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Die kleine Fee

von

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Zeit zum Schlüpfen

Es war ein warmer Sommertag. Die Sonne brannte seit Stunden erbarmungslos herunter. Die Luft flimmerte. Im Wald war es still.
 

Die Bewohner des Waldes versteckten sich im schützenden Unterholz vor der sengenden Nachmittagshitze.
 

Auch Tino, der Troll, hatte sich in einen ausgehöhlten Baumstumpf verkrochen, um dem gleißenden Sonnenlicht zu entfliehen. Er selbst gehörte nicht zu der Sorte Troll, die besonders groß wurden und trotzdem konnte man am unteren Ende des Baumstammes seine knorrigen, verschrumpelten Füße herausragen sehen. In der Nähe des Waldbodens war es angenehm kühl, deswegen hatte er sich eben diesen Platz zum Verschnaufen ausgesucht.
 

Hin und wieder bewegten unsichtbare Schatten die Blätter der Büsche in der Nähe des Baumstammes. Ein leises Summen und Klingeln in der Luft verriet, dass es auch Waldwesen gab, denen die vorherrschenden Wetterbedingungen nichts anhaben konnte.

Von einem Ast zum anderen hüpfend bahnten sich die Vertreter des alten Volks einen Weg durch die verwunschenen, gewundenen Pfade des Waldes: Feen.
 

Feen, das sind zierliche, wunderschöne, bezaubernde Naturgeister mit hauchdünnen, silbrig-blauen Flügeln und reinen, klaren Stimmen und so klein, das man sie kaum sehen kann. Es wird ihnen nachgesagt, magische Fähigkeiten zu besitzen. Außerdem gelten sie als Beschützer des Waldes und beste Freunde von Pflanzen und Tieren.
 

Und eben diese kleinen Kreaturen veranstalteten zur heißesten Zeit des Tages ein Wettrennen zum nahegelegenen Tümpel. Durch die bestehende Hitze in den letzten Wochen war der Tümpel beträchtlich zusammengeschrumpft. Den Baum- und Blumenfeen reichte er aber vollkommen aus, um eine ausgedehnte Wasserschlacht mit den Wasserelfen in Gang zu setzen.
 

Die verschiedenen Rassen der Feen und Elfen waren seit jeher durch ein tiefes Band der Freundschaft verbunden und scheuten den Umgang miteinander nicht im Geringsten. Natürlich kam es immer mal wieder zu kleineren Meinungsverschiedenheiten oder Rivalitäten, aber sie gehört alle zum kleinen Volk, das schon immer für seine Sanftmütigkeit, Vernunft und Friedlebigkeit bekannt gewesen war.
 

Die Feuerfeen, die das kalte Nass sonst scheuten, hatten sich zu den anderen Feengeistern am Tümpel gesellt, hielten aber trotz allem immer einen gewissen Sicherheitsabstand ein, der ihnen gewährleistete, trocken zu bleiben.
 

An diesem Tag lag außer der drückenden Schwüle noch etwas anderes in der Luft. Es schien keine Bedrohung darzustellen, aber die Spannung schien förmlich greifbar.
 

Die Sonne schickte gerade ihre letzten Strahlen über den Himmel, als alle Feen und Elfen einem stummen Ruf folgend die kleinen Köpfe hoben und einander erstaunt ansahen.
 

Hals über Kopf schossen sie in die Luft und redeten wild durcheinander. Für einen vorbeikommenden Normalsterblichen hätte sich das ganze wie ein Schwarm zorniger Bienen angehört, aber Tino schreckte aus dem Schlaf auf und registrierte bestürzt, dass er die zierlichen Zauberwesen noch nie in so großem Aufruhr erlebt hatte. Dann, voll Entsetzen musste er feststellen, dass die Feen immer noch gestikulierend und diskutierend im in der Dunkelheit versinkenden Dickicht verschwunden waren.
 

In größter Eile wandte er sich aus seinem zuvor so sicheren Unterschlupf und eilte in die Richtung, in der die aufgeregt schnatternde Feenschar verschwunden war. Auf seinem Weg durch das schattige Gestrüpp bemerkte er die immer größere werdende Traube von Tieren, die ebenfalls durch den so untypisch lauten Gedankenaustausch ihrer sonst so ausgeglichenen Freunde geweckt worden waren.

Alle strebten sie der Waldlichtung im Schutz der großen Eiche zu, die das Zuhause des Feenvolkes war.
 

Während sich die vierbeinigen Waldbewohner im Halbkreis um eine große, knollige Wurzel auf dem Waldboden niederließen, hallte die Baumkrone vom Gezwitscher der Vögel wieder. Die Feen hatten auf den Ästen und zwischen ihren tierischen Freunden Platz genommen und starrten gespannt auf eine große Knospe am oberen Ansatz der Wurzel, die von innen heraus zu leuchten schien.
 

Ein Raunen ging durch die Reihen der Wartenden und sämtliche Gespräche verstummten auf der Stelle, als sich die Knospe langsam öffnete.
 

Heraus schwebte in einem fliederfarbenen, mehrschichtigen Gewand eine Fee mit zartrosa Flügeln. Sie sah nicht aus, wie man sich Feen normalerweise vorstellte. Wie allgemein bekannt ist, können Feen weder sterben, noch altern sie sichtlich.
 

Das Gesicht dieser Fee jedoch war alt und runzelig, ihre Haare waren ergraut und ihre Haltung gebückt, aber ihre Augen erstrahlten in einem kräftigen grün, während sie mit wachsamem Blick die Anwesenden musterte.
 

„Meine lieben Freunde. Ich darf euch verkünden, dass es soweit ist.“
 

Eine der Wasserelfen stand auf, verneigte sich und sprach mit rauer Stimme das aus, was ein jeder von ihnen dachte.
 

„Was meinst du damit, Seluva? Was ist soweit?“
 

Wie als hätten sie darauf gewartet, brach unter den Feen und Waldtieren beifälliges Gemurmel aus, das erst verebbte, als Seluva gebieterisch die Hände hob und sanft den Kopf schüttelte.
 

„Mein Kind. Wenn du dich für einen Moment geduldest und mich ausreden lässt, erfahrt ihr augenblicklich, warum ich euch rufen ließ.“
 

Dieses Mal blieben die Waldbewohner stumm auf ihren Plätzen, keiner wagte es, zu sprechen und alle warteten gespannt darauf, dass Seluva das Schweigen brechen und ihnen alles erklären würde.
 

Den Tieren stand die Angst und Verwirrtheit ins Gesicht geschrieben. Als sich die Spannung ins Unermessliche gesteigert hatte, nahm Tino sich schließlich ein Herz, rappelte sich auf und räusperte sich vernehmlich. Sofort waren ihm sämtliche Köpfe zugewandt und alle starrten nun ihn abwartend an.
 

Errötend warf er einen hilfesuchenden Blick in Seluvas Richtung. Diese nickte ihm aufmunternd zu.
 

„K-könnt ihr euch das denn nicht denken?....I-ich meine….Habt ihr denn nicht aufgepasst bei der Geschichte des Waldes…Alle 1000 Jahre wird eine Fee geboren…Und nicht nur irgendeine, sondern eine ganz besondere…Eine Fee, wie Seluva….eine…“
 

„…Fee der Weißheit…“, ehrfürchtig flüsternd beendete eine Feuerfee Tinos Ausführungen.
 

Stumm vor Staunen starrten die Feen und ihre tierischen Freunde zwischen Tino und Seluva hin und her.
 

Seluva lächelte zufrieden.
 

„Ganz genau. Tino und Farrica haben Recht. Die Geburt meiner Nachfolgerin steht kurz bevor. Es war mir ein Bedürfnis, euch auf ihre Ankunft vorzubereiten. Ich werde sie in die Geheimnisse des alten Volkes einweihen und sie alles lehren und ihr alles zeigen, was sie wissen muss, um euch nach meinem Ableben eine würdige….“
 

Farrica, die Feuerfee, fiel ihr aufgebracht ins Wort.
 

„Was soll das heißen? Nach deinem Ableben? So ein junges Ding kann auf keinen Fall die neue Fee der Weisheit werden! Sie kennt uns nicht, sie kennt unseren Wald nicht! Wie soll das bitte funktionieren?“
 

Seluva stieß einen tiefen Seufzer aus und erhob erneut ihre Stimme.
 

„Liebes, natürlich werde ich nicht sofort gehen. Aber meine Zeit hier auf Erden dauert nun mal nicht ewig. Ihr müsst euch aber keine Sorgen machen. Ich bin mir sicher, die neue Fee der Weisheit wird mir eine würdige Nachfolgerin sein und ihr werdet sie genau so lieb gewinnen, wie sie euch in ihr Herz schließen wird.“
 

Die Waldbewohner sahen sich zweifelnd an. Hier und da sah man das ein oder andere betrübte Gesicht und vereinzelt blinzelten die älteren unter ihnen die aufsteigenden Tränen weg.
 

„Ich verstehe, dass ihr euch erst an den Gedanken gewöhnen müsst. Trotzdem ist es unvermeidbar einige Vorkehrungen für ihre baldige Ankunft zu treffen. Und ich erwarte von euch, dass ihr euch alle daran beteiligt und sie freundlich in eurer Mitte aufnehmt.“
 

Skeptische Blicke wurden getauscht und einige der Anwesenden rutschten unruhig auf ihren Plätzen herum. Sie fühlten sich sichtlich unbehaglich bei dem Gedanken eine neue Fee der Weisheit willkommen zu heißen. Seluva jedoch fuhr unbeirrt fort.
 

„Die wichtigste Aufgabe fällt dem zu, der der Fee der Weisheit als Erster begegnet. Unsere Geschichtsbücher geben darüber keine genaue Auskunft, aber einer Sage nach muss eben jener der Fee ihren Namen geben. Und von dem Moment an, wenn er ihn ausgesprochen hat, wird für immer ein besonderes Band zwischen ihnen bestehen. Ich bitte euch also, haltet die Augen offen! Ich verlasse mich auf euch.“
 

Nach einem letzten beschwörenden Blick gesellte sich Seluva zu den älteren Waldtieren.

Die Versammlung begann sich nach und nach aufzulösen. Die Tiere strebten ihren Behausungen zu, die Feen verschwanden in ihren unterirdischen Bauten zwischen Wurzeln und Sträuchern.



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