Pausen in Beziehungen bedeuteten nur das man das Schluss machen noch verschob.
 

Ich bereute es dennoch, auf die Party von Matt gegangen zu sein. Denn so sehr ich mir auch vorgenommen hatte, ganz normal mit ihm umzugehen, hatte ich nicht ein Wort mit ihm gewechselt. Konnte ich auch nicht. Er war meinen Blicken und vermeidlichen Versuchen ausgewichen. Und noch etwas war mir aufgefallen: Mimi war auffällig nahe an ihn gerückt uns hatte ihn mindestens genauso lange angestarrt wie ich sie in Gedanken umgebracht hatte. Also eigentlich den ganzen Abend.
 

Aber das war schon fast zwei Wochen her. Und seitdem hatte ich nicht viel von der Truppe gehört. Nicht mal von Izzy. Nur Kari hatte mir geschrieben, mich gefragt wie es mir ging. Sie war aber auch schon von Anfang an immer die Einzige gewesen, die sich auch mal unabhängig von Treffen mit der Gruppe bei mir meldete. Ein sehr kommunikatives Ding. Koushiro hatte ich auch nicht besonders oft gesehen und das obwohl wir in der selben Klasse waren. Also ja klar, im Unterricht. Aber er saß hinter mir, also zählte das nicht. Wenn Pause war, rannte er sofort raus. Wenn Schulschluss war genau das Gleiche. Als wenn er vor mir flüchten müsste. Als wäre ich die Pest.
 

Wenn ich ihn mal zu Gesicht bekam, wirkte er ungewohnt leer und zufrieden zu gleich. Als hätte er mit etwas, was ihn zu tiefst gequält hatte, abgeschlossen. Und der Gedanke daran, dass ich das sein könnte, brach mir das Herz in tausend Stücke. Aber ich war ja selbst Schuld. Wieso hatte ich mich überhaupt auf diese Gefühle eingelassen? Ach ja. Weil mein Herz das einzige war, das ich ausnahmsweise nicht kontrollieren konnte. Man konnte leider nicht lernen, nicht zu mögen. Oder zu lieben.
 

„Sayachi! Warte mal!“, rief eine Stimme hinter mir, und ließ mich bis ins Mark erstarren. Diese fiepsige, diese Gläser zum zerspringen bringende, an einer Tafel kratzende Stimme. Da war sie wieder. Mimi. Innerlich die Augen verdrehend ging ich weiter den Gang herunter. Einfach nur weg von ihr. Wenn ich Glück hatte würde ihr das schnell langweilig werden. Leider lag ich falsch. Sie rannte und holte mich ein, packte mich an der Schulter. Ich schlug sie weg und sah sie zornig an. Keine Reaktion. Sie lächelte.
 

„Tut mir leid, dass ich dich hier so überfalle...“ Ich kniff die Augen zusammen.
 

„Überfallen trifft es ganz gut...“, grummelte ich, die Arme vor der Brust verschränkend. Sie hatte auch diesen widerlich zufriedenen Blick im Gesicht. Ekelhaft. Wieso ging es allen um mich herum so gut, und mir so schlecht? Und warum ausgerechnet war sie so glücklich?
 

„He he... War nicht meine Absicht.“ Sie machte ein Peace-Zeichen mit ihrer Hand und grinste. Wieso tat sie das? Waren wir auf einmal beste Freundinnen? Hatte ich etwas verpasst?
 

„Was willst du, Tachikawa?“, fragte ich emotionslos, sie mit einem Todesblick versehend. Kopfschüttelnd stemmte sie ihre Hände in die Hüpften und verlagerte ihr Gewicht auf eine Seite. Provokant wie immer.
 

"So geht das nicht weiter.", sagte sie gerade heraus und verblüffte mich. Leichte Neugierde kam in mir auf.
 

"Was geht so nicht weiter?", wagte ich zu fragen und bereute, das ich ein Gespräch mit Mimi anfing. Es gab viele Dinge die ich nicht wollte. Mit Mimi sprechen war unter den Top 10 auf Platz 3. Gleich nach mich mit Izzy auseinander setzen und Sport machen.
 

"Das hier." Sie wedelte mit ihrer Hand von sich zu mir und zurück. "Diese kalte Zickenstimmung zwischen uns." Ich zog verwundert die Augenbrauen hoch. Versuchte Mimi jetzt ein auf dicke Freunde zu machen? Mir war die Sache alles andere als geheuer.
 

"Ich versteh nicht was du meinst?" Mimi leckte sich über die Lippen. Wie konnte man eigentlich nur so verlogen sein?
 

"Ich habe in den letzten Wochen eine Menge Scheiße gebaut. Ich weiß ich habe Sachen gesagt und gemacht, die dir das Leben schwer gemacht haben. Vor allem die Beziehung mit Koushiro. Das war...“
 

„Überflüssig?“, unterbrach ich ihre Rede und bekam ein schüchternes Nicken als Antwort. Ich seufzte genervt. Ihr leeres Gerede änderte auch nichts daran, dass ich und Izzy getrennt waren. Und das würde auch so bleiben. Dank Mimi.
 

„Pass auf.“ Mimi holte tief Luft und sah mir direkt in die Augen. „Für dieses Chaos das zwischen dir und Izzy und mir und ihm und dir und mir abging bin ich ganz alleine verantwortlich. Ich weiß das. Ich kann selbst nicht beschreiben, was da los war. Was mit mir los war. Und ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst... Geschweige denn das wir Freundinnen werden.“ Ich lachte kurz ironisch auf, als sie ihren letzten Satz beendete. Freundinnen. Nein, dass würden wir niemals werden. Nicht einmal dann, wenn sie nicht Izzys Ex-Freundin gewesen wäre. Sie war mir zu laut, zu schrill, zu egoistisch und zu überheblich. Zu geschminkt. Zu falsch. Es war als würden sich zwei Extreme gegenüber stehen. Die klischeehafte, zickige, eingebildete Glitzerbarbie und das übereifrige, logisch denkende, Gehirn besitzende Genie. Okay, das mochte vielleicht von mir überheblich sein. Aber es stimmte. Mimi und wären unter normalen Umständen auch niemals Freundinnen geworden. Nichts, aber auch gar nichts verband uns. Wir hatten nichts gemeinsam. Ich hatte mich schon immer gefragt, was Izzy jemals an ihr gefunden hatte. Oder vielleicht sollte ich mich eher fragen, was er an mir gefunden hatte. Vielleicht stand er ja auf extreme, überemotionale, vor übertriebenem Selbstbewusstsein strotzende Mädchen? Offensichtlich. Mimi und er waren immerhin fast ein Jahr zusammen gewesen. Lange genug. Zu lange.
 

„Ich weiß, dass du das nicht hören willst. Das du nichts von mir hören willst, vor allem. Aber es ist mir wichtig, dass du weißt, dass es mir leid tut. Alles. Das ihr nur seltene Momente des Glücks hattet, Momente, in denen ich nicht in euren Gedanken kreiste, weil ich euch wieder bis an den Rande des Wahnsinns gebracht hatte.“, fuhr sie fort. Wie selbstverliebt sie von sich sprach, verursachte bei mir Kopfschmerzen. Und dennoch, erstaunlicherweise, ließ ich das einfach geschehen, ließ sie einfach reden. Die alte Sayachi hätte sich umgedreht und wäre gegangen. Weil sie so was nicht interessiert hätte, sie eigentlich nur Freude daran hatte, sich über dumme Verliebte lustig zu machen. Aber die alte Sayachi war nie verliebt gewesen. Da war das einfach. Nun stand ich hier, die Sayachi die krampfhaft versuchte, nicht an ihren geliebten Ex-Freund zu denken, dem, dem sie versprach, dass sie auf ihn warten würde. Auf den Tag, an dem er über seine einstige Ex-Freundin, die nun vor mir stand, hinweg war. Seinen Gefühlen bewusst wurde. Mit jedem Tag der verging, und an dem ich keine Nachricht, kein Lebenszeichen von ihm bekam, wuchs die Angst in mir, dass ich mir zu viele Hoffnungen gemacht hatte. Das ich mir in meinem jugendlichen Leichtsinn einbildete, dass es schon wieder werden würde. Einbildung war ja sprichwörtlich auch eine Bildung. Doch die Realität machte mir schmerzlich bewusst, dass es vielleicht nie wieder das werden würde, was es am Anfang einmal war. Schön. Voller Liebe. Freude. Licht.
 

„Du hast recht, ich will das nicht hören...“, entgegnete ich leise nach einer Weile und sah wie sie enttäuscht drein blickte. „Aber was erwartest du jetzt von mir? Das ich dir in die Arme falle und dir danke, dass du deinen gepuderten Hintern vor mir aufbaust und so tust als täte dir irgendetwas leid?“ Mimi riss erschrocken die Augen auf und sah mich stumm an. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass auch ich schlagfertig sein konnte. Das ich auch zurück pfeffern konnte, was das Zeug hielt. Ich grinste gehässig ehe ich sie wieder emotionslos betrachtete. Wie sie da so von sich selbst eingenommen stand, lässig und arrogant. Gott, wie ich sie hasste, bis aufs Blut.
 

„Du bist das Allerletzte. Und daran wird sich in meinen Augen auch nichts ändern.“, ergänzte ich und schnalzte abwertend mit der Zunge. „Aber eines muss ich dir zu gestehen. Du hast echt die Gabe, schüchterne Jungs um den Finger zu wickeln und sie zu deinen hirnlosen Zombies zu machen. Du kannst dich dermaßen in deren Köpfe einpflanzen, dass sie nie von dir weg kommen. Darauf kannst du doch stolz sein...“ Ich drehte mich um und ließ die verstummte Mimi im Gang stehen. Ich bekam keine Luft mehr, so wütend war ich. Meine Kehle war wie zugeschnürt, meine Augen mit Tränen gefüllt. Es war mir egal, dass zu so einer Geschichte immer zwei gehörten. Dass Mimi nicht alleine Schuld war, dass Koushiro sie nicht aus dem Kopf bekam. Er ließ sich ja immer wieder auf ihre Sticheleien ein. Immer wieder war sie Gesprächsthema. Er hatte sie nicht aus dem Kopf bekommen, weil er es gar nicht versuchte. Vielleicht auch zu schwach war. Dummer Izzy. Dummer, dummer Izzy.
 

„Sayachi! Es gibt noch eine Chance für euch! Lass sie wegen so einer Dummheit nicht verstreichen!“, schrie sie mir hinterher, doch ich würdigte ihr keines Blickes und keines Wortes mehr. Sie konnte mich im wahrsten Sinne des Wortes mal kreuzweise.

Ich schnellte die Treppe herunter, dann die nächste und rannte raus auf den Schulhof. Als wäre ich minutenlang unter Wasser gewesen schnappte ich schwer nach Luft, stützte mich auf meinen Knien auf und atmete laut. Meine Lunge schmerzte als wäre ich einen Marathon gelaufen. Meine Beine zitterten als wäre mir der Tod persönlich begegnet. Mein Herz klopfte als hätte man mir einen Pflock hindurch gestoßen. Alles drehte sich. Heiß liefen mir die Tränen über die Wangen die ich versuchte mit einem Ärmel meiner Schuluniform abzuwischen. Ich hasste Emotionen die Weinen involvierten. Ich hasste sowieso diese ganze Liebesscheiße. Wieso musste man mir das antun? Ich vermisste meine emotionslose Lebensweise, in der es nur mich, meine Intelligenz und das Wissen dieser Welt gab. Kein Teenie-Geschwärme. Keine Gefühle. Außer meine Liebe zur Wissenschaft. Etwas, was ich und Koushiro teilten. Verdammt.
 

„Saya? Alles in Ordnung?“ Ich richtete mich auf und drehte mich erschrocken um. Da stand er. Unsicher wie immer. Mit seinen rot-brauen, zausigen Haaren. Diesen beinahe schwarzen Augen, die mich besorgt ansahen. Diese Wärme, die er ausstrahlte. Ich versuchte mich seinem ganz eigenen Charm zu entziehen, aber es ging nicht. Viel zu sehr freute sich meine Seele darüber, dass er mich endlich wieder ansprach. Das war ein Anfang.
 

„Kou-Koushiro...“, stammelte ich und wischte mir mit dem Handrücken über die nassen Augen. Zum Glück trug ich kein Make-Up, dass sähe nun selten dämlich aus. Ich versuchte zu lächeln. Vergeblich. Er runzelte besorgt die Stirn und kam ein wenig näher. Mir wurde heiß und kalt.
 

„Was ist denn passiert? Du bist ja total blass...“, stellte er fest, nun direkt vor mir stehend. Mein Herz klopfte so laut dass es in meinen Ohren pochte, und ich befürchtete, dass man es durch meiner Brust schlagen sah. Ich sah zu ihm auf und schüttelte den Kopf.
 

„Alles gut. Ich bin nur etwas k.o. von den Prüfungen.“, log ich – und ich war schlecht im lügen. Und das wusste Izzy. Er lächelte schwach und strich mir über den Kopf, liebevoll wie er es einst getan hatte. Ich war ihm also doch noch nicht egal.
 

„Das glaub ich dir nicht. Du bist die Königin der Gelassenheit, wenn es um Prüfungen geht.“ Er lachte, was mich zum lächeln brachte. Wie ich das vermisst hatte.
 

„Vielleicht hast du recht...“, antwortete ich und fühlte plötzlich wieder den Schmerz des Verlustes in mir. Musste es mir denn erst offensichtlich schlecht gehen, damit mich Koushiro wieder ansprach? Hätte er überhaupt wieder mit mir gesprochen, wenn ich nicht in einer Panikattacke nach draußen gerannt wäre? Ich wollte nicht daran denken, dass das wohl die Wahrheit sein könnte. Und schon gar nicht wollte ich so von ihm denken.
 

„Ich habe da schon so eine Ahnung, was dich erwischt haben könnte... Oder vielmehr wer...“ Er seufzte, sah zu Boden und wieder hoch. Ich legte fragend den Kopf schief. Würde diese Geschichte von eben jetzt nun ihren traurigen Höhepunkt finden? Ich wollte nicht noch mehr weinen. Ich hasste weinen. Und Mimi. Und alles.
 

„Mimi hat wohl versucht mit dir zu sprechen, was?“ Ich nickte stumm. Verheimlichen konnte ich Izzy noch nie etwas. Er war einfach zu schlau. Auch wenn es verwunderlich war, dass er mich durchschauen konnte, obwohl ich kein Computer war. Ich benahm mich zwar oft wie eine Maschine, aber ich war keiner. Das konnte ich beweisen. Hatte ich ja gerade.
 

„Sie wollte sich entschuldigen.“, antwortete ich knapp und ging ein paar Schritte zurück. Das mir Izzy so schnell wieder so nahe kam war mir unangenehm. Nein, ich mochte seine Nähe sehr. Aber es war so plötzlich. Damit konnte ich nicht umgehen. Wie so oft.
 

„Ja... Sie macht gerade einen Rundumschlag.“ Verwirrt sah ich zu ihm auf und er lachte. „Mimi hat beschlossen reinen Tisch zu machen. Sie will ihren Fehler wieder gut machen und rennt jetzt allen hinter her, den sie in letzter Zeit so ordentlich das Leben vermiest hat... Um ihr Gewissen wieder rein zu spülen.“, erklärte er. Da war es wieder. Dieser leere und zugleich zufriedene Blick. Nun fing ich an zu verstehen. Ich begriff, warum er so aussah. Mimi hatte sich auch bei ihm entschuldigt. Und blauäugig wie er war, hatte er ihr natürlich verziehen. Wut und Verzweiflung stiegen gerade in mir auf, als er fort fuhr.
 

„Ich will mich auch entschuldigen. Bei dir.“ Er sah nervös von mir ab und kratzte sich am Hinterkopf. Ich zitterte. Bloß nicht weinen, dachte ich und bemühte mich meine Haltung zu waren.
 

„W-wofür denn?“, fragte ich obwohl ich die Antwort natürlich kannte. Und auch er wusste, dass ich wusste, was er meinte. Aber er spielte mich. Ganz der Gentleman.
 

„Das ich dich wie Luft behandelt habe. Dich nicht einmal morgens begrüßt habe... So getan habe, als gäbe es dich nicht mehr...“ Eine Weile verging in der er gedankenverloren in die Ferne starrte. Nur der Wind der heute stärker war, als wie üblich, heulte unter den überdachten Eingang der Schule.
 

„Ich dachte schon du hasst mich jetzt...“, sagte ich beinahe lautlos und umarmte mich selbst. Izzy sah wieder zu mir herüber, beobachtete mich wortlos. Bitte sag irgendwas, flehte ich innerlich, denn so vor ihm zu stehen, und nicht zu wissen, woran ich war, machte mich wahnsinnig. Wenn er mich hasste, dann sollte er es mich einfach sagen. Und mich nicht weiter mit seinen Blicken durchbohren.
 

„Wie könnte ich dich hassen, Saya?“, flüsterte er sanft und lächelte. Meine Augen weiteten sich bei seinen Worten und ein samtig weiches Gefühl legte sich um meine Schultern. Er hasste mich nicht.
 

„Tust du nicht?“ Er schüttelte den Kopf.
 

„Nein. Wieso sollte ich?“
 

„Weil...“
 

„Weil was?“, unterbrach er mich. Erschrocken zuckte ich zusammen. Ja warum? Weil ich mit ihm Schluss gemacht hatte, als er weinend vor mir kniete, mich quasi anflehte ihn nicht aufzugeben. Und ich hatte es getan. Ihm zu liebe. Weil ich ihn liebte. Weil er seine erste Liebe noch nicht vergessen hatte. Ich hatte es gut gemeint. Meine eigenen Gefühle zurückgesteckt um ihm die Freiheit zu geben, sich über alles klar zu werden.
 

„Ich danke dir, Saya.“, sagte er und lächelte erneut. Dieses Mal sah ich in seinen Augen etwas Trauriges. Zumindest sah es so aus. Vielleicht war es aber auch etwas anderes. Ich war furchtbar im Gefühle deuten.
 

„Wofür?“
 

„Für alles. Für dein Lächeln. Für deinen Witz. Für dein Vertrauen. Für deinen Mut... Für alles.“ Verwundert blinzelte ich, und deutete seine Mimik als eine Art... Schuldgefühl. Irgendetwas schien ihm auf der Seele zu liegen. Irgendetwas, was er mir sagen wollte, aber nicht konnte. Und je länger ich ihn ansah, desto weniger wollte ich es wissen. Weil ich befürchtete, dass es mich innerlich zerreißen würde. Mich den Rest geben würde.
 

„O-okay...?“, stammelte ich stattdessen und wechselte in den Verteidigungsmodus. Auf keinen Fall wollte ich wissen, was hinter den Verdachte, den ich hegte, steckte. Ich wollte nicht wissen, ob er sich wegen irgendetwas, das er getan hatte schuldig fühlte. Ich wollte generell nicht, dass er sich so fühlte. Alles was ich wollte war, dass er glücklich war. Das war im tiefsten meines Herzens mein einziger Wunsch.
 

„Ich will ehrlich zu dir sein Saya... Auch ich hatte dieses... Gespräch mit Mimi...“, begann er und mein Verdacht, dass er etwas zu verheimlichen hatte und drum herum druckste, bestätigte sich. Und da es mit Mimi zu tun hatte, wollte ich es erst recht nicht wissen. Nein. Ich würde mich vor der Wahrheit, die hinter meinem Gedanken stecken könnte, schützen. So wie ich es vorher auch immer mit Gefühlen getan hatte. Ich verschloss sie in einer Box. Auch wenn es in dieser Situation umso schwieriger war. Schließlich ging es hier nicht um irgend wen, sondern um Izzy. Den ersten Menschen, den ich wirklich geliebt hatte. Oder noch liebte. Wenn er mir jetzt mehr oder minder gestehen wollte, dass da noch etwas mit Mimi lief, dann wollte ich es nicht wissen. Nein. Niemals würde ich zulassen, dass mir wieder das Herz gebrochen würde. Auch wenn es Izzy war. Aber unsere Trennung und diese schwere Phase in der er mich ignoriert hatte, waren schon genug für mich gewesen. Mehr ertrug ich nicht.
 

„Das interessiert mich nicht...“, platzte es aus mir heraus und obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, das Ganze nicht mehr so an mich heran zu lassen, erwischte ich mein Herz dabei, wie er sich vor Schmerzen zusammenzog. Ich wollte ihn nicht anmaulen. Auch, wenn er das wohl möglich verdient hatte. Er sah mich verwundert hat und nickte dann verständnisvoll. Und erleichtert. Ich biss mir auf die Lippe. Nicht darüber nachdenken, Saya, denk bloß nicht darüber nach, was er über sich um Mimi angedeutet hatte. Vielleicht haben sie wirklich nur gesprochen. Ja, das wird es gewesen sein.
 

„Erinnerst du dich noch an deine Worte, Saya?“, fragte er nach einer Weile und riss mich aus meinen mich auffressenden Gedanken. Angestrengt versuchte ich seinen Worten zu folgen, konnte mich aber kaum konzentrieren.
 

„W-Was meinst du?“, harkte ich nach. Izzy schaute mich bedrückt an, seine Unsicherheit stand ihm wieder ins Gesicht geschrieben.
 

„Das... du und ich eines Tages wieder zusammen sein könnten. Das unsere Geschichte noch nicht zu ende sei...“ Ich erinnerte mich stockenden Atems urplötzlich an unser letztes Gespräch. An dem Tag, an dem wir uns trennten und ich ihm sagte, dass ich auf ihn warten würde. Das wir noch eine Zukunft hatten.
 

„Meinst du... das gilt noch?“, fragte er tonlos und kam ein Stück näher. Seine Hände berührten meine und ich sah zu ihm auf. Hoffnungsvoll erwiderte er meinen Blick. Einige Sekunden verstrichen ehe ich reagierte. Ehe ich begreifen konnte, dass er mich gerade fragte, ob wir noch eine Chance hätten. Hatten wir das? So sehr ich es mir wohl wünschte, aber hatten wir wirklich noch eine? Wie konnte ich mir sicher sein, dass nicht irgendwann wieder Mimi auf seiner Festplatte auftauchte, und ihn mit ihrem Virus infizierte? Hatte ich so viel Vertrauen dass es funktionierte? Vertraute ich meinen eigenen Worten? Konnte ich meine Gedanken über das, was er vorhin andeutete, vergessen? Verdrängen? Wegsperren? Nicht daran zerbrechen? Ich war schließlich gerade im Begriff dies zu tun. Aber vielleicht würde ich nachher nach Hause gehen und wieder das ganze Haus zusammen schreien, weil mich die Erkenntnis traf. Die offensichtliche Wahrheit über das Gespräch mit Mimi.
 

„Ich... weiß es nicht.“, sagte ich mit zitternder Stimme, fing seinen verletzen Blick ein und taumelte rückwärts von ihm weg. „Ich weiß es einfach nicht.“

Das fünfte Rad am Wagen

Ken beobachtete mich argwöhnisch während ich den Burger in mich hinein schob. Es war Schulschluss, und wie üblich fing ich meinen besten Kumpel von seiner super schicken Schulen ab, um ihn noch ein wenig auf den Geist zu gehen. Als Ort des Geschehens hatte ich heute einen Imbiss-Stand auserkoren, weil Ken Nudelsuppen nicht mochte. Gourmet-Banause.
 

„Magst du überhaupt irgendwas?“, fragte ich zwischen zwei Bissen, Ken dabei zusehend, wie er herablassend in seinen Burger stach. Er hatte ihn sich nur geholt, weil ich ihn dazu gedrängt hatte. Er hätte sich sonst noch einen Salat bestellt. Entschuldigt mal aber wer geht denn in einen Imbiss um sich Grünzeug, dass meiner Meinung nach nur Kaninchen aßen, zu bestellen?
 

„Ich mag Essen, dass aus tatsächlichen Zutaten gemacht wird.“, entgegnete er und ließ die Gabel fallen. Eine Gabel. Für einen Burger. Ken war wirklich eine Marke für sich. Er hob angewidert eine Tomate hoch und sah mich prüfend an. „Und das hier ist alles, aber kein richtiges Essen.“
 

„Oh entschuldige, das nächste Mal gehen wir in ein teures Restaurant!“, beschwerte ich mich und nahm einen weiteren Biss von meinem Burger. Mir schmeckte es. Aber dazu fehlte ja meist nicht viel, ich war mit den einfachsten Dingen zufrieden. Selbst ein heruntergefallenes Toast mit Nutella, das in eine Dreckpfütze gefallen war, würde ich ohne mit der Wimper zu zucken essen. Kein Witz. Hatte ich schon getan. Ken war sogar dabei gewesen und hatte es schockiert gefilmt. Wie der Typ so schnell sein Handy zücken konnte, war mir ein Rätsel. Manchmal vermutete ich, dass er noch einen dritten Arm besaß, der mit Lichtgeschwindigkeit arbeitete.
 

„Ich hätte gern auch so einen starken Magen wie du.", stellte er fest, als ich ihm schließlich genervt die Tomate wegnahm und auf aß. Er hatte meinen Kommentar zu meinem Bedauern komplett ignoriert. Aber ich war ja Kummer gewohnt.
 

„Hat sich eigentlich einer der Mädels mal getraut Joe anzusprechen auf... du weißt schon." Ken zuckte auf meine Frage hin mit die Schultern.
 

„Nicht das ich es mitbekommen hätte. Und du weißt doch -" Er beugte sich verschmitzt grinsend zu mir herüber. „Ich sitze an der Quelle des guten Tratsches."
 

Wir lachten - Ken, weil er endlich mal einen lustigen Witz gemacht hatte, ich, weil Ken über seine Freundin herzog. Jetzt schon. Ken hatte sich wirklich verändert. Vom schüchternen, und immer rot anlaufenden Typen war in den letzter Zeit immer weniger zu sehen. Ich nahm mal an das lag an den Anstrengungen Yoleis ihn aus seinem Schneckenhaus raus zu holen. Das hatte ich schon ewig versucht und nur laue Ergebnisse erzielt. Aber die Beziehung zu Yolei tat meinem kleinen Musterschüler echt gut. Klein war natürlich nicht richtig. Ken war nicht nur älter sondern mittlerweile auch eine Ecke größer als ich.
 

„Ich find's krass, wie sich gerade für echt jeden Schmock ein Gegenstück findet...", meinte ich betrübt und nahm einen großen Schluck von meinem Getränk. Ken kicherte.
 

„Was ist denn ein Schmock?"
 

„Keine Ahnung. Meine Schwester hat mich mal so genannt... Ist hängen geblieben.“ Ken sah mich eine Weile an. Rot werdend bemerkte ich wie mich das nervös machte. Fast schon hektisch biss ich erneut in meinen Burger, um seinem Blick zu entkommen.
 

„Davis mach dir mal keinen Kopf. Meine Mutter sagt immer, das es für jeden Topf einen Deckel gibt." Ich verschluckte mich bei seinen Worten dermaßen, dass ich Ken meinen Burger beinahe ins Gesicht gespuckt hätte. Mein bester Freund sah mich erschrocken an und rückte zu mir herum um mir auf den Rücken zu klopfen. Nach einigen, des Todes nahen Hustern konnte ich mich tatsächlich beruhigen. Ken reichte mir mein Trinken. Um uns herum vernahm ich Gekicher. Ich war mal wieder zur Hauptattraktion des Ladens geworden. Ungewollt.
 

„Geht es wieder?", erkundigte sich Ken besorgt und versuchte meinen Blick ins Leere einzufangen. Paralysiert sog ich am Strohhalm und nickte.
 

„Jau. Alles wieder gut. Denke ich." Wenig überzeugt schüttelte Ken den Kopf und tätschelte nochmals meinen Rücken. „Ich sollte vielleicht erwähnen, das du deinen Deckel erst finden musst bevor du sterben kannst, Davis." Böse funkelte ich ihn an. Sein neu errungener Witz gefiel mir immer weniger. Vor allem weil er auf mich abzielte.
 

„Als du noch über deine Freundin gelästert hast, hast du mir besser gefallen.“, grummelte ich vor mich hin und schmollte. Auf den Burger hatte ich nach meiner Nahtoderfahrung nicht mehr, und so schob ich ihn von mir weg. Zur Erleichterung Kens.
 

„Ich lästere nicht. Ich stelle fest.“ Ken stellte unsere Reste auf einem Tablett zusammen und brachte sie weg. Er war offensichtlich heilfroh, dass ich auch von dem Fastfood gelassen hatte. Aber was erwartete ich auch? Seine Mutter war eine Göttin am Herd, dass hatte ich bereits am eigenen Leib erfahren dürfen. Kochbücher aus aller Welt zierten die Küche und aus jedem dieser Bücher konnte sie mindestens die Hälfte aus dem ff. Und es war alles lecker. Ken war echt zu beneiden, als Einzelkind war er der Mittelpunkt seiner Eltern. Da hatte seine Mutter alle Zeit der Welt um ihn nach Strich und Faden zu verwöhnen und zu bekochen.
 

Ich musste mich dafür mit meiner Schwester herumärgern. Und mit meinen Eltern. Und meine Mutter hatte einen deutlich rabiateren Ton drauf, als Kens. Wahrscheinlich auch weil wir es ihr nicht gerade leicht machten. Meine Schwester Jun und ich waren wie Feuer und Eis. Wir hatten absolut nichts gemeinsam geschweige denn hatten wir Lust uns mit dem anderen genauer auseinander zu setzen. Sie ging mir auf den Geist und umgedreht. Und wer glaubte das das Ende der Pubertät das ändern wünsche irrt. Meine Schwester war 21 und hatte sich kein Stück verändert. Sie war noch immer das verdrehte Wesen, dass allem männlich hinterher rannte, das in ihr sehe großes Beuteshema passte. Nur um am nämlich Tag auf wen anderes zu stehen.
 

Was gäbe ich dafür so eine Mutter wie Ken oder einen Bruder wie Kari zu haben. Das wäre genial. Ich hätte das beste Essen und den coolsten Bruder der Welt. Einer der für mich da war. Mir den Rücken stärkte. Und mir nicht noch einen Arschtritt verpasste, wenn ich schon am Boden lag.
 

„Wollen wie los?", fragte Ken und riss mich aus meinen sentimentalen Gedanken. Seufzend stand ich auf.
 

„Da hat es aber jemand plötzlich so eilig ...", murmelte ich enttäuscht und erhielt ein Lächeln als Entschuldigung.
 

„Ich wollte noch nach Hause bevor ich zu Yolei fahre." Ich schnalzte mit der Zunge und grinste.
 

„Dem Glück will ich natürlich nicht im Wege stehen..." Ken boxte mich neckend und wir traten aus dem Imbiss ins Freie. Ich hätte für heute Abend noch Fußballtraining und grübelte, ob ich es sausen lassen würde als ich einem panischen Ken gegenüber stand. Ich kräuselte fragend die Stirn, als er mich heftig gegen die Schulter schlagend dazu zwang mich umzudrehen. Der Mann entwickelte die gleichen Aggressionen wie seine Freundin.
 

„Da ist er wieder!", zischte Ken und ich befürchtete fast schon das Schlimmste, als ich mich umdrehte und erkannte, was er meinte. Mit offenem Mund sahen wir dabei zu wie Joe Händchen haltend mit einem Mütze tragenden Mädchen auf der anderen Straßenseite entlang lief. Offensichtlich in ein anregendes Gespräch verwickelt. Wortlos drehte ich mich zu Ken um, der natürlich seinem inneren Detektiv nicht widerstehen konnte und ein Bild mit seinem Handy schoss. Ich verdrehte die Augen.
 

„Lass dem Mann seine Privatsphäre!", murmelte ich aber Ken hatte es bereits an Yolei, Kari und wahrscheinlich auch alle anderen unserer Freunde verschickt. Ich seufzte. So sehr mich das auch in meinem Drang mich über Dinge lustig zu machen kitzelte, ich wollte nicht. Vielmehr schmerzte mich die Tatsache, dass selbst Idioten wie Joe eine Freundin fanden. Okay, Joe war kein Idiot. Wer Medizin studierte hatte wohl das ein oder andere auf dem Kasten. Aber ich bezog mich auf die menschliche Ebene.
 

Und ich? Ich blieb mal wieder alleine zurück. Mit meinem einsamen Herzen. Alle um mich herum waren vergeben oder verknallt. Oder so gut wie verheiratet, wenn ich mir Matt und Sora ansah. Das dauerte bestimmt auch nicht mehr lange. Dann würde ich die erste Hochzeit meiner Freunde erleben. Und ich? Ich hatte noch nie eine Freundin gehabt. Jahrelang war ich Kari hinterher gewesen. Keine Chance ich weiß.
 

Meine Schwester meinte immer der Grund für mein Alleinsein läge an meinem unausstehlichem Charakter. Aber so schlimm konnte ich doch auch nicht sein oder? Ich hatte vielleicht einen an der Waffel, aber das war es auch schon. Oder hatte sie recht?
 

„Erde an Davis, bitte kommen!", sagte Ken plötzlich. Ich zuckte peinlich berührt zusammen und kicherte.
 

„Ich bin wieder ganz bei dir." Ken hob die Augenbrauen hoch und grinste.
 

„Ich muss los. Zu gern hätte ich eine kleine Joe Verfolgungsjagd gemacht, aber die Pflicht ruft." Mein bester Freund salutierte und ich seufzte enttäuscht.
 

„Nimm mir nicht meinen Lebenswillen. Komm schon, Yolei kann warten. Die ist doch eh ganz heiß drauf zu erfahren wer das ist." Ken schüttelte stöhnend den Kopf.
 

„Das sehen Yoleis Eltern glaube ich anders... Bin zum Essen eingeladen.", erklärte er schließlich, deutlich nervöser als noch vor einigen Momenten. Ich grinste.
 

„Uh la la du wirst den Eltern vorgeführt? ", neckte ich ihn was er mit einem Augenrollen kommentierte. „Pass auf ihren Vater auf. Väter sollen ja besonders harte Kriterien für den potentiellen Schwiegersohn haben." Ken sah mich aus wütend zusammengekniffenen Augen an und schnaubte. Ich hatte meinen Spaß.
 

„Was weißt du denn schon? Du weißt ja nicht mal wie man "Freundin" buchstabiert.", zischte er und traf mich damit genau in die Mitte meines Schmerzzentrums. Er wich von sich selbst erschrocken zurück, hob entschuldigend die Arme. Doch ich winkte, wenn auch schwer getroffen, ab.
 

„Hast' ja recht. Was weiß ich schon..." Mein bester Freund verzog traurig das Gesicht. Ich zuckte gespielt lächelnd mit den Schultern.
 

„Das war echt nicht so gemeint, Davis... Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat.", sagte er und suchte verzweifelt nach Worten. Ich lachte.
 

„Mensch entspann dich. Alles gut. Ich habe dich ja auch provoziert. Schwamm drüber!“ Ken blies betroffen die Wangen auf, sah auf sein Handy und wieder zu mir. Joe und seine Angebetete waren natürlich schon längst in der Menschenmenge der nach Hause strömenden Leute verschwunden, somit hätten wir eh nicht mehr stalken können. Ich schmollte.
 

„Geh du mal fein essen mit Yolei und ihren Eltern.“, sagte ich schließlich.
 

„... Und ihren Geschwistern.“, fügte Ken panisch hinzu und ich konnte ihn zittern sehen. Aufmunternd schlug ich ihm auf die Schulter.
 

„Jackpot!“, rief ich laut, was ihn leider nur noch fertiger zu machen schien. In meiner Unbeholfenheit legte ich den Kopf schief und versuchte ihm einen aufzumunternden Blick zu zu werfen.
 

„Ey komm schon. Die werden dich ja wohl kaum auffressen. Yoleis Eltern werden schon für eine Meute kochen können. Und du wirst dich wacker schlagen. Du hast schon viel heftigere Situationen überstanden, da wird dich ein Abendessen mit Yoleis Familie ja wohl nicht umbringen. Ich habe gehört, dass die ganz nett sein sollen. Und ich wette Yolei hat ihre Familie ausgiebig gewarnt, dass wenn sie dir zu viele Fragen stellen, sie sie töten wird.“ Ich kannte Yolei seit Jahren und wusste, dass ich mit dieser Vermutung nicht allzu fern lag. Hinter diesen runden Gläsern ihrer Brille ruhte die Seele einer potentiellen Attentäterin, die nur darauf wartete, ihr teuflisches Genie rauslassen zu können und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Und Ken war dann ihr Gehilfe. Ich grinste bei der Vorstellung.
 

„Danke... Davis. Ich werd´s versuchen...“, flüsterte Ken fast und wurde rot. So kannte ich ihn. Schüchtern. Zurückhaltend. Leicht aus der Fassung zu bringen. Ken halt.
 

„Na nun hau schon ab. Ich muss eh zum Fußball... Ich denke Joe wird uns irgendwann schon von selbst erzählen, wer sie ist. Wir sollten ihm da nicht hinterher rennen, du kennst ihn doch. Der ist doch echt eigen...“, meinte ich und schien Ken wieder zum staunen gebracht zu haben, denn ich wurde mit überraschtem Blick betrachtet.
 

„Zu schlau für meine Verhältnisse?“, stichelte ich, wissend, dass ich mir damit selbst eins rein würgte. Ken nickte. Natürlich.
 

„Mehr davon.“, pflichtete er mir bei und grinste. Ich streckte ihm nur die Zunge raus. „Ich geh dann jetzt. Wünsch´ mir Glück, dass ich da heute heile wieder rauskomme.“
 

„Melde dich, wenn du es überstanden hast. Wenn nicht, komme ich vorbei und rette dich!“, rief ich dem sich bereits zum Gehen umgewandte Ken und winkte ihm nach.
 

Betrübt machte ich mich auf den Weg nach Hause. Fußballtraining war erst um sieben. Es war kurz nach fünf. Ich hatte also genug Zeit. Genug Zeit um meinen Gedanken ausgesetzt zu sein. Noch immer konnte ich es nicht fassen, dass Joe wohl möglich auch in festen Händen war. Ich konnte mittlerweile an einer Hand abzählen, wer meiner Freunde noch Single war. Cody. Wallace. Tai. Mimi. Und seit Kurzem ja auch wieder Izzy. Der Rest war echt miteinander zusammen. Ich wurde ganz kirre bei dem Gedanken, dass alle Glück gefunden hatten, alle irgendwann wohl mit einander verwandt sein würden. Und ich war nach all meiner Engstirnigkeit und wahnsinnigen Abhängigkeit von meinen Gefühlen für Kari, noch immer allein. Und es war auch niemand in Aussicht. Und wenn ich ehrlich sein sollte: Ich wollte gar keine Beziehung. Klar sehnte ich mich auch nach einer Person, die mir ihr Herz schenkte. Nach jemanden, mit dem ich meine vermeidlich einsamen Stunden verbringen konnte. Mit der ich vor meiner Schwester angeben konnte, weil ich jemanden hatte und sie nicht. Okay, Letzteres war eher kindisch. Aber lustig.
 

Doch wenn ich mal so richtig darüber nachdachte war ich doch ein recht zufrieden. So wie es war, war es vielleicht doch sehr gut. Ich fühlte mich lediglich etwas ausgeschlossen. Meine engsten Freunde waren alle in einer Beziehung. Und ich eben nicht. Ich vermisste die Zeit, in der wir alle unbeschwert Sachen unternahmen, und keiner Händchen haltend durch den Park lief, oder früher ging, weil man noch alleine mit jemanden ins Kino wollte. Oder bei der Freundin zum Essen eingeladen wurde. Ich vermisste meine Freunde. Aber so war das Leben. Es änderte sich alles. Veränderungen taten weh. Aber Veränderungen waren gut. Zumindest musste man sich das nur einreden.
 

Ich beschloss spontan Wallace anzuschreiben, meinem wohl einzigen direkten Freund, der nicht in einer Beziehung war, und für jeglichen spontanen Schwachsinn zu haben war. Ich brauchte das. Scheiß auf Fußball. Ich brauchte einen Kumpel.
 

„Sie sind verbunden mit Ihrer amerikanischen Freundeservice-Hotline. Wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich der Blonde gewohnt mit lockerer Zunge und ich grinste.
 

„Ich würde gern mit Wallace sprechen, ist er da?“
 

„Um mit unserem Top-Mitarbeiter Wallace zu sprechen, drücken sie die 1.“ die Augen verdrehend drückte ich tatsächlich die 1 auf meinem Handy, alleine schon um den nervigen Tastenton in seine Ohrmuschel dröhnen zu lassen.
 

„Vielen Dank, dass sie sich für das Wallace-Carepaket entschieden haben.“
 

„Komm zum Punkt, Alter!“, rief ich aufgeregt und bekam ein schallendes Lachen zurück.
 

„Sorry, Davis. Was kann ich für dich tun?“
 

„Du kennst die Nudelsuppen-Bude, die ich dir empfohlen habe?“, fragte ich und erhielt ein begeistertes, zustimmendes Geräusch als Antwort.
 

„Und? Hast du Bock nochmal vorbeizugehen? Du meintest doch, dass du gern nochmal mit mir hingehen würdest.“
 

„Hm... Ein Date mit Davis. Da bin ich doch dabei!“, sagte Wallace begeistert woraufhin ich schnaubte.
 

„Also um sechs an der Nudel´s Suppe?“
 

„Klar!“
 

Begeistert legte ich auf. Ein Freund der keine Freundin hatte. Ein bisschen normale Freundschaft, ohne Anhang. Das war es, was mir fehlte. Etwas, was mir selbst mein bester Freund nicht wirklich geben konnte. Auch wenn er das nicht mit Absicht machte. Und ich nahm es ihm auf keinen Fall böse. Wie auch. Er sollte ja glücklich sein. Nur wollte ich das auch. Und nicht das fünfte Rad am Wagen sein. Also flüchtete ich und brach aus, raus aus dem Kreislauf der engsten Freunde, die alle irgendwie miteinander verwurzelt waren. Um ein wenig Sonne zu sehen. Bis ich auch jemanden finden würde.

Vom sich verlieren

Seit einigen Tagen war ich wieder fit. Lediglich ein Rest Schnupfen war noch von meiner Grippe übrig, doch damit konnte ich leben. Mundschutz um, und raus in die Welt. Nach fast drei Wochen Bettruhe war das der Himmel auf Erden. Da ich auch nicht mehr akut ansteckend war, konnte ich sogar wieder in die Schule. Doch das der Schulstoff nicht das Einzige war, dass ich nachzuholen hatte, machte mir Yolei an diesem Abend nur allzu deutlich.
 

Matt und Sora würden nach Nagoya ziehen. Ganz allein. Izzy und Saya waren nicht mehr zusammen. Das schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Gefühlt zumindest. Tai bändelte mit Mimi an. Was zur Hölle? Konnte die nicht mal ihre Griffel bei sich behalten? Und die Nachricht, die mir fast den Atem raubte: Joe soll eine Freundin haben. Wofür es wohl nach wie vor nur wage Beweise geben sollte. All diese Informationen waren zu viel für mein armes, noch verschnupftes Gehirn. Aber Yolei redete und redete. Und hörte nicht auf.
 

„Atmest du eigentlich auch mal zwischendurch?“, harkte ich nach, meine Nase putzend. Meine Nachbarin war vorbeigekommen, und wir saßen bei einer von Opas Quetschtüte am Wohnzimmertisch und lauschten den klappernden Stricknadeln meiner Mutter, und dem schallenden Gelächter meines Opas, der eine dieser mistigen Nachmittagssendungen sah. Ich war mir nie sicher ob er lachte, weil er das wirklich komisch fand oder weil es einfach selten dämlich war. Inständig hoffte ich auf Letzteres.
 

„Cody du musst doch alle Details kennen! Du hast so viel verpasst!“, sagte sie voller Eifer und tippte parallel auf ihrem Handy herum. Das ich das ultra unhöflich fand, wenn man mit jemanden am Tisch saß und dann noch am Handy herumspielte, störte sie wenig. Wie immer.
 

„Ich weiß gar nicht, ob ich das wirklich wissen will...“ Ich seufzte und rutschte von meinem Stuhl, um im Kühlschrank nach etwas zu Trinken zu suchen, dass nicht zu 100 Prozent aus Zuckerwasser bestand. Ich entdeckte Kartoffelsaft und fragte mich, ob meine Mutter sich aus Versehen mit Tais und Karis Mutter getroffen, und sich „wertvolle“ Ernährungstipps geholt hatte. Wie oft hatten die beiden uns die Ohren voll gejammert, weil es wieder eine mysteriöse Kreuzung aus Lebensmitteln gab, die man als Normalsterblicher niemals zusammentun würde. Ich hoffte, dass es nur bei dieser Flasche Kartoffelsaft blieb. Sonst würde ich wohl künftig auswärts essen.
 

Mit einer Flasche Orangensaft und zwei Gläsern kehrte ich zu Yolei zurück, die so dermaßen in ihr Handy vertieft war, dass sie wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hatte, dass ich kurz weg war. Mein Opa drehte sich zu uns um, den Kopfschüttelnd.
 

„Kinder, geht doch mal raus. Es ist so schönes Wetter!“, schlug er vor, woraufhin meine Mutter ihn in die Seite boxte.
 

„Cody ist noch erkältet. Willst du, dass er direkt wieder flach liegt? Ich finde es gut, dass die beiden drin bleiben. Außerdem ist es heute sehr kalt draußen...“, meinte sie, woraufhin mein Opa seufzte.
 

„Hör auf den Jungen immer in Watte zu packen Fumiko. Cody ist 13 Jahre alt und keine 3. In die Schule geht er doch auch wieder...“ Yolei und ich wechselten einen vielsagenden Blick, nickten und standen auf. Mein Opa grinste begeistert. Aber wir gingen nicht raus, sondern in mein Zimmer. Wortlos. Dort angekommen seufzte ich erleichtert. Wenn meine Mutter sich mit meinem Opa um mein Wohlergehen stritt wurde mir echt schlecht. Da trafen immer zwei Extreme aufeinander, die in diesem Punkt wohl niemals harmonieren würden. Yolei platzierte sich auf dem Boden im Schneidersitz und grinste. Ich ließ mich vor ihr fallen, lag mit dem ganzen Körper flach auf dem Bauch und starrte auf ihre geringelten Socken.
 

„Deine Mama ist echt eine Übermutter.", meinte sie, endlich ihr Handy aus der Hand legend. Ich verdrehte die Augen.

„Themenwechsel bitte." Sie nickte verständnisvoll und zwinkerte.
 

„Wovon willst du denn mehr wissen? Sora und Matt? Joe? Tai und Mimi? Izzy?" Yolei war sofort wieder Feuer und Flamme für ihre Geschichten rund um unsere Freunde. Doch nach all den Dingen, die ich mir wieder anhören musste, wollte ich eigentlich nur eines wissen.
 

„Wie geht's dir?", fragte ich mit der Betonung auf „dir", was meine beste Freundin komplett aus der Bahn zu werfen schien. Verdutzt sah sie mich an und machte den Eindruck, dass sie auf eine Erklärung wartete. Aber was gab es da schon zu erklären?
 

„Was? Kannst du so eine simple Frage nicht mehr beantworten?", murmelte ich kaum hörbar, aber laut genug, um ihr einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Sie sah nervös umher. Ratlos, was sie sagen sollte.
 

„Gut.", antwortete sie schließlich und war anscheinend zufrieden mit ihrer Antwort. Ich nicht.
 

„Ist das alles?"
 

„Ja."
 

Wortlos sah ich sie eine Weile an. Yolei war so in den Geschichten und Leben der anderen drin, dass sie sich selbst vergaß. Das Ironische daran war, das sie mir Tage zuvor von Kari berichtet hatte, der eben genau das total gegen den Strich ging. Sie ausbrechen wollte. Das Yolei mindestens genauso tief drin steckte, schien ihr gar nicht bewusst zu sein.
 

„Wieso fragst du? Sehe ich krank aus?", wollte sie schnippisch wissen.
 

„Nein. Aber weißt du, mich interessiert die Yolei Geschichte heute einfach mehr. Sie ist meine beste Freundin weißt du? Und ich mache mir Sorgen um sie, weil sie langsam vergisst, das sie auch noch da ist.", erklärte ich traurig und fing einen verwunderten Blick von ihr ein. Dann Erleichterung. Sie lächelte selig und schluckte sichtbar. Ich lächelte zurück, wissend, dass ich genau das Richtige gesagt hatte.
 

„Mensch Cody... wegen dir heule ich noch...", sagte sie, eine Träne wegwischend. Ich richtete meinen Oberkörper auf und saß ihr nun direkt gegenüber.
 

„Also. Wie lief das Essen mit Ken und deinen Eltern?" Yolei strahlte über beide Ohren packte meine Hände und berichtete. Davon, wie Ken von allen liebevoll in den Kreis der Familie aufgenommen wurde, vor allem nachdem Yolei allen den Tod angedroht hatte. Aber vielleicht hatten sie ihn auch einfach gemocht.
 

„Beim Essen haben sie ihm dann tausend Fragen gestellt. Wo er zur Schule ginge. Was seine Hobbys seien. Wie er es mit mir aushielt." Yolei lachte bei ihrem letzten Satz und ich konnte nur erahnen wie tief Ken in seinem Stuhl versunken gewesen war.
 

„Die letzte Frage kam von Papa, also musste er antworten. Alle haben ihn gebannt angestarrt. Und dann hat Ken das wohl Süßeste gesagt, das man nur sagen konnte." Yolei wurde rot.
 

„Und? Nun sag schon!", stichelte ich und trommelte auf den Boden.
 

„Das man es mit mir nicht aushalten musste, sondern jede Minute genießen vollends genießen würde..." Ich grinste als Yolei hin und her wippend sich selbst umarmte, total versunken in den Erinnerungen an die Worte ihres Freundes. So kannte ich Yolei. Sie ging in romantischen Floskeln so richtig auf. Ich fand es mega kitschig. Aber ich wollte ihr natürlich den Moment nicht kaputt machen.
 

„Da hat er sich ja gut gerettet.", meinte ich stattdessen, was wohl auch schon recht gemein klang. Aber Yolei kriegte meinen sarkastischen Unterton gar nicht mit, grinste unentwegt vor sich hin.
 

„Ken ist einfach der Beste. Das fanden meine Eltern auch. Sogar meine Geschwister. Alle sind Fans von ihm." Freudestrahlend zeigte sie mir ein Bild von sich und Ken in ihrem Wohnzimmer. Er wirkte wenig entspannt, bemühte sich aber akribisch halbwegs normal zu lächeln. Yolei grinste wie immer über beide Ohren verliebt in die Kamera. Sie war unfassbar glücklich. Und das machte mich glücklich.
 

„Papa hat mich heute vor der Schule schon gefragt, ob Ken nicht Lust hat öfter mit uns zu essen. Ich glaube Ken hat bei ihm bestanden.", sagte sie stolz.
 

„Das halten seine Nerven auch durch? Du hast immerhin 5 Geschwister..."
 

„Die sind ja nicht immer da. Mir gefällt die Vorstellung, dass Ken jetzt öfter mit uns isst...“ Sie kratzte sich an der Nase, noch immer mit rotem Gesicht. „Dann können sich meine Eltern schon mal an ihren zukünftigen Schwiegersohn gewöhnen.“ Schockiert riss ich die Augen auf, sogar mein Kiefer klappte nach unten.
 

„Soweit denkst du doch nicht etwa wirklich schon, oder?“, harkte ich nach, doch Yolei wirkte vollkommen überzeugt. Sie meinte das ernst. Das sah ich in ihren Augen. Wenn sie sich erstmal an einem Gedanken festgebissen hatte, dann konnte man sie nur sehr schlecht bis gar nicht davon abhalten, geschweige den abbringen.
 

„Doch. Ich spüre das. Ken ist der Richtige.“, rief sie begeistert und küsste das Bild auf ihrem Handy. Irritiert kniff ich die Augen zusammen und musterte meine vor Freude quietschende beste Freundin. Seit der ersten Klasse kannte ich sie. Natürlich war sie ein paar Jahrgänge über mir gewesen, aber wenn man im selben Haus wohnte, lernte man sich eben kennen. Schon immer steckte in ihr zu viel Energie und Genie, und ich glaubte von Anfang an fest daran, dass sie einmal die Weltherrschaft an sich reißen würde. Intelligent genug war sie allemal. Ihre Überlegungen waren immer dennoch immer durchdacht. Auch wenn sie oft erst sprach und dann dachte, konnte sie sich immer auf schlaue Weise wieder ins rechte Licht rücken. Nie waren Entscheidungen oder Gedanken Yoleis so gravierend gewesen, dass sie ihr Leben bestimmen würden. Bis auf das sie seit der sechsten Klasse wusste, dass sie Raketenwissenschaften studieren würde. Falls es das gab. Aber Heiraten? Daran hatte Yolei bislang noch nie einen Gedanken verschwendet. Zumindest hatte sie nie darüber gesprochen. War es mit ihren 16 Jahren nicht auch noch reichlich zu früh dafür? Vernebelt ihre Liebe zu Ken ihren Verstand?
 

„Du spinnst doch.“, sagte ich und hielt ihre Aussage nach wie vor für einen Witz. Das konnte sie nicht ernst meinen. Nicht jetzt. Ken und Yolei waren gerade mal wenige Wochen zusammen. Gut, sie schwärmte mindestens schon zwei Jahre für ihn, aber dennoch. Heiraten?
 

„Sag was du willst. Ich weiß es. Wenn du verliebt bist, dann spürst du das. Das wirst du auch noch begreifen!“, meinte sie felsenfest von sich überzeugt und nickte einige Male. Ich seufzte. Gegen Yolei anzureden war als würde man einem Hund die menschliche Sprache beibringen wollen – unmöglich.
 

„Du bist 16, Yolei.“
 

„Du bist 13, Cody. Was weißt du schon.“
 

Wir grummelten uns an und schwiegen. Nur das Klingeln meines Handys durchbrach die eingetretene Stille, und so schnellte ich erleichtert zu meinem Schreibtisch und erkannte, dass Wallace mich anrief. Mich rief selten jemand an. Ich zuckte mich den Schultern als Yolei fragend aufsah. Ich nahm ab.
 

„Cody, wie geht’s dir mein Guter?“, rief ein sehr aufgeregter, und leicht verstreut wirkender Wallace ins Telefon, so laut, dass ich mein Handy sofort einen gefühlten Meter weghielt. Sogar Yolei konnte ihn hören.
 

„Mir geht’s gut. Aber was ist denn bei dir los?“, entgegnete ich und hörte komische Geräusche im Hintergrund. Ich konnte sie allerdings nicht identifizieren.
 

„Ach mir geht’s gut. Aber Davis geht es nicht so gut. Deswegen rufe ich auch an.“ Yolei stand wie vom Blitz getroffen auf, wir beide in Alarmbereitschaft.
 

„Was ist los?“, fragten wir hektisch und Wallace gab ein erschöpftes Geräusch von sich.
 

„Was mit Davis emotional los ist, kann ich euch nicht sagen. Ich kann euch aber sagen, was physisch mit ihm passiert ist.“, erklärte er und stürzte uns in noch größere Verwirrung.
 

„Nun rede doch nicht um den heißen Brei herum, spuck´s endlich aus!“, rief Yolei aufgeregt. Sie hatte bereits ihre Sachen geschnappt, weil sie vorbereitet für spontane Aufbrüche sein wollte. Auch ich hatte meine Schuhe bereits im Blickfeld.
 

„Kurze Zusammenfassung: Davis hat mich geküsst und ist dann die Treppe heruntergefallen. Und jetzt sind wir im Krankenhaus, weil er sich zum Glück wohl nur das Schlüsselbein gebrochen hat. Er hätte mich fast mitgerissen, aber alles was ich jetzt brauche, ist ein guten Therapeuten.“, erklärte er schließlich aufgelöst. Ich hatte heute sehr viele Informationen erhalten. Und ich dachte echt, das nach all den Ministories von Yolei mich nichts mehr schocken könnte. Mein Freundeskreis war schließlich ein Haufen Verrückter. Und wie sich gerade herausstellte war Davis der König der Verrückten. Yolei hatte ebenfalls Schwierigkeiten das eben Erfahrene zu verarbeiten. Sie setzte sich auf mein Bett und starrte wortlos ins Leere.
 

„Hast du getrunken?“, wollte ich instinktiv wissen, weil ich mir bei Wallace nie sicher sein konnte, was er ernst meinte und was nicht. Wallace lachte hysterisch auf.
 

„Ich wünschte ich hätte es. Aber ich sage die Wahrheit. Und eigentlich würde ich mich echt sehr freuen, wenn du herkommen könntest. Und Yolei mitbringst. Und Kari. Und T.K. Und wen du noch so auftreiben kannst. Ich mag gerade nicht mit ihm alleine sein. Das ist echt too much für mich.“, flehte er und ich konnte ihn sehr gut verstehen. Was war denn nur mit Davis los. Nichts gegen jegliche Art von sexueller Orientierung. Ich war offen für alles. Wirklich. Jeder sollte lieben wie und was und wen er wollte. Auch Davis. Aber das ging mir gerade einfach zu schnell. Und war so ihm so überhaupt nicht ähnlich.
 

„Ken habe ich schon geschrieben. Beziehungsweise hat das Davis gemacht. Wie auch immer. Cody, bitte rette mich. Ich mache auch was du willst, aber lass mich nicht mit Davis alleine. Der schnappt über!“ Neben dem unerwarteten Kuss schien noch mehr passiert zu sein. Yolei und ich wechselten einen vielsagenden Blick, dann widmete ich mich wieder dem aufgewühlten Wallace zu.
 

„Stadtkrankenhaus?“, fragte ich und erhielt ein gejammertes „Hmh“ als Antwort und nickte Yolei zu, die irritiert seufzend aufstand und ihre Tasche schulterte.
 

„Wir sind auf dem Weg.“, sagte und legte auf, meine Schuhe schnappend.
 

„Cody, mit diesen Infos kann ich nicht umgehen. Sag mir bitte das ich das träume.“, sagte sie und tippelte nervös auf der Stelle. Ich war selbst aufgelöst, einerseits auch aus Sorge um unseren verletzten Freund.
 

„Dafür gibt es bestimmt eine Erklärung. Denken wir bitte erstmal um den armen Davis. Der hat sich immerhin was gebrochen...“, grummelte ich und versuchte Yolei auf die Hauptaussage von Wallace zu lenken. Auch wenn seine Hauptaussage darin bestand, dass er es nicht mit Davis aushielt. Keiner von beiden schien sich besonders Sorgen darum zu machen, dass Davis im Krankenhaus war. In. Einem. Krankenhaus. Ich fluchte innerlich. Was war denn nur aus uns geworden, dass wir uns nur die Infos rauspickten, die uns am meisten begeisterten, schockierten oder abturnten. Ein Freund ist verletzt und es interessierte nur, dass er einen anderen Freund geküsst hatte. Ja, dass war auch eine Nachricht, mit der keiner gerechnet hatte. Aber hallo? Er war verdammt nochmal verletzt!
 

Ich schnappte mir das Nötigste und schob Yolei aus meinem Zimmer. Im Flur begegneten wir meinem Opa, der erneut grinste.
 

„Geht ihr doch raus, Kinder?“, harkte er nach und ich sah zur kreidebleichen Yolei, die unsicher die Schultern hochschob. Mein Großvater musterte uns argwöhnisch.
 

„Ja, Opa... Wir gehen raus.“

Du bist nicht allein

Angestrengt starrte ich auf meinen besten Freund, der mit verbundener Schulter vor mir auf einer Krankenliege saß und vor Schmerzen stöhnte. Die Massen an Medikamenten, die man Davis verabreicht hatte, schienen nur wenig zu helfen.
 

„Nochmal zum mitschreiben.“, begann ich zögerlich, nachdem zwischen ihm und mir eine beachtliche Denkpause eingetreten war. „Du bist gestolpert, bist dabei auf Wallace´s Mund gefallen und bist dann die U-Bahntreppe hinunter gestürzt?“ Davis grummelte schmerzerfüllt.
 

Die letzte halbe Stunde hatte einen wahrlichen Knoten in meinem Kopf verursacht. Davis hatte mich panisch auf dem Handy angerufen, und mich unverzüglich in das Krankenhaus bestellt, in dem er gerade verarztet wurde. Ein sauberer Schlüsselbeinbruch, nach einem Treppensturz. Irgendwo da oben schien ein Schutzengel über meinen wirren besten Freund zu wachen. Denn das er nach so einem Sturz nur mit so einem „kleinen“ Bruch davon gekommen war, grenzte ja wohl an mehr als nur Glück. Auch wenn der angebliche Unfallhergang doch eher unglaubwürdig wirkte. Denn Davis versuchte mir mit wackelnder Überzeugung weiß zu machen, dass das alles Zufall war. Wallace erzählte die Geschichte allerdings anders. Und deutlich glaubwürdiger.
 

Die beiden hatten sich, nachdem Davis und ich uns gestern getrennt hatten, schon einmal getroffen. Zum Nudelsuppen-Essen. Heute trafen sie sich erneut, direkt am Mittag. Es war Samstag und um die Zeit war wohl dort nichts los. Wallace erzählte zunehmend angespannt, dass Davis sich komisch verhielt, viel davon redete, dass er sich zwar besser fühlte, nicht mehr von Kari abhängig zu sein. Doch er fühlte sich einsam. Obwohl er angeblich nicht auf der Suche nach einer Beziehung sei. Wallace hatte ihm daraufhin lediglich aufmuntern wollen, hatte ihm gesagt, dass so ein klasse Kerl wie er, ganz sicher jemanden Besonderen finden und lieben würde. Soweit ja gar kein schlechter Gedanke. Davis war ein toller Typ. Und es schmerzte mich, dass er sich Wallace geöffnet hatte und mir vorgaukelte, es ginge ihm super. Egal, zurück zu Wallace´s Geschichte. Als die beiden fertig waren und raus gingen, wurde Davis noch merkwürdiger. Er benahm sich ungewöhnlich soft und wirkte zunehmend nervöser.
 

Und dann geschah es. Davis beugte sich vor, hochroten Kopfes, und küsste den vollkommen überrumpelten Wallace. Einfach so. Aus heiterem Himmel.
 

„Das ging so schnell, ich konnte gar nicht ausweichen. Und genauso schnell war Davis von dannen gestolpert und in einem hohen Bogen die Treppe zur U-Bahn heruntergefallen. Wie ein Pferd beim Springreiten, dass über seine eigenen Hufe stolpert und das Hindernis mitnimmt.“, hatte er mir erklärt während ich noch immer die Information verarbeitete, dass Davis Wallace geküsst hatte. Versteht mich nicht falsch. Mir lag es fern jemanden aufgrund seiner sexuellen Orientierung auszuschließen oder zu kritisieren oder dergleichen. Jeder sollte jeden lieben dürfen, egal welches Geschlecht er oder sie hatte, und natürlich auch dann, wenn sich besagte Personen nicht sicher waren, was sie sein wollten. Oder sich nicht festlegen wollten. Und auch war ich schon irgendwie stolz auf Davis, dass er sich doch ausprobierte. Es kam nur so plötzlich. Unerwartet. Aus heiterem Himmel. Und dann noch mit Wallace.
 

„Ich weiß im Moment versuchst du dich neu zu erfinden, Davis.“, begann ich meine Moralpredigt und sah in seinen Augen, dass er darauf zwar schon gewartet, sich aber nicht gefreut hatte. Er hasste es, wenn ich das tat. Den wie er es nannte „Oberlehrer heraushängen“ lassen. Dennoch würde ich das ansprechen.
 

„Aber Wallace sitzt da draußen und traut sich nicht mehr dir in die Augen zu sehen. Du hast ihn einfach geküsst, und jetzt seid nicht nur ihr von der Rolle... Wir alle sind es.“
 

Davis sah mich an, in seinen Augen stand die Angst ganz groß geschrieben. Ich griff nach einer seiner Hand, wollte ihm Halt geben. Aber er wich Schmerz verzerrt aus.
 

„Ich weiß nicht, was das sollte. Ich weiß nicht, was in mir vorgeht. Ich weiß gar nichts mehr, Ken.", sagte er mit bebender Stimme und ich entdeckte Tränen in seinen Augen. Es brach mir das Herz meinen besten Freund so zu sehen. Körperlich und seelisch verletzt. Überfordert mit sich und der Welt. Am Ende. Wie stolz waren ich und auch die anderen gewesen, als er sich berappelte und endlich wieder nach vorne sehen wollte. Er hatte es bis hier hin auch so gut gemeistert. Wollte sich neu erfinden. Und jetzt? Jetzt lag er mit einem gebrochenen Schlüsselbein im Krankenhaus, weil seine alles überstürzende Art und Verwirrtheit ihn in eine Situation gebracht hatte, mit der er nicht umgehen konnte.
 

„Ich wollte das nicht...", wimmerte Davis, sich mit einem Handrücken über die Augen wischen wollend, nur um quiekend vor Schmerzen zusammen zu zucken. Ich sprang auf, holte ihm ein Taschentuch zumindest hielt ich es für eins - und wischte ihm damit über sein nasses Gesicht. Er schnaubte.
 

„Danke..."
 

„Kein Problem."
 

Es klopfte. Erschrocken drehten wir uns um, als Cody und Miyako die Köpfe durch den Türspalt steckten und fragend herein schauten. Ich schluckte und winkte beide nach draußen, als ich Davis nervös seufzte.
 

„Ich kümmere mich drum.", versprach ich ihm, woraufhin er mir dankbar zu lächelte. Mit einem Satz stand ich aus meinem Stuhl auf und folgte meiner Freundin, die sich nicht bewegt hatte, auf den Flur.
 

„Also?", wollte sie sofort wissen uns knetete ihre Hände. Cody hatte sich zu Wallace gesetzt, der mittlerweile wieder deutlich ruhiger wirkte. Zumindest sah es so aus. Aber was wusste ich schon vom Deuten von Gefühlen.
 

„Er hatte riesiges Glück. Davis hat sich „nur", das Schlüsselbein gebrochen, und ein paar Prellungen. Gibt ein paar schöne blaue Flecken.", erklärte ich mit leiser Stimme, fast so als hätte ich Panik davor, das er uns hören konnte. Yolei lehnte sich auf die Lippe kauend gegen den Türrahmen und sah auf den Boden.
 

„Dieser Wirrkopf rennt nochmal vor eine Bahn, wenn man nicht auf ihn aufpasst.", sagte sie bitter. Das sie mit Wirrkopf die wohl beste Bezeichnung für ihn gefunden hatte, ahnte sie wahrscheinlich noch nicht.
 

„Wie geht's ihm denn?", klinkte sich Cody ein und sah besorgt auf. Der erste Schock war auch aus seinem Gesicht gewichen.

„Den Umständen entsprechend. Er wurde behandelt und mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Die wohl nicht wirken. Oder noch nicht." Wallace verschränkte die Arme vor der Brust und biss sich auf die Lippen.
 

„Du als sein bester Freund kannst uns doch sicher erklären, was mit dirty Davis gerade los ist?", fragte er schließlich zögerlich und ich nickte, wenn auch nur sehr langsam. Ich verstand Davis. Ich versuchte es.

„Er versucht sich selbst zu finden... Ich glaube er weiß einfach gerade nicht, wer er ist...", meinte ich mit ruhiger Stimme. Alle sahen mich gebannt an. So als erwarteten sie noch mehr. Aber wie sollte man etwas erklären von dem man nur wenig wusste. Weil der eigene beste Freund so gefangen in seinem Chaos war, dass er meine rettende Hand nicht sah. Und ich streckte sie ihm wirklich weit entgegen.

„Kann er seine Selbstfindungsphase bitte an wem anderes testen?", platzte es aus Wallace heraus, was ihm scheinbar sofort unangenehm war und er rot anlief. Ich lächelte ihm aufmunternd zu.
 

„Du warst zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort würde ich mal sagen...", meinte Yolei und harkte sich bei mir ein, um ihren Kopf auf meine Schulter abzulegen. „Oder in Davis' Fall am richtigen." Cody sprang wutentbrannt auf und ballte die Fäuste. Seine Augen zu Schlitzen geformt, Zähne knirschend.
 

„Hört ihr eigentlich was ihr hier für Scheiße labert?", zischte er und richtete sich an Wallace. „Anstatt hier das Opfer zu spielen, solltest du versuchen für ihn da zu sein! Er braucht seine Freunde mehr als je zuvor. Und das waren wir alle in den letzten Wochen nicht." Cody schnaubte in die entstandene Stille die sich ausgebreitet hatte. Was so alles aus dem Kleinen rauskommen konnte, war beachtlich. Und er hatte recht.
 

Jeder kochte im Moment sein eigenes Süppchen. Jeder hatte eine Beziehung um die er oder sie sich bemühte. Jeder kämpfte mit seinem persönlichen Leben. Zusammenhalt war zwar vorhanden, das bewiesen wir uns immer wieder. Zum Beispiel an Matts Geburtstag. Aber in all dem Leben leben schien wir nicht jeden zu beachten. Davis schien an uns durch das feinmaschige Netz unserer Freundschaft zu gleiten wie Wasser. Seine innerlichen Qualen hatte keiner wahr oder ernst genommen. Besonders hart traf das mich. Ich war sein bester Freund. Das dachte ich zumindest.
 

„Mensch ich bin echt gern für ihn da.", begann Wallace schließlich und seufzte. "Aber ihr müsst mich auch verstehen, wenn ich nach Davis' Kuss ein wenig neben mir stehe. Das kam so unerwartet, ich kann das einfach nicht in mein meinem Kopf mit Davis verknüpfen. Und der dreht ja des öfteren frei." Ich nickte ihm verständnisvoll zu, und entschied mich den Amerikaner in den Arm zu nehmen. Einfach so. Wallace erwiderte nah kurzem Zögern meine Geste und kicherte leicht.
 

„Wofür war die denn?", wollte er wissen als ich mich von ihm löste.
 

„Dafür, das du ihm keine rein gehauen hast...", murmelte ich kaum hörbar, aber er hatte mich verstanden. Er schüttelte enttäuscht den Kopf.
 

„Alter als wenn ich so was machen würde. Davis hat sich außerdem anschließend selbst k.o. gehauen." Wir lachten leicht als Yolei sich räusperte.
 

„Wollen wir ihm nicht beweisen was für gute Freunde wir sind und zu ihm gehen?", schlug sie vor und wir alle nickten. Wallace zückte einen Schokoriegel aus der Hosentasche und grinste.
 

„Schokolade macht doch glücklich."
 

Mit aufmunterndem Lächeln traten wir in Davis' Krankenzimmer ein, zusammen. Als Einheit. Ich spürte die Kraft die von uns ausging und genoss sie. Und auch Davis schien sie zu bemerken. Denn seine verzerrte Mimik änderte sich. Zu einem entschuldigendem Lächeln. Das brauchte er nicht. Wir hatten ihm nichts zu verzeihen. Eher uns. Die, die seine Freunde waren und ihm nicht zur Seite gestanden hatten. Das würde sich ändern.
 

„Du bist nicht alleine.", murmelte ich leise vor mich hin, während ich die anderen dabei beobachtete, wie sie Davis Mut zusprachen und seine Verletzung betrachteten. „Ganz bestimmt nicht."

Lieblingsmensch

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Veränderungen

Die Überraschung stand mir förmlich ins Gesicht geschrieben, als ich an diesem Samstag aus der Bahn stieg und Sayachi auf der anderen Seite des Bahngleises erkannte. Oder vielmehr das, was noch von ihr übrig geblieben war. Ihre dunkelbraunen Wellen waren nun nicht mal mehr halb so lang wie vorher und erstrahlten im knalligen blau. Das sonst sehr hochgeschlossene Outfit wurde durch eine ärmelose Bluse und einem ebenso blauem Rock wie ihr Haar ersetzt. Hatte Saya etwa eine Stilberatung gemacht und entschieden, dass komplette Gegenteil aus sich zu machen?
 

Nach unserem Gespräch in der Schule hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Ich war ihr vorher immer ausgewichen. Jetzt tat sie dasselbe mit mir. Ich hatte mal wieder zu viel auf einmal gewollt. Sie hatte gespürt, dass nochmal was mit Mimi gelaufen war. Was hatte ich auch erwartet? Saya war mindestens genauso schlau wie ich. Wenn nicht sogar schlauer. Das sie eins und eins zusammenzählen konnte, ohne das ich etwas sagte, war mir doch klar gewesen.
 

Alles was ich wollte war, dass alles wieder wie vorher war. Auch wenn das unmöglich war. In meiner jugendlichen Naivität wollte ich daran glauben. Ganz fest. Nur Sayachi schien einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. Und sich weiterzuentwickeln. Ich stand weiter auf meiner Eisplatte und schipperte auf ihr herum als wäre nichts gewesen. Dabei war eine Menge gewesen.

Um mich von all dem abzulenken war ich deshalb zu Sora und Matt gefahren, hatte drei Stunden Zugfahrt auf mich genommen. Unter dem Vorwand, mir die Wohnung ansehen zu wollen. Joe hatte sich ebenfalls angekündigt gehabt und war ein wenig später als ich eingetroffen. Mit spannendem Anhang. Zumindest für mich.
 

Als ich an dem noch zu gestellten Tisch in der Wohnküche der beiden saß und gerade log, wie toll ich die Wohnung fand - sie war schon schön aber ich wollte nicht über Wohnungen reden - klingelte es. Matt führte ebenfalls überrascht Joe herein, an seiner rechten Hand hing eine ganze zweite Person, die aufgeregt winkte. Eine Frau. Kurze dunkelblonde Haare die unter einer Mütze steckten. Lockere Kleidung, große Brille.
 

"Also sind die Gerüchte wahr...", murmelte ich zu Sora die mich nickend angrinste.
 

"Gerüchte?", wollte die mir noch unbekannte junge Dame wissen und ich wurde rot.
 

"Ha ha ja... es gab wohl so einige Spekulationen dir bezüglich...", erklärte Joe mit mahnendem Unterton, der uns anderen galt und ich fühlte mich schuldig. Auch ich hatte mich schwer getan zu glauben, dass auch Joe eine Freundin haben sollte. Obwohl gerade ich ja die Klappe halten sollte. Als ich damals mit Mimi zusammenkam fasste mir Tai an die Stirn und fragte ob ich noch in der realen Welt leben würde. Der hatte gut reden.
 

"So so... ich denke ich verstehe...", sagte sie uns musternd und blieb an mir hängen. Ja immer auf das schwächste Glied, genau.
 

"Dann will ich das Rätsel um mich mal lüften" Sie stellte sich breitbeinig hin und stemmte die Hände in die Hüpften. "Mein Name ist Azusa Yamamoto. Ihr könnt mich aber auch gern Zue nennen. Ich bin 20 Jahre alt und eine Kommilitonin von Joe. Na ja... und seit kurzem seine Freundin." Sora, unsere intern ernannte Mutter Teresa sprang auf, umarmte sie und hieß sie damit in unserer Gruppe willkommen.
 

"Freut mich dich kennen zu lernen. Ich habe schon einiges von dir gehört!" Sora strahlte über das ganze Gesicht. Sie freute sich immer über weiblichen Zuwachs. "Natürlich nur Gutes. Ich bin Sora, das da Hinten ist mein Freund Matt und das hier am Tisch ist Koushiro."
 

"Oder auch Izzy, falls du magst.", ergänzte ich und streckte meine Hand aus, die sie Augenbrauen hochziehend betrachtete.
 

„Aha, ein Händeschüttler...“, stellte sie fest und verunsicherte mich und meine eigentlich freundlich gemeinte Geste. Sie griff zum Glück noch zu, bevor es peinlich geworden. Noch peinlicher.
 

„Ich habe auch schon einiges von euch gehört. Zum Beispiel, dass ihr für gewöhnlich noch eine deutlich größere Truppe seid.“ Sora nickte und bot Zue an sich zu setzen, was sie dankend annahm und sich kurz umsehend an den Tisch begab.
 

„Die wirst du sicherlich auch noch alle kennenlernen, nicht wahr, Joe?“, neckte Sora den Blauhaarigen und stupste ihn in die Seite, damit er ein bestätigendes Geräusch von sich gab. Matt stand mit verschränkten Armen an der Küchenzeile und beobachtete wie immer erstmal alles aus der Ferne. Kluger Mann.
 

„Das will ich hoffen. Ich wurde lange genug versteckt.“ Zue lachte als Joe knallrot anlief und beschämend nach unten sah. Wir alle lachten bis er abwinkte.
 

„Mann darf ja wohl auch etwas Privatsphäre haben, ja? Ich wollte nicht gleich nach zwei Tagen zu euch rennen und euch von Zue erzählen...“, gestand Joe und setzte sich neben mich, nachdem er eine kleine Kiste von Stuhl auf den Boden gestellt hatte.
 

„Du hast meinen Vater noch am selben Abend kennengelernt.“, pi sackte ihn Zue und er schnaubte. Das war deutlich unterhaltsamer als meine trüben Gedanken zum Thema Sayachi. Sora stellte Tee auf den Tisch. Eistee. Keinen mit Liebe aufgekochten Tee. Sie schmollte.
 

„Wir haben noch keinen Wasserkocher...“, sagte sie leise mit einem hinweisenden Blick an Matt, der nur mit den Schultern zuckte.
 

„Sind wir schon so alt, dass wir hier ein Teekränzchen aufmachen müssen?“, grummelte er schnippisch und kassierte sofort einen bösen Blick seitens Sora. Ich seufzte.
 

„Ich habe gehört, dass einer eurer Freunde im Krankenhaus liegt. Geht es ihm besser?“, erkundigte sich Zue und meinte offensichtlich Davis. An dem Tag, an dem Wallace uns alle nacheinander anrief und berichtete, was passiert war, steckte ich knietief in einem Computer der Schule und konnte nicht weg. Sonst wäre das gesamte Schulnetz lahm gelegt worden. Doch auch ich wusste nicht ganz genau, wie und was mit Davis geschehen war. Wallace hatte sehr abgehetzt „Davis. Krankenhaus. Jetzt.“ gerufen und das war auch schon alles.
 

„Soweit ich weiß, wurde er wieder entlassen und muss seine Verletzung jetzt erstmal Zuhause auskurieren.“, erklärte Joe bevor Sora antworten konnte. Sie nickte schließlich und nippte an ihrem Tee.
 

„Der Ärmste. Ein Schlüsselbeinbruch ist echt unangenehm.“
 

„Ich glaube jeder Bruch ist unangenehm...“, hauchte ich für mich selbst, doch ich merkte schnell, dass Zue mich gehört hatte, weil sie mich mit einem teuflischen Grinsen ansah.
 

„Da hast du recht, Izzy...“ Wie sie meinen Namen betonte provozierte mich, aber ich war nicht schlagfertig genug, als das ich mich jetzt mit Joes Freundin anlegen wollte. Geschweige denn dass ich die Lust dazu hatte.

„Wie habt ihr beide zueinander gefunden?“, fragte Sora um die Stimmung wieder aufzuhellen, und Zue rückte ihre Brille zurecht, leicht rot werdend.
 

„Wir haben zusammen an einem Seminar für Anästhesiologie teilgenommen. Joe und ich kannten uns schon vorher aus Vorlesungen, aber in dem Seminar kamen wir dann auch ins Gespräch. Und dann haben wir an einem Projekt gearbeitet. Und dann kam es zum Abendessen und ja...“ Sie kicherte und Joe legte sein Gesicht in seine Hände, weil es ihm so unangenehm war. Dabei hatte sie gar nichts Schlimmes erzählt. Aber so war Joe nun mal.
 

„Anäs-was?“, fragte Matt und Sora boxte ihn in die Seite, bis er kichernd aufgab. Zue setzte ein sehr professionelles Lächeln auf und wandte sich zum Blonden um.
 

„In der Anästhesiologie befasst man sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen und der praktischen Anwendung von Narkoseverfahren, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie.“, erklärte sie und man konnte von Buchstabe zu Buchstabe erkennen wie sich die Augen von Matt immer mehr weiteten. Er hatte nicht mit einer Antwort gerechnet. Und schon gar nicht mit einer, die nur noch mehr Fragen aufwarf. Zumindest wirkte er nicht so, als hätte er etwas verstanden. Ich kicherte.
 

„Schon von gehört, Koushiro?“, stichelte Zue und ich erstickte fast an meiner eigenen Spucke. Jetzt machte ich große Augen. Die Frau war taff. Sehr taff. Zu taff für Joe, dachte ich. Ich schüttelte den Kopf, was sie mit einem selbstgefälligen Lächeln beantwortete.
 

„Zue... ärger doch nicht meine Freunde...“, bat Joe sie und ich flehte, dass sie dem nachkam. Aber irgendetwas sagte mir, dass das nicht passieren würde. Sie verdrehte die Augen.
 

„Fühlt sich hier jemand „geärgert“?“, hakte sie nach und wir anderen schüttelten hektisch die Köpfe. Ich konnte mit Intelligenz umgehen, aber nicht mit dieser bösartigen Ader, die in Zue floss. Vielleicht musste ich mich auch einfach erstmal an sie gewöhnen.
 

„Falls doch: Es tut mir leid, ehrlich!“
 

„Ach quatsch... Möchte jemand Kuchen?“, fragte Sora schnell und krallte sich in den Arm von Matt, der leidend die Mundwinkel nach unten zog.
 

„Aber wir haben doch gar keinen Kuchen...“, legte er mit gequälter Stimme nach und sie zog ihn zur Küchenzeile herüber, um mit ihm zu tuscheln. Zue seufzte und rieb sich die Druckstellen ihrer Brille an der Nase.
 

„Ich weiß, ich bin etwas forsch... Das tut mir echt leid... Ich wollte niemanden angehen...“ Sie sah zu mir und hatte das Gefühl, dass sie sich besonders bei mir entschuldigte. Ich nickte.
 

„Eigentlich bin ich derjenige mit den schnippischen Kommentaren. Aber du kannst den Platz gern haben, ich lege da keinen gehobenen Wert mehr drauf.“, entgegnete ich und sie lächelte erleichtert. Auch Joe seufzte zufrieden.
 

„Wir können uns den Platz auch teilen, Izzy. Neben mir ist sehr viel Platz!“
 

„Den Platz überlasse ich lieber Joe.“
 

„Lass den Jungen in Ruhe, Zue.“, murmelte Joe und ich sah ihn böse an. Junge. Ich war 17 und keine 7. In wenigen Wochen würde ich 18 werden. Wer war hier ein Junge?
 

„Izzy sieht mir zwar sehr jung aus, aber ich schätze mal das er die 18 auch schon erreicht hat.“, begann Zue und sah Joe tief in die Augen. „Du sollst Personen nicht immer nach ihrem Alter beurteilen, dass ist unhöflich.“
 

„17“ Zue sah verwundert über meinen Einwurf zu mir und wartete.
 

„Ich bin 17.“, ergänzte ich und sie gab ein „Ah!“ als Antwort.
 

„Da war ich ja gar nicht so weit weg. Und, mit 17 hast du doch bestimmt auch eine Freundin, oder?“ Und Katsching. Direkt in die Magenkuhle. Welche Geschichte wollte Zue wohl zuerst hören? Die, in der ich mit der Diva der Diven höchstpersönlich zusammen gewesen war, ehe ich in einem Anflug von Männlichkeit den Mut fasste und mit ihr Schluss gemacht hatte? Oder die in der ich mit meiner zweiten Freundin zwar glücklich gewesen war aber Freundin Nummer eins noch immer in unseren Hinterköpfen hin, bis Freundin zwei mit mir Schluss gemacht hatte, und ich mit Freundin Nummer eins noch einmal geschlafen habe. Um danach Freundin Nummer zwei wieder zurückgewinnen zu wollen. Ob Madame Oberschlau da durch stieg?
 

„Nee, bin Single.“, sagte ich stattdessen und hoffte, dass sie nicht weiter fragen würde. Ich kannte diese Dame erst eine halbe Stunde, dass musste sie nun wirklich noch nicht wissen. Zu meinem Glück hakte sie nicht nach.
 

„So was charmantes, und scheinbar schlaues Kerlchen wie du?“ Sie schien mir nicht zu glauben.
 

„Joe war auch sehr lange allein. Und ich würde mich jetzt nicht unbedingt über ihn stellen wollen.“ Zue lächelte, scheinbar endlich zufrieden mit meiner Reaktion. Was sollte das? War das ein Verhör? Und warum musste das immer mir passieren? Und warum brauchten Sora und Matt so lange um ihren nicht vorhandenen Kuchen zu holen?
 

„Ich muss dann langsam mal los...“, platzte es aus mir heraus und ich hatte prompt die gesamte Aufmerksamkeit aller anwesenden. Sora sah bedröppelt zu mir herüber, als ich mich an Joe vorbei schlängelte. Ich musste hier raus. Sofort. Ehe ich mich doch vor versammelter Manschaft auskotzte.
 

„Jetzt schon?“, fragte sie etwas traurig und ich grinste verlegen. Ich war vielleicht zwei Stunden da gewesen. Wenn man bedachte, dass ich gleich wieder drei Stunden Zug vor mir hatte, war das natürlich nichts.
 

„Ja... Ich habe vergessen, dass ich da noch diese Sache machen muss...“, erklärte ich und hörte Matt von hinten laut auflachen. Er hatte mich durchschaut. Aber ich wettete 200 Yen darauf, dass er mir am liebsten folgen wollte. Ich wusste aus zuversichtlichen Quellen, dass Matt Besuch nicht ausstehen konnte. Und schon gar nicht Besuch, den er nicht kannte. Ich streckte ihm also die Zunge heraus und umarmte Sora.
 

„Wolltest du nicht noch mit mir über irgendetwas reden?“, wollte sie wissen aber ich winkte ab. Natürlich wollte ich das, aber da wusste ich noch nicht, dass Joe kommen würde. Und Zue. Zu viel Publikum.
 

„Ich ruf dich die Tage einfach nochmal an. Das kann warten.“ Sie sah mich besorgt an.
 

„Hey komm schon... Matt geht auch Kuchen kaufen...“
 

„Ich werde was?“
 

„DU HOLST KUCHEN, LOS!“ Matt schmollte, griff sich seinen Hausschlüssel und folgte der „Bitte“ seiner Freundin fast auf Fuß.
 

„Nein, Leute. Echt. Ich muss gehen. Es war schön eure Wohnung zu sehen. Ich komme bald mal wieder... Oder ihr kommt mal herum.“ Sora ließ die Schultern fallen, während Matt triumphierend die Schlüssel wieder fallen ließ, seiner schmollenden Freundin die Schultern massierend.
 

„Pass auf dich auf, Kurzer.“, sagte er und grinste breit. Ich machte eine genervte Geste und winkte Zue und Joe zum Abschied.
 

„War schön die kennenzulernen, Koushiro!“, rief Zue bevor ich aus der Tür verschwand.
 

„Ganz meinerseits!“
 

Und jetzt, wo ich nach all der Fahrerei wieder in Tokyo angekommen am Bahngleis stand, da wünschte ich mir, ich hätte das Kuchenangebot doch angenommen.
 

Sayachi schien auf einen Zug zu warten. Sollte ich zu ihr herübergehen? Am Ende war sie es nicht mal, sondern nur eine perfekte Kopie von ihr mit blauen Haaren. Bevor ich mich schnurstracks meinen Gefühlen hingab und sowieso wieder auf sich zu rannte, wie ein Hund einem Leckerli beschloss ich, die Situation erst einmal zu beobachten. Am Ende war sie es wirklich nicht.

Doch je näher ich kam, desto deutlicher erkannte ich diese Haselnussbraunen Augen, die nur Sayachis sein konnten. Die blasse Haut, die nur Sayachis sein konnte. Dieser unruhige Gesichtsausdruck, der nur Sayachis sein konnte. Diese Körperhaltung, die nur Sayachis sein konnte. Sie war es. Kein Zweifel.
 

Ihre suchenden Augen sahen in meine Richtung und ihr Kiefer klappte nach unten. Unsicher sah sie hin und her. Jetzt war ich mir hundertprozentig sicher, dass sie es war. Ich winkte zögernd, und sie tat es mir gleich, nein, sie winkte mich zu sich heran. Verwundert kam ich auf sie zu. Langsam.
 

„Koushiro!“, rief sie mit zittriger Stimme, durch ihre blauen Haare fahrend. Ich lächelte nervös.
 

„Neue Frisur!“, bemerkte ich und sie lächelte verlegen.
 

„Ja... Ich brauchte mal eine Veränderung...“
 

„Veränderungen sind gut...“
 

„Findest du?“ Wir sahen uns einen Moment an ehe ich antworten konnte.
 

„Ja...“ Sie kicherte zufrieden und sah zurück zur Anzeigetafel des Gleises.
 

„Wo willst du hin, wenn ich fragen darf?“
 

„Ich besuche heute meine Großeltern. Die wohnen etwas außerhalb.“, erklärte, ihre Haare zwirbelnd. Ich lächelte nickend. Davon hatte sie mir mal erzählt.
 

„Dann... wünsche ich dir eine schöne Zeit mit ihnen... Wir... sehen uns ja dann...“
 

„Morgen vielleicht?“, unterbrach sie mich und verlernte für eine Sekunde wie man atmete. Fragte sie mich da gerade wirklich, ob wir uns treffen könnten? Mein Herz explodierte, mein Blut kochte, meine Finger vibrierten. Ich schluckte.
 

„Nur wenn du Zeit hast, natürlich...“ Sie lächelte hochroten Kopfes und ich tat es ihr gleich. Wie sehr hatte ich mir diesen Moment wieder herbei gesehnt. Zeit mit Sayachi verbringen. Das war alles, was ich wollte. Gut, dass ich den Kuchen doch abgelehnt hatte.
 

„Na klar. Du kennst mich doch... Was soll ich schon vorhaben...“, erklärte ich mit versuchter Coolness, die mir instant im Hals stecken blieb. „Also... du weißt schon, was ich meine...“ Sie kicherte.
 

„Ich kann dich heute Abend, wenn ich zurück bin, ja nochmal anrufen, was meinst du?“ Freudig erregt nickte ich und sie lachte, wahrscheinlich weil ich wieder typisch Koushiro wie ein völliger Trottel da stand. Mein Herz schmolz dahin, als ihr süßes Lachen in meinem Ohr erklang. Gott, wie ich es vermisst hatte.
 

„Dann ist das also abgemacht.“, sagte sie, und wir hörten die Durchsage für den Zug, den sie scheinbar nehmen musste. Ich nutzte die Gelegenheit und umarmte sie kurz, was sie erwiderte.
 

„Ich freue mich...“, murmelte ich und hoffte, dass sie es gehört hatte. Sie winkte und stieg in ihren Zug ein. Zurück blieb ich, mit neu aufkeimenden Hoffnungen, dass zwischen mir und Sayachi nun doch noch alles gut werden könnte.

Ein Wunsch bleibt ein Wunsch

„Man, wenn du wissen willst, wie es bei den Beiden aussieht, dann fahr halt selber hin.“, maulte ich meinen Bruder an, der vor mir mit einer Schüssel Cornflakes saß und mir Löcher in den Bauch fragte. Über Soras und Matts Wohnung. Tai weigerte sich strickt, drei Stunden nach Nagoya zu fahren. Und das war nur die Zugvariante. Das T.K. und ich, samt T.K.s Eltern, Soras Eltern, Sora und Matt fast 5 Stunden hin und ohne die beiden wieder zurück 5 Stunden mit dem Auto gefahren waren, ließ ich an dieser Stelle mal unter den Tisch fallen. Fünf. Stunden. Hin. Und. Zurück. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich nach so einen Tag tot in der Ecke gelegen hatte. Und das hatte ich auch noch zwei Tage später gespürt. Das mein Bruder jetzt essend vor mir saß, brachte die Übelkeit in mir zurück, die sich während der Rückfahrt in mir aufgetaut hatte. Ich war T.K.s Mutter überaus dankbar, dass wir nach der Hälfte eine Pause gemacht hatten. Sonst hätte ich ihr in den Wagen gekotzt.
 

Eins war sicher: So schnell würde ich die beiden nicht besuchen. Und wenn doch, dann würde ich mit dem Zug fahren. Wahrscheinlich war sogar Fliegen eine bessere Variante.
 

Auch T.K. ließ nichts von sich hören. Der lag bestimmt auch noch erschlagen im Bett. Er vertrug lange Fahrten fast noch schlechter als ich. Aber wir mussten ja unbedingt mitfahren. Das war seine eigene Idee. Und ich hatte mich drauf eingelassen. Dumme, dumme Kari.
 

„Wieso sollte ich 3 Stunden mit dem Zug fahren? Sollen die doch hier herkommen. Wer wegzieht, kann auch zu seinen Freunden fahren. Wir sind hier ja schließlich auch in der Überzahl.“, entgegnete Tai und schob sich einen überlaufenden Löffel Cornflakes in den Mund. Ich verzog angewidert das Gesicht.
 

„Sagte der Typ, der noch groß herumgeschrien hat, er würde ganz bald zu Sora fliegen und sie besuchen.“, witzelte ich und bekam eine ausgestreckte Zunge, samt Essensresten, als Antwort. Ich verdrehte die Augen. „Werd erwachsen.“
 

„Sag mir nicht, was ich tun soll!“ Er streckte den Löffel in meiner Richtung aus und ich zuckte zusammen, als mich ein Tropfen Milch traf. Na vielen Dank auch. Genervt schaute ich ihn an. Taichi grinste.
 

„Sorry.“
 

„Du mich auch.“
 

„Du bist so gereizt. Hast du deine Tage?“
 

„TAICHI!“
 

„Ist ja gut...“ Er stellte seine Schüssel auf meinen Schreibtisch ab und kniete sich vor mir auf den Boden, um seinen Kopf auf meine Beine zu legen. Wie eine Katze. Eine sehr große Katze. Genauso saßen wir öfter bei einander. Zumindest hatten wir das. Seitdem Taichi sich vermehrt mit Mimi traf, hatten wir weniger Geschwistermomente wie diese. Ich freute mich riesig für ihn, dass er und Mimi langsam zarte Bande knüpften. Aber ein bisschen vermisste ich meinen Bruder, der in den unpassendsten Momenten überhaupt in mein Zimmer platzte, mich zu laberte. Ein bisschen sehr.
 

"Wie läuft es eigentlich mit Mimi?", fragte ich vermeidlich neugierig. Vielmehr hatte ich Angst um meinen naiven Bruder. Er hatte schließlich vorher nie Dates mit Frauen gehabt. Und schon gar nicht mit welchen wie Mimi. Da musste ich als kleine Schwester doch ein Auge drauf haben.
 

"Wir waren gestern im Kino und danach was essen.", berichtete er leicht schwärmend und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Taichi war echt verschossen. Halleluja. Mein großer Bruder konnte noch was anderes außer Fußball mögen. Ihr könnt euch sicherlich auch vorstellen wie groß die Erleichterung bei unseren Eltern waren. Denen war es egal was oder wen Tai mit nach Hause brachte, nur sollte er es um ihres Herzens Willen doch bitte endlich machen. Und jetzt holte Taichi eben seine Pubertät nach und hatte eine Beziehung zu einem echten Mädchen.
 

"Wenn ich den Jungen jetzt noch in eine Ausbildung oder ein Studium kriege, bin ich der glücklichste Vater auf der Welt!", rief Papa erst kürzlich am Esstisch, als Tai gerade berichtet hatte, das er sich mit Mimi traf. Tai hatte daraufhin nur in seinen nicht vorhandenen Bart gemurmelt.
 

"Seid ihr denn jetzt zusammen?", hakte ich nach, weil Tai nie ganz offiziell behauptete der Freund von Mimi zu sein. Er zuckte mit den Schultern.
 

"Wir lassen das auf uns zukommen.", meinte er, während ich über seine Haare strich als würde ich eine Katze streicheln.
 

"Aber sag mal mein liebes Schwesterlein", begann er und schaute zu mir auf. "was ist denn mit dir und T.K.? Du erzählst mir nie was bei euch so geht." Ich schluckte. Nicht, das es nicht gut laufen würde. Im Gegenteil. Es könnte wohl nicht besser gehen. Doch seit wir Sora und Matt in ihrer Wohnung dabei gesehen hatten wie sie... na ja... Spaß hatten konnte ich nicht aufhören daran zu denken. Also nicht an die beiden sondern daran, wie es wohl mit jemanden... Spaß zu haben. Ich wollte auch Spaß haben. Glaubte ich zumindest. T.K. und ich hatten noch nicht miteinander geschlafen. Weder er noch ich hatten das bislang zur Sprache gebracht. Rumgeknutscht hatten wir. Rumgemacht hatten wir. Aber wir waren nie weiter gegangen. Und keiner von uns beiden hatte es versucht. Vielleicht auch, weil weder Takeru noch ich wussten wie es ging. Weitermachen.
 

"Madame Yagami, sind sie noch da?" Ich zuckte zusammen. Ich nickte.
 

"Ich führe eine zufriedenstellende Beziehung."
 

"Wow. Das klingt nach einer Schulnote für eine verschissene Klausur."
 

"Tai!" Ich schubste ihn von meinen Knien runter und mein Bruder fand sich auf dem Teppichboden wieder, grinsend.
 

"Ist doch wahr. Kari was ist denn da los?" Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her, immer nervöser werdend. Tai bemerkte das schnell und richtete sich wieder auf. Seinen Hände auf meine legend lächelte er mich an.
 

"Ich bin vielleicht kein Experte was Beziehungen angeht, aber du kannst mir trotzdem alles sagen. Das weißt du doch." Ich nickte seufzend und ließ den Kopf hängen. Ich musste mit jemanden sprechen. Und wenn schon nicht mit Sora dann wenigstens mit meinem Bruder. Mit ihm hatte ich bis jetzt schließlich immer alles geteilt.
 

"Ich würde... gern mit Takeru..." Ich stockte aber in Taichis Augen sah ich, das er mich zum Glück bereits verstanden hatte. Er legte den Kopf schief und musterte mich. Mit diesem Blick, den große Brüder aufsetzen, wenn sie ihren jüngeren Geschwistern eine Weisheit fürs Leben auftischen wollten. Nur das Tai selten Weisheiten von sich gab. Eher das Gegenteil. Aber ich schätze es trotz alldem sehr, das er sich bemühte.
 

"Ich entnehme diesem Satz, dass du noch nicht mit T.K. darüber gesprochen hast?", fragte er und ich schüttelte den Kopf.
 

"Wie auch? Ich traue mich ja nicht mal den ganzen Satz auszusprechen...", erklärte ich mit zittriger Stimme. Tai tätschelte meine Hand.
 

"Setz' dich doch nicht so unter Druck. Lass es auf dich zukommen und..."
 

"Das hat Sora auch schon gesagt und ich bin es leid zu warten!", platzte es aus mir heraus. Tai sah mich überrascht an. Ich biss mir in die Innenseiten meiner Wangen, weil ich so laut geworden war. Ich wollte meinen Bruder ja nicht anschreien. Ich war nur so frustriert. So unendlich ungeduldig.
 

"Sora hm...?" Beleidigt schob er seine Unterlippe nach vorne und ich stöhnte. Weil Tai mal wieder das Wesentliche aus den Augen verlor.
 

"Schon gut... Aber was willst du denn hören, Kari?", fing er wieder an und schaute mir intensivst in die Augen. Ich zuckte mit den Schultern. Woher sollte ich das wissen?
 

"Soll ich mit T.K. reden?"
 

"Untersteh' dich!"
 

"Soll ich euch beide solange in einen Raum sperren, bis ihr miteinander geschlafen habt?"
 

"Nein!!!"
 

Erschöpft lehnte sich Tai zurück und sah mich müde an. Ich rutschte zu ihm auf den Boden, und rollte mich in seinem Schoß zusammen. Er strich mir mitfühlend über das Haar. Mir kamen die Tränen. Ich hasste alles.
 

"Karilein, ich weiß wie es dir geht. Aber du darfst das nicht erzwingen. Das solltest du auch nicht planen oder so was. Wie willst du es denn dann genießen? Und noch etwas." Tai beugte sich zu mir herunter und drückte mir einen brüderlichen Kuss auf die Wange. "Rede mit Takeru. Das ist ein Ding zwischen dir und ihm."
 

Und das hatte ich vor. Nachdem Tai zu Mimi und meine Eltern zu meiner Oma gefahren waren wählte ich seine Nummer. Ich war so nervös, dass ich das Handy beinahe zu Boden fallen ließ. Es dauerte bis er sich meldete. Zu lange.
 

"Na endlich!", rief ich als ich endlich seine Stimme hörte.
 

"Na endlich? Hetzen Sie mich mal nicht so junge Dame...", murrte er und ich spürte, dass er noch immer angeschlagen war. Er klang abgekämpft. Wohl doch keine gute Idee ihn anzurufen.
 

"Sorry... war nicht so gemeint... Aber ich habe dich vermisst..." Takeru schnaubte und schien sich den Geräuschen nach anders zu positionieren.
 

"Klingt so als seist du noch nicht fit."
 

"Ach... ein Indianer kennt keinen Schmerz. .. Wie geht's denn meiner Herzensdame?" Das Blut schoss mir ins Gesicht und mein Herz begann zu rasen. Auch wenn er das nicht sah, war mir das unangenehm. Zu erröten.
 

"Gut. Besser. Wenn du magst kann ich vorbeikommen und ein wenig Krankenschwester spielen?" Gekonnt überspielte ich meine Nervosität, abgesehen davon sprach ich hier ja schließlich auch mit meinem Freund und nicht mit einem Lehrer. Toller Vergleich.
 

"Nur im entsprechendem Outfit, bitte.", scherzte er und ich grummelte. Wer wieder solche Scherze machen konnte, dem ging es eindeutig schon wieder gut. Zu gut.
 

"Karneval ist vorbei, mein Liebster." T.k. gab ein trauriges Geräusch von sich. "Du musst mich nehmen wie ich bin." T.K. kicherte und mir gefror das Blut in den Adern. Was hatte ich da gerade gesagt? Wenn T.K. wüsste wie viel Wahrheit und Wunschdenken dahinter steckte.
 

"Ich nehm dich immer so wie du bist... Also du weißt schon wie ich das meine..." Wusste ich das? Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte cool zu bleiben.
 

"Schwester Kari macht sich dann jetzt auf den Weg.", sagte ich und ignorierte die vermeidliche Anspielung. Stille.
 

"Patient T.K. wartet gespannt."
 

Und dann saß ich dort, auf seinem Bett, im Schneidersitz. T.K. war blasser als eine weiße Wand. Er lag schmollend in seiner Bettdecke eingewickelt und rollte hin und her. Ich seufzte und streichelte ihm über den Rücken, wenn er sich wieder von mir wegdrehte.
 

„Soll ich dir noch einen Tee machen?“
 

„Du sollst mich umarmen.“
 

„Ich liebe es, wenn du mich herumkommandierst.“ Er sah mich aus halb geöffneten Augen an und grinste. Ich streckte ihm lediglich die Zunge raus. Doch dann beugte ich mich meinem Schicksal, legte mich zu ihm. Doch anstatt das ich ihn umarmte, legte er seine Arme um mich, und zog mich ganz eng an seinen Körper. Er war warm. Sehr warm. Durch seine Bettdecke aufgewärmt. Aber es fühlte sich wunderbar an. Ich liebte das Gefühl, wenn man unter eine bereits vorgewärmte Decke kroch. Dieser leichte Schauer der meine Haut überfuhr war mit nichts zu vergleichen. T.K. seufzte zufrieden, holte tief Luft und hauchte mir in den Nacken.
 

„Ist bei dir wirklich alles okay, K?", murmelte er in mein Haar, meine Schulter streichelnd, und schreckte mich auf. Gerade hatte ich mich noch so super wohl gefühlt. Jetzt stieg wieder dieses Unbehagen in mir auf, diese Ungewissheit. Dabei war es vielmehr ein Wunsch.
 

„Wieso fragst du?"
 

„Weil ich spüren kann, das dir etwas auf der Seele brennt. Und du sprichst nicht darüber. Das machst du immer, wenn dich etwas schwer beschäftigt." Ich schnaubte.
 

„Hör auf in meinen Kopf zu gucken!"
 

T.K. bewegte sich und stützte sich auf seinen linken Arm, damit er auf mich herabschauen konnte. Er grinste frech. Ich schmollte betroffen.
 

„Das ist aber mein Job. Ich bin dein Freund."
 

Eine Weile sahen wir uns an. T.K. wartete geduldig auf meine Antwort. Und ich haderte. So wie er jetzt über mich gebeugt lag, mich mit seinen Himmelblauen Augen so voller Ruhe ansah und diesem süßen Lächeln auf den Lippen. So sollte es doch anfangen. Das könnte der Moment sein. Mein Herz schlug schneller und mein Atem beschleunigte, als ich T.K. ansah. Er zog fragend die Augenbrauen hoch und schien das erste Mal seit langem nicht zu durchschauen, was in mir vorging.
 

„Kari? Redest du nicht mehr mit mir?“ In meiner Unbeholfenheit griff ich nach seiner anderen Hand, umschloss sie fest mit meinen eigenen und presste sie gegen mein Schlüsselbein. Tief Luft holen, dachte ich. Atmen nicht vergessen.
 

„Ich...“, stotterte ich, sah zu ihm und dann wieder weg, nur um dann wieder zu ihm zu sehen. Mittlerweile wirkte T.K. besorgt.
 

„Du?“
 

„Ich...“
 

„Du...?“
 

„Ich....“ T.K. befreite seine Hand und legte sie seufzend auf meinen Mund. Dann, ganz langsam, kam er näher und küsste meine Stirn. Mir wurde ganz heiß bei seiner sachten Berührung, obwohl es doof gesagt nur ein Kuss war. Mit geschlossenen Augen sog die Luft scharf ein und genoss seinen Duft in meiner Nase. Fast wie benebelt schlug ich meine Lider wieder auf und sah wie Takeru nur wenige Millimeter über mir war, seine tiefblauen Augen auf meine fokussiert. Mein Herz schlug mir mittlerweile bis zum Hals, meine Brust schmerzte förmlich vor Verlangen nach dem, was wir noch nie getan hatten. Und gerade jetzt könnte es doch geschehen. So, wie wir übereinander hingen. Nur eine Nasenspitze von einander entfernt. Uns sehnsüchtig ansehend. Er nahm seine Hand wieder weg und strich mit seinen Lippen über meine. Zufrieden atmete ich aus.
 

„Wenn du es nicht sagen kannst, lass Taten sprechen.“, murmelte er und küsste mich lange und intensiv und es fühlte sich an wie eine wundervolle Ewigkeit in der ich meine Unsicherheit zu vergessen begann und Mut gewann. Er wollte wissen was mich beschäftigte, und ich konnte es nicht sagen. Also sollte ich es zeigen. Und das würde ich.
 

„Okay...“, hauchte ich, als er den Kuss löste und mich neugierig ansah. Ich umfasste sein Gesicht mit meinen Händen und zog es wieder ganz dicht an meines, drückte meins dagegen und täuschte einen Kuss an, was er mit einem erfreutem Gurren beantwortete. Doch statt ihn zu küssen schob ich den Blonden so von mir, dass er sich auf seinem Rücken wiederfand. Verwundert sah er zu auf. Lächelnd aber zögerlich fuhren meine Fingerspitzen über sein T-Shirt herauf zu seinen Schultern, ich beugte mich vor und küsste ihn dieses Mal wirklich. Innig. Leidenschaftlich. Keuchend. All meine Gefühle flossen in diesen Kuss. Ich ließ es einfach geschehen. So wie Tai es gesagt hatte. So wie Sora es gesagt hatte. Kein Plan. Einfach machen.
 

T.K. stieg erst unsicher ein, fand aber schnell in dieselbe Extase wie ich und ließ seine Hände ebenfalls auf Erkundungstour an meinem Körper gehen. Mutig fuhr ich unter sein T-Shirt und strich über seinen Oberkörper. Mir war fast als könnte ich sein klopfendes Herz unter meinen Fingern spüren. T.K atmete schwer aus, als ich mich von ihm löste, um meine Bluse zu öffnen. Bei den unteren Knöpfen löste er mich zitternd ab – nicht vor Unsicherheit wohl gemerkt. Das konnte ich unter meinem Schoß spüren, wenn ihr versteht was ich meinte. Ich spürte wie sich die Hitze in mir in jede Faser meines Körpers ausweitete, als ich instinktiv seine Hände an meinem Bauch entlang aufwärts navigierte und dort gegen meine Brüste presste. Wir beide keuchten auf, mein drastischer Schritt hatte uns wohl meine überrascht.
 

Takeru rutschte unter mir weg und setzte sich mir gegenüber, während er die Bluse von meinen Schultern strich und mich am Hals entlang küsste. Seine Hände wanderten zu meinen Hüpften, über meinen Po, meine Beine entlang. Seufzend krallte ich in sein T-Shirt und küsste ihn abermals, ehe er das lästige Stück Stoff endlich von sich streifte. Wir rückten enger aneinander, und pressten unseren Körper Haut an Haut. Bloß keine Lücke. Wir wollten jede Atmung, jeden Puls von einander spüren, erleben. Unsere Hände jeden Winkel des Körpers des anderen erkunden, fühlen. Stöhnend küssten wir uns, ehe T.K. an meiner Hose nestelte und mit bebenden Händen den Stoff von meinen Beinen zog. Es war soweit. Ich war bereit. Er war bereit. Ich spürte es. Die Hitze. Die Spannung. Die Liebe. Das Verlangen.
 

Ich zog ihn gierig zu mir, umschlang seine Hüften mit meinen Beinen und drückte ihn eng an mich, spürte seine Erregung und keuchte laut auf. Takeru biss sich in meinen Hals fest, krallte sich in meinen Haaren fest und hauchte mir schwer atmend ins Ohr. Das passierte wirklich. Ich platzte vor Freude. Doch dann, aus heiterem Himmel, hörte T.K. auf. Einfach so. Sein Körper erschlafte auf mir, und er keuchte erschöpft.
 

„Ich... kann das nicht.“, murmelte er immer wieder, setzte sich auf und griff sich an die Stirn. Meine Welt brach zusammen. Mein Magen verkrampfte sich, und ich legte beschämt die Hände über meinen nackten Körper. Ich fühlte mich gar nicht mehr so toll. Nein, im Gegenteil. Ich fühlte mich widerlich.
 

„Du... kannst das nicht?“, brachte ich heraus und ich glaubte das man mir das Herz herausgerissen hätte. Ich rollte mich auf die Seite, zog die Beine ans Kinn und wartete auf einen schnellen und schmerzfreien Tod. Das schien mir passend. T.K. versuchte mich zu berühren, doch ich schlug seine Hand weg. Nach so einem Satz wollte ich garantiert nicht wieder angefasst werden. Nie wieder wollte ich irgendwas.
 

„Das... hat nichts mit dir zu tun ich... ich bin glaub ich einfach noch nicht fit...“
 

„Aber mit mir hier rummachen, dass kannst du gerade noch so?“, rief ich und merkte, wie mir die Tränen herunterliefen, als ich aufschnellte und meine Klamotten aufsammelte. Irgendwie schaffte ich es in meine Hose und in meine Bluse, die ich nur halbherzig zu knüpfte. T.K. versuchte ebenfalls aufzustehen und mich aufzuhalten, stolperte allerdings unbeholfen in seinem Zimmer herum.
 

„Kari... es tut mir leid. Wirklich... Das kommt ganz falsch rüber... Mir geht’s wirklich beschissen-“
 

„Danke, ich habe verstanden.“, unterbrach ich ihn und schlüpfte ihn ignorierend in meine Schuhe, schnappte mir meine Jacke und torkelte in den dunklen Flur. T.K. war direkt hinter mir, griff immer wieder nach mir, aber ich schüttelte ihn genauso oft wieder ab. Ich wollte nicht reden. Ich war zu verletzt. Zu enttäuscht. Zu verheult. Ich wollte nur noch schreien. Wie dämlich war ich gewesen, dass ich gehofft hatte, wir würden endlich miteinander schlafen. Ich fühlte mich furchtbar. Das war das Schlimmste, was mir wohl je passiert war. Vom eigenen Freund abgewiesen zu werden.

Mit seinen Versuchen, mit mir zu sprechen, ignorierte ich auch seine Gefühle. Seine Verletztheit. Seine Enttäuschung. Egoistisch, so wie ich in diese Aktion gestartet war, ging ich auch. Ich ließ ihn zurück. Ging einfach. Er lief mir bis zum Haus eigenen Aufzug nach, blieb dann stehen und sah mich verzweifelt an. Aber ich konnte nicht über meinen Schatten springen. Stur stieg ich in den Fahrstuhl und fuhr hinab in die Hölle des Lebens.

Wahre Stärken

Es war tatsächlich wahr. Das hier war echt. Joe Kido war der feste Freund von jemandem. Wenn ich schlafen sollte, dann wollte ich auf keinen Fall geweckt werden. Niemals. Zue war vielleicht nicht unbedingt die Art von Frau, die man sich an meiner Seite vorgestellt hätte. Vorlaut. Gewitzt. Wirklich schlau. Aber aus irgendeinem Grund mochte mich diese Frau. Anscheinend besaß ich doch so was wie Charme. Ich war schließlich zu einen großen, wenn auch dürren Mann herangewachsen. Meine Haltung hatte sich über die letzten Jahre deutlich gebessert. Auch mein Selbstbewusstsein war gestiegen. Nicht viel, aber es reichte um durch den Tag zu kommen.
 

Zue war nicht nur meine Freundin sondern seit neuestem auch meine ganz persönliche Nachhilfelehrerin. Zumindest hoffte ich das. Und nein damit meinte ich nicht das, was ihr nun denken mögt. Ihr müsstet mich mittlerweile kennen. Bei mir ging es nur ums Lernen. Auch Zue staunte nicht schlecht, als ich sie zu mir einlud. Zum Lernen. Sie hatte es ebenfalls fehlinterpretiert. Sie musste noch so einiges über mich lernen.
 

„Nee, jetzt echt?", fragte sie mich verdutzt als ich meine Bücher heraus kramte und mit bunten Tape markierte Seiten aufschlug. „Du willst doch nicht etwa wirklich, das ich dir bei dem Stoff helfe?"
 

„Doch.", antwortete ich platt und reichte ihr ein Medizinbuch zum menschlichen Knochenbau. Sie funkelte mich wütend über die Ränder ihrer Brille an, was mich nervös werden ließ. Zue ließ das Buch auf meine Füße fallen und schnaufte als ich Schmerz verzerrt quiekte.
 

„Joe, ich weiß ja, das dir da oben ein paar Tassen fehlen. Aber eine Frau zu sich einzuladen, unter dem vermeidlichen Vorwand mit ihr lernen zu wollen und dann wirklich mit ihr zu lernen... Das ist einfach nur schräg..." Ich sah ein, dass mein Plan keinen Anklang fand und warf die Bücher laut lachend auf den Boden. Dann musste ich wohl meinen Pflichten als Freund nachkommen.
 

„Hast du wirklich geglaubt ich würde mit dir lernen wollen? Ha ha, da habe ich sich aber reingelegt, was?" Ich versuchte glaubwürdig zu wirken. Damit mir meine erste Freundin nicht gleich wieder weg rannte, weil ich so ein lernbessener Mensch war. Sie sah mich allerdings wenig überzeugt an uns stemmte die Hände in die Hüpften.
 

„Joe verspreche mir bitte eins: Wenn es mit Medizin nicht klappen sollte, dann werde bitte kein Schauspieler.", meinte sie und nahm ihre Tasche. Das Warnsignal verstehend sprang ich auf und griff nach ihrer Hand.
 

„Geh nicht. Ich hab´s nicht so gemeint. Echt. Guck ich habe doch schon alle Bücher weggelegt!" Zue seufzte und drücken mir einen Kuss auf die Wange.
 

„Ich kenne dich Joe. Dein Lerndrang ist dadurch noch lange nicht weg. Ruf mich an, wenn du Lust auf was anderes außer Papier hast.", sagte sie und verschwand.
 

Zue hatte die unsagbare Macht mich mit ihrer taffen Art sofort in den kleinen unbeholfenen Jungen zu verwandeln, der ich doch gar nicht mehr sein wollte. Ich war doch erwachsen. Gereift. Nicht mehr der Typ der am liebsten weg rannte. An sicheren Orten verblieb.
 

Manchmal fragte ich mich in stillen Momenten, ob Zue die richtige Frau für jemanden wie mich war. Einen im Büffeln versinkenden Möchtegern-Arzt. Vielleicht war ich auch einfach nur der Falsche für sie. Ich war nicht taff. Ich war nicht forsch. Und offensichtlich verstand ich unter Lernen etwas komplett anderes als sie. Oder als jeder andere auf diesem Planeten.
 

Zue lugte wieder ins Zimmer und meine Mimik erhellte sich sofort, als sie mir schmollend entgegen sah.
 

„Du rennst mir ja nicht mal hinterher! Mensch Joe, daran müssen wir noch arbeiten!", stellte sie fest und zog mich raus in den Flur.
 

„W-was hast du vor?" Sie lachte laut uns Furcht einflößend während sie auf meine Jacke und Schuhe zeigte.
 

„Komm du Bücherwurm. Wenn ich schon nicht erfahre, was sich unter deinem dicken Pullunder befindet, kannst du wenigstens mit mir rausgehen. Und mir einen Kaffee ausgeben!" Besiegt aber zufrieden folgte ich ihrer Aufforderung und schlüpfte in Jacke und Schuhe und verließ die Wohnung samt Schlüssel und Handy. Und Zue natürlich.
 

Auch wenn wir beide wohl grundverschieden waren, so genoss ich doch sehr ihre Anwesenheit. Klar, sonst wäre ich ja auch nicht mit ihr zusammen. Sie brachte Farbe in mein trübes Einsiedler-Dasein. Nicht das ich mich nicht mit meinen Freunden traf oder sie nicht auch mein Leben erhellen würden. Aber Zue tat das auf einer anderen Ebene. Auf der Herz Ebene.
 

Noch vor einiger Zeit hatte ich Mimi darum gebeten, mir zu zeigen, wie man Frauen ansprach. Noch vor einigen Wochen war ich deprimiert in meinem Zimmer über meinen Büchern eingeschlafen, weil ich mich so alleine fühlte. Und dann brauchte es ein Seminar und ich kam dieser vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden Frau näher, die eigentlich schon seit Ewigkeiten in den verschiedensten Vorlesungen hinter, neben oder vor mir gesessen hatte. Als ob das ein Wink des Schicksals sein sollte.
 

Zue blieb abrupt stehen und sah zu einem Leuchtschild auf, auf dem in auf dem in dick umrandeten, schwungvollen Buchstaben "Bowling Bahn" stand. Ich ahnte schon, was nun kommen würde.
 

„Lass uns doch eine Runde spielen!", rief sie begeistert und zog am Ärmel meiner Jacke und ich seufzte.
 

„Ich kann nicht bowlen.", gestand ich und wusste, dass ich keine Chance hatte dieser sportlichen Aktivität zu entkommen. Ich sah es in ihren Augen.
 

„Siehst du Joe, das ist dein Problem. Du sagst immer du kannst dies nicht und das nicht... Kein Wunder das dein Selbstbewusstsein die Größe einer Erdnuss hat!" Empört zog ich meinen Kopf ein und sah von ihr ab. Erdnuss hm? Na vielen Dank auch. Sie lachte.
 

„Komm schon Schmollbacke. So zeigst du mir nur, das ich recht habe! Beweise mir doch mal das Gegenteil!" Noch immer geknickt wegen ihrer Äußerung wandte ich mich wieder zu Zue um. Ihre großen, grau-grünen Augen sahen mich erwartungsvoll an. Und dann gab ich wieder nach, lächelte.
 

„Okay, okay... Lass uns spielen gehen."
 

„Juhu!!! Ich zeig dir was eine Harke ist, mein Lieber haha..." Gerade als ich mich von meiner Freundin in das bunt blinkende Gebäude ziehen lassen wollte fiel mir eine wankende, mir durchaus gut bekannte Brünette ins Auge. Kari. Sie war nur wenige Meter von mir entfernt aus einem Bus ausgestiegen, offensichtlich zerstreut mit wirren Haaren und falsch zusammen geknüpfte Bluse. Furcht breitete sich in mir aus als ich abrupt stehen bleibend das sich mir bietende Bild begutachtete. Kari sah vollkommen fertig aus, schien mich auch nicht gesehen zu haben.
 

„Was hast du denn?", wollte Zue wissen. Sie kannte Kari noch nicht und war aus gutem Grund verdutzt.
 

„Gib mir mal eine Minute... Das da drüben ist eine gute Freundin von mir." Ich zeigte auf das Häufchen Elend das sich weinend von der Bushaltestelle entfernte.
 

„DAS ist eine gute Freundin von dir?"
 

„Zue... bitte. Ich will nur schnell schauen, ob sie okay ist..."
 

„Na offensichtlich ja nicht. Los geh schon hin, bevor sie noch vor ein Auto läuft!"
 

Mit großen Schritten holte ich Kari ein und tippte ihr vorsichtig auf die Schulter. Erschrocken wirbelte sie herum und sah mich mit ihren traurigen, braunen Augen an. Ich schluckte.
 

„Joe...?"
 

„Hey..." Sie wischte sich mit dem dem Ärmel ihrer Bluse über ihre Augen und versuchte zu lächeln.
 

„Was machst du denn hier?"
 

„Ich bin mit meiner Freundin unterwegs. ..", erklärte ich ruhig und wies unauffällig auf Zue die uns nervös beobachtete. Kari nickte und winkte ihr zu.
 

„Das ist sie also, ja? Hab´ schon davon gehört... Freue mich sehr für dich...", hauchte sie und verschränkte frierend ihre Arme vor der Brust. Ohne zu zögern zog ich meine Jacke aus und legte sie um die zierlichen Schultern Karis. Sie schaute erst verwundert zu mir auf ehe sie ein leises Danke herausbrachte.
 

„Was machst du denn hier draußen in der Kälte ohne Jacke?" Sie zuckte mit den Schultern und signalisierte mir damit, das sie nicht besonders scharf darauf war, darüber zu sprechen.
 

„Vor meinem Leben flüchten...“, murmelte sie deutlich betroffen. Mein Herz wurde ganz schwer bei dem Anblick der Kleinen, die so traurig vor mir stand. Klar, ich war weder Taichi noch Sora, aber ich war nun mal hier. Und vielleicht konnte ich ihr ja irgendwie wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Sie sah meine besorgte Miene und wurde rot.
 

„Ist nicht so wild, wirklich. Ich bin einfach ein bisschen viel Mädchen gerade.“
 

„Ein bisschen viel Mädchen?“
 

„Überemotional.“ Zue tauchte neben mir auf und gerade als ich anfangen wollte mich zu beschweren, dass das sicher keine gute Idee sei, fing sie schon an zu sprechen. Wie immer.
 

„Hi Ich bin Azusa. Nenne mich doch einfach Zue!“, sagte sie und reichte Kari die Hand, die sie zögernd entgegennahm. Beide lächelten.
 

„Ich bin Hikari. Du kannst mich einfach Kari nennen.“
 

„Dein Name ist wirklich schön, Kari!“ „D-danke...“ Zue versuchte wahrscheinlich Kari etwas zu entspannend, mit ihrer Anwesenheit als Frau. Doch Kari wirkte unsicher und sah zu mir auf.
 

„Ich will euch nicht weiter stören. Ich geh nach Hause...“ Zue schien dennoch nicht zurück zu schrecken. Lächelnd legte sie eine Hand auf Karis Schulter.
 

"Wie wäre es, wenn du stattdessen mit uns eine Kleinigkeit isst? Hier um die Ecke ist ein nettes Restaurant." Nicht nur Kari sah sie verblüfft an. Ich vielmehr auf Grund der Tatsache, dass ich tatsächlich genau das Gleiche vorschlagen wollte. Sie zwinkerte mir zu, als ob sie wusste, was ich gerade gedacht hatte. Konnte sie etwa Gedanken lesen?
 

"Ich will euch nicht von eurem Vorhaben abhalten... Habt ihr mal einen schönen Tag. ", entgegnete Kari und zog ihre Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln hoch.
 

"Keine Widerrede!", schoss ich raus und erhielt ein anerkennendes Grinsen seitens meiner Freundin. Stolz erfüllte mich.
 

"Ja komm schon, Kari. Joe zahlt auch!", rief Zue begeistert was Kari etwas kichern ließ. Ich schmollte. Immerhin ein kleiner Erfolg. Während Zue die mitgenommene Kari langsam die Straße hinunter schob, beschloss ich hinter den beiden zu bleiben. Und Tai zu schreiben. Wenn es jemanden gab, der Kari immer wieder aufbauen konnte, dann ihr Bruder. Noch beim Schreiben meiner Nachricht hoffte ich inständig keinen Fehler zu machen. Was, wenn Karis Betrübtheit aus einem Streit mit ihrem Bruder resultierte? Nach leichtem Zögern schickte ich die Nachricht aber doch ab. Selbst wenn das der Fall sein sollte, wollte ich den beiden helfen, sich wieder zu versöhnen.
 

"Tai, ich habe gerade deine Schwester in der Innenstadt angetroffen. Sie wirkt und sieht schwerst unglücklich aus, und ich glaube hier sind deine brüderlichen Superkräfte gefragt." Ich bekam nur wenige Sekunden später eine Antwort. Das wunderte mich nicht.
 

"Wo seid ihr? Und weißt du was los ist?"
 

"Nein, sie mag nicht darüber sprechen. Wir nehmen sie mit ins To-kay Restaurant..Brauchst du die Adresse?"
 

"Nein. Ich bin in 20 Minuten da. Halte sie bei der Stange."
 

Zue und Kari waren mich fragend ansehend stehen geblieben. Ertappt legte mein Handy zurück in meine Hosentasche.
 

"Was machst du denn da?"
 

"Nichts, nichts! Also die Damen, herein spaziert!" Beide musterten mich ungläubig, ehe Kari mit den Schultern zuckend die Treppen hinauf zur Tür des Restaurants stapfte. Zue sah mich noch immer prüfend an. Ich wurde fast rot so intensiv betrachtete sie mich.
 

„Was hast du gemacht, los sprich!“
 

„Ich habe Karis Bruder Taichi angeschrieben. Er kann sich von allen am besten um sie kümmern. Und bei ihm wird Kari sich auch öffnen.“, erklärte ich und Zue lächelte.
 

„Familienbande, hm? Das ist eine ganz tolle Idee, Joe. Weiß er denn, was mit ihr los ist?“
 

„Ich habe nicht weiter gefragt. Mir war wichtiger, dass er herkommt und sie abholt.“ Zue drückte mir einen Kuss auf den Mund und sah mich mit stolzer Mimik an. Ich blinzelte perplex.
 

„Du bist wirklich ein ganz toller Mensch, Joe Kido. Das ist deine Stärke - zuverlässig sein, dich um andere kümmern.“, sagte sie und ließ mich nur noch röter werden. Kari steckte ihren Kopf aus der Tür und sah zwischen uns hin und her.
 

„Stimmt etwas nicht?“
 

„Entschuldige Kari, wir kommen jetzt!“, rief ich ihr zu und eilte zu ihre rauf. Sie sah mich unsicher an, hatte es aber irgendwie in der Zwischenzeit geschafft, sich ihre Bluse vernünftig zu zu knüpfen. Aufmunternd schenkte ich ihr ein Lächeln, und schob sie zurück ins Restaurant. Ich hoffte inständig, dass Tai nicht 20 Minuten brauchte, sondern schneller hier war. Es würde sich nicht lohnen etwas zu bestellen, aber draußen zu warten wäre wiederum zu lang. Wenn ich Kari erzählen würde, dass ich ihren Bruder hergerufen habe, wäre sie wahrscheinlich sauer auf. Oder vielleicht auch nicht? Vielleicht wäre sie mir dankbar? Ach ich wusste es doch auch nicht. Überfordert mit meinen Gedanken sah ich zu Zue, die hinter mir ins Restaurant trat.
 

„Ich würde mich gern kurz frisch machen, magst du mitkommen Kari?“, wollte sie wissen und sah mich wissend an. Diese Frau konnte wirklich meine Gedanken lesen! Ich nickte ihr zu und schaute den beiden nach, als sie sich ihren Weg bahnten. Das kleine Restaurant schien nichts dagegen zu haben, dass man auch ohne Bestellung die Räumlichkeiten nutzte. Und ich hoffte stark, dass sich Kari und Zue Zeit ließen. So viel Zeit, dass am besten Tai schon hier war, ehe sie wiederkamen und er sie gleich entgegen nehmen konnte. Das klang zwar, als würde ich hier mit Gegenständen handeln, aber so war das natürlich nicht gemeint.
 

Einige nervöse Minuten verstrichen, als ich plötzlich eine große, schlanke Gestalt mit Sturmfrisur war nahm, als ich wie gebannt nach draußen starrte. Tai. Ein Glück! Mit rasanten Schritten stieg er die Treppe hoch und platzte förmlich in das Restaurant, seine wachsamen Augen nach mir suchend.
 

„Tai! Bin ich froh!“
 

„Wo ist sie?“, fragte er abgehetzt und aufgrund seiner schnellen Atmung stellte ich fest, dass er schnell gerannt sein musste. Taichi war Sportler und kam normalerweise nicht so schnell aus der Puste. Er musste weit gelaufen sein, damit er tatsächlich so laut atmete.
 

„Mit Zue im Bad. Kommen bestimmt gleich... Aber sag mal, Tai... Weißt du was mit ihr los ist? Ich habe mich nicht getraut nachzuhaken.“ Er zuckte besorgt die Schultern.
 

„Ich weiß weniger als du, fürchte ich. Allerdings habe ich sie schon versucht vorhin anzurufen und sie ging nicht ran. Das kam mir leicht verdächtig vor.... Ah da sind sie...“
 

Ich folgte Taichis Blick, drehte mich um und sah, wie Zue mit einer nun wieder deutlich besser aussehenden Kari zu uns kam. Sie lächelte stolz und hielt Tai die Hand hin, die er verwirrt entgegennahm. Stimmt, Tai kannte Zue ja auch noch nicht. Da wunderte es mich doch direkt, wieso er nicht eben gefragt hatte, wer die Frau sein sollte, die da gerade mit seiner Schwester im Bad war?
 

„Tai? Was machst du denn hier?“ Kari wirkte schwerst überrascht, während Zue sich noch vorstellte. Dem großen Braunhaarigen war es offensichtlich egal, wer ihm da gerade die Hand reichte. Er war auf seine Schwester fokussiert, und legte seine Hände auf ihre Schultern.
 

„Mir Sorgen um dich machen. Was ist denn nur los, hm?“ Kari sah auf ihre Schuhe, hochroten Gesichts. Es war ihr schwerst unangenehm hier umringt von uns zu stehen, dass war klar erkennbar. Ich räusperte mich.
 

„Vielleicht wollt ihr das lieber Zuhause besprechen? Da habt ihr Ruhe.“, schlug ich vor und Kari lächelte mich erleichtert an. Tai nickte, nahm die Hand seiner Schwester und zog sie wortlos hinaus. Weg waren sie. Ohne weitere große Worte zu verlieren. Das war mir fast zu schnell gegangen. Meine Freundin sah mich zufrieden lächelnd an und zog mich in den Innenraum des Restaurants.
 

„Mensch, bin ich froh, dass Tai so schnell hier war...“, stellte ich fest trotz der Verwirrung über Zues spontane Aktion. Sie lächelte.
 

„Ich bin froh, dass du ihn gerufen hast. Sie schien sich sofort besser zu fühlen, als er da war. Und ich meine gehört zu haben wie sie im Bad so was wie „Wäre doch Tai hier...“ sagte. Ich bin sehr stolz auf dich!“
 

„Ach... das war ja wohl eine Kleinigkeit... Aber sag mal, warum stehen wir jetzt doch mitten im Restaurant? Wolltest du nicht bowlen?“ Zue grinste breit während sie einen Tisch auswählte und sich setzte.
 

„Doch. Aber erst will ich noch auf Kosten von Joe essen!“

Nichts wie damals

„Bist du dir sicher, dass wir das jetzt schon besprechen müssen?“, fragte Ken gequält an der Theke unseres Ladens lehnend. Gelangweilt sortierte ich Flyer, die bei uns an der Kasse aus lagen. Seit einigen Wochen befand sich eine riesige Baustelle vor unserem Geschäft. Aus einer kleinen Straßenausbesserung war eine komplett Sanierung der gesamten Einkaufspassarelle geworden. Zum Leiden unserer Einnahmen. Denn die wenigen Kunden, die sich hierher verliefen, machten den Kohl nicht wirklich fett. Papa würde wieder einen Anfall bekommen, wenn er erst die Tageseinnahmen von heute sehen würde.
 

Aber nicht aus purer Langeweile hatte ich nicht nur meinen Freund, sondern auch alle anderen angeschrieben. Ich wollte mit allen eine Abschiedsparty für Wallace planen. Er sollte mit Pauken und Trompeten dieses Land verlassen, und einen Abend erleben, den er nie wieder vergessen würde. Wallace sollte uns nie vergessen. Wer wusste schon, was wir uns wiedersehen würden? Wann er wieder hierher kommen würde. Oder wir ihn mal wieder besuchen würden? Niemand konnte in die Zukunft schauen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Angst, dass wir ihn nie wiedersehen würden.
 

„Aber es sind nur noch drei Wochen. So eine Party plant sich nicht in 5 Minuten!“, gab ich zurück und ließ den Haufen Flyer auf den Boden fallen, als ich tatsächlich einen Kunden an der Kasse hatte. Das kam einfach zu überraschend, nachdem ich geschlagene drei Stunden hier gestanden, und nicht mal auch nur jemanden in die Nähe unseres Ladens habe kommen sehen.
 

„Nicht „nur“. Es sind noch drei Wochen. Wir haben massig Zeit...“
 

„Das scheinen auch die anderen zu denken...“, grummelte ich, als ich den Haufen Flyer vom Boden sammelte und an unsere Freunde dachte. Mir hatte nämlich auf meine Rundmail keiner geantwortet. Enttäuscht über meine Freunde ließ ich meine schlechte Laune an Ken aus. Auch nicht die feine englische Art, aber ich konnte nicht anders. Es wurmte mich das unsere Gruppe gerade so auseinander drifftete. Und noch viel mehr ärgerte es mich, das sich anscheinend keiner für Wallace's Abschied interessierte.
 

„Vielleicht hast du Recht.", sagte ich schließlich resigniert und sah dem verwunderten Blauhaarigen in die Augen.
 

„Was meinst du?"
 

„Die Feier für Wallace. Lass uns das wann anders machen. Oder am besten gar nicht!" Ken seufzte und griff nach meiner Hand aber ich entzog mich seiner Annäherung und schnappte mir stattdessen einen Haufen Zeitschriften für die kommende Woche und sortierte sie ein. Das war unsinnig, weil sie genau wie die anderen liegen bleiben würden, aber ich flüchtete lieber in eine Beschäftigung, als das ich meinem Freund in seine traurigen Augen sehen würde.
 

„Yolei… so war das doch nicht gemeint…", versuchte er zu erklären aber ich hatte längst kein Ohr mehr dafür. Vielmehr stellte ich mich mit einer böse lachenden in triumphierenden Pose vor meinen Freunden stehend vor, wenn sie alle merkten, das es zu spät war. Für die Planung. Für Wallace's Abschied. Für alles. Ich schüttelte den Kopf um diesen widerlichen Gedanken zu entkommen. Das war auch nicht besser.
 

„Weißt du, es ist einfach nur so frustrierend wenn dir absolut keiner auf so eine wichtige Frage antwortet!", maulte ich und sah zu ihm auf. Er lächelte schwach und nahm mir einen kleinen Stapel Zeitschriften ab.
 

„Dein Sinn für Gerechtigkeit und gute Partyplanung in allen Ehren. Aber du musst dir auch eingestehen, das wir alle nicht mehr 12 sind und das Leben uns zunehmend mit Aufgaben des Erwachsenwerdens überhäuft. Wir können uns halt nicht wie damals spontan zusammenfinden.", erklärte Ken mit solch einer Stimme das man annehmen konnte, er selbst wäre schon mindestens doppelt so alt wie jetzt. Ich kicherte kurz, was ihn rot werden ließ. Meine Lieblingstomate.
 

„Willst du mir damit etwa sagen, das wir viel eher drei Wochen in voraus planen sollten uns mit den anderen zu treffen?" Ken seufzte über meine Neckerei, nickte dann aber und stieg mit ein.
 

„Ja genauso. Und denk dran. Koushiro hat in acht Wochen Geburtstag. Das sollten wir am besten Morgen durchplanen, uns rennt die Zeit davon."
 

Wir lachten kurz über meine übertriebene Planungswut, eher wir beide gleichzeitig verstummten und irgendwie fast traurig den jeweils anderen ansahen. Es war ja wirklich so. Wir mussten das tun. Ken hatte Recht. Die Zeiten hatten sich nun mal geändert. Wir waren keine Kinder mehr, die nach der Schule zusammenkamen und bis in die Nacht gegen bösartige Digimon kämpften. Die Hälfte von uns ging nicht mal mehr zur Schule. Jeder wuchs allmählich zu einem erwachsenen Menschen heran, der eine mehr, der andere weniger. Jeder begann einen neuen, wichtigen Schritt in seinem Leben. Auszug, Studium, Beziehungen. Auch wenn jeder von uns wahrscheinlich noch immer diese Unbeschwertheit des Kindseins in sich spürte, umschlossen von den grauen Massen des Alltags und Erwachsen werdens, so war uns allen klar, das sie nicht zurück kommen würde: diese Zeit.
 

„Sorry, wenn ich zu spät bin, ich musste noch zum Arzt!", hörten wir eine Stimme hinter uns sagen. Ken erschrak so sehr, dass er kniend nach hinten kippte und sich auf seinem Rücken wiederfand. Vor uns stand Davis mit schickem Verband und musterte seinen besten Freund argwöhnisch.
 

„Alter, alles klar bei dir?" Davis schien es schon um einiges besser zu gehen. Vielleicht waren es aber auch einfach nur ein Haufen Schmerzmittel die er intus hatte. Schmollend erhob sich Ken wieder. Ich stellte mich ebenfalls wieder aufrecht hin. Mir wurde erstmals seit langem bewusst, das Davis mittlerweile größer war als ich. Noch vor ein paar Jahren war er deutlich kleiner gewesen. Zeit.
 

„Also, wo sind die anderen?", wollte er wissen uns grinste wie eh und je. Schmerzmittel. Eine wunderbare Erfindung.

„Kommen nicht.", entgegnete ich knapp und schob die übrig gebliebenen Zeitschriften zurück zu den anderen. Davis gab nur ein gedämpftes "Oh" von sich ehe peinliches Schweigen eintrat.
 

„Aber hey, wenn wir drei die Party planen überraschen wir nicht nur Wallace sondern auch alle anderen!", rief Davis und ich drehte mich verwundert über seinen wiedergekehrten Optimismus um.
 

„Ist denn zwischen dir und Wallace wieder alles okay?", fragte ich und Ken zwickte mich. Das war wohl die falsche Frage. Aber mal ehrlich. Wir kannten mich: Ich stellte gern unangenehme Fragen in unpassenden Momenten. Davis schien die Frage erst zu verunsichern dann aber mit Stolz zu erfüllen.
 

„Ja. Wir haben noch ein paar mal drüber geredet und sind jetzt wieder dicke Freunde… Er hat mir verziehen…" Mit zufriedenem Lächeln strahlte uns Davis an und bei ihm und seinen Gefühlen schien wieder so etwas wie Ruhe eingekehrt zu sein. Ken wirkte noch nicht vollends überzeugt, wagte es aber genauso wenig wie ich nachzubohren. Wir nickten es einfach ab.
 

Wird man hier eigentlich auch bedient?", hörte ich einen Mann fragen und sofort eilte ich zur Kasse, um meinen einzigen Kunden nicht auch noch zu vergraulen. Die 300 ¥ waren mit den vorherigen 400 ¥ mein wohl möglich einziger Gewinn heute. Das durfte ich mir nicht entgehen lassen.
 

„Also, wie können wir unserem Wallace einen unvergesslichen Abend bereiten?", fragte Ken als der Kunde den Laden verlassen hatte, und wir wieder zu dritt waren. Davis kicherte.
 

„In dem wir ein Haufen hübscher Mädels mit ihm in ein Zimmer sperren vermutlich!", rief er und er und Ken begannen laut zu lachen. Bis es Ken im Hals stecken blieb als ich ihn böse ansah. Die Macht einer festen Freundin war wirklich gewaltig.
 

„Hast du noch so eine tolle Idee?"
 

„Das IST eine tolle Idee!" Schnaubend griff ich über den Tresen, um den Braunhaarigen eine zu kleben, brach aber auf halber Strecke ab. Er war ja nun schon verletzt, das reichte.
 

„Ich hoffe deine Schmerztabletten hören bald auf zu wirken. Was soll dieses widerliche Machogehabe?", murrte ich doch da Davis in vielen Momenten so gut hörte wie ein Maulwurf sehen konnte, schenkte er meinen Worten keine Aufmerksamkeit. Ken hatte es gehört. Ich sah ihn nervös schlucken.
 

„Was haltet ihr von einer Mottoparty?", schlug ich vor und war sehr stolz auf meinen spontanen Einfall. Auch wenn ich wusste, dass sich Ken nicht gern verkleidete. Oder Joe. Oder Matt. Aber für Wallace würden sie vielleicht eine Ausnahme machen. Vielleicht.
 

„Mottoparty?", stammelte Ken nervös und ich grinste ihn euphorisch an. Wusste ich doch, das mein lieber Freund nicht begeistert war. Im Gegensatz zu Davis, der Feuer und Flamme für meinen Gedanken war.
 

„Das ist ne Spitzenidee, Yolei! Ich habe auch direkt einen Themenvorschlag!"
 

„Mottoparty?", wiederholte Ken erneut und schien uns psychisch irgendwie verlassen zu haben. Ich schnippte vor seinen immer größer werdenden Augen umher, um ihn irgendwie wieder zurück zu holen. Ohne Erfolg. Davis und ich tauschten einen verwunderten Blick aus.
 

„Vielleicht ein traumatisches Erlebnis gehabt?", versuchte er es zu erklären, während mein Freund sich weiterhin wiederholte.
 

„Du hattest eine Idee?", fuhr ich fort, weil es mir langsam zu bunt mit Ken wurde und widmete mich ganz Davis. Und ja, diesen Satz lassen wir jetzt alle noch auf unseren Zungen zergehen.
 

„Wie wäre es, wenn wir uns als unsere Digimonpartner verkleiden? Sie könnten so auch irgendwie an der Party teilnehmen…" Davis kratzte sich an seiner Nase, wahrscheinlich als Vorwand um nicht melancholisch zu werden. Ich lächelte sanft und tätschelte seinen Kopf.
 

"Das ist eine tolle Idee! Was meinst du, Ken?"
 

„Mottoparty…", antwortete er und schien noch immer nicht zu uns zurückgekehrt zu sein.
 

„Das werte ich jetzt mal als "ja".", entgegnete ich sah Kopf schüttelnd zu Davis der weiter vor sich hingrinste.
 

„Bevor wir weiter darüber reden sollten wir vielleicht eine Rundmail an alle schreiben und fragen, was sie dazu meinen. Nachher beschwert sich noch einer, er wurde nicht gefragt.", schlug Davis vor und allmählich bekam ich den Eindruck Ken und er hätten die Rollen getauscht. Davis verfasste geistreiche Kommentare während mein McDreamy nur vor sich hinbrabbelte. Entschlossen griffen wir beide zu unseren Handys. Und es war fast wie damals. Als wir noch die „einfachen“ Probleme hatten. Nur die Welt retten mussten. Damals, als wir als Truppe uns gegenseitig schreiben und uns über aktuelle Stände informierten, quasi sofort für den anderen zur Verfügung standen. Aber das Leben ändert sich. Wir ändern uns. Und das musste selbst meine verrückte Birne begreifen.

Kein kleiner Junge mehr

Kari schlief, nachdem ich sie nach Hause gebracht hatte und eine Ewigkeit in den Armen gewogen hatte, bis sie aufgehört hatte zu weinen. Das Gespräch mit Takeru schien nicht gut verlaufen zu sein. Was anderes konnte ich mir nicht vorstellen. Allerdings fiel es mir schon schwer daran zu glauben, das Takeru meine Schwester zum weinen bringen konnte. Ich hatte nicht gewagt zu fragen. Sie sollte sich erstmal in Ruhe auskotzen und beruhigen. Ich wollte sie auch nicht zwingen mir zu erzählen was passiert war. Sie sollte aus freien Stücken entscheiden, wann und was sie mir sagen wollte. So verfuhr ich immer, wenn es ihr schlecht ging. Kari konnte man zu schnell in die Ecke drängen. Und das wollte ich ja nicht.
 

Nachdem sie keinen Ton mehr von sich gab wartete ich nochmal ein paar Minuten, ehe ich ihren zierlichen Körper in ihr Zimmer trug und auf ihr Bett legte. Die Decke über sie legend seufzte ich. Da wo sie jetzt schlief hatte ich fast mein ganzes Leben lang geschlafen. Nostalgie stieg in mir auf, und ich konnte es mir nicht verkneifen trotz Karis misslicher Lage einmal durch mein altes Zimmer zu laufen und meine Fingerspitzen über das Hochbett zu streifen. Meine Mutter war bereits dabei ein neues, für Karis Alter angemesseneres Bett zu bestellen. Komisch. Als ich 15 war, hat sie das wenig interessiert, ob ich noch in einem Hochbett mit meiner Schwester schlief.
 

Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche und schnell schlich ich aus dem Zimmer um im Flur den Anruf entgegen zu nehmen.
 

"Wie geht's deiner Schwester?", wollte eine Stimme wissen, und ohne auf den Bildschirm zu schauen wusste ich, dass das Mimi war. Ich lächelte vor mich hin.
 

"Sie schläft. Die Kleine war total erschöpft als sie fertig mit weinen war…"
 

"Was war denn überhaupt los?"
 

"Ich habe keine Ahnung. Wollte nicht in offenen Wunden bohren.", gab ich zurück während ich vom Flur in die Küche wechselte und prüfend in den Kühlschrank sah. Meine Mutter hatte wieder ihr berüchtigtes Gurken-Kimchi gemacht. Nach einem Rezept ihrer koreanischen Freundin. Mit dem Unterschied, das die das wahrscheinlich auch kochen konnte. Ich seufzte und stach angewidert in die Schale. Allein das quälende Geräusch, das förmlich "werfe mich in den Müll!" schrie, ließ meine Nackenhaare vibrieren. Ich schloss schnell die Tür und drehte mich enttäuscht herum. Ich würde wieder den Hungert sterben.
 

"Soll ich vielleicht mal vorbeikommen? Ich krieg´s bestimmt aus ihr raus!", schlug Mimi motiviert vor. Ich wusste instinktiv, das sie sowieso bereits dabei war, sich fertig zu machen, widersprechen hätte also nichts gebracht. Ich versuchte es dennoch.
 

"Ich will dir nicht zu Nahe treten, Süße, aber ich glaube wenn sie mir schon nichts erzählt wird sie dir erst recht nicht sagen, was los ist." Mimi schnaubte.
 

"Na vielen Dank auch..."
 

"Sorry! Du weißt ich mein's nicht böse."
 

"Vertrau mir Tai. Ich mach das schon!"
 

"Ist das so ein Frauending?"
 

"Ja. Und davon hast du keine Ahnung.", sagte sie und legte mit diesen Worten auf. Ich seufzte und verstaute das Handy wieder in meine Hosentasche. Ich hörte das Schloss der Haustür und schreckte herum, nur um einen fragenden Blick meiner Mutter zu bekommen.
 

"Wen hast du denn erwartet?", fragte sie und drückte mir ihre Einkaufstüten in die Hand. Sie war wieder den ganzen Weg durch die Stadt alleine gegangen um einzukaufen. Wir hatten nur ein Auto. Und das nahm mein Dad für die Arbeit. Mit schmerzendem Herzen sah ich meiner Mutter dabei zu, wie sie sich streckte. Vor Anstrengung. Ihr Rücken brachte sie mal wieder um.
 

"Warum hast du nicht angerufen, ich wäre doch gekommen…", grummelte ich während ich auspackte. Sie lächelte müde.
 

"Das kriege ich seit fast 20 Jahren auch alleine hin, Schatz. Aber lieb von dir... Einen Gefallen könntest du mir trotzdem tun.", entgegnet sie, als sie mir das Gemüse abnahm und in den Kühlschrank legte.
 

"Ich habe es nicht mehr geschafft, was zu Trinken zu holen. Kannst du das erledigen?"
 

"Klar. Siehste du hättest mich doch gebraucht! Ich bin keine fünf mehr Mama, ich bin schon groß." Bei meinen Worten drehte sie sich langsam um, mit einem Gesichtsausdruck der verriet das ihr das schmerzlich bewusst war. Ich schluckte.
 

"Ja… das bist du wohl…" Sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und griff zu ihrer Tasche.
 

"Mom.…?"
 

"Pass auf, ich geb dir 5000 ¥. Ich weiß nicht ob das für zwei Mal sechs Flaschen Wasser reicht. Wenn du noch was über hast, kannst du den Rest behalten."
 

Sie reichte mir das Geld, doch statt es anzunehmen, packte ich sie am Handgelenk und zog meine Mutter an mich heran. Witzig wie viel kleiner sie war, jetzt wo ich groß war. Ich legte meine Arme um sie und drückte sie fest. Meine Mutter zögerte verwundert.
 

"Danke Mama. Für alles.", murmelte ich in ihre Schulter. Erst jetzt erwiderte sie die Umarmung. Wenn auch nur zögerlich. Kein Wunder. Das letzte Mal das ich sie umarmt hatte war nachdem ich aus dem Sommercamp zurück kam. Da war ich 11.

"Spinner.", sagte sie lachend, löste sich von mir. „Und jetzt hau endlich ab!“
 

Ich joggte grinsend in mein Zimmer, schnappte mir meine Jacke und Handy, schlüpfte in meine Schuhe. Mimi würde ich gleich schreiben und sie unterwegs aufgabeln. Wenn ich meiner Mutter helfen konnte, dann hatte das bei mir oberste Priorität. Das war nicht immer so. Wie oft hatte ich mich mit ihr gestritten, allein wenn es darum ging den verdammten Müll herauszubringen. Wie oft hatte sie ihre Hausschuhe nach mir geworfen, weil ich zu frech war. Ich hatte wirklich dazu gelernt. Ich war gereift. Ich war älter geworden. Mit dem selben Einfühlsvermögen, dass ich meiner Schwester entgegen brachte, wollte ich meiner Mutter nun beweisen, dass ich nicht der verzogene Bengel von damals war, für den sie mich gehalten hatte. Ich wollte sie glücklich sehen. Genauso wie Kari. Gott war ich schnulzig geworden.
 

Mich über mich selbst wundernd verließ ich die Wohnung und schrieb Mimi auf dem Weg zum Fahrstuhl, dass wir uns am Bahnhof treffen könnten.
 

„Wo willst du denn hin?“, riss mich eine Stimme aus den Gedanken und aus dem Wort „Bahnhof“ wurde „Bumbsclub“. Woher mein Handy dieses Wort kannte, wollte ich lieber nicht wissen. Erschrocken löschte ich die Nachricht. Denn wenn ich etwas noch weniger wollte als zu wissen, warum dieses Wort in meinem Handy gespeichert hatte, dann war es das meine vielleicht-bald-Freundin Mimi das las. Ich kicherte irre.
 

„Wollte dir gerade schreiben. Meine Mum hat mich gebeten noch was einzukaufen. Kommst du mit?“ Mimi schmollte, und hatte eindeutig ein Auge auf mein in meiner Hosentasche verschwundenes Handy geworfen. Sie sah zwischen meinem Gesicht und meiner Jeans hin und her, ehe sie antwortete.
 

„Was ist mit Kari?“
 

„Die wird auch noch da sein, wenn wir wieder da sind.“
 

„Aber ich bin den ganzen Weg nur für sie hergekommen!“, maulte sie und ließ die Schultern hängen. Ich verdrehte die Augen. Diese kleine, selbstsüchtige Attitüde, die sie an den Tag legte war echt super unsexy.
 

„Du wirst ja wohl nicht sterben, wenn du mich nochmal kurz begleitest?“
 

„Doch. Es ist kalt, Tai!“
 

„Meckerziege.“
 

„Du bist so was von unsensibel, Yagami!“, zischte sie und verschränkte die Arme. Wieso hatte sich mein Herz gerade diese Diva ausgesucht? Mit jedem neuen zickigen Kommentar ihrerseits zuckte mein Auge wütend. Doch genauso sehr klopfte mein Herz vor Freude, wenn ich sie nur ansah. Mimi war so süß, wenn sie sauer war. Was dachte ich hier eigentlich? Ich entwickelte mich nicht nur zu einem guten Sohn nein, ich kriegte auch diese Dinger die eigentlich nur Frauen hatten. Gefühle. Ich zog die Mundwinkel nach unten als ich erkannte, dass ich anscheinend doch ein menschliches Wesen war. Mimi wirkte verwirrt.
 

„Wenn du mitkommst, kauf ich dir ein Eis.“, schlug ich vor, realisierte, dass sie gesagt hatte, dass es kalt war und bereute meine Aussage. Gut gemacht, Yagami, dachte ich, du bist der Meister des Zuhörens. Mimi stieß scharf die Luft aus.
 

„Willst du mich verarschen?“, fragte sie und ich grinste verlegen. Das musste ich echt noch üben.
 

„Dann eben einen Tee! Mensch, Frau jetzt komm mit oder bleib hier stehen, bist du festfrierst!“, rief ich ihr entgegen und war so stolz auf mich, dass ich ihr Konta gab. Mimi sah mich erschrocken an, wartete einen Moment. Dann sank ganz langsam ihr Kopf, und sie streckte ihre zarte Hand nach mir aus. Verwundert legte ich sie in meine.
 

„Gehen wir. Aber schnell.“, murmelte sie kleinlaut. Ich lächelte. Wie konnte man dieser Person nur böse sein? Langsam kam ich die wenigen Zentimeter, die zwischen uns lagen, näher und legte meine freie Hand unter ihr Kinn, damit ich ihren Kopf sanft anheben konnte. Ihre goldbraunen Augen sahen mich entschuldigend an, was mein Herz so laut klopfen ließ, das ich es in meinen Ohren pulsieren spürte. Ich strich mit meinem Zeigefinger ihre Wange entlang, ehe ich mich ihren Lippen langsam näherte und ihr einen leichten, aber liebevollen Kuss schenkte. Sie grinste in den Kuss.
 

„Hast du heimlich geübt?“, wollte sie wissen, ehe ich mich schüchtern zurück zog. Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Ich hatte das, was ich gerade gemacht hatte, genauso schon mal in einen dieser furchtbaren Liebesschnulzen gesehen, die ich mir mit Kari und meiner Mom mal ansehen musste. Manchmal war ich meinem löchrigen Gehirn doch dankbar, dass es sich an solch für mich bislang sinnfreien Dinge erinnerte.
 

„Ich habe eine gute Lehrerin. Aber lass uns endlich gehen. Das Wasser trägt sich nicht allein.“
 

~
 

Erschöpft ließ ich mich auf meinem Bett fallen, als Mimi und ich vom Wasser holen zurück waren. Sie war nach wie vor total begeistert von meinem romantischen Kuss. So begeistert, dass sie tatsächlich eine Flasche trug. Mimi. Trug. Eine. Flasche. Wasser. 2 Liter. Diesen Tag würde ich mir rot im Kalender markieren, versprochen!
 

Da Kari noch immer schlief, zogen wir uns in mein Zimmer zurück. Das Zimmer, das zuvor Moms Vorratskammer gewesen war. Beziehungsweise Abstellkammer. Mit meinen Möbeln und den Fußballschals und Flaggen war der kleine Raum sehr wohnlich geworden. Mir war es ehrlich gesagt auch herzlich egal, wie mein Zimmer aussah. Ich war eh den halben Tag beim Fußball, oder lungerte bei meinen Freunden herum. In letzter Zeit natürlich hauptsächlich in Mimis pinker Barbiewelt.
 

„Ich hoffe Kari geht es besser, wenn sie sich ausgeschlafen ist.“, sagte Mimi während sie aus ihren Schuhen schlüpfte und sich neben mir auf das Bett fallen ließ.
 

„Ich auch.“, murmelte ich und stellte fest, das ich aus diesem Winkel in dem wir beide zu einander lagen, perfekt in ihren Ausschnitt schauen konnte. Ich hätte gelogen, wenn ich gesagt hätte, dass ich das doof fände. Im Gegenteil.
 

„Hast du mal bei Takeru nachgefragt?“ Ich stützte mich auf meine Unterarme und sah ihr ins Gesicht. In mir stieg der wahrscheinlich unangebrachte Gedanke auf, Mimis Top einmal von innen zu betrachten. Böser Tai, dachte ich, es geht um deine Schwester. Ich schüttelte den Kopf, auch um meine Gedanken wieder neu zu ordnen. Ich war ein guter Bruder. Ich würde mir jetzt gefälligst solange mega Sorgen machen, bis Kari mir sagte, was los war. Jawohl. Ich würde ignorieren, dass Mimi mich heiß machte. Jawohl.
 

„Bist du überhaupt bei der Sache, Tai?“, holte sie mich aus ,meinem Wirrwarr und ich nickte. Mimi richtete sich auf, was mich dazu brachte, mich ebenfalls aufzusetzen.
 

„Natürlich. Ich mache mir immer noch Sorgen. Aber wie gesagt: Ich habe sie nicht gefragt, und das werde ich auch nicht. Kari wird auf mich zukommen, wenn sie reden will. Wenn Takeru reden will, soll er sich melden. Ich mische mich da nicht ein.“, erklärte ich wahrheitsgemäß. Mimi legte den Kopf schief und beobachtete. Ich zog fragend die Augenbrauen hoch.
 

„Für einen Moment hatte ich gedacht, dass du ein Idiot bist. Aber dann gibt es diese Augenblicke in denen du den Modus von Volltrottel zu super heißer Typ wechselst. Das verwirrt mich.“ Ich gab ein „Hä?“ von mir, was sie mit einem Augenrollen beantwortete.
 

„Sollte das ein Kompliment sein? Wenn ja hättest du echt ein großes Hinweisschild hochhalten sollen...“, gab ich zurück. Sie strich sich über ihr Schlüsselbein, was meine Aufmerksamkeit sofort auf ihre Hand richtete.
 

„Soll ich dir zeigen, wie ich das meinte?“, fragte sie noch während sie sich auf meinen Schoß setzte und provozierend ihre Hüften kreisen ließ. Ich grummelte, streichelte mit meinen Händen ihre Beine entlang und legte sie anschließend auf ihren Po. Mimi nestelte am Rand meines Pullovers, ehe ihre Hände unter dem Wollstoff verschwanden und über meinen Oberkörper fuhren.
 

Unsere Lippen trafen sich erst sanft und schüchtern, eher wir in einen leidenschaftlichen, innigen Kuss übergingen. Mein Pullover von mir streifend drückte mich die dominante Diva gegen die Wand an der mein Bett stand und strich mir durch das Haar. Ich stöhnte auf als ihre wieder kreisenden Hüpften eine gewünschte Reaktion in meiner unteren Körperregion auslöste. Sie kicherte als sie dies bemerkte, und verstärkte ihre Bewegung. Als Reaktion darauf riss ich an ihrem leichten Shirt herum, ehe ich es ihr vom Leib riss und alle freien Regionen um ihren schwarzen Spitzenbh küsste. Sie seufzte als ich mit einer gekonnten Bewegung den Verschluss an ihrem Rücken öffnete und mit meinen Zähnen den überflüssigen Stoff von ihrem Körper zog.
 

„Wo hast du das denn her...?“, hauchte sie mir uns Ohr. Ich hob ihren zierlichen Körper von mir herunter, wirbelte sie herum und fand mich über sie gebeugt wieder. Mimi überraschter Blick gab mir nur noch mehr Ansporn dieser Frau zu zeigen, was ich drauf hatte, was ich sie spüren lassen wollte. Ich wollte ihr beweisen, dass ich mehr als nur der Fußballer war, der so genannte Trottel. Das ich gereift war. Erwachsen. Selbst ich, der wohl als letzter die Pubertät verlassen hatte, konnte anders. Ich war anders. Und Mimi sollte das zu spüren bekommen. Mit jeder Faser ihres Körpers. Mit jeden Atemzug, sollte sie merken, was aus dem kleinen Jungen geworden war. Klar, sie hatte das bereits einmal gespürt. Aber jetzt, wo wir tatsächlich offen unsere Gefühle geteilt hatten, da wollte ich, dass sie wusste, wozu ich fähig war. Das ich diese Diva bändigen konnte. Ich grinste. Das hatte ich nicht gegoogelt. Das war ich. Mit all meinen Gefühlen. Kopf aus, Herz an.
 

„Du wirst dich noch wundern, wozu ich fähig bin.“, murmelte ich und begann sie heiß und innig zu küssen. Fortsetzung folgt...

Alleine leiden

„Du wirst dich noch wundern, wozu ich fähig bin.“, murmelte ich und begann sie heiß und innig zu küssen.
 

Ich war mehr als überrascht das Taichi plötzlich die dominierende Macht zwischen uns beiden war. Er schien es sehr zu genießen, dass er einmal über mich bestimmen durfte. Ungewohnt. Sonst gab ich immer den Ton an, egal wo. Ein unbekanntes Gefühl überschwemmte mich, Neugierde danach, wie es wohl ist, wenn man die Zügel aus der Hand gab.
 

Woher dieser ausgewechselte Tai allerdings kam beschäftigte mich aber fast mehr. Woher kam dieser Sinneswandel? Das da über mir war ein komplett anderer Mensch als der, dem ich noch letzte Woche Bücher über den Kopf zog, weil er nur dumme Sprüche auf Lager hatte. Hatte sich Tai etwa wirklich den Weiten des Internets hingegeben, um bei "Wie zur Hölle gehe ich mit Frauen um.com" fündig zu werden? Und wie viele von euch tippen gerade diese Internetseite in einen neuen TAB ein um zu gucken, ob es diese Seite wirklich gibt? Gebt mir Bescheid. Ich will auch lachen.
 

Der ein oder andere mag sich aber vielleicht auch fragen, warum ich Zeit dazu hatte, über diese Dinge nachzudenken. Warum ich mich nicht den amourösen Avancen meines vielleicht-Freundes hingab. In Gedanken versank. Das konnte ja nur eins bedeuten. Das ich es nicht genoss. Das das, was Taichi mit mir tat, mir nicht so gefiel, wie am Anfang. Das es mich langweilte. Tai konnte das Gelernte nicht umsetzen. Ich klang wie eine verdammte Lehrerin. „Ich sehe ja das du dich bemühst, aber es reicht leider nur für eine 3-."
 

Es war ja süß wie er sich bemühte, und bei dem BH aufmachen mit einer Hand war ich auch noch schwer beeindruckt. Also das er wusste wie das ging. Nicht, dass mich allein diese Tatsache verblüffte. Koushiro konnte das auch. Und ob das eine Beleidigung oder ein Kompliment war, durfte sich jetzt jeder selbst aussuchen.
 

Er war jedenfalls voll dabei. Dabei zu stöhnen. Dabei zu schwitzen. Dabei meine Beine in alle Richtungen zu drehen. Doch in kam zunehmend Unbehagen auf. Ich wollte weg. Weit weg. An einen Ort, an dem mir nicht sein Schweiß in die Haare tropfte. Es hatte doch so gut angefangen.
 

Ich mochte Tai. Sonst würde ich nicht nackt auf seinem Bett liegen. Ich hatte ihn verdammt gern. Er hatte mir eine Menge verziehen und vielleicht sollte ich gerade deswegen etwas dankbarer sein. Aber das ging nicht. Ich war Mimi fucking Tachikawa. Ich konnte meine Mimi-haftigkeit nicht ausmachen. Ich war nun mal wie ich war. Und das hier war scheiße. Aber ich wollte ihm nicht das Herz brechen. Nicht schon wieder. Und gerade so etwas kränkte das männliche Ego doch gewaltig. Also tat ich wohl das, was andere unzufriedene Frauen auch taten, deren Freunde kein Talent hatten: einfach aushalten bis es vorbei war. Mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen.
 

Wir hatten schon mal mit einander geschlafen. Ich konnte mich echt nicht daran erinnern, dass er da auch schon so schlecht war. Vielleicht lag es auch daran, dass ich betrunken gewesen war. Und unter Liebeskummer gelitten hatte.
 

Tai merkte von meinem nicht vorhandenen Spaß nichts. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, meine Brüste ins Nirvana zu kneten, während ich mich damit beschäftigt war, so zu tun, als würde das nicht weh tun.
 

„Na, gefällt dir das?", fragte er selbstbewusst und ich kniff meinen Mund zusammen um nichts Gemeines zu sagen. Ich wollte ihm nicht weh tun. Also seelisch. Nicht schon wieder. Auch wenn er meinen Körper gerade nicht gut tat.
 

Und dann tat er es. Einfach alles in mir zog sich zusammen, als er nach seinem vermeidlichen Vorspiel in mich eindrang. In meinem gesamten Leben war mir noch nie etwas so unangenehm gewesen. Noch nie hatte ich solche Schmerzen verspürt. Nicht bei meinem ersten Mal. Nicht einmal bei Unterleibsschmerzen, die ich eigentlich echt oft hatte. Und ich war auch schon öfter beim Frauenarzt gewesen. Und wer kannte nicht dieses liebevolle, sanfte und kalte Metallding, das sie einem dann rücksichtslos zwischen die Beine stopften?
 

Tai schien zu begreifen, dass ich alles andere als happy war. Wahrscheinlich lag das an meinem sich immer mehr zusammenziehenden Körpers und mein schmerzverzehrtes Gesicht. Und daran, dass ich ihn von mir wegdrückte. Sehr energisch wegdrückte. Meine Beine verkrampften sich bei dem angeborenen Fluchtinstinkt in mir, weil ich auf der sich nicht kooperativ zeigenden Decke auf der wir lagen keinen Halt fand um mich ihm entziehen zu können.
 

„Oh Gott, Mimi! Was ist denn los?", rief er aufgeregt und zog sich zu meinem Glück zurück. Erleichtert atmete ich auf. Kennt ihr das Gefühl wenn euch jemand ein Kissen ins Gesicht drückt und es erst kurz bevor ihr erstickt wieder wegnimmt? Nein? Ich auch nicht. Aber so musste sich das anfühlen. Genau. So. Ich schob mich unter ihm weg, und griff fast peinlich berührt nach meiner Unterwäsche.
 

„Krampf.", brachte ich hervor, als ich meinen BH falsch herum anzog. Hauptsache angezogen.
 

„Krampf? Wie Krampf??" Tai saß komplett verstört neben mir und verstand die Welt nicht mehr. Wie auch. Ich war wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und in meine Hose gesprungen, als wenn ich einen Sommerschlussverkauf verpassen würde. Ich stoppte meinen Anziehwahn, strich ihm über die Wange wie bei einem kleinen Jungen und lächelte.
 

„Alles gut. Nur…" Ich biss mir auf sie Unterlippe. "Das mit Google solltest du vielleicht lieber lassen." Tai sah mich erschrocken an, ehe er panisch mach seinen Sachen griff und sich sein T-Shirt falsch herum anzog. Und da war sie wieder. Mimi und ihre fiesen Seitenhiebe. Autsch. Ach Gott, was hast du nur wieder angestellt, dachte ich und biss mir auf die Unterlippe. Die verwöhnte Zicke in mir hatte man wieder reinstes Feingefühl bewiesen. Feingefühl in Form von einem Reibeisen.
 

Tai stand angestrengt guckend auf und wich meinen Blicken aus. Ich konnte quasi schmecken wie sehr er gerade woanders sein wollte. Versöhnlich legte ich eine Hand auf seine Schulter.
 

„Ist doch ok. Wir grooven uns schon noch ein. Das braucht halt manchmal etwas Zeit.", versuchte ich ihn zu trösten und erntete ein sehr enttäuschtes Grummeln. Nicht sehr zuversichtlich.
 

„Wir haben doch schon mal miteinander geschlafen. Da hast du dein Gesicht nicht so verzogen. Also schon aber das sah damals sehr erfreut aus.", murmelte er sich durch die Haare fahrend. Ich ließ die Schultern hängen.
 

„Das hat eine simple Erklärung: Ich war betrunken." Jetzt sah Tai aus, als würde er ersticken. Todestritt. Ich schluckte. Er winkte ab und nahm Abstand von mir, wagte es weiterhin nicht mich anzusehen. Ich hatte es doch wieder getan. Wieder war ich auf seinen Gefühlen herum getrampelt wie auf einer Spinne. Ich hasste Spinnen.
 

„Dann sollte ich wohl nächstes Mal lieber eine Flasche Wodka kaufen, anstatt Wasser...“, zischte er, ehe er wutentbrannt aus seinem Zimmer stürmte. Ich rannte ihm hinter her und wollte gerade seinen Namen schreien, da blieb er abrupt stehen. Der glatte Holzboden sorgte dafür, dass meine scharfe Bremsung mich in seinen Rücken rutschen ließ, ich das Gleichgewicht verlor und nach hinten überkippte. Ich landete unsanft auf meinen Hintern und Kopf und fluchte. Tai sah zu mir runter, und ich konnte erkennen, wie er förmlich anfing zu schwitzen bei seiner Bemühung seine „Ich bin verdammt sauer auf dich!“-Miene zu bewahren und nicht lauthals los zu lachen. Aufhelfen wollte er mir natürlich auch nicht. Ich versuchte es erst gar nicht.
 

„Irgendwie sind wir quitt...“, sagte er und erbarmte sich meiner armen Seele, zog an meinem Arm und hob mich hoch. Ich quiekte aufgrund der schnellen Bewegung und der Überraschung auf. „Wir sind heute beide auf die Schnauze gefallen...“
 

Ich schmollte. Er grinste. Und dann, aus dem Nichts, fingen wir an zu lachen. Darüber, wie perfekt unperfekt wir beide zusammen waren. Darüber, dass das alles irgendwie typisch war. Mit Tai. Und mir. Ich wünschte mir plötzlich, dass es geklappt hätte. Dass Tai mich nicht von innen aufgespießt hätte, und dass wir eine wirklich schöne Zeit gehabt hätten. Aber irgendwann da würden wir zusammen harmonieren. Irgendwie. Wir als verqueres Paar.
 

„Na ihr scheint ja Spaß zu haben.“, hörten wir plötzlich jemanden sagen und so schauten wir erschrocken in die Richtung, aus der die Stimme kam.
 

„Kari!“, rief Tai erleichtert auf und wollte auf sie zu stürmen, stoppte seine Bewegung aber sofort, worüber ich ihm sehr dankbar war. Zu schnell. Zu hektisch.
 

Kari wischte sich mit dem Handrücken über die vom weinen verstopfte Nase, zog hoch und sah uns aus leeren Augen an. Ich konnte nicht anders, als den Mund bei dem Geräusch zu verziehen. Vor mir stand eine komplett andere Person. Kari war so ein fröhliches, liebenswürdiges aber auch sehr sensibles Mädchen. Immer in süßen Klamotten. Jetzt trug sie ein ihr viel zu großes, graues Shirt, Boxershorts, die ihr ebenfalls zu groß waren und eine Socke. Ja. Eine. Ihre Haare waren vom Schlaf durcheinander. Das Sie Mascara getragen hatte erkannte ich an den langen dunklen Linien, die sich an ihrem Gesicht entlang abzeichneten.
 

Kari bemerkte meine besorgten Blicke und verdrehte die Augen, sich an uns vorbei quetschend. Sie schlurfte zum Kühlschrank, streckte ihren Kopf hinein, gab ein angewidertes Geräusch von sich, eins, wobei man vermutete, sie würde kotzen, und schmiss die Tür wieder zu. Von den Kochkünsten der Mutter hatte ich bereits gehört und verzog das Gesicht. Wegen Kari. Das Essen konnte ich zum Glück nicht sehen.
 

„Irgendwas stimmt mit deinem Gesicht nicht.“, sagte Tai und ich konnte schwören ich hatte mir noch nie so sehr gewünscht nicht teil einer Konversation zu sein. Angespannt hielt ich die Luft an, und wartete die Reaktion der 15-jährigen ab, die sich in Zeitlupe zu ihrem Bruder umdrehte.
 

Kari sah ihn gespielt neugierig an, als sie sich eine Flasche Wasser nahm, den Deckel quälend langsam öffnete und wartete, bis die Kohlensäure sich beruhigt hatte. Sie nickte provozierend in seine Richtung. „Hm?“
 

„Dein Lächeln ist verkehrt herum.“ Ich schloss die Augen weil ich mich schämte. Tai du Arsch, dachte ich. Als ich sie wieder öffnete sah ich, wie Kari mich anstarrte. Purer.... Hass? Wofür hasste sie mich wohl mehr? Dafür, dass sie meinte, dass ich mit ihrem Bruder „schlief“? Oder dafür, dass ich hier stand und ihn nicht aufgehalten hatte. Ich entschied mich für eine Mischung aus beiden, als sie mich mit ihrem Blick fast umbrachte. Was konnte ich denn bitte für ihren hirnverbrannten Bruder? Sollte sie sich doch bei ihren Eltern beschweren.
 

Ich hob abwehrend die Hände und bat sie somit, mich daraus zu halten. So kleinlaut hatte mich wohl noch nie jemand erlebt. Aber Kari machte mir gerade echt Angst. Wirklich Angst.
 

„Deine Witze sind scheiße.“, sagte sie trocken, stapfte an ihm vorbei und knallte hinter sich die Tür zu ihrem Zimmer zu. Ich zuckte bei der Wucht die diese zierliche Person aus ihren Armen gezaubert hatte zusammen, und wagte es kaum mich zu rühren. Ursprünglich war ich hergekommen, um Tai seine Rolle als Zuhörer abzunehmen. War hergekommen um Karis Sora zu sein, weil das Original drei Zugstunden entfernt in ihrem Apartment saß, sich von ihrem Musikerfreund ficken ließ und dabei sein gekochtes Essen aß. Manchmal wollte ich Sora sein. Manchmal. Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich wieder auf die Situation zu besinnen. Hikari war laut Tai komplett aufgelöst in seinen Armen eingeschlafen, hatte sich den ganzen Tag nicht aus dem Zimmer getraut und hatte gerade mich mit ihrem Blick und ihren Bruder mit ihren Worten getötet. Sie hatte sich vollkommen unkarihaft genommen. Wie ausgewechselt.
 

„Toller Spruch, hast du noch mehr davon?“, zischte ich schließlich um die Stille zu brechen und erntete ein böses Grummeln als Antwort. Tai machte es seiner Schwester nach, schlurfte zum Kühlschrank und checkte ebenfalls die Lage.
 

„Das Essen hier drin lernt bestimmt noch laufen, wenn Mum so weitermacht.“ Er ignorierte meinen bissigen Kommentar, schien plötzlich sehr müde zu sein und lehnte enttäuscht gegen den Kühlschrank. In die Leere starrend zog er die Luft scharf durch die Nase.
 

„Bevor ich zu dir gefahren bin, habe ich schon mal mit Kari gesprochen.“, fing er plötzlich an und rutschte auf den Holzboden hinab, seine Arme auf seinen Knien ablegend. Ich fuhr mir durch das Haar als ich mich vor ihn auf den Boden setzte. „Da war sie nervös, zitterte vor Aufregung und wollte wissen, wie es ist, mit jemand zu schlafen...“
 

„Und da fragt sie ausgerechnet dich?“, warf ich ein, klatschte von mir selbst erschrocken meine Hand gegen meinen Mund. Tai legte gelangweilt von meinen Stichelein den Kopf schief und sah mich aus zu Schlitzen geformten Augen an.
 

„Echt jetzt?“
 

„S-sorry. Red weiter...“
 

„... Jedenfalls glaube ich fest daran, dass sie sich meinen Tipp wohl etwas zu sehr zu Herzen genommen hat...“
 

„Tipp? Was hast du ihr denn geraten?“
 

„... Ich habe ihr gesagt, sie soll mit Takeru reden.“
 

Ich runzelte die Stirn, rückte so nach vorn, dass ich meinen Kopf auf eines, seiner Beine ablegen konnte und gab ein verwirrtes Geräusch von mir. Tai legte seine Hand auf mein Haar, und vergrub seine Finger nachdenklich in ihnen.
 

„Das klingt jetzt nicht unbedingt nach etwas, was eine komplette Charakterveränderung auslöst.“ entgegnete ich und schloss die Augen, weil es verdammt gut tat, was er da mit seinen Fingern machte. Konzentrier dich Frau, dachte ich.
 

„Ich weiß.... Aber du hättest sie mal sehen sollen. Diesen Ausdruck in den Augen. Dieses Verlangen... Ich glaube sie hat Worten eher Taten folgen lassen und hat T.K. vielleicht vor vollendete Tatsachen gestellt? Vielleicht wusste der arme Junge gar nicht, wie ihm geschieht?“
 

Ich lachte leise über die Naivität Tais. Takeru war bei weitem nicht der harmlose „kleine Junge“. Der ließ nichts anbrennen. Aus zuverlässige Quelle, namens Miyako, wusste ich, dass der kleine seinem Bruder nacheiferte, Liebesbriefe sammelte und vor Kari schon das ein oder andere Datei hatte. Ich wollte nicht davon ausgehen, dass er schon mal mit einem Mädchen geschlafen hatte. Aber er war bestimmt nicht abgeneigt.
 

„Glaubst du eigentlich was du hörst? Keiner von den Beiden wäre so drauf... Da muss was anderes passiert sein...“ Er strich mir über die Wange und ein bisschen war ich beleidigt, dass er aufgehört hatte, mir den Kopf zu massieren.
 

„Mag sein. Seitdem ich aus dem Zimmer ausgezogen bin, habe ich das Gefühl ein bisschen den Draht zu Kari verloren zu haben. Ich weiß gar nicht mehr alles, was in ihr vorgeht. Sie erzählt mir auch nicht mehr alles...“, hauchte er in den Raum und sah mich mit dunklem Blick aus halbgeöffneten Augen an. Meine weiblichen Sensoren aktivierten sich und fuhr erschrocken hoch, als ich bemerkte, was hier vor sich ging.
 

Tai und ich hockten in der Küche seiner Eltern auf dem Boden, vor dem Kühlschrank, sprachen über seiner Schwester, die nur eine Wand von uns trennte, und er streichelte meinen Kopf wie eine Katze, die er zum Schnurren bringen wollte. Wie anmaßend. Seine Schwester litt, und Herr Yagami und ich kuschelten fast auf dem Küchenboden.
 

Ich schob mich von ihm weg, stand auf und richtete meine Haare. Tai sah mich verwundert an, kämpfte sich aber auch nach oben.
 

„Was hat dich denn auf einmal gestochen?“, wollte er wissen und in seiner Stimme schwang ein Hauch von Enttäuschung mit. Unverbesserlich.
 

„Deine Schwester braucht uns und du fummelst an mir herum. Schäm dich!“
 

„Vorhin hat es dir noch gefallen.“, sagte er und ihm durchfuhr sichtlich ein Schlag der Niederlage, die ihm in Folge seiner Fummelei vorhin ereilte. Ich ließ das besser unkommentiert. Sonst würde ich ihm doch nur den dritten Tritt in Folge verpassen.
 

„Ich mache jetzt das, wofür ich hergekommen bin.“, kündigte ich an und lief zur Tür von Karis Zimmer. Tai schaute mich mit offenen Mund an. Eine Gewisse Trauer konnte ich in seinem Blick erkennen. Entweder deswegen, weil er sich nicht noch einmal beweisen durfte. Oder weil eigentlich er an meiner Stelle vor Karis Tür stehen wollte oder sollte.
 

Ohne eine Reaktion von Tai abzuwarten, klopfte ich an ihre Tür. Kein Mucks. Kein „Herein“. Nichts. Ich klopfte nochmal. Wieder nichts.
 

„Vielleicht hat sie sich wieder hingelegt.“, hörte ich Tai hinter mir sagen. Ich klopfte nochmal, energischer. Tai kam zu mir herum, ich konnte seine Schritte hören, er griff nach meinem Arm und zog mich zu sich. Ich protestierte, aber er war stärker.
 

„Lass sie...“
 

„Aber jemand muss ihr doch helfen!“, unterbrach ich ihn und rieß mich los, Tai amtete müde ein.
 

„Nein du verstehst das nicht. Kari antwortet nicht, weil sie sich nicht helfen lassen will... Und das ist okay...“ Ich gab ein verächtliches Geräusch von mir, drehte mich empört im Kreis und schluckte meine Wut herunter.
 

„Vertrau mir Mimi. Ich bin ihr Bruder, ich kenne Kari. Sie will andere nicht mit ihrem Problemen belasten, und schluckt das solange herunter, bis sie irgendwann platzt. Dann kommt sie erst zu einem und streckt die Hand aus. Nicht eher. Und schon gar nicht unter Druck...“
 

Ich sah Tai wütend an, weil ich ihn für feige hielt. Aber ich musste mir eingestehen, dass er sie besser kannte. Das er recht hatte. Auch wenn ich es falsch fand, was er sagte. Weil es so unendlich traurig klang. So unendlich traurig, dass dieses Mädchen dort in ihrem Zimmer hockte, Weltschmerz verspürte und ihn mit niemanden teilen wollte. Alleine leiden wollte. Das brach mir das Herz. Sora hätte sie die Tür aufgemacht, dachte ich und das machte mich nur noch trauriger. Ich war keineswegs neidisch auf Soras magische Fähigkeit das alle von sorgenzerfressenen Menschen ihr von ihren Problemen erzählten. Es war nur schade, dass Kari sich scheinbar nur ihr öffnen konnte. Oder Tai. Und das erst dann, wenn sie schon daran zerbrach.
 

Traurig und geläutert kam ich den halben Meter, der zwischen mir und Tag entstanden war, auf ihn zu und lehnte mich gegen seinen sportlichen Körper. Alles, was mich aufmunterte, waren seine warmen Arme, die mich tröstend umschlossen.

Chaos im Herzen

„Meld dich, wenn was ist…", sagte ich nervös, das Handy zwischen Ohr und Schulter klemmend während ich die Zucchini in Scheiben schnitt. Takeru und ich hatten geschlagene zwei Stunden telefoniert und ich konnte mich jetzt schon auf meine Handyrechnung freuen. Der Kleine hatte Glück, dass er mein Bruder war. Ich war armer bald Student und konnte mir verträumte Telefonate bis Mitternacht nicht leisten. Nein, okay. Ich hatte ihm gern die Zeit geschenkt. Und ich würde auch die Rechnung ohne zu murren zahlen. Er brauchte seinen großen Bruder.
 

Sora würde bald von ihrem Unieinführungskursdings kommen. Weil ich nun mal der beste Freund der Welt war, wollte ich sie mit einem Essen überraschen. Denn mal ernsthaft: Wer stellte sich gern noch freiwillig an den Herd nachdem man acht Stunden in der Uni verbracht hatte? Gerade als ich vom Einkaufen zurückkam sah und hörte ich mein Handy auf dem Esstisch vibrieren. Ich hatte es Zuhause liegen, weil ich nicht zu diesen Elektro-Zombies gehören wollte. Rebell durch und durch.
 

Ich hatte nicht damit gerechnet, das mein kleiner Bruder zwei Stunden lang mit mir am Telefon hängen würde. Aber noch weniger mit der Story, die mir Takeru präsentierte. Mein Bruder war mir in puncto "Womanizer" recht ähnlich. Es vergingen vor Kari nur wenige Tage an denen er mir nicht von einem neuen Liebesbrief erzählte. Die Mädchen mochten ihn. Er mochte die Mädchen. Wusste, wie man mit ihnen umging. Das lag nicht zuletzt an der Tatsache, dass ihn unsere Mutter zu einem Gentleman erzogen hatte. Das er aber nie ernsthaft mit einer von seinen Interessentinnen ausging lag an der Tatsache, daß er eben nur ein Mädchen mochte. Kari. Und um die war es auch gegangen. Um das, was geschehen war. Zwei Stunden lang.
 

T.K. hatte wortlos aufgelegt und ließ mich mit Magenschmerzen zurück. Seufzend ließ ich das Messer aus meiner Hand gleiten und schmiss das Handy achtlos auf die Couch auf der anderen Seite des Raumes. Das würde mir jetzt keine Ruhe mehr lassen. Mein kleiner Bruder litt, und ich konnte nicht mal eben in die U-Bahn steigen, um zu ihm zu fahren. Um ihm beizustehen müsste ich erstmal durch die halbe Weltgeschichte. Der Nachtteil daran in Nagoya zu wohnen. Eine Pfanne herausholend dachte ich über das nach, was mein Bruder mir erzählt hatte. Und ich war noch immer sprachlos. Dieser Schmerz in seiner Stimme hallte noch immer in meinem Kopf. So tief wie ich in Gedanken war, bemerkte ich nicht, wie sich die Eingangstür öffnete und Sora eintrat. Nur um mich im Türrahmen stehend auszulachen.
 

„Was murmelst du denn vor dich hin?", fragte sie mich und ließ ihre Tasche neben sich auf den Boden fallen. Erschrocken drehte ich mich auf meinen Fersen zu ihr um, atmete tief durch, als ich den Rotschopf vor mir stehen sah. Ich winkte ab und wischte mir die Hände an meiner Schürze ab. Sora legte fragend den Kopf schief, wusste aber ganz genau, dass sie sowieso erfahren würde, was passiert war. Sie streckte die Arme müde aus in freudiger Erwartung, von mir umarmt zu werden. Grinsend legte ich die Schürze ab, legte meine Hände auf ihre Hüften und zog sie so eng wie nur möglich zu mir heran. Sie kicherte als ich sie mit meinen Armen fest an mich drückte. Ihr Geruch in meiner Nase als ich diese in ihrer Halsbeuge vergrub ließ mich sofort entspannen. Sie seufzte.
 

„Wie war dein Tag?", wollte ich wissen während ich ihr Gesicht mit meinen Händen einrahmte und sie küsste. Sie grinste mich mit ihrem strahlenden Lächeln an, in ihren Augen konnte ich allerdings sehen, dass sie bereits begann, meine Gefühle in meinen zu lesen. Wie sie das machte verstand ich nach all den Jahren immer noch nicht. Ich versuchte zu lächeln. Angespannt.
 

„Besser als deiner wie mir scheint...“, entgegnete sie ihren Kopf gegen meinen Oberkörper legend was ich mit einem Kuss auf ihr Haar beantwortete. Sie seufzte und allein wegen dieser kleinen, fast unscheinbaren Geste merkte, wie unfassbar verknallt in in sie war.
 

„Wieso? Ich war hier und habe den perfekten Hausmann gespielt, während meine äußerst talentierte Freundin den ersten Schritt in ihrer vielversprechenden Karriere begangen hat.“, säuselte ich, was mir nur noch mehr kichern seitens Sora einbrachte. „Wenn du eines Tages reich und berühmt bist und deine Memoiren als Bestseller verkaufst, hoffe ich auf eine kleine Fußnote ganz am Ende des Buches...“
 

Sora schob sich von mich und sah mich mit einem verwirrten Blick an, ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach. Ich bemühte mich indessen meine melodramatische Haltung zu bewahren. Vergebens. Meine Sora war einfach zu ansteckend. Erzählt das bloß nicht den anderen, die sollen ruhig weiter in dem Glauben leben, dass ich zu cool fürs Lachen sei.
 

„Du erzählst einen Quatsch, dass ich ja unfassbar...“ Sie schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr, ehe sie sich an mir vorbei zwängte und den bereits von mir in Betrieb genommenen Reiskocher bewunderte. „Du bist mein Held! Ich sterbe vor Hunger!“
 

„Na, das kann ich doch nicht verantworten!“, entgegnete ich und diktierte sie zur Couch, wo sie sich erschöpft fallen ließ. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich sie dort dösend liegend sah. Während ich das Gemüse anbriet, konnte ich spüren, wie Sora mich mit ihrem Augen von hinten durchbohrte.
 

„Also?", begann sie, "was ist los im Staate Tokyo?" Das Gemüse in die Pfanne werfend grummelte ich. Sora würde nicht locker lassen ehe sie wusste, was passiert war. Und wenn sie es nicht jetzt erfuhr, dann eben in fünf Minuten.

Ich legte einen Deckel auf die Pfanne und drehte mich genervt um, nur um zu sehen, wie Sora mich im Sofa zusammengesunken aus halbgeöffneten Augen ansah. Sie war total fertig mit der Welt. Ihre schlanken Beine weit von sich gestreckt wartete sie auf eine Antwort. Und ich stand da und wollte sie einfach nur in den Schlaf wiegen. Sie war zu niedlich. Immer.
 

„Hör auf zu sabbern und sag endlich was los ist.", murmelte sie während sie sehr damit kämpfte nicht an Ort und Stelle einzuschlafen. Mir wurde bei ihrem Anblick ganz warm um mein kaltes Herz und musste lächeln.
 

„T.K. hat angerufen…", sagte ich schließlich und das gute Gefühl in mir verschwand. Sora wurde schlagartig wach und erhob ihren Oberkörper in eine aufrechte Position. Ich beschloss den Herd auszumachen. Das würde länger dauern. Ich konnte es fühlen. Mein armes Essen.
 

„Das ist ja erstmal nichts ungewöhnliches?", entgegnete sie und strich sich durch das Haar. Mit langsamen Schritten lief ich zu ihr rüber und ließ mich zu ihren Füßen nieder, um meinen Kopf auf ihre Knie zu legen. Vielleicht war ich erschöpft. Vielleicht war ich aber auch eine Katze.
 

„Es wird ungewöhnlich wenn dir dein Bruder aufgelöst erzählt, das er und ich zitiere "zu dumm ist um mit seiner Freundin zu schlafen"." Soras und mein Blick tragen sich und ich konnte sehen wie ihre Mundwinkel bebten. Sie versuchte verkrampft nicht los zu lachen. Ertappt leckte sie sich stattdessen über die Lippen.
 

„Ich fürchte ich kann nicht ganz folgen."
 

„Das kann ich dir nicht verdenken. Wer könnte das schon…", antwortete ich und seufzte. Wohin das ganze führen sollte würde ihr das Lachen noch aus ihren hübschem Gesicht pusten.
 

„Der arme Kleine. Was ist denn passiert? Weißt du mehr?"
 

„Ich weiß zu viel." Sora lachte und fuhr mit ihrer Hand durch mein Haar.
 

„Wenn du die ganze Geschichte hören willst, musst du damit aufhören. Du weißt doch was das mit mir macht…", schnurrte ich und Sora hörte sofort auf. Während sich mein Gehirn noch mit meinem Herzen stritt ob wir das gut oder schlechten finden würden, hob ich den Kopf und seufzte.
 

„Schieß los!"
 

„Takeru… er…"
 

„Ja nun rück raus mit der Sprache! Ich habe acht Stunden Uni hinter mir und musste heute 300 Kilometer laufen um auch ja jeden Winkel der Gebäude kennen zu lernen ich habe keine Kraft mehr, Matt!"
 

Ich schnalzte mit der Zunge und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Weil ich das doch auch alles nicht begriff. Selber fertig war.
 

„Takeru will mit Kari Schluss machen.", platze es schließlich aus mir heraus und ich stieß die Luft dabei so hart aus das fast kein bisschen mehr in meiner Lunge übrig blieb. Ein vorsichtiger Blick zu Soras Gesicht verriet mir, dass ich auch ihrer Atmung einen Todesstoß versetzt hatte. Sie sah mich an als hätte ich ihr gesagt ich hätte Krebs.
 

„Was sagst du da?", hauchte sie fragend, mächtig geschockt über meine Aussage. So geschockt das ihre Hand automatisch zu ihrem Mund fand und ihn schützend umfasste. Als wenn es das besser machen würde.
 

Es war verrückt wie sehr wir beide reagierten. Als wenn wir es wären, die das durchleben müssten. Als wären Sora und ich T.K. der im Moment komplett zerrissen in seinem Zimmer vor sich hin auf und ab ging und an dem Druck seines zerberstenen Herzens zusammenbrechen zudrohte. Allein dieser Satz warf nicht nur mich aus der Bahn. Sora auch. So waren wir. Die wohl sensibelsten Menschen der Welt deren Gefühle wie ein feines Netz um alle unsere Freunde und Verwandte gespannt war.
 

„Wie vorhin schon angedeutet. Vor einigen Tagen hat Kari wohl den Versuch gestartet mit ihm zu schlafen. Er hat sie abgeblockt. Und er glaubt zu wissen wieso.", begann ich zu erklären auch wenn mich der Anblick meiner traurigen Freundin fast umbrachte. Ich wusste in Momenten wie diesen nicht was schlimmer war. Der Schmerz meines Bruder oder der meiner Sora.
 

„Ja aber das ist doch kein Grund Schluss zu machen. Vielleicht ist er einfach noch nicht soweit? Mein Gott die beiden sind 15!", unterbrach sie mich und winkte ab. Ich lächelte schwach.
 

„Die beiden sind doch jetzt erst ein paar Wochen zusammen. Seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren lechzten die beiden nach einander. Und jetzt lässt er sich wegen diesem kleinen Zwischenfall aus der Bahn werfen und will Schluss machen?“, fuhr sie fort, redete sich in Rage und schnaubte. Ich nickte. Denn sie hatte ja recht. So sah ich das auch.
 

„Ich werde dir da garantiert nicht widersprechen. Die erste halbe Stunde habe ich damit verbracht ihm genau das einzureden. Aber er hat immer nur abgeblockt. Hat immer Ausreden gesucht um zu erklären, dass das der einzig vernünftige Schritt sei. Frag mich nicht, er ist 15. Ein schwieriges Alter.“ Sora sah mich mit zusammen gekniffenen Augen an, bevor sie anfing zu lachen. Lauthals. Mir klappte die Kinnlade herunter. Meine Freundin lachte über das Leid anderer?
 

„Sagte er und war seit 19 Jahren in einem schwierigen Alter...“, sagte sie schließlich was mich zum schmollen brachte. Deswegen hatte sie gelacht. Wieso auch sonst. Über mich konnte man anscheinend sehr gut lachen. Ich schnaubte.
 

„Das hat ja dann wohl von mir...“, murmelte ich während sie mir entschuldigend über die Wange streichelte.
 

„Vermutlich.“ Sora verlagerte ihren Körper ganz auf das Sofa und sah mich mit einem verschlafenen Blick an.
 

„Hat er noch was gesagt? Ich mein außer abzustreiten, dass das alles eine merkwürdige Aktion ist, die er da starten will?“ Ich schüttelte den Kopf. Denn das war tatsächlich so gut wie alles, was Takeru getan hatte. Nachdem ich aufgegeben hatte, ihm den Scheiß auszureden hatte er die restliche Zeit damit verbracht mir klar zu machen, dass Kari das nicht verdient hätte. Jemanden, der sie nicht so lieben würde, wie es ihr Freund nun mal tun sollte. Das das alles ein Fehler war. Das er blind war. Und je mehr er sprach desto ruhiger wurde ich. Und desto mehr dachte ich über das nach. Er rechtfertigte sich fast über eine Stunde lang und suchte offensichtlich nach jemanden der ihm sagte, dass das okay war. Dass das, was er sagte, Sinn ergab, dass Beste für alle wäre damit er sich nicht mehr so mies fühlte wenn er es tat. Mit Kari Schluss machen.
 

Das das Ganze einen langen Schwanz hatte, oder vielmehr bekommen würde, das schien ihm nicht klar zu sein. Denn er stürzte nicht nur sich und Kari ins Unglück. Er würde auch uns alle mitreißen. Noch zwei ehemalige Freunde die sich wie Fremde gegenüber sitzen werden, kein Wort mehr mit einander wechseln und uns alles in peinliche Stille tauchen werden. Und weil Kari Tais Schwester war würde Tai auch nie wieder mit T.K. sprechen. Und ihn verprügeln wollen. Jeden Tag. Und davon würde ich ihn abhalten müssen. Und dann würden wir uns verprügeln. Wie damals.
 

Das alles waren selbstsüchtige Gedanken und ich wusste ich war ein schrecklicher Bruder, aber so kannte und liebte man mich.

„Er versuchte scheinbar von mir eine Erlaubnis zu bekommen. Er erwartete ernsthaft von mir, dass ich das gut heiße und sage „Yo geh los und breche ihr das Herz!“ Mein kleiner Bruder wollte von mir das Go dafür!“, sagte ich schließlich und schüttelte noch immer schockiert den Kopf.
 

„Das sieht ihm gar nicht ähnlich...“, säuselte Sora neben mir und es wirkte fast, als sei sie eingeschlafen. Tatsächlich hatte sie die Augen geschlossen und atmete ruhiger als noch eben. Nicht nur, dass sie mein Essen nicht essen würde, jetzt schlief sie auch noch während meiner Geschichte über meinen verrückt gewordenen Bruder ein. Ich seufzte und strich ihr die Ponyfransen aus dem Gesicht, küsste ihre Stirn und stand auf. Sie hatte sich das Nickerchen durchaus verdient. Ein langer Tag lag hinter ihr und ich hatte nichts besseres zu tun, als sie direkt mit Gossip zu nerven.
 

„... Ich glaube ich verstehe ihn...“, sagte Sora plötzlich kaum hörbar, als ich eine Decke über ihren sportlichen Körper legte. Ich stockte erschrocken und sah ihr unverändertes Gesicht erwartungsvoll an.
 

„W-Wie meinst du das?“ Ich begann zu schwitzen als ich nervös auf die sich langsam wieder öffnenden Augen meiner Freundin starrte. Sie lächelte schwach.
 

„Vielleicht liebt er Kari nicht so, wie man seine Partnerin liebt.“, erklärt sie leise und ihre Worte begannen mir Angst zu machen. Was wollte sie mir damit sagen? Das mein Bruder seit Wochen mit seiner besten Freundin zusammen war, und sie... gar nicht liebte?
 

„Willst du damit sagen er liebt sie nicht?“ Sora schüttelte den Kopf.
 

„Doch. Er liebt sie. Aber er liebt sie vielleicht nicht auf dieselbe Weise wie sie ihn...“ Sie stemmte sich hoch und legte ihren Oberkörper auf ihrem Arm ab, um mich direkt ansehen zu können. Ich konnte nicht aufhören sie aus großen Augen anzuschauen. Sora war keine halbe Stunde Zuhause und analysierte mein zweistündiges Gespräch mit meinem Bruder innerhalb von wenigen Minuten besser als ich. Zu meiner Verteidigung: Sie war besser in diesen Gefühlsdingen. Und mein Bruder redete wirres Zeug. Ich musste erstmal darüber nachdenken was er da überhaupt gefaselt hatte.
 

„Du meinst... eher wie so eine Schwester?“, entgegnete ich und sie zuckte ihre Schultern.
 

„Das ist reine Spekulation. Vielleicht liege ich ja auch komplett falsch, und Takeru geht einfach nur die Muffe wegen dem ersten Mal. Ich hätte mit ihm sprechen müssen. Dann könnte ich das sicher besser sagen...“ Sie legte nachdenklich den Kopf schief, in Gedanken versunken.
 

„Bist du dir sicher, dass das mit dem Modestudium die richtige Entscheidung ist? Du solltest vielleicht lieber Psychologie studieren...“, meinte ich mit offener Kinnlade was sie zum lachen brachte.
 

„Hör auf... Es geht hier um deinen Bruder... Und dein Bruder steckt in einer gefühlstechnischen Krise...“

„Ich bin immer auf der Seite von Takeru. Immer.“, sagte ich plötzlich und unterbrach Sora. Sie zuckte zusammen. „Aber bei all seinem Gebrabbel über das Schluss machen mit Kari... war ich erschrocken über seine Ignoranz gegenüber Kari. Es ist als wenn er nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet hat, wie es ihr geht... Und das ärgert mich...“
 

„Ich glaube da liegst du falsch...“, gretschte Sora dazwischen und riss mich aus dem Redefluss. Verwundert sah ich ihn an. Sie beugte sich vor und sah mich an.
 

„Wenn ihm das wirklich egal wäre, würde er dann um deine Erlaubnis fragen? Würde er dich dann wirklich zwei Stunden lang am Telefon halten, um sich und seine Entscheidung zu rechtfertigen? Ich glaube nicht. Ich glaube Takeru ist sehr wohl klar, was sein Entschluss für Auswirkungen hat. Er weiß genau, wen er dort verletzt. Ihm fällt das absolut nicht leicht. Ihm ist das nicht egal.“

Stille. Ich dachte über Soras Worte nach begann langsam zu nickten. Das klang schon eher nach T.K. und sofort fühlte ich mich furchtbar, so über ihn gedacht zu haben. Ich legte niedergeschlagen meinen Kopf in meine Hände, während Sora mir über das Haar streichelte. Aufmunternd.
 

Momente wie diese waren es, die mich wie ein Loser von einem Bruder fühlen ließ. Ich wünschte ich könnte einfach rüber zu ihm gehen und ihm wie ein richtiger großer Bruder mit Rat und Tat zur Seite stehen. Stattdessen lebte ich drei Stunden von ihm entfernt und selbst wenn ich da wäre, im Tipps geben war ich furchtbar. Ich konnte mich im Normalfall zwar hervorragend in die Gefühlslage meines Bruders hineinversetzen. Zumindest dachte ich das immer. Aber es waren Momente wie diese die mir zeigten, dass ich das wohl doch nicht konnte.
 

Aber abgesehen von meinem eigenen Chaos im Herzen waren meine Gedanken nur bei meinem Bruder, der gerade mit sich selbst rang. Und ich konnte nichts tun als auf mein Handy zu starren und auf seinen neuen Anruf zu warten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo :D
Es tut mir leid, dass es zu viel Verwirrung gekommen ist. Aber vielleicht klärt es sich langsam etwas auf. Ja ich bin vielleicht etwas auf den Koumi-Train der gerade durch die Gegend fährt, aufgesprungen, aber ich hatte das, was jetzt passiert ist, eigentlich auch so vor. Nur in den voran gegangenen Kapiteln, also die von vor meiner Pause, sind so viele Logikfehler, die musste ich erstmal ein wenig ausbessern. Daher ist gerade dieses Chaos mit Tai und Mimi am Gange. Das versuche ich irgendwie gerade in den Griff zu kriegen. Sorry! :DD Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich hatte ich mit Joe etwas anderes vor. Aber auf Wunsch löse ich auf, was mit Sora vorerst geschieht. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ihr erinnert euch, wie ich sagte, das Sayachi kein Kapitel mehr bekommt? :D Ich kriege beim Schreiben oft neue Ideen und werfe dann wieder Sachen um. Vielleicht kriegt sie doch noch eins. xD... to be continued... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe mich erinnert, dass das hier ja sogar eine Songfic ist, und ich durchaus mal den einen oder anderen Song eingepflegt habe. :D

Der Song:
Adele – Hello
Die Lyrics habe ich von : http://www.songtexte.com/songtext/adele/hello-4379270f.html Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein meh-Kapitel. Muss auch mal sein. Meh. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es kann sein, dass die neuen Kapitel nun in etwas größeren Abständen kommen. Komme nicht mehr so oft dazu so viel zu schreiben wie zuvor. :o Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
stay tuned... lames Kapitel haha Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Zue ist zwar ein neuer Charakter, sie bekommt jetzt aber kein eigenes Kapitel. Ich führe sie lediglich in der Charakterliste mit auf. :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach einer kleinen Abstinenz bin ich mit diesen Kapitel zurück! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
meh Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie bereits erwähnt, es wird etwas dauern mit neuen Kapiteln :/... und das hier ist auch nur ein meh-Kapitel :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tut mir leid, dass ich im Moment wieder so inaktiv bin. Busy. Busy. Ich bemühe mich wieder mehr hochzuladen >-< Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na Kinder, wisst ihr noch, was das hier ist? Nein? Das tut mir leid. Das ich so nachlasse im Moment. Ich hatte und habe in letzter sämtliches Interesse an allem verloren und bin so ein bisschen leer. Aber ich habe mich jetzt wieder ans Schreiben gesetzt, und finde ein wenig zurück! Ich hoffe ihr seid mir nicht zu böse. :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hahahaha.... So viel dazu, dass ich versuche jeden Monat was hochzuladen hahaha... Komplett anzeigen

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Von:  Naruto21
2016-07-02T19:53:51+00:00 02.07.2016 21:53
Huhu^^
Oh nein bitte lass Takeru nicht mit ihr Schluss machen :*(
Sie gehören zusammen die zwei
Also lass ihn bitte nur etwas Angst vor dem nächsten stritt haben und lass sie sich aussprechen
Bitte bitte bitte
Also schreibe schnell weiter

Lg deine Naruto 21
Von:  dattelpalme11
2016-06-05T11:55:09+00:00 05.06.2016 13:55
Hallo meine Liebe :)
Endlich habe ich mal etwas Zeit gefunden, um dein neues Kapitelchen zu kommentieren :D
Ich hoffe, ich bekomme noch alles zusammen :P
Okay, fangen wir mal bei Matt an :D Ich finde es echt süß, dass er für Sora nach sooo einem langen Unitag kocht <3 Irgendwie ist schön, wie die beiden generell miteinander argieren :D
Und wie sie über die alltäglichen Probleme reden ;)
Ich muss sagen, dass ich jetzt nicht damit gerechnet habe, dass Takeru mit Kari Schluss machen will o.o
Ich kann zwar verstehen, dass er mega unsicher ist, weil ja auch einiges auf dem Spiel steht, aber ich glaube, dann würde sich Yamatos Schreckenszenario wirklich bewahrheiten o.o
Kari und Tk würden nach all dem nicht mehr miteinander reden, Tai würde Tk verprügeln, Matt würde dazwischen gehen und selbst eins auf die Nase bekommen...klingt echt nicht toll und will ich mir gar nicht vorstellen >_<
Obwohl Soras Spekulation schon stimmen könnte. Vielleicht hat er gemerkt, dass er sie nicht so liebt, wie er sie lieben sollte. Sie sind ja auch schon ewig miteinander befreundet und irgendwas scheint ihn ja auch zu hemmen, einen Schritt weiterzugehen :(
Aber dennoch wäre das sehr bitter...besonders für Kari. Ich glaube nicht, dass das ihre Freundschaft überstehen würde :/
Und ich glaube auch, dass ihm diese Entscheidung nicht leicht fällt. Sora hat da schon recht. Er hat sich viele Gedanken darüber gemacht und wollte vielleicht auch von seinem Bruder die Bestätigung bekommen, dass richtige zu tun. Aber hier hilft es wohl nur auf seine Gefühle zu hören und sich von ihnen leiten zu lassen :)
Ich bin mal gespannt, was in Takerus Sicht soo alles passieren wird und ob er wirklich mit Kari Schluss macht >_< Hoffentlich nicht :'(
Aber gut, ich werde es ja im nächsten Kapitel lesen :D

Freue mich schon darauf ;)
Liebe Grüße
Tamara :>
Von:  Tasha88
2016-05-29T13:56:12+00:00 29.05.2016 15:56
Hallo :3

brich nicht das Takari Herz von mir und vielen anderen Lesern o.O
Takari trennen???

und alleine, um zu wissen wie es weitergeht, musst du das nächste Kapi gaaaaanz schnell posten *_____*

zumindest mein Sorato-Herz hast du in diesem Kapi besänftigt. Ich finde die beiden sooooo süß miteinander *___*

hoffentlich auf bald mehr ^^
bis dann

LIebe Grüße
Tasha
Von:  dattelpalme11
2016-03-25T10:10:03+00:00 25.03.2016 11:10
Hallöchen :)
Endlich finde ich mal etwas Zeit um auch hier zu Kommentieren :D
Ich habe das Kapitel schon vor einiger Zeit gelesen, hatte aber dazwischen noch eine Prüfung zu erledigen und hoffe wirklich, dass ich jetzt nichts vergessen werde o.o

Ohje...was hat Tai nur getan? Das hat ja beim Lesen allein schon höllisch wehgetan -.- Bei wem hat er sich denn informiert? Wie-malträtiere-ich-eine-Frau.com?
Aber ich finde es ganz gut, dass es eben nicht von Anfang an klappt xD Die beiden haben zwar schon mal miteinander geschlafen aber da waren sie auch sehr betrunken gewesen.
Hier hilft wohl nur eins: Offen miteinander reden. Auch wenn Mimi manchmal doch sehr direkt ist und dadurch auch Menschen verletzen kann xD
Aber ich schätze schon, dass die beiden sich gut einspielen können und Tai auch in der Lage ist Mimi etwas Kontra zu geben :D

Ach, aber irgendwie ist es auch niedlich wie sehr er sich um Kari sorgt, aber auch genau weiß wie sie reagiert, wenn man ihr Hilfe anbieten will.
Ich denke Mimi muss sich an dieses starke Band der Geschwister auch erstmal gewöhnen :D
Interessant fand ich auch, dass Takeru wohl nicht sooo unschuldig zu sein scheint, wie es auf den ersten Blick der Fall war :D Ob da noch was rauskommen wird, was Kari noch mehr erschüttern könnte?
Ich bin mal gespannt :D
Ich mag die Geschichte nach wie vor sehr gern :) Und freue mich immer sehr wenn es weitergeht. Daher hoffe ich, dass noch ein paar Kapitelchen kommen werden :>

Liebe Grüße :3
Von:  Linchen-86
2016-03-14T17:41:30+00:00 14.03.2016 18:41
Jehu...ein neues Kapitel... und es ist unfassbar toll :)

XDDD Oh man ich hab echt viel gelacht und viel gelitten, aber noch mehr gelacht....

Taichi ist sonst immer so ein checker und hier gar nicht :) zu genial XD und ich war letzte Woche beim Frauenarzt und war wirklich froh, als ich gehen konnte XDDD

Mimi ist wirklich nicht sehr sensibel, aber obwohl mir Tai da echt leid tut, weil das ist echt mal ein verbaler Schlag in die Eier... ist er doch ganz gut damit umgegangen, obwohl ich glaub ich wirklich angekratzt war,das Mimi ihn aber deshalb nicht gleich abweist ist doch auch irgendwie lieb ;)
und eben man wächst mit den Herausforderungen, zusammen grooven die sich schon ein und Mimi kann ihm ja Nachhilfe geben ;) Izzy war vorher sicher auch kein Hecht ;) XD

Karis Blick...Ich konnte ihn mir echt bildlich vorstellen... genial... das Taichi noch lebt, granzte wahrlicht an ein Wunder...

Irgendwie fand ich es süß, wie sie da gemeinsam am Küchenboden lagen und Taichi Mimi massiert und sie es genossen hat...also scheint er ja doch etwas gut zu können ;) und alles andere wird schon...

Liebe Grüße :)

Von:  Tasha88
2016-03-14T13:01:24+00:00 14.03.2016 14:01
Hallo :3

ich mache gleich mit XD
ich liebe das neue Kapi und ich freue mich so sehr, dass es hier weitergeht ^^
danke, danke, danke ^^ und weiter so ;)

diese Michi-Szene XD ich musste auch irgendwie lachen, Black-Starshine hat es richtig gesagt ;)
Tai freut sich und denkt wunder weiß von sich .... und Mimi denkt, dass es schlimmer als ein Frauenarzt besuch ist... ich kann es vollkommen nachvollziehen... lieber Zahnarzt als Frauenarzt...

und wie die beiden sich einfach verstehen - herzlich ^^ auch wenn Mimi echt fies sein kann XD
und noch ein tritt hinterher

und dann die arme Kari ...
beim Thema unsensibel kann Tai aber gut mit Kari mithalten...
und schön, dass er sich so toll bei Kari einfühlen kann... und einfach mal den Nagel auf den Kopf trifft...

ich hoffe, dass du bald wieder was in petto hast ^^
deine Geschichte ist einfach toll ^^

Liebe Grüße
Tasha
Von:  Black-Starshine
2016-03-13T22:22:07+00:00 13.03.2016 23:22
Hey, Hey, Hey ;D
 
Ich freu mich, endlich wieder ein neues Kapitel von dir lesen zu dürfen. Die Story ist einfach wahnsinnig toll und als ich gesehen habe, dass was Neues online ist, musste ich gleich mal lesen. Vor allem, da ja nun ein Mimi/Michi Kapitel kommt.
Aber man die keine Sorgen. Ich kenne das, wenn man das Interesse eine Zeit lang verliert. Umso schöner finde ich, dass du allmählich zurückfindest ♥
 
Wobei ich schockiert bin. Eine absolute Wendung XD Das Mimi nicht von dem Sex zu Taichi erregt werden würde, hätte ich niemals gedacht. Ich bin wirklich schockiert. Aber irgendwie musste ich auch die gesamte Zeit grinsen. Bis zu dem Punkt, als Taichi in sie eindringt. Gott. Da hab ich echt mitgelitten. Vor allem, wenn ich mir vorstellen muss, dass der Sex schlechter ist, schlimmer, als eine Untersuchung bei Frauenarzt. Jede Frau, die hier mitspielt, weiß ganz genau was ich meine >.< Aber ich hab die gesamte Zeit auch richtig Mitgefühl mit Taichi >___< Da gibt er sich so viel Mühe und macht es direkt kaputt. Mein Michi-Herz blutet…
 
Oh Gott. Das arme Ego von Taichi. Ich hab richtig mitgelitten. Und dann tritt Mimi auch noch in ein Fettnäpfchen nach dem Anderen. Manchmal kann sie wirklich unsensibel sein. Wobei ich das ja wirklich mag. Besonderes bei deiner FF: Gott. Dein Schreibstil ist einfach der Hammer. Ich liebe diese innerlichen Gefechte, die sie mit sich ausmacht. Das macht es einfach nur spannend. Außerdem bin ich Fan von kurzen, prägnanten Sätzen. Großartig – muss an dieser Stelle einfach gesagt werden!
 
Ich finde es richtig toll, als die beiden beginnen zu lachen. Das verquere Paar. Ich mag diese Beschreibung der beiden. Ich mag die Beziehung der beiden. Gott, das ist einfach so authentisch. Nicht alles ist gleich von Beginn perfekt. Es ist einfach schön zu lesen, dass manches einfach nicht in die richtige Richtung läuft. Aber das man trotzdem optimistisch bleiben kann :D
 
Ich finde es auch schön, dass Hikari einen Auftritt hat. Obwohl ich ihren Anblick mir bildlich vorstellen konnte. Sie hat es im Moment nicht leicht. Ich kann verstehen, dass sie das alles erstmal mit sich selbst ausmachen möchte. Aber ich denke immer, dass niemand alleine mit einer gewissen Situation sein will. Auch, wenn er auf stur stellt. Manchmal ist Mimi sicher ziemlich unsensibel. Aber ich denke, dass gerade ihre direkt und ehrliche Art kleinen Schwester von Taichi gut helfen kann. Doch zu einer Zeit, in welcher das Hikari auch verkraften kann.
 
Ich bin schon gespannt, wie es weitergehen wird.
Nach wie vor bin ich von dem Kapitel begeistert, von der gesamten Story. Ich liebe deine Art zu schreiben einfach. Es hat etwas Nüchternes, aber unglaublich Spannendes, was die Geschichte einfach wahnsinnig lebendig macht.
 
Love it!
Von:  dattelpalme11
2016-02-03T08:58:08+00:00 03.02.2016 09:58
Hallo meine Liebe :)
Ich habe mich echt gefreut, als ich gesehen habe, dass du ein neues Kapitel hochgeladen hast :>
Finde das Kapitel echt unfassbar toll *_* Gerade auch wie Tai sich um Kari sorgt, ist einfach sehr schön beschrieben.
Auch die Szene mit Tai und seiner Mutter mochte ich gern ;) Mir hat es auch gut gefallen, dass du einen Bezug zu Adventure hergestellt hast :D Und man hat hier auch gut erkannt, dass Tai kein kleiner Junge mehr ist, weil er um einiges größer als seine Mutter ist, als er sie in den Arm genommen hat.
Toll fand ich auch generell die Szenen zwischen Mimi und Tai, wie sie sich anzicken und dann wieder voll lieb zueinander sind :>
Echt eine Weltpremiere, dass Mimi eine Flasche Wasser getragen hat :D Da war der Kuss mit Tai wohl sehr beflügelnd gewesen ;D
Als sie in Tais Zimmer waren, hat Mimi ihm wohl sämtliche Konzentration geraubt, was ich mir wirklich gut vorstellen konnte :D
Man merkt auch, dass Tai ganz schön in Mimi verknallt ist, weshalb es mich auch sehr freut, dass die beiden es miteinander versuchen.
Er scheint ja auch Mimi ganz schön überrascht zu haben, als er sie mit den Zähnen auszieht xD Ich bin wirklich mal gespannt, wie es bei Mimis Sicht weitergeht :D
Aber der Titel passt wirklich hervorragend zum Kapitel. Tai ist wirklich kein kleiner Junge mehr ;) Das hat er wirklich bewiesen :D

Ich freue mich schon darauf, wenn es weitergeht :)
Liebe Grüße :>
Antwort von:  MissBloodyEnd
03.02.2016 20:11
haha wie immer danke für deine Meinung :3 ... Ich freu mich, dass es dir wieder gefallen hat :)

Ich wollte schon lange mal Tai ein bisschen erwachsender rüberkommen lassen... Tadaa xD ... Und ich freu mich, dass dir auch die Szenen mit Mimi und Tai gefallen haben :3 ... im nächsten Kapitel kommt davon mehr :D

Ich bemühe mich schnell weiterzuschreiben
Liebe Grüße zurück :3
Von:  Black-Starshine
2016-02-02T22:23:55+00:00 02.02.2016 23:23
Ich liebe dieses Kapitel.
Natürlich auch, weil ich das Pairing liebe, aber noch mehr, weil ich deinen Schreibstil liebe.
Also, eigentlich liebe ich alles.
Viel Liebe!
 
Nein! Ganz ernsthaft. Es ist toll geschrieben und ich mag die Perspektive von Taichi. Allein dein Schreiben beweist mir einmal mehr, wie gut die beiden doch zueinander passen. Taichi ist einer der wenigen Menschen, dem es gelingt, Mimi etwas entgegen zu setzen und dafür auch noch die Geduld aufzubringen. Denn Mimi ist wahrlich eine Herausforderung. Trotzdem wirkt Taichi nicht überfordert. Stattdessen ist seine Intension, sie glücklich zu machen. Das kommt bei deinem Werk einfach super authentisch zur Geltung und gefällt mir sehr.
 
Auch die Tatsache, dass Taichi nun ein „Mann“ ist und anderes mit dem Ganzen umgeht, schmachte ich an. Ich liebe Taichi, wenn er seine ernste Seite zum Vorschein bringt. Dass er so ruhig und gefasst ist, ist der perfekte Gegenpart für die laute und vorlaute Mimi. Wieder einmal mehr, dass die beiden perfekt zueinander passen. Ich liebe es einfach.
 
Liebe, Liebe, Liebe!
Schreib schnell weiter, damit ich noch mehr lesen kann ♥
Antwort von:  MissBloodyEnd
03.02.2016 20:08
Vielen Dank für deinen Kommentar! :,)

Ich freue mich, wenn es gefällt. Ich kann nur nicht versprechen schnell weiter zu schreiben xDDD... Aber ich bemühe mich! Ich liebe deine Kommentare! :D
Von:  Linchen-86
2016-01-31T10:31:53+00:00 31.01.2016 11:31
Tolles Kapitel und perfekter Kapitelname... denn Tai wirkt wirklich wesentlich ruhiger und gefasster als vorher. Richtig besonnen, auch wie er mit Mimi umgeht... Ja, genau so macht er es richtig... Überhaupt *Michi*
beste Szene der Kuss im Flur und das Mimi tatsächlich eine Flache getragen hat und Tai das im Kalender eintragen will XDDD
Ich freue mich auf Mimis Sicht :)

Liebe Grüße :)


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