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Schicksal? Nein danke!

von

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Quidditch

Irgendwie hatte ich es geschafft, den September zu überstehen, ohne häufiger in der Krankenstation zu landen als meinem Ansehen zuträglich gewesen wäre. Hauptsächlich rührten jene Unfälle, die mir einen Aufenthalt in Madam Pomfreys Reich bescherten, von meiner zunehmenden Müdigkeit her, und als wüsste die Medihexe von meinem Schlafmangel, beschied sie mir zumindest für ein paar Stunden absolute Bettruhe unter ihrer Obhut, selbst wenn ich mir eigentlich nur eine unbedeutende Beule zugezogen hatte.

Der Oktober brach an und mit ihm die Quidditchsaison. Eigentlich hätte es die Tradition verlangt, dass Gryffindor gegen Slytherin spielte, aber weil Slytherins neuer Hüter nach Aussage des Teams noch etwas mehr Training brauchte, hatte Professor Snape erwirkt, dass Gryffindor stattdessen als erstes gegen Hufflepuff spielen würde. Schließlich hatten weder Hufflepuff noch Gryffindor in diesem Jahr eine Position in ihrem Team neu besetzen müssen. Sicher, Hufflepuff hatte mir sofort, nachdem der Hut mich diesem Haus zugeordnet hatte, einen Posten im Team angeboten, doch ich hatte dankend abgelehnt. Abgesehen davon, dass ich für so etwas wie Quidditch-Training bei meinem vollen Stundenplan kaum Zeit finden würde – Ade ihr letzten drei Stunden Schlaf – war ich mir nicht sicher, ob mein Besen überhaupt den geltenden Quidditch-Regularien entsprach. Und auf einem normalen Besen war die Gefahr zu fallen und mich zu blamieren einfach zu groß. Also hatte ich in aller, vom Sprechenden Hut so gelobten, Bescheidenheit abgelehnt und betont, dass das jetzige Team den Vorteil habe, schon ein Jahr zusammen trainiert und somit ein Zusammenspiel entwickelt zu haben, das hilfreicher sein könnte als alles, was ich zu bieten hätte. Es war wirklich nett, ein Hufflepuff zu sein, denn somit wurde diese Erklärung anstandslos akzeptiert. Die anderen Häuser hätten vielleicht darauf bestanden, dass ich es zumindest mal versuchte, aber in Hufflepuff haben wir stattdessen eine spontane Keksparty veranstaltet, um das alte, neue Team zu feiern.

Schwieriger hingegen war es, den Posten des Stadionsprechers abzulehnen. Um nicht zu sagen unmöglich. Weshalb ich an jenem Sonntagnachmittag reichlich nervös die Stufen zur Lehrerloge emporstieg, um dort in der ersten Reihe meinen Platz als Ansager einzunehmen. Ja, ich weiß, eine Mary Sue ist nicht nervös, es sei denn... Und trotzdem war ich es. Denn eine Mary Sue versagt auch nicht, indem sie die langweiligste Stadionsprecherin aller Zeiten ist, was ich zweifelsfrei befürchtete. Sicher, ich kannte die Regeln, ich kannte die Spieler gut genug um ihre Namen nicht ständig zu verwechseln, und ich fand den Sport auch interessant und packend. Aber das ganze mitreißend durch das Stadion zu verkünden, alles im Auge zu behalten, nichts zu vergessen und trotzdem unterhaltend zu sein… dafür musste man ein angeborenes Talent haben und mein Talent war eher, überall zu stolpern, Unfälle und Missgeschicke zu haben.

Als hätte das Schicksal geahnt, dass ich kurz davor stand, das zukünftige Ansehen aller Mary Sues zu gefährden, schickte es mir unvermittelt Hilfe in Gestalt von drei Besuchern, die mit Professor Weasley kurz nach mir die Loge erreichten. Es waren Fred und George Weasley, des Professors jüngere Zwillingsbrüder, und deren bester Freund Lee Jordan. Natürlich nutzte Professor Weasley die momentane Abwesenheit von Professor Snape, um mit mir ein Gespräch anzufangen, und da er Besucher mitgebracht hatte, nutzte er die Vorstellung selbiger als Einleitung zu ein wenig Smalltalk. Aber ich hörte nur mit einem Ohr zu, meine Konzentration galt eher den Notizzetteln in meiner Hand, auf welche ich mir ein paar Sprüche geschrieben hatte, die meiner Meinung nach zur Stimmung beitragen konnten.

Lee Jordan erhaschte einen Blick auf einen der Zettel und grinste. „Nervös?“, fragte er mich und instinktiv schüttelte ich den Kopf. Wie gesagt, eine Mary Sue war offiziell nie nervös. Aber er sagte nur: „Ich war vor meinem ersten Spiel auch nervös. Ich habe Fred und George die ganze Nacht wach gehalten, weil ich immer wieder zu Übungszwecken imaginäre Spiele auf voller Lautstärke kommentiert habe.“

Die Zwillinge lachten. „Am anderen Morgen waren wir so übernächtigt, dass wir alle drei Aufpäppeltrank brauchten, um den Tag heil zu überstehen.“

„Aber Gryffindor hat gewonnen, das war doch die Hauptsache… ‚Weasley hat den Schnatz gefangen, Charlie Weasley hat den Schnatz gefangen, das Spiel ist vorbei, Gryffindor gewinnt mit 230:90!’“, wiederholte Lee die Siegesworte, die er damals durch das Stadion hatte schallen lassen.

„Ich hoffe mal, dass Harry heute ein ähnlich gutes Ergebnis einfährt“, meinte Fred grinsend.

„Und was, wenn Hufflepuff gewinnt?“, konnte ich mir nicht verkneifen. Irgendwie war es einfacher mit den Zwillingen und Lee Jordan zu reden als mit Professor Weasley. Vielleicht, weil sie nicht meine Lehrer waren und auch nicht vom großen Schicksal aller Mary Sues dazu auserkoren waren, um meine Gunst zu buhlen.

„Gegen Harry?“ „Nie im Leben!“, kamen augenblicklich die Proteste der drei jungen ehemaligen Gryffindors.

Ich lächelte. „Sorry Jungs, aber als Hufflepuff muss ich nun mal die Ehre meines Hauses verteidigen. Und ich denke, Hufflepuff wird häufig unterschätzt.“

„Mit Diggory hätten sie vielleicht eine Chance gehabt“, meinte Lee in Erinnerung an den besten Sucher, den seiner Meinung nach Hufflepuff in zwei Jahrzehnten gehabt hatte.

„Ach, und Hufflepuff kann also in der Zwischenzeit niemanden gefunden haben, der genauso gut, wenn nicht gar besser ist?“

„Nicht wirklich, denn dann hätten wir davon gehört. Und soweit ich weiß, hat die derzeitige Mary Sue es abgelehnt für das Team zu spielen und mimt stattdessen den Stadionssprecher…“ Die gutmütige Art, mit der Lee das sagte, nahm dem Spott in seiner Stimme die Schärfe.

„Gut, vielleicht mag Harry Potter immer noch der beste Sucher sein, den Hogwarts derzeit zu bieten hat, aber ein Spiel kann auch anders gewonnen werden. Die Jäger brauchen nur 160 Punkte Vorsprung herauszuspielen!“, konterte ich fröhlich.

In diesem Moment erschien Professor McGonagall, um die Aufsicht über die Spielanzeige und den Sprecherstand zu übernehmen. „Wenn man Sie so reden hört, Mister Jordan, Miss Sue, dann könnte man glatt glauben, Sie versuchten das Spiel bereits im Vorfeld durch Argumente zu gewinnen. Wie wäre es, wenn Sie sich derlei Kommentare stattdessen für das Spiel selbst aufsparten? Meinetwegen können Sie auch gemeinsam kommentieren, um sicher zu gehen, dass jedes der beiden Häuser genug Aufmerksamkeit bekommt.“

Lee Jordan und ich sahen die Verwandlungslehrerin für einen kurzen Moment sprachlos an, dann nickten wir und reichten einander die Hand. „Auf ein faires Spiel!“

Es machte riesigen Spaß, das Spiel zusammen mit Lee zu kommentieren. Ähnlich wie der Quaffel von Jäger zu Jäger weitergegeben oder abgefangen wurde, flogen unsere Sprüche, Bemerkungen und Ansagen von einem zum anderen. Ich wurde merklich lockerer und bald geriet der Punktestand, den wir natürlich trotzdem gewissenhaft verkündeten, in den Hintergrund. Es stand 90:110, Hufflepuff führte leicht, aber wenn jetzt der Schnatz auftauchte, würde das Spiel zu Gunsten von Gryffindor entschieden werden, denn Harry Potter war natürlich der bessere Sucher in diesem Spiel.

Und so kam es auch… Gerade als Hufflepuff das nächste Tor erzielt hatte, verkündete Lees aufgeregte Stimme neben mir plötzlich, dass Harry Potter offenbar den Schnatz gesichtet hatte und tatsächlich flitzten in diesem Moment beide Sucher vor unserer Tribüne vorbei, Harry mit deutlichem Vorsprung. Das Spiel endete wenige Sekunden später mit einem 240:120 für Gryffindor.

„Gutes Spiel“, meinte Lee und grinste mich an.

„Guter Kommentar“, gab ich lachend zurück.

Auch Lee stimmte in mein Lachen ein, hatte er doch jahrelange Erfahrung. „Du hast dich aber auch nicht schlecht geschlagen… Es war mir ein ehrliches Vergnügen, mit dir zusammen zu kommentieren.“

„Ging mir genauso.“

„Na, vielleicht sieht man sich mal wieder?“ Mittlerweile waren Fred und George von ihren Plätzen aufgestanden und zu uns gestoßen und es war deutlich, dass sie mit ihrem Freund zum Gryffindorteam wollten, um diesem zu dem Sieg zu gratulieren. Dem fragenden Ton in Lees Stimme war allerdings zu entnehmen, dass er viel lieber noch Zeit mit mir verbracht hätte. Mir ging es da nicht viel anders. Zu doof aber auch, dass das Schicksal Professor Weasley und Professor Snape für mich auserkoren hatte und nicht Lee…



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