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Schicksal? Nein danke!

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Gestatten? Mein Name ist Mary

Jeder, der das Märchen von Hans Christian Andersen „Die kleine Meerjungfrau“ kennt – und ich meine hier nicht die Walt Disney Version – weiß, dass die Prinzessinnen erst mit ihrem fünfzehnten Lebensjahr vom Vater die Erlaubnis erhielten, an die Wasseroberfläche zu schwimmen.

Nun, bei uns ist es ähnlich… Doch vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen, ehe ich mich in Erklärungen verfranse, die hinterher doch wieder keiner versteht. Mein Name ist Mary Arabella Rasputina Ysopia Sue, kurz Mary Sue. Der letzte Name ist mein Nachname, auch wenn er mehr wie ein Vorname klingt. Zusammen mit meinen Eltern und meinen Geschwistern Nightingale Orelia Rose Mary Angelica, Tristan Honorius Othello Marty Athanos Stewart, Mary Isolde Alexandrina, und Evangeline Mary Ignatia Lucretia Yvette, wohne ich im Traumland, jenem Ort, wo alle perfekt sind. Na ja, fast alle, denn ich bilde die schmachvolle Ausnahme.

Ja, ja, ich weiß, wie alle in meiner Familie trage ich einen, seien wir ehrlich, viel zu langen Namen, wovon einer auch noch der Tradition folgt und Mary, oder in Fall meines Bruders Marty, ist. Und bei mir scheint es als wollten meine Eltern es auf die Spitze treiben. Wenn man sie fragt wieso, dann sagen sie, dass bei meiner Geburt die Hebamme mit mir gestolpert ist, als sie mich säubern wollte – natürlich ist mir nichts passiert –, weshalb sie dachten, eine Portion Extraglück könnte nicht schaden. Extraglück… Das ich nicht lache. Scheint eher, als hätten sie das Gegenteil bewirkt. Aber egal, das alles ist jetzt nicht mehr so wichtig, denn heute ist mein siebzehnter Geburtstag, was heißt, dass ich endlich alt genug bin, um wie meine Geschwister für eine Zeit in der Zaubererwelt auf der Erde zu leben.

„Simon, du willst Mary doch nicht allen Ernstes auf die Erde lassen?“

„Liebes, du weißt, dass es Tradition ist. Und nur weil Mary ein wenig…“ Mein Vater, Sulfidius Ichabod Marty Orion Nebukadnezar, unterbrach sich, aber ich wusste genau, was er sagen wollte. Anders. Weil ich ein wenig anders bin. Oder mit anderen Worten: Ich bin ein Tollpatsch. Und dieser Umstand ist auch die Ursache dafür, dass ich so ziemlich alle entscheidenden Qualitäten einer Mary Sue eben nicht besitze.

Etwa die umwerfende Schönheit. Keine Mary Sue kommt mit perfektem Aussehen auf die Welt. Das wird ihr erst mit der Muttermilch eingeflößt. Aber ich hab bestimmt die Hälfte meiner Fläschchen fallen lassen und die Komponente, welche für Schönheit zuständig ist, ist sehr stoßempfindlich. Was zur Folge hatte, dass ich etwa nur die Hälfte der Dosis bekommen habe, die ich für das perfekte Aussehen einer Mary Sue gebraucht hätte.

Oder die tragische Vergangenheit. Jede Mary Sue durchleidet zwischen ihrem vierten und neunten Lebensjahr ein Trauma. Aber nur eines. Wer es vermasselt, so wie ich, der hat Pech gehabt.

Ich kann noch nicht einmal über meine Familiensituation klagen, außer vielleicht, dass ich an einer nicht beklagenswerten Stelle in der Reihenfolge geboren wurde. Klar, das erstgeborene Kind, meine Schwester Norma, hat es am schwersten. Als Älteste muss sie früh Verantwortung übernehmen, für alles der Vorkämpfer sein. Dann Thomas, als ältester und auch einziger Sohn muss er der Rolle als Stammhalter und Vorzeigekind gerecht werden. Mia ist das typische mittlere Kind, die immer dann zu den Großen zählt, wenn es um Pflichten geht und immer dann zu den Kleinen, wo Freiheiten im Spiel sind. Und Emily als Jüngste… Ihr seht also, als viertes Kind in einer Familie mit fünf Kindern geboren zu werden ist einfach nur langweilig. Man zählt definitiv zu den Kleinen, hat aber noch eine jüngere Schwester, die noch länger auf alles warten muss. Definitiv nicht tragisch.

„Immerhin haben wir damals auch Norma gehen lassen…“, fuhr mein Vater fort, nur um auch diesen Satz unbeendet im Raum stehen zu lassen. Meine Schwester Norma ist nämlich bei ihrem Trauma gestorben. Aber natürlich stirbt eine Mary Sue bei so etwas nicht wirklich, also wurde sie ein Geist. Und als ihre Zeit kam, in die Zaubererwelt zu gehen, hat man ihr kurzerhand erlaubt, in den Körper einer Hogwarts-Schülerin zu fahren und von diesem Besitz zu ergreifen, eine gewisse Lily Evans. Norma sagt, es habe Spaß gemacht, vor allem, als sie jemanden geheiratet hat, den Lily eigentlich gar nicht ausstehen konnte.

„Es ist Tradition und du weißt genau, was für Folgen es hätte, wenn wir Mary nicht gehen ließen“, wiederholte mein Vater nun.

Was für Folgen das sind, von denen mein Vater sprach, haben wir Kinder nie herausbekommen, aber ich denke, irgendwas von wegen, dass alles Gute und Perfekte ins Negative verkehrt würde. Sprich, wir würden hässlich, dumm, nicht-magisch… Also all das, womit mein Bruder mich als Kind immer aufgezogen hat, um mich zu ärgern. Und hässliche, dumme Menschen dürfen nicht im Traumland leben. Aber auch, wenn ich nur halb so schön bin, wie meine Geschwister und der größte Tollpatsch, bin ich immer noch perfekt genug für das Traumland! Ich bin und bleibe eine Mary Sue!



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