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Oh Shit.

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen, liebste Leser! ♥
Hier habt ihr endlich mal ein Lebenszeichen von mir und das Kapitel 10. :)
Ich hoffe, ihr fühlt euch noch nach wie vor bei mir und der Story wohl?
Ich bin mir nämlich nicht wirklich sicher. Ich sehe die ansteigende Zahl der Abonnenten, was mich wirklich wahnsinnig freut! ♥ Tausend Dank an euch an dieser Stelle! Aber weil bei doch recht vielen Abonnenten sehr wenig Rezensionen zustande kommen, bin ich etwas unsicher und um ganz ehrlich zu sein, stimmt mich das ein wenig traurig. Natürlich zwinge ich euch nicht mir Feedback dazulassen, will und kann ich auch gar nicht. Ich freue mich auch so, dass Leute zu meiner OF finden und sie lesen. Aber manchmal verunsichert mich das schon sehr, wenn ich einen schlechten Tag habe.
Es würde mich also wirklich sehr freuen, wenn ihr einen Kommentar dalassen würdet, egal ob konstruktive Kritik oder einfach auch nur eure Meinung zur Handlung, zum Kapitel selbst - völlig wurscht. Es würde mich, egal wie gestaltet, freuen und motivieren.

Jetzt aber genug rumgeweint.
Viel Spaß beim Lesen!
Eure m0nstellar Komplett anzeigen

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Der Pianist

Montag. Der wohl unbeliebteste Tag der Woche. Nicht nur, weil er das Wochenende verabschiedete, sondern weil er zudem noch eine neue Arbeitswoche einläutete. Für Moira war dieser Montag jedoch besonders schlimm: Heute lernte sie ihren neuen Arbeitskollegen kennen – und sie war darauf überhaupt nicht vorbereitet.

 

Sie hatte es völlig vergessen. Erst gestern, kurz vorm Schlafengehen war ihr dieser Termin wieder eingefallen. Wie hatte sie sich nur so von Stellars Männerproblemen ablenken und vereinnahmen lassen können, dass sie einen so wichtigen Termin vergaß? An Schlaf war natürlich nicht mehr zu denken. Vollgepumpt mit Euphorie und Panik versuchte sie die ganze Nacht, sich auf das Aufeinandertreffen mit ihrem neuen musikalischen Partner einzustellen und vorzubereiten:

Sie überlegte, wie sie sich am besten selbst vorstellte, malte sich im Kopf alle möglichen Gesprächsverläufe aus, um immer eine passende Antwort parat zu haben, und vor ihrem inneren Auge durchforstete sie ihren Kleiderschrank, um das perfekte Outfit zusammenzustellen. Gleichzeitig aber versuchte sie mittels Schäfchen zählen und warmer Milch mit Honig dem nächtlichen Treiben in ihrem Kopf ein Ende zu bereiten, um endlich einzuschlafen. Denn auch das perfekteste Outfit und die beste Vorbereitung konnte ihr nicht helfen, wenn sie wegen Schlafmangel so gesellig war wie die Gorgo Medusa höchstpersönlich. Im schlimmsten Fall sah sie mit ihrer explodierten Haarpracht und ihren schluchtentiefen Augenringen unter den geröteten Augen auch noch so aus …

Unglücklicherweise war sie letztendlich an beiden Vorhaben gescheitert.

 

Und nicht nur das. Das Scheitern zog sich diesen Montagmorgen auch noch weiter fort. Wie von ihr befürchtet gab ihr prall gefüllter Kleiderschrank nichts zum Anziehen her, die Lockenmähne ließ sich nur schwer bändigen und das Make-Up wollte auch beim dritten Anlauf weder sitzen, noch ihre Augenringe abdecken. Inzwischen völlig gestresst und frustriert über ihren eigenen Anblick schmierte sich Moira mit zittriger Hand die Wimpern mit Mascara ein und tuschte dabei Augenlider und Nasenrücken gleich mit.

 »Mann, ey! Verdammte Scheiße!« Was hatte sie nur getan, dass ihr das Schicksal so übel mitspielte?

»Was ist denn los?«

»Ach nichts«, maulte sie und warf Stellar durch den Spiegel hindurch einen genervten Blick zu, ehe sie mit dem Schminken fortfuhr. »Der Tag fängt einfach schon scheiße an.«

Stellar stand direkt hinter ihr, die Hände in den Hosentaschen. »Warum denn? Ich dachte du freust dich auf heute.«

»Tu ich ja auch. Hab nur kein bisschen geschlafen vor lauter Aufregung.«

»Wieso denn das? Ist doch nicht das erste Mal, dass du einen neuen Pianisten bekommst.«

Moira deutete zuerst auf ihr Gesicht, dann auf ihre Haare und schließlich auf den restlichen Körper. »Guck mich doch mal an, wie ich aussehe! Wie ein explodierter Handbesen, den mein Kleiderschrank vorgewürgt und ausgekotzt hat.«

Stellar kicherte. »Bist du etwa nervös?«

»Natürlich bin ich nervös, was denkst du denn?« Gott sei Dank kannten sie sich lange und gut genug, dass Stellar wusste, dass der pampige Tonfall nicht ihr galt.

»Ich meine … Was ist, wenn ich mich total blamiere? Was ist, wenn er mich nicht mag? Was ist –«

»Und was ist, wenn du ihn nicht magst?« Von hinten schlang Stellar ihre Arme um sie, legte ihr Kinn auf ihre Schulter ab und sah ihr über den Spiegel in die Augen. »Jetzt atmest du erst einmal tief durch und schminkst dich in Ruhe fertig. So schlimm wird’s schon nicht werden. Außerdem bin ich ja auch noch da.«

»Ich weiß«, murmelte sie kleinlaut. »Ich will nur einen guten Eindruck machen.«

»Du machst das schon, davon bin ich überzeugt. Sei einfach du selbst, dann kann nichts schief gehen.«

Moira schürzte die Lippen. »Der Spruch war schon im Mittelalter ziemlich lausig, das weißt du, oder?«

»Aber er ist wahr. Außerdem knallst du mir den auch regelmäßig vor’n Latz.« Grinsend schenkte sie ihr einen Kuss auf die Schläfe. »Ich hole dir mal eben ein Wattestäbchen.« Und damit war Stellar auch schon im angrenzenden Bad verschwunden.

Pf. Die stellte sich das vielleicht einfach vor. So wie sie gerade drauf war, wollte Moira alles andere sein als sie selbst. Dennoch beherzigte sie Stellars Tipp und atmete einmal ganz tief durch. Und noch einmal. Und noch einmal. Sie fühlte sich dadurch zwar nicht unbedingt besser, aber ein wenig ruhiger. So ruhig, dass sie diese Kindergartenschmiererei in ihrem Gesicht in etwas Vernünftiges verwandeln konnte. Kurz darauf hielt ihr Stellar das Wattestäbchen unter die Nase. »Hier.«

Dankend nahm sie es entgegen und rieb die überschüssige Mascara von Augenlidern und Nasenrücken.

»Können wir dann los?«

»Ich weiß nicht …«

»Wo ist das Problem?«

Moira sah an sich herunter und zupfte ihren viel zu großen, pfirsichfarbenen Angora-Pullover zurecht, sodass der Ausschnitt nicht ihr Dekolleté, sondern ihre rechte Schulter freilegte. Dann wandte sie sich mit fragenden Blick zu Stellar. »Soll ich mich besser noch mal umziehen?«

»… kommt drauf an, ob du ihn gleich heute mit nach Hause nehmen willst oder nicht.«

Denselben Gedanken hatte Moira auch. Ein Angora-Pullover, kurze Jeans und High Heels waren kein Outfit, mit dem man Männer aufreißen ging. Vielleicht doch lieber ein Kleid?

»Willst du meine ehrliche Meinung hören?«

»Klar.«

»Bleib so, wie du jetzt bist und schau ihn dir lieber erstmal an, bevor du ihm schöne Augen machst. Du siehst ihn sowieso noch oft genug, hast also noch etliche Chancen, um ihn dir zu angeln, wenn du das willst. Du musst das nicht übers Knie brechen, das funktioniert sowieso in den allerseltensten Fällen. Also lass uns losgehen.«

Stimmt auch wieder. Genug gegrübelt und infrage gestellt! Sie warf im Bad das Wattestäbchen in den kleinen Mülleimer unter dem Waschbecken, besprühte Hals und Haare großzügig mit ihrem Kokosnussparfum und schlüpfte in ihre weißen Sandaletten. Dann schulterte sie sich ihre Handtasche, öffnete die Tür und verließ mit Stellar die Wohnung.

 

Der Weg zum Jazz-Club dauerte zu Fuß eigentlich keine Viertelstunde, aber heute kam er ihr länger vor als üblich. Genauer gesagt kam es ihr so vor, als würden sie mit jedem Schritt vorwärts mindestens zwei zurück gehen und niemals dort ankommen.

Auch der Anflug von Selbstsicherheit war nach ein paar Schritten genauso plötzlich verschwunden, wie er gekommen war.

Was sollte sie nur tun, wenn er sie wirklich nicht mochte? Oder wenn sie ihn nicht mochte? Sie arbeiteten immerhin sechs Tage die Woche zusammen. Natürlich könnte sie professionell sein und ihren Job von ihrem Privatleben trennen, wenn sie es wöllte. Schöner aber wäre es, wenn sie das gar nicht müsste. Und ohne Frage lastete ihre bis zum Platzen angeschwollene Neugier zusätzlich auf ihr, die gemeinsam mit ihren Sorgen jeden Schritt mühsamer machten.

»Was meinst du, wie sieht er aus?«, fragte Stellar und brach damit die Stille.

Das hatte sie sich auch schon gefragt. Moira zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich hoffe zumindest auf „gut“.«

»Gar keine Vorstellung?«

»Doch schon … aber zum Schluss kommt immer wieder derselbe Typ raus.«

Stellar lachte. »Du meinst den großen, mit Waschbrettbauch gesegneten, langhaarigen Musiker …«

»Ja, genau der.«

Beide begannen zu lachen. Moira war ihrer Freundin dankbar, dass sie ihr mit dem Lachen und den richtigen Fragen ihre Nervosität linderte.

»Und du bist dir sicher, dass so ein Traumtyp dein neuer Arbeitskollege wird?«

»Sicher bin ich mir nicht«, entgegnete sie. »Aber hoffen darf man ja wohl noch.«

»Wie heißt er eigentlich, weißt du das?«

»Johnny hat mal was erwähnt, aber ich bin mir nicht mehr sicher …« Angestrengt dachte sie nach, viel kam dabei allerdings nicht heraus: »Ich glaube, es war irgendetwas mit A …«

»Mit A … Andy?«

»Nein, auf gar keinen Fall.«

»Anthony?«

»Nein … Ich glaube, das war Alan oder so.«

Während sie angeregt über weitere mögliche Namen rätselten, kam das Swingy’s bereits in Sichtweite. Unruhe machte sich wieder breit. Mit jedem Schritt, den sie näherkamen, erkämpfte sich die Nervosität den Raum in Moiras Brust zurück. Eigentlich konnte sie sich gar nicht erklären, warum sie so nervös war. Wie Stellar bereits gesagt hatte: Es war nicht das erste Mal, dass sie einen neuen Arbeitskollegen kennenlernte.

Als sie schließlich vor dem Swingy’s standen, umfasste Moira den großen, hölzernen Griff der Eingangstür und verharrte. Ihr Herz raste.

»So nervös?«

Moira nickte stumm.

»Warum denn?«

»Keine Ahnung.«

Sanft strich Stellar ihr über den Rücken und legte ihre Hand über Moiras – und wieder war ihr Moira für diese Unterstützung dankbar. Gemeinsam wuchteten sie die Türe auf, stiegen durch den schlichten, aber schweren, purpurfarbenen Vorhang, der als Windfang diente, und betraten den Jazz-Club.

 

Stimmungsvolles, gedämpftes Licht. Dunkler, knarzender Dielenboden. Musik, die leise und aus jeder Ecke zu ihnen vordrang – aber komischerweise war außer ihnen niemand da, der diesen Flair in dem mächtigen Raum genoss.

»Sieht wohl so aus, als wären wir die ersten.«

Moira war erleichtert und irritiert zugleich. »Kann eigentlich nicht sein, sonst wäre noch abgesperrt.«

Während sie sich umsah, steuerte sie die Bar an, legte ihre Handtasche auf einem Barhocker ab und ging hinter die Theke. »Willst du was trinken?«

Stellar schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist Johnny ja unten im Lager?«

Das war gut möglich. »Ich schau mal nach. Du kannst dich ja schon mal irgendwo hinsetzen.« Mit diesen Worten ließ sie Stellar allein, ging links an der Bar vorbei und stieg eine steinerne Wendeltreppe hinunter.

Fünf Türen boten sich ihr an, nur aus dem Pausen- und Besprechungsraum kämpfte sich ein Lichtstrahl den Flur hinaus; die Tür war nur angelehnt. Da war er also. Bestimmt bereitete er den Vertrag für den neuen Pianisten vor. Moira marschierte zielstrebig den dunklen Flur entlang und drückte die Tür weiter auf – und schrak zurück. Es war nicht Johnny, den sie dort antraf, sondern ein Riese von bestimmt zwei Metern, mit dem Rücken zu ihr gewandt. Das war dann wohl der Neue. Von ihm noch unbemerkt nutzte sie die Gelegenheit, um sich grob ein Bild von ihm zu machen.

Er wirkte für sie irgendwie fehl am Platz. Jemanden mit einer Baseball-Cap, die er mit dem Schirm im Nacken trug, zerrissenen Jeans und einem knittrigen Tank-Top hatte sie sich nicht vorgestellt. Aber gut, er musste ja auch nur Klavier spielen und nicht die Modewelt neu erfinden.

»Ähm … Entschuldigung?«

Er warf einen fragenden Blick über die Schulter.

»Ah, hi!«, stieß er aus, drehte sich um und lächelte sie freundlich an. »Du musst Moira sein, richtig?«

Moira wurde aschfahl, brachte nicht einen Ton heraus. Stocksteif stand sie da, glotzte auf die riesige Narbe in seinem Gesicht und versuchte diesen Augenblick zu begreifen. Ohne ihn zu kennen erkannte sie ihn sofort. Scheiße.

»… alles okay?«

Ob alles okay war? Dass er nicht ihren Vorstellungen von einem Musiker entsprach, war eine Sache, aber das hier setzte dem Ganzen die bizarrste Krone auf, die sie je gesehen hatte. Nie im Leben hätte sie bei ihrem neuen Arbeitskollegen an ihn gedacht. Sie musste mit Johnny reden, auf der Stelle!

»Äh, ja. Hi … Wo ist Johnny?«

»Der ist nur kurz im Lager verschwunden. Sucht was Passendes zum Anstoßen.«

Verdammt! Er hatte also den Vertrag schon unterschrieben. Verdammt, verdammt, verdammt!

»Ach so, sorry«, sagte er und zog seine Hand aus der Hosentasche, hielt sie ihr bereitwillig hin. »Ich bin Dylan.«

»Ja, ich weiß … «, seufzte sie und wünschte sich, sie würde seinen Namen und alles, was sie über ihn wusste, nicht wissen. Wo waren Alan, Andy und Anthony, wenn man sie wirklich brauchte?

»O-kay … « Sichtlich verunsichert zog er seine Hand zurück und schob sie wieder in die Hosentasche. »… kennen wir uns irgendwoher?«

Moira verschränkte die Arme und sah ihn so finster an, wie sie nur konnte, immer darauf achtend, ihm nicht in die Augen zu sehen. Von Stellar wusste sie, dass sie einen sehr verwirren konnten.

»Nein, aber du kennst dafür jemand anderen: Meine beste Freundin.« Ihre Stimme war trockener als eine Hand voll Sand. Und er schien eine verdammt lange Leitung zu haben, denn sein fragender Gesichtsausdruck blieb unverändert.

»Die, die du die ganze Zeit fertig machst. Klingelt’s da vielleicht?« Die Reaktion blieb dieselbe. Genervt verdrehte sie die Augen. Unfassbar, dass sie ihm ernsthaft auf die Sprünge helfen musste. »Vielleicht sagt dir ja der Name Stellar was …? Hm?«

Augenblicklich schloss er die Augen, stöhnte hörbar auf und rieb sich die Nasenwurzel. »Oh Mann …«

»Oh scheiße trifft’s da wohl eher.« Sie schloss leise hinter sich die Tür und sah dann mit Zornesfalten auf der Stirn wieder zu ihm auf. »Eigentlich trifft es sich echt gut, dass wir uns endlich mal begegnen. Kannst du mir mal bitte verraten, was dir einfällt, so mit meiner Freundin umzuspringen? Ist dir eigentlich klar, was du ihr damit antust?«

»Das geht dich nichts an.« Sein Blick fiel streng auf sie herab.

»Ach, wirklich? Ich finde nämlich schon, immerhin bin ich diejenige, die sie trösten muss, wenn sie sich wegen dir wieder mal die Augen ausheult! Warum bist du so arschig zu ihr? Hat sie dir irgendwas getan oder hast du einfach nur keinen Funken Anstand im Leib?«

»Bist du ihr Anstands-Wau-Wau, oder was? Stellar kann ihre Angelegenheiten bestimmt auch alleine regeln, da braucht sie keinen Giftzwerg wie dich dazu.«

Verdattert riss sie die Augenbrauen nach oben. »Wie hast du mich gerade genannt?«

Plötzlich schoss mit ordentlich viel Schwung die Tür wieder auf. »Ach, ihr habt euch also schon kennengelernt, sehr schön.« Johnny stellte eine große Flasche Schampus auf den Tisch und strahlte in die Runde. »Holst du gleich mal drei Gläser? Wir müssen doch auf unseren neuen Teamkollegen anstoßen.«

Damit meinte er natürlich Moira. Ihm zuliebe, aber mit viel Überwindung neutralisierte sie ihren Gesichtsausdruck und kam schweigend seiner Bitte nach. Aus dem Hängeschrank über der Spüle nahm sie sich drei Sektgläser, spülte sie mit Wasser aus und stellte sie in einer Reihe auf dem Esstisch auf. Sie musste sich zusammenreißen, sie nicht einfach auf die Tischplatte zu knallen.

»Also, ihr habt heute den ganzen Tag Zeit, euch besser kennenzulernen und euch aufeinander einzustimmen«, plauderte Johnny und zwirbelte die Verschlusskappe von der Flasche. »Das Swingy’s bleibt deswegen heute auch geschlossen. Du musst dich ja sicher auch noch an den Flügel gewöhnen und Moira sich mit dir eingrooven …«

»Verstehe.«

»Klingt doch gut, oder?« Wieder meinte Johnny sie und strahlte sie dabei an.

»Ja, super. Ich freu mich.« Sie rang sich ein Lächeln ab, das sich jedoch eher wie ein Schlaganfall anfühlte.

»Ich bin mir sicher, ihr beide werdet ein tolles Duo.«

Moira konnte die Euphorie und Begeisterung ihres Chefs nicht teilen. Stattdessen fragte sie sich, wie sie das Stellar erklären sollte. Sechs Tage die Woche würde sie ihn sehen und mit ihm zusammenarbeiten müssen. Aktuell konnte sie nicht sagen, wer von ihnen es mit ihm schlimmer getroffen hatte. Dafür wurde ihr zumindest klar, warum sie den ganzen Morgen über schon so nervös gewesen war. Irgendwie musste sie es im Gefühl gehabt haben, dass der neue Pianist alles andere als ihren Wünschen entsprach. Wahrscheinlich waren ihr Spiegelbild und das Schminkfiasko sogar Zeichen, dass sie besser daheim geblieben wäre.

 PENG! – Und der Korken sprang quer durch das Zimmer. Hastig schnappte sich Moira eines der Gläser und hielt es an die Flasche – genau wie Dylan. Klirrend trafen ihre Gläser aufeinander und fingen den Perlschaum auf, der aus dem Flaschenhals überlief. Flüchtig tauschten sie Blicke aus, nur um auf dieselbe Weise wieder auszuweichen. Idiot.

Zu Moiras Enttäuschung bekam Johnny von dem sichtbaren Zwist nichts mit. Schon vorher schien er blind für die negative Stimmung zwischen ihnen gewesen zu sein und jetzt forderte der überquellende Champagner seine gesamte Aufmerksamkeit, so dass es ihm immer noch nicht auffiel. Eigentlich hätte ihr das auch klar sein müssen. Sie kannte Johnny schon lange und wusste, dass er oft nur das sah, was er sehen wollte.

Als schließlich jeder ein gefülltes Glas in Händen hielt, stießen sie zusammen „auf eine gute Zusammenarbeit“ an – Moira mehr widerwillig als glücklich – und die noblen Herren kippten sich den gesamten Inhalt in den Rachen. Moira hingegen nippte nur kurz daran, dann stellte sie ihr Getränk auch schon wieder weg.

»So. Jetzt aber genug gefeiert, jetzt wird gearbeitet! Oder gibt es noch irgendwelche Fragen von deiner Seite?«

Dylan schüttelte den Kopf. »Nein, alles bestens.«

Alles bestens? Das sah aber auch nur er so.

»Wunderbar! Wenn doch noch mal die ein oder andere Frage auftauchen sollte, frag mich einfach. Oder Moira, die kann dir auch helfen.«

Für diese Bemerkung hätte sie Johnny am liebsten an seinem grau melierten Pferdeschwanz gepackt und mit dem Gesicht am Boden einmal quer durch den ganzen Laden geschliffen. Und wenn sie es tatsächlich gewollt hätte, hätte sie es geschafft, obwohl er fast genauso groß wie Dylan war. Doch sie riss sich zusammen und verkniff sich den Protest, gab sich Mühe, diesmal ein glaubwürdigeres Lächeln aufzusetzen.

»Gut, dann lasse ich euch jetzt mal allein. Wenn ihr was braucht, sagt einfach bescheid.« Ein letztes Mal schenkte er Moira sein zufriedenstes Grinsen und zwinkerte ihr zu, tätschelte sogar ihre Schulter beim Vorbeigehen. »Ach ähm, wärst du dann noch so lieb und stellst die Flasche in den Kühlschrank?«

Moira kam sich vor wie seine Bedienstete. »Ja, mache ich.«

»Danke!« Und mit einem – KLACK – war die Türe zu und er aus dem Zimmer verschwunden.

Stille füllte nun den Raum. Alle beide standen da, als wäre ihnen der Bus vor der Nase weggefahren, machten keinen Mucks, sahen einander nicht an.

Vielen Dank, Johnny, dachte Moira. Erst reinplatzen, dann Schampus schlürfen und direkt danach einfach stehen lassen und abhauen. Echt lässiger Auftritt. Sie wusste, dass sie übertrieb, aber es war nun mal Dylan und nicht irgendwer sonst.

Resigniert und genervt verschränkte sie die Arme und setzte sich an die Tischkante. Wenn das hier Karma war, hätte sie zu gern gewusst, was sie so Schreckliches angestellt hatte, um so bestraft zu werden. Wie sollte sie das nur Stellar erklären? Die arme saß da oben, dachte bestimmt an nichts Böses und würde gleich ohne Vorwarnung mit der Tatsache konfrontiert werden, dass er Moiras neuer Kollege war. Zudem saß Moira selbst in der Zwickmühle. Sie wollte Stellar selbstverständlich aus Solidarität den Rücken stärken und sich gar nicht großartig auf ihn einlassen, allerdings musste sie mit ihm zusammenarbeiten, egal wie. Daran führte kein Weg vorbei, sein Arbeitsvertrag war unterschrieben.

Nach langem Hin und Her überwand Moira schließlich ihren Schweinehund. Sie entschied sich, einfach professionell zu sein und Arbeit von Privatem zu trennen. Es musste sein, ob es ihr passte oder nicht.

»… du spielst also Klavier?« Eigentlich eine überflüssige Frage, aber sie wusste nicht anders anzusetzen.

»Mhm«, stimmte er brummend zu, sah dabei stur auf seine Füße.

»Wie lange schon?« Moira schaute ebenfalls nach unten und fixierte den pfirsichfarbenen Nagellack auf ihren Zehen.

»Kann ich nicht genau sagen. Sehr lange auf jeden Fall.«

»Aha. Und was spielst du so?« Sie gab sich Mühe, doch den passiv-aggressiven Ton konnte sie einfach nicht abstellen.

»Ich improvisiere meistens.«

»Ah, du improvisierst.«

»Problem damit?«

»Pf.« Mehr hatte sie für seine Provokation nicht übrig. »Wie sieht’s mit Bühnenerfahrung aus?«

»Habe ich schon gemacht, ja.«

»Verstehst du eigentlich was von Jazz?«

»Wäre ich sonst hier?« Allmählich wurde auch bei ihm der Unmut hörbar.

Moira schwieg nun. So kamen sie nicht weiter. Auch wenn es ihr nicht gefiel: Sie brauchten eine Basis, auf der sie miteinander arbeiten konnten. Andernfalls würde es auf Dauer hässlich werden, für beide Seiten.

»Trinkst du dein Glas noch?«

Moira drehte sich um und sah auf das Glas, dann blickte sie wieder nach vorn und schüttelte den Kopf. »Eher nicht.«

Dylan griff sich das Glas und stürzte sich wie vorhin den Inhalt in den Rachen, schluckte ihn hörbar mit einem Mal herunter. Dann richtete er sich auf, sammelte alle Gläser ein und stellte sie in die Spüle.

Gut. Da der erste Versuch nicht unbedingt von Erfolg gekrönt war, gab sie sich einen Ruck für Versuch Nummer zwei.

»Okay, hör zu: Ich habe eigentlich echt keinen Bock, mit dir zusammen zu arbeiten. Da ich aber kaum eine andere Wahl habe, bin ich trotzdem nicht sonderlich scharf drauf, mich die ganze Zeit mit dir zu streiten.«

Dylan erwiderte nichts, stattdessen riss er sich ein wenig Küchenpapier von der Rolle, die in einer Halterung stand, ging in die Hocke und begann den am Boden verteilten Alkohol aufzuwischen.

Ignorierte er sie gerade? »… oder wie siehst du das?«, fragte sie und versuchte ihn so zu einer Antwort zu zwingen.

»Ja, klingt erstaunlich vernünftig.« Ganz langsam stand Dylan auf, den Blick dabei fest auf Moiras gerichtet, und warf das vollgesogene Küchenpapier in den Mülleimer neben der Tür.

»Wenn du mir dann endlich mal eine Chance geben würdest, anstatt mich ununterbrochen anzupissen, könnte das auch glatt funktionieren.«

Moira war nicht in der Lage darauf sofort zu kontern. Gänsehaut kroch ihre Arme hinauf und in ihrem Bauch breitete sich Wärme aus. Zwei verschiedene Augenfarben? Stellar hatte ihr zwar davon erzählt, doch darüber, wie schön sie waren, hatte sie kein Wort verloren. Die ganze Zeit hatte sie es erfolgreich vermieden, ihm direkt in die Augen zu sehen. Doch jetzt, wo er keine zwei Schritte von ihr entfernt stand, war es unvermeidbar. Krass, echt abgefahren.

Es brauchte viel Mühe, um für einen kurzen Moment die Augen zu schließen und sich von ihnen loszureißen, die Faszination dafür zu unterdrücken und sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. »Aha, und wie genau stellst du dir das vor?«

»Wenn dich wirklich meine Meinung interessiert … So wie ich das sehe, können wir voneinander profitieren«, meinte er, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Küchenarbeitsplatte und verschränkte die Arme, sah weiterhin geringschätzig auf sie nieder.

»Ach wirklich?« Moira tat es ihm gleich, konzentrierte sich allerdings auf seine vernarbte Augenbraue im Gesicht.

»Ja, wirklich. Nüchtern betrachtet ist die Sache nämlich ziemlich simpel: Ich brauche diesen Job und du brauchst einen Pianisten. Von daher könnten wir unsere Zusammenarbeit als … reinen Nutzen sehen. Wir müssen weder Freunde werden noch Feinde sein.«

Das war keine schlechte Idee. Diese nüchterne Sichtweise gefiel ihr. Sie hatte sich zwar ein herzlicheres Miteinander gewünscht, aber da das nun mal nicht möglich war …

»Okay, einverstanden.«

»Gut, dann gehe ich schon mal nach oben und spiele mich warm, wenn’s recht ist.«

Warmspielen? Moira runzelte die Stirn. »… machst du das immer?«

»Na klar. Das lockert die Finger und hilft dabei, Krämpfe zu vermeiden.«

»Okay … und wie lange machst du das, dieses warmspielen?«

»Ziemlich unterschiedlich, aber meist an die zehn Minuten, Viertelstunde.«

»Okay … Dann lass dich von mir nicht aufhalten.«

Ohne etwas darauf zu erwidern drehte sich Dylan um und verließ den Sozialraum. Moira sah ihm hinterher.

Sie gab es wirklich ungern zu, aber das beeindruckte sie jetzt. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sich Duke mal warmgespielt, geschweige denn sich jemals auf eine Probe vorbereitet hätte.

Ihr war flau im Magen. Sie wusste ihn nicht so recht einzuschätzen. Einerseits hielt sie ganz klar zu Stellar und hasste ihn dafür, was er ihr ständig antat. Andererseits ließ er gerade ein winziges Bisschen Sympathie in ihr aufglimmen.

Hilfesuchend ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und blieb an der Schampusflasche hängen, die noch immer offen auf dem Tisch stand. Alkohol war jetzt für niemanden in der Sache eine große Hilfe, aber wenn er schon mal offen war … Beherzigt packte sie sie am Hals und nahm sie mit aus dem Zimmer und die steinernen Stufen mit nach oben. Vielleicht war es besser, ihn erst einmal überhaupt nicht einzuschätzen. Vielleicht war es besser, die aktuelle Situation fürs Erste hinzunehmen, sie zu beobachten und abzuwarten, was noch auf sie zukommen würde. Ja, genau. Vermutlich war das die momentan beste Entscheidung. Immerhin hatte sie, wie Stellar schon sagte, noch genug Gelegenheiten, um das zu tun.

Ihr würde sie gleich dasselbe ans Herz legen – und ein großes Glas Sekt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  May_Be
2018-10-29T18:26:25+00:00 29.10.2018 19:26
Dass der Pianist Dylan ist, hatte ich nicht erwartet. Umso besser fand ich diese Stelle, an der Moira und er aufeinander treffen :D "Wo waren Alan, Andy und Anthony, wenn man sie wirklich brauchte?" Genial xD
Ich denke, es werden noch Fetzen fliegen und vllt wird es zwischen den beiden sogar knistern? ;)

LG
May_Be
Antwort von:  m0nstellar
29.10.2018 19:44
Huhu liebste May_Be!
Viiiiielen vielen Dank für deinen Kommentar! ♥♥♥
Ich knuddel dich übelst dafür ♥♥♥

Nicht erwartet? Yes! Überraschungsmoment geglückt! :D
Also Fetzen werden bestimmt noch genug fliegen, soviel steht mal fest. :D
Wäre ja sonst ziemlich langweilig im weiteren Verlauf, oder? :D

Nochmals vielen Dank für deinen Kommentar.
Hab mich riiiiieeeesssig darüber gefreut! ♥♥♥

Deine m0nstellar
Von:  Schnullerkai
2018-07-06T05:59:50+00:00 06.07.2018 07:59
Sehr schönes Kapitel. Dylan tut mir ja fast -fast!- ein bisschen Leid, dass er von den Frauen deiner Geschichte durchgehend behandelt wird wie ein Stück Scheiße. Auf der anderen Seite geht sein Humor ja tatsächlich gerne mal zu weit.
Mich würde in dem Zusammenhang interessieren, wer bei ihm und Stellar eigentlich angefangen hat. Gemessen an Stellars Gefühlen für Mister Zwischendenstühlen hab ich ja sie im Verdacht, aber vllt gibt's ja dahingehend noch eine Aufklärung?

Moiras Herangehensweise zum Schluss finde ich vernünftig, sie hat ja auch kaum ne Wahl.

Freu mich auf die nächste Runde. :)
Antwort von:  m0nstellar
06.07.2018 09:55
Guten Morgen Schnullerkai!
vielen lieben Dank für deinen lieben Kommentar! <333
Um auf deine Frage einzugehen: In Kapitel 2 bin ich ja etwas darauf eingegangen, wie diese Antipathie zwischen den beiden zustandegekommen ist. Wenn dir das noch nicht reicht, beantwortet dir ja vielleicht das nächste Kapitel schon deine Frage. ;)

Ich freue und bedanke mich sehr herzlichst, dass du am Ball bleiben willst <3
Danke dir! Habe mich wirklich riesig darüber gefreut! <333
Antwort von:  Schnullerkai
06.07.2018 11:14
Huppala, das ist mir jetzt peinlich. Den Teil hatte ich tatsächlich einfach vergessen. Aber Kapitel 2 ist ja auch schon 'ne Weile her (hust). Muss wohl mal wieder von vorn lesen. ^^
Antwort von:  m0nstellar
06.07.2018 12:27
Ach was, muss dir doch nicht peinlich sein. :D (Passiert mir ja auch manchmal ... :x)
Aber wenn dir das als Info nicht ausreicht, kannst du mir gern nähere Fragen auch per ENS schreiben. Ich beiße nicht. :D
<3


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