Erkenntnis
Wenn es etwas gab, dass Horohoro hasste, dann war es Hausarbeit und Training. Fluchend deckte er den Tisch zum Frühstück, während das laute Gluckern und Knacken der Kaffeemaschine ihm verriet, dass sein geliebtes heißes Getränk gleich fertig durchgelaufen war.
Einer seiner letzten Hoffnungsschimmer, in dieser trostlos gewordenen Welt, in der der Wecker ab jetzt immer um fünf Uhr Morgens klingelte. Und zwar in der Form von Annas liebevoller Stimme und einem kostenlosen Tritt in den Allerwertesten.
Nur mit Schaudern erinnerte sich Horohoro an diesen einen verhängnisvollen Tag, der ihm seither die furchtbaren, viel zu frühen Morgenstunden eingehandelt hatte. Einen Tag nach Yohs Geburtstag, als sich Annas Laune dem Gefrierpunkt zugewendet hatte, begann die Misere, die den Blauhaarigen nun allmählich in den Wahnsinn trieb.
Der Ainu gab seinem Freund mit den grellorangenen Kopfhörern die alleinige Schuld daran. Denn scheinbar hatte Yoh seine Verlobte am Morgen nach der Party verärgert, sodass diese ein Geschrei veranstaltet hatte, als hätte sie gegen einen Orkan sprechen müssen.
Als wäre das nicht genug gewesen, kam sie keine halbe Stunde später herunter gestürmt, strafte jeden, der es wagte ihren Weg zu kreuzen mit einem Todesblick und schließlich mussten sie Chocolove von der Wand kratzen, als dieser ihr ein fröhliches „Guten Morgen“ entgegengeflötet hatte.
Zu guter Letzt mussten sie mit leerem Magen die Sauerei der Party aufräumen und Einhundert Runden um das Haus laufen.
Auch wenn Annas Stimmung an den darauf folgenden Tagen unter aller Kanone gewesen war und auch jetzt keine Besserung in Sicht zu sein schien, so war dieser eine Morgen der Schrecklichste von allen gewesen.
Aber was hielt sich Horohoro noch mit Vergangenem auf. Er hatte keine Wahl, sobald sich auch nur einer dem Willen der First Lady des Gasthauses der Hölle widersetzte, mussten alle leiden.
Nun ja, das hieß, fast alle.
Dem blauhaarigen Ainu war schon des öfteren aufgefallen, dass das Angezicke zwischen Anna und Ren aufgehört hatte, als hätte es dieses niemals gegeben. Zwar erledigte der Chinese noch immer die ihm zugewiesenen Aufgaben und auch am Training nahm er teil, dennoch hatte sich irgendetwas geändert.
Und wenn es Horohoro interessieren würde, würde er sicherlich nachforschen, was da los war. Allerdings waren seine Probleme, als Sklave ausgenutzt zu werden im Anbetracht der Lage, viel schwerer zu ertragen und dementsprechend wichtiger. Deswegen versuchte er sich auch keinerlei unnötige Gedanken zu diesem Thema zu machen.
Aber nichts destotrotz machte sich der junge Schamane auch Sorgen um seine Freunde. Besonders bei Ren war ihm eine starke Veränderung aufgefallen. Nicht nur, dass der Chinese meistens gedanklich ganz woanders zu sein schien und aus diesem Grund kaum noch an ihren Gesprächen teilnahm. Oft hatte Horohoro auch bemerkt, wie sich sein Zimmerkumpan zu nachtsschlafender Zeit rausgeschlichen hatte, um draußen mehrere Runden um den Block zu laufen.
Desöfteren lief er sogar noch immer, wenn die anderen und auch der Ainu selbst erst aufgestanden, um den Tag zu beginnen.
Dieses Verhalten wurmte Horohoro sehr, auch wenn sein eigenes Problem (das Mädchen für alles zu mimen) sich dadurch auch nicht in Luft auflöste.
Seufzend schaltete der blauhaarige Junge die Kaffeemaschine aus, goss sich die koffeinhaltige Flüssigkeit in seinen Becher und ließ sich auf seinen Platz plummsen.
Wieso nur musste er sich auch das Zimmer ausgerechnet mit Ren, dem wandelnden Buch mit einhundertausend Siegeln, teilen?
