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Ajax - Victis Romanis

von

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Kapitel 17

Kapitel 17
 

Die Unendlichkeit des Universums zu erfassen war für den menschlichen Geist schlicht unmöglich. Selbst für die ältesten unter den Aufgestiegenen war es ebenso unbegreiflich, wie unendlich die Unendlichkeit wirklich war.

Für Private First Class Jonathan Hancock war das Universum in diesem einen speziellen Moment ziemlich klein – er war bewusstlos, die Unendlichkeit endete an den Grenzen seiner eigenen Haut.. Doch anders als bei der echten Unendlichkeit gab es bei ihm einen Störfall von Außen.

Dieser Störfall hörte auf den Namen Chuck Harriman, war Sergeant, Kanadier und ebenso ein Mensch wie Hancock, nur, dass er ziemlich in Panik war – was wohl daran lag, dass das Puddle Jumper genannte Gefährt, in dem sie saßen, mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit in der Erdatmosphäre direkt auf einen BC-304-Schlachtkreuzer namens USS Daedalus zuraste.

„Hancock...!“, meinte der Kanadier und stieß den muskelmassigeren Marine zum für ihn hundertsten Mal ziemlich unsanft an. Während sie die Ionenwelle der Explosion der Lantea durchgeschüttelt hatte, war der Marine mehrmals mit dem Kopf gegen die Steuerkonsole geworfen worden, wodurch er zuerst bewusstlos geworden und dann in einen Schlafzustand gewechselt war. „Langsam bräuchten wir einen Piloten!“ Die Panik in seiner Stimme war wirklich sehr gut herauszuhören.

Eigentlich ebenso gut wie der Unwille und die Verschlafenheit aus der Stimme des Amerikaners, als er meinte: „Halten sie die Klappe, Sarge, ich will schlafen...“ und sich beinahe schon unwillig weg drehte. Es war das erste mal, dass er mit Worten antwortete.

„Das hält man ja im Kopf nicht aus!“, meinte jemand von dem Schott zwischen Pilotenkanzel und Passagierabteil aus – ein weiblicher jemand, Immuna Atalánte von der Flotteninfanterie der Ajax, einem Schlachtschiff des Typs 5, der, ebenso wie die Daedalus, im Orbit einer Victis Romanis genannten Welt kämpfte.

Chuck sah die Unteroffizierin etwas verwirrt an. „Lassen sie mal eine Frau ihre Waffen einsetzten!“, meinte sie. Hancock ließ ein Schnarchen vernehmen.

Chuck indes zuckte nur resignierend mit den Schultern und wandte sich ihrem zweitgrößten Problem zu, welches vielleicht ihr erstgrößtes lösen konnte. Das erste war der Schlachtkreuzer vor ihrem Sichtfenster, das zweite war die durch eine gewaltige Explosion, ausgelöst durch den letzten Träger der Antikerflotte namens Lantea, zerstörte Kommunikationsanlage des Jumpers.

Die Antikerin drehte nur den Pilotensessel ein bisschen. Sie wäre zwar in der Lage gewesen, sie den Kollisionskurs vermeiden zu lassen, aber – und das würde den Kanadier ausrasten lassen, das wusste sie – sie fühlte sich nicht nach der kleinen Kurskorrektur. Aber er hatte nicht daran gedacht, sie zu fragen, also würde sie den Teufel tun und es ihm erzählen.

Der Grund, weswegen sie sich zu mies fühlte, um den Jumper zu fliegen, war einfach und doch kompliziert: Eine ihrer besten Freundinnen – wenn nicht sogar die beste – Optia Éva, war auf der Lantea gestorben, als sie wie eine echte Schiffspraefectin mit ihrem Schiff untergegangen war.

Sie hatte nur das Interimskommando gehabt. Hätte die Lantea diese Schlacht überstanden, wäre sie wahrscheinlich von den Menschen der Erde für die Ajax-Besatzung geflogen worden. Sie waren auf ihrem Schlachtschiff einfach nicht genug Leute um ein weiteres so großes Schiff zu fliegen.

Vor ihr saß nun, schlafend, den Kopf nach hinten gelegt, die Beine leicht gespreizt, Hancock auf dem Pilotensessel. Ein diabolisch Grinsen zierte ihr Gesicht, als sie seinen Kopf mit beiden Händen, ganz sachte, nahm und ganz langsam und behutsam ihre Lippen auf die des Menschen von der Erde setzte.

Die erhoffte und gewünschte Reaktion ließ nicht lange auf sich warten – der Marine schlug verwundert, verwirrt und irritiert die Augen auf. Die Unteroffizierin hatte sich allerdings in dem Moment, als sie das bemerkt hatte, sofort von ihm gelöst, saß aber immer noch auf seinen Oberschenkeln und blickte ihn unschuldig an.

Chuck hatte das leise Geräusch gehört, mit welchem sich die Lippen der beiden getrennt hatten. Er war alles andere als amüsiert, zumindest nach außen hin.

Immer noch auf den massigen Oberschenkeln des Marine sitzend – eigentlich mehr thronend, wie sich Chuck ein gestand – beugte sie sich vor um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Zwei Sätze, soviel konnte Chuck hören, was sie sagte nur erahnen. Der erste trieb dem Amerikaner eine leichte Schamesröte ins Gesicht, der zweite lies ihn sich zur Konsole drehen.

Die Unteroffizierin sprang jedoch vorher ab, und flüsterte Chuck vier Worte ins Ohr, verführerisch wie die Venus, bevor sie nach hinten stolzierte und das Schott schloss. Chuck vermutete, dass sie sich kurz hinlegte und von den beiden Kampfpiloten in Spee nicht gestört werden wollte.

Die vier Worte jedoch brannten sich bei ihm regelrecht ein. Sie lauteten einfach: „Die Waffen einer Frau...“

Ohne viel Federlesen hatte der Amerikaner inzwischen gewendet, sie flogen nun parallel zur Flugrichtung der BC-304. Er hatte keinen Mucks gesagt, aber irgendwann mussten sie das Schweigen sowieso brechen, schon alleine wegen etwaiger Meldungen vom Radar.

Chuck unterbrach aber ohne eine solche das Schweigen: „Ich nehme an, dass wir diese Passage aus dem 'offiziellen' Bericht raus lassen?“ Er konnte eine gewisse Ironie nicht verbergen, wer hätte das schon gekonnt?!

„Da wäre ich ihnen sehr verbunden, Sir.“, meinte der Marine kurz und rief das HUD auf. Energiewerte und ein Schadenskontrolldiagramm des Jumpers erschien. Sie hatten es anscheinend ganz gut überstanden, nur die Tarnung und somit auch der Schild funktionierten nicht mehr, ebenso wenig wie die Kommunikation.

„Wissen sie... als Kanadier muss ich ihnen sagen, dass sie sich da einen ganz schönen Wildfang geangelt haben.“ Er konnte dieses Grinsen nicht aus seiner Stimme verbannen, es war einfach unmöglich.

„Anscheinend, Sir.“ Der Marine konzentrierte sich wieder auf sein Abbild der Radarstation. „Eine der 304er bricht aus der Formation aus, in Richtung der Wraith-Flotte – oder was davon übrig ist – die anderen fliegen in Richtung der Ajax. Sollen wir uns einer der Kampfgruppen anschließen?“, fragte er.

Sie hatten keine Kommunikation, Schild und Tarnung waren ausgefallen, Drohnen funktionierten aber noch – alles in allem konnten sie, wenn sie sich gut anstellten, einiges an Schaden anrichten, zumal die Wraith keine einzige Alarmrotte mehr hatten, die sie hätte abfangen können.

„Die, die die Reste der Wraith-Flotte angreift.“, entschloss sich der kanadische Sergeant kurzerhand. Es würde wahrscheinlich der Kampf X-Flügler gegen Sternenzerstörer werden – die kleinen Rebellenjäger würden die großen imperialen Schiffe einfach auseinander nehmen können, die großen Bordgeschütze waren nämlich nicht auf das Feuer gegen so kleine Schiff ausgelegt gewesen.

Chuck wünschte sich zwar auf einmal, dass man ihren Jumper mit den legendären Rebellenmaschinen vergleichen konnte, aber Tatsache war, dass sie allerhöchstens in einem Y-Flügler saßen, einem schweren Bomber. Es hatte eigentlich nur moralische Auswirkungen beim Sergeant, aber er war trotzdem enttäuscht, dass er keinen der Antiker-X-Flügler hatte abstauben können.

Doch an seinem Vergleich änderte sich dadurch nicht viel.

Sie gingen etwas unterhalb und nach hinter versetzt in Formation zu der weitaus größeren 304. Chuck hatte sich schon lange mit den Schiffen auseinandergesetzt, er konnte inzwischen jedes Schiff anhand äußerer Merkmale erkennen. Es war nicht so, dass er sich auf eines der Schiffe versetzen lassen wollte, es war vielmehr so, dass ihn die Schiffe der Erdflotte faszinierten.

So erkannte er auch dieses, was auch nicht weiter schwer war, denn immerhin ragten unter dem Hauptrumpf zwei gewaltige Rohre hervor – es war keine geringere als das erste Schiff der ehemaligen Kolonialmacht Kanadas, ein Schiff ihrer Majestät, der Oberkommandierenden der kanadischen Streitkräfte de jure, keine geringere als die britische Schutzpatronin im Weltraum: Die HMS Britannia.

Chucks Gesicht hellte sich auf. Von allen BC-304ern, die bisher vom Stapel gelaufen waren, hatte er sich dieses als drittes Schiff für die Atlantis-Expedition gewünscht. Jetzt würde sie wohl das zweite werden.

Beinahe schon beflügelt von der Anwesenheit des Schiffes, welches ihm am sympathischsten war, begann der Kanadier wieder an der Kommunikation zu werkeln. Die entsprechenden Geräte befanden sich alle im vorderen Teil des Jumpers, er musste also nicht nach hinten zu 'Hancocks Wildfang'.

„Ähm, Energieanstieg bei der Britannia!“, meldete Hancock nach wenigen Sekunden. Er hatte wahrscheinlich nur schon einmal die Bezeichnung BC-304 gehört, aber noch nie eines der majestätischen Schiffe gesehen, er wusste die Meldung der Jumper-Sensoren nicht einzuordnen.

„Schilde schon oben?“, fragte der Kanadier, immer noch mehr beschäftigt mit der Kommunikation als mit der Frage seines Kameraden und Piloten.

„Ja.“, antwortete der nach einem kurzen Blick.

„Asgard-Waffen online?“

„Ebenso.“

Chuck schwieg. Als er dann wieder den Mund öffnete und von der Kommunikationskonsole aufsah, fragte er leise: „Wo genau befinden wir uns in Relation zur Britannia?!“ Direkt vor ihnen wurde ein Wraith-Basisschiff größer und größer, ebenso wie seine Eskorte. Er hatte einen unheimlichen Verdacht, der sich in einem Gedanken über den Marine manifestierte: Mit dem geht’s nur vom Regen in die Traufe!

„Direkt vor diesen Rohren. Warum?“ Sollte man jemals die Stimme eines US Marine Corps-PFC vernehmen können, aus der die reinste Unschuld sprach, so würde es sicher diese sein. Sie war unschuldiger und unbefleckter als eine Decke frisch gefallenen Schnees am vierundzwanzigsten Dezember.

„Ausbrechen.“, meinte Chuck nur. Seine Stimme war absolut konzentriert, emotionslos und ruhig. Keine Panik, kein Gar-Nichts schlich sich in die Stereo-Ausgabe seiner Gedanken. Hancock jedoch reagierte nicht, sah ihn nur verwirrt an. „Das sind wahrscheinlich die beiden Gauss-Geschütze – Kaliber Null-Punkt-Fünf Meter, als Sprengsatz drei Trident-Sprengköpfe!“ Diesmal konnte er sich nicht gegen eine gewisse Panik in der Stimme wehren – manchmal war es einfach notwendig.

„Oh.“, meinte Hancock und wandte sich wieder dem Sichtfenster zu. Kein Manöver tätigte der Jumper, er flog weiterhin ruhig vor sich hin – bis die Botschaft des Kanadiers sein Gehirn erreichte und dort Früchte trug: „Scheiße!“, brüllte er aus vollem Halse und ließ den Jumper eine Rolle machen, die sie zwar weiter auf die Basisschiffe und ihre Kreuzer zu trug, aber sie wenigsten vor den Rohren wegbrachte.

Sie schwiegen beide wieder, ungläubig lächelnd versenkte sich Chuck wieder in der Kommunikation, Hancock steuerte sie weiter auf die Feinde zu.
 

Squadron Leader der Royal Air Force zu sein war toll.

Man flog mit der entsprechenden Ausbildung die besten Flugzeuge, die die Königliche Luftwaffe zu bieten hatte, konnte einer ganzen Menge Leute Befehle erteilen, konnte mit seinen drei Streifen und den Pilotenschwingen sehr gut auf Brautschau gehen und hatte – wenn man nicht in einem Kriegsgebiet war – weit weniger Sorgen als andere.

Squadron Leader Mike 'Husker' Connor war sich aber trotzdem sicher, dass er einen der besten Jobs in der ganzen Luftwaffe hatte – er diente auf einem intergalaktischen Schlachtkreuzer. Als ihm der Air Vice-Marshal von diesem Schiff und dem Stargate und allem erzählt hatte, hatte er zu allererst an einen Witz gedacht – zumal Bettington als ein kleiner Scherzkeks bekannt war.

Als er dann jedoch mit zwei Dutzend anderen Piloten und doppelt so vielen Mechanikern nach Nevada gebracht worden war und sie ihren zukünftigen Arbeitsplatz inspizieren durften, waren alle Zweifel verflogen.

Er war der Squadron Leader der Blau-Staffel geworden, seine direkte Vorgesetzte, Wing Commander Alice 'Al' Sheridon, führte neben allen Maschinen auch die Rot-Staffel im speziellen. Beide warteten jedoch nun zusammen mit ihren Staffeln auf den ersten Einsatz ins Gefecht.

Während sich Rot im Steuerbordhangar der Britannia breit gemacht hatte und dort die letzten Systemchecks vor dem Start vornahm, war es bei Blau der Backbordhangar.

Die Staffeln bestanden aus je acht einsitzigen Weltraum-Jagdbombern des amerikanischen Musters F-302A, deren Piloten sauber und ordentlich in ihren Kanzeln sitzend in ihren Hangars auf das Startsignal durch Captain Churchill warteten. Die Mechaniker waren da schon ungeduldiger.

Ebenso wie die Piloten waren es Leute der Royal Air Force. Und sie waren sehr nervös.

Es war auch der erste ernsthafte Start einer bewaffneten F-302 von den noch jungfräulichen Magnet-Katapulten der Britannia, ganz zu schweigen von den anderen vierzehn, die in den Hangars eingeklinkt warteten, in Startposition gehen zu können.

Das die Maschinen auch absolut richtig saßen war eine Sorge der Mechaniker, eine andere, dass die Raketen unter jeder Maschine entsichert und scharf waren. Die Kanzeln waren noch offen, über die Lautsprecher des Backbordhangars lief der Funkverkehr zwischen den Schiffen der Menschen-Antikerflotte und der 302er.

Die einzigen, die bisher schon gestartet waren, waren die der Charles De Gaulle, die Staffeln, die im Endeffekt die selben Namen trugen, wie die der Britannia – Rouge und Bleu.

Die schwerer gepanzerten 302B-Jagdbomber der Franzosen waren allerdings extra als Jagdschutz des Victis-Romanis-Expeditionscorps ausgewählt worden, sie hatten also die Aufgabe, Babysitter zu spielen.

Man hatte diese Jagdbomber schlicht für die Befürchtung auf einen weiten Bogen um die Ajax und ihre Gefechtszone herum geschickt, dass die Wraith von dem inzwischen leicht angeschlagenen Schlachtschiff abliesen und sich der Expedition zu wandten. Es bestand immer noch die Gefahr, trotz der Schlachten der Wraith gegen die Replikatoren und gegen die Menschen der Erde gab es immer noch viel zu viele Wraith-Bäuche zu stopfen – und sie hatten nicht genug 'Weidegründe', weswegen es auf jedes Leben ankam.

Die Daedalus und die De Gaulle strebten beide auf die Ajax zu, um sie zu entsetzen. Sie würden mit ihren Railgun-Geschützen, die immer noch zur Flugabwehr installiert waren, den Wraith-Darts einheizen. Zwar feuerte schon seit anscheinend einer guten Viertelstunde die Flugabwehr des Schlachtschiffes, aber bisher nur mit bescheidenem Erfolg.

Die Jagdbomber der Daedalus würden nicht starten, man hatte keine Lust Piloten durch Friendly Fire und Kreuzfeuer zu verlieren, wofür es sehr gut stand, im Angesicht des Feuerwerks, welches die Ajax alleine schon abfuhr.

In den Hangars der Britannia heulten Sirenen auf – Luftalarm, das gleiche ansteigende und abfallende Geräusch wie auf den Flugplätzen der Royal Air Force während des Zweiten Weltkrieges. Diesmal waren es jedoch nicht deutsche Flugzeuge, die die Sirenen auslösten, es waren zehn teils schwer beschädigte Kreuzer und zwei Basisschiffe der Wraith.

Kanzeln schlossen sich, Triebwerke erwachten brüllend zum Leben, Mechaniker zogen die absolut letzten Sicherungsstife aus Raketen und entriegelten die Bug-Geschütze der 302er. Sie waren bereit.

Sie hatten bereit zu sein.

Die Kanzeln schlossen sich, die Magnetverriegelungen aktivierten sich mit einem Zischen. Summend erwachten Bordcomputer, Zieleinrichtungen und Steuerelemente zum Leben, dicht gefolgt von einem weiteren Brüllen der Triebwerke. Alles hatte den Anschein, als wären die Jagdbomber, sollten sie lebende Wesen sein, nicht nervös wie ihre Piloten sondern aufgeregt und gespannt.

Knackend öffnete sich eine Funkverbindung: „Hier spricht Blau Eins, an alle Maschinen, Bereitschaft nach Nummern melden!“ Connor handelte streng nach Protokoll, er war der Staffelführer, er würde als erster das Magnetkatapult des Backbordhangars benutzen, er war verantwortlich für seine Staffel.

„Blau Zwo, bereit.“, meldete sich der Flügelmann des Squadron Leaders, ein frecher Schotte namens Harold 'Harry' McDouglas.

„Blau Drei, bewaffnet und bereit!“, meldete sich ein weiterer Pilot.

„Blau Vier, vier gezündet, alle bereit.“

„Blau Fünf, bereit.“

„Blau Sechs, anwesend und bereit zum Tanz!“

„Blau Sieben, bin bereit, denen in den Hintern zu treten.“

„Blau Acht, alles auf Optimum.“

„Danke.“, meinte Connor und wechselte auf eine andere Frequenz.

Auf dieser hörte er noch ein paar Worte: „...sind bereit.“ Er selbst setzte gleich seine Meldung hinten dran. „Staffel Blau, bereit. Erwarten Befehle.“

„Gut, meine Damen und Herren, Staffel Rot wird diesen Jumper da wegbringen, am besten zu uns an Bord. Staffel Blau – die beiden Kreuzer ganz rechts gehören ihnen.“, kam die Stimme der Flugkontrolle der Britannia knisternd. „Denkt da dran, dass die beiden Gauss-Geschütze gleich feuern! Der Captain möchte sie noch kurz. Sir, sie können sprechen.“

„Danke, William. Al, Husker, ihr beide bringt mir meine Pappnasen von Pseudo-Marinefliegern in einem Stück heim?“, fragte Captain Churchill. Es hörte sich nicht nur nach dem oberflächlichen Witz an, es war mehr die Sorge eines Generals – in seinem Fall eher Admirals – vor der Schlacht.

Es war nicht die elementare Frage nach dem Sieg, das stand für den Captain fest, es war mehr die unüberwindbare und unbeantwortbare Frage, wie viele Beileidsbriefe er schreiben musste, wie hoch die Zahl derer war, die den Blauen Planeten nie wieder sehen würden und die sie in einem Frachtraum in einer Blechkiste umhüllt vom Union Jack nach hause bringen würden.

„Captain, wir sind alle Piloten der Royal Air Force...“, merkte Sheridon an. Man konnte das Lächeln, welches sicher unter ihrer Atemmaske verborgen war, förmlich hören.

Connor war genug Menschenkenner um zu wissen, dass sie lächelte, aber auch, dass sie damit ihre eigene Nervosität zu überspielen versuchte. „Wie dem auch sei...“, meinte Churchill ernst durch den Funk. „Ob Marineflieger oder Luftwaffenpilot – kommt in einem Stück heim, mit allen Fliegern. Gute Jagd!“

Das Startsignal war gegeben. Der Brite hob die linke Hand mit ausgestrecktem Daumen in Richtung des Kontrollraums des Hangars, er erhielt auf gleichem Weg die Bestätigung und nickte. Er wusste, in seinem tiefsten Inneren freute er sich zum ersten Mal in Echt die gs zu spüren, wenn er beschleunigt wurde, nicht simuliert.

Es war ein interessantes Gefühl, trotz der Trägheitsdämpfer in den Sitz gepresst zu werden, den kleinen Blackout-Tunnel zu sehen, zu spüren, wie das Blut leicht in die Beine sackte – es war nicht viel, aber deutlich mehr, als er jemals in einem Simulator gespürt hatte. Und es machte ihm Spaß!

Jede einzelne Faser, jede Zelle – ob grau, weiß oder normal – jeder Knochen in seinem Körper schrie vor Lust auf, als der Pilot und seine Maschine endlich vom Magnetkatapult der Britannia frei gegeben wurde und er mit siebenfacher Erdatmosphärenschallgeschwindigkeit davon schoss.

Sein Flügelmann folgte ihm nach Maßstäben der kapitalen Schiffe wie der Daedalus oder der Ajax auf Tuchfühlung, er war etwa vierzig Kilometer hinter ihm und schloss auf. Nach den Maßstäben der Dogfights – der Nahkämpfe zwischen Jägern und Jagdbombern – waren diese vierzig Kilometer Lichtjahre und Galaxien, obwohl die Zielcomputer der F-302A recht fortgeschritten waren und Ziele auf bis zu fünfhundert Kilometer Entfernung erkennen, erfassen und vernichten konnte.

Zwar war das Zeitalter der klassischen Luftkämpfe Jäger gegen Jäger, die sich nur Meter voneinander entfernt mit Maschinengewehren beharkten, schon lange vorbei, aber trotzdem wirkte diese Art der Luftkämpfe immer noch eine gewisse Faszination aus – fast wie die Rittertuniere des Mittelalters.

Die Blaue Staffel formierte sich etwas von der Britannia entfernt an Backbord, sie blieben einfach reglos im Raum hängen. Sie waren immer zu zwei Flügelpaaren formiert, in der Diamant-Formation. Einer, üblicherweise der Rottenführer, war die Spitze, zwei flankierten ihn, der letzte der Viererformation war der Schwanz der Formation.

Die Rote Staffel hatte hinter ihnen mit einem Jumper zu kämpfen, der keine Kommunikation mehr hatte – sie versuchten dem Piloten mit Handzeichen zu signalisieren, dass er auf der Britannia landen sollte, bisher mit mäßigem Erfolg, was immer wieder durch frustrierte Kommentare in den Äther abgelassen wurde.

Die Blaue Staffel indes wurde durch Blau Sieben und Blau Acht vervollständigt. Jede der F-302A-Jagdbomber trug neben seinem Railgun-Geschütz insgesamt sechs Raketen – vier für den Raumkampf modifizierte Luft-Luft-Raketen AIM-9 Sidewinder und zwei mit Naquadah verstärkte leichte Atomsprengköpfe, Mikrotech machte es möglich.

Sie hatten zusammen mit den Railgun-Buggeschützen mehr als genug Feuerkraft für die beiden angeschlagenen Kreuzer, wenn nicht sogar zu viel.

Etwa hundert Kilometer von ihnen entfernt, auf maximaler Reichweite zu den Basisschiffen, feuerte die Britannia ihre Gauss-Geschütze, die beiden Granaten zerrissen eines der beiden komplett. Die kinetische Wucht war so stark, dass die Geschosse das Schiff durchschlugen und erst vier Kilometer dahinter außerhalb des Rumpfes detonierten, was einem schwer angeschlagenen Kreuzer den Rest gab.

„Gut, einer weniger noch neun übrig, zwei für uns. Staffel Blau, her hören.“, sprach Connor über Funk. Die Aufstellung war komplett, zwei Rotten zu je vier F-302ern. „Rotte zwei nimmt auf mein Kommando den ganz außen hoch, Rotte eins den anderen. Diese Müllhaufen müssten inzwischen so angeschlagen sein, dass eine Rakete pro Maschine reicht. Ausführen!“, befahl der Staffelkommandant und schoss fast zeitgleich zu seinen Kameraden los.

Die Kreuzer hatten sie inzwischen bemerkt und mobilisierten die letzten Reserven - „Äh, Blau-Führer, hier Acht – die öffnen gerade ihre Hangarschotten!“, meldete einer der Piloten verwirrt. Die Sensoren meldeten ihm mindestens vierundzwanzig neue Energiespitzen, die sich von ihren Zielen entfernten. Auch die anderen Briten bekamen die Anzeige auf die Schirme, zusammen mit fein aufgelösten Radarbildern der Britannia.

„Nicht gut!“, bemerkte Connor – leichte Panik fand er in diesem Moment sehr angebracht, denn schon alleine die startenden Feinde von einem Kreuzer waren ihnen drei zu eins überlegen. „Okay... Sidewinder aufschalten, Railguns auf zwei, Angriffsanflug abbrechen, Vorbereiten auf Begegnungsmanöver!“ Die Befehle bahnten sich ohne großes Zutun seinerseits den Weg vom Gehirn in den Mund, und von dort durch den Funkverkehr in die Köpfe seiner Piloten.

Es waren Darts – jede Menge sogar. Durchschnittlich etwa vierundzwanzig pro Kreuzer, nach dem Radar der Britannia, insgesamt etwas über zweihundert – sie hatten ein gewaltige Unterzahl.
 

Nach langem und frustrierenden Handzeichen verstanden endlich beide – nachdem der Pilot, der die zündende Idee hatte mit seiner F-302 sehr nahe an den Jumper heranmanöviert war und dort schließlich einen Zettel, auf dem groß und breit die Anweisung auf der Britannia zu landen geschrieben stand, an die Scheibe gepresst hatte.

Die beiden Männer in der Kontrollkanzel des Jumpers hatten sich mit der flachen Hand auf die Stirn gehauen – so einfach auch Handzeichen immer gehalten waren, im Angesicht von zweiunddreißig AIM-9 Sidewinder und sechzehn mit Naquadah verstärkten Atomsprengköpfen an Jagdbombern, die zwar zur selben Seite gehörten, aber doch nur so gut waren wie ihre Piloten, war ihnen leicht anders geworden.

Sie waren nervöser geworden – was, wenn eine der Raketen einen Kurzschluss hatte und zündete, oder auch nur startete? Sie wären innerhalb von Sekundenbruchteilen alle tot gewesen.

Die beiden Jumperpiloten wider Willen hatten außerdem das dumme Gefühl, dass wenn der Jumper explodierte, auch die ZPMs zerstört wurden und ihre Energie freisetzten – bei sechs zum bersten vollen Nullpunktenergiemodulen wäre das nicht gerade wenig. Chuck hatte einmal darüber mit Doktor Zelenka aus Interesse gesprochen, gerade, als sie das erste ZPM bekommen hatten.

Er hatte erzählt, dass die Energie, die ein einzelnes auch nur halb volles ZPM auf einen Schlag freisetzen konnte, die sowjetische Zar-Bombe, mit ihren geschätzten fünfzig bis sechzig Megatonnen Trinitrotoluol-Äquivalent die größte jemals von Menschenhand gebaute Bombe, aussehen würde wie ein nasser Knallfrosch.

Es war für ihn nicht auszudenken, was passieren würde, wenn eines seine Energie freigab, von sechs gar nicht angefangen. Der Marine, der sie beide flog, war jedoch weitaus gelassener, nachdem er verstanden hatte, was die Briten von ihm wollten.

Er gab dem Piloten vor ihm einen kleinen Salut und machte dann eine scheuchende Handbewegung, wie als würde er eine Katze verscheuchen wollen. Der Pilot reagierte sofort und ließ seine Maschine aus dem Weg gleiten wie ein heißes Messer durch Butter.

Hancock rief das HUD auf und bemerkte die neuen Feindkontakte – die 302er würden zerrissen werden. Langsam ließ er sich in seinen Sitz zurück sinken.

„Ich glaube, ich weiß, was sie tun wollen.“, meinte Chuck unvermittelt, noch bevor sie sich in Bewegung gesetzt hatten. Er klang ruhig, hatte einen der Steuerkristalle der Kommunikationsanlage in der Hand und sah zu dem Amerikaner rüber.

„Mit Verlaub, Sir... Was habe ich denn vor?“, fragte der andere Soldat und drehte sich zum Sergeant um. Sein Gesichtsausdruck war absolut kalt, seine Augen strahlten als einziges eine gewisse harte und unüberwindbare Entschlossenheit aus.

„Sie haben die Feinde auf dem HUD gesehen und wollen den Piloten helfen.“, fasste Chuck seine Vermutung kurz und knapp zusammen.

„Sie haben recht. Sind sie dabei?“ Da war auf einmal ein leichtes, verwegenes Grinsen. Chuck war sich sicher, dass dieses weitaus besser zu einem berühmten Schmuggler aus einer ebenso berühmten Science-Fiction-Filmreihe gepasst hätte, nicht zu einem Soldaten der amerikanischen Marineinfanterie.

„Lassen sie es krachen.“, meinte der Sergeant und schüttelte lächelnd den Kopf. „Tun wir also von ganzem Herzen das Gute. Aber wehe ihnen, sie nennen mich Chewie!“ Das Grinsen, welches in diesem Moment die Gesichter der beiden Soldaten zierte, stand im absolut krassen Gegensatz zu der Situation – sie würden sich gegen eine unbezwingbare Übermacht stellen.

„Aber Chewbacca geht?“, fragte der Marine kurz vor einem Lachanfall, der sich sofort verflüchtigte, als ein Gedanke, den er sofort äußerte, in sein Gehirn schoss: „Sind sie bereit?“

Auch Chuck beruhigte sich schnell und nickte nur meinte nur: „Warten sie noch ein paar Sekunden, dann haben wir vielleicht wieder Kommunikation.“

Die Sekunden vertickten, die 302er warteten weiter auf ihrem Posten, Chuck werkelte, Hancock dachte an seinen Wildfang. Langsam wurden alle Beteiligten unruhig, besonders die Jagdpiloten – sie sahen die Wraith auf ihre Kameraden zukommen, sie sahen, wie diese in Formation für ein Begegnungsmanöver gingen. Und es passte ihnen überhaupt nicht es nur zu sehen.

Sie wollte ebenso mit ratternden Railgun-Geschützen und Sidewindern den Wraith die Hölle heiß machen – aber Befehl war Befehl, auch wenn er von einem Captain der Royal Navy stammte. Sie waren ihm unterstellt, er war der Offizier mit dem höchsten Rang.

Schließlich meinte Chuck endlich nickend und besorgt, ja fast vorsichtig von der Kommunikation aufsehend: „Ich glaube, wir können einen Test starten.“ Er schien selbst nicht sicher, aber ein funktionierender Funk wäre schon mal ein zufriedenstellender Anfang für ihr Vorhaben gewesen.

„Test, Test, eins, zwei, hört mich jemand?“, sprach der Marine in den Äther – Stille antwortete ihm.

„Sie haben also doch Funk!“, meldete sich eine Frauenstimme Die Stimme klang nett und beinahe schon lieblich, wie Musik in den Ohren des Kanadiers und des Amerikaners, aber sie war eindeutig zu empört und beinahe schon wütend.

„Hier Private Jonathan Hancock, USMC, momentaner Pilot von Jumper 14 aus Atlantis. Wem gehört denn die nette Stimme am anderen Ende?“, fragte er. Es war ihm schon des häufigeren passiert, dass er sich mit ein bisschen Engelszungen und Komplimenten raus reden oder zumindest eine gewisse Strafmilderung erreichen konnte – warum sollte er es also auch nicht hier versuchen?, so sein Gedanke.

Die Frau am anderen Ende schien jedoch nicht erfreut über das Kompliment. „Wing Commander Alice Sheridon, Luftwaffe ihrer Majestät der Königin von England, ein bisschen mehr Respekt Soldat, das kann man doch von euch Yankees erwarten. Die Britannia hat noch zwei Lebenszeichen bei ihnen an Bord entdeckt – wer ist das?“ Erfreutheit sah auch für einen Amerikaner anders aus – sehr sogar. Gegen Ende der Aussage konnte man praktisch hören, wie ihre Stimme die Luft in der Pilotenkanzel zum Kühlen brachte und die automatischen Lebenserhaltungssysteme ansprangen um die Luft wieder ein wenig zu erhitzen.

Bevor Hancock allerdings antworten konnte, sprang Chuck in die Bresche. „Madam, hier Sergeant Chuck Harriman, ich entschuldige mich für meinen Teamkameraden.“ Das verschwörerische Augenzwinkern, welches er dem leicht verwirrten Amerikaner zuwarf, war dem nicht unähnlich, mit dem er die ein oder andere unetikettierte Flasche grünlich-gelben, in flüssiger Phase befindlichen Inhalts von Doktor Zelenka entgegen nahm, wenn sie ein weiteres Mal von dessen Energieverbrauch für 'Projekte geheimen und vertraulichen Inhalts' besprachen.

Während Weir laut Erzählungen noch einige gewisse... Sonderrechte genehmigte, war es mit diesen unter Carter vorbei gewesen – die geheimen Herkunftsorte der Spiritousen bei der etwa halbjährigen Soldatenparty waren noch geheimer geworden, die geheimen Braumeister noch geheimer. Es waren offene Geheimnisse gewesen, dass ein Paar davon von Zelenka, andere von Beckett mit Unterstützung eines nicht weiter definierter Chemiker gekommen waren, ebenso wie die, die auch für die Treffen der Wissenschaft und die 'Aftershow-Partys' des diplomatischen Corps bestimmt waren.

Chuck hatte immer gut mit Zelenkas Becherovka und Becketts Single Malt Whisky auf den Schwarzmärkten der Stadt absahnen können. Diese Märkte waren zwar nicht so schwarz, wie der Name sagte, aber einige seltenere Versorgungsgüter, die man nicht so einfach für sich selbst im Geheimen importieren konnte, wie zum Beispiel die neuesten PC-Spiele und Filme oder Schokoriegel um McKay gewogen zu stimmen, konnte man dort zu den entsprechenden Preisen erwerben.

Chuck indes fuhr fort: „Wir haben die Kommunikationssysteme gerade eben erst reparieren können, Wing Commander. Wir könnten allerdings ihre Hilfe gebrauchen...“
 

Langsam wurde es Conner zu blöd mit dem, was sein weitaus jüngerer Neffe 'Slow Motion' genannt hätte – die Welt um ihn herum spielte sich schon seit Minuten in Zeitlupe ab.

Das dumme an dieser Zeitlupe war, dass sie für ihm wie Minuten erschien, für die außerhalb dieses Phänomens könnten das nur Sekunden oder nur Bruchteile sein. Einstein war also nicht umsonst so geschätzt.

Es war wirklich alles relativ.

„Sidewinder zum Abschuss vorbereiten!“, befahl er seinen Piloten und lies seinen Worten Taten folgen. Sein Zielcomputer schaltete alle Ziele auf, die Raketen gingen vom Stand-By-Modus, mit dem sie bisher unter seinen Flügeln in ihren Verankerungen gehangen hatten, in den aktiven Modus. Ab jetzt würden sie beim Aufschlag – egal, was für einem – explodieren.

Piepsend erwachte schließlich der Feuerleitcomputer zum Leben, die Freund-Feind-Erkennung sprang an und lieferte ihm ein Bild welches er schon kannte – viele Feinde vor ihm, einige wenige Verbündete hinter ihm. Ganz zum Schluss entriegelte sich die kleine Abdeckung über dem Feuerknopf, sie bereit hochgeklappt zu werden und den kleinen roten Feuerknopf frei zu geben.

„Noch irgendwer irgendwelche heroischen Worte?“, fragte der Staffelführer sarkastisch, aber auch leicht resignierend – sie hatten keine Chance. In dem Moment, in dem sie ihre Sidewinder loslassen konnten, hatten auch die Wraith sie in Feuerreichweite.

Entgegen den Simulationen der 'normalen' Wraith-Angriffe und Geschwaderformationen – wenn man denn das, was man bestenfalls als eine lose Linie oder eine einem Schwarm Insekten gleiche Ansammlung von Jägern 'Formation' nennen wollte – strebte ihnen eine entsetzlich präzise Kampfformation entgegen. Connor hatte den Eindruck, die Wraith hätten gewaltig dazugelernt.

„Ja.“, meinte hinter ihm eine Stimme über Funk, die ihm entsetzlich vertraut vorkam, die er aber niemandem aus seiner Staffel zuordnen konnte Klar, sie waren erst seit etwas über einem Monat eine Staffel, aber so oft, wie sie zusammen Simulatorflüge bestritten hatten und sich gegenseitig über Funk gehört hatten, konnte er inzwischen jeden gut vom nächsten unterscheiden – auch die von der Rot-Staffel, mit denen sie die meisten Gefechte durchgespielt hatten.

„Ausbrechen!“, befahl die Stimme. Die Person, die diese Stimme und den Tonfall hatte, klang zwar vorfreudig, aber auch in gewisser Weise kalt. Trotzdem gehorchten er und seine Staffel auf dem Fuß.

Keine Sekunde zu früh – dort, wo gerade noch die Maschine des Staffelführers entlang raste schossen vier Raketen vorbei. Der Brite konnte nicht identifizieren ob es Sidewinder waren, aber er hatte das Gefühl, dass es ein bisschen mehr Bumms hatte, was dort knapp an ihm vorbei gezogen war.

Keine Sekunde später setzte sich vor sie eine weitere Staffel F-302-Jagdbomber – und ein Jumper.

Vor ihnen – mitten in der Wraith-Formation – erstrahlte mit einem mal das Licht von tausend Sonnen, schließlich nochmal und nochmal und nochmal. Die 302er der Rot-Staffel hatten mit atomaren Sprengköpfen mehr als genug Schaden bei den Wraith angerichtet, mehr noch, bis auf ein paar Nachzügler war die komplette Formation ausgelöscht.

„Staffel Blau, hier Rot-Führer, sie übernehmen die Reste mit Sidewindern, Staffel Rot, wir kümmern uns um ihre Ziele. Jumper 14 wird uns dabei unterstützen.“, befahl Sheridon – sie hatte keine Rücksprache mit Captain Churchill gehalten, dieser wusste also nicht, was geschah, als anstatt acht F-302-Jagdbombern auf einmal sechzehn und ein Jumper die Wraith angegriffen.

„An alle – ausführen!“, bellte Sheridon über Funk und visierte mit den Atomraketen einen der Kreuzer an...
 

Die Ajax hatte heftige Schlagseite, ihre standardmäßigen sechs Punktverteidigungsgeschütze waren schlicht nicht ausreichend um eine wirkungsvolle Abwehr herzustellen.

Immer wieder und immer wieder hatten wie Paukenschläge die Salven der kleinen Wraith-Jäger das letzte Schlachtschiff der Antikerflotte – zumindest ihres Wissens nach – auf die Schilde und nach längerem Beschuss auch die auf die Hülle getrommelt. Fast sofort nach Beginn des Beschusses hatte das Schiff auf die beiden BC-304-Schlachtkreuzer zu gestrebt, raus aus der Deckung.

Zwar hatten nun die Wraith – die nun nicht mehr durch ihre eigenen Wracks behindert waren – ein freies Schussfeld, aber das traf auch auf die Antiker zu.

Die kleinen aber durchschlagskräftigen Energieladungen, die die Punktverteidigungsgeschütze abschossen waren prinzipiell nichts anderes als eine abgeschwächte, verkleinerte und auf höhere Kadenz getrimmte Version der großen Schiffslaser. Die Kraft der Ladungen reichte gerade mal aus um einen Jäger zu zerstören, im Kampf gegen größere Ziele dagegen bestehen zu wollen war ein aussichtsloses Unterfangen.

Selbst wenn man ihnen die komplette Energie eines Schiffes gab, waren sie trotzdem zu schwach einem kapitalen Schiff überhaupt Schaden zuzufügen – zumal die Punktverteidiger nicht für solche Energiemengen gebaut waren und sich schlicht explodieren würden.

All diese technischen Daten gingen Praefecta Athene durch ihren Kopf als sie sich aufrichtete und in ihren Sessel zurückwuchtete. Ein paar Konsolen waren schon Kurzschlüssen zum Opfer gefallen und explodiert, Mitglieder der Mannschaft waren bei heftigeren Angriffen gegen ihre Arbeitsplätze geschleudert worden, kaum noch jemand der Brücken-Crew mit der sie ins Gefecht gestartet waren, hielt sich auch wirklich auf ihr auf.

Auch Athene hatte seit Salamis sicher schon bessere Tage gesehen – eine kleine Platzwunde zierte ihre Stirn, die Steuereinheit an der entsprechenden Stelle ein kleine Delle, ihre Haare waren zerzaust und ihre Uniform hatte auch schon bessere Tage gesehen, ebenso wie ihr Schiff.

An zahllosen Stellen brannte der stolze Kreuzer, Löcher zierten die Stellen, wo die Feuer den restlichen Sauerstoff in den Abteilen aufgefressen hatten. Wäre der Rest der Victis-Romanis-Expedition noch an Bord, wären große Teile davon inzwischen gefallen. So beschränkten sich die Verluste nur auf die letzten Soldaten der Antikerflotte.

„Schadensbericht!“, brüllte Athene über die verrauchte Brücke. Einige kleinen Konsolen qualmten, der Geruch verbrannten Materials lag drückend in der Luft. Ebenso waren einige Kühlleitungen geplatzt, gasförmiges inzwischen erwärmtes Kühlmittel hing wie Nebel tief auf der Brücke.

„Wir haben schon bessere Tage gesehen!“, antwortete Lykoris, Steuermann und Dritter Offizier. Er hatte die Schadenskontrolle übernommen nachdem ihm beinahe seine Konsole im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren geflogen wäre. Den mittelgroßen Mann hatte es allerdings trotzdem die Haare leicht angesengt und ein paar Splitter hatten den linken Arm seiner Uniform zerfetzt.

Erbarmungslos fuhr er fort: „Punktverteidiger drei und vier haben den Betrieb wegen Überlastung eingestellt, Drohnenmagazin zwei ist getroffen und zum All offen, der Laser ist zerstört, es gibt kein Deck ohne Loch in den offenen Raum, Notfallschotten funktionieren.“, rattete er runter, „Sensorbänke außer Funktion, Schilde ausgefallen, Hauptreaktor wegen zu starker Energieschwankungen abgeschaltet, Reservereaktoren laufen, Backbord-Manövertriebwerke zerstört, Steuerbord-Manövertriebwerke nur noch bedingt funktionsfähig, Sublichtantrieb ausgefallen aber rettbar, Hyperantrieb restlos im Eimer. Sieht nicht gut aus Cheffin!“, schloss er und traf den Nagel auf den Kopf.

„Haben wir bei Salamis aufgegeben?!“, fragte die Kommandantin rhetorisch und stand auf nur um ungehindert vom Rauch weiter ihre Offiziere ungehindert ansprechen zu können. „Nein, haben wir nicht! Die Ajax ist ein wunderbares Schiff, wir waren der Schild der Schwachen, wir sind es immer noch! Und wenn die Wraith sich mit uns anlegen wollen, dann sag ich – sollen sie doch, wir werden ihnen Paroli bieten!“ Noch einmal holte sie tief Luft. „Alle Batterien, Feuer freigegeben, Drohnen auf Autoerfassung und raus mit ihnen!“

„Jawohl, Praefecta!“, brüllte der Reserve-Waffenoffizier, eine Frau namens Hera. Auch sie sah mitgenommen aus, aber nicht gebeugt oder gar besiegt – sie würde wahrscheinlich noch an ihrer Konsole sein, wenn das Schiff unrettbar auseinander fiel, genauso wie Athene und Lykoris.

Die Offizierin bezweifelte zwar nicht, dass auch Demetrius und Hephaistos mit ihr in dem Kommandoraum am Bug des Schiffes ausharren würden bis sie Vakuum und Feuer verschlangen, aber sie waren auf Victis Romanis und genossen wahrscheinlich die Ruhe vor dem Sturm. So musste sie sich mit dem begnügen, was sie hatte – zumal Lykoris auch zur normalen Brückenmannschaft gehörte.

Die Kommandantin wandte sich an den ausgebildeten Navigator. „Lykoris, sieh zu, dass du so viele von den Löchern wie nur irgendmöglich wieder zu bekommst, ebenso wie die Punktverteidiger und die Schilde.“

Der Mann schüttelte nur den Kopf. „Schilde sind momentan unrettbar abgesoffen!“, meinte er.

„Tu es einfach!“, befahl Athene scharf und wandte sich an den nächsten Offizier, den Maschinenwart. „Neptun, sorg dafür, dass wir wenigstens wieder halbwegs manövrieren können oder zumindest unsere Fahrt stoppen können – ich hab keine Lust Steuerlos im All zu treiben!“

„Ich ebenso wenig, Praefecta.“, antwortete der Soldat lächelnd und machte sich auf den Weg zum Heck des Schiffes. Er war weit weniger lädiert als der Rest der Brückenmannschaft – was vielleicht auch daran lag, dass er erst vor wenigen Minuten in den Raum gekommen war und dort recht wenig zum explodieren übrig war.

„Pheidippides!“, rief die Kommandantin durch den Rauch ihrem Kommunikationsoffizier zu. „Ich brauch eine Verbindung zu den Schiffen der Erde!“ Wieder knallte etwas, das Schiff wurde erschüttert.

Das war die visuelle Kommunikation!“, stellte Lykoris resignierend grinsend fest und konzentrierte sich wieder auf sein flackerndes Schadenskontrollhologramm. Immer mehr Teile des Schiffes färbten sich schwarz, immer mehr wurden durchsichtig. „Wenn das so weiter geht haben wir bald mehr offene Hüllenfläche als Panzerung!“

„Kein Problem, das kriegen wir wieder alles hin – wo bleibt meine Leitung?“, fragte Athene sarkastisch trällernd. Schon vor der Schlacht von Salamis war es bei ihrem Schiff mit der Disziplin nicht sehr weit her gewesen, weil fast niemand auf leichte Disziplinlosigkeit achtete solange das Schiff seine Leistungen brachte und übertraf. Nach der Schlacht war es allerdings ein wenig damit runter gegangen – sie waren mehr per du unter der Crew wenn niemand hinsah, wenn wer hinsah waren sie eine vorbildliche Crew.

„Kommt sofort!“, antwortete Pheidippides und machte sich an die Einstellungen. Er umging die Standartprotokolle, die eine visuelle Verbindung vorschrieben, selbst, wenn man sie nicht benutzte. Audio-Verbindungen konnte man nur mit ohne die entsprechenden Systeme ausgestatteten Schiffe eingehen. Die Schiffe der Erde waren zumindest zum größten Teil kompatibel. „Sie können sprechen, Praefecta!“, verkündete der Offizier nach wenigen Sekunden triumphierend.

„Hier Athene von der Ajax – mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte sie kurz und bündig in den Äther – auch vor ihr flackerte ein Hologramm, das taktische Hologramm mit dem die Ajax nachgerüstet worden war. Es war schon immer ein sehr sensibles System gewesen. Sie sah dort, wie sich die BC-304 näherten, wie die Wraith-Jäger sich zu einem neuen Anflug von Backbord her formierten und wie die restlichen Punktverteidiger diese Formation zu stören versuchten.

„Colonel Stephan Caldwell von der Daedalus – halten sie noch kurz aus, wir sind gleich in Feuerreichweite!“, verkündete der Offizier.

„Caldwell... Caldwell... von ihnen hab ich schon mal gehört!“, verkündete Athene lächelnd. Carter hatte ihr von dem USAF-Colonel erzählt – unter anderem, dass er kalt und berechnend war, wenn es darauf ankam, was sehr häufig in Pegasus der Fall war, aber auch, dass er trotz allen Differenzen mit Sheppard sie alle als seine Kameraden im gewissen Sinne sah. Zwar war das Gefühl nicht so stark wie bei der Besatzung des Daedalus, aber es war da.

„Ich hoffe nur Gutes.“, meinte Caldwell. Sie hätte schwören können, dass es bei jedem anderen Offizier, den sie kannte, jetzt ein kleines Lächeln beim Aufblitzen beobachtet werden konnte – und so auch bei diesem. Sie war sich zwar sicher, dass es klein war, aber es war da.

„Naja...“, druckste die Kommandantin lächelnd rum, das Schiff wurde von einem neuerlichen Angriff erschüttert. Athene wurde wieder ernst. „Wir stehen unter Beschuss. Könnten sie uns ein wenig helfen?“

„Gerne!“, antwortete der Offizier und schloss den Kanal. Promt begannen die Daedalus und das zweite Schiff, die De Gaulle, mit dem Beschuss der Wraith-Jäger, diese drehten ab – in Richtung Victis Romanis. der Kommandant der Daedalus öffnete wieder den Kanal und sagte: „Wir sollten ihnen hinterher, sonst überfallen diese Schlechtwettervampire noch die Expedition!“

„Gerne, sie haben Flugfreigabe – die Ajax kann nicht!“, antwortete Athene. Wie zur Bestätigung schloss sich in dem Moment eine Konsole auf er Steuerbordseite kurz und explodierte. „Wir haben ganz schön was abbekommen.“ Lykoris schnaubte an der Seite nur kurz amüsiert und begann dann wieder zu koordinieren.

„Hier Capitaine de Vaisseau Pierre Foch von der Charles De Gaulle.“, meldete sich eine neue Stimme mit merkwürdigem Akzent. „Wie schlimm sieht es denn aus? Sollen wir Reperaturteams schicken?“

„Äh, Optio Lykoris?“, leitete die Praefecta die Frage weiter.

„Wir haben zwar jede Menge Löcher, aber bisher kommen wir klar, danke vielmals. Vielleicht kommen wir nachher nochmal darauf zurück.“, meldete dieser lächelnd über Funk.

Sie würden wahrscheinlich nicht darauf zurückkommen – er hatte den Bericht über die Schlacht im Niemandsland gelesen und gelesen, wie sie mit dem altehrwürdigen Schlachtschiff Hypopheralcus umgegangen waren. Sein Bruder hatte seinerzeit auf ihr Dienst getan, er hatte von ihr geschwärmt und so in seinem kleinen Bruder den Wunsch geweckt, selbst auf einem dieser Kreuzer zu dienen.

Seine erste Station war auch tatsächlich das alte Garde-Schulschiff Hypopheralcus gewesen, auf dem er als Navigator gedient hatte.

Er verband also sehr angenehme Erinnerungen mit dem Namen und konnte es in seinem tiefsten Inneren nicht verzeihen, was die Menschen von der Erde einem der ersten – eigentlich sogar dem zweiten, welches vom Stapel lief – Typ-5-Schlachtschiffe angetan hatten, ebenso wenig, wie sie bei der Wartung versagt hatten.

„Meinetwegen.“, stellte die Stimme mit dem merkwürdigen Akzent fest. Währenddessen schossen beide BC-304er an dem Kriegsschiff vorbei und setzten je zwei Atomraketen aus, die sich zischend und von Railgun-Feuer begleitet ihren Weg mitten in die Wraith-Jäger bahnten, wie schon zuvor die Raketen der Rot-Staffel der Britannia.

Das britische Schiff indes hatte ihre Ziele mit Bravour ohne Verluste vernichtet, die F-302er und der Jumper kehrten siegreich zurück, ebenso wie die Jagdbomber der De Gaulle, die keine Feindberührung gehabt hatten und auf halbem Weg den Jumpern der Daedalus begegneten, die die Victis-Romanis-Expedition evakuieren oder zumindest unterstützen sollten, wenn sich die übrigen zwei Dutzend Wissenschaftler, die sie gegen eine komplette Kompanie der französischen Fremdenlegion aus Atlantis rausgeholt hatten.

Sie hatten gesiegt – sicherlich Hunderttausende Wraith trieben tot zwischen den Trümmern, eine gewaltige Flotte war zerstört worden.

Doch auch die Menschen der Erde und die Antiker hatten viel verloren – BC-304 USS Apollo, die klügsten Köpfe der Menschheit, die auf diesem Schiff auf ihre Einschiffung gewartet hatten, eine Legende des Stargate-Programms namens Samantha Carter, Dutzende Offiziere und Mannschaftsmitglieder der Ajax waren im Raumkampf gefallen, die Lantea, ihre Technologie und Letztendlich einen Großteil ihrer Crew waren verloren.

Die Siebte Flotte, zu der die Ajax gehörte, besaß als Motto den alten Wahlspruch des ersten Kommandanten der Vierzehnten Legion der Infanterie, eines Mannes namens Hypopheralcus. Er hatte es lange vor der Zusammenführung der beiden Teilstreitkräfte, des Heeres und der Raumflotte, zu einer einzelnen Streitmacht, mit der man zu rechnen hatte, aufgestellt, vor mehr als fünfzehntausend Jahren.

„Gaudeamus Igitur!“ - „Drum lasst uns fröhlich sein!“ - lautete es. Es sollte die Offiziere an eine der wichtigsten Regeln der galaktischen Kriegsführung erinnern – 'Lass es ja nie auf deinem Schiff zum Lagerkoller kommen!'

Mit der sprichwörtlichen Fröhlichkeit und dem Kleinen Geistigen Ausnahmezustand konnte man unter den jüngeren Besatzungsmitgliedern auf längeren Reisen sowas verhindern – und viele der Älteren ließen sich sowas natürlich nicht nehmen. Deshalb war es auch so, dass die mit Eiserner Hand geführten Schiffe meist mehr Crewausfälle hatten als alle anderen.

Die wichtigste Regel der galaktischen Kriegsführung allerdings lautete 'Kenne das rechte Maß – zu viel des Guten ist alles andere als gut!'

Athene glaubte das rechte Maß zu kennen – und zwanzig Jahre in einem Zustand, den noch nie zuvor ein Schiff der Flotte erlebt hatte, hatte sie darin bestätigt.

Doch noch nie zuvor in ihrer langen Geschichte war dem Schlachtschiff so zugesetzt worden, wie an diesem Tag. Athene wusste nicht, ob sie es nochmal auf eine Wartung ankommen lassen sollte, oder ob sie die Ajax aufgaben.

Mit diesen trüben Gedanken lehnte sich Praefecta Athene zurück und seufzte. Ihr Rücken begann zu schmerzen, ihr Kopf pochte, sie spürte die große Beule an ihrer Stirn – Ja, sie und ihr Schiff hatten schon bessere Tage gesehen...



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