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Kinder des Mondes

Neumond
von

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Das Ritual

Kinder des Mondes
 

Tief im schwarzen Wald lag eine Höhle, die nie ein Mensch zu betreten gewagt hatte. Sie stand schon seit langer Zeit leer – kaum ein Menschengedenken reichte aus, um den Moment zu erfassen, an welchem statt der unbändigen Angst nur mehr die Erinnerung an eine alte Furcht ins Bewusstsein gekrochen war.
 

Niemals hatte sich jemand in die Höhle gewagt. Unter den Erwachsenen hieß es, es sei der Eingang eines unterirdischen Labyrinths. Unter den Gläubigen hieß es, es sei der Eingang zum schlimmsten Inferno der Hölle, die es zu betreten den direkten Weg ins Feuer bringen würde.

Unter den Kindern hieß es, dort hause ein wilder Mann ohne Gesicht, der mit Vorliebe kleine Kinder fraß und ihre Gesichter stahl.

Diejenigen, die die Wahrheit kannten, wollten sie nicht preisgeben oder hatten sie vergessen, in Anbetracht ihres Unglaubens, der sie im Moment der Wahrheit ereilt hatte. Die meisten dieser Wissender waren in Nervenheilanstalten eingeliefert worden oder hatten sich aus Furcht vor den schwarzen Geschöpfen im nächtlichen Wald selbst dem Tode überantwortet – ob nun aus eigener Hand vollbracht oder durch die Kinder des Mondes ist nicht überliefert.
 

Am Waldrand lag ein winziges Dörfchen gelegen, dessen Bewohner weder den Wald noch die Tiere fürchteten – man konnte sie getrost als furchtlos bezeichnen, ohne anmaßend zu erscheinen. Die Bewohner waren mutige Männer und Frauen, die sich selbst im hohen Alter noch stolz hochaufgerichtet hielten, und deren Druiden die mächtigsten des Umkreises waren. Von weit her wurden sie von Kranken, Leidenden, Verwirrten und Irren aufgesucht, die Heilung und Rat suchten.

Meist wussten die Druiden auch ein Heilmittel, und denen, für die eine jede Hilfe zu spät kam, wurden die letzten Salbungen gegeben.
 

Doch so mutig oder tapfer die Dorfbewohner auch sein mochten, ein Gedanke ließ sie alle, von jung bis alt, erzittern. Eine verlassene Höhle, deren Umfeld sie voller Furcht mieden, denn sie weckte die Urängste ihrer Vorfahren in ihnen, von Generation zu Generation weitergegeben.
 

Nun, so hatte sich der Brauch zugetragen, wurde alle vierzig Jahre ein Menschenkind der Dunkelheit und verwirrenden Leere der Höhle überantwortet – eine Opfergabe an die unbekannten Geister, welche in der massiven Dunkelheit hausten.

So auch zu dieser Zeit sollte das Mondritual, wie es unter Eingeweihten genannt wurde, stattfinden, wie bei jedem Opfer in der dunkelsten Nacht des achten Monats. Neumond.

In diesen Tagen hatte eine jede Familie gehofft, ihr Kindlein würde verschont werden von dem Ritual.

Die auserwählten Kinder wurden durch einen starken Bann meist aus den Köpfen der Bewohner gelöscht, doch wirkte er nicht bei denen, die ihre Kinder unter Schmerzen an das Licht der Welt gebracht hatten. Viele betrauerten bis zu ihrem Tode ihre verlorenen Töchter und Söhne.
 


 

Wieder war es soweit. Der Mond zeigte sich nicht, tauchte die Welt ins mitternächtliche Dunkel, das in dieser Sommernacht undurchdringlich schien.

Die Druidin des Dorfes hatte den Zeremonienmeister zu sich gerufen; ihrer beider Alter war nicht zu schätzen. Kein Menschengedenken reichte aus, um sich ihres jugendlichen Aussehens zu entsinnen, und niemand bemühte sich auch darum. Doch irgendwann würden auch sie ihr Leben lassen und andere würden an ihre Stelle treten, es war nur eine Frage der Zeit.

Die Fackelträger spielten unruhig mit den silbernen Anhängern – lateinische Kreuze mit keltisch anmutenden Schriftzeichen blitzten immer wieder im flackernden Schein der mit brennendem Pech bestückten Fackeln auf, ehe sie hastig und mit einem unhörbar geflüsterten Gebet wieder unter der leinenen Kleidung verborgen wurden.

Die Druidin wie der Druide taten einen Bann um das gesamte Dorf, welcher es für die nächsten vierzig Jahre schützen sollte, und schritten langsamen, angemessenen Schrittes durch die Reihen der Fackelträger, an die Spitze des bizarren Festzuges.

Die beiden uralten Wesen trugen die Kapuzen ihrer braunschwarzen Umhänge tief in ihr Gesicht gezogen und fanden doch mit schlafwandlerischer Sicherheit den Weg über Wurzeln, umgestürzte Bäume und den Untergrund des Waldes.
 

Der fackelnde Schein beleuchtete den Weg trotz der vielen Lichter nur spärlich, und man konnte kaum eine Handbreit sehen, und doch hatte keiner der Druiden je eine Lampe benötigt. Bäume wurden zu furchterregenden Monstern, Äste zu gierigen Klauen und Stümpfe zu weit aufgerissenen, mit Fangzähnen bestückten gierigen Schlünden.

Die seit langer Zeit bäuerlich lebenden Bewohner des kleinen Dorfes drängten sich aneinander, so nahe wie es die Fackeln zuließen. Und trotz ihrer Unruhe wagte es niemand, auch nur ein Wort von sich zu geben, sodass nur das bestätige Murmeln der beiden Druiden durch den leeren Wald zu schallen schien, gepaart mit dem gelegentlichen unruhigen Knistern der Fackeln.
 

Eine alte Legende erzählte, wer in der Nacht des Ritus auch nur ein Wort von sich gäbe welches nicht zum Kult gehörte, würde in der nächsten vollständig schwarzen Nacht von einem schrecklichen, behaarten Wesen heimgesucht, welches ihn verschleppte und sich gnadenlos an ihm rächte, ehe der Leichnam in der darauffolgenden Nacht gefunden wurde – verstümmelt und zerfetzt.
 

Der Wald tat sich so plötzlich vor der Menschengruppe auf wie er sich hinter ihnen vor schier endlos erscheinenden Stunden geschlossen hatte.

Vor ihnen lag der weit aufklaffende Schlund der Höhle. Wo es bis jetzt totenstill gewesen war, schwirrte die Luft nun von den heiseren alten Gesängen, das heiße Licht der Fackeln erhellte den kleinen Platz aus Stein.

Einer der Dorfbewohner fuhr sich fahrig mit dem Handrücken über die nassgeschwitzte Stirn. In seinem anderen Arm trug er ein kleines Bündel, das bis jetzt friedlich schlafend den Weg verbracht hatte. Die braune, grobe Decke bedeckte das Kindlein, und der Träger blickte aus mitleidigen grau-grünen Augen zum Knaben hinab.

Der Mann hatte sich ganz hinten gehalten, die dunkle Mütze ins Gesicht gezogen, die schmierig-dunklen Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz in seinem Nacken gebändigt. Er war nicht der einzige, der sich sorgte – in den Mienen der meisten anderen Dorfbewohner konnte er dieselbe Gemütsbewegung ausmachen.

Mit einem Mal zerriss die alte, jedoch kraftvolle Stimme der Druidin die alten Formeln. „Bringt das Kind.“, sie streckte die runzeligen Arme aus, an denen die Haut wie trockenes Leder hing. Eine Schneise tat sich auf, die Männer in ihren teilweise von Dreck starrenden Gewändern traten zur Seite.

Der Träger des Jungen schritt langsam durch die entstandene Stille, ein jeder seiner Schritte verursachte ein leises Klopfen auf dem steinigen Untergrund.

Der kleine Junge schien die Unruhe zu spüren, denn er schreckte aus seinem bisher tiefen Schlaf, riss die eisblauen Augen auf. Sie reflektierten das Licht der Fackeln, während sie weit aufgerissen dem Schrei entgegengingen.

Kaum berührten ihn die knochigen Finger der Druidin, deren lange, gelblich gefärbte Fingernägel sich in den braunen Stoff krallten, den Jungen, ertönte der Schrei des Kleinkindes.

Der Druide beugte sich ohne eine Regung erkennen zu lassen über den Knaben, ein Wort der alten Sprache entwich der Öffnung seines Mundes unter dem langen Bart, und der rotgesichtige Junge schwieg. Er schien verstanden zu haben.
 

Der Druide nahm der alten Frau desselben Berufsstandes das Bündel ab, trug es zur Höhle. Die alten Beschwörungsgesänge begleiteten einen jeden seiner Schritte. Er legte den Jungen an die Schwelle, wo die alles verschlingende Dunkelheit des vermeintlichen Nexus die vom Licht der Fackeln erhellte Außenwelt berührte.
 

Die Dorfbewohner verweilten keine Sekunde mehr am Ort des Geschehens, kaum hatte der Druide sich der Gruppe wieder angeschlossen.

Der Schein der Fackeln entfernte sich, wurde restlos vom Dickicht des Waldes verschluckt.
 

Der kleine Junge lag still da, starrte mit großen Augen hinauf in zwei fahlgelbe Augen, die ihn aus pelzig umrahmten Höhlen anblickten. Der Wolf trat anschließend einige Schritte zurück, entzog sich seinem Blickfeld. Als er wieder erschien, war aus dem pelzüberzogenen Tier mit scharfen Zähnen und Klauen ein menschliches Wesen geworden.

Dunkelbraunes, verfilztes Haar umrahmte ein kantiges Gesicht, aus dem die Nase wie ein Felsvorsprung hervorragte. Starke Arme schlossen sich behutsam um das Bündel, trugen es mit sich fort.

Die dunkle Haut des Wolfsmannes verschmolz mit der der Höhle, welche für ihn jedoch kein Hindernis darstellte; die hellen Augen blickten durch die Dunkelheit hindurch, erkannten einen jeden Stein und einen jeden Vorsprung im kolossalen Inneren der von den Menschen gefürchteten Höhle.
 

Ein einziger der vielen, labyrinthartig angeordneten Räume war vom Schein eines Feuers erhellt.

„Ah, Berserk, wie schön, dich zu sehen.“, die melodische Stimme schien gleichsam von überall und nirgends zu kommen.

Die fahlgelben Augen fingen den Blick der blutroten auf, ein Lächeln entblößte weiße Zähne. „Sie haben wieder ein Kind niedergelegt.“, informierte er, und sogleich richtete sich aller Aufmerksamkeit auf das Bündel in seinen Armen.

Die Sprecherin erhob sich von ihrem Sitz, schwarzer Samt rauschte, umspielte die Figur der weißhaarigen, jungen Frau. Sie ging auf Berserk zu, der ehrerbietig den Blick senkte, genauso wie alle anderen Wölfe.

Ihre schmale Hand legte sich an die weiche Kinderwange, strich sanft darüber. Eisaugen starrten sie an, und auf dem Schopf des Knaben spross schon erster dunkler Haarflaum. „Er wird einen guten Wolf abgeben.“, verkündete eine alte Frau, die sich, in einen indianisch anmutenden Poncho eingeschlagen, auf ihrem Lager mit einem von Runen geschmückten Pendel beschäftigte.

„Ich danke dir, Sakja.“, nickte die blasshäutige Frau mit den Augen in der Farbe des Blutes besagter Seherin zu, ehe sie sich wieder dem Kleinkind zuwandte.
 

„Lydja“

Berserk erblickte hinter der Schulter der Albino-Frau seinen hoch gewachsenen Zwilling. Die Brüder begrüßten sich mit einem Nicken.

Lydja kehrte auf ihr Lager zurück, verwandelte sich in die Wölfin, die sie tief in ihrem Innersten immer gewesen war. Ihr silberfarbener Pelz schimmerte im Feuerschein golden, hinterließen keinen Widerschein im roten glühen ihrer Seelenspiegel.

Berserk ließ sich zu ihren Füßen, neben seinem Zwilling, nieder, und begann, den kleinen Jungen liebevoll zu lecken.

Wölfe der unterschiedlichsten Farben und Proportionen erschienen im Laufe dieser Nacht, helle, dunkle, zweifarbige, selbst ein fuchsrotes Exemplar war aufgetaucht.
 


 

Es roch nach Kohle, nach tierischen wie menschlichen Ausdünstungen. Die verbrannten Holzscheite verglommen auf dem Haufen, der vor kurzer Zeit noch das Feuer gewesen war.

Lydja stand da, hoch aufgerichtet in ihrer menschlichen Erscheinung. Auf ihrem Arm hielt sie das Bündel des kleinen Jungens.

Sie sang leise Töne eines Liedes der alten Sprache, richtete ihre stolzen Augen auf den Knaben. „Auch du wirst ein Kind des Mondes, kleiner Yuri, wie ein jeder der in die Dunkelheit verbannten...“
 


 

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Ich hoffe, ich habe die düstere Atmosphäre gut rübergebracht^^

FW



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-12-22T13:28:02+00:00 22.12.2009 14:28
yayXDXD
werwölfe san kuuuuuuhl..... ES KANN PFÖTCHEN GEBEN!!!!!!!!!
und platz!!xD


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