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Leitartikel

Küss mich bis zur Deadline
von

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Gedankenrausch

MICHAEL
 

Als er die Wohnungstür hinter sich zuschlagen hörte, den breiten, beige gestrichenen Flur betrat und sich im ziemlich großen, ovalen Spiegel gleich neben der Garderobe musterte, stieß er einen lauten und erschöpften Seufzer aus. Die leicht violett gefärbten Ringe unter seinen Augen klagten sein ganzes Leid.
 

Er stellte seine schwarze Ledertasche vorsichtig auf der Kommode links neben der Tür ab, auf der auch das schwarze, drahtlose Telefon und der ebenso dunkle, elegante, Kalender lagen. Er erkannte Tims Handschrift auf der aufgeschlagenen Seite sofort und las die ihm bereits per SMS geschickte Nachricht nun auf Papier gekennzeichnet.
 

Fußball gehörte nun wirklich nicht zu Michaels Interessengebieten. Deswegen brachte er vollstes Verständnis für seinen Freund auf, wenn dieser mit seinen Kollegen und Freunden allein ins Stadion ging, oder die Männer sich zusammen um den Fernseher gesellten, oder eine Kneipe aufsuchten, um dort ihrer Passion nachzugehen. Auch dieses Mal hatten sich die Fußballfreunde nicht hier getroffen. Nicht, dass es Michael stören würde. Nach einem anstrengenden Tag wie dem heutigem, empfand er es als äußerst angenehm, dass sich keine grölenden, schreienden und mit dem Fernsehgerät zankenden Personen in der Wohnung befanden, deren Geräuschpegel man nicht zu senken vermochte. Und so ein Fußballspiel dauerte schließlich ganze 90 Minuten…
 

Andererseits wunderte er sich abermals, ob Tim und seine Freunde ihn einfach als störend empfanden. Wie ein klischeehafter Ehemann seine nörgelnde Ehefrau betrachtete, die sich (mit Lockenwicklern auf dem Kopf und einem massiven Nudelholz in der Hand) wiederholt darüber beschwerte, dass dem „Heinz“ sein Fußballgucken viel wichtiger war als ihre Ehe. Michael musste lachen. Jetzt verglich er sich auch noch mit einer fiktiven, frustrierten Ehefrau aus den 50ern. Wirklich, dieser Tag war in der Tat mehr als ermüdend.
 

Er durchquerte das geräumige, in Pastellfarben gehaltene Wohnzimmer in dem die dunkle Sofagarnitur deutlich hervorstach und betrat das Schlafzimmer, welches sie erst letztes Jahr renoviert hatten und von dessen Wänden nun ein Olivgrün matt das Auge erfreute. Eine Farbe die hervorragend zu den hellen langen Gardinen passte, die Michaels Mutter für sie genäht hatte. Auf diese Geste hatte sie bestanden. Und der Chefredakteur musste zugeben, dass seine Erzeugerin sehr viel handarbeitliches Talent besaß. Auch wenn sie bis vor kurzem eigentlich noch Geschichtslehrerin an einer Oberstufe gewesen war. Nun konnte sie endlich die Rente genießen und die Füße hochlegen. Armer Herr Papa… Er musste ihn bald mal wieder anrufen.
 

Barfuß und in einer leicht ausgewaschenen Jeans bekleidet schlenderte er in die Küche. Die Ärmel seines braunen Pullovers krempelte er einfach hoch und machte sich daran endlich die auf dem Wochenmarkt erstandenen Bio-Bärlauch-Spätzle zuzubereiten. Als er den Kühlschrank inspizierte, entschied er sich für eine Spinat-Sahne-Sauce.
 

Als Hobbykoch bezeichnete er sich ungern. Da er aber unheimlich gerne gut aß, hatte er sich über die Jahre das Kochen mühevoll beigebracht und machte von dieser Eigenschaft auch des Öfteren Gebrauch. Mittlerweile war er sogar richtig gut darin geworden. Und nach so einem unheilvollen Tag wie diesem, war ein leckeres Essen einfach das beste Heilmittel, welches er sich denken konnte.
 

Tim beschwerte sich auch nie, beseitigte sogar freiwillig das Chaos, welches Michael in der Küche hinterließ. „Mein Zauberkoch.“ So nannte er den Journalisten immer. Dieser Spruch stand ebenfalls auf einem Holzbrettchen, auf dem Michael gerade den frischen Spinat grob zerteilte. Tim hatte es ihm zu ihrem dritten Jahrestag geschenkt.
 

Ein warf einen Seitenblick auf die Uhr. Es war halb acht.
 

Michael beschleunigte seine Bewegungen und schaltete schließlich den Fernseher pünktlich zur Tagesschau ein. Ein wenig musste er schon über sich lachen. So wie manche es sich für einen Spielfilm auf dem Sofa bequem machten, tat er es mit den Nachrichten. Naja, ein guter Journalist musste eben immer auf dem Neusten Stand sein, ein Prinzip, welches ihm seit Beginn seines Studiums eingetrichtert worden war. Erfolgreich, wie man sehen konnte.
 

Sein Dinner schmeckte in der Tat ausgezeichnet und nachdem er mit seinem vollen Magen schnell das Schlachtfeld reinigte, zappte er sich durch das klägliche TV-Programm. Irgendwie war ihm gerade danach. Nach leichter, ihn berieselnder, gar schlechter Unterhaltung.
 

Eine Krimiserie, das immer noch laufende Spiel, eine weitere Krimiserie, Reality-TV. Germany’s Next Topmodel. Er seufzte. Das Format erwies sich als äußerst beliebt. Leider. Er war froh, dass in dieser Staffel keine Kandidatin aus seiner Stadt es in die Top 30, 20, 10 – wie viele Kandidatinnen waren jetzt eigentlich noch dabei?- geschafft hatte, ansonsten hätten sie das Heft mit dämlichen „Hintergrundinformationen“ und Highlights der laufenden Serie füllen müssen. Definitiv favorisierte er unter diesen Umständen den zehntausendsten R'n'B-Club auf der riesigen, sich ständig ändernden Partymeile…
 

Er beließ es schließlich bei der Krimiserie, deren Anfang er verpasst hatte und nun überhaupt keine Ahnung vom aktuell behandelten Fall hatte. Aber es war ihm egal. Michael war einfach nur müde und verspürte das Bedürfnis leicht sinnlos vor sich hin zu starren und seinen Kopf mit nicht wirklich seriösen Informationen füllen zu lassen. Nicht mal in der Werbepause schaltete er um.
 

Dann klingelte plötzlich das Telefon. Mühsam erhob er sich und wanderte zur Kommode.
 

„Zannert“, sprach er etwas leise in das Gerät hinein.
 

„Michael?“, ertönte die ihm so vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung.
 

„Hey, Schatz!“, erwiderte der Chefredakteur, dessen Stimme plötzlich wieder von Vitalität geprägt war. „Wie geht’s dir? Kommst du bald nach Hause?“
 

„Äh, nein“, fing Tim an und lachte. „Ich wollte dir eigentlich nur Bescheid geben, dass ich wohl heute bei Mirko schlafe, denn… Seine kleine Anja heiratet! Sie hat grad hier angerufen, um ihrem liebsten Papa diese Nachricht mitzuteilen.“
 

Michael konnte laut zustimmende Rufe aus dem Hintergrund hören. Es waren wohl einige Personen mehr im Raum geworden. Mirko. Ein Arbeitskollege Tims. Er war über fast 50, hatte eine gescheiterte Heteroehe hinter sich, zwei Töchter und war nun schon seit fast drei Jahren mit Sascha zusammen. Mit ihnen gingen sie auch öfters mal zusammen Cocktails trinken, ein „Pärchenabend“, so nannten sie das ganze dann.
 

„Hey, das ist ja super! Gratulier dem Lieben mal von mir!“, sagte Michael und lächelte leicht. Aber auch ein wenig traurig. Eine Nacht ohne Tim. Und das nach so einem Tag.
 

„Ich muss los, Spiel wird grad spannend! Und wir müssen anstoßen!“, rief Tim in den Hörer, denn die Lautstärke des Fernsehers im Hintergrund wurde im selbigen Moment drastisch erhöht. „Ich wollte nur zeitig Bescheid geben, schlaf gut, wir sehen uns morgen.“
 

Damit legte Tim auf und Michael steckte das Gerät vorsichtig zurück in die Ladeschale. Er seufzte.
 

Hochzeit.
 

Von ihren Freunden war eigentlich nur ein Pärchen verheiratet. Naja. Eigentlich war es ja nur eingetragene Lebenspartnerschaft. So lautete schließlich der korrekte Terminus. Aber man konnte es, so träumerisch wie man war, auch Heirat, Hochzeit, Ehe nennen. Michael merkte, wie ihn leichte Röte ins Gesicht stieg und ihm irgendwie ganz mulmig wurde. Seichte Wärme breitete sich vorsichtig, und doch schneller als ihm lieb war, in seinem Körper aus.
 

Ob Tim und er jemals diesen Schritt wagen würden?
 

Bei der Formulierung dieses Gedankens wurde ihm leicht schwindelig und dieses Gefühl bestärkte sich nur noch durch das fiktive Bild von Tim und ihm selbst in eleganten Anzügen, einander anlächelnd, welches für eine Millisekunde in seinem Kopf auftauchte. „Oh, Mann...“, murmelte er vor sich hin, während er versuchte sich wieder auf die irgendwie noch immer nicht spannende Serie zu konzentrieren. Letztendlich entschied er sich vollends auf diese Art der Unterhaltung zu verzichten und knipste das große Gerät bestimmt aus.
 

Es wurde still. Von draußen drang leichter Vogelgesang und das Rauschen der ab und an passierenden Autos in die Wohnung.
 

Hochzeit.
 

„Oh, Mann...“, murmelte er erneut und schlenderte zurück ins Schlafzimmer, in dem er heute Nacht allein zurückbleiben würde. Ein seltsames Gefühl.
 

SEBASTIAN/JADE
 

Gilbert. Wie konnte man sein Kind eigentlich mit solch einem altertümlichen Namen strafen? Naja, eigentlich sollte er sich ja gar nicht aufregen, sondern sollte sich freuen, dass es nicht sein erster Name war, sondern der seines Bruders - der Gott sei Dank fünf Jahre vor ihm auf die Welt gekommen war und die Obszönität der Eltern auf sich gelenkt hatte. Sein Bruder, nach dem er benannt worden war.
 

Gilbert Reinhardt Malert. Jade schüttelte sich vor Ekel. Ja, sein Bruder war gestraft.
 

Wobei Sebastian schlimm genug war. Für ihn jedenfalls.
 

Wann immer er diesen Namen ausgesprochen hörte, kamen Erinnerungen hoch. Dann konnte er die tiefe, brummende Stimme seines Vaters direkt an seinem Ohr hören. Die so oft hasserfüllte, oder von Enttäuschung durchtränkte Stimme des alten Firmenchefs, der nichts anderes als „nur das Beste“ für seine Söhne wollte. Nur leider war „das Beste“ das komplette Gegenteil von dem, was Jade wollte, was er sich wünschte. Was er sich erhoffte.
 

Und den Malerbetrieb seiner Erzeuger mit Gilbert zusammen zu übernehmen gehörte ganz sicherlich nicht zu seinen Plänen. Das hatte er bereits im Teenageralter gewusst, hatte es oft genug versucht seinem Vater weiß zu machen, der ihn geniert belächelte und ihm nichtssagend auf die Schulter klopfte und dann weiterhin Gilbert als wahrhaftigen Mann vor seinen Kunden und Verwandten anpries, einen „anständigen Kerl“, der brav und voller Enthusiasmus in die Fußstapfen des Vaters treten wollte.
 

Scheiß BWL-Student...
 

Gilbert hatte viele Freunde. Gilbert hatte Abitur. Gilbert durfte sogar Daddys Firmenwagen direkt nach seiner Führerscheinprüfung fahren. Jade musste lachen. Nein, ihn hätte sein Vater nicht mal in die Nähe des Wagens gelassen, nicht einmal heute, mit fast fünf Jahren Fahrerfahrung. Jade war „zu wild“ und zu „unreif“ einfach „ein Träumer, der zu spät merken würde, dass er in der Realität lebte“, wie sein Vater zu sagen pflegte.
 

Oder auch einfach nur „peinlich“. Wahrscheinlich blamierte er auch noch die ganze ach-so-tolle Familie. Mein Gott, war sein Alter damals ausgeflippt, als er am ersten Tag seiner Ausbildung mit einem Zungenpiercing nach Hause kam. Nun. Er hätte Jade einfach nicht zwingen müssen Industrie Kaufmann „werden zu wollen.“ Der Schwarzhaarige gluckste. Der Tag seines Ausbildungsbeginns war der Tag gewesen, an dem sein Vater ihm beinahe eine gescheuert hätte. Wobei der Unternehmer seine Wutausbrüche, die er wegen Jade erleiden musste, fast tagtäglich am Boxsack im Fitnesskeller auslebte, um seinen Sohn nicht durchgehend „fast“ eine zu kleben...
 

Aber der beste Tag, ja den „besten“ Tag erlebte Malert Senior als er mit seinem besagten Firmenwagen durch die Stadt fuhr – auf der Suche nach seinem jüngeren Sohn, der bereits seit drei Stunden hätte zu Hause sein müssen – und ihn mit einem Klassenkameraden knutschend an einer verlassenden Bushaltestelle entdeckte. Und dies war der erste Tag, an dem Rolf Malert seinen Sohn nicht anschrie. Nein, dies war der Tag, an dem er ihm, als sie zu Hause angekommen waren, eine schallende Backpfeife erteilte und ihn mit kalten Augen musterte.
 

„Sebastian Gilbert Malert“, hatte er ebenso kalt gezischt. „Du bist eine Schande. Du bist ekelhaft.“
 

Danach war der Schwarzhaarige bei der Erwähnung seines Namens innerlich zusammengezuckt, war in seine fiktive Welt der Rockmusik geflüchtet. Aerosmith. Guns'n'Roses. Metallica. Sepultura. Ja, das waren damals seine Bands, sein Universum, als er sich die Kopfhörer über die Ohren stülpte und die Realität versuchte auszublenden, die dröhnende Stimme seines Vaters zu übertönen. Die meiste Zeit, in der er zu Hause war, verbrachte er an den Bildschirm seines Rechners geklebt, eingetaucht in die Tiefen des sich immer weiter entwickelnden Internets, in Chatrooms, in Foren, nie allein, immer im Kontakt mit Gleichgesinnten, oder seinen Schulfreunden. Seinen Bekannten, mit denen er am Wochenende durch die Clubs und Bars der City in der Nähe zog.
 

Sie sprachen sich nie mit ihren richtigen Namen an, übernahmen die in den virtuellen Weiten des Netzes kreierten Namen. Dem Namen „Jade“, abgeleitet vom Aerosmith Hit „Jaded“, wurde mit einer völlig neuen Bedeutung für den Schwarzhaarigen geschmückt, er koppelte ihn gekonnt von seinem mittlerweile verhassten Leben ab, in dem sein Vater ihn zu seinem Glück bitterlich zwingen wollte, sein Bruder ihm nicht zur Seite stand und seine Mutter beschämt den Kopf Richtung Boden drehte und das bittere Treiben zu ignorieren versuchte. Er war nicht Sebastian. Er war Jade. Der lockere, das Leben genießende Typ, der alleine zurecht kam.
 

Er musste plötzlich dämlich grinsen, als er an seinen 18. Geburtstag dachte, an dem ihn seine damaligen Freunde einen wirklich heißen Stripper besorgt hatten. Sein Vater schmiss alle Gäste, samt des sich ausziehendes Mannes, laut brüllend und mit Hilfe der Polizei aus der Halle des Betriebs, in dem er Jade als „Friedensangebot“ hatte feiern lassen. Gilbert hatte versucht ihn am nächsten Tag mit Hilfe von Mami zu beruhigen. Und im all dem Wirrwarr hatte Jade seine Sachen gepackt und war zu, wie hieß er eigentlich noch mal, David oder so, abgehauen. Einem damaligen Freund. Einer kleinen Affäre.
 

Die Ausbildung hatte er auch geschmissen. Aus Trotz. Aus Hass. Aus Verachtung. Wahrscheinlich.
 

Die Ausbildung zum Hotelfachmann hatte ihm jedoch richtig Spaß gemacht. (Nicht nur, weil er sie sich selbst ausgesucht hatte.) Im Hotel zu arbeiten war ein toller Job gewesen, man konnte mit so vielen Leuten quatschen, so vieles Neues kennenlernen. Schade eigentlich, dass ihn seit damaliger Arbeitgeber nicht übernommen hatte. Und er durch die „starke Konkurrenz“ keine weitere Stelle gefunden hatte.
 

Jade schreckte beinahe auf, als Brummer plötzlich aufs Bett sprang und anfing ihn zu beschnuppern. Behutsam fing der Barista an ihn zu streicheln. Und seufzte.
 

Danach hatte er echt beschissene Jobs gehabt. In der Waschanlage, McDonald's, REWE. Vielleicht war es doch gar nicht so blöd gewesen diese Kurse zu machen und nun bei Starbucks zu arbeiten...
 

„Aber das ist doch kein richtiger Job!“, sagte Brummer und starrte sein Herrchen an.
 

Jade rieb sich die Augen. Brummer starrte ihn immer noch an, hob die langen löffelartigen Ohren als der Schwarzhaarige sich aufsetzte. OK. Jetzt hörte er schon sein eigenes Riesenkaninchen sprechen. Was für ein Tag.
 

Er erhob sich und schlenderte zu seinem total überladenen Schreibtisch hinüber, versprach sich ein weiters Mal „schon sehr bald“ hier aufzuräumen, wenigstens die etlichen benutzten Kaffeetassen und Teller in die Küche zu bringen, zu spülen, und Staub zu wischen. Schon sehr bald. Aber nicht jetzt. Verdammt, jetzt surfte er schon wieder auf MySpace rum und betrachtete das Gesicht seines Ex-Freundes auf den etlichen, zur öffentlichen Schau gestellten, digitalen Bildern, die Mark mal lachend, mal ernst schauend, mal im Anzug, mal im Partyoutfit darstellten.
 

Er zuckte fast zusammen, als er den Alert über ein „neues Album“ erblickte. Mit einem geübten, schnellen Handgriff klickte er sich bereits durch die brandneuen Fotos, auf denen Mark nicht allein zu sehen war. Und hätte er sich wirklich wundern sollen? Hätte sein Herz wirklich so laut und schnell schlagen müssen? Sie waren seit einem Jahr nicht mehr zusammen, er konnte von seinem Ex-Freund nicht verlangen für immer Single zu bleiben, sich für immer nach der gemeinsamen Zeit mit ihm, mit Jade, zu sehnen.
 

Auch wenn es ihm so momentan lieber gewesen wäre.
 

Der Typ neben Mark war groß, breitschultrig, besaß eine fein gestochene Tättowierung auf dem linken Oberarm, dunkle Augen. Ein wahrhaftiger Blickfang.
 

Er musste hier raus. Bald würde auch noch diese Jana hier sein. Das würde er nicht ertragen können. Raus. Jetzt sofort. Umgehend schnappte er sich sein Telefon und wählte Dirks Nummer.
 

MICHAEL
 

Waren es Stunden, oder waren Minuten? Waren es vielleicht nur Sekunden, in denen er völlig wach da lag und die mittlerweile dunkle Decke über sich anstierte? Er konnte diese Frage nicht beantworten. Nur über eines war er sich sicher: Alleine schlafen, das war ein hartes Unterfangen. Auch wenn er sich momentan ziemlich, wie hätte man sagen können, „peinlich“ vorkam. Wie ein Frischverliebter 16-Jähriger, der nach der jungfräulichen Zeit der Zweisamkeit nun plötzlich von seiner zweiten Hälfte getrennt war, sich nach nichts anderem, außer der Wärme seines Partners sehnte und die Gedanken an die geliebte Person der Müdigkeit den Weg versperrten.
 

Heiraten...
 

Dieses kleine, einzelne, eigentlich doch so völlig harmlose Wort schien seinen Kopf an diesem Abend nicht mehr verlassen zu wollen.
 

Tim...
 

SEBASTIAN/JADE
 

Egal was für ein Wochentag es war, oder wie spät, wie früh. Wenn er gebraucht wurde, dann war Dirk zur Stelle. So wie jetzt, hier, in der so oft aufgesuchten Kneipe, an Jades Seite, mit einem kalten, frisch gezapften Bier in den Hand, das bei den schwungvollen Bewegungen der beiden drohte über den dicken Rand des massiven Glases zu schwappen und den Boden der Tanzfläche noch ein wenig klebriger zu machen.
 

„Funky Thursday“. Sie hatten die Happy Hour auf ihrem Höhepunkt erwischt. Zwei Getränke zum Preis von einem. Hätte man glücklicher sein können? Der bittere, und doch so schmackhafte Trank, verschaffte Jade Genugtuung, vertrieb die Anspannung, heiterte ihn auf, ließ die Musik lauter und intensiver auf seinen Körper wirken.
 

Er spürte den durchdringlichen Blick auf seiner Haut fast sofort.
 

Graziös drehte er sich in seinem Tanz um die eigene Achse und nahm den am Rand stehenden und ihn interessiert betrachtenden, jungen Mann in Augenschein. Ließ seine Augen über die wild frisierten, knallroten Haare wandern, blickte in die stechenden blauen Augen, wanderte über die zu einem Grinsen geformten Lippen und blieb einige Momente an der deutlich sichtbaren, muskulösen Brust hängen.
 

Er tanzte weiter. Und das Zuzwinkern Dirks bestätigte seine Annahme.
 

Als er sich nach einer Weile umdrehte, starrte der Typ ihn noch immer an. Jade grinste den Fremden nun offen an.
 

„Geh ruhig, ich hab Max hier irgendwo gesehen“, rief Dirk ihm plötzlich zu und verabschiedete sich mit einem leichten Winken, verschwand in der tanzenden Menge. Jade schaute den ihn immer noch musternden Fremden intensiv an. Der Typ sah sogar besser aus als Marks neue Flamme, oh ja. Mit sicherem Schritt, und sich immer noch leicht lasziv zu der Musik bewegend, ging er auf den Rotschopf zu.
 

„Na, Pumukel“, grinste er den Fremden keck an.
 

„Willst du was trinken, Gogo-Girl?“, kam die freche Antwort zurück.
 

Perfekt.
 

Nach einem Sex on the Beach verklangen ihre belanglosen Gespräche, die man mit anbetungswürdigen Fremden in lauten, dunklen Clubs mitten in der Nacht so zu führen vermochte und am nächsten Tag bereits vergessen hatte. Jade packte die aggressiv roten Strähnen des Mannes und zog ihn in einen heißen Kuss, leckte leicht über die leicht geschwollen wirkenden Lippen, die willig gespreizt wurden, um ihren Zungen Raum für einen wilden Tanz zu spenden.
 

Der Fremde, der Dominik oder David hieß, zog Jade mit seinen ebenfalls muskulösen Armen noch näher an sich heran. Auch seine Hand verfing sich in der schwarzen Mähne. Jade stöhnte in den Kuss hinein und ließ seine Hand unter das enge T-Shirt von Dominik (oder David) wandern, krallte seine Finger leicht in die verschwitzte Haut des Mannes und erntete somit ebenfalls ein leichtes Seufzen.
 

Ihre Zungen kämpften gegeneinander. Immer weiter pressten die jungen Männer sich aneinander. Berührten sich. Auch die Hand des Fremden war nun unter den Jades Stoff gewandert, streichelte seine nackte Haut, während er ihm ebenfalls den Nacken kraulte. Als sie den Kuss kurz lösten, um zu Luft zu kommen, flüsterte Jade dem Mann heiser ins Ohr: „Ich hab Lust auf dich...“
 

Der Angesprochene nickte kurz und biss dann in den Hals des Schwarzhaarigen, der daraufhin genüsslich die Augen schloss. Dass er in weniger als vier Stunden bereits wieder aufstehen müsste, war ihm in diesem Moment egal. Dass dies höchstwahrscheinlich eine weitere Dummheit in seinem Leben war - auch. Dass er die ganze Zeit, während ihn die Hände im Club berührten, an Mark dachte - nicht so. Und als er sich in einem Moment, in dem es sich wild in seinem Kopf drehte und der Fremde ihn innig küsste, als sie sich dem Akt in Jades Bett hingaben, als er sich dann vorstellte, es sei Michael mit dem er es gerade treiben würde – kam er.
 

Scheiße.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jyorie
2014-05-15T04:20:35+00:00 15.05.2014 06:20
Hallo 。◕‿◕。

Michael scheint seinen Freund sehr zu vermissen, wenn ihm der eine Abend allein so
viel ausmacht. Scheinbar kommt das wirklich öfters vor, und sehnsucht hat er ja wirklich
nach ihm, sonst würde er es vielleicht bei der Mailboxansage belassen, statt noch mal
anzurufen mitten in der Nacht und ihm etwas drauf sprechen. Irgendwie nicht das wahre
was er bekommt nach einem langen stressigen Tag, wo er doch die Zweisamkeit mit Tim
vermisst. Klingt alles wirklich etwas komisch.

Aber bei Jade sieht es ja auch nicht besser aus. Ob das bisschen Nähe das er von seinem
WG-Partner bekommt nur so eine Ersatzwärme ist?! Muss ihn ja echt anpissen, wenn er des-
wegen gleich in den Club geht und sich etwas aufreißt.

Der Flaschback hat mir gefallen, erklärt ein bisschen, warum er so ist und auch das mit dem
Namen ist jetzt begreiflich, das er ihn nicht mag. Bei dem Erlebnis mit seinem Vater und wie er
dann zuhause abgehauen ist. *seuftz*

Liebe Grüße, Jyorie
Von:  mogura
2009-05-23T16:48:18+00:00 23.05.2009 18:48

whoooaaa, wirklich genial!!

ich dachte mal, ich schreibe doch noch ein Kommi >.<

Supi Story. Ich les mal schnell weiter!!
Von:  saspi
2009-04-17T19:12:16+00:00 17.04.2009 21:12
huhu!!

wieder ein echt gutes kappi.

war echt spannend wieder zu lesen.

byby


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