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Bittersweet Symphony

Ich habe dich gefunden – Mein Glück - -Die letzten zwei Kapitel sind da
von

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Verfolgt

Dieses Mal keine lange Wartezeit. ^^ Ich hoffe es gefällt und freu mich natürlich wie immer riesig über eure Kommis.
 

Liebe Grüße
 

*****************************
 

Verfolgt
 

Wir saßen mittlerweile wieder in Edwards Volvo.

Der Hangar, den ich noch einige Zeit lang durch den Rückspiegel betrachtete hatte, um mich von dem merkwürdigen Gefühl abzulenken - das mich, seitdem wir Jake verlassen hatte, befallen hatte - lag bereits weit hinter uns, war von der uns umgebenden Dunkelheit verschluckt worden.

Die Straßenzüge, die an uns vorüber zogen, wurden immer vertrauter. Und doch nahm ich diese Tatsache nur nebensächlich wahr, während ich meinen Gedanken nachhing, um weiterhin diesem beklemmenden Gefühl, welches sich mehr und mehr in meine Magengegend grub, zu entkommen.

Ich spürte, wie es lauerte, darauf wartete, dass ich meinen Gefühlen freien Lauf gab. Schnell gab ich mir einen Ruck, lenkte mich in eine andere Richtung, rief mir noch einmal die Begegnung mit Jake in Erinnerung.
 

Niemals hatte ich mir unser Wiedersehen so herzlich ausgemalt. Zu meinem eigenen Erstaunen hatte ich – trotz der Situation, trotz der vielen schlechten Erinnerungen – pure Freude empfunden, als er vor mir stand. Vielleicht war es so gewesen, weil wir beide älter geworden waren, reifer. Ansichten hatten sich geändert. Viel Zeit war vergangen, so dass man einiges mit anderen Augen sah. Als Jacob vor mir stand, mich angrinste, sah ich wieder den kleinen Jungen, mit dem ich früher gespielt hatte vor mir. Den Jacob, den ich wie ein Bruder liebte. Meine Sonne, die mich zum Lachen brachte, wenn Edward mal nicht da gewesen war. Ich hatte meinen Jacob gesehen, der er war, bevor unser Kleinkrieg ausgebrochen war. Dieses Treffen nach all den Jahren, hatte mich an die guten Seiten von Jacob erinnert. Die anderen Gefühle, die ich einst empfunden hatte, waren seltsamerweise gewichen. Wenn ich so zurückdachte, so musste ich mir eingestehen, dass es trotz dessen, dass ich mich jedes Mal tierisch über Jake geärgert hatte, wenn er mir mal wieder einen Streich gespielt oder gestichelt hatte, doch spaßig war. Erst später, nachdem er zu Edwards bestem Freund wurde, entwickelte ich ihm gegenüber eine regelrechte Feindseligkeit.

Damals fühlte ich mich von Jake verraten, und am liebsten hätte ich ihm die Augen ausgekratzt. Doch nun, rückblickend, wusste ich, dass es damals die Eifersucht war, die an mir genagt hatte. Jacob hatte damals das, was ich mir im Geheimen am meisten gewünscht hatte, ohne jegliches Zutun bekommen – Edwards Aufmerksamkeit, seine Freundschaft. Er hatte bekommen, was ich verloren hatte.

Vielleicht war ich deshalb heute Morgen mehr als skeptisch, als ich erfuhr, dass wir ausgerechnet Jacob aufsuchen würden.

Ich seufzte leise auf, wünschte mir diese Sonne gerade an meine Seite als ich vorsichtig durch meinen geschaffenen Haarvorhang zu Edward hinüberlinste. Dessen Haltung hatte sich, seitdem Jake uns verlassen hatte, nicht mehr verändert. Auch, wenn er seine Umarmung auf dem Rückweg zum Wagen nicht gelöst hatte, kam es mir so vor, als würde er sich mit jedem Schritt mehr und mehr von mir distanzieren. Als er seinen Arm zurückzog, mir die Autotür öffnete, wollte ich mich an ihm festkrallen, nicht loslassen.

Und jetzt, hier im Auto, konnte ich dieses Gefühl immer noch nicht richtig abschütteln. Ganz im Gegenteil. Die Angst, die ich verspürte, hatte sich inzwischen verwandelt, nahm ungeahnte Ausmaße an. Tobte immer stärker. Je öfter ich unbemerkt zu ihm schaute, umso mächtiger wurde sie, verpflanzte sich in jede einzelne, noch so winzige Faser meines Körpers.
 

Edward blickte stur gerade aus. Seine dunklen Augen waren nicht um eine einzige Nuance heller geworden. Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst. Seine weichen Gesichtszüge waren gewichen, so als wären sie nie existent gewesen. Seine Atmung ging flach und seine Körperhaltung war vollkommen verkrampft. Unter der hellen Haut seiner Hand traten die Knöchel weiß hervor, so stark umschlang er das Lenkrad.

Ich versteifte mich, ballte meine Hände zu Fäusten, als ich aufgrund meiner Beobachtung das Schlimmste in Erwägung zog.

Er würde doch nicht auf irgendeine Dummheit kommen?

Und falls ja, wie würde diese Dummheit aussehen?

Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigen wollte. Tränen schossen mir in die Augen. Schnell blinzelte ich diese weg. Versuchte die Panik, die jetzt ebenfalls in mir aufwallte; zu ignorieren und meine Atmung ruhig zu halten.

Kontrolle! Bewahre die Kontrolle!

Tief atmen.
 

Meine Augen zuckten zu Edward hinüber, zu meinen geballten Händen und wieder zurück. Er schien davon nichts zu bemerken, völlig in seinen Gedanken versunken zu sein. Ich wanderte erneut über die Konturen seines Gesichtes, die völlig ausdruckslos waren, einer undurchschaubaren Maske gleich, die mir derzeit nichts, rein gar nichts über seine Gefühlswelt verrieten.

Es war zum Verrückt werden!

Frustrierend!

Selbst seine Augen enthielten keinerlei Emotionen. Da war nur tiefste Dunkelheit.

Ein Schauer rann mir über meinen Rücken.

Meine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in meine Haut, als ich meine Faust noch stärker zusammendrückte.

Kontrolle, wiederholte ich gedanklich, presste meine Lippen fest aufeinander. Ich durfte das Schluchzen in meine Kehle nicht nach außen dringen lassen.

Vielleicht interpretierte ich auch zu viel in sein Verhalten hinein?

Vielleicht brauchte Edward nur etwas Zeit um das, was wir von Jake erfahren hatte, richtig zu verdauen?!

Vielleicht befasste er sich bereits mit dem weiteren Vorgehen, legte diverse Möglichkeiten fest?!

Das musst es sein. Was anderes fiel mir beim besten Willen nicht ein.

Ich bemerkte, wie seine Hand sich vom Lenkrad entfernte, sich in Richtung Schaltknüppel bewegte. Ohne zu überlegen streckte ich meine Hand ebenfalls aus, berührte seine Hand, wollte unsere Finger miteinander verschlingen. Doch er zuckte zurück, kaum dass ich seine Haut mit meinen Fingerspitzen berührt hatte. Zum ersten Mal lagen seine Augen kurz auf mir, sein Mund verzog sich ein klein bisschen, was die Andeutung eines Lächelns darstellen sollte.

Ich starrte ihm einfach nur entgegen. Meine Hand schwebte immer noch in der Luft. Seine lag bereits wieder auf dem Lenkrad.

Als er seinen Blick abwandte, fühlte es sich an, als hätte ich genau in diese Moment einen Peitschenhieb abbekommen. So schnell ich konnte riss ich meinen Kopf in Richtung Fenster herum, rückte so nah es ging an die Tür heran. Krampfhaft versuchte ich noch normal weiter zu atmen, doch die erste Träne rollte bereits über meine Wange.

Ich hatte die Kontrolle verloren.

Mir wurde schwindelig. Alles begann sich zu drehen. Die diversen Überlegungen, die ich mir gerade noch zu Recht gelegt hatte, waren in sich zusammengebrochen. Die Angst dröhnte bis in den kleinsten Winkel meines Körpers. Höhnisch lachte sie mir ins Gesicht. Erbarmungslos und schmerzhaft warf sich mein Herz gegen meinen Brustkorb, intensivierte dadurch noch die Verwirrtheit und die Furcht. Lautlos perlten die Tränen von meinem Kinn, versanken im Stoff meiner Jacke. Ich spürte einen Sog, einem Strudel gleich. Spürte, wie ich versuchte, mich diesem mit all der mir zur Verfügung stehenden Kraft zu widersetzen. Doch nichts was ich tat, zeigte irgendeine Wirkung. Die verhängnisvolle Tiefe kam unabwendbar näher.
 

Die nächsten Tränen lösten sich.
 

Innerlich schallte ich mich selbst, schrie mich an.

Ich wollte nicht weinen.

Doch konnte ich mich nicht dagegen wehren.

Ich bemerkte erst, dass wir vor unseren Wohnungen angekommen waren, als Edward davor zum Stehen gekommen war. Das Geräusch der öffnenden Tür ließ mich alarmierend meine Hände nach oben reißen. So schnell ich konnte wischte ich über mein Gesicht, wischte die verräterischen Spuren davon, senkte dann wieder meinen Kopf und wartete. Wartete darauf, seine gedämpften Schritte auf dem Asphalt zu hören, das Öffnen der Tür. Wartete darauf, in ein lächelndes Gesicht zu sehen, das all meine törichten Gehirngespinste vertrieb.

Doch er kam nicht.

Ich schluckte hart.

Ein starkes Zittern befiel meine Hand, als ich diese anhob, um die Tür nahezu kraftlos zu öffnen, auszusteigen. Ein kurzer scheuer Blick meinerseits verriet mir, dass Edward ungeduldig auf dem Bürgersteig stand, seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Kurz verharrte ich in meiner Position – meine Hand stützend auf dem Autodach -, betrachtete, das verzerrte Bild, das sich ergab.
 

Mit zwei, drei stolpernden Schritten kam ich bei ihm an, weshalb er sich umgehend in Bewegung setzte.

Stumm liefen wir Seite an Seite die Treppenstufen hinauf. Zu meiner Verwunderung hielt er mich, durch Zug an meiner Jacke, an seiner Wohnung zurück, schloss auf und zog mich in einer fließenden Bewegung hinein.

Ich folgte ihm mit gesenktem Kopf ins Wohnzimmer, blieb dann unschlüssig an der Tür stehen.

Wie ein aufgeschrecktes Reh huschten meine Augen unruhig im Raum umher. Mein Hals fühlte sich staubtrocken an. Den gerade in mir aufkommenden Fluchtinstinkt versuchte ich mit aller Macht zu unterdrücken. Mein Körper fühlte sich merkwürdig an. Ich spürte, wie irgendetwas an mir zu zerren begann, so als wollte es, dass ich mich von meinem Körper löste, mich dadurch beschützen.

Aber vor was sollte ich dadurch bewahrt werden?

Die Angst wandelte sich zu einem tosenden Meer, welches in meinem Inneren tobte. Trieb mein wirres Herz weiter an. Ich spürte dessen Schlag ganz deutlich, doch zugleich fühlte es sich so an, als würde mein Herzschlag immer undeutlicher werden, in der Ferne verklingen.
 

„Es tut mir Leid, Bella!“

Ich zuckte zusammen. Mein Herz setzte einen Schlag lang aus.

„So unendlich Leid.“

Langsam, ganz langsam, wandte sich Edward zu mir herum. Seine – von mir so überaus geliebten – Augen bannten mich jedoch nicht auf die mir sonst so vertraute Weise. Ich wankte einen kleinen Schritt zurück.

Diese Situation gefiel mir nicht. Sie fühlte sich völlig falsch an. Mein Körper wog schwer, schien mich nach unten ziehen zu wollen. Das Zerren nahm zu. Der Sog wurde stärker.

Was wollte er mir mit diesen Worten sagen?

„Ich hätte niemals zurückkommen dürfen. Ich hab es geahnt.“, sprach er bedacht, eher zu sich, als zu mir.

„Was redest du da?“ Ich war entsetzt über diese Worte, die so endgültig klangen, mich wie ein Faustschlag mitten in die Magengrube trafen. In unregelmäßigen Takt hob und senkte sich mein Brustkorb.

„Bella, kapierst du es nicht?! Hast du Jake nicht zugehört? Ich bin eine Gefahr. Ich bringe dich in Gefahr!“

„Und?“ warf ich ihm trotzig, immer noch fassungslos über seine Worte, entgegen, was ihn für Sekunden perplex dreinschauen ließ, bevor Zorn in seinen Augen aufloderte.

„Und?“, knurrte er.

„Und?“, dieses Mal um einiges lauter. „Bist du von Sinnen?“ Er musterte mich eindringlich.

Ich erwiderte seinen Blick ebenso scharf.

„Verdammt, Bella, versteh doch: Das hier ist kein Spiel. Sam hat es nur auf dich abgesehen, weil du mit mir zusammen warst, weil er unsere gemeinsame Vergangenheit kennt. Weil er weiß, was du mir bedeutest. Du bist mein wunder Punkt. Nur deswegen. Nur wegen mir ist er jetzt hinter dir her! Weil ich Mist gebaut habe“, warf er mir aufgebracht entgegen. „Ich bringe dich durch meine Fehler in Gefahr. Das darf nicht sein. Ich hätte es besser wissen müssen. Nur weil ich so egoistisch war, mich nicht von dir fernhalten konnte…..“ Er schüttelte kurz seinen Kopf, fast so, als wäre er nur so fähig, die nächsten Worte zum Ausdruck zu bringen. „Ich hätte es belassen sollen. Meinem unguten Gefühl trauen sollen. Ich hätte es wissen müssen.“, wiederholte er. Und auch, wenn die letzten Worte, der abstoßende Ton darin, ihm selbst galt, taten mir diese Worte genauso weh. Er durfte so etwas nicht sagen. Nicht einmal denken. Nicht er. Er durfte sich dafür nicht die Schuld geben.
 

Leicht benommen blinzelte ich, setzte zu Widerworten an, doch Edward sprach unbeirrt weiter, überging mein Vorhaben.

„Es war ein Fehler, Bella.“, beharrte er. In seiner Stimme lag ein Ton, der mir unmissverständlich sagen sollte, dass er darüber nicht diskutieren würde. Was mich jedoch mehr schreckte, als die Worte selbst, war die Aussage, die mir dadurch zugetragen wurde. Es klang endgültig.

„Es war genauso ein Fehler, wie nach Forks zu gehen. Huh! Ausgerechnet Forks!“ Seine Stimme triefte vor blanken Selbsthass und purem Vorwurf. Tief schnitt sie mir ins Herz, erweckte jedoch zugleich die Wut in mir.

„Was redest du da?“, unterbrach ich ihn wirsch. „Ich war es, die dich wieder in mein Leben gelassen hat. Ich war es, die dich dazu gebrach hat, nach Forks und Port Angeles zu gehen. Wenn du einen Schuldigen suchst, dann nehm mich.“, appellierte ich. Hoffte, ihn dadurch von seinen vollkommen unsinnigen Gedanken abzulenken.

Ein Schnauben war die Antwort. „Ich war derjenige, der dir meine Vergangenheit verschwiegen hat. „

„Und?“, gab ich zum wiederholten Male von mir.

Seine Augen weiteten sich.

„Denkst du tatsächlich, dass das irgendetwas geändert hätte?“ Ich hob meine Augenbrauen an, fixierte ihn. „Egal ob ich diesen Umstand früher oder später erfahren hätte, es hätte nichts an meinem Verhalten geändert. Du bist immer noch du.“ Diese Worte waren die reine Wahrheit. Auch wenn Edward, seinem derzeitigen Gesichtsaudruck nach, mir keinerlei Glauben schenkte. Aber genau so war es. Es war mir egal.

Das Einzige, was für mich zählte war, das er bei mir war. Wenn Edward da war, fühlte ich, wie mich unsagbare Kraft durchströmte. Er war es, der mir die Zuversicht zurückgab, gab mir den nötigen Halt. Wenn Edward bei mir war, hatte ich das Gefühl, ich müsste nur meinen Arm anheben, um die Sterne berühren zu können.

Es war einzigartig.

Unbeschreiblich.

Und dann sagte er so etwas!

Machte sich Selbstvorwürfe wegen einer Sache, die er nicht beeinflussen konnte. Die ich ihm niemals vorwerfen würde, weil diese Entscheidung, für die er nun bestraft werden sollte, ihn wieder zu mir zurückgebracht hatte.

Wie hätte ich da etwas sagen können?

Durch seine Rückkehr war meine Welt wieder erhellt worden.
 

Edward sog scharf die Luft ein, doch ich sprach unbeirrt weiter. „Du hast gesagt, dass du mich brauchst. Mir geht es nicht anders, Edward. Ich brauche dich.“

„Ah“, stöhnte er leise.

„Es ist zu spät, Edward. Ich kann nicht ohne dich leben.“

„HÖR AUF!“

Ich stoppte aufgrund der schneidenden Schärfe in seiner Stimme. Genau das, was er damit bezwecken wollte. Der Zorn in seinen Augen wurde zunehmend stärker. Sein Unterkiefer bebte, als er begann mit einer gedämpfteren, dennoch eindringlicheren Stimme, weiterzureden. „So etwas darfst du nicht sagen, nicht mal denken.“ Zugleich versuchte er sich unter Kontrolle zu behalten, seine Wut zu zügeln, was ich daran erkennen konnte, dass er seine Hände - die zu Fäusten geballt waren - an seine Seite presste.

„Aber wenn es doch so ist.“, entgegnete ich aufgebraucht, konnte einfach nicht glauben, was ich gerade hörte.

„Begreif doch endlich! Ich kannte das Risiko und bin trotzdem zu dir zurückgekommen, weil ich nicht stark genug sein konnte. Obwohl ich es hätte sein müssen, um genau das hier zu verhindern! Ich hätte dich schützen müssen. Stattdessen lass ich es zu, dass du direkt in die Gefahr hineinrennst. Weil ich so dumm war und geglaubt habe, dass ich all das schon hinbekommen würde. Ich dachte wirklich, dass ich mit meiner Vergangenheit abschließen könnte. Dass ich mit dir…..“ Edward brach ab.

Ich nahm den Faden auf. „Willst du dich jetzt dafür schuldig fühlen, weil du deinen Gefühlen nachgeben hast?“ Ich war vollkommen aufgewühlt. „Das war das Beste, was du tun konntest.“

„Das Beste.“, wiederholte er abwertend. Seine Augen blitzten warnend auf. „Es ist eine Sache, wenn ich mich ins Unglück stürze. In Gefahr bringe. Es ist aber etwas völlig anderes, wenn ich dich da hineinziehe. Es war ein Fehler! Es hätte niemals so weit zwischen uns kommen dürfen.“, antwortete er barsch, weiterhin standhaft. „Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, nicht mehr egoistisch zu sein.“, murmelte er. Mehr zu sich selbst, aber ich hörte es. Diese Worte waren so deutlich, als hätte er sie mir entgegen gerufen.

„Nein.“, schrie ich schrill. Ich wollte nicht, dass er noch ein weiteres Wort sagte. „Sei ruhig. Ich will nichts mehr hören. Nicht so etwas Dämliches hören.“ Denn genau diese Worte zerrissen mir mein Herz. „Du hast zu mir gesagt, ich soll aufhören mir selbst Vorwürfe zu machen. Dann halt du dich erstrecht daran!“, warf ich im entrüstet vor.

„Huh!“, stieß er hervor. „Das ist was völlig anderes.“, wandte er gereizt ein.

„Ach ja?!“, kam es von mir schnippisch. „Natürlich. Bei dir ist es immer etwas anderes. Bei Edward Cullen ist es immer etwas anderes! Gott. Alice hatte ja so was von Recht. Du bist ein Idiot. Und was für einer. Aber ich sag dir jetzt etwas und wage mich nicht, ein einziges Mal zu unterbrechen.“, drohte ich ihm mit erhobenen Finger. Ich holte Luft „Zurückzukommen war das Beste, was du für mich, für deine Familie tun konntest.“ Dabei tippte ich ihm so fest gegen die Brust, wie ich konnte. Mein Gesicht glühte vor Zorn. Die Aufregung über seine Engstirnigkeit tobte in mir, klärte meinen Verstand.

Genau in diesem Moment sickerte zu mir durch, was er damit bezwecken wollte, was er vor hatte. „Du… willst gehen.“, hauchte ich.

Alles ergab einen Sinn. Seine abweisende Art, seine eindringlichen Worte. Er zog sich zurück, verabschiedete sich. Er tat genau das Gegenteil von dem, was er mir versprochen hatte!

War es seine Absicht einen Streit heraufzubeschwören?

Dachte er, dadurch würde es leichter werden?
 

In dem Augenblick, als ich die Worte, die Erkenntnis aussprach, fühlte es sich so an, als würde pure Säure durch meine Adern gepumpt werden. Mit geweiteten Augen, unfähig gerade sonst irgendeine andere Reaktion zu zeigen, sah ich zu ihm auf. Jegliche Farbe war aus meinem Gesicht gewichen. Mein Körper wurde von einer unerbittlichen Kälte befallen. Tief drang diese in mich ein, umklammerte mein wild pochendes Herz.

Er wollte mich alleine lassen.
 

Gehen!
 

Er wollte mich wieder alleine zurücklassen, hallte es in mir wieder.
 

Der Sog wurde noch mächtiger. Der Boden unter meinen Füßen wurde brüchig. Ich blinzelte kurz, warf einen schnellen Blick nach unten und erkannte einen Rand. Den Rand einer Schlucht. Ich erzitterte. Sah schnell wieder hinauf.
 

Edwards Lippen bildeten eine schmale Linie. Ertappt war er versucht seinen Kopf zu senken, entschloss sich jedoch dagegen, hielt meinem Blick stand. Qual durchzuckte das Grün seiner Augen, als ich meine nicht von ihm abwandte. Die Kuppe meines Zeigefingers ruhte immer noch auf seiner Brust, unter der ich seinen Herzschlag verspürte, der genauso hilflos und verzweifelt pulsierte, wie mein eigener. Das kurze Zucken seiner Hand, als er die Faust löste, seinen Arm anhob, diesen dann wieder zurückriss, um ihn wieder an seine Seite zu pressen, erlöste mich.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, der sich anfühlte, als würden meine Lungen von tausend winzigen Nadeln gleichzeitig durchstochen werden.

„Aber du hast versprochen, dass du…….“ Dieser Satz, nicht mehr als ein leiser Hauch. Ich war nicht dazu fähig, ihn zu beenden. „Niemals!“, presste ich hervor. Das konnte er gleich wieder vergessen. Ich hob meinen Kopf weiter an. Das Meer aus tosender Angst und Verzweiflung hatte sich von der einen auf die andere Sekunde in schäumende Wut verwandelte, die sich fauchend gegen die Felsen warf. „Denkst du wirklich, du kannst hier auftauchen, einfach wieder in mein Leben treten und dann wieder verschwinden, wie es dir gerade in den Kram passt?“, knurrte ich ihm aufgebracht entgegen. „Denkst du wirklich, ich würde mich von so etwas abschrecken lassen, Edward? Jetzt, nachdem ich dich endlich wieder habe. Denkst du das wirklich?“ Tränen rannen bereits wieder über meine geröteten Wangen. „Ich bin kein kleines Lamm, das man vor der ganzen Welt beschützen muss.“

„Wir sprechen hier nicht von einer kleinen Lappalie.“ Seine Stimme erklang in dem gleichen Ton, den ich derzeit an den Tag legte. „Sei doch nicht so unvernünftig, Bella. Bitte.“, flüsterte er eindringlich.
 

Ich hob meine Augenbrauen an, strauchelte innerlich, überging jedoch seinen Einwurf. „Und du? Nicht mal dein Gedächtnisverlust konnte dich von mir fernhalten.“ Genau das hatte er gesagt. Ich bekämpfte sein dummes Verhalten mit seinen eigenen Worten, was ihm nicht zu gefallen schien. Aber das war mir egal. „Wenn du jetzt gehst, denkst du wirklich, dass ich glücklich werde – ohne dich?!“, stellte ich die Frage, wartete aber nicht auf seine Antwort. „Ich habe sieben verdammte Jahre ohne dich gelebt, Edward. Sieben verdammte Jahre.“, wiederholte ich. „Sieben Jahre, in denen mich Albträume quälten – die ich, zu deiner Information, nicht mehr habe, seitdem DU wieder zurück bist.“ Ich machte eine kurze Pause, um Luft zu holen. „Ich habe versucht weiterzuleben

Ich habe gekämpft, Edward. Genauso wie du, habe ich versucht, ein normales Leben zu führen. Und in manchen Momenten habe ich tatsächlich gedacht, ich hätte es geschafft. Aber so war es nicht. Ich habe es niemals geschafft. Ich habe versagt, genauso versagt, wie du versagt hast. Wir beide haben versagt. Ich kann niemals richtig glücklich werden, wenn du nicht bei mir bist. Ich habe mich seit damals nie wieder so gefühlt, wie jetzt. Ich fühle mich wieder ganz. Und du alleine bist der Grund dafür.“ Ich war so in Rage, dass ich nur am Rande bemerkte, wie sich seine wütenden Gesichtszüge wandelten, sich quälend verzogen. „Aus diesem Grund ist es mir egal, was passieren kann. Ich kann nicht mehr ohne dich, Edward. Ich will nie wieder weinen, weil du nicht bei mir bist. Nie wieder diesen unmenschlichen Schmerz verspüren, weil ich dich verloren habe. Nicht noch einmal. Ich besitze dazu nicht mehr die Kraft, Edward. Wenn du gehst…. Ich steh das nicht noch einmal durch.“

Ich setzte ab. Meine Stimme war gerade dabei zu versagen. Durch einen weiteren tiefen Atemzug, gewann ich wieder etwas Fassung zurück, sprach mit festerer Stimme weiter. „Du hast zu mir gesagt, dass ich dein Herz bin. Und jetzt stehst du hier vor mir und meinst allen ernstes, dass ich nicht ebenfalls so sprechen darf? Das kann ich nicht, Edward. Denn ich empfinde genau das Gleiche für dich. Ich habe schon immer so empfunden und werde auch immer so empfinden und selbst du wirst daran rein gar nichts ändern können. Niemand wird jemals ändern können, dass ich dich liebe.“, flüsterte ich letztendlich nur noch leise in den Raum, schluchzte. „Ich liebe dich, so sehr. Verstehst du jetzt, warum es zu spät ist!“, beendete ich mit weinerlicher Stimme.
 

Edward stand einfach nur da, sah mir entgegen. Seine Augen folgten der Spur meiner Tränen. Für Sekunden verweilten sie dort, wo sich meine Tränen von meiner Haut lösten, um durch die Luft zu gleiten, bevor er seinen Blick wieder anhob.

Ich konnte mich nicht regen, stand einfach nur da, schaute zu ihm auf. Meine Gedanken waren völlig konfus. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob das hier alles real war.

War ich überhaupt wach?

Unverwandt lag Edwards Blick immer noch auf mir.

Meine geröteten Augen weiteten sich abermals, als er langsam begann seinen Kopf zu schütteln. Sein Gesicht war schmerzverzehrt. „Bella!“, stieß er hervor.

Ich schnappte nach Luft.

Die Tonlage, in der er dieses eine Wort – meinen Namen - ausgesprochen hatte, war niederschmetternd und zugleich schuldbewusst.

Wieso?

Diese Frage hallte in meinem Inneren wieder. Dröhnte in meinen Ohren.

Tränen stiegen von neuem in mir auf.

Wieso nahm er mich nicht einfach in den Arm? Sagte mir, dass er mich ebenfalls liebte, und dass wir schon eine Lösung finden würden?

Mit unbändiger Kraft warf sich das salzige Nass gegen meine Lider, mit denen ich versuchte, dieses zurückzudrängen.

Wieso stand er einfach nur da?

Nimm mich in den Arm, schrie ich innerlich.

Aber er verharrte in seiner Position.

Es schmerzte. Schmerzte mehr als alles andere.

Sollte das wirklich das Ende bedeuten?

Meine Zunge wurde taub, ein merkwürdiger Geschmack breitete sich in meinem Mund aus.

Bitterkeit.

Es war unumstößlich.

Die Schlucht zu meinen Füßen wurde breiter.

Edward hatte seine Entscheidung getroffen und genau mit dieser Geste brachte er sie zum Ausdruck.
 

Es war endgültig.
 

Ich musste hier raus.

So schnell ich konnte stürzte ich aus dem Raum, aus der Wohnung.

Ich stürzte die Stufen hinauf, - obwohl ich ahnte, dass er mir nicht folgen würde, mich nicht aufhalten würde.

Dieser Gedanken war ein weiterer Stich mitten ins Herz.

Ich stolperte, geriet ins Straucheln, rappelte mich wieder auf, stapfte die letzte Erhebung hinauf. Jeder Schritt schmerzte in meinen Fußgelenken. Was gut war! Ich brauchte derzeit ein Ventil und wenn es dadurch geschah, dass ich mir dabei gerade selbst weh tat.

Ich riss die Wohnungstür auf und ließ sie mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Sofort schoss Emmetts Kopf um die Ecke. „Bella!“ Er stockte kurz, bevor „Was ist los?“

„Dein Bruder ist los!“, motzte ich im vorbeigehen.

„Warte mal.“ Seine Hand schoss nach vorne, packte mich am Handgelenk. Die andere lag bereits auf meiner Wange, bevor ich nur einmal blinzeln konnte Sein Daumen rieb über die Stelle, die tränengetränkt war.

„Bella. Was hat er getan?“, knurrte er. Seine Gesichtszüge wurden ernst. Sofort war ich alarmiert. Ich hatte nicht daran gedacht, was mein aufgequollenes und tränenüberströmtes Gesicht bei Emmett und Alice auslösten würde. Zweite stand bereits dicht hinter ihrem Bruder, beäugte mich eingehend.

So schnell ich konnte, griff ich nach Emmetts Hand, die auf meiner Wange ruhte, umschlang diese mit meinen Fingern. „Er…… Sei nicht sauer auf ihn, Emmett.“, gab ich beschwichtigend von mir, drückte zugleich seine Hand. „Wir haben uns in die Haare bekommen und ich hab mich da zu sehr hinein gesteigert. Das ist alles.“ Ich brachte ein leichtes Lächeln zustande und war dafür unendlich dankbar.
 

Der Älteste der Cullen-Geschwister entspannte sich wieder etwas. Sein Misstrauen verflog aber nicht gänzlich. „Bist du dir sicher?“, hackte er daher noch einmal nach.

Ich schloss meine Augen. Das Lächeln wich nicht, als ich ihn wieder ansah. „Ja. Aber trotzdem Danke.“ Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Schon gut.“, brummte er hierauf, strich mir eine Strähne hinter mein Ohr. „Soll ich trotzdem mit ihm..?“

„Nein!“, unterbrach ich ihn sofort, vielleicht etwas zu schnell, zu harsch. Ich räusperte mich kurz, ermahnte mich selbst. „Nein. Ich denke, es ist besser, wenn ihr ihn etwas in Ruhe lasst. Ich werde später noch einmal mit ihm reden.“ Ich verkniff mir ein trauriges Seufzen, die Resignation, die sich in meine Stimme schleichen wollte.

Alice nickte, was mich beruhigte. Sie würde dafür sorgen, dass niemand Edward belästigen würde. „Und jetzt würde ich gerne auf mein Zimmer gehen.“

„Bella, willst du nicht….?“

„Emmett!“ Der Angesprochene sah über seine Schulter zurück. Jasper. Dieser schüttelte seinen Kopf, was dem Grizzly gar nicht gefiel. Er wandte sich daher wieder zu mir, öffnete von neuem seinen Mund, als „Komm, Emmett.“ Das war Rosalie. Sie stand plötzlich hinter ihrem Freund, griff sanft aber bestimmt nach seiner Hand. „Aber….“ In Emmetts Gesicht brach ein Konflikt aus.

„Du kannst Bella Glauben, Emmett.“ Alice trat jetzt vor ihren großen Bruder, sah diesen mit einem vielsagenden Blick an. Emmetts Blick ruhte noch einmal auf mir. Anscheinend schien er zu kontrollieren, was meine beste Freundin ihm sagen wollte. Wenn ich ehrlich war, wurde es mir von Minute zu Minute unangenehmer, hier zu stehen, von jedem betrachtet zu werden. Auch wenn sie meine Freunde waren, meine Familie, so wäre es mir lieber gewesen, unbemerkt in mein Zimmer zu gelangen als jetzt noch eine umfassende Prüfung über mich ergehen lassen zu müssen. „Gut.“, war sein abschließender Kommentar. Widerstandslos ließ er sich von Rosalie mitziehen, während ich endlich mein Zimmer ansteuern konnte.
 

Ich konnte mich gerade so beherrschen, die Tür zu meinem Zimmer nicht zuzuwerfen. Ich wollte nicht schon wieder Emmett auf den Plan rufen. Trotz der kleinen Unterbrechung war meine Wut auf Edward keinesfalls verraucht. Unerbittlich tobte sie in mir weiter, fauchte wie ein wildes Tier. Wütend kickte ich mir meine Schuhe von den Füßen. Schnappte mir mein Kissen vom Bett, stieß einen leisen, gepressten Schrei aus, als ich dieses quer durchs Zimmer beförderte. Warf mich dann auf mein Bett.

Das durfte doch alles nicht wahr sein.
 

~„Bella!“~
 

Ich presste meine Hände auf meine Ohren. Seine Stimme sollte aus meinem Kopf verschwinden. Ich spürte das Erzittern meines Körpers. Meine flache Atmung, die üblich war, wenn ich außer mir war – was selten vorkam. Doch er hatte es mal wieder geschafft!

ER war immer derjenige, der es schaffte!

Ein Hoch auf Edward Anthony Cullen, dachte ich sarkastisch.

Gratulation.

Vielleicht hätte ich Emmett doch nicht aufhalten sollen. Ich hätte ihn nach unten schicken sollen. Vielleicht hätte ein gezielter Schlag auf die Nase, Edwards Denkweise wieder gerade gerückt.

Was war schon eine gebrochene Nase?!

Die würde einige Frauen wenigstens eine zeitlang davon abhalten, Edward unverhohlen anzustarren.

Ich seufzte auf.

Was dachte ich da bloß? Selbst mit gebrochener Nase würde Edward noch atemberaubend aussehen.
 

Ich strich mir mit meiner Hand durchs Haar, über mein Gesicht. Beseitigte sogleich meine Tränen, die immer noch nicht aus meinen Augenwinkel verschwunden waren.

„Du verdammter Idiot.“, nuschelte ich, schmiegte mein Gesicht in den Stoff meiner Bettdecke, kniff meine Augen so fest zusammen, wie nur irgendwie möglich.

Dachte er denn wirklich, dass mich so etwas abschrecken würde?

Ich ihn wegen so etwas tatsächlich verlassen könnte und würde? Nach all dem was zwischen uns passiert war?!

Das war nicht möglich.

Ich gehörte ihm – mit Leib und Seele.

Gott, das klang, als hätte ich diese Worte direkt aus einem Schnulzenroman entnommen. Und wäre die Situation nicht so ernst, hätte ich jetzt wahrscheinlich laut aufgelacht. Doch das Lachen blieb aus. Stattdessen seufzte ich erneut, tiefer als zuvor.

Die Gefahr, in der ich mich befand, kam mir absolut surreal vor. Wie eine Erinnerung an einen bösen Traum.

Alles wirkte so weit weg, wenn ich daran dachte in Edwards Nähe zu sein, in seinen Armen zu liegen, mit dem Bewusstsein, dass er mich liebte. Dafür war ich bereit alles auf mich zu nehmen. Egal was es auch war. Selbst wenn es bedeuten würde durch die tiefste Hölle spazieren zu müssen. Ich würde es auf mich nehmen. Wenn er nur bei mir war.

Er durfte mich nicht verlassen. Niemand von uns beiden sollte jemals wieder leiden.

Niemals wieder.

Und wir beide wussten, dass wir ohne den Anderen nicht leben konnten. Existieren ja, aber nicht leben. Wir waren eins.

Aber wie konnte ich ihm das nur begreiflich machen? Ihn von seinem Vorhaben abbringen?

Kaum, dass ich daran dachte, befiel mich Panik.

Was, wen er gerade schon dabei war, seine Sachen zu packen und zu verschwinden?
 

Ohne, dass ich es selbst bemerkte, drückte ich mich bereits von meinem Bett hoch, peilte die Zimmertür an, als ich inne hielt.

Nein, das würde er nicht machen. Edward würde nicht überstürzt verschwinden. Er wusste nur zu genau, dass er dadurch Fehler machen könnte. Hinweise für Sam hinterlassen.

Ich beschloss daher, ihn heute nicht mehr aufzusuchen, ihm eine Nacht Ruhe zu geben. Vielleicht würde morgen auch alles schon wieder anders aussehen. Die berühmte Nacht darüber schlafen. Außerdem würde er sich zuvor versichern, dass ich in Sicherheit war.

Sicherheit!

Unwillkürlich setzte sich dieses Wort vorrangig in meinen Gedanken fest.

Mir wurde bewusst, dass ich das Wichtigste überhaupt außer Acht gelassen hatte. Es war mir völlig entfallen.

Was war mit Edwards Sicherheit?

Ich war förmlich von dem Gedanken besessen gewesen, dass er mich wieder verlassen könnte, ich hatte solche Furcht vor der Angst selbst, wieder all das noch einmal durchleiden zu müssen, mich endgültig zu verlieren, dass ich daran überhaupt nicht gedacht hatte. Ich sah wieder Edwards schmerzerfülltes Gesicht vor mir. Nahm wahr, wie sich der Schmerz mit jedem Satz von mir, tiefer grub. Ich hatte ihn durch mein Geständnis noch mehr Qual bereitet.

Was war ich nur für eine schreckliche Person!

Ich schniefte. Hysterie wallte in mir auf. Ich drückte mir meine Handballen auf die Augen, versuchte dadurch die Tränen zurückzuhalten.

Hatte ich mir nicht geschworen, dass er nie wieder leiden würde. Und was tat ich? Ich selbst bereitete ihm das größte Leid. Weil ich so stur war. Augenblicklich ekelte ich mich vor mir selbst.

Wäre es vielleicht nicht doch das Beste, wenn ich loslassen würde? Wenn ich ihn ziehen lassen würde?

Ich wusste, würde ich mich zu diesem Schritt entscheiden, würde ich ihn niemals wieder sehen. Mein Herz verkrampfte sich.

Aber Edward wäre in Sicherheit!

Er könnte ein neues Leben beginnen. Fernab von der Bedrohung, der ewigen Sorge. Dieses Wissen war lindern.

Vielleicht wäre Edward stark genug, tapfer genug, um ohne mich zu leben, da er es für das Beste hielt. Vielleicht hatte ich mich in meiner Überlegung geirrt und er könnte glücklich werden. Leichte Hoffnung, der Wunsch, dass dies der Fall sein könnte, keimte in mir auf.

Ein unüberhörbarer Teil in mir jedoch schrie zugleich auf. Blaffte mich an, was ich mir da für ein Schwachsinn zusammenreimte. Dass ich dieses Opfer nicht bringen könnte. Dass ich mit ihm zusammen sein musste, um leben zu können. Ich zuckte zusammen. Ich wusste, dass die Stimme Recht hatte.

Ich schnaubte angewidert. Und da nannte er sich egoistisch.

Ich war diejenige, die die ganze Zeit über nur an sich selbst dachte. Es in diesem Augenblick wieder tat. Nur an mein Seelenheil dachte.

Ich schlug meine Hände vors Gesicht.

Ich war überfordert. Wusste nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Wie war es nur möglich gewesen, dass ich die letzten Stunden einen nahezu klaren Kopf behalten hatte?

Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Alle Grenzen schienen eingerissen.

Ein pochender Schmerz durchzuckte meinen Kopf. Stöhnend fasste ich mir an die Schläfe, kniff meine Augen fest zusammen.

Diese Verwirrtheit!

Warum konnte sie nicht endlich fern bleiben?

Tränen perlten erneut von meinem Kinn. Meine Welt, die sich gerade wieder zusammengesetzt hatte, war von neuem in Gefahr. Und genau wie damals stand ich dieser Gefahr machtlos gegenüber.
 

Reines ungetrübtes Glück!

Genau das, wollte ich mit Edward gemeinsam empfinden.

Doch je näher wir uns kamen, desto mehr schien sich alles zu verkomplizieren.

War es doch nicht unser Schicksal zusammen zu sein?

Nicht füreinander bestimmt?

Schlagartig fiel meine Körpertemperatur. So kam es mir zumindest vor. Meine Tränenflut hatte gestoppt.

Nein! rauschte durch meine Sinne.

Von neuem erschien Edwards Gesicht vor mir. Es wirkte so unwirklich.
 

~„Du bist mein wunder Punkt.“~
 

Ja, genau das war ich. Mit diesem Satz hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Meine Wut flaute mehr und mehr ab. Ich versuchte diese festzuhalten, nicht weiter über meine jetzigen Gedanken zu sinnieren, doch misslang mir dies. Ich versank völlig darin. Die Wut verschwand gänzlich, wurde bereits von anderen Gefühlen überlagert. Ich musste mir in diesem Moment eingestehen, dass ich Edward verstand. Ich verstand seine Beweggründe, konnte sie gleichermaßen nachvollziehen.

Langsam setzte ich mich auf, verschlang meine Hände ineinander, presste meine Lippen fest aufeinander. Mein Blick wanderte aus dem Fenster, hinein in die Dunkelheit.

Resignation.

„Du würdest das Gleiche tun.“ Kaum, dass ich diese Worte leise vor mich hin geflüstert hatte, war die Entscheidung gefallen.

Es gab keine Hoffnung.

Ich würde Edwards Entscheidung nicht im Wege stehen. Ich würde ihn ziehen lassen.

Würde das nicht jeder tun, um jene zu schützen, die er liebte?

Wäre man nicht bereit dafür alles zu geben, sogar alles zu opfern?

Die Antwort hierauf – auch wenn sie mir nicht gefiel- war ein eindeutiges und klares Ja. Egal welches Leid diese Trennung mir bereiten würde. Seine Sicherheit war mir das Wert.
 

Ruhig und ungetrübt waren meine Augen immer noch nach draußen gerichtet. Mein Herzschlag war stetig, bei genauerem Lauschen, sogar etwas zu langsam. Ich war selbst erstaunt. Kein flatterhafter Rhythmus, kein stechender Schmerz, kein unregelmäßiger Atem.

Was war los?

Stand ich aufgrund meiner Entscheidung etwas unter Schock?

Hatte ich noch nicht richtig realisiert, was das nach sich ziehen würde?

Hatte ich das Ausmaß noch nicht erfasst?

Meine Stirn legte sich in Falten.

Ich konnte mir auf meine Frage keine Antwort geben. Mir wurde kalt. Ich fühlte, wie eine bleierne Schwere meinen Körper befiel, meine Gedanken abdrifteten. Ich verspürte den Wunsch, einfach meine Augen zu schließen und zu schlafen. Einfach nur zu schlafen und niemals wieder zu erwachen. Dahinzutreiben in einem Dämmerzustand. Die Dunkelheit legte sich unaufhaltsam über mich und ich hieß sie willkommen. Ich sah wieder die Schlucht zu meinen Füßen. Pechschwarze Leere starrte zu mir hinauf. Ich war wieder an den Ort, an den ich niemals wieder zurückkehren wollte. Nur noch dumpf drang mein Herzschlag zu mir heran. Alle anderen Geräusche um mich herum waren bereits verklungen. Meine Sicht verschwamm. Die Farben verblassten, wandelten sich in Grau. Gleich würde es so weit sein. Ich würde vollständig in die Schwärze hinab gleiten. Ich wartete bereits ungeduldig darauf, gierte danach, als in mir noch einmal der Widerstand aufflammte, mir zuwisperte, was mich so sicher machte, dass Edward nur einfach verschwand? Er trotz, dass er mich verlassen hätte, Sam nicht doch aufsuchen könnte, um meine Sicherheit zu garantieren. Ich wusste augenblicklich, dass dieser Einwurf der Wahrheit entsprach. So war Edward. Das war seine Art. Seine Denkweise.

Ich lauschte nun intensiver dieser leisen Stimme, die mir zuflüsterte, dass ich jemand ins Vertrauen ziehen sollte. Edward helfen sollte.

Aber wen?

Wenn sollte ich ins Vertrauen ziehen?

Seine Familie und diese dadurch ebenfalls in Gefahr bringen? Unmöglich.

Sollte ich meine Dad anrufen, mit ihm über all das sprechen? Aber was würde das für Edward nach sich ziehen?

Das war doch zum Ausrasten. Schlagartig war ich wieder völlig bei Sinnen. Fahrig strich ich mir durch die Haare.

„Das darf doch nicht wahr sein!“

Konnte nicht einmal etwas ganz normal verlaufen?! War das denn so schwer? War das denn dermaßen unmöglich?

Mein Blick schweifte durch mein Zimmer, blieb auf der Anzeige meiner Digitaluhr hängen.

Es war bereits nach Mitternacht. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war.

Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass mir die Zimmerdecke jeden Augenblick auf den Kopf fiel. Meine Augen huschten kurz nach oben, was diese Empfindung jedoch keinesfalls vertrieb.

Ich musste hier raus. Ich musste unbedingt an die frische Luft, konnte keinen weitere Sekunde hier verweilen. Also folgte ich diesem Impuls. Schnappte mir meine Schuhe, meine Jacke und meinen Schlüssel und verließ leise mein Zimmer, um über den dunklen Flur aus der Wohnung zu huschen
 

Auch wenn es bereits Frühling war, waren die Nächte doch noch etwas kühl, weshalb ich den Kragen meiner Jacke nach oben schlug und mich ohne Ziel vor Augen nach rechts wandte. Die reine Luft, die mir entgegenschlug war nahezu berauschend. Ich war in diesem Augenblick sogar dazu im Stande, ein kurzes Lächeln auf meinen Lippen erscheinen zu lassen. In diesem Moment war ich mir ganz sicher, dass dieser nächtliche Spaziergang eine gute Entscheidung war.
 

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich ziellos durch die Straßen gestreift war, als ich die Schritte bemerkte, die mir bereits seit einiger Zeit leise folgten – von mir aber jetzt erst bewusst wahrgenommen wurden. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus. Von der einen auf die andere Sekunde fühlte ich mich unwohl, erschauderte, was jedoch nicht an der Temperatur lag.

Unauffällig und vorsichtig drehte ich meinen Kopf leicht zur Seite, blickte zurück, wodurch meine Befürchtung bestätigt wurde. Automatisch beschleunigten sich meine eigenen Schritte.

Die Gestalt hinter mir versuchte einen anderen Anschein zu erwecken. Doch hatte ich sehr wohl bemerkt, wie er kurz inne gehalten hatte, als er meine Bewegung registrierte, nun seine Schritte ebenfalls beschleunigte. Seine Zigarette glimmte unheilvoll in der Dunkelheit auf. Ich versuchte dadurch einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen. Doch es war einfach zu dunkeln. Er hielt sich geschickt im Schatten, mied das schummrige Laternenlicht.

Und auch wenn das Licht mehr als schlecht war, war mir die dunkle Färbung seiner Haut nicht entgangen, die sich erahnen ließ.

Mein Herzschlag beschleunigte sich.

Er war einer der Quileute.

Er war von Sam geschickt worden!

Oh Gott. Nein.

Edward! hallte es augenblicklich in meinem Kopf wieder.

Die Angst schoss pulsierend durch meinen Körper. Kalter Schweiß bildete sich in meinem Nacken, während ich noch schneller wurde.

Ich war so eine blöde Kuh!

Warum auch hatte ich mich zu einem kleinen Nachtspaziergang entschlossen? Edward hatte mich ausdrücklich darum gebeten, nicht alleine vor die Tür zu gehen, bis er die Sache geregelt hatte. Selbst Jacob hatte ihn darum gebeten, mich nicht aus den Augen zu lassen.

Ich wusste doch ganz genau, dass sie es auf mich abgesehen hatten.

Aber um ehrlich zu sein - Niemals im Leben hätte ich mir vorstellen können, dass sie unsere Wohnung beschatten würden. Nicht mitten in der Nacht.

Das Wort Nacht stach grell leuchtend aus diesem einen Gedanken hervor.

Es war niemand hier. Niemand würde mir helfen können. Ich war ganz alleine auf dieser gottverlassenen Straße unterwegs.

Würde mir jemand zur Hilfe kommen, wenn ich anfangen würde zu schreien?

Würde ich überhaupt noch zum Schreien kommen?

Ich schluckte. Machte mich bereit. Musste dann zu meinem eigenen Entsetzen feststellen, dass ich im Moment nicht mehr wusste, wie ich meine Stimmbänder einsetzen konnte. Das Wissen war weg. Verschwunden in den unendlichen Tiefen meines Gedächtnisses.

Zu der Angst gesellte sich nun noch die blanke Panik. Gefühle, die mir bestens bekannt waren.

Mein Herz pumpte, klang wie ein Presslufthammer in meinen Ohren, übertönte fast die Schritte, auf die ich mich so stark zu konzentrieren versuchte, um nicht in meiner Panik zu versinken.

Mein Atem ging rasselnd. Gierig und zugleich hektisch sog ich die kalte Luft um mich herum ein, die bereits jetzt in meinen Lungen brannte.

Ich wollte mich zwingen, meinen Schritt wieder zu verlangsamen, meinen Verfolger in dem Glauben zu wiegen, dass ich nur überreagiert hatte, nicht meine eigenen Schlüsse aus seiner Verfolgung gezogen hatte – zu dem Entschluss gekommen war, dass er nicht gefährlich war. Frauen neigten doch in solchen Situationen oft zu einer Überreaktion.

Ganz ruhig, sprach ich zu mir selbst. Ich verfiel wieder in ein langsameres Tempo, doch seine Schritte nicht. Im Gegenteil. Sie wurden immer schneller, lauter und bedrohlicher zu mir herangetragen.

Sofort ließ ich mein Vorhaben fallen, rannte los.

Ich hörte ein gepresstes „Verdammt!“. Dann wieder nur seine Schritte, die mit den meinen verschmolzen.
 

Wie nah war er?

Hatte er viel aufgeholt?

Diese beiden Fragen wechselten sich ab. Ich traute mich aber nicht, mich umzudrehen, nachzusehen.

Ich wollte keinesfalls stolpern. Das durfte auf keinen Fall passieren. Ich musste auf den Beinen bleiben. Nur so hatte ich eine reelle Chance. Es war nicht mehr all zu weit.

„Drei Querstraßen.“, wiederholte ich murmelnd. Baute mich damit selbst auf.

Noch drei verfluchte Querstraßen. Das müsste doch zu schaffen sein.

Ich betete, flehte, dass ich es schaffen würde.

Das wollte ich Edward nicht antun.

Niemals, in meine ganzen Leben.

Verdammt noch mal. Wieso hatten wir uns nur gestritten? Wieso war ich auf die Straße gegangen? Wie zur Hölle konnte ich nur so leichtfertig sein? Die vorangegangenen Stunden kamen mir gerade so dermaßen sinnlos vor. Ich könnte mich selbst ohrfeigen.

Warum hatte ich nicht wenigstens mein beschissenes Handy mitgenommen?

Entsetzt sog ich die Luft ein, als ich Scheinwerfer sah, die aus der Seitenstraße gegenüber von mir, auf mich zugeschossen kamen, mich für Sekunden blendeten.

Ich stoppte aufgrund dessen, schaute aus Reflex zurück. Meine Haare versperrten mir die Sicht. Eilig schob ich diese beiseite. Der Typ war noch einige Schritte hinter mir. Schnell riss ich meinen Kopf wieder herum, fixierte wieder das Auto.

Ich würde niemals gegen ein Auto bestehen können.

Ich biss mir auf die Unterlippe.

Sie würden mich einholen.

Mein Herz war zu einem panikartigen Rhythmus übergegangen, den ich bis in meine Fingerspitzen spüren könnte.

Ganz ruhig, Bella! mahnte ich mich selbst. Eine Hysterie war jetzt das Letzte, was ich gebrauchen konnte.

Denk nach.

Ich würde nicht stehen bleiben und warten bis sie bei mir waren.

Wilde Entschlossenheit legte sich in meinen Blick.

Also rannte ich wieder los.

Meine Beine fühlten sich an wie Blei, als würde ich durch tiefen Morast warten, keinen Zentimeter voran kommen. Meine Lungen zogen sich unter jedem Atemzug schmerzhaft zusammen.

Ich spürte die Schweißperlen, die meine Schläfe hinab liefen. Meine Haare klebten in meinem Nacken. Ich wusste, dass jegliche Farbe aus meinem Gesicht gewichen war, während ich meine schmerzenden Beine weiter antrieb.

Ich geriet ins Straucheln, drohte vornüber zu fallen, konnte mich gerade noch abfangen.

Zwei wankende Schritte folgten, bevor ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Ich riss meinen Kopf nach oben, stieß einen weinerlichen Laut aus.

Das erhoffte Ziel kam einfach nicht näher.

Verzweiflung legte sich um mein Herz, das dadurch noch unregelmäßiger, wilder schlug.

Die Angst gewann die völlige Kontrolle über mich. Pures Adrenalin schoss durch meine Venen, ließ mich den Schmerz vergessen. Eine Erleichterung für mich.

EDWARD! schrie ich in meinen Gedanken. Meine Stimme war nicht existent. Ich konnte sie einfach nicht einsetzen, was meine Angst weiter schürte. Tränen schossen mir in die Augen. Ich versuchte diese wegzublinzeln, was mir aber nicht gelang.

Die Scheinwerfer kamen näher.

NEIN!

Ein weiteres Schluchzen trat über meine Lippen ins Freie.

Der Drang zu schreien wurde übermächtig, doch kein Laut drang über meine Lippen. Meine Kehle war wie zugeschnürt.

Mein Blick schwirrte umher, blieb wieder auf dem Auto haften, das direkt auf mich zukam.

Silbern blitzte es durch das Licht der Straßenlaterne auf.

Es ist silbern.

Mein Herz machte einen freudigen Sprung.

Laut quietschend die Reifen auf, als sich der silberne Volvo um die eigene Achse drehte, und unmittelbar vor mir zum Stehen kam. Schwungvoll flog die Beifahrertür auf.

„Steig ein!“, kommandierte er.

Mit rasendem Puls, tat ich, wie mir geheißen, lies mich schnell auf den Sitz fallen, riss die Tür hinter mir ins Schloss.

Unendliche Erleichterung überkam mich. Freude, dass ich ihn wieder sah, dass er da war.

Kaum, dass ich mich im Wageninneren befand, trat Edward das Gaspedal durch. Der Wagen geriet kurz ins Schlingern, bevor er den Volvo wieder völlig unter Kontrolle hatte.

Ich konnte sehen, dass seine Hände bebten, weshalb er den Griff um das Lenkrad noch weiter verstärkte, so dass die Sehnen durch die Haut hervortraten.

Seine dunklen Augen blickten in den Rückspiegel, während er den Wagen immer mehr beschleunigte.

Edward schien nicht zu gefallen, was er sah. Fest presste er seine Lippen aufeinander, bevor er sich an mich wandte.

„Bella, schnall dich an.“

Sofort griff ich nach dem Gurt.

Er nickte, als er das Klicken vernahm. Erneut huschte sein Blick zum Rückspiegel, während er noch weiter beschleunigte.

Ein unverständliches, tiefes Brummen erfüllte den Innenraum.

Ich sah kurz zu ihm hinüber, blickte auf die Tachonadel, die inzwischen mehr als 90 Meilen pro Stunde anzeigte – innerorts wohlgemerkt -, bevor ich nach hinten blickte, um zugleich zwei grellen Scheinwerfen zu erkennen, deren Licht mir in die Augen stach. Ich riss meinen Kopf wieder zu Edward herum. „Ist das Sam?“

Es folgte keine Antwort: Stattdessen wankte die Tachonadel weiter auf die 130 Meilen pro Stunde zu. Und ich wusste, dass sie dort nicht stoppen würde.

„Verfolgt er uns?“

Edward riss das Lenkrad herum. Wir schossen um eine scharfe Kurve. Der Volvo rutschte auf der nassen Strasse, erneut konnte ich lautes Quietschen hören.

Die Scheinwerfer waren immer noch hinter uns.

„Edward!“, schrie ich.

„Es ist einer von ihnen.“, kam es knapp.

Ich sah wieder nach hinten, bemerkte, dass sie immer mehr aufholten.

Edward fluchte laut, bevor er einen Gang runter schaltete, das Gaspedal noch weiter durchtrat.

Die Häuser flogen förmlich an uns vorbei. Ich fand keinen Anhaltspunkt, an dem ich mich orientieren konnte. Ich wusste nicht, wo wir waren. Meine Orientierung war gleich Null. Mein Herzschlag hatte sich bisher kein Stück normalisiert. Aufgeregt flatterte das kleine Organ in meiner Brust. Mein Verstand wurde dadurch noch nicht beeinflusst. Zum Glück.
 

„Das ist doch vollkommener Irrsinn!“, sprach ich eher zu mir selbst.

Edward blickte für einen kurzen Augenblick zu mir hinüber. Tiefe Sorge lag in seinem Blick.

Jacob hatte uns gewarnt. Aber nie im ganzen Leben hatte ich damit gerechnet, dass sich die Lage innerhalb von wenigen Stunden so zuspitzen würde. Ich hatte all das zu sehr auf die leichte Schulter genommen.

Edward nicht.

Wenn er nicht aufgetaucht wäre, hätte mich Sam oder irgendjemand anderes aus seiner Gang in den Wagen gezerrt, der uns jetzt gerade verfolgte. Da war ich mir ganz sicher. Schnell schob ich diesen Gedanken beiseite. Ich wollte mir nicht ausmalen, was sie eventuell mit mir angestellt hätten.

Ich atmete tief durch. Ich musste die Nerven behalten. Ich durfte nicht zulassen, dass ich genau in diesem Moment neben Edward austickte. Das würde nicht gerade behilflich sein. Eins wollte ich jedoch noch wissen.

„Wie hast du mich gefunden?“

„Jacob!“ Damit konzentrierte er sich wieder völlig auf seine Fahrkünste.

Ich richtet meine Aufmerksamkeit ebenfalls wieder auf die Straße. Wir näherten uns immer schneller einer Kreuzung.
 

Das Licht der Lampen schimmerte auf dem nassen Asphalt, Dampf stieg aus den Gullideckeln auf. Die Straße war menschenleer. Kein Wunder, um diese Uhrzeit.

Scheinwerfer, die uns entgegen kamen, erregten meine Aufmerksamkeit.

Moment! Es waren insgesamt vier Scheinwerfer, wovon zwei davon uns auf unserer Straßenseite entgegen kamen! Ich blinzelte. Doch das Bild änderte sich nicht. Ich sah zu Edward hinüber, der dies ebenfalls bemerkt hatte. Seine Gesichtszüge spannten sich noch mehr an. Seine Augen wurden schmäler.

Was ging hier vor?

Edwards Blick huschte kurz zu seinem Seitenfenster. Ich beugte mich etwas nach vorne, um ebenfalls sehen zu können. Dort stand ein Wagen quer.

Ich schnappte nach Luft. Sie schnitten uns den Weg ab.

„Scheiße!“, entwich es Edward. Er trat hart auf die Bremse. Ich knallte in den Gurt, bevor mein Oberkörper sich nach links neigte.

Wir nutzten den einzigen Ausweg, den wir hatten.

Ich bemerkte, wie die Nervosität zunahm.

Was passierte hier nur?

Wir rasten um Kurven, schossen an Häusern vorbei. Egal was Edward unternahm, wir wurden sie einfach nicht los.

Sie klebten an uns.

Hastig strich ich einige Strähnen zurück.

Ohne genau zu registrieren, was ich tat, packte ich in nach Edwards Handy, das auf der Ablage lag.

Ich hörte das Tuten, als ich dieses förmlich an mein Ohr presste, wusste aber nicht, wen ich da gerade anrief. Ich hoffte nur, dass ich am anderen Ende eine Stimme melden würde.

„Edward, hast du mal auf die Uh……“, drang wenige Sekunden später verschlafen zu mir heran.

„ALICE!“, schrie ich entzückt.

Die hohe Tonlage schien sie schlagartig wachzurütteln.

„Bella? Alles in Ordnung?“

„Alice. Hör mir zu. Wir werden verfolgt.“

Gerade wandte ich wieder meinen Kopf nach hinten, wollte die Entfernung unserer Verfolger zu uns abschätzen, als der Wagen ohne Vorwarnung zum Stehen kam, ich Mühe hatte das Handy festzuhalten.

„Was…..?“, weiter kam ich nicht, als meine Augen die Mauer erfassten, die sich nur wenige Meter vor uns erhob.

Edward war bereits dabei an der Gangschaltung zu hantieren, warf eilig den Rückwärtsgang ein.

Doch es war zu spät.

Der Weg war versperrt.

Sie hatten uns getrieben. Wie der Jäger seine Beute und die Falle war zugeschnappt.

„BELLA!“ Das war Alice besorgte Stimme, die aus dem Handy dröhnte.

Doch zum Antworten kam ich nicht mehr.

Die Beifahrertür wurde aufgerissen. Zwei Hände packten grob nach mir. Ich schrie auf.

„Lass deine dreckigen Finger von ihr!“ Edwards Stimme.

Ein merkwürdiges Geräusch, gefolgt von einem Schmerzensschrei erfüllte kurz die Luft.

„Bella, raus da!“ Dieses Mal waren es Edwards Hände, die nach mir griffen. Hektisch öffnete ich den Verschluss des Gurtes, wurde Sekunden später von Edward aus dem Auto gezogen.

Das Handy, das mir in den Schoß gefallen war, kam dumpf im Innenraum des Volvos auf. Schwach drang noch einmal Alice panische Stimme an mein Ohr.

Bevor ich irgendetwas genau erkennen konnte, wurde ich herumgewirbelt, stand dann plötzlich hinter Edward, die Wand in unserem Rücken. Zögerlich lugte ich an einer Seite von ihm vorbei, konnte Quil erkennen, der bewusstlos am Boden lag. Blut quoll aus seiner Nase. Sofort wandte ich meine Augen wieder ab. Froh darüber, dass eine kleiner Abstand zwischen uns lag.

Jetzt wusste ich, was es mit dem merkwürdigen Geräusch auf sich hatte. Edward hatte ihm einen gezielten Schlag verpasst, als Quil mich aus dem Wagen zerren wollte.

Ich spürte, wie ich am gesamten Körper zitterte. Ich legte so schnell ich konnte meine Hände auf Edwards Rücken, als ich Schritte vernahm, die in der Gasse widerhallten, dann verstummten.

Augenblicklich wusste ich, dass es für uns kein Entkommen geben würde. Ich presste mein Gesicht zwischen Edwards Schulterblätter, atmete tief ein. „Es tut mir Leid.“ Meine Stimme trug nicht, war nur ein leises Wispern. Aber ich war mich sicher, dass er es gehört hatte, auch wenn er gerade keinerlei Reaktion zeigte. Edwards ganze Konzentration lag auf den drei Personen, die sich vor uns postierten und damit jeglichen Fluchtweg abschnitten.

„Hallo, Edward. Bella.“

Ich erschauderte. Nur noch sehr dunkle konnte ich mich an Sams Stimme erinnern. Und doch wusste ich intuitiv, dass er es war, der sprach. Seine Stimme klang bedrohlich, war mit nichts vergleichbar, was ich jemals zuvor gehört hatte.

„So trifft man sich wieder.“

Edward reagierte nicht.

Ein kurzes, kehliges Auflachen erklang. „Was ist los, Edward? Bist du nicht wenigstens ein klein wenig erfreut, deine alten Freunde wiederzusehen? Nach all der Zeit?“

„Nein, so leid es mir tut, dich enttäuschen zu müssen, Sam.“ Edwards Stimme klang beherrscht und zugleich unterkühlt. Ein Hauch von Spot lag darin.

„Huh. Überheblich wie eh und je. Du scheinst dich kein Stück verändert zu haben.“ Wieder kam keine Antwort und ich nahm dies zum Anlass, mich etwas vor zu trauen, wieder an Edward vorbei zu lugen.

Ich sah Sam, wie er breitschultrig mit verschränkten Armen und einem selbstgefälligen Grinsen dastand, von Jared und Embry flankiert wurde. Quil lag seitlich neben ihnen, sein Kopf an die Wand gelehnt. Der Blutfluss hatte gestoppt, dennoch war er nicht wieder zu Bewusstsein gekommen.

Edward Körperhaltung spannte sich weiter an als Sam einen Schritt nach vorne trat. Sein Oberkörper neigte sich leicht in Richtung der Drei. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Ich löste daher meine Hände von seinem Rücken, trat einen Schritt zurück, gab Edward damit den nötigen Freiraum, den er brauchen würde, sollte Sam ihn wirklich angreifen wollen. Kaum, dass ich etwas zurückgewichen war, spürte ich Sams Blick auf mir ruhen. Ich senkte sofort meinen Blick. Seine stechend blauen Augen bereiteten mir Angst. Es schien fast so als wollten sie sich in die meinen einbrennen.

„Ich glaube, es ist Zeit für eine kleine Unterhaltung, Edward.“

„Ich wüsste nicht, was wir beide zu bereden haben.“

„Tatsächlich?“, erklang es gespielt erstaunt. „Hast du wieder einen Gedächtnisverlust erlitten?“

Ich sah, wie Edward kurz, kaum merklich, zusammenzuckte, was Sam zu gefallen schien. Er wusste nur zu genau, dass er damit einen Nerv getroffen hatte. „Aber ich helfe dir gern auf die Sprünge. Fangen wir doch damit an, dass du damals meinen Befehl missachtet hast und einfach abgehauen bist. Paul wegen dir jetzt im Gefängnis sitzt. - Oh ja, ganz genau. Alles nur wegen dir.“ Dieser Satz musste aufgrund einer Reaktion von Edward erfolgt sein. „Weil du feige den Schwanz eingezogen hast, dich still und heimlich aus dem Staub gemacht hast, war es möglich, dass sie uns beinahe alle geschnappt hätten. Du mieser Penner. Du warst ein Frack, als ich dich bei uns aufgenommen habe und wie dankst du es mir?“ Seine zunächst fast sanfte Stimme hatte sich in ein bedrohliches Brummen verwandelt. „In dem du mich verrätst!“, spie er hervor, entlud seine gesamte Wut, fachte damit die Spannung, die in der Luft lag, noch mehr an. Sams kompletter Körper zitterte, als würde er derzeit versuchen eine ungeheure Kraft in sich zu zügeln. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas von einer reißenden Bestie.

„Und ich werde dafür auch die Konsequenzen tragen, nur lass Bella aus dem Spiel. Lass sie gehen.“

„Nein.“, platzte es augenblicklich, unkontrolliert, aus mir heraus, was mir sofort einen strengen Blick von Edward einbrachte. Ich schüttelte meinen Kopf, unterbrach diese Geste als ein erheiterndes Kichern an uns herangetragen wurde.

„Wie niedlich.“ Sam legte seinen Kopf schief, betrachtete mich belustigt. „ So wie es aussieht, habe nicht nur ich etwas dagegen.“
 

Ich weiß nicht, was den Umschwung heraufbeschwor. Für Sekundenbruchteile tauchten wir in eine vollkommene Stille ein. Es schien, als hätte jeder der Anwesenden selbst das Atmen eingestellt. Ein merkwürdiges Knistern war zu legte sich um uns. Mein Herzschlag erhöhte sich noch um einige Takte. Ich hatte das Gefühl, die Spannung greifen zu können.

Mein Blick zuckte über die Drei und ich konnte ihr Vorhaben eine Sekunde zuvor aus ihren Augen lesen, bevor sie losschlugen.

Sie waren blitzschnell. Ich sah Edwards Hand, die nach mir packte, mich weiter nach hinten drückte, bevor er einen Schritt auf die Drei zumachte.

Der erste Schlag, von Jared ausgeführt, folgte prompt. Edward wich jedoch aus, verpasste diesem einen Schlag in die Magengrube. Zischend entfuhr seinem Angreifer die Luft aus den Lungen. Doch Edward war alleine. Kaum, dass er seine Hand zurückzog, war auch schon Embry zur Stelle, begann mit Edward eine Rangelei. Jared erholte sich binnen eines Augenblicks, mischte ebenfalls wieder mit.
 

Ich war hin- und hergerissen. Ich wollte Edward helfen. Aber was konnte ich schon gegen die Zwei ausrichten. Tränen brannten in meinen Augen. Schuldgefühle schwappten von neuem in mir hoch, während ich weiterhin angespannt den Kampf verfolgte.

Moment!

Zwei?

Wo war Sam?

Kaum, dass ich mir über dessen Abwesenheit klar wurde, geschah alles gleichzeitig. Edward wurde von Embry hart in die Seite getroffen. Er keuchte auf. Jared nutze den Moment, schlug ebenfalls noch einmal zu. Ein undefinierbarer Laut entwich mir, als ich sah, wie Edward hierauf auf die Knie ging. Meine Füße wollten sich in Bewegung setzen, als ich eine Hand spürte, die mich an der Schulter berührte. Ich zuckte zusammen, riss meinen Kopf herum und sah Sam entgegen.

Intuitiv wollte ich das tun, was mir mein Verstand riet. Ich wollte weg von ihm. Mein Fuß setzte sich nach hinten und ich prallte mit meiner Verse gegen einen Widerstand. So schnell es ging schaute ich über meine Schulter zurück, erkannte die Wand hinter mir, bevor ich mich wieder nach vorne wandte. Ich hatte überhaupt nicht realisiert, dass ich dieser bereits so nah gekommen war. Ich fühlte, wie meine Hände begannen zu beben, weshalb ich diese zu Fäusten ballte.
 

„SAM! LASS DEINE FINGER VON IHR!“, brüllte Edward.

Sofort besaß er meine volle Aufmerksamkeit. Er stand wieder. Sein Gesicht war wutverzehrt. Er hatte einige Kratzer abbekommen, einige Stellen waren stark gerötet. Aber ansonsten schien es ihm einigermaßen gut zu gehen. Mein Herz wurde eine Spur leichter. Immer wieder huschten Edwards Augen zu mir, bevor er wieder Sam fixierte. Das Grün seiner Augen war völlig gewichen. Diese wirkten jetzt schwarz. Hart wie Eis. Er hatte den Widerstand gegen Jared und Embry, die ihn in einem eisernen Griff hielten, noch nicht aufgegeben und ich konnte den Beiden ansehen, dass Edward ihnen ziemliche Schwierigkeiten bereitete.

Unvorstellbar.

Niemals zuvor hatte ich Edward so gesehen. Sein Gesicht war eine Mischung aus Wut und Hass. Ich konnte mir augenblicklich vorstellen, was Edwards Gegner gefühlt hatten. Seine gesamte Ausstrahlung wirkte nun bedrohlich, einschüchternd. Potenziell tödlich. Seine sonst so sanften Gesichtszüge waren hart, sein Kiefer angespannt. Seine kalten Augen durchbohrten Sam förmlich. Er war in diesem Moment nicht mehr der ruhige und ausgeglichene Edward Cullen, den ich sonst immer kannte.

Zum ersten Mal sah ich eine andere Seite an Edward. Die Seite, die nach dem Unfall in ihm zum Vorschein gekommen war. Eine Seite, die mich hätte ängstigen müssen. Aber sie tat es nicht. Ganz im Gegenteil. Es beruhigte mich sogar etwas. Ich spürte es an meiner Atmung, die etwas abebbte. Sogar jetzt, mit diesem mörderischen Ausdruck in seinen Augen vertraute ich ihm blind. Dennoch hob sich mein Brustkorb immer noch sehr schnell, während ich mich krampfhaft an die Wand hinter mir drückte.

Ein starkes Zittern durchfuhr mich augenblicklich, als Sam näher an mich heran trat.

„Wag es nicht. Sie hat überhaupt nichts damit zu tun!“ Edward stemmte sich gegen die vier Arme, die ihn weiterhin zurückhielten. Seine Stimme war dunkel und tief. Die Sanftheit war vollkommen daraus gewichen.

„Dass sehe ich aber ganz anders, Edward. Außerdem wiederholst du dich.“, erklang Sams süffisante Stimme. Sein Mund verzog sich zu einem überlegenen Grinsen, was mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte.

Ich presste mich noch dichter an die Wand, spürte bereits, wie die raue Steinmauer meine Handgelenke aufscheuerte. Ein leichtes Brennen breitete sich von dort aus.

Ich spürte es, nahm den Schmerz aber nicht wahr.

Meine geweiteten Augen waren auf Sam gerichtet. Ich traute mich nicht, ihn für eine Sekunde aus den Augen zu lassen, versuchte sogar das Blinzeln so weit wie möglich einzustellen.

Der wahnsinnige Ausdruck, der in seinen Iriden lag, ängstigte mich noch mehr. Das schräge Grinsen verzehrte sein Gesicht zu einer furchterregenden Maske.

„Ganz anders!“, murmelte er, überbrückte weitere kostbare Zentimeter, die uns voneinander trennten.

Oh Gott! Was hatte er vor?!

Ich stand da wie versteinert. Starrte Sam einfach nur entgegen. Schmerzhaft pochte mein Herz gegen meine Rippen, schien diese auseinandersprengen zu wollen.

Meine Augen huschten kurz zu Edward, der sich mit aller Kraft aufbäumte.

Aber er konnte sich einfach nicht befreien. Was immer Sam auch vorhatten, Edward würde mir nicht helfen können. Ich fühlte mich ausgeliefert. Mein Atem wurde schwerer.

Tränen schossen mir in die Augen, verwischten meine Sicht. Hektisch begann ich zu blinzeln, strich mir mit meinem Ärmel die Spur der Tränen davon.

Ein Fehler.

Kaum sah ich wieder auf, begegnete ich sofort Sams stechend blauen Augen, die nur noch wenigen Zentimeter von meinem Gesicht entfernt waren.

Ich erschrak, prallte mit meinen Hinterkopf gegen die Steinwand. Ein Pochen durchzog sofort die Stelle. Zittrig sog ich Luft in meine Lungen.

„Sie hat sogar sehr viel damit zu tun, nicht wahr?“

Ich schwieg. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass Edward Sam mit seinen Blicken am liebsten erdolchen wollte. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass dies wirklich geschehen würde.

Sams Atem schlug mir entgegen. Ich verzog angewidert mein Gesicht. Sollte er ruhig meine Abscheu ihm gegenüber erkennen. Warum daraus einen Hehl machen? Wenigstens Etwas, was ich trotz meiner Angst noch zustande brachte.

Ich zuckte von neuem zurück, als ich seine Hand spürte, die grob nach meinem Kinn packte. Es blieb keine Chance seinem Griff auszuweichen.

„Ich muss sagen, Edward, ich war sehr beeindruckt. Oder besser gesagt, ich bin es immer noch!“, begann Sam nun im Plauderton, während er seine Augen nicht von mir abwandte. „Du hast keinerlei Spuren hinterlassen. Keinen einzigen Hinweis über deinen Verbleib. Du warst gut!“, sagte er fast wohlwollend. „Aber so war es schon immer, nicht wahr, Edward!“ Schnell sah er über seine Schulter zurück. Missgunst schwang in seiner Stimme mit. Sams Augen verformten sich zu schmalen Schlitzen. Blanker Hass spiegelte sich dort drin.

Edward knurrte dunkel.

„Aber ich habe auch nichts anderes erwartet. Schließlich sprechen wir hier von Edward Cullen. Dem Edward Cullen, der jede Frau haben könnte.“ Er drehte sein Gesicht wieder in meine Richtung.

Edward schnaubte verachtend. Ich hingegen konnte Sam – auch wenn wir uns in dieser misslichen Lage befanden - nur zustimmen.

„Aber eigentlich immer nur die Eine wollte!“, endete er. Diese Stimme jagte einem eine Gänsehaut ein. Meine Knie gaben immer weiter nach. Mit all meiner Kraft stemmte ich mich gegen die Wand – meine Nägel bohrten sich förmlich in das Mauerwerk -, versuchte dadurch stehenzubleiben.

„Die Tochter unseres Polizeichiefs aus Forks.“ Seine freie Hand erhob sich, kam meinem Gesicht immer näher. Ich versuchte mich ihm zu entziehen, doch er verhinderte dies, indem er den Druck auf mein Kinn verstärkte. Ich stöhnte leise, vor Schmerz auf, sah wie er eine Strähne meines braunen Haars zwischen zwei Finger nahm, daran roch, bevor er mir diese hinter mein Ohr strich. Ich unterdrückte den Ekel aufgrund dieser Berührung, verschärfte meinen Blick. Unbeeindruckt dessen wanderte seine Hand weiter von meiner Schläfe zu meiner Wange, um dort liegen zu bleiben.

Sein Gesicht kam noch näher, seine Nasenspitze berührte fast die meine. Nur noch wenige Millimeter fehlten.

„Die kleine süße Isabella Marie Swan.“, murmelte er. Und ich verstand. Das war die perfekte Begebenheit für Sam. Darauf hatte er gewartet. Darum hatte er sich nicht zuvor gerächt.

Das würde sein vollkommener Moment werden.

Starr vor Panik sah ich Sam an. Unzählige Möglichkeiten schossen mir durch meinen Kopf.

Was würde jetzt passieren?

Was dann jedoch folgte, hatte ich nicht erwartet.

Ich keuchte auf, als er seine harten, rauen Lippen mit roher Gewalt auf meinen Mund presste. Meine Augen rissen auf. Blankes Entsetzen machte sich in mir breit. Mir wurde übel. Verzweifelt versuchte ich, ihn von mir wegzudrücken. Aber ich hätte auch gegen eine Betonwand drücken können. Es wäre der gleiche Effekt.

Ich hörte Edward irgendetwas schreien, was aber nicht zu mir durchdrang. Tränen rollten über meine Wange, als ich wahrnahm, dass Sam seine Hand zurückgezogen hatte, diese jetzt meinen Hals hinunter wanderte.

Ab diesem Augenblick dachte ich nicht mehr nach, ich war wie betäubt.

Ich reagierte einfach.

Mein Mund öffnete sich leicht und kein Atemzug später vergrub ich meine Zähne in seinen Lippen.

Warmes Blut floss über meinen Mund. Ich hielt sofort die Luft an, stellte das Schlucken ein. Ein metallischer Geschmack verbreitete sich in meinen Mund. Schwindel überfiel mich. Meine Beine wollten nachgeben. Der erwartete Würgereiz folgte umgehend.

Sam schrie auf, wich zurück.

Mit einer schnellen, zittrigen Bewegung fuhr ich mit dem Handrücken über die Lippen, während ich mich stützend gegen die Mauer lehnte. Mit all meiner Kraft kämpfte ich gegen die drohende Ohnmacht an, als ich mich von der Wand abstieß, um auf Edward zu zutaumeln. Nach nichts mehr sehnte ich mich gerade. Ich wollte zu ihm.

„Du verdammtes Miststück!“

Ich riss meinen Kopf nach hinten. In diesem Moment traf mich Sams Hand auf meiner Wange. Ich schwankte. Das Klatschen hallten in meinen Ohren, während sich ein brennender Schmerz von meiner linken Gesichtshälfte aus, rasend schnell ausbreitete. Ich hatte nicht genügend Zeit um zu realisieren, was gerade passiert war, als Hände nach mir packten. Brutal schlangen sich Sams Arme um meine Hüften, rissen mich nach oben. Ein Schrei entfuhr mir. Gleichzeit begann ich zu strampeln und schlug wild um mich, in der Hoffnung, ihn in irgendeiner Weise zu verletzen. Der Schmerz wurde von dem Adrenalin, das immer stärker durch meine Venen gepumpt wurde, überdeckt.
 

„Lass sie los!“

Edward warf sich mit der Schulter gegen Jared, der abgelenkt war, sein Gleichgewicht verlor. Diesen Moment nutzte er aus, trat seinem Gegner die Beine weg. Hart prallte Jared auf den Boden und stöhnte auf. Edward wandte sich umgehend Embry zu.

Ich schöpfte neuen Mut, meine Gegenwehr nahm zu. Ich wand mich in Sams Armen, wollte mich zu ihm herumdrehen, ihm das Gesicht zerkratzen, als ich hinter Edward etwas aufblitzen sah.

Sofort schnellte meine Kopf in diese Richtung und meine Augen weiteten sich schlagartig.

Da stand Quil. Kurz lag mein Blick wie gebannt auf der Blutspur, die sein Gesicht zierte, sich auf seinem Shirt fortsetzte, bevor ich auf die Eisenstange sah, die Quil über seinen Kopf erhoben hatte.

Panikartig schüttelte ich den meinen. Ich wollte meine Gegenwehr verstärken, doch genau das Gegenteil geschah. Meine Muskeln erschlafften.

Nein!

Mein Blick glitt zu Edward. In Gedanken schrie ich seinen Namen. Schrie ich so laut ich konnte. Doch nichts davon trat nach draußen.

Und doch, als hätte er mich gehört, wandte er seinen Kopf zu mir. Seine grünen Augen drangen tief in die meine ein.

Ich kannte diesen Blick.

Die erste Träne löste sich.

Ich kannte diesen Moment.

Die Zeit stand still.

Ein hoher kreischender Klang legte sich in mein Ohr. Ich schnappte heftig nach Luft. Ich wusste, dass es nicht real war, dass die Situationen nicht unterschiedlicher hätten sein können und doch konnte ich nicht verhindern, dass genau in diesem Moment die Erinnerung wieder hochkam. Es fühlte sich so an, als würde sämtliche Luft aus meinen Lungen gepresst werden.

Für Sekunden sah ich Schneeflocken vor meinen Augen tanzen.

„Nein!“, war das Einzige, was ich noch weinerlich hervorpressen konnte.

Die Eisenstange sauste nieder.

Ein dumpfer Schlag folgte.

Edwards Augen rissen auf.
 

„EDWARD!“
 

Tränen strömten unaufhaltsam über mein Gesicht, bevor mein Schrei in dem Tuch, das auf mein Gesicht gedrückt wurde, erstickt wurde.

Ein merkwürdiger Geruch umspielte meine Nase und ich glitt in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jennalynn
2011-07-23T12:41:04+00:00 23.07.2011 14:41
OH MEIN GOTT, dass darf doch nicht sein.
Aber ich wette Edward hat durch den Schlag dann sein Gedächnis wieder *grins*
Von: abgemeldet
2010-03-06T14:27:30+00:00 06.03.2010 15:27
WoW ^^ echt super Kapi obwohl es einen Harten Inhalt hat
Von:  simone123
2010-02-26T17:44:09+00:00 26.02.2010 18:44
OMG !!!! Wie kannst du uns so etwas antun ??? OMG, ich kriege hier gerade einen Herzinfarkt. Bitte laß alles gut ausgehen !! Wo sind Emmett und Jasper ? Ich wette Alice wird beide schon losgeschickt haben, Edward und Bella zu suchen, bitte laß sie noch rechtzeitig kommen.
Du hast das Kapitel echt super geschrieben, bitte schreib gleich weiter !!!! sonst sterbe ich noch :))
LG
Simone


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