Zum Inhalt der Seite

Schwan und Wolf

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Mühsam schleppte ich mich einen Schritt nach dem anderen weiter, doch ich wusste, dass ich nicht mehr lange durchhalten würde. Die rechte Hand hatte ich in meine Seite gepresst und über meine verkrampften Finger rann mein eigenes, warmes Blut. Das war nicht die einzige Verletzung die ich davongetragen hatte, aber die Schwerste. Es gab fast keine Stelle an meinem Körper, die nicht wehtat und nur mein Überlebensinstinkt trieb mich immer weiter. Ich hatte mich so teuer wie möglich verkauft, aber gegen so viele Gegner hatte selbst der kampferprobteste Mann keine Chance. Fünf gegen einen war nicht nur unfair, es war auch erniedrigend, wie sie mit mir gespielt hatten. Meine Gedanken wanderten zu den Ereignissen der letzten Stunden zurück und lenkten mich so etwas von meinen tierischen Schmerzen ab. Gerade noch so gelang es mir mich aufrecht zu halten, als ich wegen einer Baumwurzel ins Stolpern geriet.

Ein Grollen entrang sich meiner Kehle. Ich würde den Teufel tun und hier verrecken! Bis zur nächsten Stadt waren es nur noch ein paar Kilometer und das würde ich noch schaffen. Schon während ich das dachte, wusste ich, dass ich mich gerade selbst belog. Ich hatte viel zu viel Blut verloren, es tanzten schwarze Flecken vor meinen Augen und mein Atem war zu flach und zu schnell. Mein Herz raste und Schweiß stand mir in großen Perlen auf der Stirn.

Erneut stolperte ich und diesmal schaffte ich es nicht mehr mich auf den Beinen zu halten. Ich war nicht schnell genug gewesen mich abzustützen und so stürzte ich schwer. Stöhnend versuchte ich mich aufzurichten, doch ich schaffte es nur mich auf die Unterarme hoch zu drücken, dann brachen mir die Hände wieder unter meinem Körper weg. So lag ich eine Weile mit dem Gesicht in dem trockenen Laub und konzentrierte mich auf das Atmen, bevor ich mich auf den Rücken drehte und hoch zu dem Mond über den Bäumen sah. Mein Blick war verschwommen und ich sah nur sehr schemenhaft die Äste und Blätter dort oben. Mein Leben war zu Ende. Ich merkte deutlich, wie mit jedem Herzschlag noch mehr Blut mein zerfetztes T-Shirt durchnässte und langsam wurde es mir kalt. Zwanghaft versuchte ich mich zu entspannen, ich musste mir meine letzten Augenblicke nicht noch schlimmer machen. Ich schloss die Augen und zog tief die frische Waldluft ein. Es roch nach Bäumen und verrottendem Laub auf dem Boden, nach Erde und kleinen Waldtieren. Darüber lag der störende und beißende Geruch von meinem eigenen Blut und Schweiß. Angeekelt verzog ich das Gesicht. Manchmal war es schon ein Kreuz mit meinem guten Geruchssinn, es gab Dinge, die wollte man nicht riechen.

Langsam dämmerte ich weg und ich musste mir eingestehen, dass ich froh war es endlich hinter mir zu haben, denn die letzten Wochen hatten mir nicht gerade Glück gebracht. Von den letzten Stunden ganz zu schweigen. Da hörte ich über den normalen Waldgeräuschen eindeutig Schritte einer Person. Leise wimmerte ich auf, konnte man noch nicht mal in Ruhe sterben? War es ihnen nicht schnell genug gegangen, oder hatte jemand Lust auf einen Nachschlag?

Ich versuchte meine müden Augen zu öffnen und nur mit schier übermenschlicher Anstrengung gelang es mir auch. Meine Sicht hatte sich noch mehr verschlechtert und ich erkannte nur eine verschwommene Figur, die langsamem und gemessenem Schrittes auf mich zukam. Ein leichter Duft nach irgendwelchen Blumen lag in der Luft und ich wandte mich irritiert der Person zu. Meine Angreifer hatten eindeutig nicht nach Blumen gerochen, eher nach Hass, Bier und Schweiß. Da ich mich anscheinend in keiner akuten Gefahr befand weiter gequält zu werden, hatte ich nicht mehr die Kraft meine Augen weiterhin offen zu halten.

Ich hörte das Rascheln von trockenen Laubblättern und Stoff, als sich die Person neben mich nieder ließ. Nur halbherzig machte ich eine Abwehrbewegung, als eine Hand mich sanft berührte und die Wunden untersuchte. Ironischerweise genoss ich die federleichten Berührungen, auch wenn sie mir noch zusätzliche Schmerzen bereiteten. Vielleicht war es ja auch nur, weil ich mich dadurch nicht so allein fühlte und wer starb schon gerne einsam? Mit einem zufriedenen Seufzer ließ ich mich in die kalte Dunkelheit treiben, die mir Vergessen versprach und mich mit offenen Armen umfing.

Die Frau auf der Fensterbank

Es war warm und weich, wo ich langsam aufwachte. Der Himmel war wirklich angenehm, es roch sogar gut. Wohlig zog ich die Luft tief ein und versuchte zu ergründen wonach es hier duftete. Eindeutig zu identifizieren war der Geruch nach alten Büchern und wieder dieser Blumenduft, den ich vor meinem Tod im Wald gerochen hatte. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren und kam zu dem Schluss, dass es Rosenblüten waren, die so gut rochen. Außerdem war da noch der kaum wahrnehmbare Geruch nach irgendwas Essbarem. Erst jetzt merkte ich, wie hungrig ich war und wollte mich aufrichten. Schmerz durchzuckte so ziemlich jeden meiner Körperteile und mit einem Aufstöhnen entspannte ich meine Muskeln wieder.

Hatte man im Himmel Schmerzen und Hunger? Soweit ich wusste nicht und beinahe erschreckte mich die Enttäuschung, die sich in mir breit machte. Eigentlich sollte ich doch froh sein, dass ich noch lebte, doch für einen Moment hatten die Sorgen und Ängste überhand genommen. Wenn ich noch nicht tot war, konnte ich immer noch verletzt werden und einen Augenblick drohte Panik mich zu übermannen. Ich zwang mich tief durchzuatmen und die Augen zu öffnen, doch nur langsam gewöhnte ich mich an das Licht in dem Raum. Über mit war eine Lage Stoff gespannt, die von verzierten Holzstelen gehalten wurde. Ein Himmelbett? Ich runzelte die Stirn und sah an mir herunter. Meine Wunden waren alle vorbildlich versorgt und von meinem gebräunten Brustkorb und den Armen leuchteten mir regelrecht die weißen Verbände entgegen. Ein Blick unter die Bettdecke sagte mir, dass mir jemand meine zerrissene Jeans und die dreckigen Schuhe ausgezogen hatte. In dem weichen Kopfkissen drehte ich meinen Kopf etwas zur Seite. Der Raum war liebevoll eingerichtet. Es hingen bunte Gemälde an den Wänden, die Tapete war in einem hellen gelb gehalten, ein riesiges Regal mit Büchern verdeckte fast eine ganze Wandseite und auf einer antiken Kommode stand ein Strauß mit Rosen. Das erklärte den dezenten Duft nach Rosenblüten. Mit jeder Sekunde machte sich eine größere Verwunderung in mir breit. Wo zum Teufel war ich und wie war ich hier her gekommen?

Dann drehte ich meinen Kopf weiter zu dem Fenster und was ich dort sah, ließ mich inne halten. Auf der Fensterbank, die breit und hell war, saß eine junge Frau. Sie hatte ein Buch, dessen Titel ich nicht lesen konnte, auf ihrem Schoß und las darin. Die schwarzen Haare waren in einem frechen Kurzhaarschnitt gehalten und ließen so den langen, eleganten Hals der jungen Frau sehen. Unter dem dunkelblauen Rock sah ich zwei schlanke Beine ohne Schuhe hervorlugen und die gelbe Bluse ließ die Frau noch zerbrechlicher und femininer wirken. Irgendwie erinnerte mich diese Frau an einen Schwan, eine Taube oder irgendein anderes Zeichen für Reinheit und Unschuld. Vielleicht war es nur, weil ich das genaue Gegenteil war, dass ich sie sofort für sanft und fragil hielt. Ich war schließlich ein Mann, in dessen Leben es seit Jahren nur um Kampf, Gewalt und Brutalität ging.

„Hast du mich genug angestarrt?“, fragte der Engel auf dem Fensterbrett. Sie hob den Kopf, lächelte dabei verschmitzt und funkelte mich belustigt an. Irgendwie konnte ich nichts machen, außer die Frau anzustarren. Mit einer eleganten Bewegung stand sie auf, legte das Buch auf die Polster der Fensterbank und kam langsam zu mir herüber. Automatisch spannte ich mich an und drohend knurrte ich auf. Es war reiner Instinkt, eigentlich wollte ich sie nicht einschüchtern, doch in den letzten Jahren war mir das ständige auf der Hut sein in Fleisch und Blut übergegangen. Hilflos zu wirken war in meinen Kreisen unter Umständen mit einem Todesurteil gleich zu setzen.

„Keine Angst, ich tue dir nichts. Ich heiße Sina Meyers. Wie heißt du?“, meinte die Frau immer noch mit einem Lächeln und hob die Hände beschwichtigend. Sie kam weiterhin näher, aber in einem noch langsameren Tempo, als wolle sie mir keine Angst machen. Innerlich lachte ich gerade laut auf. Dieses naive, neugierige Ding dachte wirklich, sie würde mir Angst machen? Na gut, für einen Moment war es wirklich so gewesen, doch eigentlich müsste sie in Panik weglaufen. Und das würde sie auch, sollte sie jemals erfahren was ich war.

„Thomas Cole.“, antwortete ich auf ihre Frage, als Sina sich in einem für mich gerade noch akzeptablen Abstand auf den dort stehenden Stuhl gesetzt hatte. Meine Stimme hörte sich krächzend an und der Hals schmerzte, wahrscheinlich weil ich so lange geschwiegen hatte. Was mich wiederum automatisch zu der Frage führte, wie ich hier her gekommen war und wie lange ich schon in diesem Bett lag.

„Hast du starke Schmerzen und wer hat dich so zugerichtet? Ich dachte gestern Nacht du würdest sterben, aber du hast dich erstaunlich schnell erholt.“, erklärte die Frau und ich hörte neben der unbestreitbaren Neugierde auch so etwas wie Misstrauen und Vorsicht heraus. Damit hätte sich auch die Frage nach dem Datum erübrigt, was ich sehr begrüßte, denn ich fühlte mich selbst zum sprechen zu müde. Kluges Mädchen, das sie auch so etwas wie Vorsicht kannte, dachte ich mir. Doch wenn ich ihr wirklich etwas tun wollte, hätte sie selbst wo ich in diesem desolaten Zustand war keine Chance gegen mich gehabt. Ich war ein Monster, gefährlich und unberechenbar. Sina sollte sich vorsehen, denn ich würde nicht zögern ihr etwas zu tun, wenn ich dadurch mein Leben schützen würde. Ich konnte ihr schlecht sagen, dass ich mich so gut erholte, weil ich nicht normal war. Ich war anders als sie, seit ich vor knapp zehn Jahren im Wald von einem Wolf angefallen worden war. Ja, ich war kein Mensch mehr, ich war etwas anderes. Gleichzeitig besser und stärker, aber auch Furcht einflößend. Ich war ein Werwolf. Normalerweise ahnten die Menschen das immer irgendwie, denn unwillkürlich wechselten sie im Dunkeln die Straßenseite, wenn sie mir begegneten oder gingen Zweikämpfen mit mir aus dem Weg. Doch dieses zierliche Mädchen hatte wohl ihren Instinkt verloren, schien sie zwar vorsichtig, aber nicht verängstigt zu sein.

„Du hast bestimmt Hunger. Ich hatte nicht viel im Haus, aber dann habe ich noch eine Tütensuppe gefunden. Damit hast du zumindest etwas Warmes im Magen.“, meinte Sina in das lange Schweigen hinein und legte den Kopf schief, während sie mich betrachtete. Es war fast so, als wolle sie ergründen, was in meinem Kopf vorging. Ich nickte vorsichtig und wie auf Kommando knurrte mein Magen. Sina ließ ein helles Lachen ertönen und stand wieder auf, um kurz aus dem Zimmer zu verschwinden. Ich spitzte die Ohren und konnte sie in ein Nebenzimmer gehen hören, wo sie mit Geschirr klapperte. Sofort wurde der Duft nach etwas zu Essen deutlicher und mir lief im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser im Mund zusammen. Nicht nur dass mein Körper für die Heilung sehr viel Energie benötigte, ich hatte auch in der letzten Zeit nicht regelmäßig und schon gar nicht gehaltvoll gegessen. Ich war regelrecht ausgehungert und die junge Frau konnte froh sein, dass ich nicht auf Menschenfleisch stand und sie etwas zu Essen da hatte. Irgendwas machte mich an dieser Sina nervös. Ich konnte nicht den Finger drauf legen, doch mein Instinkt sagte mir, dass irgendwas anders war an ihr und damit meinte ich nicht nur ihre völlig fehlende Angst vor mir.

Als ich die eiligen Schritte meiner mehr oder weniger unfreiwilligen Gastgeberin zurückkommen hörte, schluckte ich den Geifer herunter und versuchte mich relativ erfolglos aufzurichten. Da kam Sina auch schon wieder in den Raum, stellte einen dampfenden Teller Suppe und ein Stück Brot auf den Nachttisch neben dem Kopfende des Bettes und half mir ohne zu zögern beim aufsetzen. Mein Körper spannte sich automatisch an, verband ich doch Berührungen mit Schmerzen. Dieses Mädchen übersah gekonnt alles Warnzeichen und hätte ich durch ihre Hilfe nicht tief in ihrer Schuld gestanden, so hätte ich für nichts garantieren können. Auch so, hatte sie es nur meiner momentanen Schwäche zu verdanken, dass ich ihre Hand nicht grob zur Seite schlug oder sie anfuhr, sie solle ihre Finger von mir lassen.

Als sie das Kissen hinter meinem Rücken richtig platziert hatte, setzte Sina mir vorsichtig den Teller Suppe auf die Bettdecke und legte das Brot dazu. Endlich schien sie es kapiert zu haben, dass ich gerne einen Sicherheitsabstand zu allen Leuten hatte, denn sie setzte sich wieder auf den Stuhl, der immer noch gut einen Meter vom Bett entfernt stand. Sie zog die Beine auf die Sitzfläche, legte das Kinn auf die Knie und beobachtete mich beim Essen. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass meine Hände zitterten und ich die Suppe und das Brot förmlich herunter schlang. Dass ich damit nicht gerade manierlich as, schlürfte und die Bettdecke mit Suppe bekleckerte war geradezu vorprogrammiert. Mir fiel dies jedoch erst auf, als der Teller leer und auch der letzte Krümel Brot in meinem Mund verschwunden war.

„Noch einen Teller?“, fragte Sina, wieder mit diesem belustigten Lächeln auf den Lippen. Langsam gewöhnte ich mich an ihre Gesellschaft und gegen meinen Willen bildete sich auf meinem Gesicht ebenfalls ein winziges Lächeln, während ich den Kopf schüttelte. Mir war warm, die Schmerzen hielten sich in ertragbaren Grenzen und mein Bauch war voll. Was wollte ich mehr? Antworten!

„Wie bin ich hierher gekommen und wo ist ´hier´ überhaupt? Und wieso zur Hölle hilfst du mir? Du kennst mich nicht, ich könnte ein psychopatischer Massenmörder sein!“, fragte ich einfach drauf los. Vielleicht nicht die beste Taktik, aber ich war noch nie jemand, der lange um den heißen Brei herum redete. Geduld und Überlegtheit waren keine Stärken der Werwölfe. Unser Volk war schon immer vom Instinkt geleitet und gerade um Vollmond herum waren die Werwölfe leicht zu reizen und aggressiv. Das war es zum Großteil auch, was mir letzte Nacht beinahe das Leben gekostet hatte. Unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht mit den anderen Werwölfen nur geprügelt oder mit Geknurre und Drohungen die Grenzen abgesteckt, doch im Rausch des Vollmonds war die Auseinandersetzung ausgeartet.

„Das sind aber viele Fragen. Nun, du bist einen Kilometer von deinem Fundort und fünf Kilometer von der nächsten Stadt Siedertrop. Das hier ist das Haus meiner Familie, doch meine Eltern und vier Geschwister sind im Moment auf einer Tagung und kommen erst in ein paar Tagen wieder.“, erzählte Sina und beantwortete so wenigstens einige meiner Fragen. Jetzt wusste ich wo ich war und dass mich ihre Familie, wie auch immer, hier her gebracht hatte. Wieso sie nicht einen Krankenwagen gerufen hatte, entzog sich meiner Kenntnis. Doch was sollte man auch mit einem Mann machen, der sich eindeutig geprügelt hatte und fast daran krepierte? Ganz koscher konnte das natürlich nicht sein. Und gerade das müsste ihre Familie doch davon abhalten, Sina hier alleine mit ihm zu lassen.

„Hast du denn keine Angst? Und was hast du alleine im Wald gemacht?“, fragte ich verwundert, denn langsam wurde ich neugierig. Meine Lebensgeister waren dabei wieder aufzuerstehen und damit kam das Interesse an meiner Umwelt zurück. Immerhin war es auch lebensnotwenig zu wissen, was um mich herum vor ging und nach gestern Nacht war ich noch leicht paranoid. So zuckte ich auch zusammen, als die junge Frau die Füße auf den Boden setzte und sich vorbeugte. Sofort hielt sie in ihrer Bewegung inne und ich entspannte mich wieder etwas.

„Du bist ganz schön neugierig, Thomas. Ich mache gerne Ausflüge in den nächtlichen Wald. Angst habe ich weder vor dir noch vor dem was mir dort begegnen könnte, denn ich kann mich wehren.“, erklärte Sina stolz und ich fragte mich, was sie eigentlich anstelle von Ausflüge in dem Satz sagen wollte, denn die Pause vor dem Wort war nicht zu überhören gewesen. Das sie annahm sich wehren zu können, belustigte mich. Ein wölfisches Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Wenn mir es nur ein bisschen besser ginge, hätte ich ihr eine Demonstration von ihrer eigenen Hilflosigkeit gegeben. Doch trotz meiner beschleunigten Heilkraft, fühlte ich mich nicht gut genug dafür. Sollte mich die junge Frau angreifen oder irgendjemand sonst, würde ich es wohl schaffen mich aus diesem Bett zu erheben, doch solange ich es nicht musste, hielten mich die Schmerzen davon ab.

„Was machst du auf diesen Ausflügen?“, fragte ich vorsichtig. Einerseits musste ich es wirklich wissen, denn die Unwissenheit ließ mich unruhig werden. Andererseits genoss ich langsam dieses Gespräch, so irreal die Situation auch war. Aber was war seit der Infektion mit dem Werwolfsgen bei mir schon normal?

„Was ich auf den Ausflügen mache? Jagen.“, erklärte Sina verschmitzt und ihre scharfen Eckzähne lugten bei dem darauf folgendem Lächeln unter ihren Lippen hervor.
 

-----------------------------------------------------------
 

*unauffällig auf Reviewbutton zeig*

Würde mich freuen, wenn ihr mir einen Kommentar dalasst ;)

Tauschwert für mein Leben

„Was ich auf den Ausflügen mache? Jagen.“, erklärte Sina verschmitzt und ihre scharfen Eckzähne lugten bei dem darauf folgendem Lächeln unter ihren Lippen hervor.
 

Mir blieb fast das Herz stehen, als ich ihre spitzen Eckzähne sah. Wieder spannte sich mein gesamter Körper an, diesmal nicht aus Reflex sondern aus wirklicher Angst. Das so unschuldig wirkende Mädchen war ein Vampir! Eine genau so dunkle Kreatur, wie auch wir Werwölfe und wie es in so vielen Geschichten zu hören war, sind sich unsere beiden Völker nicht gerade freundlich gesinnt. Vampire sind trotz ihres meist eher ätherischen Aussehens blutsaugende Monster und Ein-Mann-Armeen. Ich hatte schon einmal etwas mit einem Vampir zu tun gehabt. Damals, zwei Jahre nach dem Biss des Werwolfs, zog ich mit meinem kurzfristigen Weggefährten Christopher durch die Gegend. Wir trafen auf einen Vampir-Einzelgänger und der Streit war eigentlich vorprogrammiert. Seine Gewandtheit, Kraft und Schnelligkeit trafen auf unsere Kampfeslust, Stärke und Ausdauer. Am Ende gab es auf beiden Seiten Tote. Der Vampir und mein Reisegefährte starben, während ich mir wie so oft etliche Verletzungen zugezogen hatte.

All diese Erinnerungen kamen wieder hoch und machten die zierliche Frau zu einer großen Bedrohung, die man entweder ausschalten oder aus dem Weg gehen musste. Ich hatte das Mädchen eindeutig unterschätzt, hatte mich durch dieses unschuldige Aussehen einlullen lassen und erst jetzt wurde mir die Gefahr bewusst, in der ich schwebte.

Angespannt fixierte ich die Frau, während ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte und mein Atem wieder viel zu schnell ging. Ich wollte mich aufsetzen und aus dem Bett springen, die Tür war nicht weit weg und ich würde es vielleicht schaffen. Doch bevor ich auch nur den einen Fuß unter der Decke hervorgeholt hatte, war das Vampirmädchen in beeindruckender Geschwindigkeit bei mir und drückte mich zurück in die Kissen. Gegen Sina hatte ich in meinem angeschlagenen Zustand keine Chance und das gefiel mir gar nicht. Drohend knurrte ich, doch sie zeigte keine Angst, trat nur ein paar Schritte von dem Bett zurück, in Richtung Fenster. Bei der Aktion war sie nur knapp meiner Hand entkommen, mit der ich rein instinktiv nach ihr geschlagen hatte. Leise knurrend, richtete ich mich wieder in dem Kissen auf und betrachtete die Vampirin mit zusammen gekniffenen Augen. Mittlerweile hatte ich auch herausgefunden, was mich an ihr irritiert hatte. Sie roch völlig neutral. Menschen stanken immer leicht nach Schweiß, Deodorant oder irgendwas anderem, doch diese Frau roch wie jeder andere Vampir nach nichts. Denn Vampire hatten keinen Eigengeruch, nahmen nur langsam den Geruch ihrer Umgebung an, was auch den Duft nach Rosenblüten im Wald erklärte. Wieso war mir das nicht eher aufgefallen? Innerlich schüttelte ich über meine Unaufmerksamkeit den Kopf, das war wirklich ein Anfängerfehler gewesen.

„Ich will dir nichts tun, glaub mir doch.“, sagte Sina fast flehend und schob schmollend die Unterlippe vor. Misstrauisch legte ich den Kopf schief und schaute mir die Frau an. Wie dieses unschuldig wirkende, zarte Mädchen ein blutrünstiges, Menschen tötendes Monster sein sollte, ging mir einfach nicht in den Kopf.

„Dir ist schon klar was ich bin, oder? Unsere Familien sind nicht gerade gut aufeinander zu sprechen.“, erklärte ich. Auch wenn ich jetzt mit ihr sprach, hieß es noch lange nicht, dass ich ihr vertraute. Mein Körper war immer noch angespannt und ich verfolgte jede Bewegung dieser Frau, so dass ich mich jederzeit verteidigen konnte, sollte Sinas Stimmung von neugierig zu aggressiv umschlagen. Doch sie machte keine Anstalten wieder näher zu kommen, hatte sich sogar ganz bis zum Fenster zurückgezogen, was mir den Weg zur Tür offen hielt.

„Schon, aber ich habe noch keinen Wolf getroffen.“, meinte Sina und kaute gespannt auf ihrer Unterlippe, die Eckzähne waren wieder in normaler Größe zu sehen. Dabei wippte sie wie ein kleines Kind auf den Fußballen und spielte mit den Falten ihres Rockes. Kurz wanderte mein Blick zu der Tür, die einladend offen stand. Doch schnell schaute ich wieder zu dem Vampirmädchen zurück und ich ließ mir ihren Satz noch mal durch den Kopf gehen. Sie konnte noch nicht so alt sein, denn auch wenn sich Vampire und Werwölfe aus dem Weg gingen, so kam es doch gezwungenermaßen zu Begegnungen. Wenn Sina noch nie einen meiner Art getroffen hatte, so war sie entweder erst vor kurzem gebissen worden, oder hatte sehr behütet gelebt.

„Dann bin ich also dein Forschungsobjekt?“, fragte ich missmutig und immer noch schwang dieses dumpfe Grollen in meiner Stimme mit, dass gestandene Männer dazu brachte vor Angst zu zittern. Verdammt, ich war doch kein Versuchskaninchen, wenn diese verzogene Vampirgöre etwas über Werwölfe lernen wollte, sollte sie sich ein Buch kaufen. Obwohl so Bücher nicht gerade viel Wahrheit enthielten, so waren nicht nur Silberwaffen tödlich für meine Rasse, wie ich gestern fast eindrucksvoll bewiesen hätte. Andererseits musste ich zugeben, dass ein paar Fragen zu beantworten ein sehr geringer Preis für mein Leben war.

Energisch schüttelte Sina ihren Kopf wegen meine Frage, dass die Strähnen ihres kurzen Haares nur so flatterten. Dann hielt sie inne, um entschuldigend mit der Schulter zu zucken und kleinlaut zu sagen: „Na gut, vielleicht ein kleines bisschen.“

Beschämt schaute sie mich unter ihren langen Wimpern her an und gegen meinen Willen musste ich auflachen, wirkte ein einem Werwolf gegenüber verlegener Vampir zumindest für mich völlig irreal. Eine halbe Sekunde später wünschte ich mir, ich hätte nicht mal ans Lachen gedacht, denn meine Seite strahlte glühende Flammen aus Schmerzen in alle Richtungen aus. Dort wo mich das Messer des Rudelführers der anderen Werwölfe getroffen hatte, musste sich immer noch eine tiefe Wunde befinden, waren doch gerade mal ein paar Stunden seit meiner kleinen Konfrontation mit dem Rudel vergangen. Entgegen der weitläufigen Meinung verwandeln Werwölfe sich nicht nur zu Vollmond, doch eine Auseinandersetzung fand meist in der menschlichen Form statt, weswegen letzte Nacht auch eher Faustschläge und Fußtritte auf beiden Seiten eingesteckt und ausgeteilt wurden.

Während ich noch damit beschäftigt war meine Atmung und damit auch die Schmerzen wieder unter Kontrolle zu bekommen, merkte ich trotz der zusammen gekniffenen Augen etwas neben mir. Wenn die Vampirin jetzt ihre Neugierde verloren hatte, hatte ich ein ziemliches Problem. Doch bevor ich auch nur die Augen öffnen konnte, legte mir Sina mitfühlend ihre kleine, warme Hand auf die nackte Schulter. Ja, ihre Hand war warm. Ich weiß nicht, woher die Menschen diesen Unsinn haben, dass ein Vampir ein ausgesaugter und toter Körper sein soll. Wie sollte so was auch funktionieren? Tot ist tot, da hilft auch kein magischer Speichel eines Jahrhunderte alten Wesens. Nein, es ist wie bei uns Werwölfen, beide Rassen werden gebissen und verwandeln sich in etwas, das keine natürliche Todesursache kennt. Der einzige Unterschied in der Lebenserwartung war wohl, dass Werwölfe wegen ihrer impulsiven Art schnell in tödliche Auseinandersetzungen gezogen wurden. Eigentlich erstaunlich wie sich die beiden Völker bei so viel Gemeinsamkeiten bei ihren Begegnungen immer gegenseitig an die Gurgel gehen mussten. Langsam öffnete ich die Augen und knurrte wieder auf, doch die Vampirin hatte schon die Hand von meiner Schulter genommen.

„Geht’s wieder?“, fragte Sina mit einem erstaunlich warmen Ton und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesichtfeld herum. Reflexartig griff ich zu und hielt ihr Handgelenk fest, die Zähne leicht gefletscht. Das war einfach der Wolf in mir, ich hatte lieber einen Sicherheitsabstand zu allen Menschen und zu einem Vampirmädchen erst recht. Ich war nicht umsonst ein einsamer Wolf, ein Einzelgänger.

Sina bleckte die Zähne und die spitzen Eckzähne lugten bedrohlich unter ihren Lippen hervor. So etwas wie Angst blitzte in ihren Augen auf und sie entriss mir ihr Handgelenk, um ein paar Schritte zurück zu springen.

„Ich wollte nur nett sein.“, schmollte sie, als sie einen sicheren Abstand zwischen uns beide gebracht hatte und nur langsam wich der drohende Ausdruck aus ihrem Gesicht. Dabei rieb sie ihr rechtes Handgelenk, während sie mich immer noch etwas wütend anfunkelte. Einen Moment tat mir leid, dass ich ihr wehgetan hatte, aber wirklich nur einen winzigen Augenblick. Verdammt, ich ließ mich schon wieder von dem verletzlichen und kindlichen Auftreten der Vampirin einlullen. War die Naivität bei ihr nur gespielt oder war sie wirklich so unschuldig, wie sie wirkte? Ich wusste absolut nicht, was ich von ihr halten sollte. Es war, als hätte sie zwei Wesenszüge in sich, die gar nicht zusammen passten und andauernd um die Vorherrschaft kämpften. Das naive, kleine Mädchen stand im völligen Gegensatz zu dem berechnenden und vorsichtigen Vampir. Was für ein anstrengendes aber auch interessantes Wesen die Frau doch hatte! Und vielleicht war es das, was mich dazu brachte ihr zu antworten. Ich konnte nichts dafür, ich stand einfach auf Herausforderungen.

„Also Kleines, was willst du wissen?“, fragte ich betont herablassend. Ich trieb ein gefährliches Spiel, aber ich wollte wissen wie die Frau mit Provokationen umging und dadurch herausfinden mit was für einer Person ich es zu tun hatte. Dann wusste ich auch endlich, wie ich es anstellen musste, um wieder von hier verschwinden zu können, denn einfach gehen lassen würde mich die Vampirin wohl nicht.

„Ich würde an deiner Stelle nicht so überheblich sein, Thomas. Schließlich musst du es noch mindestens einen Tag mit mir aushalten, bevor du wieder vollständig auf den Beinen bist.“, erklärte die Frau ernst und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Die leise Drohung, dass sie bis zu meiner Genesung die Überlegene von uns beiden war, war nicht zu übersehen. Damit war auch geklärt, was für ein Wesen Sina hatte. Unter dem Mantel von kindlicher Naivität lag eindeutig eine selbstbewusste Frau verborgen, die wusste was sie wollte. Ich sollte mich wirklich mit weiteren Provokationen zurück halten. Doch das Positive war, dass es für sie einen triftigen Grund gab mich letzte Nacht zu retten und mein Leben nicht durch verloren gehendes, kindliches Interesse in Gefahr geriet. Ein beruhigender Gedanke nicht in den Händen einer Göre im Frauenkörper zu sein und ein wenig nahm mir diese Erkenntnis die Anspannung. Sina legte wieder den Kopf schief und betrachtete mich mit einem Ausdruck irgendwo zwischen erstaunt und nachdenklich. Sie musste sich bestimmt fragen, wieso ich nach einer Drohung lockerer wurde und ich konnte nicht anders als wölfisch zu grinsen.

„Ich will wissen, welche der Geschichten über Werwölfe stimmen. Und zu deiner Beruhigung: Wenn du wieder fit genug bist, kannst du gehen wohin du willst. Ich kann meine Neugierde befriedigen und du hast einen Ort wo du in Ruhe wieder gesund werden kannst. Wir haben also beide etwas davon.“, legte Sina in einem geschäftsmäßigem Ton die Karten offen auf den Tisch. Wenn das wirklich ihre Absichten waren, hörte sich das für mich akzeptabel an. Ich würde zwar die ganze Zeit auf der Hut sein müssen, aber für ein, zwei Tage ein Dach über dem Kopf zu haben, schien mir momentan ziemlich verlockend zu sein. Denn die Vorstellung mich hier aus dem Bett zu quälen und die fünf Kilometer bis zur Stadt zu laufen, behagte mir gar nicht. Fünf Kilometer hören sich immer so wenig an, doch wenn der Körper bei jedem Schritt weh tut und man vor Müdigkeit die Augen kaum offen halten kann, können fünf Kilometer ganz schön lang werden. Also nickte ich leicht, was Sina richtigerweise als Zustimmung für ihren Vorschlag auffasste und so wieder ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zauberte.

„Oh, ich habe so viele Frage!“, rief Sina überdreht und setzte sich wieder auf ihre Fensterbank, das Buch dabei aus versehen hinwerfend. Mit einer verschämten Geste nahm sie das Buch wieder hoch und legte es neben sich auf das Polster. Und da war wieder die kindliche Seite der Vampirfrau, langsam drehte sich mir von dem ganzen hin und her der Kopf. Nur mühsam konnte ich mir das Lächeln verkneifen, sah die ihre unbeholfene Art einfach zu niedlich aus. Was dachte ich da? Vampire waren nicht niedlich, sondern tödliche Gefahren, da machte dieses kleine Vampirmädchen keine Ausnahme.

„Wie alt bist du? Wann wurdest du gebissen? Tut das auch so weh, wie bei Vampiren? Hast du eine Veränderung seitdem bemerkt?“, rasselte Sina ihre Fragen herunter und ich hatte Mühe alle mitzubekommen, war ich doch auch mit dem Beobachten der Frau beschäftigt. Auch wenn wir einen momentanen Waffenstillstand geschlossen hatten, hieß es noch lange nicht, dass ich meine Vorsicht vergaß. Wusste sie eigentlich, was für dunkle Erinnerungen sie damit ausgrub?

„Nun, ich bin mit 26 auf einem Survival-Urlaub gebissen worden, das war vor ungefähr zehn Jahren und natürlich tat es weh. Meine Sinne sind verbessert, meine Instinkte bestimmen mein Leben mehr und ich gerade andauernd in Schwierigkeiten.“, zählte ich langsam auf, immer wieder Pausen machend, um zu überlegen. Einerseits wollte ich die Vampirin nicht verärgern, andererseits aber auch nicht zu viel von mir verraten. Die Erinnerungen gehörten mir und es gefiel mir nicht gezwungen zu sein, diese mit jemandem zu teilen. Müde rieb ich mir über die Augen und konnte mir gerade noch ein Gähnen verkneifen.

Die kurzen Augenblicke, die ich benötigte mir über die Augen zu wischen, hatte Sina genutzt, um fast lautlos wieder an mein Bett zu treten. Erschrecken musste sich in meinem Blick gezeigt haben, denn das Vampirmädchen lächelte beruhigend, um sich dann näher herunter zu beugen. Ich hielt den Atem an und versuchte ihre Absichten zu erkennen. Wollte sie mich gerade angreifen oder nach meinem Befinden sehen? Wie sollte ich bloß durch dieses Mädchen durchblicken?

Sina schloss ihre Augen, blieb regungslos neben meinem Bett knien und einen Moment war es totenstill in dem Zimmer. Ich traute mich nicht auch nur einen Finger zu bewegen, sondern beobachtete jede Regung in ihrem Gesicht. Ich hörte ihre seltenen Atemzüge und ruhigen Herzschläge, draußen sangen Vögel und das Gebälk des Hauses arbeitete. Eigentlich alles natürliche Geräusche, die mich beruhigen sollten, doch gerade diese Stille machte mich verrückt.

„Dein Herz rast aber! Genau so schnell wie bei einem Menschen.“, staunte das Vampirmädchen. Sie sah ehrlich überrascht aus und schaute mich jetzt mit großen Augen an. Eigentlich verstand ich sie, schließlich war es eine logische Schlussfolgerung, von ihren verlangsamten Vitalfunktionen auch darauf zu schließen, dass ich so funktionierte. Außerdem, welcher Vampir hatte sich in der Hinsicht schon mal Gedanken gemacht? Begegnungen zwischen Werwölfen und Vampiren ließen eben keine Zeit zum um so etwas zu überprüfen. Das Mädchen beugte sich noch näher zu mir herunter und ich grollte finster auf.

„Du bist müde. Schlaf! Später reden wir weiter.“, befahl Sina regelrecht und ich spürte ihren Atem auf meiner Haut, so nah war sie mir mit ihren gefährlichen Eckzähnen. Gerade meinte ich es nicht mehr aushalten zu können und wollte sie gewaltsam auf gebührenden Abstand bringen, da stand sie auf. Mit einem kecken Lächeln drehte sich das Vampirmädchen um und tänzelte Richtung Tür. Sie winkte mir noch mal zu, bevor sie die Tür von außen schloss und sich über den Flur entfernte. Ich muss zugeben, ein paar Augenblicke starrte ich einfach nur mit offenem Mund auf das Holz der Tür. Dieser ständige Wechsel zwischen naiv-kindisch und berechnend, war verwirrend und anstrengend. Aber ich musste zugeben, dass ihre Art sie ans Ziel brachte, schließlich hatte sie bekommen, was sie wollte.

Aber so ungern ich es auch zugab, Sina hatte Recht. Ich war müde, ich konnte meine Augen kaum noch offen halten, denn die Heilung meines Körpers benötigte so ziemlich alle Kraft, die ich aufbringen konnte. Und während ich mir einen Fluchtplan zurechtlegte, wie ich ohne von dem Vampirmädchen getötet zu werden von hier weg kam, driftete ich in einen erholsamen Schlaf.

Mondsüchtig

Liest das hier überhaupt wer? ^^
 

-----------------------------------------------------
 

Das erste, was ich wahrnahm, waren die leisen Geräusche aus dem arbeitenden Holzgebälk. Es duftete nach Büchern und Rosen anstelle nach dem kalten Rauch oder Schimmel meiner sonstigen Unterkünfte und ich seufzte lächelnd auf. Ich wusste zwar nicht wo ich war, aber ich fühlte mich seltsam erholt. Genüsslich streckte ich mich, doch zuckte zusammen, als ich einen stechenden Schmerz an der Seite fühlte und das war es, was die Erinnerungen an die letzten Stunden zurückbrachte.

Blitzschnell schreckte ich hoch, riss ich die Augen auf und sah mich leicht panisch im Zimmer um. Keine Vampirin. Erleichtert seufzte ich wieder auf und entspannte mich etwas, während ich versuchte die ungefähre Uhrzeit zu ermitteln. Irgendwas mitten in der Nacht, denn das Zimmer war dunkel und nur dank meiner etwas verbesserten Sicht, ein Gratisgeschenk des Werwolfbisses, konnte ich etwas mehr als nur die Konturen erkennen. Das Fenster war nicht durch irgendwelche Gardinen verdeckt und so sah ich auf dem Fensterbrett immer noch Sinas Buch im Schein des abnehmenden Mondes liegen.

Ich ließ mich wieder zurück in das Kissen fallen und machte mich gleich daran, meine Verbände zu überprüfen. Ich wickelte zuerst eine Bandage am rechten Oberarm ab und musste breit grinsen, als ich eine kaum zu erkennende Narbe auf ansonsten unversehrter Haut sah. Die paar Stunden Schlaf hatten wahre Wunder gewirkt, denn ich fühlte mich zwar immer noch schrecklich erledigt und meine Seite und ein, zwei andere Stellen schmerzten noch etwas, aber der Rest meiner Verletzungen war mittlerweile wohl verheilt. Was mich allerdings erschreckte war, dass ich meine Rippen zählen konnte, als ich die Verletzung an meiner Seite begutachten wollte. War ich wirklich so dünn? Es stimmte zwar, dass ich manchmal nicht genug zu Essen hatte, weil bei mir das Geld eigentlich immer knapp war und ich in meinem Wandererleben auch mal einfach nur wochenlang durch den Wald strich. Aber es war auch schwer an Geld zu kommen, denn wer gab einem Kerl wie mir ohne Referenzen gut bezahlte Jobs und auf illegale Sachen wie Raubüberfälle griff ich nur zurück, wenn ich wirklich hungrig war, brachten sie doch nur Ärger ein. Doch mein jämmerlicher Zustand fiel mir erst jetzt auf, wo ich hier friedlich in meinem Bett lag und mich auf mich konzentrieren konnte. Ich schüttelte den Kopf, um ihn frei zu kriegen. Für solche Gedanken war jetzt keine Zeit.

Ich schwang die Beine aus dem Bett und wickelte alle anderen Verbände ab, die Stoffstreifen warf ich neben das Kopfende. Es war ein ganz schöner Haufen, der auf dem Boden zu liegen kam, ich hatte mir wohl ganz schön was eingefangen letzte Nacht. Ich stand mit Schwung auf, oder eher gesagt ich versuchte es, denn beinahe sofort knickten meine Beine wieder unter mir weg und ich fiel zurück auf die weiche Matratze. Scheiße, das war so aber nicht geplant gewesen! Ich hätte nicht gedacht, dass ich so erschöpft war, fühlte ich mich doch eigentlich verhältnismäßig gut. Aber was erwartete ich auch von meinem Körper? Immerhin hätte ich gestern beinahe das Zeitliche gesegnet. Zögernd versuchte ich erneut aufzustehen, diesmal aber langsamer und tatsächlich knickten die Beine nicht wieder ein, auch wenn sie vor lauter Anstrengung zitterten.

Eigentlich hatte ich vor die Vampirin zu umgehen, das Haus zu verlassen und weiter zu ziehen, doch mir fiel auf, dass ich nur meine Boxershorts trug. So konnte ich natürlich nicht in der nächsten Stadt auftauchen, also flog mein Blick einmal durchs Zimmer auf der Suche nach meinen Kleidungsstücken. Auf dem Stuhl, auf dem Sina gesessen hatte, lagen nun ordentlich zusammen gefaltete Sachen, was ich ziemlich umsichtig von der Vampirin fand, denn meine Klamotten hätten wohl nur noch als Putzlappen dienen können. Als ich die Kleidung näher betrachtete, erkannte ich eine saubere Jeans, ein weißes T-Shirt und einen dunkelblauen Pullover, sogar an Unterwäsche hatte meine Gastgeberin gedacht. Doch waren weder Socken noch Schuhe zu finden und ich fluchte leise. Nur weil dieses naive Vampirmädchen barfuss hier herumlief, hieß das noch lange nicht, dass ich das auch musste! Im Wald war es kalt und ich wollte mir nicht den Tod holen, außerdem hatte ich meine Schuhe gerade so schön eingelaufen, die wollte ich wieder haben!

Leise grollend zog ich mich an und wäre die Vampirin jetzt zur Tür herein gekommen, hätte ich für nichts garantiert. Dieses vermaledeite Miststück, klaute einfach meine Schuhe! Wenn man so sah, war das das Einzige, was ich besaß und irgendeinen Wert hatte. Okay, eigentlich war es das Einzige, was ich überhaupt besaß, denn mein Rucksack mit den anderen wenigen Habseligkeiten hatte das Rudel unter sich aufgeteilt, als sie mich so gut wie tot hatten liegenlassen. Mit den Erinnerungen verrauchte auch der Zorn auf die Vampirin, der Groll auf das gegnerische Rudel war für mich ein viel besseres Feindbild. Ich versuchte mir, wenig erfolgreich, einzureden, dass ich mit dem Kapitel von letzter Nacht abgeschlossen hatte. Ich wusste doch eigentlich, dass diese Erinnerung tief in mir noch lange schlummern und in Form von Albträumen oder übertriebener Vorsicht immer wieder ans Tageslicht kommen würde.

Mit dem abklingenden Zorn kehrte ein anderes Gefühl in den Vordergrund oder eher gesagt ein dringendes Bedürfnis: ich musste mal für kleine Wölfe. In Ermangelung von Schuhen und Socken, die Schränke und Schubladen wollte ich nicht durchsuchen, ging ich einfach barfuss bis zur Tür. Leicht schwankte ich dabei und musste mich an dem Türrahmen festhalten, schwer atmend und mit zittrigen Beinen. Die Tür war zu und fragte mich, wie ich es nur hatte überhören können, dass Sina hier herein gekommen war und mir die Kleidung auf den Stuhl gelegt hatte. Normalerweise wachte ich ja schon davon auf, wenn sich eine Person vor der Tür meines Motelzimmers bewegt oder in der Nähe war, wo ich schlief.

Ich öffnete die Tür und sah mich um. Vor mir lag ein hell gestrichener Flur mit noch fünf anderen Türen, am einen Ende des Flures führte eine Treppe sowohl nach oben, als auch nach unten. Leise Rockmusik war von unten zu hören und Geräusche, als würde dort jemand herumlaufen, jetzt wusste ich wenigstens, wo sich das Vampirmädchen aufhielt. Ich ließ das Licht aus, reichte mir doch das dämmrige Licht des fast vollen Mondes, der durch zwei Fenster in den Flur hineinstrahlte. Auf Gutglück öffnete ich eine Tür und sah eine kleine Küche vor mir, die aber eher selten genutzt aussah und für das vermutlich große Haus winzig wirkte. Ich bekam immer mehr den Eindruck in einer richtigen Villa gelandet zu sein, denn wo gab es sonst eine Zweitküche? Doch das war im Moment egal, ich suchte ein Bad, also öffnete ich die nächste Tür. Dahinter befand sich ebenfalls ein Schlafzimmer, was allerdings eindeutig von einer weniger ordentlichen Person bewohnt wurde wie meines, denn hier lagen alle möglichen Kleidungsstücke und andere Gegenstände auf dem Boden herum. Den Kopf schüttelnd ging ich weiter, ein schlampiger Vampir, wo gab es denn so was? Bei der nächsten Tür hatte ich Glück und ich fand ein Badezimmer. Alles wirkte auf dezente Weise teuer und edel und ein angenehmer Geruch nach Zitrusreiniger kitzelte in meiner Nase. Nachdem ich die Toilette benutzt und mir die Hände gewaschen hatte, spritzte ich mir einen Schwall Wasser ins Gesicht, um endlich richtig wach zu werden. Das kalte Wasser tat gut und war erfrischend kühl. Einmal tief durchatmend lehnte ich meine Hände auf den Rand des Waschbeckens und schaute mich in dem diffusen Licht in den darüber befindlichen Spiegel an. Über mein gebräuntes Gesicht liefen die klaren Wassertropfen und fielen von meiner Nasenspitze oder dem Kinn hinunter ins Waschbecken. Meine braunen Augen wirkten bei den tiefen Schatten darunter und dem fehlenden Licht noch glanzloser als sonst an manchen Tagen und die Wangen waren eingefallen. Ja, die letzten beiden Tage hatten ganz schön an meiner Substanz gezehrt und ich sollte mir wirklich einen Job suchen sobald ich hier weg war und mich an einem Ort für ein paar Wochen aufhalten, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch wer gab mir schon eine Stelle? Ich sah nicht nur kränklich aus, meine Papiere waren mitsamt dem Rucksack verschwunden und mit meiner Werwolfs-Ausstrahlung war ich nicht gerade Vertrauen erweckend.

Wütend holte ich aus, um den Spiegel zu zerschlagen der mich zu verhöhnen schien, doch lenkte ich im letzten Augenblick meine Faust um und traf so nur die Fliesen der Wand. Schmerz durchzuckte meine Hand und mit einem Blick sah ich, dass zwar die Fliese und meine Knochen gehalten hatten, doch die Haut am Knöchel aufgeplatzt war. Vor mich hin grummelnd wischte ich mit einem Handtuch das Blut von den Knöcheln meiner rechten Hand. Sollte sich die Sina doch über das blutige Handtuch ärgern, das nahm ich im Moment billigend in Kauf. Ich trat an das Badezimmerfenster und schaute hinaus. Der immer noch fast volle Mond erhellte eine großzügige Parkanlage und den dahinter beginnenden Wald und ich merkte ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Herzgegend. Ich würde einiges dafür geben, jetzt unverletzt und ausgelassen in meiner Wolfsform durch den Wald zu toben, vielleicht aus Spaß ein Tier zu hetzen oder einfach nur das Bad im Mondschein zu genießen. Doch dafür musste ich erstmal heile wieder aus den Fängen des Vampirmädchens kommen, denn ich glaubte erst, dass sie mich gehen lassen würde, wenn ich unbeschadet den Waldrand hinter mir gelassen hatte.

Es war unwahrscheinlich, dass ich an der Vampirin vorbei kam, doch ich konnte es mal versuchen. So leise wie möglich schlich ich zurück auf den Flur und zu den Treppen und schnupperte in der Luft, um nahe Personen zu bemerken, bevor ich mir innerlich vor den Kopf schlug und an die Geruchlosigkeit von Vampiren dachte.

Je weiter ich die Treppe herunter ging, desto heller wurde es und desto lauter wurde die Musik, bis sie schließlich fast unangenehm war. Das Gehör eines Werwolfes war also zumindest ein bisschen besser, als das eines Vampirs, diese Erkenntnis speicherte ich unter „Dinge die vielleicht dein Leben retten können“ ab und schlich weiter. Obwohl ich mir anscheinend gar nicht so große Mühe hätte geben müssen, denn das was ich vom letzten Treppenabsatz sah, ließ mich völlig perplex stehen bleiben und mich offenen Mund in den großen, als Wohnzimmer eingerichteten Raum starren.

Zu den rockigen Klängen irgendeiner Band, ich stand eher auf Metall und konnte das Lied daher nicht einordnen, hüpfte, drehte und wirbelte die kleine Vampirin durch das nur von einer Stehlampe erhellte Zimmer. Sie sprang sogar auf dem großen Sofa herum, doch bewegte sie sich dabei mit der ihr eigenen Eleganz eines Vampirs. Ich konnte wirklich nicht anders, als wie eingefroren da zu stehen und sie anzusehen, dabei wäre dies ein guter Zeitpunkt gewesen von hier zu fliehen, doch das fiel mir erst später ein. Es war aber nicht ihr zugegebener Maßen recht niedlicher Anblick, sondern eher die Verwunderung, dass ein Blut trinkendes Monster wie ein Teenager durch die Wohnung hüpfte, was mich sie völlig perplex anstarren ließ.

Wie lange ich die Vampirin beim Tanzen beobachtete, wusste ich nicht, doch war es nicht mehr als wenige Augenblicke bevor Sina mitten in einer Drehung inne hielt und mich fixierte. Innerhalb eines Augenblicks ließ sie sich auf dem Sofa fallen, dass sie dort diszipliniert saß und schaffte es sogar irgendwie ihren weiten Rock so zu fassen, dass er nicht hochflog sondern züchtig auf ihren Knien zu liegen kam.

Sina machte so ein harmloses unschuldiges Gesicht, doch ihre kurzen Haare standen durch das Herumhüpfen in alle Richtungen ab, so dass ich einfach nicht anders konnte als zu grinsen. Für einen weiteren Augenblick sahen wir uns einfach nur in die Augen und das kleine Vampirmädchen hatte darin ein übermütiges Glitzern liegen, das ich nicht ganz einordnen konnte. Sina brach den Bann, indem sie zur Anlage ging und die Musik ausstellte, wobei sie für meine Ohren noch deutlich hörbar vor sich hin summte. Langsam kam ich die restlichen Stufen herunter, vorsichtig weil ich meinen Beinen nicht ganz vertraute und weil ich die Vampirin nicht aufscheuchen wollte. Das Mädchen war also gerade wieder in der zutraulichen und freundlichen Stimmung, was mich dazu veranlasste, mich ihr auf wenige Meter zu nähern, auch wenn es gegen meinen Instinkt ging. Die Vampirin drehte sich um und kam ein paar Schritte von der Musikanlage auf mich zu, blieb aber stehen sobald ich mich anspannte.

„Hast du gut geschlafen? Oder hab ich dich mit der Musik geweckt?“, fragte Sina mit einem ehrlichen und einnehmenden Lächeln. In Ordnung, was war hier los? Meine Gastgeberin – und gleichzeitig Kerkermeisterin – fragte mich tatsächlich, wie ich geschlafen hatte und meinte es anscheinend ernst. Das hatte seit Jahren niemand mehr ernsthaft getan und irgendwie irritierte mich das. Also nickte ich stumm.

„Was hast du an deiner Hand gemacht?“, fragte die Vampirin plötzlich erstaunt und versuchte danach zu greifen, doch kaum kam sie mir zu nah, zog ich instinktiv meine Hand zurück. Sie schaffte es zwar kurz meine verletzten Knöchel zu berühren, aber ich brachte schnell mehrere Meter zwischen uns. Sina sah etwas erschrocken aus, ich konnte nicht genau einordnen worüber, vielleicht weil ich so heftig reagiert hatte oder vielleicht auch weil sie über ihre eigene unüberlegte Handlung schockiert war, hatte sie doch das gerade beginnende Zutrauen von meiner Seite zerstört. Alle meine Sinne waren wieder darauf fixiert, wie sich das Vampirmädchen bewegte und ob ich nicht in ihren Augen ein Zeichen von Angriffslust erkennen konnte. Nur mit Mühe gelang es mir ein Knurren zu unterdrücken und sollte die Vampirin mir zu nahe kommen, würde ich nicht so hilflos sein wie heute Morgen – oder war es Mittag gewesen?

Sina schaute auf ihre rechte Hand und ich folgte ihrem Blick. Daran waren feine Abdrücke meines Blutes zu erkennen und als wäre es eine völlig natürliche Reaktion, leckte sie die kleinen Blutspuren ab. Angewidert verzog ich das Gesicht. Hatte diese Vampirin das letzte Nacht etwa auch gemacht? Ich hätte gerne mein Blut behalten und Sina würde besser daran tun, ihre Zähne von meinen Adern zu lassen! Doch auch das Vampirmädchen schien nicht sonderlich erfreut zu sein, denn sie verzog das Gesicht ebenfalls vor lauter Ekel. Sie streckte sogar die Zunge raus und wischte sich mit der Hand darüber.

„Pfui! Dein Blut schmeckt ja zum … eklig!“, schimpfte sie und schüttelte den Kopf, als hätte sie in eine Zitrone oder Grapefruit gebissen. Doch trotz ihrer unter anderen Umständen lustigen Reaktion verzog ich keine Miene sondern überlegte. Damit wäre die Frage geklärt, ob sie letzt Nacht auch mein Blut getrunken hatte, etwas Positives hatte die ganze Sache, ich musste keine Angst haben am nächsten Morgen mit ein paar Litern weniger Blut aufzuwachen.

„Jetzt weiß ich wenigstens, wieso sich unsere Völker nicht verstehen. Ihr könnt uns wortwörtlich nicht riechen und uns schmeckt ihr einfach nicht.“, erklärte Sina und brach in albernes Gekicher aus. Da half es auch nicht, dass sie die Hand vor den Mund hielt um das kindische Lachen zu unterdrücken. Ich rollte genervt mit den Augen und seufzte auf. Wo nahm dieses Mädchen nur diese Energie her, immer so überdreht und fröhlich zu sein? Mir ging der andauernde Gemütswechsel der Vampirin ziemlich auf die Nerven, auch wenn sie im Moment eher auf der fröhlichen anstelle der vorsichtigen Schiene lief.

„Wo sind meine Schuhe?“, fragte ich gereizt. Ich wollte hier weg. Fort von dem Haus, wo eine ganze Sippe von Vampiren wohnte, auch wenn gerade nur das Vampirmädchen vor mir anwesend war und dafür brauchte ich nun mal meine verdammten Schuhe. Ich sah es nicht ein, barfuss durch den Wald zu rennen. Wohl etwas über meinen aggressiven Ton erstaunt zog Sina die Stirn kraus und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an, als überlege sie angestrengt. Dann verdüsterte sich ihr Gesicht und sie schob schmollend die Unterlippe vor.

„Du willst gehen. Mitten in der Nacht? Siehst du da draußen überhaupt was? Ich kann mich an die Zeit erinnern, als ich noch ein Mensch war, da wäre ich völlig blind durch den Wald geirrt.“, stellte die Vampirin fest und machte eine Geste mit der Hand in Richtung Fenster und die für menschliche Augen dahinter liegende Dunkelheit. Ich brauchte ihrer Geste gar nicht mit den Blicken zu folgen, um zu wissen dass ich dort draußen mehr als nur die Umrisse erkennen konnte, wenn ich auch nicht so gut wie am Tag sah. Doch das musste ich der Vampirin ja nicht direkt auf die ohnehin schon viel zu neugierige Nase binden, war es doch besser immer noch ein Ass im Ärmel zu haben, besonders gegen potentiell tödliche Gegner.

„Ich bin nicht gerade jemand, den man einsperren sollte.“, knurrte ich mit einem leicht drohenden Unterton. Die Vampirin sollte nicht denken, dass ich mich hier wie ein kleines Schoßhündchen einsperren ließ. Langsam trat ich nun doch zum Fenster und sah hinaus, hatte dabei aber immer noch die Vampirin im Blick. Wieder fühlte ich diese Sehnsucht durch den vom Mond beschienen Wald zu rennen oder meinen Übermut anders abzureagieren. Ich war zwar noch etwas schwach auf den Beinen, doch der Mond brachte mich dazu das alles zu vergessen und etwas an Selbstüberschätzung zu leiden. Aber wie es aussah, würde ich diese Nacht nicht mehr nach draußen kommen, denn erstens hätte mich die Vampirin eingeholt bevor ich die Haustür auch nur erreichen konnte und außerdem zeigte ein leicht rosiger Streifen am Horizont an, dass die Sonne bald aufgehen würde. Enttäuscht drehte ich mich um, ging zu dem großen Sofa und ließ mich darauf fallen, das Gesicht vergrub ich in meinen Händen

„Wie wär’s: Ich mache dir Frühstück, du ruhst dich solange noch aus und dann zeig ich dir den Weg in Richtung Stadt.“, seufzte Sina auf. Sofort schoss mein Kopf hoch und ich sah die Vampirin mit einer Mischung aus Verwunderung, Erleichterung und Unglauben an. Sie wollte mich wirklich freiwillig gehen lassen, ohne dass ich mir den Weg freikämpfen musste? Und das alles nur für eine Gegenleistung von ein paar Fragen beantworten? So recht wollte ich das nicht glauben, doch die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt. Außerdem tat mir jede Sekunde Ruhe gut, die ich bekommen konnte. Ich nickte Sina zu und sie ging auf eine Tür zu, hinter der ich die Küche vermutete. Irgendwie sah sie dabei etwas traurig oder eher enttäuscht aus. Hatte sie wirklich geglaubt, dass ich hier freiwillig oder gar gerne war? Armes, naives Ding! Kopfschüttelnd legte ich mich auf das Sofa und starrte die Decke an. Mein Leben war ganz schön kompliziert und ich wusste nicht, ob es durch die Begegnung mit dem kleinen Vampirmädchen nicht noch schlimmer geworden war. Aber zumindest lebte ich noch – vorerst.

Abschied?

Mein Körper versagte mir den Gehorsam und ich wäre gefallen, wenn ich nicht brutal an meinen Oberarmen aufrecht gehalten worden wäre. Links und rechts stand jeweils einer der Werwölfe des Rudels, dessen Anführer ich in einem Anflug von Größenwahn beleidigt hatte. Verflucht seien der Vollmond und mein Hitzkopf, welche mich dazu gebracht hatten, einen Streit über ein verschüttetes Bier anzufangen. Die Finger der beiden Werwölfe bohrten sich regelrecht in meine Haut, besonders der Mann zu meiner Rechten gab sich alle Mühe mir weh zu tun, hatte ich ihm doch zu Anfang dieses ungleichen Kampfes die Nase gebrochen und noch immer lief ein kleines Rinnsal von Blut aus seinem nun schiefen Riesenzinken. Doch selbst dieser Anblick brachte mich nicht dazu zu grinsen, viel zu sehr schmerzte mir jede Stelle an meinem Körper, hatten doch fünf ausgewachsene Werwölfe auf mir rumgeprügelt. Und selbst wenn sie nur Menschen gewesen wären, hätte ich kaum eine Chance gehabt diesen Kampf zu gewinnen, doch hätte ich mich zurückziehen können, was mir dank der instinktiven Reaktionsschnelle meiner Rasse ein Leichtes hätte sein sollen. Doch man hatte mir keine Gelegenheit gegeben zu fliehen, das Rudel hatte mit mir gespielt und immer wieder einen Fluchtweg geöffnet, um ihn im letzten Moment wieder zu versperren.

Jetzt hing ich zwischen den beiden Männern, während der Rudelanführer, Jack nannten sie ihn, mit verschränkten Armen zusammen mit den restlichen zwei Rudelmitgliedern vor mir stand und mich abfällig betrachtete. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Atem ging schnell. Mit jedem Atemzug sog ich das Ekel erregende Gemisch aus Blut, Schweiß und Hass auf und ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu würgen.

Ich hatte Angst, anders konnte man es nicht ausdrücken. Und das Schlimmste war, dass die anderen Werwölfe das ebenso riechen konnten, wie ich ihren Hass auf mich. Ich konnte mir noch so viel Mühe geben, nach Außen hin so unbeeindruckt wie möglich zu sein, doch sie wussten wie es mir ging und allem Anschein nach, machte ihnen gerade das Spaß.

Jack beugte sich etwas zu mir herunter, da ich den Kopf hängen ließ.

„Das soll dir eine Lehre sein, sich mit uns anzulegen.“, grollte er mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen und unwillkürlich erwartete ich einen weiteren Angriff. Ich hatte mich anscheinend nicht getäuscht, denn der Rudelanführer holte mit der rechten Hand aus.

Erst dachte ich, er würde mir mit voller Wucht in den Magen schlagen wollen und zu spät für eine Reaktion sah ich das Aufblitzen eines Messers. Doch was hätte ich auch machen sollen, gehalten von zwei ausgewachsenen Werwölfen und kaum mehr in der Lage zu stehen?

Das Messer traf mich an der Seite und ich schrie gepeinigt auf. Wenn möglich schien der Schmerz noch zuzunehmen, als das Messer wieder aus der Wunde gerissen wurde und ich fiel nach vorne in den Dreck, als mich die beiden Werwölfe los ließen. Ich drehte mich auf den Rücken und presste keuchend die Hände gegen die Verletzung. Blut sickerte aus der Wunde und nur verschwommen sah ich, dass sich jemand über mich beugte. Ich brauchte einen Moment, um meinen Blick auf Jack zu fokussieren. Er grinste auf mich herab, als er eine Lederschnur aus seiner Hosentasche holte. An der Schnur hingen, wie an einer Kette, verschiedene Sachen und ich meinte Ringe, Knöpfe und sogar einen Zahn zu erkennen.

„Von jedem der von mir Getöteten nehme ich ein Souvenir mit. Lass mal sehen, was du so zu bieten hast.“, flüsterte er mir mit einer Stimme zu, die es selbst mir kalt den Rücken runter laufen ließ. Er hatte schon etwas ausgemacht, denn er griff zielsicher an den Ausschnitt meines T-Shirts und holte eine schmale Goldkette hervor, an der ein kleines Medaillon hing. Nicht das! Die einzige Erinnerung, die ich an mein Leben vor meinem Werwolfbiss hatte und das ich selbst dann nicht verkaufte, wenn ich wieder total abgebrannt war. Lass die dreckigen Finger davon, wollte ich Jack anschreien, doch wurde daraus nur ein Flüstern.

Der Rudelführer lachte nur, zerriss die schmale Kette und steckte den Anhänger zusammen mit seiner Lederschnur zurück in die Hosentasche. Die Werwölfe drehten sich um, sie wollten gehen und mich hier verbluten lassen. Ich wollte sie anschreien, sie auffordern hier zu bleiben und meine Wut und Ohnmacht an ihnen auslassen, doch außer einem heiseren Stöhnen kam kein Ton aus meiner Kehle.
 

Ich wurde davon geweckt, dass jemand auf das untere Ende des riesigen Sofas sprang und damit auch auf meine Füße. Sofort schnellte ich hoch und fasste die Person unerbittlich mit meiner rechten Hand an der Kehle, während meine Linke eine zum Schlag erhobene Faust formte. Dabei knurrte ich auf, was jeden echten Wolf dazu gebracht hätte vor Angst zu winseln und den Schwanz zwischen die Beine zu klemmen. Gerade noch rechtzeitig konnte ich meine Hand stoppen, bevor sie das zarte Gesicht der mittlerweile auch Zähne fletschenden Vampirin traf. Einen Moment schaute ich erstarrt, mit fliegendem Atem und rasendem Herzschlag, auf die Frau vor mir. Es hing kein Blutgeruch in der Luft und mein eigener Geruch nach Angst wurde fast gänzlich durch den Duft von Rosenblüten und Seife überdeckt, den das zarte Mädchen nur wenige Zentimeter vor mir verströmte.

„Scheiße! Willst du dich umbringen?“, fuhr ich Sina keuchend an und ließ ihren Hals los, schubste sie leicht von mir weg. In diesem Moment hatte ich die Kraft und die Gelegenheit ihr das hübsche, kleine Genick zu brechen. Wieso ich es nicht tat, entzog sich völlig meiner Kenntnis, hätte ich damit doch freie Bahn zur Flucht gehabt. Vielleicht war es weil ich wirklich nur im Notfall tötete und meine Instinkte wohl im Moment eingerostet waren, gaukelten sie mir doch erstaunlicherweise vor, die Vampirin sei keine direkte Gefahr. Vielleicht war es aber auch, weil der Traum die Erinnerungen wieder hoch geholt hatte und das so unschuldig und rein wirkende Mädchen meine Nerven auf irrationale Weise etwas beruhigte.

Sich den Hals reibend sah mich Sina stumm und fragend von der einen Seite des Sofas an, während ich mich auf der anderen Seite aufsetzte und die Beine an meinen Körper heranzog. Sie sah so verletzlich und bekümmert aus, waren das etwa Tränen in ihren Augen? Ich hatte sie doch nicht ernsthaft verletzt, denn das täte mir leid. Doch sofort schimpfte ich innerlich mit mir über diesen Gedanken. Die Vampirin war selbst Schuld, wenn ich ihr wehgetan hatte. Welches vernunftbegabte Wesen griff auch einen schlafenden Werwolf an? Immer noch ging mein Atem zu schnell und ich wischte mir mit einer Hand über das schweißnasse Gesicht.

Die Vampirin schaute mich weiterhin beharrlich an, der Ausdruck von Mitleid eindeutig in ihrem Blick erkennbar.

„Ich habe dich geweckt, weil du anscheinend einen Albtraum hattest, denn du hast geschrien. Obwohl die Weckmethode vielleicht nicht die Beste war.“, gab das Mädchen zu und schielte in meine Richtung. Ich hatte im Schlaf geschrien? Wie peinlich! Ich hatte nicht gerade selten Albträume, hatte ich in meinem Leben doch schon viel Schlechtes gesehen und nach dem, was ich letzte Nacht erlebt hatte, war das eigentlich kein Wunder. Doch dass die Vampirin mich in einem so verletzlichen Moment sah, passte mir gar nicht.

Automatisch wanderte mein Blick zum Fenster, um Sina nicht ansehen zu müssen. Ich bemühte mich, mein Gesicht so ausdruckslos wie möglich zu halten, während ich so tat, als würde mich das Ganze nicht interessieren.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel – es war fast Mittag! Wieso hatte mich dieses blutsaugende Miststück von Vampir nicht geweckt? Sie hatte eben noch groß getönt, ich könnte nach dem Frühstück gehen. Doch bevor ich mich in meine Wut hineinsteigern konnte wurde mir klar, dass ich es heute Morgen vor Sonnenaufgang wohl nur schwer bis zur Stadt geschafft hätte. Jetzt waren meine Wunden völlig verheilt, ich fühlte mich ausgeruht und voller Tatendrang.

„Willst du mir erzählen, was vorgestern passiert ist?“, fragte Sina mitfühlend, aber auch eindeutig neugierig. Wütend fixierte ich sie. Das Vampirmädchen sollte ihre neugierige Nase nicht in meine Angelegenheiten stecken! Doch anstatt ruhig zu sein, rutschte die Kleine wieder etwas näher an mich heran und schaute mich erwartungsvoll an. Ich sah deutlich die roten Abdrücke meiner Finger an ihrem hellen Hals, doch Sina setzte sich freiwillig näher an mich heran. Wieso zum Teufel hatte diese Mädchen keine Angst vor mir? Leise seufzte ich, war mir doch gerade klar geworden, dass ich sie selbst dann nicht mehr töten könnte, wenn mein Leben davon abhinge. Wie sollte ich auch jemanden verletzen, die so viel Vertrauen in mich hatte und ihr Leben in meine Hände legte. Eben als ich sie am Hals gepackt hatte, hätte sie sich losreißen können, doch stattdessen hatte sie ruhig gewartet, bis ich sie losließ. In diesem Moment hätte ich sie töten können, aus reinem Instinkt heraus. Dummes kleines Ding!

„Ich hätte den Rudelführer vorgestern nicht `flohverseuchter Bettvorleger` nennen sollen.“, erklärte ich mit einem Schulterzucken und versuchte meiner Stimme einen scherzhaften Klang zu geben. Ich wusste nicht, was mich da geritten hatte. Ich wollte nicht mit der Vampirin reden und ihr schon gar nicht mein Herz ausschütten, doch der Satz war schneller raus, als ich es verhindern konnte.

„Deine eigene Rasse hat das getan? Werden die Wölfe dafür nicht bestraft?“, fragte Sina irritiert. Sie klang wirklich erstaunt darüber, dass die anderen Werwölfe mir das angetan hatten oder dass ich darüber nicht empörter war. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und starrte mich an, als versuche sie eine Lüge in meinem Gesicht zu entdecken. Ich erwiderte ihren Blick ebenso starr, blieb äußerlich völlig ruhig.

„Bei uns gibt es einen Rat, der Übergriffe von Vampiren auf unsere Rasse und auch auf Menschen überwacht. Im ersten Fall wird das geahndet und im zweiten Fall werden die Überfälle vertuscht und bei zu auffälligem Verhalten wird der Vampir exekutiert, da er eine Gefahr für unsere Rasse darstellt.“, erklärte Sina und ich musste zugeben, mich interessierte das, was sie sagte. Ich hing geradezu an ihren Lippen, konnten diese Informationen doch vielleicht einmal wichtig sein. Und so nickte ich ihr nur zu, als sie mich anschaute. Tatsächlich redete das Mädchen einfach weiter.

„Bei so einer Tagung des überregionalen Rates, das passiert einmal im Jahr, ist auch meine gesamte Familie dabei. Ich darf noch nicht mit, denn ich hab meinen Blutdurst noch nicht ganz unter Kontrolle, aber ich bin ja auch erst um die sechzig Jahre ein Vampir und damit die Jüngste in meiner Familie. Mein Vater sagt, dass es nach fünfzig bis siebzig Jahren erträglicher wird und langsam merke ich auch, dass ich besser damit umgehen kann. Aber da der Rat mitten in einer Stadt, einem neutralen Ort voller Menschen tagt, hielten wir es für besser noch ein Jahr zu warten. Regionale Treffen finden, den jüngeren Vampiren zuliebe, meist hier statt, da hier keine Menschen sind und werden je nach Bedarf einberufen. Meine Familie duldet zumindest hier keine Angriffe auf Menschen, wir nehmen Tiere oder Blutkonserven.“, plapperte Sina drauf los und gestikulierte dabei lebendig mit ihren Händen herum, während ich die Informationen in mich aufsog. Diese Familie von Vampiren verzichtete also anscheinend auf Menschenopfer, was Sinas Jagden im Wald erklären würde. Ich konnte jedoch nicht verhindern, dass sich auch ein Gefühl von Mitleid für die kleine Vampirin in den Vordergrund schlich. Sechzig Jahre verwandelt und immer noch keine Kontrolle über ihr Verlangen? Sie war eine Gefangene in diesem goldenen Käfig, konnte sie doch nicht einfach ohne Begleitung von ihrer `Familie` in die nächste Stadt gehen. Ich wurde spätestens nach ein, zwei Wochen unruhig, wenn ich nicht weiter ziehen konnte.

Langsam glaubte ich zu wissen, weswegen mich Sina verpflegt und aufgepäppelt hatte. Sie war einsam. Das arme kleine Ding, wo sie doch so lebenslustig und aufgedreht schien.

„Hasst du deinen Erzeuger nicht? Er hat dir schließlich dein Leben zerstört. Wenn ich wüsste, wer mir das angetan hat, dann würde ich ihm den Hals umdrehen.“, knurrte ich. Was musste das nur für ein Vampir sein, der dieses fröhliche Mädchen nicht nur biss, sondern sie auch in einen Vampir verwandelte? Ich konnte mir gut vorstellen, wie Sina als Mensch auf einer Wiese stand und sich im Sonnenschein so schnell um die eigene Achse drehte, bis ihr schwindelig wurde oder der Mittelpunkt jeder Party war. Wie anders und um wie viel trostloser musste ihr Leben jetzt sein? Mein Leben hatte sich verändert, aber nicht sehr stark. Ich hatte immer noch keine richtigen Ziele im Leben und war froh, wenn ich in Ruhe gelassen wurde und meine Freiheit hatte.

„Im Gegenteil. Ich bin Henry dankbar, dass er mich verwandelt hat, denn sonst wäre ich schon lange tot. … Damit meine ich jetzt nicht, dass ich schon achtzig Jahre alt wäre. Ich war mein ganzes Menschenleben krank, war erschöpft, wenn ich nur ein paar Treppen stieg, konnte nicht mit anderen Kindern spielen, später nicht auf Empfängen tanzen. Ich glaub nicht, dass ich meinen zwanzigsten Geburtstag erlebt hätte, wenn mein Vater mich nicht mit diesem Geschenk gesegnet hätte und dabei lag er nur noch wenige Tage entfernt.“, erklärte das Mädchen und redete sich regelrecht in Rage. Mittlerweile war sie aufgestanden und wanderte unruhig zwischen Sofa und Fenster hin und her. Ich folgte ihr mit meinen Augen, doch wagte ich mich nicht zu bewegen. Das konnte ich mir nun weniger vorstellen: Sina als kränkliches und erschöpftes Kind oder als junge Frau, die zu schwach war, um nur ein paar Treppen zu steigen. Dazu war das Vampirmädchen einfach zu aufgedreht und viel zu lebendig, die beiden Bilder über die junge Frau in Einklang zu bringen, schien mir irgendwie unmöglich.

Wieder etwas ruhiger werdend, lächelte mich Sina kurz an. Sie hatte mittlerweile ihre Wanderung aufgegeben und drehte sich nun so vor das Fenster und schaute hinaus, dass ich in dem Gegenlicht nur noch ihre Silhouette erkennen konnte.

„Du möchtest bestimmt los, bevor dich die Dunkelheit wieder hier einsperrt.“, sagte Sina leise. Es wirkte etwas traurig, jetzt wo ich wusste, dass sie sich einsam fühlen musste. Und plötzlich hatte ich es nicht mehr so eilig hier weg zu kommen, wie viele Tage musste das Vampirmädchen sonst alleine hier verbringen. Was für ein Unsinn! Hier roch es nach Freiheit und ich wäre dumm die Gelegenheit nicht zu ergreifen.

„Ja. Wenn ich gleich losgehe, dann komme ich noch gut bis in die nächste Stadt oder noch weiter.“, erklärte ich und erhob mich jetzt auch vom Sofa. Das brachte mich auch wieder dazu, meine nackten Füße zu bemerken. Ich rollte genervt mit den Augen, das hatte ich ja ganz vergessen! Wo hatte die Vampirin wohl meine Schuhe versteckt? Ich schaute runter auf meine Zehen und wackelte damit.

„So kann ich aber nicht los.“, murmelte ich und als ich aufschaute, sah ich in das grinsende Gesicht von dem Vampirmädchen. Sie schüttelte den Kopf und betrachtete ihre eigenen Füße. Dann sprang sie leise vor sich hinsummend los und ich konnte ihr nur verwundert hinterher schauen. Sina verschwand durch eine Tür und ich hörte, wie sie mit Geschirr klapperte und eine Mikrowelle in Betrieb nahm. Geschirr? Das bedeutete Essen und da hätte ich nichts gegen einzuwenden, doch hatte die Kleine nicht gerade etwas von losgehen erzählt?

Schon kam das Vampirmädchen wieder zurück und trug ein Tablett mit Teller und Glas vor sich her.

„Hier. Du kannst solange etwas Essen, während ich die Schuhe hole.“, meinte Sina und stellte mir das Tablett auf den Couchtisch. Mir stieg der Duft nach gekochtem Fleisch in die Nase und ich sah auf dem Teller irgendwelche in Soße ertränkten Nudeln, ich tippte auf Ravioli aus der Dose. In dem Glas war nur Wasser, was wohl daran lag, dass in einem Haus mit lauter Vampiren nur Dosenfraß lagerte. Mich wunderte es sowieso, dass hier überhaupt etwas Essbares vorhanden war, doch vielleicht kam ja mal ein Mensch zu Besuch, der natürlich nichts über die Essgewohnheiten der Hausbesitzer ahnen durfte.

Ich machte mir so meine Gedanken, während ich das Essen wieder gierig in mich hinein schaufelte, so gesehen hatte ich ja seit fast einem Tag nichts mehr gegessen. Dabei schaute ich mich etwas in dem Zimmer um, da Sina schon wieder hinter einer weiteren Tür verschwunden war. Der Raum war genauso edel und elegant eingerichtet, wie auch das Bad und die anderen Zimmer zuvor, doch hatte es nicht diese persönliche Note, wie das Schlafzimmer, in dem ich aufgewacht war. Mittlerweile kam mir der Verdacht, dass es sich dabei um Sinas eigenes Zimmer gehandelt hatte, passte die freundliche Wandfarbe und der Rosenstrauß doch zu dem fröhlichen Mädchen.

Ich schluckte gerade den letzten Bissen herunter, der Teller war in Rekordzeit leer gewesen, da kam die Vampirin wieder in den Raum. Sie trug neben meinen stabilen Schuhen noch einen Rucksack im Arm und ließ sich damit neben mir auf das Sofa fallen. Automatisch wollte ich ein Stück weg rücken, doch zwang ich mich ruhig zu bleiben, auch wenn die Kleine nur einen Meter neben mir saß. Wenn Sina wahrgenommen hatte, dass ich zusammengezuckt war, dann hatte sie es sich nicht anmerken lassen. Sie stellte mir mit einem breiten Grinsen die Schuhe vor die Füße und meinte mit einem Augenzwinkern: „Hier. Damit du schnell und weit wegrennen kannst von diesem Ort des Grauens.“

Ort des Grauens? Das war vielleicht doch ein bisschen übertrieben. Ich musste ebenfalls lächeln, während ich mich nach den Schuhen und einem Paar Socken die darin waren, vorbeugte.

„Was ist mit dem Rucksack?“, fragte ich neugierig und schielte hoch zu Sina, während ich die Socken anzog und die Schuhe zuband. Die Vampirin schob die Klappe hoch und öffnete die Zugbänder des Rucksacks und hielt ihn mir so hin, dass ich hinein sehen konnte. Ich ließ den letzten Schuh ungebunden und schaute lieber in das Innere des Rucksacks. Ich konnte darin einen Satz Kleidung erkennen und Sina holte ein eindeutig benutztes Portemonnaie aus dem Stoffbeutel hervor.

„Da ist etwas Geld drin, damit du dir heute Nacht ein Zimmer nehmen kannst.“, erklärte sie, während sie den Geldbeutel hoch hielt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war wirklich sprachlos! Dieses Vampirmädchen, das eigentlich mein Todfeind sein müsste, hatte mir liebevoll einen Rucksack gepackt und machte sich sogar Sorgen darum, wie ich die Nacht verbrachte. Irgendwie berührte diese Geste etwas in meinem Herzen, denn so hatte sich niemand mehr um mich gesorgt, seit ich vor zehn Jahren mein Leben hinter mir gelassen hatte und damit meine Familie und Freunde.

Ich musste schlucken und wandte mich mit großer Hingabe meinem zweiten noch immer offenen Schuh zu.

„Danke.“, murmelte ich mit belegter Stimme. Ich spürte förmlich Sinas Blick auf mir ruhen, wie sie mir dabei zusah, wie ich meinen Schuh zuband.

Sie schwieg und packte das Portemonnaie wieder zurück, knotete ordentlich die Schnüre wieder zusammen und schloss die Klappe darüber. All das sah ich aus den Augenwinkeln, während ich mich mit gespielter Sorgfalt um meine Schnürsenkel kümmerte. Als ich fertig war, sah ich auf und schaute direkt in die Augen meiner kleinen Vampirfreundin.

„Lass uns raus gehen! Du brauchst Sonne und Auslauf.“, erklärte Sina auf einmal wieder völlig überdreht und sprang von dem Sofa auf. Woher wollte dieses penetrante Vampirmädchen bitte wissen, was ich brauchte? Sie war wirklich unberechenbar. Mal ging sie mir auf die Nerven mit ihrer sonnigen Art und ich sehnte mich danach, wieder mal alleine zu sein, hatte ich doch seit anderthalb Tagen die Zeit wo ich wach war immer Gesellschaft gehabt hatte. Ein anderes Mal gab sie mir das Gefühl, jemanden um mich zu haben, der sich um mich sorgte.

„Verdammt, ich bin doch kein Hund! Ich brauche keinen Auslauf!“, knurrte ich mal wieder missmutig in Sinas Richtung. Ich richtete mich dabei bedrohlich auf, bis ich nur noch Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. Ich achtete auf Kleinigkeiten in Sinas Haltung und Mimik, doch nichts sagte mir, dass sie sich vor mir ängstigte. Nein, sie grinste mich sogar frech an! Ich gab mir doch wirklich alle Mühe unnahbar und gefährlich zu wirken, doch anstatt einen Sicherheitsabstand zu mir zu halten, vertraute mir dieses naive, dumme Ding. Ich schüttelte den Kopf, das Mädchen wäre bei einem anderen Werwolf ziemlich schnell ziemlich tot.

Sina ging immer noch grinsend zu der größten der von diesem Raum ausgehenden Tür. Als das Vampirmädchen sie öffnete, konnte ich in einen Flur schauen, zumindest wenn man die Glastür nach draußen und die Garderobe in Betracht zog. Ich nahm mir den Rucksack von dem Polster des Sofas und folgte Sina in den Flur. Etwas verwirrt sah ich ihr dabei zu, wie sie sich hohe Stiefel anzog und einen Mantel von einem Haken nahm, der ihr bis über das Knie ging. Nachdem sie die Knöpfe geschlossen hatte, schauten nur noch Hals, Kopf und Hände des Vampirmädchens hervor.

„Was machst du da? Ist Sonnenlicht nicht tödlich für Vampire?“, fragte ich irritiert. Sina nickte ernst, während sie angestrengt die Garderobe musterte und schließlich in den Jacken und Mänteln rumwühlte.

„Hier, diese Jacke wird Joel schon nicht vermissen. Und ja, Sonnenlicht kann Vampire töten, aber erst nach ein, zwei Stunden. Je jünger ein Vampir ist, desto anfälliger sind wir und ich muss ehrlich sagen, dass mir direktes Sonnenlicht wehtut. Aber bevor du fragst: die Fenster hier sind aus Spezialglas.“, erklärte Sina und warf mir eine dunkelbraune Jacke zu, die wohl ungefähr meine Größe haben müsste. Wer wohl Joel war? Wahrscheinlich einer ihrer `Brüder`, denn wer sollte sonst seine Jacke hier hängen haben. Ich schnallte mir die Jacke an den Rucksack und stand etwas hilflos in dem Flur herum. Ich wusste nicht, wie und ob ich mich verabschieden sollte, doch Sina nahm mir die Entscheidung ab. Sie nahm sich einen Schirm aus dem Ständer, der an der Garderobe stand und ging auf die Haustür zu.

„Kommst du?“, fragte das Vampirmädchen mit einem kecken Blick zurück zu mir. Dann öffnete sie die Haustür, spannte den Schirm auf und trat hinaus. Sina wartete, bis ich neben ihr stand, dann zog sie die Tür ins Schloss und tänzelte die Treppe hinunter. Leise lachte ich in mich hinein. So hätte ich mir Sina als Mensch vorgestellt: lachend und fröhlich hüpfend im Sonnenlicht, nur der Schirm passte nicht ganz zu dem Bild.

Langsamer folgte ich ihr und schulterte den Rucksack, während ich die Träger in eine für mich bequeme Länge einstellte, die Jacke immer noch hinten am Rucksack befestigt.

Ich warf einen Blick zurück. Das Haus war wirklich eine alte Villa oder eher gesagt ein wahrer Landsitz und wirkte wie aus dem vorigen Jahrhundert, war jedoch gut restauriert. Doch das nahm ich nur nebenbei wahr, mein Blick wurde vielmehr magisch von dem nahen Waldrand angezogen. Nur wenige hundert Meter und ich wäre mitten im Unterholz und nur fünf Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, wohin ich den Weg auch ohne Kompass finden würde dank der Werwolfs eigener Instinkte. Mein Blick wanderte weiter zu Sina, die ruhig neben mir stand und mich anscheinend die ganze Zeit beobachtet hatte. Sie hatte ein neutrales Gesicht aufgesetzt, es lag kein Vorwurf oder Misstrauen darin, nur etwas Wartendes.

„Wenn du gehen willst, halte ich dich nicht auf. Du kannst mich aber auch in den Garten begleiten.“, sagte die kleine Vampirin und sah mich aus unschuldigen Kinderaugen an. Sie drehte dabei den Schirm und wirkte wieder so lieb und niedlich, dass ihr niemand das dunkle Geschöpf, das in ihr schlummerte, zutrauen würde.

„Was willst du mir zeigen?“, fragte ich und wand mich nach kurzem Zögern endgültig vom Waldrand ab. Auf die fünf Minuten kam es jetzt auch nicht mehr an. Das auf meine Worte folgende Lächeln von Sina ließ mich belustigt schnauben. Dass man die Kleine mit so einfachen Sachen glücklich machen konnte, zeigte mir wie einsam sie doch sein musste.

Und so gingen wir nebeneinander über einen gepflasterten Weg um das Haus herum. Oder besser gesagt, ich ging und das Vampirmädchen hüpfte im Schlenderschritt neben mir über die Steinplatten. Erst nach ein paar Augenblicken fiel mir auf, dass Sina vielleicht einen Meter neben mir war und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mehr Abstand zwischen uns bringen musste.

Verwundert über mich selbst, merkte ich im ersten Augenblick nicht, dass die Vampirin stehen geblieben war.

„Das wollte ich dir zeigen.“, strahlte Sina und machte eine Handbewegung nach vorne, wobei sie aber darauf achtete ihre Hand nicht unter dem Schatten ihres Sonnenschirms hervorlugen zu lassen. Ich schaute nun auch geradeaus und vor mir lag ein Garten mit mehreren Rosenstöcken, alle mit Blüten in rot, gelb und orange bedeckt. Ich schloss einmal kurz die Augen und zog den entspannenden Duft nach Rosenblüten ein. Dieser Ort kam mir langsam vor, wie eine Oase der Ruhe und Erholung und wäre nicht das nagende Gefühl der Angst, dass Sinas Familie irgendwann wieder kommen könnte, hätte ich hier gut noch einen Tag verbringen können.

Das Vampirmädchen ging noch ein paar Schritte weiter und ließ sich vor einem der gelben Rosensträucher nieder. Vorsichtig rupfte sie verblühte Rosen ab, den Schirm hielt sie dabei in der linken Hand. Ich stellte mich neben sie und sah ihr dabei zu, wie sie die Pflanze versorgte. Ich befand mich in einem Zwiespalt: ein Teil von mir wollte gehen und die Freiheit genießen, aber die andere Hälfte von mir wollte noch ein bisschen die Ruhe hier genießen, denn zur Ruhe kam ich nur selten auf meiner Wanderung.

Sina brach eine noch blühende Rose ab und hielt mir die Blume hin. Aus Reflex griff ich zu, war selbst über mich erstaunt, wie bereitwillig ich meine aus Selbstschutz gezogene Sicherheitsdistanz brach und so nah an die Vampirin herantrat. Ja, ich konnte jeden Augenblick hier fliehen, die Vampirin war durch ihren Sonnenschirm behindert und ich wäre damit auch entgegen der Rassenunterschiede schneller. Doch ich brauchte nicht fliehen. Weder mein Instinkt, noch mein Kopf sagten mir, dass ich rennen sollte und das war ein schönes, lange nicht mehr gekanntes Gefühl.

„Wieso ist dir dein Leben so wenig wert, dass du dich andauernd in Probleme bringst?“, fragte Sina mich plötzlich und sah von ihrer Arbeit auf. Die braunen, klaren Augen bohrten sich regelrecht in meine und ich musste den Blick abwenden. Die Wahrheit war, ich wusste es nicht, hatte ich doch noch nie darüber nachgedacht und eigentlich war mir auch nie bewusst gewesen, dass ich mein Leben absichtlich in Gefahr brachte mit meiner Lebensweise. Fielen Prügeleien und zielloses Wandern denn schon unter `sein Leben gefährden`?

„Vielleicht weil es egal ist, ob ich lebe oder tot bin. Der Unterschied würde niemandem auffallen.“, murmelte ich leise und erst als ich es aussprach, wusste ich, dass es die Wahrheit war. Meine Eltern waren tot, meine kleine Schwester und ich hatten uns in den Jahren auseinander gelebt, bei der Arbeit hatte ich nach meinem Werwolfbiss gekündigt und die paar wirklichen Freunde würden mich auch schnell vergessen haben. Mich würde niemand vermissen und diese Erkenntnis tat weh, auch wenn ich es nie zugeben würde. Ich spielte mit der gelben Rose in meiner Hand und traute mich nicht wieder in die stechenden Augen der Vampirin zu blicken. Hohn, Spott oder gar Mitleid hätte ich jetzt nicht ertragen.

„Das glaub ich nicht. Selbst ich würde um dich trauern, obwohl wir uns erst kurz kennen und unsere Rassen sich nicht gerade gut verstehen. Du bist etwas unnahbar, aber bist ehrlich und ganz selten lächelst du sogar.“, erklärte Sina leise, aber so als meine sie wirklich jedes Wort ernst. Verwundert schaute ich wieder zu dem kleinen Vampirmädchen, das immer noch zu meinen Füßen vor dem Rosenstrauch kniete. Sie lächelte mich an und nickte bestätigend.

„Sei vorsichtig auf deiner weiteren Reise, Thomas Cole.“, flüsterte Sina und stand nun auf. Sie sah mich mit einem halben Lächeln an und legte mir im Vorbeigehen die Hand auf meine Schulter. Ich zuckte leicht zusammen, als Sina mich berührte und ich sah ein trauriges Aufblitzen in ihrem Gesicht und sofort tat mir mein Verhalten leid.

Ich wollte etwas sagen, sie aufhalten oder sonst etwas tun, denn mein schlechtes Gewissen machte mich gerade regelrecht fertig. Doch alles was ich schließlich tat, war hinter dem Vampirmädchen her zu sehen, wie sie in ruhigen Schritten dem Pfad aus Pflastersteinen folgte und schließlich hinter einer Ecke des Hauses verschwand.

Ich stand hier in einem Meer aus Blüten, die einen berauschenden Duft verströmten und fühlte mich doch so schlecht, wie schon lange nicht mehr, nicht körperlich, sondern seelisch. Sina hatte mir mit ihrer eigenen Einsamkeit gezeigt, wie verlassen ich mich selbst fühlte. Zehn Jahre als einsamer Wolf durch die Welt ziehen hatten ihre Spuren hinterlassen und ich hatte ganz vergessen, wie es war, wenn man jemanden hatte, der sich um einen kümmerte.

Missmutig drehte ich mich um und ging in Richtung Baumgrenze. Eigentlich müsste ich laut jauchzend durch den Wald rennen, weil ich dem Tod von der Schippe gesprungen und einem Vampir entkommen war, doch ich fühlte mich nur kaputt und war mit meinen Gedanken ganz woanders. Ich kam nur sehr langsam voran, schien doch mit jedem Schritt der Rucksack schwerer zu werden und meine Beine ebenfalls. Nach vielleicht zehn Minuten langsamer Wanderung blieb ich noch einmal stehen und sog die Luft bewusst ein. Ich hatte Glück. Der Wind wehte genau von der richtigen Richtung und ich konnte die Rosenblüten riechen, die ich mittlerweile unbewusst mit dem kleinen Vampirmädchen verband. Doch darüber lag der beißende Geruch nach Raubtieren. Es roch nach Wölfen oder besser gesagt Werwölfen!

Leben oder Tod?

Es roch nach Wölfen oder besser gesagt Werwölfen!
 

Unwillkürlich knurrte ich auf. Diesen Geruch kannte ich und meine Hand wanderte zu der erst vor ein paar Stunden verheilten Narbe an meiner Seite. Jack und sein Rudel! Verdammt noch mal, was machten die hier? Die Angst vor dem Rudel und dem was mir noch vor zwei Tagen passiert war, kam wieder hoch und mir gelang es nur sehr schwer, die Panik einzudämmen. Waren sie auf der Suche nach mir oder hatten sie von einem Haus voller Vampire gehört und wollten Unruhe und Tod bringen? Die Typen verstanden etwas vom Kämpfen und egal wieso sie dort bei dem Anwesen waren, sie würden Sina nicht unbeschadet lassen und die Kleine hatte alleine keine Chance gegen fünf ausgewachsene Werwölfe. Sie würde ihnen bestimmt sogar noch ein Glas Wasser anbieten, dieses naive, kleine Geschöpf.

Ich schüttelte den Kopf. Was ging mich das an?

Doch nur der Gedanke daran, dass Jack an sein Lederband ein Andenken an dem Mord an Sina knüpfen konnte, brachte mich schier um den Verstand. Wenn ich der Grund war, wieso das Rudel auf das Anwesen stoßen konnte, so war es auch meine Pflicht dem Vampirmädchen zu helfen. Ich hatte mich schon längst entschieden, also weswegen zögerte ich noch? Was machte ich mir eigentlich Gedanken? Ich hätte schon vor zwei Tagen sterben sollen und dieser Aufschub war mehr, als ich hätte erwarten dürfen.

Und wenn Jack mit seinem Rudel meine Witterung aufnahm, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass sie mich verfolgen würden. Welcher Wolf ließ sich schon eine gute Jagd entgehen? Ich könnte wegrennen, mich verstecken und falsche Fährten legen, doch wer sagte mir, dass mich das Rudel nicht doch finden würde? Dieser Jack würde nicht aufhören nach mir zu suchen. Ich kannte diese Art von Männern, wenn sie sich in etwas verbissen hatte, konnte sie nichts aufhalten.

Jetzt hätte ich den Vorteil der Überraschung auf meiner Seite. Wer außer mir war schon verrückt genug, einem Kampf mit potentiell tödlichem Ausgang entgegen zu laufen? Und die kleine Vampirin war sicherlich auch nicht so wehrlos, wie sie aussah. Vielleicht hatten wir zu zweit sogar so etwas wie eine Chance. Ich ließ den Rucksack von meinen Schultern gleiten und machte mich wieder auf den Weg – diesmal schneller und mit einem klaren Ziel vor Augen.

Ich mochte sie. Ich mochte das kleine, nervige Vampirmädchen, was mir mit ihren andauernden Stimmungsschwankungen auf den Zwirn ging und beharrlich versuchte mir irgendwelche Informationen zu entlocken. Nicht dass ich irgendwelche romantischen Ambitionen auf die Vampirin hatte, auch wenn sie eine recht hübsche Figur vorweisen konnte, dafür waren wir einfach viel zu unterschiedlich. Aber trotzdem wollte ich nicht, dass ihr etwas passierte. Diese Erkenntnis traf mich so unerwartet, dass ich beinahe über meine eigenen Füße gestolpert wäre. Doch schnell fing ich mich wieder und beschleunigte meine Schritte sogar noch. Diesen Jack würde ich in der Luft zerreißen! Ein dunkles Grollen erklang aus meiner Kehle und ich rannte so schnell mich meine Füße trugen. Erst am Waldrand wurde ich langsamer und hielt schließlich an. Für die Strecke hatte ich vielleicht eine Minute gebraucht und nun stand ich mit erhobener Nase da und versuchte meine Feinde zu orten.

Sie waren ganz in der Nähe. Leise bewegte ich mich am Waldrand entlang, nutzte den Halbschatten der Bäume, auch wenn ich nicht gerade geübte im Anpirschen war, ging ich doch sonst direkt an solche Sachen heran. Tatsächlich sah ich die Haustür speerangelweit offen stehen und ich bezweifelte, dass Sina die Tür unverschlossen gelassen hatte, da sie die Haustür sogar ins Schloss zog, als wir nur kurz in den Garten gegangen waren. Einen Moment zögerte ich. Wollte ich mein Leben wirklich für einen Vampir gefährden? Ich hatte immer noch die kleine Chance, dass Jack mich nicht weiter verfolgen würde oder ich ihn und sein Rudel in der nächsten Stadt abhängen konnte. Doch was machte ich mir vor? Ich würde hier nicht weggehen, ich konnte einfach nicht. Sina hatte mir ein zweites Leben geschenkt und ich stand damit in ihrer Schuld. Ich versuchte die kleine Stimme in meinem Kopf zu verdrängen, die mir aufdringlich versuchte zu sagen, dass ich dem kleinen Vampirmädchen auch so beigestanden hätte. Ich mochte die Kleine und in einem anderen Leben, unter anderen Umständen, wären wir vielleicht Freunde geworden.

Einmal tief durchatmend straffte ich meine Schultern und ging leise und vorsichtig auf die offene Haustür zu. Ich versuchte auf jedes kleine Geräusch zu hören und es zu riechen, wenn jemand in meiner Nähe war, doch zumindest meine Nase wurde so von Reizen überflutet, dass sie mir im Moment nicht wirklich helfen konnte. Mein Gehör hingegen half mir schon eher. Ich hörte mehrer Personen in dem Wohnzimmer atmen und herumlaufen. Das drohende Knurren von den Werwölfen und das ängstliche Fauchen von Sina ließen eine Gänsehaut auf meinen Unterarmen entstehen. Ich schlich weiter durch den Flur und spähte durch die halboffen stehende Tür zum Wohnzimmer.

Das Vampirmädchen stand ängstlich an die Wand gepresst und ich sah ihren zierlichen Körper zittern, doch immerhin schien sie noch unverletzt. Sie musste wissen, dass sie gegen fünf Werwölfe keine Aussicht auf einen Sieg hatte. Unsere Rasse war schwer zu besiegen, denn selbst mit Verletzungen kämpften wir weiter, wenn das Adrenalin durch unsere Blutbahnen pulsierte.

Jacks Rudel stand im Halbkreis um Sina herum und machten dasselbe Spiel mit ihr, wie sie auch vorgestern Nacht mit mir gespielt hatten. Gerade als ich die Tür zum Wohnzimmer erreicht hatte, ließ einer der Werwölfe, ein großer Kerl mit ungepflegtem Aussehen, Sina etwas Platz. Doch als sie durch die Lücke zwischen der Wand und dem Mann durchrennen wollte, trat er ihr wieder in den Weg und schubste sie brutal gegen die Wand. Ich meinte zu hören, wie das Vampirmädchen schmerzhaft die Luft aus der Lunge gedrückt wurde, doch eigentlich konnte ich das gar nicht über das hämische Gelächter der fünf Werwölfe hören.

Mein ganzer Körper zitterte vor Wut und nur mit äußerster Kraft gelang es mir, ein Knurren zu unterdrücken. Diese verdammten Arschlöcher, wie konnte man bei so etwas nur Freude empfinden? Eine Rauferei, irgendwelche Machospielchen oder meinetwegen auch in der Wolfsform Hasen und Rehe hetzen, das gehörte fast zu unserer Rasse dazu. Doch so etwas? Das war einfach nur krank!

Noch hatten sie mich nicht entdeckt. Sie waren zu sicher, hatten bestimmt das Haus auf andere Personen untersucht und fühlten sich in der Überzahl und dem Vampirmädchen völlig überlegen. Doch vor allem waren sie zu sehr auf Sina, ihr Opfer, fixiert. Sie hätten es noch nicht einmal mitbekommen, wenn eine ganze Footballmannschaft auf dem Couchtisch Hula getanzt hätte. Sie waren abgelenkt und genau das würde ich nutzen.

Ich hatte mich auch schon ein Opfer ausgesucht für meinen ersten Angriff. Er stand mit dem Rücken genau zu mir und würde somit eher von den anderen gewarnt werden, als mich selbst zu bemerken. Die Statur oder Körperkraft war in diesem Fall kein Auswahlkriterium, da das ganze Rudel anscheinend aus einem zusammen gewürfelten Haufen aus Schlägern bestand und was meinen Hass auf die Männer anging – ich würde jeden einzelnen gerne in die Hölle schicken. Diese Beobachtungen und Gedanken gingen mir innerhalb weniger Augenblicke durch den Kopf. Wirklich erstaunlich, wie schnell das Gehirn in Stresssituationen arbeitet.

Vorsichtig öffnete ich die Tür, die ganz leise quietschte. Doch zum Glück ging das Geräusch in dem immer noch gehässigen Gelächter unter und ich schlich auf mein Opfer zu, versuchte dabei aber alle Gegner im Auge zu behalten.

Ich hatte den Mann fast erreicht, da sah mich der ihm gegenüber stehende Werwolf. Ich ließ ihm keine Chance mein Opfer auf mich aufmerksam zu machen, sondern sprang schnell nach vorne. Was jetzt kam tat ich nicht gerne, aber es war notwendig. Sie wollten mich töten, ich wehrte mich – ganz einfach. Bevor der Werwolf vor mir reagieren konnte, umfasste ich seine Schultern von hinten mit dem einen Arm, während ich die andere Hand an seinen Kopf legte. Mit einem schnellen Ruck zog ich die eine Hand zurück und ein Ekel erregendes Knacken ertönte. Ich musste ein Würgen unterdrücken, als ich den Werwolf losließ und er mit gebrochenem Genick zu Boden sank. Doch um die Toten konnte ich mir später Gedanken machen, jetzt war erstmal wichtig, selbst am Leben zu bleiben.

Nur mit einem beherzten Sprung nach hinten gelang es mir, einem Schlag des Werwolfs zu entgehen, der neben meinem Opfer gestanden hatte. Schnell brachte ich noch ein paar Schritte zwischen mich und Jacks Rudel, noch einmal würde ich mich nicht von allen Seiten umkreisen lassen. Ich lernte aus meinen Fehlern.

Ich wagte einen kurzen Blick in Richtung Sina. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, doch ihre Augen schienen förmlich zu leuchten. Es lag soviel Erleichterung darin, soviel Dankbarkeit, dass ich mir sicher war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben – egal wie dieser Kampf auch ausging. Wieso hatte diese kleine Vampirin so viel Vertrauen in mich? Doch schnell wurde ich in die Wirklichkeit zurückgeholt, jetzt war nicht die Zeit sich über so etwas Gedanken zu machen. Vielleicht hatte ich dazu noch später Zeit.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du so versessen aufs Sterben bist.“, meinte Jack mit einem leicht irren Lachen. Ihm schien es nichts auszumachen, dass ich gerade einen Wolf seines Rudels getötet hatte, denn er stand zwar wachsam, aber immer noch ziemlich entspannt mitten im Raum. Ein wenig beneidete ich ihn um seine Ruhe, denn mein Herz schlug mir bis zum Hals. Zwei gegen vier war immer noch nicht gerade ausgewogen und ich wusste noch nicht einmal, ob oder wie gut Sina sich verteidigen konnte.

Ich machte mir erst gar nicht die Mühe auf diese Worte zu reagieren, sondern stellte mich leicht breitbeinig in eine Art Verteidigungsstellung und fixierte meine Gegner. Wenn ich hier heile aus der Angelegenheit herauskam, sollte ich mir vielleicht jemanden suchen, der mir einen richtigen Kampfstil beibrachte. Für Kneipenschlägereien reichte mein Wissen aus, vor allem wenn ich es nur mit Menschen zu tun hatte, doch jetzt könnte ich ein paar Kniffe und Tricks gebrauchen.

„Noch habt ihr Zeit abzuhauen.“, grollte ich düster und bewegte mich von der Tür weg, hin zu den Fenstern. Nicht nur, dass so die anderen Werwölfe genau zwischen Sina und mir standen, Jack und sein Rudel mussten auch noch ins Gegenlicht schauen, wenn sie zu mir herüber sahen. Ich erinnerte mich noch daran, dass ich von dem Vampirmädchen nur die Silhouette hatte erkennen können, als sie aus dem Fenster gesehen hatte. War das wirklich erst eine knappe Stunde her?

Doch auch mein überhebliches Auftreten würde Jack und seine drei übrigen Männer nicht darüber hinweg täuschen, dass ich innerlich tausend Tode starb. Die Erinnerung an vorletzte Nacht war noch viel zu frisch und selbst ich roch meine eigene Angst. In diesem Moment hoffte ich nichts mehr, als dass Jack und seine Bande das Angebot zur Flucht annahmen und für immer aus meinem Leben verschwanden. Natürlich taten mir die Werwölfe nicht den Gefallen. Das wäre auch zu leicht und seit wann war mein Leben je einfach gewesen?

Stattdessen grinste Jack nur und die Werwölfe teilten sich auf. Zwei der Männer zogen den Halbkreis um Sina enger und Jack kam mit dem Wolf näher zu mir, dem ich vorletzte Nacht die Nase gebrochen hatte. Man sah nichts mehr, was mir doch etwas Leid tat. Ich sah kurz zu Sina hinüber, die zwar immer noch ängstlich, aber auch entschlossen wirkte, sich nicht kampflos zu ergeben.

Den kurzen Blick hatten Jack und sein Partner genutzt, um die Meter bis zu mir zu überbrücken. Nur mit Mühe konnte ich einem rechten Haken von Jack entgehen, indem ich mich zur Seite beugte. Dafür traf mich ein Schlag des anderen Werwolfs an der Schulter und ich taumelte leicht zurück, so dass ich die Fensterbank an meinem Rücken fühlte. Keine Ausweichmöglichkeit mehr nach hinten? Ganz schlecht. Also ging ich ebenfalls zum Angriff über. Ich versuchte nach Jack zu schlagen, ihn im Gesicht zu treffen und so zumindest kurzfristig außer Gefecht zu setzen. Doch Jack war eindeutig gut in Form, denn er wich ohne Probleme aus, aber dadurch öffnete er mir einen Weg fort von dem Fenster. Durch eine schnelle Körperdrehung und einem Sprung nach vorne eroberte ich mir wieder etwas Platz zum ausweichen, dass ich dadurch jetzt fast zwischen den vier Werwölfen stand, war jedoch weniger gut.

Halb hinter mir hörte ich Sina und die beiden anderen Männer sich bewegen, nahe aber doch weit genug weg, um mir nicht gefährlich zu werden. Ich hatte keine Gelegenheit mich umzusehen, hoffte aber, dass Sina durch ihre etwas höhere Schnelligkeit gegenüber meiner Rasse den Angriffen der Werwölfe ausweichen konnte. Ich musste mich darauf konzentrieren, selbst unverletzt zu bleiben. Meine Augen suchten den Raum nach etwas ab, das ich als Waffe verwenden konnte, doch ich fand nicht wirklich was. Ich konnte die anderen Werwölfe schlecht mit einem Sofa schlagen und sie würden garantiert nicht still halten, bis ich sie mit einem Kissen erstickt hatte.

Einem Tritt von dem Werwolf dessen Namen ich nicht wusste, traf mich an der Hüfte. Doch es gelang mir einen weiteren Schlag von Jack abzuwehren, ihn sogar durch eine geschickte Schulterdrehung ins Stolpern zu bringen. Aus der gleichen Bewegung heraus trat ich dem anderen Werwolf den Fuß weg und er stürzte auf den Rücken, kam jedoch mit einer fließenden Bewegung fast sofort wieder auf die Beine. Ich hielt mich gerade ganz gut, doch wie lange konnte ich das aufrechterhalten? Während Jack und die anderen Werwölfe noch völlig unbeeindruckt wirkten, waren bei mir Atem und Puls schon in besorgniserregende Höhen geklettert. Mein Körper hatte sich wohl noch nicht so ganz von der Kräfte zehrenden Heilung erholt und ich merkte schon jetzt, wie meine Muskeln langsam müde wurden.

Hinter mir hörte ich einen der Männer gequält aufschreien. Das klang tatsächlich so, als hätte Sina einen guten Treffer gelandet, doch gleich danach hörte ich sie würgen. Automatisch drehte ich meinen Kopf etwas in ihre Richtung, hatte sie sich verletzt?

Sinas gelbe Bluse war vorne voller Blut, auch ihre untere Gesichtshälfte war rot verschmiert. Einen Moment hatte ich tatsächlich Panik. Nicht so sehr, weil ich dann vier Gegnern alleine gegenüber stand, sondern weil ich mir Sorgen um Sina machte. Doch dann wischte sich die Vampirin mit einem angeekelten Ausdruck über den Mund und mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Sie hatte einen der Werwölfe gebissen! Tatsächlich stützte sich einer ihrer Angreifer den Hals haltend an der Wand ab, während Blut über seine Finger rann und die Luft mit einem metallischen Geruch verpestete.

Aber was sollte Sina auch tun, waren ihre spitzen Eckzähne und ihre Schnelligkeit doch so ziemlich die einzigen Waffen in diesem ungleichen Kampf.

Ich hätte mich wohl eher auf meine eigenen Gegner konzentrieren sollen, denn als ich mich wieder umdrehte, kam mir eine Faust entgegen. Mit voller Wucht traf mich der Schlag von Jack gegen die Schläfe. Ich taumelte zurück. In meinem Kopf drehte es sich innerhalb von einem Augenblick zum anderen, wie in einem Kettenkarussell und ich stolperte schließlich über meine eigenen Füße.

Bevor ich mich aufrichten konnte, kniete Jack schon über mir und prügelte auf mich ein. Die Schläge prasselten regelrecht auf mich nieder und ich versuchte die Fäuste abzuwehren. Trotzdem trafen mich die Schläge an Oberkörper und Kopf, da ich noch etwas benommen und nicht so reaktionsschnell war, wie ich es hätte sein müssen. Jack grinste dabei so irre, dass es mir kalt den Rücken runter lief. Dieses Monster genoss es regelrecht zu quälen und zu töten! Ich hatte Angst und mein Überlebensinstinkt schrie mir geradezu zu, dass ich doch endlich etwas tun sollte. Verdammt, ich wollte nicht sterben! Auch wenn mein Leben nicht gerade erste Sahne war, gab es noch genügend Gründe zum Leben.

Ich lag hier hilflos auf dem Rücken, hatte nicht die Gelegenheit oder Kraft Jack abzuwerfen und mittlerweile fühlte sich mein Oberkörper und mein Gesicht an, wie ein Punchingball. Langsam fiel es mir immer schwerer, die Schläge abzuwehren und schon tanzten die ersten schwarzen Punkte vor meinem Gesichtsfeld. Ich war wohl noch nicht wieder ganz so fit, wie ich eben noch gedacht hätte und die Treffer am Kopf, machten es mir nicht gerade einfacher mich zu konzentrieren. Doch da kam Hilfe aus unerwarteter Richtung, die kleine Vampirin sprang Jack von hinten auf den Rücken. Ich sah sie die Zähne fletschen und sich zu dem Hals des Werwolfs vorbeugen. Ich machte mich innerlich auf eine Riesensauerei gefasst, wenn die Vampirin ihre Zähne in der Halsschlagader von Jack versenken würde. Doch dazu kam es nicht.

Ein anderer Werwolf packte Sina von hinten und schleuderte die zierliche Vampirin regelrecht neben das Fenster gegen die Wand. Ich hörte Knochen knacken und sah, wie die sie regungslos liegen blieb. Alles in mir zog sich zusammen. Ich war nicht zurückgekommen, um Sina beim Sterben zuzusehen und mit der Kraft der Verzweifelung gelang es mir tatsächlich Jack von mir herunter zu stoßen. Doch wahrscheinlicher schaffte ich es nur, weil er noch von Sinas Angriff überrascht und so einen Moment unaufmerksam war.

Mir gelang es wie durch ein Wunder aufzustehen, ohne dass mich einer der drei noch kampffähigen Werwölfe zu fassen bekam und baute mich mit dem Rücken zu Sina auf. Mein Atem ging schnell und vor Anstrengung keuchend, mein Körper, aber vor allem mein Kopf tat mir weh und leichter Schwindel machte es mir nicht gerade einfacher aufrecht stehen zu bleiben. Leises Stöhnen und Rascheln von Stoff hinter mir zeigte, dass Sina wohl wieder zu Bewusstseinsein kam. Ein Teil der Last wurde mir von meinen Schultern genommen, denn wenn sie so schnell wieder wach wurde, konnte sie doch nicht ernsthaft verletzt sein, oder?

Ein paar Sekunden standen die drei Werwölfe und ich uns regungslos gegenüber und versuchten die andere Partei einzuschätzen und einzuschüchtern. Was ich sah, war nicht gerade aufbauend. Alle drei Gegner waren noch unverletzt und schienen nicht im Geringsten angestrengt, während ich kurz vor dem Zusammenbrechen war. Auch Sina, die sich hinter mir hoch gequält hatte und nun neben mich trat, sah nicht mehr so aus, als würde sie lange durchhalten. Sie hatte das Gesicht zu einer Grimasse aus Schmerz verzogen, den linken Arm hielt sie in einem unnatürlichen Winkel an den Körper gepresst. Ihr Herzschlag war schnell für einen Vampir, das hörte ich, als sie nur wenige Zentimeter neben mir stand. Und noch etwas fiel mir auf. Ich hätte nur den Arm ausstrecken müssen, um sie zu berühren und trotzdem ängstigte mich ihre Nähe nicht mehr. Anscheinend stimmte dieses alte Sprichwort: ein gemeinsamer Feind verband eben doch.

Zu dem Ergebnis, das sie uns haushoch überlegen waren, schienen wohl auch Jack und seine Rudelmitglieder gekommen zu sein, denn sie griffen wie auf ein heimliches Zeichen an. Wir versuchten uns so gut wie möglich zu wehren, doch schon sehr bald hatten sie mir die Füße unter dem Körper weggetreten und ich lag keuchend auf dem Rücken. Sina wurde von einem Werwolf an die Wand gepresst, die Hand fest um ihren zierlichen Hals gelegt.

„Darf ich mir wohl noch ein Andenken von dir nehmen? Oder wäre das gemogelt?“, fragte Jack mich und beugte sich zu mir herunter. Sein heißer Atem strich mir über das schweißnasse Gesicht und angewidert versuchte ich den Kopf zu drehen. Wieder spielte Jack mit dem Lederband, in der anderen Hand hielt er sein Messer. Noch einmal hatte ich nicht die Kraft dazu, Jack von mir zu stoßen, mein Körper hatte eindeutig sämtliche Kraftreserven für meine Heilung gestern verbraucht. Ich merkte, wie mich der Mut verließ, jetzt würde ich wohl sterben. Doch das Schlimmste war, dass ich Sinas Tod verschuldet hatte, wäre Jacks Rudel bestimmt nicht ohne mein Zutun hier aufgetaucht. Ich hörte Sina leise wimmern und nach Luft ringen und schloss kurz die Augen. Das arme kleine Vampirmädchen wurde für ihre gute Tat an mir bestraft. Das war nicht gerecht, doch seit wann war die Welt das schon?

Entmutigt stellte ich meine Gegenwehr ein, ich gab auf. Auch mein Überlebensinstinkt schien erloschen, denn ich fühlte ihn nicht mehr. Sollte mich Jack doch umbringen, dann hätte ich es endlich hinter mir.

Der Werwolf sah mir wohl meine Resignation an, denn er wirkte irgendwie enttäuscht. Hatte ich ihm mit meinem fehlenden Überlebenskampf etwa den Spaß an der Sache genommen? Wenn ja, dann freute mich das ungemein. Wo wohl so dunkle Kreaturen, wie ich, nach dem Tod hinkamen? Kam `danach` überhaupt etwas?

Ganz leicht schüttelte ich den Kopf über diese Gedanken, was einem so alles durch den Kopf ging, wenn man dem Tod ins Auge sah.

Jack legte mir sein Messer mit der Spitze gegen den Brustkorb und ich fühlte wie sich das Metall ganz leicht durch den Stoff von Pullover und T-Shirt in meine Haut bohrte. Ich tat nichts zur Gegenwehr, hatte mit dem Leben abgeschlossen. Nur meine Atmung wurde automatisch flacher, doch war das eher ein Instinkt als bewusste Handlung. Mein letzter Gedanke galt dem kleinen Vampirmädchen, das es innerhalb von zwei Tagen geschafft hatte, fast sämtliche meiner Schutzmauern zu durchbrechen. Ich hatte sie hier mit rein gezogen und es tat mir leid.

Wolfstod und ein gelbes Band

Jack legte mir sein Messer mit der Spitze gegen den Brustkorb und ich fühlte wie sich das Metall ganz leicht durch den Stoff von Pullover und T-Shirt in meine Haut bohrte. Ich tat nichts zur Gegenwehr, hatte mit dem Leben abgeschlossen.
 

Es ging alles so schnell. Ich sah, trotz der schwarzen Punkte, die vor meinen Augen tanzten, wie sich die Muskeln in Jacks Arm anspannten und machte mich innerlich auf den Schmerz gefasst, der unweigerlich folgen würde. Doch was kam, war ein Schatten, der mit dem Werwolf zusammenprallte und ihn nicht nur aufhielt, sondern von mir wegstieß. Jack und andere Personen schrieen herum, davon auch mindestens zwei unbekannte weibliche Stimmen, meine Nase roch frisches Blut. Ich hörte Sina leise und erstickt aufschluchzen und versuchte mich aufzurichten, meine Lebensgeister waren wieder geweckt. Doch bevor ich auch nur meinen Oberkörper erhoben hatte, trat mir jemand brutal gegen meinen Brustkorb und die Luft wurde aus meiner Lunge gepresst, als ich hart auf den Boden prallte. Ich hatte die ganze Situation noch nicht verarbeitet, da hatte ich einen schweren Fuß auf meiner Brust und einen Degen an der Kehle. Einen Degen? Der Kerl war wohl nicht aus diesem Jahrhundert. So bewegungslos wie es mit meinem fliegenden Atem ging, betrachtete ich meinen neuen Angreifer und versuchte ihn einzuordnen. Er war ein sich aristokratisch haltender Mittdreißiger und in einem eleganten Anzug gekleidet. Der ganze Mann wirkte gepflegt, machte einen berechnenden Eindruck und wenn ich meiner Nase bei dem ganzen Blut- und Schweißgestank trauen durfte, dann roch er nach nichts. Damit wäre auch geklärt, mit was ich es hier zu tun hatte und es war ein Wunder, das der Vampir mir nicht einfach den Degen in die Brust gerammt hatte.

Doch schon in der nächsten Sekunde wurde ich eines besseren belehrt, es geschahen einfach keine Wunder. Ich hörte Schritte von der Richtung hinter dem Vampir kommen und ich roch das Blut von dem Werwolf, den Sina gebissen hatte. Eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass der Mann den Biss überlebt hätte, denn allem Anschein nach war die Halsschlagader verletzt worden. Doch wie gesagt, unsere Rasse ist sehr ausdauernd, wir bekämpfen den Tod verbissen.

Auch der Vampir hatte anscheinend den Feind von hinten gehört, ihn als höhere Gefahr eingeschätzt als mich, was schon fast einer Beleidigung gleich kam und mit einer Schnelligkeit, die es mir schwer machte den genauen Bewegungen zu folgen, drehte er sich um. Der Degen traf zielsicher mitten in die Brust des Werwolfs und während dieser noch verwundert auf den Stahl schaute und langsam tot zusammenbrach, zog der Vampir seine Waffe wieder aus seinem Körper. Ich hatte der ganzen Aktion mit einer geschockten Faszination zugesehen, doch jetzt wäre ich wohl der Nächste. Tatsächlich fixierten mich nun die grauen Augen des Vampirs und er schwang den Degen in einer Bewegung, die jahrelange oder vielleicht sogar jahrhundertelange Übung zeigte, auf mein Herz zu und ich schloss die Augen.

Mit einem erstickten Aufstöhnen wurde mir die restliche Luft aus der Lunge gepresst, die der schwere Fuß auf meinem Brustkorb mir noch gelassen hatte, als etwas mit voller Wucht auf meinem Oberkörper prallte. Ich brauchte einen Moment, um die Augen wieder aufzureißen und noch einen weiteren Moment, um zu verarbeiten, was ich sah. Sina! Das liebenswerte, kleine Vampirmädchen lag quer über meiner Brust, hatte die Augen fest zugekniffen – und nur wenige Millimeter von ihrem Rücken hatte der Degen Halt gemacht.

„Bist du wahnsinnig?“, herrschte sie ein dazu getretener Vampir an, während der elegante Degenfechter seine Waffe zurückzog. Genau dasselbe hätte ich Sina auch gerne gefragt, doch war ich dafür wohl nicht in der richtigen Position dazu, mal abgesehen vom akuten Luftmangel. Die Vampire waren gerade einen Moment abgelenkt, halfen sie doch Sina auf oder suchten sie nach Verletzungen ab und ich fand, es war an der Zeit endlich aus der passiven Rolle heraus zu kommen. Mit einer flinken Bewegung fasste ich den Fuß, der immer noch schwer auf meinem Brustkorb ruhte und verdrehte ihn so, dass der Vampir zwar nicht fiel, jedoch zur Seite stolperte. So schnell ich konnte, rollte ich mich etwas zur Seite und aus der gleichen Bewegung sprang ich auf, hatte ich in den Minuten, die ich hier ruhig auf dem Rücken liegen musste, doch wieder neue Kräfte gesammelt. Ich wich zurück, versuchte den Raum und die Personen darin zu überblicken, doch es befand sich so ein Chaos in dem Wohnzimmer, dass es mir nicht gerade gut gelang. Die Werwölfe waren, bis auf mich, tot. Ich hätte Entsetzen fühlen müssen, schließlich waren sie von der gleichen Rasse und ihre Mörder standen im selben Raum mit mir, doch ich fühlte nur Genugtuung. Ehrlich gesagt war da sogar so etwas wie Enttäuschung, dass nicht ich es war, der Jack getötet hatte und auch jetzt noch kribbelte es mir in den Fingern, der Leiche, die mit gebrochenen Augen an die Zimmerdecke starrte, einen kräftigen Tritt zu geben.

Die Vampire waren mit Sina zu siebt und hatten sich nun alle mir zugewandt. Unwillkürlich stieß ich ein bedrohliches Grollen aus, das tief in meiner Kehle entstand und keinen Zweifel an meiner Absicht mich zu wehren ließ. Auch wenn ich Sina zumindest etwas vertraute, stand das mit ihrer Familie, denn darum handelte es sich hier wohl, ganz anders. Ich hatte wieder das Fenster hinter mir, notfalls würde ich durch das Glas springen und hoffen, dass die Vampire mir wegen der Mittagssonne nicht folgen würden und ich mir dabei nicht zu viele Schnittverletzungen holte. Doch bevor irgendeiner der anderen Vampire etwas tun konnte, hatte Sina beschwichtigend ein Handzeichen in ihre Richtung gemacht und kam langsam auf mich zu. Sie oder jemand ihrer Familie hatte zumindest ihr Gesicht gesäubert und nur noch ihre Bluse und das Dekolletee waren blutbeschmiert. Mit ruhigen Schritten kam sie soweit an mich heran, dass sie knapp vor mir stand, von dem bedrohlichen Knurren ließ sie sich nicht abschrecken. Mittlerweile glaubte ich, dass sie aus irgendeinem Grund nur vor mir keine Angst hatte, denn vor dem Rudel hatte sie ängstlich gezittert. Was immer der Grund war, ich würde ihn schon noch rausbekommen, das schwor ich mir. Während Sina immer näher kam, beobachtete ich die anderen Vampire. Großteils hatten sie abweisende, wütende und gefährliche Gesichtsaudrücke aufgesetzt, nur in dem Gesicht des Vampirs mit dem Degen war nichts zu lesen. Eine der anderen Vampirfrauen hatte besorgt die Hände vor der Brust gefaltet und der Blick auf Sina war schon fast mütterlich zu nennen.

Als das Vampirmädchen vor mir angekommen war, wagte ich es den Blick von ihren Verwandten abzuwenden und auf sie sinken zu lassen, stand sie doch wie ein lebendiger Schutzschild zwischen mir und ihrer Familie. Sie starrte mir ernst ins Gesicht und hob drohend einen Finger.

„Aus!“, befahl sie und vor Verwunderung vergaß ich völlig zu Knurren, die bedrohliche Haltung aufrecht zu halten und nur mit schnellen Seitenblicken versicherte ich mich, dass die Vampire nicht näher kamen. Ich hatte mich wohl verhört! Diesem kleinen Miststück hatte ich doch schon eben gesagt, dass ich nicht ihr Schosshündchen war. Ihre Familie würde es mir wohl übel nehmen, wenn ich die Kleine erwürgte oder was auch immer für so eine Frechheit angemessen war.

Mein Gesicht musste wohl ziemlich entgleist sein, denn Sina kämpfte erst tapfer gegen ein Kichern, bevor sie dennoch dagegen verlor. Das Mädchen brachte mich noch mal um den Verstand. Hier stand sie blutverschmiert, in einem Berg von Leichen, mit einer Familie, die nichts lieber tun wollte als den von ihr aufgepäppelten Wolf zu töten und sie lachte. Ich rollte mit den Augen, doch ohne dass ich das wollte, zuckten meine Mundwinkel etwas nach oben.

Ein wachsamer Blick zu den Vampiren zeigte mir, dass sie wohl nicht mehr glaubten, dass die Situation eskalieren würde. Vier der Vampire hatten sich etwas zurückgezogen, zwei verschwanden sogar aus dem Raum. Nur noch die besorgte Vampirfrau und der Mann mit dem Degen standen nahe nebeneinander da und beobachteten Sina und mich mit Argusaugen. Mittlerweile glaubte ich, dass es sich bei diesen beiden Vampiren um die handelte, die Sina als ihr `Eltern` bezeichnet hatte. Der Vater, Henry war demnach sein Name, fixierte mich mit einem ruhigen Blick, der aber überdeutlich sagte, dass er mich genüsslich töten würde, sollte ich dem Mädchen vor mir etwas antun.

Eine kleine Hand winkte vor meinem Gesichtsfeld und ich widerstand nur schwer dem Drang, Sinas Handgelenk fest zu halten. Zum einen wollte ich ihr nicht wehtun, zum anderen hätte das ihrer Familie bestimmt nicht gefallen. Erst auf den zweiten Blick fiel mir etwas auf.

„Dein Arm? Ich habe eben Knochen brechen hören.“, murmelte ich und starrte fasziniert auf Sinas offensichtlich unverletzten und schmerzfrei beweglichen Arm. Bei der Erinnerung an den Schmerz, verzog die kleine Vampirin das Gesicht und auch ihr Blick wanderte zu ihrem makellosen Arm. Wie war das möglich? Ich wusste, dass Vampire um einiges schneller waren mit der Selbstheilung als Werwölfe, aber so schnell?

„Schon geheilt. Aber ich habe tierischen Hunger!“, erklärte Sina mit einem Funkeln in den Augen. Sah ich da nicht ihre Eckzähne etwas unter ihren Lippen hervorgucken? Gut, dass sie das Experiment mit Wolfsblut schon hinter sich hatte, denn sonst hätte ich jetzt um meine Adern gefürchtet. Sina hatte wirklich einen ausgehungerten Ausdruck in ihrem Gesicht und ich fragte mich, ob die verheilte Verletzung damit zu tun hatte. Irgendwoher musste die Energie dafür ja kommen.

„Und wenn du wieder verletzt würdest?“, fragte ich und war schon auf die Antwort gespannt. Ich fixierte ihre braunen Augen, die etwas dunkler als meine waren und war da nicht ein leichter Grünstich drin? Und seit wann interessierte mich die Augenfarbe einer Vampirin? Innerlich den Kopf schüttelnd konzentrierte ich mich auf Sinas Antwort auf meine Frage.

„Dann würde Heilung nur bis zu einem gewissen Punkt ablaufen. Im Moment bin ich so verletzlich wie ein Mensch, ich brauche erst etwas Blut.“, erklärte Sina und sah mich offen an. Ich war ziemlich erstaunt, dass die Kleine mir so bereitwillig alles erklärte, hatte sie mir doch förmlich angeboten ihr weh zu tun. Sie war wehrlos und sie sagte es mir, einem Todfeind. Entweder war diese Vampirin verrückt oder völlig verblödet. Doch das bezweifelte ich, denn so naiv wie Sina manchmal wirkte, war sie nicht, das hatte sie schon bewiesen. Dann blieb nur noch eine dritte Möglichkeit übrig und die machte mich aus unerfindlichen Gründen noch nervöser. Die kleine Vampirin musste irgendetwas in mir sehen, dass sie mir vertraute, etwas von dem ich selbst nicht wusste, dass ich es besaß. Also ich würde mir nicht so leichtfertig mein Leben anvertrauen, wie das arglose Ding das gerade tat.

„Schau mich bloß nicht so an.“, knurrte ich bedrohlich, als Sina mich immer noch mit diesem hungrigen Blick maß. Doch fehlte das Grollen in meiner Stimme, das der Drohung erst ihren Ernst gegeben hätte. Das Vampirmädchen reagierte nur mit einem belustigten Lächeln. Vor ihr konnte ich meine Show wirklich sein lassen, sie schien zu wissen, dass ich ihr mittlerweile nichts mehr antun konnte. Dazu mochte ich sie einfach viel zu sehr, schließlich fühlte ich in ihrer Gegenwart nicht die Leere in meinem Brustkorb, die sie selbst dort erst sichtbar gemacht hatte.

„Sie werden dir nichts tun.“, versprach Sina und schaute mich von unten an. Ich rollte mit den Augen. War ja klar, dass die Vampirin ihre Familie für liebenswerte Geschöpfe hielt, die nicht fähig waren mich eiskalt zu töten, nur weil Sina mich zumindest momentan mochte. Ich stand dem etwas skeptischer gegenüber, doch was sollte ich auch machen? Gegen sieben Vampire, die irgendwo im Haus verteilt waren hatte ich noch weniger Aussichten auf Erfolg, als gegen das Werwolfsrudel. Und sollte ich wirklich hier heraus kommen, würde ich in der Nacht eine Masse Verfolger haben, die um einiges flinker waren als ich. Ich war gespannt, was aus dieser Sache werden würde, schließlich würde mich das Oberhaupt dieser Familie nicht gehen lassen, ohne dass er sicher sein konnte, dass ich keine Werwölfe, Menschen oder Monsterjäger hierher führte.

Eben dieses Familienoberhaupt kam nun mit der Frau an seiner Seite auf Sina und mich zu und sofort spannten sich meine Muskeln an. Aufmerksam versuchte ich jede Bewegung der beiden zu analysieren und auf Anzeichen für Aggressivität zu achten. Eine sanfte Berührung an meinem Unterarm hätte mich beinahe dazu gebracht erschreckt zurück zu springen, bevor ich merkte, dass es die Hand der kleinen Vampirin war, die auf meinem Arm ruhte. Diese unschuldige Geste von Zuneigung und Vertrauen schaffte es tatsächlich, dass ich mich etwas entspannte, aber meine Vorsicht ließ ich nicht fallen.

„So, was machen wir mit Ihnen?“, fragte mich der Mann, der seinen Degen mittlerweile in einem Stück Holz hatte verschwinden lassen, dass er aussah wie ein herkömmlicher Gehstock. Sein Blick wirkte kühl, doch war ansonsten nichts in seinem Gesicht abzulesen. Die Frau an seiner Seite hingegen war ein offenes Buch und in ihrem Blick spiegelte sich ein Gemisch aus Misstrauen, Sorge und auch etwas Hass wieder.

„Mich gehen lassen?“, warf ich zögernd in den Raum, doch das stand wohl nicht zur Debatte. So wanderte auch nur eine Augenbraue des Degenmannes in die Höhe. In Unterzahl und nicht in bester körperlicher Verfassung, hatte ich nicht gerade viel zu melden. Ich atmete tief durch und versuchte die Anspannung aus meinem Körper zu vertreiben. Es fiel mir sehr schwer, denn fast wehrlos vor zwei Vampiren und Sina zu stehen, war nicht gerade entspannend, besonders wo jetzt wieder die kleine, warme Hand auf meinem Arm fehlte. Doch allem Anschein nach gelang es mir zumindest nach außen hin ein ziemlich unbeeindrucktes Gesicht zu machen, denn Sinas Vater zog wieder erstaunt eine Augenbraue hoch, doch diesmal schien etwas wie Respekt in seinen Augen mitzuschwingen. Vielleicht war meine Aussicht am Leben zu bleiben doch nicht so hoffnungslos, wie ich gedacht hatte.

„Dazu sollten wir vielleicht erst einmal einige Dinge klären. Doch setzen wir unser Gespräch vielleicht im Nebenraum fort.“, erklärte Sinas Vater und wies mit seine Hand auf eine der von diesem Raum ausgehenden Türen. Wenn ich mich richtig erinnerte, war darin die Küche. Sina machte eine neckische Geste mit dem Kopf und schon hüpfte sie regelrecht los. Ich warf den anderen beiden Vampiren noch einen lauernden Blick zu, der sie nicht im Geringsten einschüchterte und ging ganze zwei Schritte weit. Mein Blick war auf Jacks Leiche gefallen oder eher gesagt auf das Lederband daneben, das er immer noch in seinen schlaffen Händen hielt.

Mit einem wütenden Grollen ging ich zielsicher auf den Toten zu, ignorierte dabei, wie sich die Vampire, sogar Sina, anspannten. Das war vielleicht die erste Situation in der ich dem Vampirmädchen Angst gemacht hatte, in dem Moment war mir das egal. Ich hob die Lederschnur samt Gegenständen daran auf und schnell fand ich daran, was ich gesucht hatte. Mir war egal, dass mich die Vampire beobachteten. Ich zerriss die Schnur mit einem kräftigen Ruck, während ich den kleinen, goldenen Anhänger fest hielt und schon prasselten die anderen Gegenstände auf den Boden. Achtlos ließ ich alles andere fallen, nur das Medaillon umklammerte ich so fest mit meiner Faust, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Missmutig trat ich gegen die Leiche des Werwolfs, der mir so viel Leid verursacht hatte, doch brachte mir das nicht die erhoffte Genugtuung. Mit einem letzten Blick auf Jacks toten Körper, wandte ich mich der Küche und ging zielstrebig auf die Tür zu. Ich achtete nicht darauf, was die Vampire taten, es war mir auch egal. Obwohl ich ihre Blicke fast körperlich in meinem Rücken spürte und ich konnte ein kurzes Aufflackern von Angst nicht unterdrücken. Sie brauchten nur einen Sprung nach vorne machen und ihre Zähne in meiner Halsschlagader versenken. Oder Daddy hinter mir, könnte mich mit seinem Degen töten, doch würde ich dabei wenigstens das Geräusch des Herausziehens des Stahls aus der Schutzhülle hören.

Trotzdem war ich in diesem Moment gefangen in meinen Erinnerungen und abgelenkt, erst als ich mich auf einem der Stühle in der hellen und großzügigen Küche hatte fallen lassen, sah ich wieder vom Boden auf.

Sina hatte sich neben mich auf einen anderen Stuhl gesetzt und die Füße mit auf die Sitzfläche gezogen, was ihrem Vater wohl nicht ganz gefiel, verzog er doch missbilligend den Mund. Ob es allerdings dabei um Sinas fehlendes Benehmen ging oder dass sie so nah neben mir saß, konnte ich nicht sagen. Mir blieb auch keine Zeit zum Nachdenken, denn schon hatte Sina ihre Hand nach mir ausgestreckt.

„Darf ich sehen?“, fragte sie und wartete erst gar nicht auf meine Antwort. Sie nahm mir den Anhänger aus der verkrampften Hand und irgendeine höhere Macht hatte wohl mein Gehirn ausgeschaltet, denn ich ließ es ohne Gegenwehr geschehen. Selbst wenn ich Sina daran hätte hindern wollen, wäre das keine gute Idee gewesen, immerhin standen zwei Vampire ihrer Familie hinter und neben uns und beide schienen darauf bedacht, ihr Nesthäkchen zu beschützen. Na ja, der Mann stand dicht neben Sina und mir, die Frau machte sich an dem Kühlschrank zu schaffen.

Ich ließ es zu, dass Sina nicht nur das Medaillon an sich nahm und das goldene Schmuckstück von allen Seiten betrachtete, sondern es auch öffnete. Ich konnte innerlich das Bild vor meinen Augen beschwören, was das Vampirmädchen sehen würde, schließlich hatte ich die beiden Fotos darin oft genug betrachtet. Auf der linken Seite würde Sina ein Paar in Hochzeitskleid und Anzug sehen, die Frau überglücklich lächelnd und unübersehbar schwanger. Der Mann legte eine Hand um ihre Taille, die andere ruhte auf ihrem runden Bauch, als würde er das ungeborene Kind beschützen wollen. Auf der anderen Seite waren zwei Teenager zu sehen, der eine war unverkennbar ich und die männliche, ernstere Ausgabe der Frau im Hochzeitskleid. Das Mädchen neben mir auf dem Foto ähnelte mehr einem Gemisch aus dem Pärchen, war ein bisschen jünger und hatte das strahlende Lächeln ihrer Mutter aufgesetzt.

Ich achtete nicht auf den Anhänger, ich versuchte eher in Sinas Gesicht zu lesen. Würde sie sich über mich lustig machen? Schließlich war ich sonst nicht gerade gefühlsbetont, wenn man Zorn und Aggressivität außen vor ließ und es passte einfach nicht zu mir aus sentimentalen Gründen so etwas mit mir rum zu tragen. Doch anstelle eines Grinsens wurde Sinas Gesicht mitfühlend, vielleicht sogar etwas traurig. Ob sie wohl an ihre leibliche Familie gedacht hatte? Sie musste schon tot sein, während ich nicht bei meiner Familie sein durfte, weil ich ihr schlecht erklären konnte, wieso ich nicht alterte. Außerdem hätte ich vor knapp zehn Jahren beinahe meine Schwester geschlagen, als sie mich zu Vollmond gereizt hatte. Das war der eigentliche Grund, wieso ich geflohen war. Niemand war bei mir sicher, noch nicht mal Personen, die ich liebte. Besser alleine um die Erde ziehen, als Schuld an Verletzungen oder gar dem Tod der eigenen Familie oder von Freunden zu sein.

Beinahe sanft legte mir Sina den Anhänger zurück in meine Hand, legte meine andere Hand behutsam wie einen Deckel darüber. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich länger als notwendig berührte, doch vielleicht war das auch nur Einbildung. Wie dem auch sei, mich beruhigte diese Geste der Zuneigung. Zumindest würde Sina wohl nicht zulassen, dass mich ihre Familie wie die anderen Werwölfe in die ewigen Jagdgründe schickte.

„Darf ich vorstellen: Henry Benoir. Thomas Cole. Bin gleich wieder da!“, erklärte Sina wieder etwas überdreht und sprang vom Stuhl auf, als würde er sich jeden Moment in eine reißende Bestie verwandeln. Sie war so schnell aus der Tür heraus, dass ich ihr nur verwundert und etwas aufgebracht hinterher sehen konnte. Wie konnte sie mich hier mit ihrem Vater alleine lassen? Das schien sich auch Henry zu fragen, denn er sah ihr kopfschüttelnd aber nachsichtig hinterher, wie man es bei einem überdrehten Kind eben tun würde.

„Thomas Cole also. Gehören Sie zu dem Rudel da draußen?“, fragte der Vampir und fixierte mich mit seinem ausdruckslosen Gesicht. Selbst wenn ich zu Jacks Rudel gehört hätte, wäre ich vorsichtig mit der Antwort gewesen, denn zu den Leuten zu gehören, die beinahe eine Tochter des Hausherrn getötet hatten, war bestimmt ungesund. Doch so log ich noch nicht einmal, als ich entrüstet verneinte. Meine Stimme war wohl etwas zu gereizt und aggressiv gewesen, denn Henry zog wieder eine Augenbraue hoch, was ich mittlerweile für eine sehr lästige Angewohnheit bei ihm hielt. Ich machte Anstalten vom Stuhl aufzuspringen, doch ein Blick des Vampirs ließ mich mitten in der Bewegung inne halten und langsam wieder zurücksinken. Ich sollte es mir vielleicht doch nicht mit diesem Mann verscherzen, denn auch wenn er nach außen hin aristokratisch und durch seinen Anzug harmlos wirkte, würde ich nicht den Fehler machen und ihn unterschätzen.

„Was hatten Sie dann mit dem Rudel zu schaffen und was hat es mit dem Anhänger auf sich?“, fragte das Familienoberhaupt der Vampire und langsam ging mir dieser Mann gehörig auf die Nerven. Musste er genau die Fragen stellen, die ich nicht beantworten wollte? Ich hatte die Sache noch lange nicht verarbeitet und da wollte ich nicht darüber reden, um genauer zu sein, ich wollte darüber nie wieder reden!

„Das geht dich einen feuchten Scheiß an.“, knurrte ich den Vampir an, auch wenn er in der eindeutig besseren Position war. Hatte ich nicht eben noch daran gedacht, ihn nicht zu verärgern? Nun, unhöflich und auch noch beleidigend zu sein, würde er wohl als Provokation ansehen. Doch bevor die Lage eskalieren konnte, sprach Sina von der Tür aus: „Ist das nicht egal, Vater? Er kam zurück, um mein Leben zu retten, obwohl er wusste, dass die Chancen schlecht standen. Müsste das nicht reichen?“

Ich war selten so froh gewesen jemanden zu sehen, wie gerade das kleine Vampirmädchen. Sie hatte sich umgezogen und das Blut abgewaschen und um ehrlich zu sein, trug das ebenfalls dazu bei meine Nerven zu beruhigen. Der Blutgeruch in diesem Haus war schon schlimm genug und ließ mich alles andere nur undeutlich wahrnehmen, doch dass das unschuldige Vampirmädchen ihn bis eben verströmte, hatte sich so falsch angefühlt.

„Sina hat Recht. Der Wolf hat sie versucht zu retten und dafür schulden wir ihm etwas.“, mischte sich nun auch die Vampirfrau ein, die vom anderen Ende der Küche herüber kam. Was sie dort gemacht hatte, sah ich erst als sie näher kam und ich musste schlucken. Irgendwo in dem Kühlschrank waren wohl Blutkonserven gelagert, denn sie trug ein Glas mit einer roten Flüssigkeit zum Tisch und der Blutgeruch wurde noch erdrückender. Sie stellte das Glas vor Sina hin und ich verzog angewidert den Mund, als sie einen großen Schluck daraus trank. Es war zwar natürlich, dass eine Vampirin Blut trank, doch unbedingt mit ansehen musste ich das nicht. Doch ich verkniff mir einen Kommentar, wollte ich Sina nicht verletzen. Außerdem war es eine Beruhigung, dass die hungrige Vampirin nun etwas aß, bevor sie sich trotz des Geschmacks meines Blutes auf mich stürzte.

„Hier. Provisorisch für deinen Anhänger.“, erklärte Sina und hielt mir ein schmales Band hin, das aus glatten, gelben Fäden gewebt war. Ich hatte nicht wirklich viel Ahnung von Stoff, doch die Farbe war lebendig und im Licht glänzte das Band. Als ich nicht sofort Anstalten machte, die Schnur aus ihrer einen Hand zu nehmen, in der anderen hielt sie noch das Glas, schob die kleine Vampirin schmollend die Unterlippe vor. Ich konnte nicht anders, als ihrer wortlosen Forderung folge zu leisten und das Medaillon meiner Mutter an das Band zu hängen. Wer wollte es sich auch mit der Frau verscherzen, die anscheinend die Herzen einer gesamten Vampirfamilie besaß?

„Was haben Sie denn jetzt vor?“, fragte mich die ältere Vampirin und ließ sich gegenüber von Sina und mir auf einen Stuhl an den großen Tisch sinken. Sie hatte auch ein Glas mit Blut in der Hand und ich musste mich zwingen nicht hinzusehen. Wo hatten sie das Blut wohl her? Ich hoffte mal, dass es aus einer Blutbank war, denn wenn nicht, wollte ich mir nicht vorstellen, wie sie an das Blut gekommen waren. Doch jetzt hatte ich erstmal eine Frage zu beantworten, von der ich die Antwort selbst nicht wusste.

„So recht weiß ich das auch nicht. Irgendwo Richtung Meer ziehen, da war ich schon länger nicht mehr.“, improvisierte ich. Ja, das schien doch eine gute Idee zu sein. Ein bisschen Urlaub am Meer, vielleicht könnte ich wieder ein paar Wochen auf einem Fischerboot arbeiten. Da wurde nicht besonders auf Papiere geachtet, das hatte ich schon vor fünf Jahren bemerkt, als ich es ganze drei Wochen auf ein und demselben Schiff ausgehalten hatte.

„Ihnen ist klar, dass Sie mit niemandem über unsere Familie reden werden. Sollten mir irgendwo Gerüchte über Vampire zu Ohren kommen, dann werde ich Sie jagen und zur Strecke bringen.“, wisperte Henry Benoir mir leise von der Seite zu. Er war mir dabei so nah, dass ich seinen Atem auf meinem Ohr spüren konnte und als ich in seine Richtung schaute, sah ich seine spitzen Eckzähne unter seinen Lippen hervorlugen. Das Oberhaupt dieser Familie hatte sehr ruhig gesprochen, kein Anzeichen von Zorn oder Aggression war in seiner Stimme gewesen. Doch trotz allem spürte ich die Drohung die in den Sätzen lag und ich war mir sicher, dass er nicht nur jeden Satz ernst meinte, sondern auch genauso durchführen würde, wie er gesagt hatte.

„Wieso sollte ich jemandem hiervon erzählen und vor allem wem? Außerdem müsste ich dann offen legen, dass ich auch kein Mensch mehr bin. Ich werde niemandem von diesem Zusammentreffen erzählen.“, erklärte ich nach außen völlig ruhig und bedacht, auch wenn mich die Vampirzähne so nah an meinem Gesicht beunruhigten. Nervös spielte ich mit dem Anhänger, der jetzt an dem gelben Band um meinen Hals hing. Als ich merkte, dass ich damit meine innerliche Unruhe verriet, zwang ich mich das Medaillon unter meinen Pullover zu verstecken und die Hände ruhig auf den Tisch zu legen. Jetzt war es zwar bestimmt egal, die Vampire hatten meine Angst, meine Schwäche, bestimmt schon längst bemerkt, doch ich wollte mir keine Blöße geben.

„Das sagen Sie jetzt. Doch was, wenn Sie in eine Situation geraten, wo Ihnen diese Information nützlich sein können. Vielleicht haben Sie auch Spaß daran, andere Personen in Probleme zu bringen?“, meinte Henry und brachte sein Gesicht ganz nah vor meines und ich spannte meinen Körper automatisch an. Die Augen fixierten mich, starrten mich regelrecht an, während der Vampir kaum blinzelte. Ich versuchte den Blick so stoisch wie möglich zu erwidern, auch wenn er mir regelrecht eine Gänsehaut auf die Arme zauberte und nur mit Mühe widerstand ich den Drang zurückzuweichen.

„Ich verspreche Ihnen, dass ich niemandem von Ihrer Familie erzähle. Ich mag zwar nicht die vertrauenswürdigste Person sein, aber meine Versprechen halte ich immer.“

„Dann sollten Sie jetzt gehen, bevor die Nacht hereinbricht.“, erklärte die Vampirfrau auf meine Antwort hin. Sie unterbrach damit auch das kleine Blickduell, das Henry und ich durchführten, was mich fast vor Erleichterung aufatmen ließ. Ich wusste zwar nicht, wieso ich jetzt plötzlich doch gehen durfte, doch ich würde nicht fragen und die Vampire noch auf dumme Gedanken bringen. Ein schneller Blick zu dem Küchenfenster zeigte mir, dass es mittlerweile schon später Nachmittag war und ich vielleicht nur noch drei, vier Stunden Sonnenlicht hatte. Wenn ich jetzt losging, hätte ich noch genügend Zeit den Rucksack einzusammeln, die Stadt zu erreichen und mir ein Zimmer zu suchen. Vor allem hätte ich ein bisschen Vorsprung, sollte einer der Vampire doch auf die Idee kommen, mich zu verfolgen. Der Mann machte mir Platz, so dass ich vom Stuhl aufstehen konnte und ich brachte so unauffällig wie möglich etwas Abstand zwischen uns. Die Freiheit war greifbar nahe und ich wollte mir nicht noch auf den letzten Metern irgendwelche Stolpersteine in den Weg legen. Sinas Vater schien nicht so überzeugt zu sein, dass man mich gehen lassen durfte, doch vertraute er anscheinend dem Urteil der anderen Vampirfrau. Zumindest hatte er mir Platz gemacht und machte keine Anstalten mich in Stücke zu reißen.

„Komm, ich bringe dich bis zur Tür. Es sei denn, du möchtest aus dem Fenster klettern.“, scherzte Sina und sprang von ihrem Stuhl auf. Sie lächelte, schien so lebendig wie eh und je, doch irgendwie war da ein trauriges Glitzern in ihren Augen. Wieso sollte sie traurig sein, wenn ich ging? Ihre Familie war doch wieder hier, sie war nicht mehr allein.

Ich folgte dem Vampirmädchen bis zur Tür, bewacht von den älteren Vampiren. Auf dem Weg durch das Wohnzimmer fiel mir auf, dass jemand die Leichen entsorgt hatte, nur noch wenige Blutspuren und umgestoßene Möbel deuteten auf den Kampf hin. Wer weiß, was die Vampire mit den Leichen anstellen würden, vielleicht verbrannten sie die toten Werwölfe, vielleicht fanden sie ihre letzte Ruhestätte irgendwo im Wald verscharrt. Mir war das egal, auch wenn mir bei dem Gedanken beinahe dasselbe Schicksal geteilt zu haben, ein kalter Schauer über den Rücken lief.

An der Haustür wusste ich wieder nicht, ob ich mich verabschieden sollte und wieder nahm mir Sina die Entscheidung ab.

„Pass auf dich auf, Thomas. Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennen gelernt. Ich werde dich vermissen.“, erklärte sie mit einem traurigen Lächeln. Bevor ich noch etwas dazu sagen konnte, hatte das Vampirmädchen ihre Arme um meine Brust geschlungen und sich kurz an mich gedrückt. Ich stand völlig erstarrt da, wusste nicht was ich machen sollte. Wegstoßen wollte ich sie nicht, was mich noch mehr irritierte. Meine Instinkte waren wohl irgendwie beschädigt oder am Schlafen. Doch ihre Umarmung erwidern, dagegen sträubte sich mein gesunder Wolfsverstand. Verdammt noch mal, ein Werwolf umarmte doch keinen Vampir! Den Kopf zu beugen und ganz leicht auf Sinas Haar zu legen, davon konnte ich mich nicht abhalten. Ich atmete den Duft nach alten Büchern und Rosenblüten ein, den Sina ausstrahlte, auch wenn unangenehm der Gestank von Blut aus dem Wohnzimmer darüber schwebte. Mittlerweile gehörte dieser Geruch für mich zu Sina dazu, wie ihr wetterwendisches Wesen und ihr fröhliches Lachen.

„Leb wohl.“, flüsterte Sina und riss sich von mir los. Sie flüchtete regelrecht aus dem Flur und die Verbindungstür zu dem Wohnzimmer fiel mit einem lauten Knall ins Schloss. Ich wusste nicht, wie lange ich die Holztür anstarrte, doch die Leere in mir war belastend. Was sollte ich jetzt machen? Wieder hatte ich kein Ziel vor Augen und was mir noch vor ein paar Tagen wie die pure Freiheit vorgekommen war, sorgte jetzt dafür, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Ich zwang mich, mich nach draußen zu gehen, die Haustür leise hinter mir zu schließen und meinem Instinkt in die Richtung zu folgen, wo ich den Rucksack hatte liegen lassen. Ich legte wieder ein Tempo vor, bei dem ich wohl nicht vor Sonnenuntergang die Stadt erreichen würde, doch war mir das gerade egal. Zu viel ging in meinem Kopf herum.

Sina hatte `Lebwohl` gesagt. Nicht `auf Wiedersehen`. Dieser kleine Unterschied sagte eigentlich schon alles.

Die Spur von Bedauern, dass ich das Vampirmädchen wohl nie wieder sehen würde, verdrängte ich, auch wenn ich so ein drückendes Gefühl in der Brustgegend hatte. Wieso sollte es mich auch interessieren, ob ich Sina je wieder sah? Wir waren ja keine Freunde oder so etwas, dazu kannten wir uns zu kurz und waren zu verschieden. Zumindest versuchte ich mir das einzureden, während ich missmutig und mit hängendem Kopf weiterging. Ich warf noch einen letzten Blick auf das Anwesen, das mit dem Wald im Hintergrund und dem Rosengarten, wie aus einem Katalog für Reisen zu historischen Orten aussah. Mich abwendend zog ich den Anhänger aus meinem Pulloverausschnitt und nahm meinen Weg wieder auf, während ich abwesend über das gelbe Satinband strich.

Epilog

Epilog
 

Ich schaffte es damals noch vor Einbruch der Nacht bis zur Stadt und kam in einem schäbigen Motel unter. Fast war ich enttäuscht, als keiner der Vampire kam, denn in dieser Nacht fühlte ich mich einsam wie nie zuvor. Als ich bei offenem Fenster in meinem Motelbett lag und hoch zum Mond starrte, sehnte ich mich fast danach, dass jemand mein Leben beendete und nur sehr leise schimpfte eine kleine Stimme in mir, dass ich nicht so wehleidig sein sollte.

Am nächsten Morgen verließ ich die Stadt und ein Jahr zog ich wieder als einsamer Wolf durch die Gegend, legte dabei riesige Entfernungen zurück. Nie hielt ich mich lange an einem Ort auf, arbeitete wenn ich wieder Geld brauchte und versuchte so gut wie möglich mich aus allem Ärger raus zu halten. Tatsächlich hatte mich mein erster Weg zum Meer geführt, wo ich einen Monat auf einem alten Kutter arbeitete. Danach war mir der Gestank nach Fisch zu viel geworden und ich zog weiter, also eigentlich nicht viel anders, als die zehn Jahre davor.

Doch immer wenn ich mich wieder auf eine Prügelei einlassen wollte oder irgendetwas anderes Dummes vorhatte, kam mir Sina in den Sinn. Ich weiß heute nicht, wieso ich das tat, aber meist brachte mich das dazu wieder Vernunft anzunehmen. Vielleicht war es wegen diesem nagenden Gefühl, dem kleinen Vampirmädchen etwas zu schulden, schließlich hatte sie mir damals ein zweites Leben geschenkt, wäre ich doch ohne ihre Hilfe in diesem Wald verblutet. Ansonsten dachte ich nach einiger Zeit nicht mehr so häufig an Sina, zumindest versuchte ich es, auch wenn ich zugeben musste, dass ich mich an manchen Tagen nach einem Gespräch mit ihr sehnte. Ja, manchmal war mir das Leben als Einzelgänger zu einsam geworden.

Eine Begegnung in einer Bar stellte sich als Rettung für mich heraus, auch wenn es erst nach einer handfesten Auseinandersetzung aussah. Ich roch sofort beim Eintreten in die Eckkneipe, dass hier mindestens ein anderer Werwolf war, sogar über den ganzen Rauch, Schweißgestank und Biergeruch. Als wir uns schließlich hinter der Bar gegenüber standen, kam noch ein anderer Werwolf dazu und zu meiner Verwunderung schlichtete er den beginnenden Streit, bat mir sogar einen Schlafplatz für die Nacht an. In dem Haus, nicht weit von der Gaststätte, zu dem der Mann mich führte, lernte ich sein gesamtes Rudel kennen. Alexei, der Rudelführer, machte es mir sehr einfach mit ihm und den anderen zu Recht zu kommen und ich hängte noch einen Tag unter dem Dach der sechs Werwölfe an und dann noch einen, schließlich gehörte ich langsam zum Rudel dazu. Seitdem ging ich sogar einer geregelten Arbeit nach, besaß Alexeis Rudel neben der Kneipe doch auch eine private Sicherheitsfirma, wo ich ebenfalls meinen Teil zur Haushaltskasse beitrug. Es gab feste Einkünfte und somit hatte ich zum ersten Mal seit Jahren regelmäßig warme Mahlzeiten, ein sicheres Dach über dem Kopf und so etwas wie eine Familie. Ich weiß nicht wie es dazu kam, aber ich hatte nicht mehr den Zwang weiter zu ziehen, auch wenn ich ab und zu ein paar Tage im nächsten Wald verschwand und ziellos darin herumstromerte. Zögerlich nahm die Leere in meinem Brustkorb ab, die ich seit dem Abschied von Sina gefühlt hatte. Vor der Begegnung mit der Vampirin war mir nie aufgefallen, wie einsam ich eigentlich gewesen war.
 

Ich stand langsam auf und schaute über den See, an dem ich die letzten Stunden mit Nachdenken und Wühlen in der Vergangenheit verbracht hatte. Ich hatte etwas Abstand von dem Rudel gebraucht und eigentlich wollte ich nur einen kurzen Abendspaziergang nach der Arbeit machen, doch dann wurde ich im Park bei dem Anblick des im Mondlicht liegenden Sees, dem darauf schwimmenden Schwan und dem Geruch nach Rosenblüten an Sina erinnert. Die Erinnerungen an das zierliche Vampirmädchen, Jack und meinen Beinahetod waren wieder hoch gekommen, auch wenn das alles schon drei Jahre zurück lag. Und plötzlich wollte ich nicht zurück zu dem Rudel, wo es manchmal sehr lebendig zuging, wo der achtjährige Sohn von Alexei und seiner Frau eine Rauferei anfangen wollte oder mich anbettelte ihm doch bei den Hausaufgaben zu helfen. Ich hatte Ruhe gebraucht und Zeit zum Nachdenken.

Noch einmal betrachtete ich das kleine Medaillon um meinen Hals, dass ich immer noch jede Minute meines Lebens trug. Doch diesmal ging es nicht um die beiden Fotos in seinem Inneren, sondern um das Band, an dem es hing.

Das ehemals leuchtend gelbe Band war ausgeblichen und wirkte schmutzig, obwohl es so gut es ging gewaschen war. Im Laufe der drei Jahre, die ich es nun schon trug, hatten die Sonne, Schweiß und Strapazierung den Stoff ausgeblichen und seinen Glanz genommen. Auch war das Band schon zweimal gerissen und wieder verknotet worden, doch um nichts in der Welt wollte ich für den Anhänger eine andere Schnur oder gar eine Kette nehmen. Schließlich erinnerte mich das Band daran, dass ich ein zweites Leben geschenkt bekommen hatte und das von einer Person, die eigentlich mein Todfeind hätte sein müssen. Es stellte ein Zeichen dar, niemanden nach seiner Herkunft zu beurteilen, sondern jeder Person die Möglichkeit zu geben, sich von einer guten Seite zu zeigen. Zumindest hatte ich das so meinem neuen Rudel erklärt, als ich gefragt wurde, wieso ich dieses alte, kaputte Ding nicht austauschen würde. Natürlich hatte ich keine Namen, Orte oder auch nur das Wort Vampir erwähnt, darauf reagierten normalerweise alle Werwölfe allergisch und sei es nur aus Gewohnheit. Außerdem hatte ich ein Versprechen gegeben nichts über die Vampirfamilie zu erzählen und wie ich es Henry Benoir gesagt hatte, hielt ich meine Versprechen.

Die Wahrheit war, dass mich das Band an Sina erinnerte. So einfach war das. Das kleine Vampirmädchen hatte sich durch ihre Furchtlosigkeit und Güte einen Platz in meinem Herzen gesichert und würde wohl auch immer einen Teil davon besetzen, auch wenn ich sie wohl nie wieder sah.
 

------------------------------------
 

Soo, hiermit ist die Geschichte zu Ende ;)

Ich hätte mich gefreut, wenn auch hier jemand ein Review hinterlassen hätte, aber es ging ja eher um den Spaß am Schreiben. Falls wer Interesse an der Fortsetzung hat, dann eine ENS oder einen Kommentar schreiben, dann poste ich die Fortsetzung "Wolfsliebe" auch hier.
 

Danke fürs Lesen (wenns dein einer getan hat *lol*)

Tina



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (10)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  AnniinaAgricola
2014-12-14T20:19:17+00:00 14.12.2014 21:19
Das ist so eine schöne FF! Hast du die Fortsetzung schon gepostet?
Du hast einen wunderschönen Schreibstil! Man kann sivh in jede Szene, jede Gefühlslage hineinversetzen. Wunderbar!

Grüßle Cami
Von:  Evaleska
2010-03-22T19:50:50+00:00 22.03.2010 20:50
Das ist ein wirklich schönes Ende. Sie hat ihn dazu gebracht, seine Einsamkeit aufzugeben. Das ist doch schon mal was.
Den Epilog hättest du auch gut im Präsens schreiben können. Gerade die Stelle am See, wo er nicht weiß, ob er zu seinem "Rudel" zurück soll. Das ist auch die so ziemlich einzige offene Frage: Was macht er jetzt?
Ah, was ich am Anfang vergessen habe. Ich finde es faszinierend, dass du die Vampirin mit einem Schwan vergleichst. Am Anfang sieht er sie ja noch als Frau, aber zum Schluss am See weiß er ja, dass sie ein Vampir ist, und wird trotzdem durch den Schwan an sie erinnert.
Auch schön, dass er das lädierte Band von ihr aufhebt.
Wirklich tolle Geschichte.
LG Lianora
Von:  Evaleska
2010-03-22T19:46:42+00:00 22.03.2010 20:46
Gleich zu Beginn. Was ist denn bitte "geschockte Faszination"? Das kommt in meine Liste genialer Formulierungen ^^
In dem Kapitel hast du ein paar Wörter vergessen...
Und noch eine Anmerkung. Der Degenmann wirkt durch seinen Anzug harmlos. Das will nicht in meinen Kopf rein. Wie wirkt man durch einen Anzug harmlos?
Ansonsten hast du die Konfrontation Vampire - Werwolf sehr gut dargstellt. Nur hättest du dabei ruhig etwas mehr auf die anderen Vampire eingehen und zumindest der "Mutter" einen Namen geben können.
Ein toller Abschluss aber für die Begegnung der beiden.
Von:  Evaleska
2010-03-22T19:41:26+00:00 22.03.2010 20:41
Diesmal gabs einige Stellen, die ich anders formuliert hätte, aber da geht es hauptsächlich um die Konstellation der Wörter im Satz.
Wieder so ein paar nette Stellen, wie das Erschlagen der Werwölfe mit einem Sofa oder das Stillhalten, bis sie mit Kissen erstickt werden.
Irgendwo in der Mitte heißt es "Sie wollten mich töten, ich wehrte mich". Das ist doch eigentlich so nicht ganz richtig oder ist das nur seine Meinung? Ich meine, sie wollen das Mädel töten, ihn haben sie doch gerade erst gesehen bzw. einer hat ihn gesehen und der hat wohl kaum in dem Augenblick die Zeit darüber nachzudenken, dass er ihn am liebsten töten würde.
Noch was potitives. Bei dir stimmt immer die Logik. So bekommt er zum Beispiel Wind von vorne, als er sich zu dem Mädel umdreht, statt auf seine Gegner zu achten. Ich kenne einige Leute, die geschrieben hätten, die Gegner würden warten.
In dem Absatz danach, wo es um seine Angst geht, wäre meiner Meinung nach Hass auch ganz angebracht. In so einer Situation wäre ich stinksauer. Die verprügeln seine Freundin, verprügeln ihn, machen sich lustig etc.
Am Ende vom Kapitel hast du bei Mädchen übrigens das erste mal "das" verwendet. Darauf habe ich seit Beginn gewartet. Grammatikalisch korrekt ist es ja auch das Mädchen -> also nicht "sie" sondern "es". Aber das machen so viele, da habe ich mich dran gewöhnt.
So, wie in einem vorherigen Kommentar schon angedroht: Doch.
Doch, leicht, noch. Das scheinen so deine Lieblingswörter zu sein ^^ Anfangs habe ich sie noch gezählt, aber dann habe ich es doch bleiben lassen. Aber gerade doch kann man auch wirklich in jeden zweiten Satz stecken, das kenne ich. Sorry, das musste ich einfach loswerden.
Von:  Evaleska
2010-03-22T19:30:52+00:00 22.03.2010 20:30
Jetzt habe ich zur Abwechslung kaum etwas auszusetzen. Dieses Kapitel hat mir bislang am besten gefallen. Fast durchweg geniale Formulierungen, z.B. wo sie von ihrer Familie erzählt oder auch "...das Mädchen wäre bei einem anderen Werwolf ziemlich schnell ziemlich tot."
Du hälst das mit dem Instinkt aber konstant durch, das muss man dir lassen. Nur muss es nicht immer so ausführlich sein.
Nett auch die Stelle, wo es heißt "meine kleine Vampirfreundin". Sie ist nervig, sie ist aufgedreht usw. und dann so was. Solches Kontrastprogramm gefällt mir.
Mit dem Kapitel wird es auch richtig interessant. Du beschreibst die Vampirin echt super und auch die Gemeinsamkeiten und Hintergründe der beiden. Endlich werden die Charas mal aufgeschlüsselt.
Jetzt kommen die bösen Buben, jetzt kommt die Aktion ^^ Und weiter zum nächsten Kapitel.
Von:  Evaleska
2010-03-22T19:24:44+00:00 22.03.2010 20:24
Ja, ich lese es. Im Zug, um genau zu sein. Und ich bin dabei NICHT eingeschlafen, was bei mir einiges heißt ^^'

Mondsüchtig... Allein der Titel gibt drei Pluspunkte. Ich hab mal ein Buch gelesen, das so hieß, seitdem liebe ich das Wort.

Starten wir diesmal mit einer Anmerkung bezüglich der Logik. Am Anfang hat er stechende Schmerzen, zwei Absätze später sind es kleine Verletzungen, die etwas schwerzen. Das hat mich irritiert.
Der Absatz mit dem Schuhklau ist genial! Und auf einmal ist sie ein Miststück ^^
Ansonsten zieht sich dieses Kapitel etwas. Es geht ja eigentlich nur darum, dass er aufsteht. Was mich außerdem gestört hat, ist, dass er alles mit seiner Rasse begründet. Er knurrt wie ein Weltmeister und immer die Instinkte. Naja, ist dein Stil, da kann ich dir schlecht einen Strick draus drehen.
Bischen häufig benutzt du auch "doch" (siehe spätere Kommentare ^^)
Von:  Evaleska
2010-03-22T19:04:25+00:00 22.03.2010 20:04
Du hast eine tolle Vampirfigur kreiert. Auch das mit dem Geruch ist klasse und schön beschrieben. Generell ist das ganze Kapitel sehr realistisch und bildlich gestaltet. Du hast einen wirklich angenehmen Schreibstil.
Meiner Meinung nach versteift er sich etwas zu sehr auf den Vampir. Am Anfang ist sie eine junge Frau, jetzt nur noch ein Vampir. Und später machst du aus ihr ein Vampirmädchen oder sogar ein kleines Vampirmädchen. Ist dir vielleicht gar nicht aufgefallen, aber das lässt einen beim Lesen schon schmunzeln ^.-
Von:  Evaleska
2010-03-22T18:59:54+00:00 22.03.2010 19:59
Hier hast du die Charaktere sehr schön vorgestellt. Für den ersten Eindruck ist dieses Kapitel optimal.
Es kommt etwas schnell und plötzlich, dass sie ein Vampir ist. Das hätte auch noch warten können. Und eine Anmerkund noch: wegen dem Kapiteltitel wäre es schön gewesen, wenn sie sich wieder auf die Fensterbank setzt, statt auf den Stuhl. Aber das ist nur meine Meinung ^^
Von:  Evaleska
2010-03-22T18:56:37+00:00 22.03.2010 19:56
Dann bekommst du von mir auch endlich mal Kommentare.
Also, das ist schon mal eine schöne Einleitung. Ist zwar ein echter Senkrechtstarter, aber in diesem Fall kann man kaum lang um den heißen Brei herumreden, vor allem, da später noch erzählt wird, was ihm denn passiert ist.
Paar Kommafehler hast du eingebaut. Die stören aber nicht den Lesefluss und somit die Atmosphäre, die du aufbaust. Dafür hast du schließlich auch ein paar wirklich schöne Formulierungen, z.B. den letzten Satz.
Von:  P-Chi
2009-09-29T15:18:01+00:00 29.09.2009 17:18
Also erst einmal: Hallo!
Und zum zweiten: Warum zum Teufel hat niemand einen Kommentar hinterlassen?!!
Diese Story hat es sich aber redig verdient! ò.ó *jedem schwarzleser einen tritt verpass*
Ich finde diese Geschichte einfach genial! Wunderbar traurig, romantisch und absolut herzerwärmend für Vampire ebenso wie Werwölfe! ;__; *tränen der freude vergieß*
Die Geschichte der jeweiligen Charaktere hat mich wirklich berührt und besonders das Ende war unglaublich traurig! ;___; *noch mehr tränen*
Du hast die auftauchenden Charas sehr gut beschrieben, und ihre Presöhnlichkeiten sehr gut zur geltung gebracht, was ans ich schon eine große Leistung ist! TT___TT *tränenbäche*
Alles war sehr schön nachvollziehbar, und lediglich am Anfang der Story konnte ich ein paar wenige Tippfehler entdecken.
Eine Meisterleistung! :DDD
Ich will unbedingt "Wolfsliebe" lesen!!! *___*

glg Angels


Zurück