Zum Inhalt der Seite

Ein Halloweenmärchen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein Halloweenmärchen
 

Es war einmal in Brüssel ein Zombiewaise namens Zom, der eine Familie suchte. Nicht nur für sich, nein, auch für sein Zombiehündlein Bie. Die Beiden waren unzertrennlich: Eine dicke Eisenkette fesselte Bie an Zoms Knöchel. Dies nicht nur, weil Bie sonst mit ihren winzigen schwarzen Flügeln davonfliegen und Zom mutterseelenallein lassen könnte, nein, das Schicksal hatte sie im Tod aneinander gebunden.
 

Es war ein heiterer Sommertag im Jahre 1732, als Zom, siebzehn Jahr’ und ein armer, aber kluger und fleißiger Knabe, sich nach dem Betteln in der Straße zum Schlafen hinzulegen gedachte und dabei nicht sah, dass er sich in eine Rattenfalle legte. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen und Panik ins Gemüt und er rannte blind vorwärts, nur weg, weg von dem Schmerz in seinem Allerwertesten. Doch der Schmerz wich nicht. Eine Kutsche erfasste ihn, die Räder drückten ihn wieder und wieder zu Boden, knickten seine Glieder und zermalmten seine Knochen und das Pferd geriet in Panik, rannte so blind durch die Brüssler Straßen wie zuvor Zom und zertrampelte dabei ein Hündlein, das auf der Suche nach etwas Essbarem, die Straße zu überqueren versuchte.
 

Nun war es ein bewölkter Herbsttag im Jahre 2008, und noch immer weigerte Zom sich, die Suche nach einer Familie für sich und seinen fetten Köter aufzugeben. Es war kalt und Zom saß eng an Bie geschmiegt in einer Straße, die parallel zum Grande Place verlief. Viele Touristen und Reiche zog es hierher, viele Menschen, die genug Geld hätten, auch Zom und Bie zu füttern. Wenngleich der gelegentliche Grabwurm, der sich vorzugsweise durch Zoms Gesicht an die frische Luft fraß, Zoms Beliebtheit beeinträchtigte, so fragten ihn doch Menschen, wer er denn sei, was für eine Familie es denn sein möge. Zom war anspruchslos. Da die Grabwürmer ihm bereits seine Stimmbänder weggefressen hatten, konnte er nur durch das Hochhalten von Schildern kommunizieren und so saß er da mit einem Schild: „Familie bitte“. Sie mussten nicht reich, nur liebevoll, nicht schön, nur gutmütig und nicht berühmt, nur beliebt im direkten Umfeld sein, damit Zom Spielkameraden hätte.

Man warf ihm Essen hin, dabei war sein Magen bereits voll von Grabwürmern. Man warf ihm Geld hin, dabei gab es nirgends Würmer oder tote Ratten zu kaufen. Er wollte kein Geld, nur eine liebevolle Mutter und einen starken Vater. Wie die beiden, für die er einst, vor zweihundert Jahren, betteln gegangen war. Seine Eltern hatten ihn geliebt, jeden Abend schlug der Vater ihn voller Hingebung mit dem Kochlöffel: „Wennst noch ei Moal nachts zur Mudda schleichst!“
 

Die Türen des McDonalds flogen auf und heraus trat ein junges Pärchen. Sie warfen ihre Colabecher weg und küssten sich leidenschaftlich durch ihre Atemschutzmasken hindurch. Dann nahmen sie sich bei der Hand und schlenderten verliebt durch Brüssel. Sie liefen aufrecht, stolz, und jeder hielt in seiner freien Hand eine große grüne Gießkanne. Niemand konnte sich ihrem Anblick entziehen: Lolly trug ein pink geringeltes Jäckchen, eine viereckige Brille und einen unbeschreiblichen, kurzen Rock, während Jos ein Kellnerkostüm trug. Sie waren beide kleinwüchsig, jedoch elegant und lieblich anzusehen.

Zom, mit seiner gleichgültigen Bie im Arm, sah sie sofort in der Menschenmenge, die an ihm vorbeirauschte. Sein Blick folgte ihnen, dann seine Füße und er stand auf, sah ihnen ungläubig hinterher und setzte sich schließlich in Bewegung. Nach zweihundert Jahren ständigen Sitzens, fiel ihm dies nicht leicht und er musste sich ein Bein, dass er dabei verlor, geschwind wieder einrasten.
 

Nach einer längeren Verfolgungsjagd blieben Jos und Lolly endlich stehen und drehten sich irritiert zu Zom und Bie um. Lolly hob ratlos die Hände, um zu fragen, was um alles in der Welt er denn wolle. Zom hielt sein Schild hoch. Als Jos ihm mit Prügel drohte, bemerkte Zom, dass auf dem Schild „Gratis Sex“ stand und hielt flink sein anderes Schild hoch: „Familie bitte“. Lolly tippte sich an die Stirn, ergriff erneut Jos’ Hand und sie gingen weiter, der bald untergehenden Sonne entgegen. Verzweifelt hielt Zom ein Schild hoch, auf dem „So wartet doch!“ stand, denn so schnell konnte er nicht laufen, wie Jos und Lolly in der Menge zu verschwinden drohten.
 

Die Abendsonne warf ein warmes Licht auf Brüssel. Zom hatte es endlich geschafft, Jos und Lolly einzuholen. Wenige Meter vor ihm gingen sie eine Treppe empor, an Don Quichotte vorbei. Am Ende seiner Kräfte, brach Zom zusammen und blieb erbärmlich auf dem Pflaster liegen. Mit einem Nasenstüber forderte Bie ihn zum Aufstehen auf: Seine Familie war zum Greifen nah! Doch Zom blieb liegen. Nur sein Schild „Familie bitte“ konnte er noch halten, doch es drohte, zu fallen, so wie er gefallen war. Jos und Lolly drehten sich um und wie sie ihn da liegen sahen, begannen sie, miteinander zu gestikulieren. Lolly wollte sich seiner erbarmen, doch Jos blieb skeptisch: Die Anschaffung eines Zombies – und dessen toten Köters – wollte gut überlegt sein!
 

Aus seinen halb geschlossenen Augen konnte Zom erkennen, wie das Pärchen einander zunickte. Dann nahmen sie sich wieder bei den Händen, die gerade noch so wild gestikuliert hatten und stiegen langsam, aufrecht, nahezu feierlich die Treppe hinab. Von der Abendsonne in ein warmes, orangenes Licht gehüllt, schritten sie auf Zom zu und blieben so nahe vor ihm stehen, dass er ihre Schuhe riechen konnte. Jos trug polierte, schwarze Lederschuhe. Lolly hingegen trug silberne Stilettos. Sie waren beide beträchtlich kleiner als Zom, der nun voller Hoffnung zu ihnen empor blickte. Durch die blendende Sonne nur Schemenhaft, konnte Zom sehen, wie die beiden die Gießkannen hoben, hoch über ihre Köpfe gar, und er konnte sein Glück kaum fassen, als das kühle Nass der Akzeptanz auf ihn nieder zu regnen begann. Begeistert hob Zom eine Hand um etwas von diesem Wasser einzufangen, während die Pfütze, in der er lag, immer größer wurde.

Lolly ließ von Jos’ Hand ab und wühlte hinter ihrem Rücken herum, als suche sie etwas. Zoms Begeisterung kannte keine Grenzen mehr, als sie eine kleine grüne Gießkanne hervorzauberte, so groß wie seine letzte Mahlzeit – eine überfahrene Taube – vielleicht. Überglücklich nahm er das Gießkännchen mit beiden Händen entgegen, musterte es neugierig und begann dann, die Füße seiner neuen Eltern zu gießen, während diese ihn weiterhin von oben begossen. Dann richtete er sich auf, um im Schneidersitz in der Pfütze zu sitzen und holte selber etwas unter seinem Sweatshirt hervor. Drei Papierschilder?
 

Hand in Hand mit Zom in der Mitte, schritt die frischgebackene Patchworkfamilie der Abendglut entgegen, bis diese sie endgültig zu verschlingen schien. Nur auf dem Rücken von Jos und Lolly konnte man Papierschilder lesen, auf denen stand: „Papa“ und „Mama“.
 

Und wenn sie nicht (schon wieder) gestorben sind, dann gießen sie noch heute.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-11-01T16:41:21+00:00 01.11.2011 17:41
Wirklich eine originelle, superlustige Idee!
Ich hab mich beim Lesen echt schlappgelacht :D

Weiter so! :)

Gruß, strawberry-e
*Keks geb*
Von: abgemeldet
2009-06-11T01:11:27+00:00 11.06.2009 03:11
God, you should be celebrated. XD
Diese skurrilen Elemente die du einbindest sind... ich kann mich nur immer und immer wieder wiederholen, genial! Zom und Bie, what the hell, selten so gelacht XD und Jos und Lolly, zwei Charas die man auch nur selten trifft XDD Erinnert mich spontan an Sayonara Zetsubou Sensei... dort ist auch alles verdreht aber macht auf seine eigene Weise einen Sinn XD

Hach... einfach wundervoll. Du solltest mehr schreiben, ich würd sie alle lesen ^__^
Und Kritik? Gibts keine... ^^
Von: abgemeldet
2009-06-11T01:06:11+00:00 11.06.2009 03:06
>Seine Eltern hatten ihn geliebt, jeden Abend schlug der Vater ihn voller Hingebung mit dem Kochlöffel: „Wennst noch ei Moal nachts zur Mudda schleichst!“

XDDDDD!!!!!

Dieser Satz! Dieser Humor! Diese Genialität! XD
Bwahahahaha XD


Zurück