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The world ends with you

von

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Chapter Five: Nachtgeflüster

Als Schia von der Plattform gefallen war, hatte Medane einen ganz schönen Schreck bekommen. Doch schon bei dem ersten Blick auf den jungen Mann hatte sie erkannt, dass er von der anderen Seite kommen musste. Er hatte auffälliges blondes Haar, seine Haut war leicht gebräunt, was durch sein weißes Hemd und dem weißen Schnee noch hervorgehoben wurde. Einen Moment hatte sie gezögert, doch war sie dann zu ihm gegangen. Selbst wenn er von der Seite des Tages war, musste sie sich vergewissern, ob er okay war.

Ein wenig besorgt sah sie auf ihn herab, doch als sie seine Worte gehört hatte, musste sie lachen. Sie und ein Engel? Er musste wohl auf den Kopf gefallen sein. Doch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, war er schon weggetreten.

Flüchtig hatte sie nach Wunden gesucht, doch er schien soweit in Ordnung zu sein. So hatte sie sich zu ihm gesetzt und seinen Kopf vorsichtig in ihren Schoß gelegt. Alleine hätte sie ihn nie hier runter bekommen, so hatte sie nur hoffen können, dass er bald aufwachen würde.

Allzu lange hatte es dann auch nicht gedauert, als der Fremde seine Augen zum zweiten Mal öffnete. Medane war verdammt neugierig wieso er hier war und wie er eben so über das Gebirge hatte kommen können. Schon immer hatte sie jemanden treffen wollen, der von der Seite des Tages kam. Sicher würde er ihr viel erzählen können, wie es drüben so war, wie es ist, im Sonnenlicht zu stehen, die Strahlen auf der Haut fühlen zu können. Am liebsten würde sie ihn gleich mit ihren Fragen bombardieren.

Aber sie wollte nicht unhöflich sein, weswegen sie zuerst nach seinem Wohlbefinden fragte und sich dann vorstellte.

Schia, was für ein außergewöhnlicher Name! Dachte sich Medane und musste Lächeln.

„Du kommst von drüben, nicht wahr? Wie bist du über das Gebirge gekommen?“ Neugier blitzte in ihren Augen als sie Schia ansah.

Schia, der nun ebenfalls aufstand und sich den Schnee von seiner dunklen Hose klopfte, schaute zu ihr rüber, deutete dann aber nach oben. „Dort oben.. ist eine Spalte. Gerade groß genug damit ich mich hindurchquetschen konnte. Ich habe sie gefunden, weil ich dich singen gehört habe.“

„Eine Spalte?“ Medanes Augen wurden größer. Es gab also einen Durchgang! Das war ihre Chance!

„Nimm mich mit!“ Sie ergriff Schia am Arm. „Nimm mich mit rüber! Ich will den Tag sehen!“

Etwas überrumpelt sah er sie an.

„Dich mitnehmen? Ich weiß nicht ob das klug ist. Es ist verboten.. eigentlich dürfte ich auch gar nicht hier sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich bis in die Nacht hindurch käme.“ Meinte er leise und sah etwas schüchtern zu ihr.

In ihren großen strahlenden Augen glänzte der Vollmond in voller Pracht. Wahrscheinlich hätte selbst ein Blinder den Wunsch in ihren Augen ablesen können.

„Komm schon Schia! Nur ein einziges Mal! Dann zeige ich dir auch meine Welt! Du kannst auch gar nicht ablehnen, schließlich habe ich dir nach deinem Sturz geholfen, ich habe etwas gut bei dir!“ Sie lächelte ihn freundlich an und faltete die Hände hinter dem Rücken zusammen.

„A-aber..“ Er sah sie an und ließ seufzend den Kopf hängen. Das hatte er nun davon, dass er seiner Neugier gefolgt war.

„Okay okay... einmal werde ich dich mitnehmen! Aber zuerst will ich was von hier sehen, wenn ich doch eh schon mal da bin.“

Medane nickte auf dieses Angebot eifrig.

„Okay, abgemacht!“
 

Lächelnd ergriff sie seine Hand und zerrte ihn ein Stückchen weiter hinab. Schüchtern folgte er ihr.

„Besonders viel gibt es hier nicht zu sehen, wegen der Dunkelheit. Wir haben keine schönen Landschaften oder dergleichen. Bei uns gibt es auch nur eine Blume! Wir nennen sie Eisblumen! Aber sie ist anders als die normalen Blumen. Weißt du, wir haben hier so gut wie keine bunten Farben.. eigentlich ist hier nur alles schwarz, weiß oder grau. Deswegen wirkt hier auch alles so trostlos. Aber die Farben würde man in der Dunkelheit sowieso nicht so gut sehen. Deswegen mag ich das Licht auch so gerne! Das Licht spiegelt all die schönen Farben wieder! “

Medane blieb stehen und ließ seine Hand los, kniete sich auf den Boden und wischte mit ihrer Hand etwas Schnee hinweg. Zum Vorschein kamen kleine Blumen. Sie waren Kristallfarbend und das Licht des Vollmonds spiegelte sich in ihnen.

Sie sah lächelnd auf sie hinab, ehe sie eine der Eisblumen pflückte und damit zu Schia ging.

„Am schönsten sind sie, wenn der Vollmond scheint. Sowie diese Nacht. Dennoch wünschte ich mir, wir hätten auch richtig Blumen hier, so wie die, die ich aus den Büchern kenne. Ich liebe diese ganzen schönen Farben!“

Vorsichtig befestigte sie die Blume in Schias Brusttasche.
 

Schia sah auf die kleinen Blumen, die von dem Schnee verdeckt worden waren. Solche Blumen hatte er noch nie gesehen, anscheinend gab es sie wohl nur auf dieser Seite. Sie glänzten paradiesisch in dem Glanze des Mondes, doch Medane tat es auch. Er konnte nicht leugnen, dass er sie attraktiv fand, ja regelrecht anziehend. Ihr dunkles Haar stellte einen schönen Kontrast zu ihrer hellen Haut dar. Ihre Augen fesselten einen regelrecht, während ihre roten Lippen ein wunderschönes Lächeln beherbergten.

Er wurde aus seiner Träumerei gerissen, als Medane zu ihm kam und ihm die Eisblume ansteckte. Erneut merkte er, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg.

Er schaute auf die Blume an seiner Tasche, ehe er zu ihr sah.

„Uhmm.. danke..“
 

Medane lächelte.

„Komm mit Schia! Noch gibt es einpaar Sachen, die ich dir zeigen möchte!“

Und schon ging sie weiter, folgte dem schmalen Pfad, den sie zuvor herauf gekommen war, wieder ein Stückchen nach unten. Jedoch ging sie nicht den ganzen Weg zurück, sondern bog schon nach einigen Metern links ab und folgte einem weiteren kleinen Trampelpfad.

„Sag mal Schia, wie alt bist du eigentlich? Und wie vertreibst du dir drüben so die Zeit?“ Neugierigen Blickes sah sie zu ihm rüber.
 

„Ich bin 19.. und was ich so mache.. na ja nicht viel. Nachdem ich die Schule fertig gemacht habe, bin ich mit meinem besten Freund Zackery zusammen gezogen und wir sind gemeinsam zur Armee gegangen. Aber das Militär scheint ihm mehr zu liegen als mir.“

Er zuckte leicht mit den Schultern und schaute sie an.

„Das du nur zwei Jahre älter bist als ich..“ meinte sie leise lachend. „Das hätte ich nicht gedacht. Und dann auch noch bei der Armee. Hattest du denn keinen anderen Berufswunsch?“

„Nein.. eigentlich nicht. Ich war mir noch nie so wirklich sicher, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Zackery hat mich überredet mit zum Militär zu gehen und irgendwie war dies auch eine Notlösung, sonst hätte ich wohl gar nichts getan.“ Schia war beim Reden ein wenig leiser geworden. Anscheinend sprach er nicht gerne über seine Zukunftspläne.

So beließ Medane es dabei und fragte nicht weiter nach, sondern nickte nur.

Eine Zeit lang war es still zwischen ihnen, doch bald darauf erreichten sie einen kleinen Platz. Überall standen Überreste von alten zerfallenen Gebäuden, man konnte nur noch ansatzweise erahnen, dass hier Häuser gestanden hatten. Das einzige, was noch gut erhalten zu sein schien, war ein alter Brunnen, der in der Mitte der Trümmer stand. Er war an manchen Stellen rissig und bröcklig, aber dafür noch ganz.
 

„Was ist das für ein Ort?“ Schia sah sich interessiert um, während Medane zum Brunnen rüber ging.

„Einer meiner Lieblingsorte. Es heißt, dies hier soll mal eine Stadt gewesen sein, indem Tag- und Nachtmenschen zusammen gelebt haben. Gemeinsam.. friedlich, glücklich. Vor hunderten von Jahren. Kannst du dir das vorstellen Schia? Das so eine Welt mal wirklich existiert haben soll? Wenn ich mir unsere Welt so ansehe, dann kann ich das kaum glauben. Eine Zeit, in der sich der Tag und die Nacht abgewechselt haben sollen.. eine Zeit, in der sich die Menschen nicht untereinander gehasst haben. Eine gewaltfreie, schöne Zeit.. es klingt wie ein Traum.“

Schia blickte zu ihr als sie zu reden begann und obwohl nur der Vollmond diesen Platz erhellte, konnte er den sehnsüchtigen Blick nach genau so einer Welt wie sie früher existiert haben soll, in ihren Augen sehen. Er strich sich etwas durchs Haar.

„Ehrlich gesagt, kann ich es mir nicht vorstellen. Diese Geschichte ist doch wahrscheinlich nichts als nur eine Legende und selbst wenn sie wahr sein sollte, so ist diese Zeit vergangen und sie wird nicht wieder kommen. Wir leben im Jetzt und die jetzige Situation sieht nun mal so aus. Daran können wir nichts ändern.“
 

Bei Schias Worten konnte Medane nur leise seufzen. „Weißt du Schia.. fast alle Menschen denken so wie du. Und ich glaube, dass genau das der Grund ist, wieso wir alle so gefangen sind. Weil keiner mehr träumt, weil keiner es mehr versucht. Keiner traut sich irgendwas zu ändern, noch zu hoffen, dass alles noch einmal anders werden könnte.“

Sie trat auf ihn zu und schaute ihm direkt in die Augen.

„Doch als du auf die Seite gekommen bist, das war wie ein Zeichen für mich! Es muss doch möglich sein Schia! Ich will nicht mehr länger eine Gefangene dieser Gesellschaft, eine Gefangene der Nacht sein! Ich will frei sein! Wieso kann das denn keiner verstehen? Wieso bin ich die Einzige die so denkt? So wie es im Moment ist, so kann es doch nicht gut sein, so kann es doch nicht bleiben!“

Sie merkte, wie Schia ihrem Blick auswich. Für einen Moment glaubte sie, dass er dazu gar nichts mehr sagen wollte, doch er drehte sich von ihr weg und sah zu Boden, ehe er antwortete.

„Keiner kann alleine kämpfen..“

Es war nicht schwer die Trauer und die Verbitterung aus diesen Worten zu hören. Einen Moment lang musterte Medane ihn und kam dann zu dem Entschluss, dass er unbedingt aufgemuntert werden musste.

„Okay gut, dann kämpfe ich nicht alleine, sondern mit dir. Dann sind wir schon zwei! Dann muss keiner mehr von uns beiden alleine kämpfen.“
 

Verdutzt sah er sie an.

„Wer sagt denn, dass ich kämpfe? Nur weil ich beim Militär bin, heißt es nicht-“

„Nein, das meine ich auch nicht. Ich rede nicht von Kämpfen der Armee, sondern von einem ganz anderen Kampf.“

Mit einem geheimnisvollen Lächeln tippte sie ihm auf die Brust, genau dorthin, wo er sein Herz, schneller schlagend als sonst, spüren konnte. Verwirrt betrachtete er sie, doch wandte er dann erneut seinen Blick ab.

Schia verstand nicht genau, was sie damit gemeint hatte. Keinen Kampf unter Menschen, sondern..?

Seufzend schüttelte er ein wenig den Kopf, ehe er die Arme um seinen Körper schlank. Am Anfang war es ihm durch den Sturz gar nicht so bewusst geworden, doch so langsam merkte er immer mehr, wie kalt es hier auf der Seite der Nacht war. Aber was wunderte er sich auch?

Hier schien nirgends die Sonne, zudem war gerade Winter.

„Auf deiner Seite ist es wärmer, oder? Vielleicht sollten wir zurück, bevor du hier noch krank wirst. Aber einst musst du mir versprechen. Du musst kommen und mich abholen! Versprich mir, dass du wieder kommst, um mir deine Welt zu zeigen..“

„Ist versprochen...“

Wie hätte er dazu auch Nein sagen können? Wenn Medane ihn mit ihren großen Augen so sehnsüchtig ansah, konnte er einfach keinen Widerstand leisten.

„Wundervoll! Dann bringe ich dich jetzt zurück!“

Und schon ging sie wieder voraus auf den kleinen Weg, von dem sie gekommen waren.

„Das nächste Mal zeig ich dir dann was von unserer Stadt, okay?“ rief sie über die Schulter zu Schia hinüber.

Einen Moment sah er ihr einfach nur nach, fühlte sich irgendwie ein wenig überrumpelt von ihr und wollte gar nicht wissen, was sein bester Freund dazu wohl sagen würde. Dennoch folgte er ihr.
 

Nach einigen Minuten erreichten sie die Plattform, auf der sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. Erwartungsvoll wandte sich Medane an Schia.

„Und du kommst morgen wirklich? Ich werde hier warten und wehe du wirst nicht kommen!“

„Keine Sorge, keine Sorge! Ich werde morgen aufjedenfall kommen. Wenn ich ein versprechen gebe, dann halte ich es auch.“

Lächelnd nickte Medane.

„Gut, dann glaube ich dir!“

Sie musterte ihn noch einmal ein wenig, ehe sie ihm durch sein blondes Haar wuschelte und lachte.

„Bis morgen Schia!“

Strahlend vor Freude rannte sie den Weg hinab, beflügelt dadurch, dass morgen ihr Traum in Erfüllung gehen würde. Heute würde sie sicher kein Auge mehr zubekommen.



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