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Das Haus in der Thornrose Lane

Ein Grimms Märchen (und eine Alicia Blade Übersetzung)
von

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Gestiefelter Kater

Tata!

Hier ist es, das erste Kapitel meiner neuen Sailor Moon FF. Ich werde mich bemühen, möglichst regelmäßig alle 2-3 Wochen ein neues Kap. hochzuladen, aber wie immer gibt es keine Garantie. (Wegen Uni-/Prüfungsstress meiner lieben Beta und mir)

Wie beim Inhaltsverzeichnis schon erwähnt, werden in dieser FF die englischen Namen genutzt, da sie besser in die Märchenwelt passen:
 

Serena = Usagi

Melvin = Umino

Darien = Mamoru
 

Ich glaube, das waren sie alle für dieses Kapitel und ich denke, dass ihr ziemlich schnell wisst, wer wer ist, da die Charakere nach und nach eingefügt werden und einige Namen auch gleich oder zumindest sehr ähnlich sind.
 

Disclaimer: Sailor Moon gehört Naoko Takeuchi und der Plot Alicia Blade (und die Märchen hauptsächlich den Gebrüdern Grimm... es kommen auch ein paar Andersen Märchen vor)
 

Widmung: Allen, die benachrichtigt werden wollten, wenn ich die FF anfange hochzuladen! Danke für eure Treue!
 

Viel Spaß beim Lesen!
 

Eure Vanilla Prinzess
 

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Das Haus in der Thornrose Lane: Ein Grimms Märchen

von Alicia Blade

übersetzt von Vanilla_Prinzess
 

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Kapitel 1: Gestiefelter Kater

„Hör“, fing der Kater an, der alles verstanden hatte, was Hans gesagt,

„du brauchst mich nicht zu töten um ein Paar schlechte Handschuhe, lass

mir nur ein Paar Stiefel machen, dass ich ausgehen und mich unter den

Leuten sehen lassen kann, dann soll dir bald geholfen sein.“

aus: „Der gestiefelte Kater“
 

„Du wirst mir niemals glauben, was in Chemie passiert ist!“
 

Serena schloss ihren Spind und sah ihren besten Freund, Melvin, aus dem Augenwinkel an. Er, kaum einen Zoll länger als Serenas zierlicher Körper, trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. „Hast du was in die Luft gesprengt?“
 

Melvin zog die Nase kraus. „Natürlich nicht. Chemie ist mein bestes Fach.“
 

„Richtig.“, murmelte sie. „Okay, ich gebe auf. Was ist in Chemie passiert?“
 

Während er seine Flaschenbodendicken Brillengläser höher auf seine Nase schob, verkündete Melvin stolz: „Wir haben Laborpartner ausgesucht!“
 

Mit den Augen rollend, schwang sie sich den Rucksack über die Schulter und ließ sich dann an ihren Schrank fallen. „Melvin,“, sagte sie geduldig, „erinnerst du dich an unser Gespräch über die Dinge, die die meisten Leute einfach nicht interessant finden, wie zum Beispiel deine Lepid – Lepid –“
 

„Lepidoptera.“
 

„Lepidoptera Sammlung? Und die Tatsache, dass du vierzig Stunden die Woche lernst und einen Zeugnisdurchschnitt von 0,8 hast? Melvin, ich mag dich und alles und ich bin froh, dass du so aufgeregt über deinen Laborpartner bist, aber...“
 

Mit den Händen vor ihr herumfuchtelnd um ihren Redefluss zu stoppen, platzte Melvin heraus: „Es ist Darien!“
 

Die Worte, an die sie gedacht hatte, lösten sich in Luft auf, als sein Name genannt wurde und sie bemerkte, dass ihr Herz bemerkbar schneller schlug. „Wie bitte?“, quietschte sie.
 

Stolz nickend und mit einem breiten Grinsen auf seinem von Akne zernarbten Gesicht, fuhr Melvin fort: „Ich hab dir doch gesagt, es ist aufregend.“
 

„Melvin, wie hast du – Warum hast du –? Darien Shields?“
 

„Natürlich! Siehst du nicht, Serena? Das ist perfekt! Welche bessere Entschuldigung hab ich, ihn mit Informationen über dich zu füttern?“
 

Erblassend schüttelte Serena den Kopf. „Oh nein, uh-uh, du wirst das nicht tun! Hörst du mich, Melvin Edward Gimmerson?“
 

Melvin verzog das Gesicht. „Ich hasse es, wenn du mich so nennst.“
 

Knurrend platzierte Serena ihre Hände auf ihre Hüften. „Ich meine es ernst! Ich möchte nicht, dass du mich erwähnst oder ihm irgendwelche Hinweise gibst.“
 

„Aber Serena, warum nicht? Du schwärmst doch seit der fünften Klasse ernsthaft für ihn! Das ist die perfekte Möglichkeit. Ich habe mir alles genau überlegt. Erst erzähle ich ihm, wie toll und schön du bist –“
 

„Melvin...“
 

„Nein, hör zu! Dann, wenn er ganz fasziniert ist, werde ich mir irgendeine Geschichte ausdenken, dass dein älterer Quarterback Freund aus Italien sich BSE eingefangen hat und dass du ein Date zum Homecoming Ball brauchst und voilà! Date bekommen!“
 

Mit geschlossenen Augen schlug Serena ihren Hinterkopf ein paar Mal gegen ihren Spind und seufzte dann. „Melvin, welcher Teil deines riesigen 0,8 Notendurchschnittsgehirns denkt, dass das eine gute Idee ist?“
 

„Nun, wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass das Großhirn –“
 

„Egal. Nur... nein. Ich werde nicht versuchen ihn mit einem Netz aus offensichtlichen Lügen einzufangen und ich werde dich bestimmt nicht das alles erlügen lassen. Außerdem bist du ein schrecklicher Lügner.“
 

„Was dann? Wirst du dein ganzes Leben darauf warten, dass er kommt und dich auf sein Märchenschloss bringt? Das ist kein Märchen, Serena.“
 

Serena fuhr auf: „Das weiß ich!“
 

„Oh, es tut mir Leid, Sere. Es ist nicht... ich meine... du weißt, es könnte passieren. Märchen werden wahr. Aber dann, auch Horrorfilme werden wahr, aber du weißt...“
 

„Da ist er!“ Serena zog scharf die Luft ein und Melvin musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass der Elftklässler Darien Shield, der Herzensbrecher der Crossroads High, den Flur hinunter kam. Die Lippen aufeinander pressend versuchte Serena gleichzeitig sich in dem schmalen Spind zu verstecken und ihn so lange wie möglich im Auge zu behalten. Sie musste ihn natürlich nicht ansehen, da sich seine Statur schon lange in ihre Erinnerung eingebrannt hatte: die Art wie seine Schultern sich bewegten, wenn er ging; die kühlen Untertöne in seinen sonst so warmen himmelblaue Augen; das wilde Haar, das immer nur so durcheinander war, dass es sexy aussah und nicht ungepflegt.
 

Sie schluckte und der leiseste Anflug eines verlegenen Rots färbte ihre Wangen, während sie ihn vorbeigehen sah. Er bemerkte sie nicht, stellte sie gleichermaßen enttäuscht und erleichtert fest. Sie war sich sicher, dass sie die Schule wechseln müsste, falls er jemals heraus fand, wie sie ihn jedes Mal anglotzte sobald er ihr Sichtfeld betrat.
 

Am Ende des Flurs schloss sich Darien einer Handvoll seiner Freunde an und sie gingen hinaus auf den Hof und verschwanden so aus ihrer Sicht. Serena atmete endlich aus und die Welt drehte sich wieder.
 

„Du wirst dein ganzes Leben darauf warten, dass er kommt und dich auf sein Märchenschloss bringt, oder?“, fragte Melvin neben ihr und sie tadelte sich mental dafür, dass sie vergessen hatte, dass er noch da war.
 

„Natürlich nicht.“, sagte sie, nicht sicher, wen sie überzeugen wollte und schenkte Melvin ein strahlendes Lächeln. „Ich würde so ziemlich jeden Prinzen nehmen, wirklich. Er ist nur bisher der einzige, der einem nahe kommt. Komm.“ Sie hakte sich mit ihrem freien Arm bei Melvin unter und ging zu einem anderen Ausgang der Schule.
 

„Sag mal, wie hast du es eigentlich geschafft, ihn dazu zu überreden, dein Partner zu sein?“
 

„Hab ich nicht.“, sagte Melvin und schob seine Brille abermals hoch. „Er hat mich gefragt.“
 

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„Vielleicht will er dein Partner sein, weil ihm das eine gute Note sichert.“, vermutete Serena und hakte so einen Punkt ab, warum der beliebte Darien Shields mit ihrem trotteligen Außenseiter von einem besten Freund zusammenarbeiten wollte.
 

Melvin legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf in den bewölkten Himmel. „Das hab ich zuerst auch gedacht, aber Darien hat die zweitbeste Note in unserer Chemieklasse - nach mir natürlich - und den fünftbesten Zeugnisdurchschnitt unserer Schule.“
 

Serena legte die Stirn in Falten. „Melvin, wo hast du das alles rausgefunden?“
 

„Ist das nicht allgemein bekannt?“
 

„Nein, ist es nicht. Außerdem, wenn einer von uns beiden ihm hinterher schnüffelt, sollte ich das wohl sein, oder?“
 

Ihr Necken nicht erkennend antwortete Melvin defensiv: „Ich schnüffle ihm nicht hinterher!“
 

„Vielleicht möchte er mit jemandem zusammenarbeiten, der genau so schlau ist wie er, damit ihn niemand ausnutzt. Ich hasse es, wenn ich bei einem Gruppenprojekt die ganze Arbeit machen muss.“
 

„Ganz ehrlich Serena, wann ist das jemals passiert?“
 

„Hey, es passiert! Nun, es könnte passieren. Falls mir jemals ein größerer Faulpelz als ich zugeteilt wird.“
 

Schnaubend wandte sich Melvin seiner Auffahrt zu, drei Häuser von Serenas entfernt. „Möchtest du auf einen Imbiss mit hineinkommen? Mama hat heute Morgen etwas von Pflaumen-Bagel-Schnitten gesagt.“
 

„Neiiiiiiiiiin, danke.“, sagte Serena und streckte vor Ekel die Zunge heraus, bevor sie sich ihrem Haus zuwandte. Aber als Melvin ihren Namen rief, drehte sie sich wieder um.
 

„Ich hätte es fast vergessen! Das hast du gestern bei mir liegen lassen.“ Er fasste in seinen Rucksack uns zog ein dickes, blaues Buch mit goldenen Lettern auf dem Rücken hervor.
 

Serena schnappte nach Luft und riss es ihm aus den Händen. „Ich hab noch nicht mal gemerkt, dass es fehlt!“, quietschte sie erfreut.
 

„Wahrscheinlich warst du zu sehr damit beschäftigt von Mr. Shields zu träumen.“ Melvin wurde von einem halbherzigen bösen Blick erfasst, aber er lächelte nur breit und fragte: „Übrigens, gibt es irgendwas, dass ich ihn morgen fragen soll? Ich darf doch wenigstens Detektiv spielen, oder?“
 

Kichernd drückte Serena das Buch mit einem Arm an sich und fasste mit der freien Hand hinauf zu einem ihrer zwei identischen Pferdeschwänze um daran zu ziehen. „Klar! Frag ihn, ob er 'Märchenprinz' oder 'Ritter in strahlender Rüstung' bevorzugt.“
 

Serena sah zu, wie Melvin kopfschüttelnd in seinem Haus verschwand. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging zu ihrem eigenen Haus, ihre Augen auf das Buch geheftet. Es war ihr kostbarster Besitz, ein Geschenk ihrer Großmutter zu ihrem sechsten Geburtstag: Eine antike Ausgabe von Grimms Märchen, veröffentlicht 1857, und noch in gutem Zustand. Zumindest war sie das gewesen, als sie ihr geschenkt wurde. Während der letzten neun Jahre hatte Serena die Geschichten wieder und wieder gelesen. Nun waren viele Seiten leicht eingerissen und das meiste Gold der Prägung auf dem Einband war abgerieben worden. Ihr war das egal; es war immer noch das schönste Buch, das sie je gesehen hatte.
 

Der zerknickte Rücken schlug sofort 'Dornröschen' auf, ihr Lieblingsmärchen und das Märchen, das sie Wort für Wort auswendig konnte.
 

„Vor Zeiten waren ein König und eine Königin,“, murmelte sie aus einer Laune heraus zu sich selbst. „die wollten liebend gern ein Kind. Dann, eines Tages, gebar die Königin ein Mädchen und das gesamte Königreich freute sich. Sie tauften sie auf den Namen Dornröschen...“ Sie blätterte ein paar Seiten weiter. „Dornröschen stach sich an der Spindel des Spinnrades und fiel in einen tiefen Schlaf. Das Königreich schlief mit ihr und für einhundert Jahre träumten sie, während Dornenhecken um das Schloss herum wuchsen... Als der Prinz die Prinzessin schlafen sah, verliebte er sich sofort in sie und konnte nicht anders, als ihr einen Kuss geben. Dornröschen öffnete die Augen und verliebte sich in den Prinz vor ihr... Und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende.“
 

Mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht schloss sie das Buch und drückte es für einen Moment an ihre Brust. Zufrieden steckte sie es in ihren Rucksack, sein normales Zuhause und ging ihre Auffahrt hinauf, wobei sie ihre Arme mit einem enthusiastischen Gähnen über ihren Kopf streckte und ihre Tasche von den Fingern baumeln ließ. „Ah, und jetzt habe ich siebzehn liebliche Stunden, bevor ich wieder in die Schule muss.“ Sie schwang ihre Arme hin und her und überlegte, was sie als nach-Schul-Imbiss essen sollte. Sie hatte die Auswahl auf Doritos und Oreos mit Milch eingegrenzt, als sie das Haus erreicht und ein leises Miauen aus den Büschen vor der Veranda hörte. Sie hielt inne, zog die Augenbrauen hoch und kniete sich vor den japanischen Ahorn, wo sie eine kleine graue Katze fand, die ruhig neben dem Stamm saß.
 

„Hallo, du.“, gurrte Serena die Katze an, die sie mit großen rötlichen Augen anblinzelte, ihre großen Ohren nach vorne gerichtet. „Hast du dich verlaufen?“
 

Serena konnte ein rotes Halsband mit einem silbernen Glöckchen um den Nacken des Kätzchens geschlungen sehen an dem ein Anhänger hing auf dem sie hoffentlich eine Adresse finden würde. Eine Hand dem Kätzchen entgegen streckend, lockte sie es mit ihrer süßesten, überredensten Stimme. Eine ganze Zeit lang saß die Katze mit um die Pfoten gerolltem Schwanz da und betrachtete Serena mit einem ruhigen, neugierigen Blick. „Nun, komm schon.“, sagte Serena mit einem leisen Anflug von Gereiztheit. „Ich werde dir nicht wehtun. Komm da raus.“
 

Endlich stand die Katze auf und machte einen Buckel, hielt ihren Schwanz stolz in die Luft und schlenderte auf zierlichen weißen Pfötchen auf Serena zu.
 

„Nimm dir ruhig so viel Zeit wie du brauchst.“, murmelte Serena, als die Katze ihr schließlich nah genug gekommen war, um es auf die Arme zu nehmen. Sofort fing die Katze zu schnurren an und Serena drückte sie mit einer Hand an ihre Brust – sie passte perfekt in ihre Handfläche – und untersuchte mit der anderen den silbernen Anhänger. „Ah, Gestiefelter Kater, hmm?“, sagte sie, als sie den Namen auf dem Anhänger mit einem Glucksen las. „Ich wollte schon immer eine Katze mit diesem Namen haben. Also, wo wohnt deine Familie mit dem guten Geschmack?“ Sie drehte den Anhänger um, zuerst erfreut, dass dort eine Adresse stand, aber die Aufregung verebbte rasch. „Thornrose Lane? Aber das ist auf der anderen Seite der Stadt! Wie bist du den ganzen Weg hierher gekommen?“ Gestiefelter Kater sah unschuldig zu ihr hoch, bevor er seine feuchte Nase gegen ihr Kinn stupste, als ob er erwartete, zwischen den Ohren gekrault zu werden. Serena tat mit einem Seufzer wie gewünscht. „Okay, aber lass mich wenigstens meine Klamotten wegbringen, okay?“
 

Eine Minute später trat Serena aus ihrer Haustür, das Kätzchen selbstzufrieden in ihren Armen haltend, nachdem sie sich von dem Gewicht ihres Rucksacks befreit hatte. Sie überlegte, ob sie Melvin anrufen und ihn fragen sollte, ob er den langen Weg mit ihr gehen wollte, aber sie wusste, dass er lernte und sie wollte ihn nicht ablenken.
 

Es war ein vierzigminütiger Spaziergang und Serena war froh, das der Septemberhimmel, der, wie sie bemerkte, die gleiche Farbe hatte wie das Fell des Kätzchens, bewölkt war, aber keine Anzeichen für Regen zeigte. Sie hoffte, dass das Tageslicht noch scheinen würde, nachdem sie das Kätzchen abgegeben hatte und wieder auf dem Weg nach Hause war.
 

Schließlich fand Serena die Thornrose Lane, die einst eine schöne und belebte Straße gewesen war. Nun war sie baufällig – nicht genug, um der Stadtverwaltung Sorgen zu bereiten, aber genug um Serena nervös zu machen während sie die Hausnummern zählte. Das Kätzchen schien immer unruhiger zu werden, während sie weiter gingen. Es miaute in Serenas Ohren und versenkte seine Pfoten in ihren Haaren.
 

„Fast zu Hause.“, sagte Serena, als sie endlich das Haus sah, das mit der Adresse auf Katers Anhänger übereinstimmte. Sie zog ein Gesicht; das Haus sah eher wie eine Bruchbude aus.
 

Der Vorhof war von einem hölzernen Zaun umgeben, dem ein paar Latten fehlten und sah aus, als ob er langsam von Brombeerbüschen auseinander genommen würde. Wo einst Gras gewesen war, wuchs nun nur noch Löwenzahn. Moos bedeckte das Dach und die Rinnen und der Boden waren mit wurmzerfressenen Äpfeln vom einsamen Apfelbaum bedeckt. Sie sah hinunter in die runden, roten Augen der Katze und fühlte ein stechendes Schuldgefühl. „Ich kann dir keinen Vorwurf machen, dass du weggelaufen bist.“, sagte sie und kraulte Kater am Halsband. „Aber vielleicht solltest du warten, bis du etwas größer bist, okay? Das da draußen ist eine große, furchterregende Welt. Und du weißt nie, wann du in einen Oger rennst.“
 

Seufzend ging sie den Pfad entlang und trat ein paar vereinzelte Äpfel aus ihrem Weg. Bevor sie an der Tür klopfte, überprüfte sie den kleinen Briefkasten an der Wand in der Hoffnung, dass sie vielleicht das falsche Haus erwischt hatte und Kater in Wirklichkeit in dem süßen gelben mit den weißen Fensterläden lebte. Serenas Atem stockte, als sie das kleine, gemalte Schild über dem Briefkasten las, nicht wegen der Hausnummer (die immer noch mit Katers Halsband übereinstimmte), sondern wegen dem Namen, den sie dort las.
 

„J. Grimm?“, flüsterte sie zu sich selbst und sah dann hinunter auf Gestiefelter Kater, der sie mit einem neckischen Glitzern in den Augen zu beobachten schien. „Das ist cool. Ich nehme mal an, dein Name rührt nicht nur von deinen kleinen, weißen Pfoten her.“, murmelte Serena, dann hob sie langsam die Hand und klopfte.
 

Sie konnte ein Quietschen hören, als leise Schritte zur Tür kamen. Sie hörte, wie ein Riegel weggeschoben wurde und die Tür öffnete sich ein paar Zentimeter. Eine goldene Kette, die am Türrahmen befestigt war, verhinderte, dass sie sich weiter öffnete. Ein alter Mann, kaum größer als Serena, stand auf der anderen Seite und sah mit seinen braunen, fast schwarzen, Augen zu ihr hinunter, eins davon von einem Monokel bedeckt, welches das Auge vergrößerte, das auf sie hinunter starrte.
 

Kater miaute einmal und begann dann laut zu schnurren und schmiegte sich Serenas an Hals.
 

„Ähm, hi… Ich glaube...“, sagte Serena zögernd. „Ich hab diese Katze gefunden und...“
 

Der Mann schnaubte und die Tür schloss sich. Serena hörte das Klimpern der Kette, bevor sich die Tür wieder öffnete und er mit einer einladenden Handbewegung heraustrat, die allerdings eher aus Gewohnheit geschah, als eine wirkliche Einladung zu sein.
 

„Ich denke, du möchtest auf eine Tasse Tee eintreten.“
 

„Oh, nein, es ist okay, wirklich.“, sagte Serena liebenswürdig und doch trugen sie ihre Füße in das kleine Wohnzimmer. „Ich möchte nur ihre Katze zurückbringen und dann bin ich wieder weg. Bevor es dunkel ist.“, fügte sie hastig hinzu und zuckte zusammen, als die Tür zuschlug und der Mann zu dem altmodischen Herd hinüber eilte, der in der Ecke stand und auf dem sich dreckige Eisenpfannen und -töpfe stapelten. Er räumte das Durcheinander beiseite und füllte einen Kupferkessel mit Wasser aus einem ebenfalls dreckig aussehenden Wasserhahn, den er dann auf eine Herdplatte stellte.
 

Sich nicht wohl fühlend und das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagernd, setzte Serena Kater auf den Boden. Die Katze miaute und sah zu ihr hinauf, nickte dann leicht, so als ob sie dankbar wäre und diese Handlung erschien ihr so menschlich, dass sie eine Gänsehaut bekam. Sie brauchte einen Moment, um den Raum in Augenschein zu nehmen. Er war fast so groß wie das gesamte Haus, zumindest schien es so, mit nur einer offenen Tür, die in ein Hinterzimmer führte, dem Schlafzimmer, nahm sie an. Die Möblierung war spärlich, es gab nur ein paar fast leere Bücherregale und einen Schreibtisch auf dem sich riesige Bücherstapel türmten, die vor langer Zeit wahrscheinlich die Regale gefüllt hatten. Ein runder Teppich, der aussah, als ob er noch nie gestaubsaugt worden war, bedeckte den Boden und er war so zerkratzt, dass Kater anscheinend seine jungen Krallen sehr oft daran gewetzt hatte. Es gab weder Bilder an den Wänden noch Gardinen vor den Fenstern und es gab keine Tische oder Stühle, außer dem einzelnen Stuhl, der vor dem Sekretär stand. Sie ahnte, dass der alte Mann seine Mahlzeiten mit seinen Büchern einnahm.
 

Dann fing der Mann an zu sprechen und sie zuckte nervös zusammen.
 

„Er bringt andauernd junge, idealistische Dinger wie dich mit, weißt du. Er denkt, er hilft“
 

Ihre Lippen zusammenpressend ging sie rückwärts zur Tür, die Hände hinterm Rücken versteckt. „Danke für ihre Gastfreundschaft, aber ich denke, ich...“
 

Der Mann seufzte, ignorierte sie und kramte in einem Schuhkarton voller kleiner Päckchen. Serena riet, dass es Teebeutel waren. „Seit wir zurückgekommen sind, scheint er furchtbar allein zu sein. Ich hab ihm angeboten, ihn nach Hause zu schicken, aber ich hab das Gefühl, dass er meint, er hätte eine Verpflichtung mir gegenüber. Er versucht immer, einen weiteren Wächter zu finden, noch eine Prinzessin, noch einen Zauberer.“ Er hielt inne und sah auf, wobei er das Monokel wieder vor sein Auge hielt, als er sie ansah. „Er scheint nicht zu verstehen, dass es hier keine Prinzen oder Prinzessinnen oder Magier oder Hüter gibt. Hier ist kaum etwas.“
 

Kater miaute und Serena war überrascht ihn direkt bei ihren Knöcheln zu finden, wo er mit seinen großen roten Augen zu ihr aufsah. Sie merkte, dass sie anfing für den Mann Mitleid zu empfinden, der ganz allein nur mit seinen Büchern und seiner Katze lebte, aber sie versuchte das Gefühl abzuschütteln, in dem Glauben, dass die meisten Einsiedler das vorzogen.
 

Er war allerdings ein gut aussehender Mann, mit einem viel saubereren Aussehen als seine Wohnung. Er trug braune, von goldenen Hosenträgern an ihrem Platz gehaltene Tweedhosen (die wahrscheinlich noch nie ein Bügeleisen gesehen hatten) und ein weißes Hemd, das bis zu seinem Schlüsselbein zugeknöpft war. Serena fragte sich kurz, ob er Enkelkinder hatte, oder überhaupt Kinder. Sich an den Namen auf dem Briefkasten erinnernd fragte sie sich, ob er ihnen jemals Märchen vorgelesen hatte.
 

Der Teekessel pfiff und der Mann beschäftigte sich damit, das dampfende Wasser in zwei kleine Porzellantassen einzuschenken. Er bekam eine Glatze mitten auf seinem Kopf, bemerkte Serena, und sein einzelnes Augenglas baumelte von seinem Kragen, bereit genutzt zu werden, wenn er das Bedürfnis hatte. Als ihr eine der Tassen hinhielt, nahm sie sie entgegen und hielt sie fest, trank aber nicht daraus.
 

„Danke sehr, aber ich sollte jetzt wirklich gehen.“
 

Der Mann hielt sein kleines Augenglas nun hoch und sah sie an, fast verdächtigend. „An dieser hier ist allerdings was.“, murmelte er, zog dann die Stirn in Falten und sprach lauter: „Du hast keine Ahnung, warum er dich hierher gebracht hat, oder?“
 

„Gestiefelter Kater.“, quietschte Serena. „Eigentlich war ich es, die...“
 

„Hast du dir jemals vorgestellt, wie es sein würde, in einem Märchen gefangen zu sein?“
 

Serena blinzelte, ihre Hände schwitzten. Sie leckte sich über die Lippen und nickte zögernd. „Jeden Tag meines Lebens.“, wisperte sie wahrheitsgemäß.
 

Der Mann lächelte und wandte sich ab, seine freundliche Miene wieder hergestellt. „Ja.“, sagte er. „Ich auch.“ Glucksend humpelte er zu dem einsamen Stuhl, ließ sich hineinfallen und schien in dem dunklen Raum gut hundert Jahre alt. „Aber ich war es einmal, wirklich. In einer großen Geschichte. Einer Welt voller großer Geschichten.“ Serena sah, wie seine dunklen Augen zu dem schmucklosen Fenster hinauf blickten, irgendwohin weit weg und zu lang Vergangenem starrend. Er war wie verzaubert und sie wagte sich nicht wirklich, den Bann zu brechen, der ihn so plötzlich gefangen genommen hatte, obwohl die Schatten im Zimmer ihr sagten, dass sie schon längst auf dem Nachhauseweg sein sollte. Sie stellte ihren unberührten Tee auf ein leeres Regal.
 

„Alles war voller Farben und Lieder und Leben. Jede Maid war wunderschön. Jeder junge Mann hatte Mut. Es gibt Tage, da würde ich alles geben, um zurückzukehren, weißt du. Aber das kann nicht sein.“ Er legte seinen Blick wieder auf Serena, sie etwas erschreckend; sie dachte, dass er vergessen hätte, dass sie da stand. „Ich musste gehen, weißt du. Ich musste gehen um die Geschichten zu beschützen. Es war die einzige Möglichkeit. Wenn ich zurückgehen sollte, wäre alles in Gefahr und dann... dann gäbe es keine Märchen mehr.“ Er brach ab, und Serena zappelte nervös herum.
 

„Mister, es wird dunkel und ich muss nach Hause. Meine Mutter wird sich Sorgen machen.“
 

Er nickte und seine Lippen verzogen sich, aber seine nächsten Worte erkannten ihre höfliche Bitte nicht an. „Ich würde allerdings so gerne wissen, was in der Welt passiert. Vielleicht... vielleicht würdest du für mich gehen? Und dann zurückkommen und mir alles erzählen? Nur... damit ich es wissen würde, nur noch einmal. Ich würde dir sogar eine Geschichte schreiben, wenn du möchtest.“
 

Serena wollte ihm sagen, dass sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Sie wollte ihm sagen, dass er an Wahnvorstellungen litt. Sie wollte ihn fragen, ob sie ihm helfen könnte, seine Medizin zu finden. Aber sie lächelte so freundlich sie konnte, da sie sich daran erinnerte, dass ihre Mutter ihr beigebracht hatte, nett zu älteren Leuten zu sein und ihnen zuzuhören, da sie mehr zu erzählen hatten als alle anderen.
 

Sie fing an zu glauben, dass dieser Mann nichts erzählen konnte, was es zu hören wert war, aber auch das sagte sie nicht, noch nicht mal in ihren Gedanken.
 

„Klar.“, sagte sie schließlich. „Aber ein anderes Mal, okay? Wenn es nicht so spät ist.“ Sie war sich wirklich nicht sicher, ob sie jemals zu seiner kleinen Hütte zurückkehren würde, auch wenn sie sagte, dass sie es würde. Sie rechnete sich aus, dass der Mann sie bis morgen früh sowieso vergessen würde. Sie fühlte, wie Kater an ihrem Bein schnurrte und fragte sich, ob das kleine Kätzchen sie auch vergessen würde.
 

Der Mann gluckste leise und hielt sein Augenglas hoch, um sie noch einmal anzusehen. „Dir sind alle Märchen bekannt, nehme ich an. Kater bringt nämlich nur die nach Hause, die schon alles über sie wissen. Oder vielleicht...“ Er machte eine Pause und lehnte sich vor, die Augen nachdenklich zusammen gekniffen. „Vielleicht bist du die eine... sind sechzehn Jahre schon vergangen?“
 

„Ich muss gehen.“, flüsterte Serena, ihr Herz begann schneller zu schlagen.
 

„Ja, geh, Kind. Du bist ein gutes Mädchen. Dir wird es gut ergehen. Bleib nicht zu lange, okay? Bleib nicht zu lange weg.“
 

Nickend und mit einem erleichterten Seufzer, der sie sich etwas beschämt fühlen ließ, erreichte Serena den Türknauf. Sie hatte fast das Gefühl einen Knicks vor dem Mann machen zu sollen bevor sie ging, oder ihm ein weiteres Versprechen zu geben, wieder zu kommen, oder ihm wenigstens anständig 'Auf Wiedersehen' zu sagen, aber sie fühlte sich zu erleichtert, seine Gegenwart zu verlassen. So erleichtert, dass sie das Haus zu hastig, zu unhöflich, verließ. Sie öffnete die Tür mit einem tiefen Atemzug und ließ sie genau in dem Moment hinter sich zuschlagen, als das komische Gefühl sie überkam.
 

Das Gefühl, das man hat, wenn man in einer Achterbahn sitzt, die Spitze eines Hügels überwindet und in die Tiefe fällt, während der Magen in den Hals hüpft.
 

Sie quietschte und drückte sich gegen die Tür, schlug ihre Arme vor ihre Augen, als ein helles Licht sie blendete. Sie erwartete, dass es verschwand, wie ein Blitz oder das helle Aufflammen einer Glühbirne bevor sie verglimmt, aber das Licht verschwand nicht.
 

Blinzelnd nahm Serena ihre Arme weg.
 

Es war sonnig.
 

Es war Sommermittag-sonnig.
 

Aber das war nicht der Grund, warum Serena plötzlich zitterte.
 

Sie war nicht länger in der Thornrose Lane.
 

Sie war noch nicht mal in einer Stadt. Oder einem Dorf.
 

Der Vorgarten mit den Stechpalmen und dem Löwenzahn und dem verrottenden Zaun war verschwunden. Nur die Veranda war geblieben, anscheinend unverändert. Nun erstreckte sich in alle Himmelsrichtungen so weit sie sehen konnte Ackerland voller goldener Halme, die höher wuchsen als sie groß war. Es sah aus wie Getreide, allerdings war das einzige Getreide, das sie jemals gesehen hatte, auf ihrer Müslischachtel abgedruckt. Der Himmel über ihr war blassblau, keine Wolke war in Sichtweite und die Sonne stand im Zenit, signalisierte Mittag. Das Blau wurde bald zur einzigen Farbe, die Serena neben dem goldenen Gelb der Felder sehen konnte. Das Land war flach, leer und einsam und nur die großen, wunderlichen Halme aus Gold dekorierten die Landschaft.
 

Serena schluckte, ihr Herz schlug wild und der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sie ließ die Hand über die hölzerne Tür gleiten, suchte den Türknauf, schloss ihre Augen und drehte ihn.
 

Aber der Knauf bewegte sich nicht. Die Tür war verschlossen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Bunny_T
2009-01-21T11:39:31+00:00 21.01.2009 12:39
Hey, schön dass es schon was neues von dir gibt :)

Das ist ja echt mal eine schöne Idee für einen FF. Wird bestimmt noch sehr spannend :)
Hoffe es geht bald weiter :)

LG
Von: abgemeldet
2009-01-17T20:15:51+00:00 17.01.2009 21:15
hm mal etwas anderes als diese typischen Fanfictions von sailor moon weiter so! bin mal gespannt wie es weiter geht!

Von: abgemeldet
2009-01-17T13:07:05+00:00 17.01.2009 14:07
das is ne tolle idee, märchen sind einfach klasse und irgendwie hoffe ich das darien auch in serenas märchen vorkommt.
ich hoffe es geht bald weiter.
liebe grüße
Von:  Jessi19
2009-01-17T09:37:55+00:00 17.01.2009 10:37
Hy
erst mal vielen lieben Dank für die ENS.
Ich finds toll das du die englischen Namen behalten hast. Find die nämlich viel schöner.

Ich freu mich auch schon riesig aufs nächste kap und frag mich in welchen Märchen sie alles landet.

Gruss Jessi
Von:  mitsuki11
2009-01-17T09:19:25+00:00 17.01.2009 10:19
Hey das ist ja mal eine Coole Idee für eine FF! Ich liebe Märchen, darum kann ich auch Serena verstehen!!

Ich freue mich schon auf die Fortsetzung und würde mich freuen wenn du mir wieder eine ENS schicken würdest!!

LG
Mina


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