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Die Prophezeiung

SPOILERS!!!!
von

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Wahrheiten

Wahrheiten
 

Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte nicht zu weinen, konnte Ai ihre Tränen nun doch nicht zurückhalte und sie flossen in Strömen.

„Oh, Ai...“, sagte Frau Sayuka, als sie sie fest umarmte. „Ich habe dich schrecklich lieb und ganz bestimmt werden wir uns wiedersehen.“

Ai nickte kurz. „Versprochen?“, fragte sie mit erstickter Stimme und ein Hicksen folgte dem. Frau Sayuka lachte leicht, doch es ärgerte Ai nicht im Geringsten.

„Versprochen. Ich werde meinen Mann schon dazu überreden, auch endlich mal Urlaub zu machen.“

„Dann sollten sie versuchen ihn mit Kuchen zu bestechen.“, schlug Ai vor. Sie ließen voneinander und sahen sich traurig an. Auch Frau Sayuka hatte Tränen in den Augen.

„Ich werde mein bestes geben.“, lächelte sie. „Pass gut auf dich auf und auch auf Zero. Mir scheint, er braucht hin und wieder jemanden, der sich um ihn kümmert.“

„Ja.“, stimmte Ai ihr zu. Noch einmal umarmten sie sich, dann war Herr Sayuka an der Reihe. Ihn drückte Ai nur einmal herzhaft. Sie wusste, dass er kein Mann vieler Worte war und es war ihr auch recht. Sie konnte durch ihren Tränen ohnehin kaum noch sprechen.

Ihr Papa stand hinter ihr und auch er verabschiedete sich von Herr und Frau Sayuka. Ai bekam kaum mit, was er sagte. Sie klammerte sich an Sasukes Hand und versuchte ihrer Tränen wieder Herrin zu werden, doch es gelang ihr einfach nicht.

„Vielen Dank“, sagte Zero zu Frau und Herr Sayuka. Auch er schluckte heftig. „Wirklich, für alles.“

„Viel Glück euch zwei und gebt auf euch acht. Ihr seid bei uns jederzeit willkommen, ganz egal, wann es sein mag.“

„Danke.“, erwiderte Zero.

„Ich weiß gar nicht, was ich jetzt ohne dich machen soll.“, sagte Herr Sayuka und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.

„Sie sind vorher ja auch ohne mich zurechtgekommen“, versuchte Zero es abzuschwächen, doch Herr Sayuka wedelte nur mit der Hand. „Ich wette, wir haben jetzt ein paar weibliche Gäste weniger.“

Zero schmunzelte kurz und ging dann zu Ai. Es war ein leichtes für ihn sie hochzuheben und auf den Arm zu nehmen. Sie umarmte ihn fest und vergrub ihr Gesicht in seinem Nacken. Zero wollte sie gern trösten, doch er wusste, dass jedes Wort sinnlos war. Nichts würde ihre Trauer lindern können.

„Auf Wiedersehen.“, sagte Zero zum Abschied und drehte noch einmal den Kopf, um das Haus zu sehen, in dem er die letzten fünf Jahre glücklich verbracht hatte.

„Bist du bereit?“, flüsterte er zu Ai. Diese nickte nur stumm und klammerte sich noch immer an ihn.

Langsam ging Zero die Straße herunter. Sasuke lief neben ihnen. Er würde sie bis zum Hotel bringen. Ihre Sachen waren am Morgen bereits abgeholt worden und in die Autos eingeladen.

Ai öffnete die Augen und durch den Tränenschleier hindurch, verabschiedete sie sich stumm von dem ersten, festen zu Hause, dass sie je gekannt hatte. Sie wusste, dass es in ihrer neuen Heimat auch ein eigenes Haus geben würde mit einem eigenem Zimmer für sie, irgendwann, aber es würde nicht wie dieses sein. Herr und Frau Sayuka würden nicht gleich nebenan sein. Sie würde die Stimmen aus der Gaststube nicht mehr hören können, keine Gespräche mehr belauschen und den Duft aus der Küche nicht mehr riechen können. Sie vermisste diese alles jetzt schon.

Von ihren Klassenkameraden hatte sie sich ebenfalls am Morgen verabschiedet. Es waren genauso viele Tränen geflossen. Als ihre Klasse von ihrem Umzug erfuhr, hatte man sogar das alljährliche Schneefest, welches immer bei Abenddämmerung am See stattfand, vorverlegt. Sie hatten viel Spaß an diesem Abend gehabt und Ai hatte fast nicht an ihr Fortgehen denken müssen. Zwischen Eislaufen, Schneeballschlachten, heißem Tee trinken, Schlitten fahren und Crépes essen, war dafür auch einfach keine Zeit gewesen. In der Schule hatte sie an diesem Tag kleine Abschiedsgeschenke bekommen und besonders hatte sie sich über das Fotoalbum gefreut, welches ihr Lehrer ihr zum Abschied schenkte. Es lag ganz oben in ihrem Rucksack, so dass sie es sich auf der Fahrt würde ansehen können.

Ai vermisste ihre Freunde bereits jetzt und neben Kimi, würde sie Motoko ebenfalls schrecklich vermissen. Dabei wusste sie nicht einmal warum. Schließlich war er es, der ihr während all der Zeit immer am meisten auf die Nerven gegangen war. Aber wahrscheinlich war es wohl genau das, was ihr fehlen würde.
 

Und dann würde sie sich noch von Sasuke verabschieden müssen. Innerlich versuchte sie sich den ganzen Weg bis zum Hotel, an dem ihr Treffpunkt sein würde, darauf vorzubereiten, aber sie konnte einfach nicht, obwohl es nicht der erste Abschied war, den sie von Sasuke nehmen würde. Doch an diesem Tag war es etwas anderes.

„Lass mich runter.“, sagte sie dann zu ihrem Papa. Plötzlich wollte sie nicht mehr getragen werden, wie ein kleines Kind. Sie wollte den Hunter und Vampiren selbst gegenüber treten und auf ihrem Weg dorthin wollte sie sich von ihrer Stadt verabschieden. Sie wollte sich alles noch einmal einprägen, damit sie sich immer würde daran erinnern können.
 

Als sie das Hotel erreichten, standen bereits vier Autos davor. An den Rädern waren starke Schneeketten befestigt, die dem Schnee trotzdem sollten. Die Hunter und die Vampire standen davor und schienen nur auf sie zu warten.

An der Hausecke blieb Zero stehen und wandte sich zu Sasuke um. „Danke, dass du uns hergebracht hast.“ Damit war der letzte Abschied gekommen, dachte Ai.

Wortlos ging sie zu Sasuke und umarmte ihn. „Ich werde dein Geschenk immer in Ehren halten.“, flüsterte sie und spürte, wie die Tränen abermals in ihr aufstiegen.

„Na, das will ich doch hoffen. Es hat mich schließlich ein Vermögen gekostet.“, witzelte er und Ai musste trotz ihrer Traurigkeit lachen. „Und vielleicht sehen wir uns schon eher wieder, als du denkst. Immerhin hab ihr da unten auch einen Hafen.“

Ai rang sich ein Lächeln ab und nickte, dann ließ sie ihn los und trat einen Schritt zurück.

„Richte Taiki meinen Dank aus. Ich brauche die Tabletten nicht mehr.“, sagte Zero. Sasuke nickte kurz. „Ich muss ihn unbedingt dazu bringen, mir zu erzählen, was so geheimnisvoll daran ist.“, murmelte er. Zero schüttelte den Kopf. „Tu das nicht. Du willst es gar nicht wissen und was deine Pläne angeht, bitte denk noch einmal sehr genau darüber nach. Ich denke nicht, dass du dort glücklich werden würdest.“

Sasuke zuckte mit dem Schultern, als er Zeros Gesichtsausdruck sah, sagte er dann doch: „Ich denke darüber nach, ehrlich. Es würde sowieso nicht gleich sein.“

Damit gab sich Zero erst einmal zufrieden.

„Worüber denn nachdenken?“, fragte Ai verwundert.

„Nichts, weiter.“, versuchte Zero sie zu beschwichtigen.

„Hey, ihr beiden, kommt ihr jetzt! Ich will hier nicht den ganzen Tag stehen.“ Diese Stimme gehörte Kaito und erinnerte sie daran, dass sie noch einen weiten Weg vor sich hatten.

Zero seufzte kurz auf, dann berührte er Ai an der Schulter: „Na komm.“, sagte er sanft. Einen letzten Blick warf sie Sasuke noch zu und dieser zwinkerte ihr zu, was sie lächeln ließ. Bei ihm glaubte sie wirklich, dass sie ihn wiedersah. Er konnte alles möglich machen.

„Das wird aber auch Zeit.“, knurrte Kaito und setzte sich dann in den Wagen. Offenbar waren sie wirklich die letzten. Nur Jinmu, Kaname und Yuki standen noch da sowie einige Hunter, die Ai nicht kannte.

„Habt ihr alles?“, fragte Jinmu sie und es klang aufrichtig. Zero nickte kurz. Ai sah Yuki verstohlen an. In den letzten drei Tagen hatte sie diese kaum gesehen oder mit ihr gesprochen. Immer sei sie zu beschäftigt gewesen. Ai wusste nicht, ob das stimmte. Sie konnte es sich gar nicht vorstellen. Vielleicht wollte Yuki sie auch gar nicht mehr sehen. Vielleicht hatte sie wirklich zu viel erzählt? Aber ihr Papa würde ihr unmöglich die Wahrheit sagen. Sie würde Yuki einfach später direkt danach fragen, beschloss Ai. Das war immer noch besser, als mit der Ungewissheit zu leben.

„Ihr fahrt mit Kaito und Aidou.“ Wieder nickte Zero nur.

Kaito saß bereits am Steuer und nun stieg Aidou auf der anderen Seite ein. Kaname und Jinmu warteten bis Zero und sie eingestiegen waren, wurde Ai plötzlich klar. Also stieg auch sie in das Auto. Als Zero auf seinem Platz saß rutschte Ai wieder zu ihm in die Mitte und kuschelte sich an seine Brust. Zero legte einen Arm um sie und strich ihr zärtlich über den Rücken. Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann fuhren sie auch schon los.

„Willst du dich nicht noch mal umdrehen?“, fragte Zero sie und Ai schüttelte den Kopf. Er beugte sich zu ihr herunter und strich eine Träne von ihrer Wange.

„Glaubst du wir werden jemals wieder herkommen?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. „Glaubst du ich werde sie wirklich alle jemals wiedersehen?“

„Bestimmt.“, flüsterte er leise. „Ganz bestimmt.“ Ai nickte kurz und wischte sich die nächste Träne selbst von der Wange.

„Mag Yuki mich nicht mehr? Sei ehrlich.“, fragte sie dann. Sie fühlte sich eh schon elend genug, da kam es darauf auch nicht mehr an und so wie Kaname sie vorhin angesehen hatte, wusste sie nicht einmal, ob sie mit Yuki irgendwann würde sprechen können.

„Sie mag dich sehr, da bin ich mir sicher. Sie... hat nur gewisse Verpflichtungen, denen sie nachkommen muss.“ Ai fühlte wie sich Zeros Brust schwer hob und senkte. Es fiel ihm schwer darüber zu reden, aber sie konnte nicht sagen, dass er sie belogen hatte.

„Wird Yuki denn immer so wenig Zeit haben?“, fragte sie weiter und ihre Stimme klang immer noch traurig, aber sie weinte nicht mehr.

„Ich weiß es nicht, Ai.“, antwortete Zero ehrlich. Das war genau das, was er von Anfang an befürchtet hatte. Ai mochte Yuki zu sehr, sie hatte sich zu sehr an sie gewöhnt, an ihre Anwesenheit. Und Yuki hatte es zugelassen, ob nun gewollt oder nicht. Dass Ai sie vermissen würde, wenn sie in ihr altes Leben zurückkehrte, hatte sie dabei wohl nicht bedacht.

„Ich denke sie möchte schon viel Zeit mit dir verbringen.“, mischte sich nun Aidou ein und drehte sich kurz um.

„Wirklich?“ Zero sah Aidou warnend an. Er sollte ihr nichts erzählen, was nicht der Wahrheit entsprach. Doch er ignorierte ihn gekonnt.

„Ja, das hat sie mir erzählt. Sie mag dich wirklich und wird versuchen Zeit zu finden, aber du darfst auch nicht enttäusch sein, wenn es nicht gehen sollte.“ Ai nickte stumm und Zeros Magen verkrampfte sich. Es klang für ihn nur wie eine weitere, leere Versprechung.
 

Sie fuhren fast fünf Stunden, mit kleineren Pausen, die er und Ai jedoch abseits von den anderen verbrachten, dann erreichten sie die Ortschaft, in der ein Umsteigen in den Schnellzug möglich war. Zero hatte gewusst, dass es dieses Netz gab, aber ihm war bisher nicht klar gewesen, wie weit es reichte. Wenn er daran dachte, wie nah sie ihm doch eigentlich gekommen waren, wurde ihm ganz anders zumute. Es war wirklich nur Glück, dass sie ihn nicht doch gefunden hatten.

Die wenigen Sachen, die Zero und Ai besaßen wurden in ein extra Abteil gebracht. Der Zug hatte fünf Wagen. Einen für Kaname und Yuki, einen für die Vampire, einen für die Hunter und einen für Zero und Ai. Der letzte Wagen war für die Gepäckstücke. Der Wagen von Ai und Zero befand sich genau zwischen den der Hunter und Vampire und natürlich waren sie nicht allein. Bei ihnen waren Kaito, Christian, Anaki, Aidou, Kain und Takuma.

Zero sprach kaum und Ai wusste auch nicht recht, was sie ihm sagen sollte. Sie war ja selbst auch traurig.
 

Yuki seufzte leise, während sie aus dem Fenster sah. Anders als bei ihrer Flucht nach Koritokái sah sie keine Landschaften an sich vorbeifliegen, sondern nur gähnende Schwärze, die ihr aus dem Tunnel entgegen starrte. Die Stimmung, die in ihrem Abteil mit Kaname herrschte, drückte zusätzlich auf ihr Gemüt.

Die letzten Tage war ihr Verhältnis zu Kaname so entfernt und unterkühlt wie nie zuvor gewesen. Sie sprachen nur wenig miteinander. Yuki wusste sehr genau, dass ihre Fürsprache für Zero und Ai ihm nicht recht gewesen war, doch sie würde es jeder Zeit wieder tun. Trotzdem wollte sie nicht glauben, dass dies der einzige Grund für seine Distanziertheit war. Seit sie das Hotelzimmer verlassen hatte, um nach Ai zu sehen und dann über Nacht geblieben war, war er verändert. Es war keine Wut, die von ihm ausging. Natürlich war er ein wütend gewesen, sehr sogar, aber das konnte nicht der einzige Grund sein. Er war so sehr in seine Gedanken versunken, dass Yuki beinah den Eindruck hatte, er war gar nicht mehr bei ihr.

Sie hatte ihn direkt darauf angesprochen, aber er war ihr ausgewichen oder hatte nicht weiter darauf reagiert. Es machte ihr Sorgen, doch von ihrem Entschluss konnte es sie nicht abbringen.

Sie würde aus der Kuran-Residenz ausziehen und das so bald wie möglich. Davon wusste Kaname noch nichts und Yuki hatte keine Ahnung, wie sie es ihm sagen sollte. Aber sie durfte es auch nicht lange hinauszögern, auch das war ihr klar. Es würde die Sache nur schwerer machen, für sie alle.

Yuki seufzte laut. Dieses Nachdenken brachte sie nirgendwohin. Im Zug wollte sie auf keinen Fall mit Kaname darüber reden.

„Stört es dich, wenn ich Ai besuche?“, fragte Yuki schließlich. Die Stimmung schien sie zu erdrücken und sie musste dringend ein fröhliches Gesicht sehen, auch wenn sie wusste, dass es bei Ai momentan wohl eher unwahrscheinlich war. Dennoch wollte sie weg von dieser seltsamen Stimmung, in der sich Kaname befand.

„Nein.“, antwortete er schließlich. „Bleib nicht zu lange.“, fügte er nach kurzem Schweigen an, erwiderte ihren Blick aber nicht. Sie nickte dennoch kurz und verließ das Abteil. Sie durchquerte das Abteil der anderen Vampire. Einige hatten sich auf den Bänken ausgestreckt und es sich versucht gemütlich zu machen. Yuki spürte ihre aufmerksamen Blicke auf sich, doch sie blieb nicht stehen. Sie wusste, was man über sie dachte.

Sie öffnete die nächste Tür und schloss sie leise hinter sich. Dennoch sah Ai auf und sofort begannen ihre Augen ein wenig mehr zu leuchten. Schwach grinste Ai sie an. Es machte Yuki unglaublich glücklich. Ein wenig verlegen lächelte sie zurück. Zero saß neben Ai, doch er hatte nicht einmal den Kopf gehoben. Das dämpfte Yukis Freude mehr, als sie sich eingestehen wollte.

„Yuki, spielst du mit?“, fragte Ai sie sogleich.

„Was spielt ihr denn?“, entgegnete diese.

„ ‚Mensch ärgere dich nicht‘ und Aidou verliert.“, grinste sie breit.

„Nein, sie kann nicht mehr mitspielen!“, brauste Aidou auf. „Das wäre unfair!“ Yuki kicherte leise und ging zu ihrem Tisch. Dabei ging sie an Kaito und den anderen vorbei, die ebenfalls auf einzelnen Bänken saßen, wobei Kaito mehr lag. Yuki glaubte in ihren Gesichtern zu erkennen, dass sie bereits leicht genervt waren.

„Welche Farbe bist du?“, fragte sie Ai und sah auf das Spielbrett.

„Gelb, Papa ist blau und Aidou rot.“

„Oh, dann sieht es ja wirklich nicht gut für dich aus.“, bemerkte Yuki spitz und sah dabei zu Aidou. Dieser hatte noch drei Spielfiguren in an der Seite und nur eine auf dem Spielfeld. Zero hingegen hatte bereits drei Figuren in Sicherheit gebracht und nur noch mit einer den halben Weg vor sich. Bei Ai waren zwei in Sicherheit und zwei auf dem Feld. Doch einer stand gefährlich nah vor Zeros und würde er im nächsten Zug eine drei würfeln, müsste sie mit dieser Figur nochmal von vorn beginnen.

Yuki verzichtete darauf in das Spiel einzugreifen, beobachtete aber das Ganze. Dabei überlegte sie immer wieder, wo die drei das Spiel eigentlich gefunden hatten. Sie hatte dergleichen noch nie in diesem Zug entdeckt. Aidou grummelte die ganze Zeit vor sich hin, Ai ärgerte sich sehr, als Zero sie tatsächlich zurückschickte und Zero selbst bliebe die ganze Zeit anteilnahmslos, als würde es ihn gar nicht interessieren, was auf dem Spielfeld geschah.

Sehr viel länger ging das Spiel jedoch auch nicht mehr, denn Zero brachte seine letzte blaue Spielfigur in Sicherheit und das Spiel war somit zu Ende.

„Da ging doch etwas nicht mit rechten Dingen zu.“, grummelte Aidou sofort. „Ich verlange eine Revange!“

Fragend hob Zero eine Augenbraue und diese Geste sagte eigentlich alles aus, was er von Aidous Verhalten hielt. Selbst Ai kicherte leise. Yuki unterhielt sich noch ein wenig mit Ai, die alles über ihren Ziehvater erfahren wollte. Doch nur kurze Zeit später, so kam es Yuki vor, öffnete sich die Abteiltür erneut und eine Magd brachte auf einem Rolltablett das Abendessen. Seufzend wollte sich Yuki gerade erheben, da sie sicher war, dass Kaname ihre Anwesenheit zum Essen wünschte und sie ihm ja auch versprochen hatte, nicht zu lange zu bleiben, als man auch einen Teller an ihren Platz stellte.

„Nein, das ist sicher nicht für mich.“, sagte Yuki und wollte den Teller zu Aidou schieben.

„Kuran-sama sagte, sie wünschen vielleicht hier zu speisen.“

Yukis Augen weiteten sich vor Überraschung und stumm nickte sie. „J-Ja, sagen sie ihm vielen Dank.“, stammelte sie.

Sie aßen mit angenehmen Geplauder, an dem sich auch Aidou und Kain und selbst Kaito hin und wieder beteiligten. Nachdem Ai die Fragen über Kurosu offenbar ausgegangen waren, stellte sie nun Fragen über die verschiedenen Schulen. Dabei wollte sie alles ganz genau wissen, von Aussehen der Schuluniformen begonnen, bis hin zu den Klassenstärken, Lehrern, Gebäuden und Klassenzimmern und das Gelände selbst.

Nachdem das Essen jedoch dauerte es nicht mehr lange, bis Ai gähnte und sich die Augen rieb.

„Leg dich auf eine der Bänke.“, riet Zero ihr, „Dort hast du genug Platz.“ Es war das erste Mal, dass er mehr als eine paar Worte gesprochen hatte, seit Yuki den Wagen betreten hatte. Doch Ai schüttelte den Kopf: „Nein, ich bin nicht müde.“ Leicht musste Yuki darüber lachen. Das gleiche hatte sie auch kurz nach ihrem Kennenlernen gesagt. Seufzend zog Zero seine Ziehtochter an sich und Ai legte den Kopf auf seinen Schoß. Er streichelte ihre Schulter und sah weiterhin aus dem Fenster. Stille trat ein, denn auch Aidou hatte sich gleich nach dem Essen auf einen eigenen Platz zurückgezogen. Vielleicht sollte sie gehen, überlegte sie. Sie hatte Kaname versprochen nicht zu lang zu bleiben und Zero schien sich in ihrer Gegenwart nicht wohl zu fühlen.

Sie konnte es ihm nicht einmal verdenken.

„Es tut mir leid.“, flüsterte Yuki schließlich leise. Sie waren zwar nicht allein, dennoch fühlte es sich beinah so an. Die anderen schienen zu schlafen oder zumindest zu dösen. Dennoch sehnte sich Yuki nach dem Moment, in dem sie wirklich mit Zero allein sein konnte.

Einen Moment sah Zero sie irritiert an und Yuki glaube schon, dass er ihr wieder nicht antworten würde. Er hatte sie den ganzen Abend bereits mit Missachtung gestraft, indem er nicht mit ihr gesprochen hatte. Warum sollte es jetzt anders sein? Um die Stille zu überbrücken sprach sie unbeholfen weiter: „Ich wollte dich finden und habe sie alle zu dir geführt. Es ist genauso gekommen, wie du gesagt hast. Ich weiß, ich habe das schon einmal gesagt und meine Worte könnte das Geschehene nicht rückgängig machen, aber...“ Hilflos ließ sie den Kopf hängen.

Zero schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Fensterscheibe. „Du hast getan, was du für richtig hieltest. Vielleicht wäre es anders gekommen, aber irgendwann hätten mich gefunden. Das war mir immer bewusst gewesen und ich wäre nie davon gelaufen.“ Dann stieß er jedoch ein bitteres Lachen aus. „Allerdings habe ich auch nicht damit gerechnet, dass sie mehr an Ai interessiert sein würden.“

Stumm starrte sie ihn an. Seine Stimme klang resignierend, als hätte er sich dem, was auf ihn zukam schon längst gefügt. Zero hob den Kopf und sah sie an. „Du hast dich für mich und Ai eingesetzt, dafür bin ich dir dankbar.“

Sie musste heftig schlucken, um dieses seltsame Gefühl zu verdrängen. Sie wusste nicht ganz warum, aber ihr war plötzlich nach weinen zu mute. Doch das war sicher das letzte, was er gebrauchen konnte. Also sagte sie das nächste was ihr einfiel: „Es kam so vor als hätten sie Angst vor dir. Nicht vor dem, was du getan hast, sondern vor dem, was du tun könntest.“

Noch bevor Zero etwas darauf erwidern konnte, hörte Yuki hinter sich ein Schnauben und schließlich ein abfälliges „Als ob.“ Sie drehte sich um und sah zu Kaito, der immer noch lässig am Fenster lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt und die Beine hingen über der Lehne.

Yuki sah Zero an und wollte wissen, ob er etwas darauf erwiderte, doch als sie in seine Augen sah, stockte ihr der Atem. Auf einmal war sie wie gefangen von seinem Blick, als würde er sie durchdringen und verschlingen.

„Was ist?“, fragte er sie und seine Worte zerrissen den Moment.

„Uhm... nichts... ich... ich...“, stammelte sie und wusste nicht mehr, was sie eigentlich hatte sagen wollen. „Ich... ich konnte den Fluch nicht brechen.“, stieß sie schließlich aus. „Ich meine, danach habe ich eigentlich gesucht und bin dann auf die Prophezeiung gestoßen. Jetzt ist so viel passiert, aber mein eigentliches Ziel habe nicht erreicht. Ich habe keinen Hinweise darauf gefunden, wie man diesen Fluch bei Zwillingen, die in eine Hunterfamilie geboren werden, brechen kann.“ Auch wenn ihr Vater und auch Zero ihr schon gesagt hatten, dass sie nichts tun konnte, beschäftigte sie diese Sache doch noch sehr. Damit hatte schließlich alles begonnen.

„Yuki...“, begann Zero langsam. „Ich sagte doch, dass du dir darum keine Gedanken machen musst. Der Rektor hat recht. Wenn überhaupt jemand diesen Fluch brechen kann, dann nur die Zwillinge selbst. Es liegt außerhalb deiner Macht.“

Diese Antwort stellte sie ganz und gar nicht zufrieden. Sie konnte nicht glauben, dass er sich einfach so damit zufrieden gab.

„Aber...“ Sie sank etwas niedergeschlagen in ihrem Sitz zurück. „Wie oft werden Zwillinge denn geboren?“, fragte sie dann.

„Es ist sehr selten und meistens stirbt ein Kind noch im Mutterleib.“, antwortete er und seine Stimme verriet nichts über seine eigenen Gefühle.

„Und wenn... Angenommen es würden in den nächsten Jahren noch einmal Zwillinge geboren, könntest du ihnen dann helfen.“

Zero atmet geräuschvoll aus und zuckte dann mit den Schultern. „Vielleicht. Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Zwilling noch lebte, wenn ein anderes Paar geborgen wurde. Zumindest nicht, das ich davon wüsste.“

„Oh.“, erwiderte Yuki und all ihre Hoffnungen zerbrachen. Zero betrachtete sie einen Moment schweigen. Er hatte nicht gewusst, dass sie das wirklich so sehr beschäftigte und dass es ihr vor allem so Ernst damit war. Er hatte geglaubt ihr Interesse daran würde mit der Zeit nachlassen.

„Weißt du schon, dass Ai und ich die ersten Tage bei deinem Vater wohnen werden?“, sagte Zero. Irgendwie wollte er sie von diesen Gedanken abringen.

Überrascht sah sie ihn an. „Nein, das wusste ich noch nicht. Es war davon die Rede gewesen, dass ihr im Hauptquartier der Hunter untergebracht werdet. Dann wollte man nach einer Wohnung für euch suchen, die in der Nähe liegt.“

Zero nickte. „Ich habe noch einmal mit Jinmu gesprochen und konnte ihn davon überzeugen, dass es für Ai das Beste wäre, wenn sie erst einmal in eine vertraute Umgebung kommt. Den Rektor kennt sie und aus irgendeinem Grund, mag sie ihn auch.“

„Das ist schön zu hören.“, antwortete Yuki schlicht und biss sich auf die Lippen. Dann würden sie und Zero sich häufiger sehen, dachte sie. Denn auch sie hatte zuerst an ihren Vater gedacht, wenn sie die Kuran-Residenz verlassen würde. Vielleicht war es besser ihm erst einmal nichts davon zu sagen.

„Ich bin froh, dass sich der Rektor gleich damit einverstanden erklärt hat.“, sprach Zero weiter.

„Hast du ihn denn schon gefragt?“

„Jinmu hat ihn noch in Koritokái angerufen. Außerdem wird Yagari-sensei auch da sein. Ich glaube, das hat ihre Entscheidung beeinflusst. Er kann mich Rund um die Uhr bewachen.“

„Zero...“

„Schon gut, ich wusste, dass es so wird.“, antwortete er schlicht.

Sie schwiegen wieder einen Moment, doch dieses Mal war es kein unangenehmes Schweigen, eher ein Einvernehmliches, in dem jeder seinen eignen Gedanken nachging.

„Ich glaube, ich sollte langsam gehen.“, sagte Yuki irgendwann und unterdrückte ein Gähnen. Sie war schrecklich müde geworden. Als Antwort nickte Zero knapp und war wieder so verschlossen, wie zuvor. Abermals lehnte er den Kopf gegen die Fensterscheibe und schloss die Augen. Wortlos erhob sich Yuki und verließ das Abteil.

Sie ging zu Kaname zurück.
 

Die gesamte Fahrt verlief ruhig und entspannt, ohne jegliche Zwischenfälle.

Nachdem Yuki aus Zeros und Ais Abteil zu Kaname zurückgekehrt war, hatte sie den Rest der Fahrt dort verbracht. Kaname sprach noch immer nicht sehr viel mehr mit ihr, was Yuki auch recht war. So konnte sie sich gut überlegen, was sie sagen würde. Doch ein gutes Gefühl hatte sie immer noch nicht dabei.

Dennoch erschien ihr die Fahrt viel zu kurz, als sie ihren Zielort bereits am darauffolgenden Abend erreichten. Autos warten bereits auf sie, um Vampire wie auch Hunter, den Rest der Reise zu erleichtern. Niemand hatte es genau ausgesprochen, aber Yuki nahm an, dass sie alle erst einmal nach Hause fahren würden. Einzig von Kaito und Jinmu wusste sie, dass sie Zero und Ai zuvor zu ihrem Vater bringen würden. Es beruhigte sie, dass wenigstens zwei Menschen die beiden mit offenen Armen empfangen würden und sich freuten, sie bei sich zu haben. Natürlich würde Yagari das nie zugeben, ihr Vater dafür aber umso mehr.
 

Ai und Zeros Gepäckstücke wurden gerade in das Auto verladen, das sie an die Cross Akademie bringen sollte, als ihr eigener Wagen vorfuhr. Yuki blickte noch einmal zu Ai, die sie bemerkte und ihr winkte. Dann hielt der Wagen und ihr wurde die Tür aufgehalten. Kaname stieg vorn ein und Yuki setzte sich auf die Rückbank.

Auf dem Weg zur Kuran-Residenz spiele Yuki nervös mit ihren Fingern. Noch im Zug war sie fest entschlossen Kaname gleich nach ihrer Ankunft um Antworten zu bitten, sie zu verlangen, wenn er ihr wieder auswich, doch jetzt - je näher sie diesem Punkt kam, desto unentschlossener wurde sie. Sie hatte schlicht Angst sich Kaname zu stellen. Sie hatte Angst vor seiner Reaktion, aber besonders vor dem Ausdruck in seinem Gesicht, wenn sie ihm ihren Entschluss mitteilen würde.

Aber es musste noch in dieser Nacht sein, schallte sie sich selbst. Wenn sie es nicht tat, würde sie es nie schaffen. Sie würde es nur immer weiter hinausschieben, bis sie sich wieder in ihre Rolle und ihr Schicksal gefügt hätte. Außerdem hätte sie sich sonst nicht nur sich selbst etwas vorgemacht, sondern auch Zero. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, ihn zu enttäuschen.

Sie wurden bis vor die Haustür gefahren und wieder hielt ihr jemand die Tür auf. Sie war müde und sie sehnte sich nach ihrem Bett. Doch in dieser Nacht würde sie keinen Schlaf mehr finden. Und sie würde auch nicht in diesem Haus zu Bett gehen. Sie betrat das Haus hinter Kaname und war so in ihren Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, wie Kaname stehen blieb und sie ansah. „Stimmt etwas nicht?“, fragte er.

„Nein.“, antwortete sie, überlegte es sich aber gleich noch einmal anders. „Doch.“ Wie sie es auch drehte und wendete, sie würde einen von ihn verletzten, egal wie sie sich entschied. Deswegen war es am besten auf ihre innere Stimme zu hören und diese sprach laut und deutlich zu ihr.

Noch immer wartend sah Kaname sie an und Yuki blickte ihm direkt in die Augen. „Ich habe noch ein paar Fragen an dich, auf die ich eine Antwort möchte. Außerdem... Außerdem habe ich eine Entscheidung getroffen.“

Kaname nickte daraufhin nur kurz und ging voraus. Er führte sie geradewegs nach unten in die Katakomben. Yuki wunderte sich, warum er sie gerade dorthin brachte. Noch dazu führte er sie zu einer Tür, vor der sie schon einmal gestanden hatte. Damals hatte er ihr gesagt, dass ihr der Zutritt verboten sei. Doch jetzt öffnete Kaname die Tür und um Yukis Herz schloss sie eisige Kälte. Etwas Böses und bedrohliches Lag in diesem Raum, das konnte sie deutlich spüren und sie nahm eine Präsenz war, die ihr bekannt vorkam, die sie aber nicht zuordnen konnte.

Die Decke des Raumes war hoch und bestand aus Rundbögen Die Wände waren nicht verziert, aber vereinzelt hingen Fackeln, die warmes Licht spendeten. Es gab nur einen einzigen Gegenstand im Raum. Einen großen steinernen Sarg. Yuki schluckte. Warum hatte er sie hierher gebracht?

„Was möchtest du wissen?“, fragte Kaname sie und ging zu dem Sarg. Mit der Hand strich er über den Deckel und wieder bekam er diesen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Seine Stimme war jedoch ruhig und gefasst und Yuki spürte, dass sie dieses Mal eine ehrliche Antwort bekommen würde.

„Weißt du wer Shizuka Hio getötet hat?“, begann sie mit ihrer ersten Frage. Sie hatte sorgefältig darüber nachgedacht. Vielleicht würde sie dies zu anderen Antworten führen.

„Ich war es.“, antwortete Kaname ohne zu zögern. Leicht erschrocken sah sie ihn an, fasste sich im nächsten Augenblick aber wieder. Sie konnte nicht leugnen, dass sie damit gerechnet hatte.

„Warum?“

„Sie wollte Rache an Rido und brauchte mehr Kraft, die Kraft eines Reinblutes. Sie wollte dich benutzen, um mich zu bekommen. Also tötete ich sie.“

„Ist das der einzige Grund?“

„Nein. Ich brauchte ihre Macht ebenso, denn ich wusste, dass man versuchte Rido zu erwecken.“

Wieder nickte Yuki kurz. „Wie konntest du zulassen, dass man Zero die Schuld gab?“

„Du weißt, es ist ein Verbrechen ein Reinblut zu töten. Zero hatte den meisten Grund dazu es zu tun. Es war eine einfache Lösung.“ Yuki biss sich auf die Lippen und schluckte Tränen herunter. Die Kälte, die ihr Bruder in der Stimme hatte, erschreckte sie nun doch. Er sprach über Zero, als wäre er nur eine einfache Schachfigur in einem Spiel. Sie schloss die Augen, um sich zu sammeln.

„Was ist noch passiert? Warum wird Zero kein Level E mehr?“ Seit sie Zero wieder gesehen hatte, war diese Frage unbewusst in ihrem Geist gewesen. Aber sie hätte nicht gedacht, sie vor Kaname laut auszusprechen.

„Shizukas Blut – er bekam es durch mich.“

Fassungslos starrte sie ihren Bruder an. Sie hatte wirklich mit allem gerechnet, oder es sich zumindest eingebildet, aber diese Aussage raubte ihr den Atem. Scheinbar ungerührt fuhr Kaname fort: „Ich brauchte ihn. Er sollte dein Schild sein und dich beschützen, wenn ich es nicht konnte. Allein deswegen ließ ich es zu.

Und er hat es nur zu bereitwillig getan, so gierig war er.“

„Aber du... du...“ Sie starrte ihren Bruder an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Sie entdeckte eine Seite an ihm, die sie nie vermutet hätte. Nein, das stimmte nicht, berichtigte sie sich selbst. Sie hatte es bisher nur nicht glauben wollen.

„Yuki...“, sagte Kaname und seine Stimme klang nun ganz sanft und einfühlsam. Nie würde er ihr etwas tun, das wusste sie. Deswegen wich sie auch nicht zurück, als er näher kam und mit seinen Finger sanft über ihre Stirn, dann über ihre Schläfe und schließlich ihre Wange strich. Sie hielt seinen Blick fest und versuchte ihn zu lesen.

Wer war der Mann vor ihr wirklich? Wer war ihr Bruder wirklich? Ihr fehlten so viele Jahre mit ihm, ihre ganze Kindheit. Auch wenn Kaname sie immer bei Kurosu besucht hatte, so wusste sie nicht, was er getan hatte, wenn er nicht bei ihr war. Und dann hatte sie wieder den Eindruck, dass sich hinter seinen Augen noch jemand ganz anderes verbarg. Jemand auf den sie nur hin und wieder einen flüchtigen Blick erhaschen konnte.

„Möchtest du es wirklich wissen?“, fragte er sie und sie zuckte kurz zusammen. „Möchtest du wissen, wer ich wirklich bin?“ Sein Kopf kam näher und flüchtig küsste er ihre Lippen. Yuki blieb keine Zeit, den Kuss zu erwidern, aber sie nickte mit dem Kopf. Sie wollte es wissen.

„Die Wahrheit wird dich erschrecken.“, flüsterte er gegen ihr Haar und schloss sie sanft in seine Arme. Darüber dachte Yuki einen Moment nach. Er würde sie nicht warnen, wenn es nicht wirklich so wäre. Würde die Wahrheit, wie auch immer sie aussehen mochte, ihre Gefühle für ihn ändern? Sie schloss die Augen und versuchte in sich hinein zu hören. Sie hatte Kaname schon immer bewundert, ihn schon immer geliebt, seit ihrer Geburt. Nichts hatte das geändert, selbst als sie ein Mensch gewesen war, war es das gleiche starke Gefühl gewesen. Er war immer für sie da gewesen, hatte sie beschützt und stets ihr Wohl im Sinn gehabt. Er würde nichts tun, was ihr schaden würde. Davon war sie fest überzeugt.

„Nein.“, antwortete sie schließlich. „Es ist egal. Es würde nichts ändern. Meine Gefühle für dich bleiben die gleichen. Genauso, wie es auch meine Entscheidung bleiben wird.“

„Wie sind deine Gefühle für mich?“

Ein schmerzhafter Ausdruck huschte über ihr Gesicht und dennoch zwang sie sich ihm in die Augen zu sehen. „Ich liebe dich sehr, das habe ich schon immer. Aber ich weiß nicht... ob es die Art von Liebe ist, von der ich dachte, dass es sie wäre. Du bist mein Freund, mein engster Vertrauter, mein Bruder, doch weiß ich nicht, ob das genügt. Das möchte ich herausfinden.“, antwortete sie ehrlich.

„Deine Entscheidung?“, fragte er in dem gleichen sanften Tonfall weiter, wie auch zuvor. Kein Groll war aus seiner Stimme zu hören.

„Ich habe gelernt, dass es mir schwer fällt für mich allein zu sorgen, auf mich allein zu achten. Ich bin nicht schwach, aber ich verlasse mich zu sehr auf andere. Ich möchte mein eigenes Leben führen, mich ausprobieren, selbst wenn es in Fehlern enden sollte.“ Zitternd holte sie Luft. „Dafür muss ich fortgehen. Ich werde mir eine eigene Wohnung suchen. Ich will arbeiten und mein Leben selbst bestreiten. Ich glaube das muss ich lernen, für mich selbst aber auch um dem Namen Kuran wirklich würdig zu sein.“

„Ich verstehe.“, sprach Kaname schlicht, doch er ließ noch immer nicht von ihr ab.

„Ich kann dir die Wahrheit nicht sagen.“, fuhr er nach kurzen Schweigen fort und Yukis Herz sackte nach unten. „Aber ich kann sie dir zeigen. … Wenn du bereit dazu bist.“

Sie sah in seine Augen und nickte stumm. Kaname legte die Arme um ihre Taile und zog sie fest an sich. Yuki fuhr mit ihren Fingern über seine Schulter, bevor sich ihre Nägel in den Stoff seiner Jacke gruben. Dann stellte sie sich auf die Zehnspitzen, gleichzeitig kam Kaname ein wenig näher. Kurz darauf versanken ihre Reiszähne in seinem Hals.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2012-06-04T22:55:17+00:00 05.06.2012 00:55
wehe du schreibst nicht weiter,ich habe hier oft gelesen und liebe dein ff und hoffe daher das du so schnell wie möglich weiter schreibst! :))
Von:  funnymarie
2012-05-23T04:22:47+00:00 23.05.2012 06:22
ein schönes kapitel
und jetzt bin ich ja sehr gespannt, was yuki sehen wird?
ich hoffe doch, nichts allzu schlimmes?
ich freu mich auf das nächste kapitel
lg funnymarie
Von: zerocool
2012-05-21T20:32:30+00:00 21.05.2012 22:32
Interessant wie es hier ist, statt im Manga. Hoffentlich endet es aber nicht so wie im manga, wo Kaname Handagi und Hanabusas vater killt!


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