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Elfeneele & Drachenherz - Prequel

Jeder Weg hat einen Anfang. Einer von ihnen beginnt hier.
von

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Es hat begonnen

Widmung: Puria und ihrer unverwechselbaren Sieglinde
 

Kindheit
 

Freya wippte langsam auf den Fußballen vor und zurück. Sie war alt, selbst für eine Winterelfe, mit harten, stahlblauen Augen und zahlreichen Falten um Augen- und Mundwinkel. Schneeweißes Haar fiel ihr lose über den Rücken und sammelte sich in dünnen Strähnen auf dem Bärenfell, auf dem sie hockte. Zu ihren Füßen lagen, wie achtlos fallen gelassen, ein knappes Dutzend Knochenplatten, nicht dicker als ein Finger und so groß wie die Handfläche eines Kindes. Manche lagen mit dem Gesicht nach unten und zeigten ihre leere Rückseite, andere ließen die sorgfältig hinein geschnitzten Motive erkennen. Eines dieser Bilder fesselte Freyas Aufmerksamkeit. Es zeigte den Schädel eines Wolfes, halb unter einer Kapuze verborgen und mit weit aufgerissenem Rachen.
 

„Der wandernde Krieger“, murmelte die alte Elfe und stupste das Knochenstück mit einem ihrer dünnen Finger sachte an. „Du bist neu...“

Sie schob den Runenknochen neben einen anderen, der ein gutes Stück entfernt lag und schon seit ein paar Tagen bei jedem einzelnem Wurf sein Bild zeigte: Kopf und Schulter eines Mannes, eine Hand an der tief in die Stirn gezogenen Kapuze, dem Betrachter der Rune halb zugewandt. Er schien zu grinsen. „Der Dieb. Der wandernde Krieger. Welch seltsame Begegnung.“
 

Nach einem langen Moment hielt Freya in der wippenden Bewegung inne und vermischte die Runenknochen mit einer schnellen Handbewegung. Dann sammelte sie die Knochenstücke einzeln ein und verstaute sie wieder in dem abgegriffenem Beutel aus Wolfsfell, in welchem sie diese aufzubewahren pflegte. Mit steifen Fingern verknotete die Elfe sorgfältig die geflochtene, perlengeschmückte Schnur und stand auf, um den Beutel mit den Knochenplatten zurück in die Truhe zu legen. Sie war einer der äußerst raren Gegenstände aus Holz, die man an diesem Ort fand. Die Schneewüste bot Bäumen keinen Heimat, nicht einmal Buschwerk konnte unter diesen extremen Bedingungen gedeihen.
 

Im Übrigen entsprach die kleine Kammer, welche Freya bewohnte, weitgehend denen der anderen Winterelfen. Ein annähernd quadratischer Raum mit einer niedrigen Decke aus milchigem Eis. Kaum sichtbare blaue, rosafarbene und selten goldene Adern zogen sich durch Wände und Decke, die keine einzige Naht zeigten. Der Raum schien wie aus einem Eisblock geschmolzen. Mehrere dicke, flauschige Felle in einer der Ecken, darauf eine sauber zusammen gefaltete, geknüpfte Decke bildeten das Bett. Teppiche in verschiedenen Farben, mit Mustern oder Bildmotiven, lagen kreuz und quer auf dem Boden und hingen in großer Zahl an drei Wänden, nur die vierte war vollkommen leer. Durch sie drang erstaunlich hell das Tageslicht, denn ein Fenster hatte der Raum nicht. Persönliche Gegenstände standen hier und da vor den Wänden aufgereiht auf dem Boden und weitere kleine Felle in der Mitte des Zimmers luden zum Hinsetzen ein. Sonst gab es, abgesehen von einem Vorhang, der den Blick auf den Flur hinter der Tür versperrte, nichts weiter.
 

Helles, zweistimmiges Kinderlachen erklang von der anderen Seite der provisorischen Tür. Freya wandte den Kopf in die Richtung der beiden Stimmen und schmunzelte, bevor sich ein ernster Zug um ihre Mundwinkel festsetzte, und die stahlblauen Augen einen Ausdruck annahmen, der einem jagenden Falken zur Ehre gereicht hätte. Die Arme vor der Brust verschränkend, bellte sie: „Arion!Lyone!“
 

Die leichten Schritte auf dem Flur hielten inne. Für einen kurzen Moment herrschte absolute Stille. Die alte Elfe konnte sich sehr gut vorstellen, wie die beiden Gerufenen sich erschrocken ansahen und überlegten, ob sie nicht einfach rennen sollten. Ihre Lippen zuckten amüsiert und sie unterdrückte diese Regung schnell. „Ich habe euch gehört. Zwingt mich nicht, euch nachzulaufen, ich kriege euch sowieso. Und das würde euch nicht gefallen.“
 

Flüsternde Stimmen drangen durch den Vorhang, gefolgt von langsamen, zögerlichen Schritten. Es dauerte einen Moment, bis eine kleine Hand den schweren Stoff ein Stück beiseite schob und Arion durch den Spalt in das Zimmer schlich. Er zog Lyone an der anderen Hand hinter sich her und blieb in reichlich Abstand zu der alten Elfe stehen. Sein jüngerer Freund gesellte sich an seine Seite, ließ dessen Hand aber nicht los.
 

Freya betrachtete die Beiden durchdringend und ließ sich Zeit mit ihrer Musterung. Mit jeder verstrichenen Minute zogen sie Kinder den Kopf ein Stückchen weiter zwischen die Schultern. Sie wirkten vollkommen unterschiedlich. Arion war mit der hochgewachsenen, schlanken Gestalt, den spitzen Ohren und den exotischen, jadegrünen Augen unverkennbar einer der Ihren. Trotz der eher ungewöhnlich dunklen Haare, schwarz wie Rabenschwingen. Lyone dagegen wäre auf einen flüchtigen Blick hin als ein hübscher Mensch durchgegangen. Er war kleiner als sein bester Freund, noch immer hellhäutig, aber ihm fehlte die typische Alabasterhaut seiner Art. Seine eisblauen Augen wirkten runder, standen nur etwas schräger als die der Menschen, und sein Knochenbau wirkte im direkten Vergleich zu dem Arions gröber, obgleich noch immer zu zart für den zweiten Teil seines Blutes. Äußerlich betrachtet war er weder das eine, noch das andere, weder Winterelf noch Mensch. Ein Kind zweier Welten.
 

Freya unterdrückte ein Seufzen. Sie befand, dass das kritische Schweigen lange genug gewährt hatte und trat einen Schritt näher an die beiden Kinder heran. Arion schob sich daraufhin einen halben Schritt seitlich vor Lyone. „Was habt ihr beiden zu eurer Verteidigung vorzubringen?“ Die Stimme der Winterelfe schnitt kalt wie Stahl durch die Luft und ließ die Jungen erschrocken zusammenzucken. Sie tauschten überraschte Blicke, der weißhaarige Lyone zuckte hilflos mit den Schultern. Woher soll ich wissen, wie sie dahinter gekommen ist? Seine Augen richteten sich über Arions Schulter hinweg auf Freya, vorsichtig und misstrauisch. Ein Ausdruck, der viel zu oft in ihnen zu finden war, wie die alte Elfe befand.
 

Arion hatte sich etwas besser in der Gewalt und reckte trotzig das kleine Kinn vor. „Weswegen sollten wir uns verteidigen müssen?“

„Weswegen?“, wiederholte Freya sinnend und trat zwei weitere Schritte vor, die sie direkt vor den Kindern stehen bleiben ließen. Eine Hand hebend, wischte sie dem schwarzhaarigen Jungen zwei Kuchenkrümel von der Wange. „Mir ist zu Ohren gekommen, jemand habe sich an einem der Kuchen vergriffen, die für das Eenlyhefest gedacht sind. Wie wäre es damit?“ Sie betrachtete die Krümel auf ihrer Fingerkuppe, wischte sie am Hosenbein ab und begann, hoheitsvoll im Kreis durch ihre Kammer zu schreiten, die Arme erneut vor der Brust verschränkt. In ihrem Rücken tauschten die beiden jungen Elfen erneut unsichere Blicke.

„Was soll ich also mit zwei Kuchendieben wie euch machen? Hm?“
 

„Es war meine Idee.“

„Lyo, nein!“

„Ich hab Arion angestiftet.“ Lyone drückte sich an seinem Freund vorbei und befreite seine Hand aus dem fester werdenden Griff, als dieser versuchte, ihn wieder hinter den Rücken zu ziehen.

Freya drehte sich um, eine Augenbraue mahnend nach oben gewölbt. „Deine Idee, Lyone? Und wie kommst du auf ausgerechnet so etwas?“

Der Halbelf senkte den Blick und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Zuckte sachte mit den Schultern. „Wir sind an der Küche vorbei gekommen und...“, er warf der alten Elfe durch die Spitzen seiner Haare einen vorsichtigen Blick zu, „und ich hatte Hunger und...“
 

Lyone verstummte unter dem harten Ausdruck, mit dem Freya ihn aus wissenden Augen anstarrte, und verschränkte die Finger ineinander.

„Wenn du schon versuchst, die Tatsachen zu verdrehen, dann lass dir schneller eine passable Erklärung einfallen, junger Mann! Besser noch, du versuchst es gar nicht erst.“ Die Zurechtweisung ließ beide Kinder zusammenfahren. Arion schien sich einmischen zu wollen, überlegte es sich auf einen warnenden Blick der alten Elfe hin aber noch einmal anders und schwieg lieber. „Ihr beiden werdet jetzt auf direktem Wege in die Küche gehen und dort Bescheid sagen, dass ihr den Kuchen stibitzt habt. Zur Strafe helft ihr heute den ganzen Nachmittag dort aus. Und sobald ihr entlassen werdet...“
 

Freya hatte die Stimme zu einem drohenden Flüstern gesenkt und beobachtete zufrieden, wie die beiden Kinder deutlich weißer im Gesicht wurden. Sie machte eine bewusste Pause. „Sobald ihr entlassen werdet, geht ihr zu Fenael und richtet ihm von mir aus, dass er euch ein warme Honigmilch und ein paar Kekse nach dem Abendessen geben soll. Und jetzt husch, seht zu, dass ihr in die Küche kommt!“ Der letzte Satz klang schon wieder scharf und sorgte dafür, dass Arion unwillkürlich nach Lyones Hand schnappte. Die Jungen fuhren auf dem Absatz herum und rannten geradezu aus der Kammer, Arion voran, seinen jüngeren Freund im Schlepptau. In ihrer Hast verhedderten sie sich in dem Vorhang und stolperten mehr auf den Flur, als dass sie liefen.
 

Milde lächelnd den Kopf schüttelnd, schaute Freya ihnen nach. Die beiden... bedauerlich, dass diese Freundschaft auf lange Sicht gesehen keine Zukunft hatte. Lyone würde nicht bleiben können, nicht mit dem halben Teil Menschenblut in seinen Adern. Das Lächeln der Winterelfe schwand und sie schüttelte nochmals den Kopf, bevor sie sich umdrehte und zur Truhe zurück ging. Sie hatte noch eine Bericht für ihre Kameradin und Freundin südlich der Gebirgskette aufzusetzen, und Pergament samt Tinte und Feder lagen in einer kleinen Box auf ihrer Kleidung. Etwa einen halben Schritt vor der Truhe trat sie auf etwas Hartes.
 

Freya hob den Fuß und wollte sich gerade bücken, um den Gegenstand aufzuheben, als sie mitten in der Bewegung erstarrte. Ihr Gesicht wurde so bleich wie das der Jungen, sämtliche Farbe wich auf einen Schlag aus ihren Wangen. Vor ihr, auf dem blanken Boden, lag einer der Runenknochen. Dabei hatte sie ganz sicher alle zurück in den Beutel getan und selbst wenn nicht, dann hätte er in der Mitte des Zimmers neben dem alten Bärenfell liegen müssen, wo sie die Knochenplatten geworfen hatte. Wenn er stattdessen direkt vor der Truhe lag...

Die Winterelfe ließ sich langsam auf die Fersen sinken und hob mit zitternden Fingern den vom Alter dunkel gefärbten Knochen auf. Das geschnitzte Motiv zeigte nach unten, doch sie hatte eine dunkle Vorahnung, was sie sehen würde, sobald sie die Knochenplatte umdrehte. Freya schluckte verhalten, fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Drehte dann das Motiv nach oben.
 

„Der Phönix...“, flüsterte die alte Elfe heiser und ließ im nächsten Moment den Knochen fallen, als hätte sie sich die Finger daran verbrannt. Hastig griff sie nach dem Deckel der Truhe und holte das Kästchen hervor, kramte einen schmalen Streifen gelbliches Pergament heraus und verschüttete in ihrer Eile fast die Tinte, als sie die Feder zu heftig hinein tauchte und damit das Glas ins Schwanken brachte. Während sie eilig ein paar Worte auf den Papierstreifen schrieb, ging die Winterelfe immer wieder eine Frage durch den Kopf: 'Wer? Wer von den beiden?'
 

Kaum fertig, sprang Freya auf die Füße, stieß nun wirklich das Tintenglas um und hastete aus ihrer Kammer. Ihre Schritte führten sie durch zahlreiche, eisige Flure und Korridore, bis sie den inneren Hof erreichte. Dort wandte sie sich nach rechts, zu den Verschlägen, in denen die Botenvögel untergebracht waren. Die Elfe öffnete einen Käfig, holte mit beiden Händen einen der schwarzen Vögel heraus, setzte ihn auf den Verschlag und steckte den Pergamentstreifen fest aufgerollt in ein kleines Röhrchen, welches sie am Bein der Dohle befestigte.

„Methedras“, flüsterte Freya dem Vogel eindringlich zu. „Und beeile dich. Flieg so schnell, wie dich deine Flügel tragen können, und lass dich nicht aufhalten!“ Sie warf das Tier hoch in die Luft und schaute ihm nach, wie es mit schnellen Flügelschlägen an Höhe gewann und sich gen Süden wandte. Freya sah dem Vogel nach, wie er rasch an Entfernung gewann. Nur wenige Sekunden später war der kleine, schwarze Punkt am Himmel außer Sichtweite, und mit ihm eine Botschaft, die nur ein sehr kleiner Kreis an Menschen, Elfen und anderen intelligenten Kreaturen überhaupt würden deuten können:
 

Es hat begonnen. Er ist hier.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Toastviech
2009-04-30T21:34:11+00:00 30.04.2009 23:34
HI^^

Das ff klingt interessant.
ich hoffe es geht schnell weiter, den ich hocke auf glühendne kohlen und möchte wissen wie es weiter geht.

lg Toasty


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