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Leitartikel

Küss mich bis zur Deadline
von

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Pitcher

SEBASTIAN/JADE
 

Es war wohl gegen 3 Uhr morgens, als Jade die Wohnungstür laut zuschlagen hörte und dieses Geräusch ihn unsanft aus seinem recht angenehmen Schlaf riss. Der Schwarzhaarige konnte seinen Mitbewohner den Flur entlang stolpern hören. Wahrscheinlich war Torsten total blau… Und mit dieser Vermutung lag Jade gar nicht so verkehrt.
 

Ebenso laut wie die Wohnungstür zugeschlagen worden war, wurde nun die Zimmertür des Schwarzhaarigen aufgerissen und der volltrunkene Mann taumelte in den Raum. Dabei schaltete er, wahrscheinlich aus Versehen, das Licht ein, welches Jade im ersten Moment furcht blendete. Der Schwarzhaarige blinzelte und rieb sich die Augen.
 

Er spürte, wie Torsten sich neben ihm aufs Bett niederließ. Sein Mitbewohner verbreitete einen leicht unangenehmen Zigarettengeruch. Der typische „Clubduft“. „Was willst du, Torsten?“, fragte Jade.
 

„Öh… Keine Ahnung“, kam es vom Rotschopf, der dämlich vor sich hingrinste.
 

„Hattet ihr wenigstens ne schöne Zeit?“, fragte der Halbschlafende genervt weiter und schloss seine Augen. Sein Mitbewohner antwortete nicht. „Torsten…?“, hakte er nach. Als er seine Augen widerwillig öffnete, sah er, dass dieser schon halb am schlafen war. „HEY!“, rief der Schwarzhaarige und trat nach seinem Mitbewohner, der daraufhin mit einem überraschten „OH!“ zu Boden rutschte und zunächst blinzelt sitzen blieb.
 

„Mann, geh ins Bett“, sagte Jade und verdrehte die Augen. Er wollte doch einfach nur schlafen. Und von Michael träumen. Nun musste er grinsen.
 

„Ja…“, nuschelte Torsten als er sich auf allen Vieren durch das Zimmer bewegte. „Ich geh jetzt schlafen.“ Er kroch aus dem Zimmer. Genervt schob Jade die Bettdecke beiseite und schwang die Beine über die Bettkante. Er schloss die Tür leise und knipste das Licht aus.
 

Der Schlaf hätte ihn eigentlich umgehend überkommen müssen. Doch es passierte nichts. Unbewusst lauschte er, wie Torsten irgendwie versuchte sich umzuziehen und dabei etliche Sachen in seinem Zimmer umschmiss. Jade seufzte und musste leise kichern. Betrunkene Freunde konnten schon witzig sein…
 

Allerdings brachte der Gedanken an Torsten auch einen leichten, bitteren Beigeschmack mit sich. Jades Kichern verklang. Er seufzte erneut. Irgendwie fühlte er sich noch immer beschissen…
 

MICHAEL
 

„Guten Morgen!“, begrüßte er die bekannten Gesichter in der Redaktion und er musste sich selbst eingestehen, dass es sich gut anfühlte, wieder hier zu sein. Diese bekannte Umgebung bescherte ihm ein positives Wohlbefinden. Umgehend kam auch schon Florian angerannt und begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln. Wie immer war der CvD total durcheinander, als er Michael alle Infos schilderte und den aktuellen Stand vermittelte.
 

Schon nach einer Stunde fand die übliche Redaktionskonferenz statt, der Alltag holte den Chefredakteur ein und er freute sich. Hier, in seinem Büro, in seiner Redaktion (quasi), fühlte er sich pudelwohl und erfüllt. Er stürzte sich wortwörtlich in die Arbeit hinein, sodass er gar nicht bemerkte, wie schnell der Mittag kam.
 

Als er sich auf den Weg machte, um seinen Durst zu stillen, und vor allem, um jemanden Besonderes zu treffen, hielt er plötzlich inne. „Musste Sebastian heute eigentlich arbeiten?“, schieß es ihm durch den Kopf. Umgehend mit diesem Gedanken kamen noch mehrere Fragen auf. Wie z.B. die Hauptfrage: Was machte er denn überhaupt hier?!
 

Er marschierte wieder in sein Büro zurück und ließ sich auf dem Sessel nieder, fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht.
 

Zweifel. Da waren sie wieder.

Aber wieso?

Er hatte nicht vor etwas Ernsthaftes mit diesem jungen Mann einzugehen.

Theoretisch.
 

„Theoretisch“, murmelte er vor sich hin, was ihn nur noch mehr schockierte. Und zwei Minuten später, als er an dieses Gefühl dachte, welches er gestern seit so langer Zeit endlich wieder genossen hatte, dieses Gefühl der Jugend, der Freiheit und der Entspannung, hatte er die Redaktion bereits verlassen und steuerte das Einkaufszentrum an.
 

Bereits beim Durchqueren der großen Türen lugte er in das Lokal hinein und freute sich zunächst über die ziemlich kleine Schlange am Tresen. Seine Augen suchten nach den schwarzen Haaren. Er konnte lediglich eine ältere Frau lokalisieren, einen südländischen, jungen Mann und eine sehr junge Mitarbeiterin. Von Sebastian war keine Spur. Michael seufzte.
 

Er hätte ihn einfach gestern fragen müssen.

Aber gestern hatte er ja auch noch nicht gewusst, dass er ihn unbedingt wiedersehen wollte. Und die Entscheidung, heute wieder zu arbeiten, war auch eher eine der spontaneren gewesen. Er knirschte leicht mit den Zähnen, als er sich nun missgelaunt in die Reihe stellte. Kaffee wollte er trotzdem noch.
 

Erst dann hörte er diese angenehme Stimme, die ihm gestern zum ersten Mal bewusst aufgefallen war. „Was darf’s denn für dich sein?“, hörte er Sebastian eine junge Frau in der Schlange fragen.
 

Warum durchfuhr ihn plötzlich diese positive Energie?
 

Die Augen des Schwarzhaarigen blieben an ihm heften, als dieser die kommenden Bestellungen auf die Zettelchen schrieb. Umgehend machte sich ein Lächeln auf dem jungen Gesicht breit. Michael hätte schwören können, dass der Schwarzhaarige kurz davor gewesen war, ihm zuzuzwinkern und sich nur im letzten Augenblick hatte beherrschen können. Er musste leise lachen. Ja, Lachen hatte ihm in den letzten Wochen gefehlt.
 

Endlich war er an der Reihe. Wieder sah er dieses Aufleuchten in den dunklen Augen Sebastians. Und wenn er es sich nur einbildete, dann kümmerte es ihn auch nicht. Er empfand es als durchaus angenehm.
 

„Hey Michael!“, grüßte er ihn grinsend. „Ich denke ich weiß, was du willst?“ Michael nickte einfach nur, lächelte. „Triple Caffé Mocha, venti, mit einem Spritzer Vanillesirup, fettarmer Milch, extra heiß“, sagte der Sebastian auf, als er die dafür stehenden Kürzel notierte.
 

Irgendwie war es ja fast schon niedlich, mit was für einer Genauigkeit der junge Mann ihn scheinbar studiert hatte. Nein, es schien ihn nicht mehr wirklich zu nerven. Vielleicht hatte er einfach begonnen das Positive darin zu sehen, es auch als einen Schub für sein Selbstbewusstsein zu betrachten. Vielleicht wurde ihm der Schwarzhaarige auch einfach sympathischer.
 

Naja, miteinander geschlafen hatten sie ja schon…
 

Auch wenn Michael das momentan mehr als unrealistisch erschien. Schließlich war die normale Reihenfolge – Kennenlernen, dann das Intimwerden – wirklich auch etwas durcheinander gekommen… Er spürte förmlich, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Ja, das war mehr als dumm gelaufen… Auch wenn die Erinnerungen als „mehr als heiß“ beschrieben werden könnten.
 

„Alle gut bei dir?“, fragte Sebastian ihn. „Noch gut nach Hause gekommen?“
 

„Natürlich. Ich habe dann doch das Taxi genommen und den Bus ignoriert“, entgegnete er.
 

„Das war ja klar“, fiel Sebastian ihm grinsend ins Wort.
 

„Achja, darf ich fragen wieso?“
 

„Weil du ein Spießer bist“, sagte Sebastian und betonte das S-Wort theatralisch. „Nein, Scherz!“, fügte er schnell hinzu. Michael musste grinsen.
 

„Und du?“, fragte er den Schwarzhaarigen dann. „War es noch gut mit deinem Mitbewohner im Club?“
 

„Ne. Ich bin gar nich’ hin“, erklärte Sebastian ihm und notierte sich kurz die Bestellung von dem neu dazugekommen Kunden.
 

„Du bist nicht in die Disco gegangen?“, fragte Michael erneut mit leicht verwunderter Stimme, als der Barista sich ihm erneut zudrehte.
 

„Ne, ich hatte einfach keine Lust“, lautete die simple Antwort. „Ich bin direkt nach Hause und hab noch ein wenig gedaddelt.“
 

„Du wirst mir aber jetzt nicht erzählen, dass du ein World of Warcraft Spieler bist, oder?“
 

„Oh, da kennt sich aber jemand aus“, Sebastian grinste. „Wenn ich WOW spielen würde, hätte ich wahrscheinlich keinen Job, keine Wohnung und keine Freunde.“
 

„Na, da kennt sich aber jemand aus.“
 

Beide Männer grinsten sich an.
 

„Triple Caffé Mocha, extra heiß!“, rief eine Frauenstimme und platzierte das Getränk auf dem kleinen, aber hohen Abstelltisch. Bevor Michael zu seinem Getränk schlenderte, stellte er Sebastian noch eine Frage: „Lust morgen mit mir ins „Raja“ zu gehen? Neues indisches Restaurant ganz in der Nähe.“
 

Und wieder, die dunklen Augen die ihn mit leichter Verwunderung und gleichzeitig Freude musterten. „Super gern!“, rief der Schwarzhaarige regelrecht. Michael zückte sein Handy. „Na, dann gib mir mal deine Nummer.“
 

Als neue Kundschaft den Weg in die Filiale fand und Michael sich mit seinem heißen Kaffee an einen freien Tisch unweit des Tresens setzte, fing er an, all die noch gespeicherten SMS von Tim zu löschen. Er wusste nicht genau wieso, aber er fühlte einfach, dass dies der richtige Moment war. Warum auch immer.
 

SEBASTIAN/JADE
 

Sein Herz hämmerte regelrecht in seiner Brust. Vor allem, wenn er seinen Blick hinüber zu Michael schweifen ließ, der sich mit seinem Kaffee und ebenfalls seinem Handy beschäftigte. Er konnte sein eigenes Mobilgerät in der Hosentasche spüren. Und die Tatsache, dass er vor wenigen Minuten Michaels Nummer darin gespeichert hatte, machte seine Knie weich und ließ ihn beinahe durchdrehen.
 

Ja, so lief das doch sehr nach seinem Geschmack. Michael schien sich doch für ihn zu interessieren! Oder?
 

„Jade, hilf mir mal!“, riss Alis Stimme ihn aus seinen Träumen. Sein Kollege drückte ihm ein Küchentuch in die Hand. „Da ist alles dreckig“, sagte er und deutete auf den Bereich, vor dem der Schwarzhaarige stand.
 

„Oh“, stammelte dieser und fing an zu wischen. Er spürte Alis Blick noch immer auf seiner Haut und blickte den Abiturienten mit einer hochgezogenen Braue an. „Was ist? Gefall ich dir plötzlich, oder warum starrst du mich so an?“
 

Ali grinste. „Ich darf anstarren wie ich will. Außerdem bist du grad mehr als lustig anzugucken.“
 

„Wie bitte?“
 

Sein Kollege beugte sich vor und flüsterte: „Du bist ganz schön rot geworden, mein Freund.“ Als Jade ihn leicht schockiert ansah, musste Ali laut lachen und verschwand im hinteren Bereich. Auch Katja grinste ihn an. Auf eine nette Art und Weise.
 

„Wir sehen uns morgen, ja?“, ertönte Michaels Stimme. Er winkte Jade zu und der Junge schaffte es gerade noch so diese Geste zu erwidern. Und dann blickte er ihm hinterher. Doch diesmal war es kein verzweifelter Blick, mit welchem er dem Journalisten nachsah. Dieses Mal war es ein erfreuter Blick.
 

Schon morgen!

Und er hatte seine Handynummer!

Und und und!
 

MICHAEL
 

„Dir scheinen die freien Tage ja wirklich geholfen zu haben“, bemerkte Florian, als sie gemeinsam die finale Version des Satzspiegels durchgingen. Michael lächelte leicht, ohne die Augen von dem Bildschirm zu nehmen. Sein Kollege hatte ja überhaupt gar keine Ahnung, wie recht er mit dieser Aussage hatte. Auch wenn ihm seine äußert gute Laune, wenn er länger über sie nachdachte, immer noch leichte Kopfschmerzen verursachte. Oder eher ein Schwindelgefühl.
 

Michael erkannte sich, wenn er mit Sebastian in Verbindung stand, irgendwie nicht wieder. Andererseits hatten die beiden gerade mal einen Tag miteinander verbracht (diese Nacht ausgenommen) und hatten soeben das erste Mal wie zwei normale Menschen miteinander kommuniziert.
 

Obwohl, konnte man das wirklich normal nennen? War das nicht schon ein Flirt gewesen? Hatten sie auch nicht schon gestern geflirtet? Mein Gott! Wäre diese Singlezeit nicht schon so lange her! Michael war sich sicher, dass er sich sonst besser an all diese kleinen Details erinnern könnte.
 

Es fühlte sich so seltsam an, jemandem nach und nach etwas von sich zu offenbaren und den anderen wiederum kennenzulernen. Tim hatte alles gewusst über ihn, ihre Gespräche waren völlig anders gewesen. Alltäglich vielleicht? Michael konnte sich diese Frage nicht beantworten. Eigentlich wusste er auch, dass es momentan auch unmöglich war diese Wende zu erklären. Warum er Sebastian plötzlich als durchaus sympathisch hätte beschreiben können. Warum er sich auf ihr morgiges Essen eigentlich so freute.
 

Deshalb sagte er sich, er solle sich einfach darauf freuen, die Dinge auf ihn zukommen lassen. Etwas, was er schon sehr, sehr lange nicht mehr getan hatte. Etwas, was ihm wahrscheinlich fehlte.
 

„Ich denke das passt alles, oder?“, fragte Florian und sah ihn an. Michael nickte lächelnd und schickte seinen Freund zurück an die Arbeit. Er selbst studierte die Karte des „Raja“ im Internet und das Wasser lief ihm bereits im Mund zusammen…
 

Ob er wohl heute Schlaf finden würde?
 

SEBASTIAN/JADE
 

„Verdammt, Dirk, ich hab echt keinen Plan, was ich anziehen soll!“, jammerte er in den Hörer. Endlich telefonierten sie mal wieder miteinander und seinen Freund schien es wirklich zu freuen, dass Jade sich bei ihm gemeldet hatte. Und dann auch noch mit solchen Nachrichten.
 

„Alter, ich kann’s immer noch nich’ fassen, dass du jetzt mit dem Kerl essen gehst. Der hat dich doch gehasst wie die Pest?!“, sinnierte Dirk lachend. Jade konnte hören, wie er den Zigarettenrauch auspustete.
 

„Ich hab auch echt kein’ Plan, was über Michi gekommen ist, aber eigentlich ist es mir auch scheißegal, weil er mich endlich beachtet!“
 

„Oh, jetzt nennst du ihn schon Michi. Ist ja fast schon niedlich.“
 

„Ich kann dein dämliches Grinsen durch die Leitung sehen!“, feixte Jade und beide lachten. „Aber jetzt sag mir, was zur Hölle soll ich tragen? Richtig fein? Diesen dämlichen Anzug? Oder doch eher casual, meine enge schwarze Jeans und dazu dann das schwarze Hemd? Oder doch weiß? Oder…?“
 

Sie diskutierten über mögliche Outfits mehr als 30 Minuten. Und dann klingelte plötzlich Jades Handy. Er erstarrte.
 

„Oh, wer das nur ist…?“, flötete Dirk am anderen Ende der Leitung.
 

„Ich ruf zurück!“, antwortete Jade hastig und schmiss das ausgeschaltete Telefon aufs Bett, sprang zu seinem Schreibtisch und schrie beinahe vor Freude auf, als er den Namen „Michael“ auf seinem Display ablesen konnte.
 

„Hallo Herr Chefredakteur!“, grüßte er ihn sofort.
 

„Hallo Herr Barista“, grüßte Michael mit freundlicher Stimme zurück.
 

„Hattest du einen schönen Tag?“, fragte Jade.
 

„Ja, es hat wirklich gut getan wieder in der Redaktion zu sein. Ich befürchte ich bin das, was man einen Workaholic nennt. Unsere Praktikanten sind auch wirklich gut geworden. Es war auch übrigens Anna, ich hatte dir ja von ihr erzählt und du kennst sie ja scheinbar auch, die den Artikel über das „Raja“ geschrieben hatte.“
 

„Ich weiß!“, fiel Jade ihm lachend ins Wort. „Ich hab ihn heute noch gelesen. Du weißt doch, dass ich nach eurem Heft verrückt bin.“
 

„Eine Tatsache, die ich wahrscheinlich nie so richtig verstehen werde…“
 

„Musst du auch nicht.“
 

„Ich wollte dich fragen, wann es dir morgen am besten passen würde? Weißt du, wie man dahin kommt?“
 

Jades Herz raste, er konnte es nicht fassen, dass er hier gerade mit Michael telefonierte. Mit Michael! Diese Situation hatte er sich eigentlich tausend Mal lediglich in seinen Träumen ausgemalt und nun war sie real!
 

„Ich muss morgen nur bis 14 Uhr arbeiten, von daher kann ich mich nach dir richten“, antwortete er mit der süßesten Stimme, die er nur erzeugen konnte.
 

„Wunderbar“, kam es von Michael. „Wie wär’s denn dann so um 20 Uhr? Wäre das OK?“
 

„Na klar, acht ist toll!“, willigte der Schwarzhaarige enthusiastisch ein. „Apropos Essen, ich glaube ich koche mir auch gleich etwas schönes.“
 

„Ja, Abendessen ist eine gute Idee. Was gibt’s denn bei dir?“
 

Jade konnte es selbst nicht fassen, als sie das Gespräch erst nach 20 Minuten beendeten. Er hatte Michael den Inhalt seines Kühlschranks geschildert und dieser hatte ihm dann Kochtipps gegeben. Und nun saß er völlig verträumt vor einem dampfenden Teller und genoss jeden einzelnen Biss. Er bemerkte noch nicht einmal Torsten, der sich gegen den Türrahmen lehnte und belustigt musterte.
 

„Oha, du siehst aus wie ein kleines Mädchen, das gerade ihren Prinzen auf nem weißen Pony entdeckt hat“, riss ihn die Stimme seines Mitbewohners aus seinen Gedanken.
 

„Hallo Torsten. Na, wieder nüchtern?“, fragte er und grinste.
 

„Hör bloß auf, der ganze Tag war im Arsch.“
 

„So sahst du gestern auch wirklich aus.“
 

Stille legte sich.
 

„Willst du auch was? Ich hab gerade gekocht“, bemerkte Jade. Torsten blickte auf seinen Teller und nickte. Als er davon probierte, nickte er anerkennend mit dem Kopf, auch wenn er leicht verwirrt wirkte. „Seit wann kannst du eigentlich so gut kochen?“, fragte der Rothaarige dann.
 

„Michael hat mir ein wenig Hilfe geleistet.“
 

„Was? Er war hier?!“, fragte Torsten nun wirklich verwirrt.
 

„Neiiiin. Wir haben telefoniert und er hat mir gesagt, wie ich das alles zubereiten soll.“
 

„Oha“, bemerkte Torsten und aß ruhig weiter. Einige Minuten verstrichen. „Mann, ich weiß nicht, ob das so ne gute Idee mit Michael ist, Jade“, sagte er schließlich. Der Schwarzhaarige starrte sein Gegenüber leicht misstrauisch an. Irgendwie gefiel ihm das ganz und gar nicht. „Wieso?“, hakte er deswegen nach.
 

„Ich weiß nicht. Ist nur so’n Gefühl“, entgegnete Torsten, der weiterhin seinen Teller anstarrte.
 

„Wenn ich dir dasselbe wegen Jana gesagt hätte, hättest du auch nicht auf mich gehört…“, bemerkte er dann.
 

„Das ist was anderes!“, sagte Torsten mit fester Stimme.
 

„Ist es nicht, du Idiot!“, antwortete Jade und lachte. „Es ist genau dasselbe.“ Torsten seufzte und stellte seinen leeren Teller in die Spüle.
 

„Hey, mach den gefälligst sauber!“, rief Jade ihm nach, doch als er die würgenden Geräusche aus dem Badezimmer wahrnahm, lachte er nur weiter und machte sich daran das gesamte Geschirr selbst abzuspülen. Torsten sollte ausschlafen und einen klaren Kopf bekommen und dann würde er vielleicht mit ihm über Michael reden. Vielleicht.
 

MICHAEL
 

Er hatte gut geschlafen und fragte sich den gesamten Tag, wieso eigentlich. Um punkt 18 Uhr verließ er die Redaktion. Er hatte heute so viel zu tun gehabt, dass eine Kaffeepause gar nicht möglich gewesen war. Aber der Redaktionskaffee hatte sein Werk auch getan. Er war putzmunter.
 

Und irgendwie auch aufgeregt, was ihn total durcheinander brachte.

Er fühlte sich wie ein Teenager.

Es war ein wunderbares Gefühl.
 

Er hatte sich seinen dunkelgrauen Anzug bereits gestern Abend zurechtgelegt. Nun nahm er eine ausgiebige Dusche und benutzte dabei das teure Gel, welches Tim ihm mal geschenkt hatte – und musste dabei tierisch grinsen. War es eine Art Rachegefühl? Trotz? Er benutzte das Duschgel, welches ihm sein Ex geschenkt hatte, weil er sich mit einem anderen, viel jüngeren Mann traf. Jetzt musste er lachen.
 

Was war nur los mit ihm?
 

Er warf einen letzten Blick in den Spiegel und tastete seine Innentasche nach dem Brillenetuie ab. Er war etwas langsichtig, und wenn die Buchstaben zu klein waren, konnte er sie nur mittels seiner Brille erkennen. Hatte Sebastian ihn eigentlich schon mal mit Brille gesehen? Wahrscheinlich würde er sie als „noch spießiger“ beschreiben. Michael seufzte grinsend und schlug die Haustür hinter sich zu. Das Taxi wartete bereits.
 

SEBASTIAN/JADE
 

Er war so ein Trottel. Nur, weil er ultra-mega-NICHT zu spät kommen wollte, spazierte er nun schon seit einer halben Stunde vor diesem Laden herum. Er war nervös. Und dieses Gefühl wollte ihn einfach nicht verlassen. Er schüttelte den Kopf. Immer, wenn es etwas mit Michael zu tun hatte, tauchte die Nervosität auf. Wirklich seltsam.
 

„Sebastian!“, hörte er diese angenehme Stimme rufen. Als er sich umdrehte, kippte er beinahe um. Und ärgerte sich zugleich. Michael sah fantastisch aus in diesem feinen, dunkelgrauen Anzug mit der pechschwarzen Krawatte. Sein blondes Haar saß perfekt, die grauen Augen glänzten. Und er? Wie sah er bitte aus?! Er würde Dirk den Hals umdrehen, der ihm zum „lockeren Outfit“ geraten hatte, weil das „Raja“ ja „nicht so der Nobelladen“ war.
 

Jade stand hier mit seiner dunkelblauen Jeans, schwarzen Sneakern und dem kurzärmligen, schwarzen Hemd, dass leicht über den Bund seiner Hose reicht. Seine Haare hatte er natürlich auch offen gelassen und kein Haarband dabei. Gott, wie er sich momentan verflucht. Dresscodes. Die hatte er noch nie richtig einhalten können. Außer im Hotel damals. Wobei das auch schon mal schiefgegangen war…
 

„Hi“, grüßte er ihn. Michael musterte ihn. Doch er kommentierte sein Outfit ganz und gar nicht, grinste nur leicht. Puh.
 

„Hunger?“, fragte der Ältere ihn.
 

„Und wie!“
 

Als sie die Karte durchblätterten, setzte Michael seine Brille auf – die Buchstaben waren einfach zu winzig. Jade blickte auf. Ihre Blicke trafen sich.
 

„Ich wusste gar nicht, dass du eine Brille trägst“, sagte er.
 

Michael grinste und antwortete: „Ja, ganz schön spießig, was?“
 

Jade lächelte und entgegnete: „Nein, eher ganz schön heiß…“
 

Beide Männer räusperten sich und studierten weiterhin die Karte. Nur Jades Herz klopfte laut und stürmisch. Michael sah wirklich heiß aus. Ein heißer Spießer. Oder ähnlich. Gott, er wollte ihn küssen…
 

Sie bestellten beide ein Tandoori Gericht, aßen Naan Brot, tranken Mangosaft. Michael bestand darauf für alles zu bezahlen. Und das passte Jade nur allzu gut, er hatte sich extra für diesen Abend Geld von Ali geliehen. Naja, das könnte er aber auch gut für den weiteren Verlauf ausgeben, oder?
 

„Sag mal“, setzte der Schwarzhaarige an, als Michael bezahlte. „Hast du nicht noch Lust mit mir in den Pub zu gehen? Ich will mich revanchieren. Ein Bier vielleicht, hm?“
 

Michael lächelte und nickte. „Sehr gern“, sagte er.
 

MICHAEL
 

Er kannte sogar den Pub, in den Sebastian sie entführte. Ein geräumiger Laden, der wahrscheinlich den gesamten Keller des riesigen Hauses einnahm. Und überall waren nur Männer. „Der größte Schwulen-Treff der Stadt!“, so hatte Tim ihn immer genannt. Zusammen waren sie aber nur ein oder zwei Mal hier gewesen.
 

Irgendwie wurde ihm mulmig zumute. Was, wenn Tims Freunde hier waren? Wie würde er sich fühlen, wenn sie ihm plötzlich gegenüberstanden? Sollte er sie dann übers Tim Wohlbefinden ausfragen? Und was würden sie eigentlich sagen, wenn sie ihn mit SEBASTIAN hier sahen?
 

Er sah den Schwarzhaarigen an, der am Tresen stand und ihnen einen Pitcher bestellte. Er musste grinsen. Mit seinem unkonventionellen Outfit war er nebem dem Chefredakteur ja schon etwas im Restaurant aufgefallen. Aber… Er sah gut aus. Verdammt gut. Der knackige Hintern zeichnete sich perfekt in der Jeans ab. Seine entblößten Arme waren leicht ausgebildet. Definitiv nicht die eines süchtigen Fitnessstudio-Gängers, aber wirklich männlich. Wirklich schön.
 

War es genau dieser Moment, in dem Michael sich zum ersten Mal gestand, dass er sich in Sebastian verguckt hatte?

War es genau dieser Augenblick, in dem ihm klar wurde, dass Sebastian so interessant war, weil er fast das genaue Gegenteil von ihm war? Weil er so total anders als Tim war?

Vielleicht.
 

„Hey, alles OK?“, fragte Sebastian plötzlich. Michael hatte gar nicht bemerkt, wie der Junge wieder an den Tisch zurückgekommen war.
 

„Na klar“, antwortete er. „Bist du eigentlich oft hier?“
 

„Naja, eigentlich schon. Ich find den Laden halt echt gut. Und hier gibt’s immer Livemusik. Guck ma, der Typ mit der Gitarre da baut schon auf, wir sind genau richtig gekommen!“, antwortete Sebastian. „Und du? Ich hab dich hier jedenfalls noch nie hier gesehen. Sonst wärst du mir schon viel eher aufgefallen…“
 

Michael lächelte. „Nein, ich war… eigentlich nie so der Typ zum weggehen. Ich war hier nur ein-zwei Mal mit meinem Ex… Der ist ja eher so gern weggegangen.“
 

„Hmmm…“, kam es von Jade. Und dann kam auch schon der Pitcher. Das Bier schmeckte gut.
 

„Was machst du denn am liebsten am Wochenende, wenn du nicht so sehr auf weggehen stehst?“, fragte Jade ihn, nachdem sie angestoßen hatten.
 

„Ich, naja, ich koche unheimlich gern. Und ich lese sehr gern. Ich gehe gern spazieren. Und ich gucke gern mal einen guten Film. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich niemals weggehen würde, es ist nur…“
 

„Vielleicht wurdest du einfach nicht oft genug von deinem komischen Ex gefragt?“, warf Sebastian ein und sah zu dem Menschen mit der Gitarre, der gerade sein Publikum begrüßte und auch schon mit dem ersten Song anfing. Irgendein Countrylied.
 

„Mag sein“, sagte Michael. Er dachte nach. Vielleicht? Und dann wiederum, war es ja OK gewesen, so wie es war. Sebastian lächelte ihn an.
 

„Ich hab ehrlich gesagt keine Lust über deinen Ex zu reden“, sagte er dann.
 

„Ich auch nicht“, willigte Michael lachend ein.
 

„Bei mir ist das so“, fuhr Sebastian fort. „Ich gehe super gerne weg, ich brauch das irgendwie, um den ganzen Stress loszuwerden. Aber viele Leute denken von mir, dass ich wirklich jedes Wochenende losziehen würde, und zwar das gesamte Wochenende. Das ist aber völliger Bullshit.“, er nahm einen weiteren Schluck des Bieres. „Ein chilliges Wochenende muss einfach sein, oder gleich zwei hintereinander. Wenn man nur aus ist, dann nervt das. War bei Mark und mir damals auch so, wir sind in den ersten Monaten unserer Beziehung immer nur weggegangen und dann waren wir die nächsten Monate einfach nur zu Hause und haben abgehangen, weil wir so die Schnauze voll hatten von Partymachen…“
 

„Wenn ich ehrlich sein muss, dachte ich auch, dass du jedes Wochenende losziehst…“, gab Michael peinlich berührt zu. Warum störte ihn eigentlich wieder das Erwähnen dieses Ex-Freundes? Bevor Sebastian etwas sagen konnte, fuhr Michael fort: „Ja ja, ich weiß, Spießer und so.“ Sie lachten gemeinsam.
 

Und dann sprachen sie nicht mehr über Ex-Freunde. Sebastian löcherte ihn förmlich über seine Arbeit, wie er zum Journalismus gekommen war, wie es im „Fly“ ablief, ob der Job stressig war, ob er schon immer gewusst hatte, dass er Redakteur werden wollte… Und Michael genoss dieses Interesse. Er genoss es sehr.
 

Beim zweiten Pitcher hatten sie das leere Sofa in der Ecke geschickt eingenommen. Von hier aus konnte man die kleine Bühne gut sehen und die Livemusik wurde wirklich immer besser. Michael löste seine Krawatte und knöpfte sich das Hemd etwas auf. Umgehend spürte er Sebastians Blick auf sich ruhen.
 

Als er ihn ansah, blickte er in leicht glasige Augen, die seine etwas entblößte Brust anstierten. „Na, gefällt dir, was du siehst?“, fragte Michael und wunderte sich, dass so ein Satz über seine Lippen glitt. Sebastian erwiderte den Blickkontakt und nickte grinsend.
 

Instinktiv rückte Michael näher. Ja, er verspürte einfach dieses Bedürfnis. Vorsichtig und doch bestimmend legte er seinen Arm um Sebastians Schulter. Als er daraufhin die warme Hand des Schwarzhaarigen auf seinem Oberschenkel spürte, machte sich ein Kribbeln in seinem Bauch breit.
 

„Und du?“, fragte Sebastian. „Gefällt dir auch, was du siehst?“
 

Michael brauchte nicht über seine Antwort nachzudenken. „Ja, das tut es“, hauchte er und seine Finger fuhren durch die schwarze Mähne des jungen Mannes. Er zog ihn noch näher zu sich, zog ihn in einen langen, sanften Kuss. Sebastians Lippen fühlten sich weich an. Er spürte, wie die Hand des Jungen anfing seinen Oberschenkel leicht zu streicheln, als er neckend über seine Unterlippe leckte.
 

Michael wurde mutiger und ließ seine Zunge probeweise in den Mund des anderen wandern, der diesen Einlass nur begierig gewährte. Sie legten ihre Arme um einander, und pressten ihren Körper gegen den des anderen. Sebastian umkreiste die Zunge Blonden mit seiner und dieser leicht kalte Stecker in dieser nassen Wärme fühlte sich einfach wundervoll an… Alles in diesem Moment war einfach nur… Wundervoll.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  jyorie
2014-05-18T19:42:56+00:00 18.05.2014 21:42
Hallo (゚ー゚)

*ahhhhh* ich hätte meinem Mitbewohner sonst was erzählt, wenn
er morgens um 5 sturzbesoffen in mein Bett trampeln würde. Allerdings
hätte ich nach dem Zimmerverweis für Thorsten gedacht, das sich
Jade hochrappelt und ihm hilft, als da einiges zu bruch gegangen ist
auf grund der unkoordiantion von Thorsten.

XD Michael räumt also auf :D SMS weg, Wohung umgeräumt. Klingt
alles nach frischem Wind für ein neues Leben, einen neuen Anfang.
Auch das Telefonat mit den beiden war süß, das er die Kühlschrank/
Kochberatung mit Jade gemacht hat.

Da kommt ein richtiges Hochgefühl auf, nachdem Jade ja so lange ab-
gewiesen wurde, und dann noch das Dinner in dem indischen Restaurant,
wo sie geknutscht haben :D schön :))

Liebe Grüße, Jyorie
Von:  mogura
2009-06-17T17:15:21+00:00 17.06.2009 19:15
uwaaah, ist das toll. Ich freu mich so für die beiden ^___^=
xDD
ich lese ganz flott weiter! >.<~
Von:  Die_Debby
2009-06-12T14:05:55+00:00 12.06.2009 16:05
Schließlich war die normale Reihenfolge – Kennenlernen, dann das Intimwerden – wirklich auch etwas durcheinander gekommen…

XDDDD
Ich habe mich so weggeschmissen xD
XDDD

Und die unterhaltungen von den BEiden sind echt toll... xD
ich stand heute beim starbucks und hab mir einen Triple Caffé Mocha
bestellt *hehe*
es kam einfach über mich = )


Von:  ReinaDoreen
2009-06-09T17:30:37+00:00 09.06.2009 19:30
Michael beginnt sich von Tim zu lösen. Ist bestimmt auch das beste.
Irgendwie habe ich das Gefühl das Torsten eifersüchtig reagiert.
Reni


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