Der rote Faden
Es war so wie die letzten Jahre auch.
T.K und ich standen nur nebeneinander und unterhielten uns, und schon war Davis am Toben.
Er hatte sich kein Stück verändert.
Ein lächerliches Bild.
Auch gestern auf der Party hatte er kein Benehmen gezeigt, sondern die Stimmung zerstört.
Wir spielten Flaschendrehen und Yolei war an der Reihe gewesen.
Da Cody gerade wieder zu uns gestoßen war, ließen wir die „nicht ganz jugendfreien“ Sachen sein, und beschränkten uns auf Dinge wie Küssen.
Anders bekam man den dreizehnjährigen nicht zum Mitspielen.
„Also, auf wen die Flasche zeigt, der muss Kari küssen!“, sagte sie und grinste.
Sie hätte damit garantiert aufgehört, wenn der Flaschenkopf auf sie gezeigt hätte.
Wie Ken wohl darauf reagiert hätte?
Aber sie hatte Glück.
Er hielt bei T.K.
Na welch ein Zufall.
Allgemeines Schmunzeln, nur Davis hätte platzten können. Er war so anstrengend.
Alle waren stets der Meinung, T.K und ich wären ein absolutes Traumpaar.
Die „Ausrede“, wir wären nur beste Freunde, wollte keiner mehr für wahr halten.
Dafür saßen wir wohl wirklich zu oft aufeinander.
Alles wurde daran gesetzt, uns zusammen zu bringen.
Und ich musste gestehen, dass ich in T.K´s Nähe schon ein leichtes Magenkribbeln verspürte.
Aber deswegen war ich doch nicht gleich verliebt!
„Yolei, dass hast du doch mit Absicht gemacht! Klar, dass die Flasche mal wieder auf T.K zeigt!“
Sie wechselte einen vielsagenden mit Wallace und kicherte.
„Natürlich. Ich habe eine ferngesteuerte Flasche entwickelt, die urplötzlich funktioniert. Sie zeigt auf die Menschen, die ich will wenn ich einen großen, roten Knopf drücke..“ sagte sie mit überzeugender Miene und beobachtete ihn.
Er kaufte es ihr doch tatsächlich ab?
Wie sich später herraustellte, hatte Yolei die Flasche tatsächlich präpariert, Wallace hatte es mir per SMS erzählt. Diese Teuflin..
„Hey T.K, du hast da noch einen Auftag zu erledigen!“, drängte Wallace und zuckte mit den Augenbrauen.
„Oh nein, rühr´ Kari nicht an!“, zischte Davis und gab uns einen neuen Grund zum Lachen.
Er schnaubte wütend.
„Bleib doch mal locker, ist doch nur ein Spiel.“, entgegnete T.K und zwinkerte mir zu.
Davis schmollte.
Cody und Yolei standen beinahe synchron auf.
Cody verschwand wortlos in der Menge, ihm war wohl endgültig die Lust vergangen.
„So macht das keinen Spaß. Ein einfacher Kuss und schon tickst du aus. Das ist so spießig. Die beiden werden sowieso bald mehr machen, als sich küssen, darauf wette ich! Ich brauch Abwechslung...“
Mit diesen Worten war das impulsive Mädchen ebenfalls verschwunden. Sie hinterließ eine angespannte Atmosphäre. Sie war die Erste, die das leidige Thema auf den Punkt gebracht hatte.
Wallace räusperte sich.
„Hat noch jemand Bock zu spielen? Den bitte ich dringend mir was abzugeben...“
Ich gluckste.
Aus irgendeinem Grund fand ich Wallace war ein grandioser Scherzkeks, der aus jeder Situation den Witz zog.
Davis war verstummt. Mal was Neues..?
Plötzlich stand er ebenfalls auf und biss sich auf die Lippen.
„Ich brauche frische Luft...“, murmelte er und watschelte wie ein Trauerkloß Richtung Ausgang´.
Irgendwie tat er mir wieder Leid.
Er muss wirklich wahnsinnig in mich verliebt sein, wenn ihn jede Art von Berührung, zwischen T.K und mir so störte. Wir waren auch nicht gerade nett gewesen.
Wir hatten diese Situation ja provoziert. Armer Kerl.
Wenn er sich doch wenigstens in ein anderes Mädchen verlieben würde...
Ich mag ihn, als Freund. Aber ich empfinde nichts für ihn, und daran wird sich auch nichts ändern.
Da bin ich mir sicher...
„Als hätten wir die Pest..“, murmelte Wallace und verrenkte sich den Kopf nach einem lachen Mädchenduo.
„Hübsche Frauen..“, er wandte sich blitzschnell um und sprang auf. „Ich muss weg!“
Fix war er zwischen den beiden Mädchen gelandet die sich kichernd an ihn klammerten.
„Keine Sorge Mädels. Es ist genug für euch beide da!“
Und schon waren T.K und ich alleine. Davis hatte alle erfolgreich vergrault.
Ich seufzte.
„Was für ein nettes Spiel..“, sagte er und lachte.
Er krabbelte neben mich und starrte die Flasche an.
Mein Herz schlug schneller.
Als wäre ich einen Marathon gelaufen.
„Alles okay Kari? Du bist ganz blass.“, fragte er und beugte sich über meine Schulter.
Ich schaute ihn mit großen Augen an und lächelte schwach.
Wieder dieses Kribbeln. Wie es mich nervte..
Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr jemanden ansieht, und plötzlich hört ihr Musik?
Okay, ich bin auf einer Party. Aber es war ein anderes Lied.
Onaji egao shiteta
Sonna bokura mo ikunen mo kasane sugite
Sure chigau keshiki o
Ukeirerarezu ni mogaiteru
Muda na PURAIDO sutesari
Kono sekai ni yasashisa o
I Gotta Say
Yuuki o misetsukete mo tsuyogatte mo
Hitori de wa ikirarenai
Ano hi no yakusoku nara
Kokoro no fukaku ni nokotteiru yo ima de mo
Wakarete mata deai
Arata na michi ni hikari mitsuke arukidasu
Umarete kara zutto
Kurikaesu koto de tsunagatteku
Itsu no ma ni kimi to boku mo
Sorezore mirai o te ni shite
I Gotta Say
Tooku hanareteite mo aenakute mo
Tsuyoi kizuna wa aru kara
"Yume ga kanaimasu you ni"
Kokoro no soko kara inotteiru yo
We're friends forever
Mata au koto o chikai
Yubikirishite
Bokura wa arukidashite ne
Mienai yukisaki e to
Mayoinagara de mo
Susundeiru yo
Itsudemo
Kawariyuku kisetsu to
Toki no naka
Natsukashii melodies
Otona ni natte mo
Iroase wa shinai yo
Bokutachi no precious memories
I Gotta Say
Yuuki wo misetsukete mo tsuyogatte mo
Hitori de wa ikirarenai
Ano hi no yakusoku nara
Kokoro no fukaku ni nokotteriru yo
As life goes on... (as life goes on)
Wasurecha ikenai kara Yeah
Don't let it go... (dont' let it go, don't let it go)
Das Lied passte perfekt...
Nur Yolei hatte ich anvertraut, dass ich solch ein Gefühl in seiner Gegenwart spürte.
Und was hatte sie getan? Sie hatte herzhaft gelacht.
„Na endlich! Auf diesem Moment wartet doch schon die halbe Welt.!“
Aber ich fand das völlig falsch. Wir waren immer schon beste Freunde gewesen.
Allerdings waren Sora und Matt das ebenfalls gewesen. Und jetzt sind sie schon vier Jahre zusammen.
„Ich muss raus hier..:“, sagte ich hastig und erhob mich.
Nein, dass durfte einfach nicht sein. ICH WAR NICHT BEREIT!
T.K sah mich lachend an und stand ebenfalls auf.
Mir wurde leicht schwummerig und ich hielt mich an der Wand fest.
„Na komm, eh du mir unterwegs den Boden genauer begutachtest, begleite ich dich lieber..“
Er ließ seine Hand zu meinem Rücken fahren, und schob mich in die Tokionacht hinaus.
Ich sog die frische, klare Nachtluft ein und mein Schwindel verschwand.
Nur das Gefühl war immer noch da.
„Geht´s wieder?“, wollte er wissen und lehnte sich am der Wand an. Ich nickte lächelnd.
Hatte Yolei recht gehabt? War ich wirklich verliebt?
Dieser Gedanke ließ mich einfach nicht mehr los...
Ich schüttelte den Kopf.
Takeru zog fragend eine Augenbraue hoch.
„Stimmt was nicht?“, fragte er und grinste.
„Ach, ich musste nur gerade an das Flaschendrehen denken. Wie schnell sich so eine lustige Runde auflösen kann... Und alles nur wegen Davis..“ Ich kicherte.
Wollte dieser nicht auch nach draußen?
Ich wünschte, er würde uns nicht sehen. Das würde ihn vielleicht nur noch mehr kränken.
Schnell lenkte T.K mich wieder ab, in dem ich seinem strahlenden Lachen lauschen durfte.
Er kam einen Schritt näher.
Meine Wangen wurden rot, mein Herz raste.
„Ja, dass war schon heftig. Aber...“ Er stockte.
Verwirrt schaute ich zum ihm hoch.
„Aber... was?“
Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Ein Zeichen dafür, dass er wieder was im Schilde führte.
„Ich schulde dir noch einen... Kuss..“
Mein Mund öffnete sich um etwas zu erwidern, doch da waren seine Lippen schon auf meine gepresst.
Eigentlich hatte ich vor ihm zu sagen, dass er das nicht einlösen musste.
Aber im Nachhinein war ich sehr glücklich, dass er schneller gewesen war.
Sein Mund war so weich und schmeckte irgendwie nach Zucker...
Ich schloss die Augen und genoss den Augenblick.
Die Kusszeit war längst vorbei.
Aber dieser hier entwickelte sich gerade zu einem Traumkuss mit Zunge.
Seine Hand fuhr über meine Wange. Ein leichtes Schaudern.
Allmählich lösten wir den Kuss und schauten uns verträumt an.
Yolei hätte sich jetzt kaputt gelacht.
„Wow...“, hauchte ich leise und lächelte.
„“Wow“ ist gar kein Ausdruck. Von mir aus können wir öfter Flaschendrehen spielen!“
Er lachte.
„Aber nur wenn Davis mitspielt!“, meinte ich und stimmte ein.
Wenn ihr denkt, dass wir dann noch in eine wilde Knutscherei verfielen sind, habt ihr euch geschnitten. Wir waren fein am Lästern.
Ha ha. Ich sagte doch wir sind Freunde!
Und nun zur heutigen Situation:
„Takeru lass Kari los, oder ich werd´nachhelfen..“,
Davis war wie immer auf Krawall gebürstet- Alles seufzten
Es war der Tag nach der Party und eigentlich hatten wir uns getroffen, um uns noch was Kleines für Sora einfallen zu lassen.
T.K und ich teilten uns nur gerade einen Platz, weil Cody einen Stuhl zu wenig geholt hatte.
Jede Berührung ließ mich zittern, und Davis angriffslustiger werden.
Erst, als ich einen eigenen Stuhl hatte, wurde er wieder ruhig.
„Es ist erstaunlich, wie lange du dir nun schon Hoffnungen machst...“, meinte Ken und schüttelte den Kopf.
„Du verpestest meine Gedanken, so kann ich nicht nachdenken..“, zischte Yolei und lächelte Ken an. Er grinste verlegen.
Was nicht alle wussten. Die Beiden hatten morgen Abend ein Date. Yolei hatte es geschafft.
„Ihr könnt soviel reden wie ihr wollt. Ich...“
Ja, dann gingen ihm die Worte aus.
Denn nun fiel ihm auf, dass ich anwesend war.
Und schwupps war der Hochmut verschwunden.
Cody bedachte ihn mit einem ernsten Blick.
„Ich glaube Kari kannst du die nächsten Male noch anhimmeln“, meinte er.
„Aber Sora werden wir vier Jahre nicht sehen. Also können wir wenigstens so tun, als wenn wir nachdenken?“
Betrübt schauten alle auf den Tisch.
Ja, Sora würde uns mit ihrer lieben Art fehlen...
Aber so wirklich fiel uns nichts ein.
Außerdem musste Davis ja ständig eifersüchtig durch den Raum springen.
„Ich glaube es ist besser, wenn ich gehe...“, sagte ich und stand seufzend auf.
Wallace hob die Arme und wedelte herum.
„Wenn hier einer gehen sollte, dann Davis. Der hat die Sympathie eines Stachelschweins..“
Leises Kichern.
Aber ich schüttelte den Kopf.
Es machte keinen Sinn.
„Yolei, ruf mich an, wenn ihr was zu Stande gebracht habt..“, meinte ich und lächelte.
Außerdem musste ich weg von Takeru. Das Gefühl machte mich irre.
Yolei lächelte und brachte mich zur Tür.
„Wegen T.K stimmt´s?“, fragte sie direkt und rückte ihre Brille zu recht.
Ich errötete und schüttelte heftig den Kopf.
„Red doch keinen Unsinn. Es ist nur wegen Davis...“
Yolei zog die Augenbraue hoch.
Ein klares Zeichen dafür, dass sie mir kein Wort glaubte.
Ich stöhnte.
„Du kannst mir nichts vormachen gute Frau. Verknallt bist. Und zwar über beide Ohren!“
Sie lachte.
Ich warf ihr einen genervten Blick zu und lief Richtung Aufzug.
„Denk an den roten Faden Karilein..“
Ich schüttelte den Kopf und wandte mich ein letztes Mal um.
„Ruf mich an okay!?“, rief ich und stieg ein.
Der rote Faden.
Bekannt als das unsichtbare Verbindungsstück zwischen zwei Liebenden.
So hatte es mir Yolei erklärt.
Wo sie das nur wieder her hatte..
Sie und ihre rege Fantasie.
Der Aufzug hielt und die Türen gingen auf.
Ob T.K und ich wirklich....
Ach was, nein..
Ich trat heraus und lief durch die hellerleuchtete Straße.
Es war aber auch ein Durcheinander mit mir...
Ich mochte T.K.
Er war ein starker, selbstbewusster, guter Mensch, der mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand.
Seine blauen Augen strahlten eine Wärme aus, die mich in seinen Bann zog.
Das Kribbeln.
Oh verdammt, Yolei schien doch recht zu haben.
Ich war anscheinend wirklich verknallt...
Der Albtraum einer jeden Freundschaft.
Wenn er erst erfuhr, dass ich etwas für ihn empfand, würde er sich vielleicht von mir abwenden...
Er wüsste ja gar nicht, wie er sich verhalten sollte... Und ich auch nicht...
Es würde weh tun. Verdammt weh tun.
Es war zu heulen..
Als ich zu hause ankam, stürzte ich mich auf mein Bett und kreischte in mein Kissen.
Ich wollte es mir von der Seele schreien, dieses Gefühl, in der Hoffnung, dass es verschwand.
Pustekuchen...
Mein Handy klingelte, und Yoleis fröhliche Stimme meldete sich.
„Als um ehrlich zu sein, haben wir nicht das Geringste für Sora. Aber Davis ist schon wieder ausgetickt. Möchte mal wissen, warum er plötzlich immer so seine Fassung verliert. So geht es schließlich nicht weiter...“, erzählte sie hörbar genervt.
Ich stöhnte.
„Yolei....“
„Ja?“
„Du hattest Recht..“
„Womit?“
„Der rote Faden... Ich glaube, da ist was dran..“
Schweigen.
„Ich freue mich, dass du es endlich eingesehen hast!“, quietschte sie schließlich vergnügt.
Ich wandte mich auf den Rücken und jammerte.
„Aber was soll ich denn machen? Was ist wenn T.K das ganz anders sieht?“
Yolei schnaufte.
„Also wirklich Kari! Takeru ist rattenscharf auf dich, das sieht sogar ein Blinder. Du bist echt eine Schnecke, wenn es darum geht, Gefühle zu deuten..“
Hatte Yolei wieder recht?
„Hör zu. Am besten du sagst ihm was Sache ist, sonst tut´s nur weh. So wie ich es morgen wage, Ken meine Gefühle zu gestehen! Komm schon Kari. Du bist doch eine selbstbewusster Frau, die weiß was sie will! Also schnapp die den Schnuckel, er ist gerade im Sonderangebot!“
Ich fing an zu lachen.
Wie glücklich ich doch war, eine Freundin wie Yolei zu haben.
Sie war immer für mich da, stärkte mir den Rücken, gab Tipps.
„Gut, überredet. Ich werde das Gespräch suchen!“, meinte ich.
Yolei ließ einen Freudenschrei los.
„Du erzählst mir jede Kleinigkeit, okay!?“
„Aber nur wenn du mir von dem ersten Kuss mit Ken erzählst!“
Wie lachten.
Also war es beschlossen.
Ich würde den roten Faden aufnehmen und zu Takeru gehen.
Ihm sagen, dass wir mehr als Freunde sind.
Vielleicht, wickelt er dann das Ende des Fadens um seinen Finger, um mir meine Ansicht zu bestätigen. Und vielleicht, ja vielleicht, bekam ich dann wieder meinen Traumkuss mit Zunge..
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Hier der Link zum Lied.
http://www.youtube.com/watch?v=2kjvlnAlkSE
Da gibt es dann einen englischen Untertitel, damit ihr versteht, worum´s geht ;)