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Das letzte Einhorn

von

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Kapitel 3 von 14

Disclaimer: Die Story gehört nicht mir, sondern Peter S. Beagle [Autor "The Last Unicorn"]. Ich habe bloß die Namen verändert und teilweise auch das Aussehen. Die Charaktere, die ich verwendet habe, gehören Masashi Kishimoto. Und nun viel Spaß beim Lesen :)
 

Kapitel 3
 

Naruto kam kurz vor Tagesanbruch zurück, lautlos wie Wasser zwischen den Käfigen hindurchgleitend. Nur die Harpyie gab Laut, als er vorüberkam. “Ich konnte mich nicht früher freimachen.”, sagte er zu dem Einhorn, “Sie hat Orochimaru befohlen, auf mich aufzupassen, und der schläft so gut wie nie. Aber ich habe ihm ein Rätsel aufgegeben, und er braucht immer die ganze Nacht, um eins zu lösen. Das nächste Mal erzähl ich ihm einen Witz, das wird ihn eine ganze Woche beschäftigen.”

Das Einhorn ließ den Kopf hängen. “Ich bin verzaubert.”, sagte es leise. “Warum hast du es mir nicht gesagt?”

“Ich dachte, du wüsstest es.”, sagte der Zauberer sanft. “Hast du dich denn gar nicht gewundert, dass die Zuschauer dich erkannten?” Er lächelte, was ihn ein wenig älter machte. “Nein, natürlich nicht. Darüber würdest du dich nie wundern!”

“Ich bin noch nie verzaubert gewesen.”, erwiderte das Einhorn. Es zitterte und bebte. “Nie gab es eine Welt, in der man mich nicht kannte.”

“Ich weiß genau, wie dir zu Mute ist.”, pflichtete ihm Naruto augenblicklich bei. Das Einhorn sah ihn aus dunklen, unergründlichen Augen an, worauf er nervös lächelte und seine Hände betrachtete. “Selten der Mann, den man für das hält, was er wirklich ist. Die Welt steckt voller Fehlurteile. Ich allerdings habe auf den ersten Blick erkannt, dass du ein Einhorn bist, und ich bin mir gewiss, dein Freund zu sein. Und dennoch hältst du mich für einen Clown, einen Hanswurst, einen Verräter, und wenn du mich so siehst, muss ich auch einer sein. Der Bann, der auf dir liegt, ist nur ein Truggespinst und wird sich in Nichts auflösen, sobald du wieder frei bist, die Larve aber, die du mir aus Vorurteil aufgesetzt hast, die muss ich in deinen Augen für alle Zeit tragen. Wir sind nicht immer, was wir scheinen, und selten nur, was wir erträumen. Aber irgendwo habe ich gehört und gelesen, dass vor langer, langer Zeit Einhörner wohl zu unterscheiden wussten zwischen lachendem Mund und Herzeleid, Hirngespinst und Wirklichkeit.” Der Himmel färbte sich hell, und Narutos leise Stimme übertönte für kurze Zeit das Gekreische der Käfiggitter und das leise Rauschen der Harpyienschwingen.

“Ich glaube, dass du mein Freund bist.”, sagte das Einhorn. “Wirst du mir helfen?”

“Wenn nicht dir, dann niemandem.”, antwortete er. “Du bist meine letzte Hoffnung.”

Nacheinander erwachten winselnd, zitternd und niesend die armseligen Tiere der Mitternachtsmenagerie. Das eine hatte von Steinen und Käfern geträumt und von zarten Blättern; ein anderes war im Traum in sonnenheißem, hohem Gras umhergestreift; ein drittes hatte sich in Blut und Schlamm gewälzt. Und eines hatte davon geträumt, wie eine gute Hand es liebevoll hinter den Ohren kraulte. Die Harpyie schlief nie; sie saß jetzt da und starrte in die Sonne, ohne zu blinzeln. Naruto flüsterte: “Wenn sie sich zuerst befreit, sind wir verloren!”

In der Nähe hörten sie Orochimaru rufen - seine Stimme klang immer, als sei sie in der Nähe: “Naruto! He, Naruto! Ich hab’s! Es ist eine Kaffeekanne! Stimmt’s?” Der Zauberer empfahl sich und flüsterte zum Abschied: “Heute Nacht! Trau mir, bis es dunkel wird.” Und mit flatternden Rockschößen stob er davon, und wieder schien es so, als ließe er einen Teil von sich zurück.

Gleich darauf galoppierte Orochimaru am Käfig vorbei, eine geballte Ladung Ehrgeiz und Begeisterung. In ihrem Wagen verborgen, summte Tsunade Elis Lied:
 

Heut ist gestern, kalt ist heiß,

alles Hohe zieht’s hernieder.

Rätsels Lösung niemand weiß -

was vergangen, kehrt nicht wieder.
 

Die ersten Zuschauer schlenderten herbei; Orochimaru lockte sie, indem er wie ein eiserner Papagei “Kreaturen der Nacht!” schrie, und Naruto stand auf einer Kiste und zauberte. Das Einhorn sah ihm mehr als aufmerksam zu, zweifelte in zunehmendem Maße - nicht an seiner Aufrichtigkeit, sondern an seiner Geschicklichkeit. Aus einem Schweinsohr machte er ein ganzes Schwein, aus einem Glas Wasser eine Handvoll Wasser, aus einer Pikfünf eine Piksieben, und ein Karnickel verwandelte er in einen Goldfisch, der augenblicklich ertrank. Nach jedem missglücktem Trick warf er einen raschen Blick zum Einhorn herüber, und seine Augen sagten: “Oh, aber wenigstens du weißt, was ich wirklich wollte.” Einmal verwandelte er eine verwelkte Rose in ein Samenkorn. Das gefiel dem Einhorn, selbst als es sich als Rettichsamen entpuppte.

Die Vorstellung begann. Orochimaru führte die Besucher wieder von einem Fabeltier zum nächsten. Der Drachen loderte, Zerberus heulte die Hölle zu Hilfe, und der Satyr umbuhlte die Frauen, bis sie weinten. Beim Anblick des Martichoras verdrehten sie die Augen und zeigten auf seine gelben Fangzähne und seinen fürchterlichen Stachel; verstummten bei der Vorstellung der Midgardschlange und begafften Arachnes neues Netz, das wie ein Fischernetz aussah, mit einem triefenden Mond darin. Alle hielten es für ein wirkliches Netz, aber nur die Spinne glaubte, es berge den wirklichen Mond.

Dieses Mal erzählte Orochimaru die Geschichte vom König Phineus und den Argonauten nicht, er trieb vielmehr die Zuschauer schleunigst am Käfig der Harpyie vorüber, murmelte gerade noch ihren Namen und seine Bedeutung. Die Harpyie lächelte. Nur das Einhorn sah sie lächeln, und das Einhorn wäre froh gewesen, woanders hingeschaut zu haben.

Als die Besucher vor seinem Käfig standen und schweigend hereinstarrten, da dachte das Einhorn schmerzlich: ‘Ihre Augen sind so traurig. Um wie viel trauriger wären sie erst, wenn meine Verzauberung abfiele und sie plötzlich eine ganz gewöhnliche Stute anstarrten? Die Hexe hat recht - keiner von ihnen würde mich erkennen.’ Aber dann hörte es eine leise Stimme in sich, eine Stimme, die wie Narutos klang: ‘Ihre Augen sind so traurig!’

Und als Orochimaru trompetete: “Der absolute Höhepunkt!”, als die schwarzen Vorhänge zurückglitten und Eli enthüllten, die in der Kälte und Dunkelheit vor sich hinmurmelte, das fühlte das Einhorn die gleiche folternde Furcht vor dem Altern, welche die Zuschauer angstvoll fliehen ließ - obwohl es wusste, dass es nur Tsunade in einem Käfig war. ‘Die Hexe weiß mehr, als sie zu wissen glaubt.’, dachte es.

Die Nacht brach herein; vielleicht hatte die Harpyie sie zur Eile gedrängt. Die Sonne sank in schmutzige Wolken, wie ein Stein im Meer versinkt, und mit genauso viel Aussicht wieder heraufzukommen. Weder Mond noch Sterne standen am Himmel. Tsunade machte ihren Rundgang und kontrollierte die Käfige. Die Harpyie rührte sich nicht, als sie näher kam. Die Alte blieb länger vor dem Käfig stehen und starrte hinein.

“Noch nicht.”, murmelte sie schließlich, “Noch nicht.” Ihre Stimme klang erschöpft und zweifelnd. Sie sah kurz nach dem Einhorn, ihre Augen flackerten gelb in der fettigen Finsternis. “Wieder ein Tag.”, seufzte sie; dann ging sie weiter,

Totenstille herrschte in der Mitternachtsmenagerie. Bis auf die Spinne, die webte, und die Harpyie, die wartete, schliefen alle Tiere. Knirschend kroch die Nacht immer näher heran, so dicht, dass das Einhorn erwartete, sie bräche weit auf und enthüllte - noch mehr Gitter. ‘Wo bleibt der Zauberer?’

Endlich sah es ihn durch die Stille hasten; er tänzelte und schwänzelte wie eine Katze in der Kälte, stolperte über jeden Schatten. Er verneigte sich schwungvoll und sagte voll Stolz: “Naruto steht zu Diensten.” Das Einhorn hörte im Käfig neben sich das metallene Klirren.

“Ich glaube, wir haben sehr wenig Zeit.”, sagte es. “Kannst du mich wirklich befreien?”

Der blonde Mann lächelte und wurde bis in die Fingerspitzen hinein fröhlich. “Ich habe dir gesagt, dass die Hexe drei große Fehler gemacht hat. Deine Gefangennahme war der letzte, und das Einfangen der Harpyie ihr vorletzter, denn ihr beide seid Wirklichkeit. Tsunade kann auch so wenig Willen aufzwingen, wie sie den Winter auch nur um einen Tag verlängern kann. Aber mich mit einem Quacksalber, wie sie einer ist, zu verwechseln, das war ihr erster und entscheidender Fehler! Denn auch ich bin Wirklichkeit. Ich bin der Zauberer Naruto, der letzte der feurigen Uzumakis - und ich bin älter, als ich aussehe.”

“Wo ist der andere?”, fragte das Einhorn.

Naruto krempelte seine Ärmel auf. “Mach dir wegen Orochimaru keine Sorgen. Ich habe ihm ein neues Rätsel aufgegeben, eins, das keine Lösung hat. Mag sein, dass er sich niemals wieder rührt.”

Er sprach drei kantige Worte und schnalzte mit den Fingern. Der Käfig verschwand, und das Einhorn stand in einem Hain von Orangen- und Zitronensträuchern, Pfirsichen und Granatäpfeln, Mandeln und Akazien; die Erde unter seinen Hufen war frühlingsweich, und über ihm wölbte sich der Himmel. Sein Herz wurde leicht wie Rauch, und es spannte alle Kräfte an für einen gewaltigen Sprung in die süße Nacht. Aber dann ließ es die Sprungkraft ungenutzt erschlaffen, denn es wusste, dass die Gitter immer noch da waren, auch wenn es sie nicht sah. Es war zu erfahren, um sie zu vergessen.

“Verzeih.”, sagte Naruto irgendwo in der Dunkelheit. “Es hätte mir große Freude gemacht, wenn das die Zauberformel gewesen wäre, die dich befreit.”

Er sang eine tiefe und kalte Melodie, und die seltsamen Bäume wehten davon wie Löwenzahnlichter. “Diese Formel ist viel wirksamer.”, sagte er. Die Gitter sind jetzt so mürb wie alter Käse, den ich zerbröckle und zerbrösle, so!” Er schnappte nach Luft und zog blitzschnell seine Hände zurück. Von jedem seiner Finger tropfte Blut.

“Ich muss mich in der Betonung geirrt haben.”, sagte er heiser. Er steckte die Hände in seine Manteltaschen und gab sich Mühe, seine Stimme munter klingen zu lassen. “Manchmal geht es eben daneben!” Dann knirschten krustige Sprüche, und Narutos Hände zuckten durch die Luft. Aus dem Nichts hinkte etwas Graues und Grinsendes heran, bärenhaft, aber größer als irgendein Bär, und voll Eifer, den Käfig wie eine Nuss zu zerknacken und mit seinen Klauen Fetzen aus des Einhorns Fleisch zu reißen. Naruto befahl es in die Nacht zurück, doch es blieb.

Das Einhorn floh in eine Ecke und senkte den Kopf. Da regte sich leise tönend die Harpyie in ihrem Käfig, und das graue Wesen wandte, was wohl sein Kopf war, und sah sie. Es gab einen heulenden, blubbernden Laut des Entsetzens von sich und war fort.

Der Zauberer fluchte und zitterte. “Ich habe ihn schon einmal gerufen, vor langer Zeit. Damals bin ich auch nicht mit ihm fertig geworden. Jetzt verdanken wir unser Leben der Harpyie, und vielleicht fordert sie es uns noch vor Tagesanbruch ab.” Er stand stumm da, zupfte an seinen verletzten Fingern und wartete darauf, dass das Einhorn etwas erwidere. “Ich will’s noch einmal versuchen.”, sagte er schließlich. “Soll ich’s noch einmal versuchen?”

Dem Einhorn kam es vor, als brodelte die Nacht noch immer an der Stelle, an der das graue Wesen verschwunden war. “Ja.”, sagte es.

Naruto holte tief Luft, spie dreimal aus und sprach Wörter, die wie Glocken unterm Meer klangen. Er streute eine Hand voll Pulver über den Speichel, und lachte triumphierend, als es mit einem lautlosen grünen Blitz verpuffte. Als das Licht erloschen war, sprach er drei weitere Worte. Sie klangen wie das Summen von Bienen, die auf dem Mond herumbrummen.

Der Käfig schrumpfte. Das Einhorn konnte die Bewegung der Gitter nicht sehen, aber jedes Mal, wenn Naruto “Nein! Ach, nein!”, rief, hatte es weniger Platz. Schon konnte es sich nicht mehr umdrehen. Unerbittlich wie der Morgen oder die Flut rückten die Gitter näher, drohten es zu durchbohren, bis sie sein Herz einschließen und es für alle Zeiten als Gefangenen behalten würden. Als die von Naruto gerufene Kreatur grinsend herangekommen war, da hatte es nicht aufgeschrien, doch jetzt gab es einen Laut von sich, einen Laut, der schwach und verzweifelt klang, aber ungebrochen.

Naruto brachte die Stangen zum Stehen; das Einhorn fand nie heraus, wie er das fertigbrachte. Die Gitter waren um Haaresbreite vor ihm zum Halten gekommen, doch konnte es jede einzelne Stange wie einen kalten Wind spüren, der vor Hunger jaulte. Aber sie konnten ihm nichts antun.

Dem Zauberer sanken die Arme. “Ich kann nicht mehr.”, sagte er verzweifelt. “Das nächste Mal wird es mir vielleicht nicht gelingen…” Er ließ kläglich die Stimme sinken, und seine Augen sahen so niedergeschlagen aus wie seine Hände. “Die Hexe hat mit mir keinen Fehlgriff getan.”, sagte er.

“Gib nicht auf.”, erwiderte das Einhorn. “Du bist mein Freund. Versuch’s noch einmal.”

Aber Naruto, der trübselig lächelte, suchte in seinen Taschen nach etwas, das klimperte und klirrte. “Ich wusste, dass es so weit kommen würde.”, murmelte er. “Ich hatte es mir anders ausgemalt, aber ich wusste es die ganze Zeit.” Er brachte einen Ring zum Vorschein, an dem einige rostige Schlüssel baumelten. “Dir stehen die Dienste eines großen Magiers zu,”, sagte er “aber ich fürchte, du musst über die Hilfe eines zweitklassigen Taschendiebs froh sein. Einhörnern sind Dinge wie Not, Scham, Zweifel und Verpflichtungen unbekannt, aber Sterbliche nehmen, wie du wohl schon bemerkt hast, was sie kriegen können. Und Orochimaru kann sich immer nur auf eine Sache konzentrieren.”

Plötzlich wurde dem Einhorn bewusst, dass jedes Tier der Mitternachtsmenagerie wach war und lautlos zu ihm herübersah. Im Käfig nebenan schwankte die Harpyie schwerfällig von einem Fuß auf den anderen. “Schnell!”, rief das Einhorn, “Schnell!”

Naruto war schon dabei den Schlüssel in das kichernde Schloss zu stecken. Bei seinem ersten, erfolglosen Versuch verstummte das Schloss, als er aber einen anderen Schlüssel probierte, rief es laut und deutlich: “Hoho! Du bist vielleicht ein Zauberer!” Es klang wie Tsunades Stimme.

“Du kannst mich gern haben.”, murmelte Naruto; das Einhorn spürte ihn erröten. Er drehte den Schlüssel, und das Schloss sprang mit einem letzten verächtlichen Grunzen auf. Der Zauberer öffnete die Tür und sagte leise: “Steig hernieder, Lady. Du bist frei!”

Das Einhorn trat geschmeidig heraus, und Naruto trat vor Verwunderung einen Schritt zurück. “Oh.”, flüsterte er, “Als die Gitter zwischen uns waren, sahst du ganz anders aus, kleiner und nicht so - oh!”

Es war wieder in seinem Wald; er war schwarz und verwüstet, weil es so lange ausgeblieben war. Aus weiter Ferne rief ihm jemand, aber es war daheim, wärmte die Bäume und weckte das Gras.

Dann hörte es Orochimarus Stimme; sie klang wie das Knirschen eines Bootes auf Kies. “He, Naruto! Ich geb’s auf! Was haben ein Rabe und ein Schreibtisch gemeinsam?” Das Einhorn barg sich im tiefsten Schatten, Orochimaru sah nur den Zauberer und den leeren Käfig, der jetzt viel kleiner war. Seine Hände fuhren in die Taschen und wieder heraus. “So ist das also, du kleiner Dieb!”, reif er und grinste unheilvoll. “Sie wird dich auf Stacheldraht ziehen und der Harpyie als Halsband umhängen.” Er drehte sich um, ging schnurstracks auf Tsunades Wagen zu.

“Lauf!”, rief der Zauberer und tat einen wunderlichen, wilden, wirbelnden Sprung, landete auf Orochimarus Rücken und umwand den blassen Mann so mit seinen Armen, dass er blind und taub war. Sie stürzten zusammen zu Boden, Naruto rappelte sich als erster aus und heftete mit seinen Knien Orochimarus Schultern an den Boden. “Stacheldraht!”, keuchte er. “Du Unrat, du Auswurf, du Einöde! Ich stopf’ dich mit Elend voll, bis es dir aus den Ohren quillt! Ich verwandle dein Herz in grünes Gras und deinen Erzfeind in ein Schaf. Ich mach’ dich zu einem schlechten Dichter, der schlecht träumt. Ich dreh’ dir die Zehennägel um, dass sie nach innen wachsen! Ich werd’ dir helfen!”

Orochimaru schüttelte den Kopf und saß auf, wodurch Naruto ein gutes Stück durch die Luft flog. “Was faselst du da?”, lachte er. “Du bist ja zu schwach, um einen Nagel in die Wand zu schlagen!” Der Blonde wollte sich aufrichten, Orochimaru stieß in jedoch wieder zu Boden und setzte sich auf ihn. “Ich konnte dich nie ausstehen.”, sagte er freundlich. “Du bist eingebildet und du bist nicht sehr stark.” Schwer wie die Nacht schlossen sich seine Hände um Narutos Hals.

Das Einhorn sah es nicht; es stand vor dem hintersten Käfig, in welchem der Martichoras knurrte und winselte und sich flach an den Boden presste. Das Einhorn berührte mit der Spitze seines Hornes das Schloss, eilte, ohne sich umzusehen, zum Drachenkäfig. Es gab allen Tieren die Freiheit, dem Satyr, dem Zerberus und der Midgardschlange. Ihre Verzauberung fiel ab, sobald sie die Freiheit fühlten; sie sprangen, hinkten und krochen davon, waren wieder Löwe, Affe, Schlange, Krokodil und glücklicher Hund. Keines von ihnen dankte dem Einhorn, und dieses sah ihnen nich nach.

Nur die Spinne schenkte ihm keine Beachtung, als es leise durch die offene Tür rief. Arachne webte an einem Netz, das in ihren Augen die schneeflockenartig herabschwebende Milchstraße war. Das Einhorn flüsterte: “Weberin, Freiheit ist besser! Freiheit ist besser!” Die Spinne hörte nicht hin, sie jagte in ihrem eisernen Webrahmen auf und ab. Keinen Augenblick rastete sie, auch nicht, als das Einhorn rief: “Es ist wirklich ganz reizend, Arachne, aber Kunst ist es nicht!” Das neue Gewebe wehte wie Schnee von den Stangen herab.

Dann brach der Wind los; das Spinnennetz wehte an den Augen des Einhorns vorbei und davon. Die Harpyie begann mit den Flügeln zu schlagen, holte sich Kraft, wie eine mächtige, zurücklaufende Woge donnernd Sand und Wasser ins Meer zieht. Ein blutunterlaufener Mond brach hinter den Wolken hervor, und das Einhorn sah sie: golden und gigantisch, mit herabfließendem, feuerzüngelndem Haar und kalten, langsamen Schwingenschlägen, die den Käfig erschütterten. Die Harpyie lachte.

Im Schatten des Einhornkäfigs knieten Orochimaru und Naruto. Der Zauberer hielt den schweren Schlüsselring umklammert. Orochimaru rieb sich den Kopf und blinzelte heftig. Ihre Gesichter waren angstverzerrt, denn sie starrten die aufsteigende Harpyie an, und in dem heftigen Wind suchte jeder beim anderen Halt. Er stieß sie so heftig gegeneinander, dass ihre Knochen krachten.

Das Einhorn ging auf den Käfig der Harpyie zu. Naruto, der blass und winzig aussah, öffnete und schloss unaufhörlich den Mund, und das Einhorn wusste, was er rief, obwohl es ihn nicht hören konnte. “Sie wird dich töten! Sie wird dich töten! Lauf, solange sie noch gefangen ist! Wenn du sie frei lässt, wird sie dich töten!” Das Einhorn ging weiter; es folgte dem Leuchten seines Hornes, bis es vor Celaeno der Dunklen stand.

Eine Sekunde lang hingen die eisigen Schwingen reglos wie Wolken in der Luft, und die grausamen gelben Augen der Harpyie drangen in des Einhorns Herz und zogen es unwiderstehlich näher. ‘Ich töte dich, wenn du mich befreist.’, sagten die Augen ‘Befreie mich!’

Das Einhorn senkte den Kopf, bis sein Horn das Schloss am Harpyienkäfig berührte. Die Tür sprang nicht auf, die eisernen Stangen zerschmolzen nicht zu Sternenstaub. Die Harpyie hob ihre Schwingen, und die vier Wände ihre Käfigs fielen langsam zur Seite und herab, wie die Blütenblätter einer großen Blume, die sich zur Nachtzeit öffnet. Und aus dem Trümmern erblühte schrecklich und frei die Harpyie; sie schrie gellend, und ihr Haar schwang sie wie ein Schwert. Der Mond schrumpfte und schwand.

Das Einhorn hörte sich aufschreien, nicht for Schrecken, sondern vor Erstaunen. “Oh, du bist wie ich!” Es bäumte sich freudig auf, um der Stösserhaltung der Harpyie besser begegnen zu können, und sein Horn schnellte kühn in den Sturm. Die Harpyie stieß zu, verfehlte ihr Ziel und schwenkte ab mit klirrenden Flügeln und heißem, stinkendem Atem. Feuer brannte über ihrem Haupt; das Einhorn sah sein Spiegelbild auf ihrer bronzenen Brust und fühlte zur gleichen Zeit, dass die Harpyie in seinem Glanz erstrahlte. Wie ein Doppelstern umkreisten sie einander, nichts wirkliches gab es außer den beiden unter dem sich zusammenziehenden Himmel. Die Harpyie lachte zurück, und ihre Augen wurden honigfarben. Das Einhorn sah, dass sie sich zum nächsten Stoß bereitmachte.

Sie legte die Flügel an und stürzte wie ein Stern - nicht auf das Einhorn, sondern über dieses hinaus, so knapp an ihm vorbei, dass eine Feder seine Schulter zum Bluten brachte. Funkelnde Krallen gierten nach Tsunades Herz; die streckte ihre eigenen Hände aus, als wolle sie die Harpyie in die Arme schließen. “Nicht allein!”, heulte die Hexe triumphierend. “Niemals hättet ihr euch selbst befreien können! Ich hielt euch gebannt!” Dann war die Harpyie bei ihr, und Tsunade zerbrach wie ein Stück dürres Holz und fiel. Die Harpyie hockte auf ihr, entzog sie dem Blick; dann färbten sich die bronzenen Schwingen blutrot.

Das Einhorn wandte sich ab. In der Nähe hörte es eine Kinderstimme sagen, es wolle laufen, laufen. Narutos Augen waren tellergroß und leer; und sein Gesicht - schon vorher viel zu jung - fiel in sich zusammen und wurde vollends das eines Kindes. “Nein.”, sagte das Einhorn, “Komm mit mir.”

Das Gurgeln und Schmatzen der Harpyie ließ die Knie des Zauberers ließen die Knie des Zauberers wachsweich werden. Das Einhorn sagte zum zweiten Mal: “Komm mit mir.”, und zusammen verließen sie die Mitternachtsmenagerie und gingen davon. Im Dunkel der Nacht waren die Augen des Einhorns für den Zauberer wie der Mond, weiß und kalt und uralt leuchteten sie ihm voran - in die Sicherheit oder in den Wahnsinn. Er folgte ihm, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen, selbst dann nicht, als er das verzweifelte Schleifen und Scharren schwerer Füße hörte, das Dröhnen bronzener Schwingen und Orochimarus jäh verstummenden Schrei.

“Er ist davongerannt.”, sagte das Einhorn. “Vor unsterblichen Wesen darf man niemals davonrennen. Es erregt ihre Aufmerksamkeit.” Seine Stimme war sanft und mitleidlos. “Renne nie, geh langsam und tu so, als dächtest du an etwas anderes; sing ein Lied, sag ein Gedicht auf, mach deine Kunststücke, aber geh langsam und sie werden dir nicht folgen. Geh ganz langsam, Zauberer!”

Auf diese Weise flohen sie zusammen durch die Nacht, Schritt für Schritt, der große Mann in Schwarz und das gehörnte weiße Tier. Naruto hielt sich, so dicht er nur wagte, bei des Einhorns Licht, denn dort, wohin dieses nicht reichte, bewegten sich hungrige Schatten, die Schatten der Geräusche, welche die Harpyie machte, als sie das wenige zerstörte, was an der Mitternachtsmenagerie zu zerstören war. Lange nachdem dieser Laut verklungen war, folgte ihnen auf ihrer unbekannte Straße bis in den Morgen hinein ein anderer Laut: das winzige, trockene Weinen einer Spinne.



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