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In memory of...

von

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Prolog

Mr. Fowler war für seine radikale Ader bekannt besonders, wenn es um Sachen „Ungeziefervernichtung“ ging. So kam es vor, dass er an einem Abend mehr als drei an anderen Abenden jedoch nur Einen oder gar keinen vor die Flinte bekam, seine Abschlussbilanz war natürlich maßgeblich für die Laune, die er am nächsten Abend an den Tag legte.

Am letzten Abend hatte er nun zwar einen vor die Flinte bekommen aber leider war das kleine Biest so wendig gewesen, dass es sich, noch bevor er überhaupt angelegt hatte, hinter einer großen Trauerweide in Sicherheit gebracht hatte und nicht mehr von sich hatte sehen lassen als den grauen Zipfel des zerschundenen Kleides. Die Laune von Fowler konnte man sich also denken.

Die schweren Stiefel erzeugten einen gewohnten Widerhall in der engen Gruft mit den vernagelten Fenstern durch die nur spärlich das Licht des aufgehenden Vollmondes schien und geisterhafte Schatten auf den Boden warf. Gordon Parker stand wie jeden Abend abseits in der Nähe des Waffenständers und starrte wie paralysiert auf das glänzende Silber und die blitzenden Bajonette, die auf jeder der langläufigen Waffen steckten, denn nach dem Fall Emily White –Gott sei ihrer Seele, oder dem was davon noch übrig war, gnädig- wollte keiner mehr die Gefahr eingehen, dass die Kugel im Lauf stecken blieb und das unausweichliche passierte.

Fowler starrte mit kaltem Blick in die dunkle Ecke, in der für gewöhnlich der Käfig stand. Noch war er leer aber innerlich hörte er schon das Schaben von spitzen Zähnen auf den verrosteten Metallstangen, wie bei einem Tier das sich aus seinem Gefängnis zu befreien versuchte.
 

<Glaubst du nicht auch, dass sie vielleicht doch noch menschlich sind und nur unverstanden?>

Die Stimme seiner Frau drängte die nagenden Geräusche in den Hintergrund und fast hätte er sich wieder zur Seite gedreht, um sie anzusehen, bis er sich entsann, dass sie nur wieder in seinen Gedanken sprach , denn sie war schon lange tot. Aber immer noch träumte er von ihr und manchmal, besonders in solchen Nächten, die ihrem Todestag ähnelten, hatte er den Geruch ihres Parfums in der Nase, wenn er aufstand und einmal hätte er schwören können, der Platz neben ihm im Bett war körperwarm. Dann aber redete er sich ein, dass er sich nur in der Nacht gedreht hätte und darum zwei warme Bettseiten vorfand.

Endlich hatte ihn auch Gordon bemerkt, der sich vom Silberglanz losgeeist hatte und so tat als würde er die Klingen putzen und wie jedes Mal einen verstohlenen Blick des offenen Misstrauens an Fowler wenden.

„Wie geht es ihnen, Sir?“ Die Stimme des jungen Mannes riss Fowler aus seinen tagträumerischen Gedanken bevor er nach einer kurzen Phase der Benommenheit den Kopf drehte als würde er nicht genau wissen, wer ihn angesprochen hatte.

Wo genau er zu seiner Zeit Parker aufgelesen hatte war nur noch ein dumpfer Widerhall bildhafter Puzzleteile, die er gedanklich nicht mehr zusammen setzen konnte. Trotzdem schaute er ihn jeden Abend wieder an und strengte sein Gehirn an als ob es unter Druck besser arbeiten könne und wie jeden Abend starrte er den jungen Mann eine Weile an, bevor er gedankenverloren den Kopf schüttelte.

„Es geht mir gut, danke der Nachfrage.“ Eine glatte Lüge doch sowohl er als auch Gordon wussten, dass die neutrale Fassade seiner Gefühlslage nur eine väterliche Schonung des gefühlten Sohnes war, doch wie jeden Abend ließen beide es darauf beruhen.
 

Eine ewig währende Litanei drang aus den tieferen Ebenen der Gruft zu Fowler hoch als er die eisenbeschlagene Tür öffnete und einen Blick in den dunklen Gang warf, der sich in kleinen Biegungen nach unten schlängelte, so dass man schon nach den ersten paar Metern nicht mehr sehen konnte wie er weiter ging. Fowler fixierte eine Weile einen Punkt in der Dunkelheit und lauschte den tiefen, monotonen Gesängen des alten Mönchs bevor er die Tür schloss und ohne auch nur einen Schritt in die dunklen Katakomben, die sich wie ein Adergeflecht unter dem Friedhof und der nahen Stadt ausbreiteten, zu treten.

„Sir?“ Das leise Klirren von Silber auf Stein und die leise Flüsterstimme Gordons brachten die Gedanken Fowlers zu einem jähen Ende als er sich von der Tür weg drehte.

„Was ist denn?“ Kein Funken der väterlichen Schonung war mehr geblieben als sich seine Stirn in Zornesfalten legte und ein böser Blick aus den fahlgrauen Augen Gordon wie ein Dolchstoß traf.

Wie ein aufgeschreckter Hase, der gleich Haken schlagend davon zu laufen begänne, huschte der Blick von links nach rechts. Die Zähne gruben sich in die Unterlippe und mit einem Wechselschritt nach hinten wich Gordon Fowlers Blick aus bevor er unsicher den Kopf schüttelte.

„N-Nichts Sir. Es war nicht so wichtig.“ Schnell drehte sich der junge Mann wieder herum und polierte weiter die schon glänzenden Waffen.

Der missbilligende Blick zu Gordon war untermalt von einem abschätzigen Knurren, das jede abwertende Antwort ersetzte als Fowler den Weg an den Steinsärgen vorbei zum Seitenausgang der Gruft hin nahm, um in der frischen Nachtluft seinen eigenen Gedanken nachzugehen.
 

Der erdnahe Vollmond war gut versteckt hinter hohen Bäumen und hätte unter anderen Umständen ein nahezu romantisches Licht auf die Welt geworfen. Seit einigen Jahren aber waren die Menschen in solchen Nächten nicht mehr gewillt ihre schützenden Häuser zu verlassen, um in der verseuchten Dunkelheit ihrer albernen Vorstellung von Romantik und Liebe nachzukommen, die meist ein Kind zur Folge hatten, das entweder nie geboren, ungeliebt oder nach ein paar Wochen in die Obhut von Fremden gegeben wurde, die es von nun an Eltern nennen sollte.

Für einen Moment schloss Fowler die vom Leben müden Augen, lauschte dem Schrei einer nahen Eule, die im Wald Schutz vor der Nacht und ihren Gefahren gesucht hatte, und versuchte sich an etwas zu erinnern, ließ seine Gedanken schweifen, auf dass sie selbst etwas fanden, das ihn, wenn auch nur für kurze Zeit, von diesem Ort wegbrachte und einen Moment das Erlebte vergessen machten.



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