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Die Chroniken der Verlorenen Bd. II

Bis in die Nacht...
von

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Tief im Schnee...

Eiskalter Schnee tropfte in wässriger Form von den hervorragenden Dächern der Kleinstadt Godric’s Hollow.

Die Leute, welche sagten, dass das kleine Dörfchen einen eigenen Charme hatte, lagen bei näherer Betrachtung gar nicht so falsch. Die schneebedeckten Straßen wanden sich in Dutzenden Abzweigungen durch das Dorf und schufen somit den Kern des Geschehens. Auf den Straßen trafen sich die Menschen, um sich über den neuesten Tratsch auszutauschen, oder um den allabendlichen Gang in die Kneipe am anderen Ende zu tätigen.

Auch an jenem schneebedeckten Tage wurde es abends auf den Straßen laut.

Schwere Paar Stiefel walzten sich ihren Weg durch den gefallenen Neuschnee und das Knirschen war bis in die nähe gelegenen Wälder zu hören. Hände in Handschuhen klopften gegeneinander und rieben sich, um eine zusätzliche Wärme zu erzeugen. Manche nahmen auch ihre Zauberstäbe, mit denen sie kleine Hautflammen hervorbrachten, die sich schützend um die Hände legten und sie mit Wärme versahen.

Ein nützlicher Zauber der Bergregionen, dachte Albus Dumbledore an jenem Abend.

Er selbst trug einen braunen Reiseumhang, der ihm locker um die schmächtigen Schultern lag. So gesehen könnte man meinen, der Mantel wäre ihm viel zu groß. So wie einige Sachen in der letzten Zeit zu groß für seinen Kopf gewesen waren.

In Hogwarts hatte man ihm schwere Prüfungen aufgehalst, die er allerdings noch leicht hatte schaffen können. Wenn er dabei an seinen Freund Elphias Doge dachte, der die Prüfungen zwar bestanden, aber auch nur „bestanden“ hatte, musste er schmunzeln. Manchmal war es ihm ein Segen, instinktiv zu wissen, was man mit einem Zauberstab machen musste, um Menschen zu beeindrucken.

Hier bleibt zu sagen, dass Albus Dumbledore niemals zu den eitlen und selbstgefälligen Menschen gehörte. Stets blieb sein Geist um andere besorgt und hatte meistens nur das Wohl der Gemeinschaft im Sinne. Allerdings blieben auch Schatten auf der Seele des jungen Mannes zurück.

Man sagt, dass eine noble Einstellung einem noblen Geiste entspringt. Doch niemand fragt sich mehr, welchen Weg dieser Geist hatte einschlagen müssen, damit eine solche Haltung entstand. Meistens gingen diese Menschen durch sehr viel Leid.

Auch Albus Dumbledore wusste dies.

Im Geschichtsunterricht in Hogwarts wurde ihm oftmals deutlich vor Augen gehalten, dass man dem Dunklen verfallen konnte, auch wenn der Geist nichts Böses im Schilde führte. Der Verlust der Seele an die dunkle Seite der Magie war der größte Lapsus, den sich ein routinierter Magier leisten konnte, dachte er und marschierte weiter tapfer auf die schneebedeckte Straße.

„Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore!!!“, rief seine Mutter wütend aus dem Haus.

Grundsätzlich sei hier zu sagen, dass Kendra Dumbledore eine treusorgende und liebende Mutter war. Böse Gerüchte hatten in den letzten Wochen seit dem Umzug der Dumbledores nach Godric’s Hollow die Runde gemacht, in denen Mrs. Dumbledore häufig als Hexe (was sie nun einmal war, aber im negativen Sinne hier gemeint) verunglimpft und beschimpft wurde. Die Leute im Dorf mochten sie nicht und taten auch keinen Abbruch daran, es ihr immer wieder zu zeigen.

„Ja, Mutter?!“

„Ich habe dir Zweidutzend Mal gesagt, dass du gefälligst dein Zimmer aufräumen sollst, wenn du das Haus verlässt!!!“

Sie stand jetzt auf der kleinen Veranda und hatte die schlanken, bleichen Arme um den Oberkörper geworfen. Das dünne, hellbraune Holz knirschte bei jeder Bewegung des Körpers, auch wenn dieser so leicht war wie seine Mutter.

Gerühmt wurde Kendras Miene.

Ihr Gesicht war feinzügig und glatt wie der Hintern eines Babys. Keine Unreinheit und keine Unregelmäßigkeit fand sich dort, sodass die Frauen der Nachbarschaft bereits rätselten, ob hier Magie im Spiele war.

Natürlich war es das nicht. Kendra Dumbledore war schon immer eine sehr hübsche Frau gewesen. Und selbst jetzt, als ihr Alter bereits fortschritt war sie es noch immer. Nicht selten fragten sich die Leute, warum Percival Dumbledore eine solch schöne hatte sitzen lassen, indem er seiner Gewaltgier nachhing.

Einen kurzen Moment huschten Albus’ Gedanken zu seinem Vater nach Askaban, wo er ihn sich in Ketten gelegt vorstellte. Wimmernd und um Befreiung bettelnd. Sicherlich würden die Dementoren gerne kommen und seinem Vater die Seele nehmen. Das einzige, was sie daran hinderte, waren die Wächter.

„Jaah...Das mach ich auch noch.“

„Albus...“, seufzte sie. „Du machst immer alles ‚auch noch’. Könntest du nicht auf einmal etwas ‚jetzt’ machen?!“

„Mutter...“

Sein Gesicht nahm einen bettelnden Zug an und er sah mit blauen Hundeaugen in die Augen seiner Mutter.

„Bitte...“

„Schau mich nicht so an.“, sagte sie und wandte demonstrativ den Kopf ab. „Na gut. Ein letztes Mal. Geh!“

„Ich liebe dich!“

„Ich dich auch, mein Engel.“

Und lächelnd verschwand Albus Dumbledore in die Nacht hinaus.
 

Sie blickte ihm noch lange hinterher.

Der Schneefall hatte wieder begonnen und kleine, weiße Flocken fielen in einem Stakkato zu Boden und verwandelten diesen in Sekunden in eine Rutschbahn aus weißen Gold. Diese Winternacht würde keine gute werden, dachte Kendra und schüttelte den Kopf, als sie die leichte Tür zum Haus aufstieß und hinein ging.

Aberforth erwartete sie bereits in der Diele und blickte sehnsüchtig nach draußen.

„Wohin geht Albus?!“

„Er geht in die Schänke, Schatz.“

Sie schenkte ihm ein Lächeln und wollte sich an ihm vorbeidrängen. Aber der Sohn verstellte ihr den Weg.

„Es ist Besuch im Haus.“

Der kleine Aberforth war schon immer bekannt dafür, dass er wusste, wenn jemand wichtiges oder unwichtiges das Haus betrat. Er war stolz darauf, dass er mit seiner Ziege sprechen konnte und eben jenes genannte immer wusste.

Aber heute war seine Fähigkeit kein gutes Zeichen.

Kendra hatte niemanden durch die Tür gehen sehen und auch niemanden, der sich angemeldet hatte bei ihr oder einem anderen Familienmitglied.

Beinahe panikartig griff sie in die Tasche ihres weiten Faltenrockes und zog aus der Welle von Grün einen dunkelbraunen Zauberstab hervor. Der Griff war aus einem weißlichen Holz geschaffen und schmiegte sich perfekt an ihre Hand an, als sie ihn drohend auf die Tür richtete, die ins Wohnzimmer führte.

Die Spitze begann zu flackern, als sie langsam die Tür mit ihrem Fuß aufschob und auf die kalten Dielen trat.

„Aber, aber, Kendra...“, sagte eine ruhige Stimme. „Wir wollen doch nicht streiten.“

Im Schein des Feuers wirkte das fahle Gesicht des Mannes noch bleicher und kälter, als es ohnehin schon der Fall war.

Seine leuchtenden, grünen Augen hefteten sich an ihre und langsam sank ihr Zauberstab.

„Ich habe doch gesagt, dass du nicht mehr hierher kommen kannst.“

Sie steckte ihn weg und schloss die Tür, wo noch immer Aberforth stand und neugierig hinein linste.

Der Mann im Raum trug einen schäbigen Reiseumhang aus ehemals schwarzer Seide. Seine schulterlangen, braunen Haare wurden langsam lichter, waren aber noch immer eine glatte Mähne, die aussah wie ein Fluss aus Seide. Oder zumindest mal ausgesehen haben musste, wenn man sich die Schmutzpartikel und Verfettung wegdachte.

„Du hast ein nettes Zuhause gewählt, gute Kendra.“, sagte der Mann lächelnd.

Ein Lächeln konnte man die Verzerrung der Miene nicht nennen. Eine breite Narbe zog sich über das linke Auge und ließ es silbrig weiß erscheinen. Der ungepflegte, dunkle Bart schien förmlich vor Dreck zu starren, als er sich verzog.

„Du sagst es...Es ist mein Haus. Was willst du hier, Salazar?!“

„Nenn mich nicht so.“

„Von mir aus, Gregory.“

„Das ist besser. Mir gefällt mein Name zwar besser, aber die Tarnung macht es unabdinglich, mir einen unauffälligen Namen zu geben. Zum Thema: Ich bin gekommen, weil ich deine Hilfe brauche, Kendra.“

Sie setzte sich in den großen, roten Sessel vor dem Kamin und sah ihn an, während er durchs Zimmer lief und vor Percivals Hirschkopf stehen blieb.

Jenen musternd fuhr er fort.

„Vor vier Monaten bin ich auf meinen Reisen nach Norwegen gelangt. Ganz schön kalt da oben.“

Er fröstelte gespielt und sah sie grinsend an.

„Jedenfalls fand ich dort einen bemerkenswerten jungen Mann, dessen Name mir immer noch so leicht über die Zunge wie nie etwas zuvor. Aber Namen sind ja bekanntlich Schall und Rauch.“

„Komm endlich zur Sache.“, meinte Kendra kühl, während sie an ihrem zuvor gemachten Tee nippte.

„Sehr wohl. Als ich den Jungen fand war er bereits von der Durmstrang Akademie für Zauberkunst geflogen und hatte sich irgendwo im Schnee vergraben. Komischer Kerl. Hauste über drei Monate in einem gezauberten Iglu und überlebte. Ich fand ihn vom ersten Augenblick an bemerkenswert.“

Salazar zog seinen Zauberstab aus der Manteltasche und legte die Spitze an die Schläfe.

Memoria.

Ein helles Flackern erfüllte den Raum und ein weißlicher Rauchfaden schwebte um die Spitze des Stabes. Als der Zauberer ihn nun leicht nach vorne schnappen ließ, verdichtete sich der Rauch zu einem klaren Bild.

Vor Kendras Augen schwebte nun das Gesicht eines jungen Mannes. Ein glattes, kantiges Gesicht mit harten Augen blickte sie an. Die Nase war gerade und wies keinerlei Makel auf, ebenso wie die kurz geschorenen, struppigen Haare.

Sie betrachtete das rumpflose Gesicht und legte dabei den Kopf etwas schief.

Sie wusste, was der Gründervater damit meinte, wenn er sagte, dass an dem Jungen etwas besonderes war. Sein Blick hatte etwas animalisches und gleichzeitig wirkten sie weltoffen. Eine Vereinigung der Gegensätze.

„Du siehst es also auch.“, konstatierte Slytherin und lächelte erneut biestig.

„Ich sehe, dass der Junge scheinbar viel Leid durchlebt hat. Ich sehe auch, dass das, was du denkst, nicht so besonders ist, wie es den Anschein macht.“

„Ist das so?!“

Endlich hörte er das Herumrennen auf und nahm ihr Gegenüber am Feuer Platz. Zwischen den zwei Sesseln hatte sie kunstvoll einen kleinen Tisch drapiert, auf dem jetzt plötzlich zwei Tassen Tee standen.

Das Feuer knisterte im Kamin und das Bild ihres großen Ahnen Angus Pollus Dumbledore blickte von seinem Platz über dem Kamin auf sie herab.

„Ich denke, dass dieser Junge dich in deinen Machenschaften nicht weiterbringt.“

Salazar lachte auf, was bei ihm klang, wie ein heiseres Aufkeuchen.

„Machenschaften...“ Er spie das Wort förmlich aus. „Sprich doch nicht so böse von meinen Plänen, aus dieser Welt eine bessere zu machen...“

„Du willst die Muggel ausrotten.“

Sie nippte an ihrem Tee und in Gedanken spielte sie schon wieder mit der Panik. Wenn Slytherin erfuhr, dass sie eine Muggelstämmige war, würde sie den Tod begrüßen müssen. Aber zu einem einfach Todesfluch würde es wohl nicht kommen. Vorher würde er seine Möglichkeit ausnutzen, sie bis ins kleinste Atom hin zu foltern.

Und das durfte nicht passieren.

Seufzend stellte Slytherin seinen Tee ab und sah sie an.

„Ach, Kendra...Siehst du denn nicht, dass diese Welt hier schlecht ist?! Wir wurden und werden gejagt, verachtet und respektlos behandelt, obwohl die Muggel da draußen nicht ohne unsere Magie leben können. Und du bezeichnest mich als Mörder...“

Er griff sich mit gespielter Trauermiene ans Herz.

„Das verletzt mich zutiefst...“

„Schwätzer.“, spottete sie.

„Nun ja. Wie auch immer. Ich bin gekommen, weil ich von dir wissen möchte, ob du jemanden kennst, der diesen Jungen hier beherbergen kann.“

Jetzt war sie erstaunt.

„Warum sollte er hier leben?!“

„Nicht hier. Ich möchte, dass der Junge nur in deine Nähe kommt. Ich möchte ihn nur sicher wissen. Hier in Godric’s Hollow. Damit ich mich persönlich um seine Ausbildung kümmern kann.“

Kendra stellte ihre Tasse ab und sah Salazar jetzt mit einer Mischung aus Faszination und Verachtung an.

„Du willst einen Schüler ausbilden?!“

Lächeln empfing sie erneut und so langsam wurde sie es Leid. Mehr und mehr stieg der Drang in ihr, ihren Zauberstab zu greifen und ihm einen Fluch auf den Hals zu jagen.

„Keinen Schüler. Schüler hatten meine Gefährten vor vielen Jahrhunderten und aus denen sind nichts als kleine Pappsoldaten geworden, die das angeblich Böse bekämpfen. Manchmal könnte ich laut lachen, wenn ich sehe, wie der große Godric Gryffindor mindestens fünfzig Mal an mir vorbei marschiert ist, ohne zu merken, dass ich der Landstreicher an der Ecke war.“

Was auch kein Wunder war.

Kendra wusste aus verlässlicher Quelle, dass Slytherin schon lange keinen eigenen Körper mehr besaß. Das hier war lediglich eine Hülle, die er sich nahm, wenn er sie brauchte.

„Was also willst du mit dem Jungen?!“, fragte sie und bereute die Frage sogleich.

Wer Slytherin mehr als drei Stunden kannte und mit ihm sprach, der wusste eigentlich, weshalb er junge Menschen brauchte. Weshalb er generell junge Zauberer brauchte.

Dennoch hatte sie gefragt.

Dummes Stück, schalt sie sich.

„Ich brauche einen fähigen Körper. Und dieser Junge ist extrem fähig. Und ich will sichergehen, dass er auch das beherrscht, was ich zu haben wünsche.“

Mrs. Dumbledore wandte sich angeekelt ab.

Sie war sich bewusst, dass dieser Mann sie jede Sekunde töten konnte. Es würde nur einen Sekundenbruchteil benötigen und Aberforth, Ariana und Albus waren Waisen, aber dennoch weigerte sie sich, einen Jungen einfach so an das Schafott zu karren.

Aber hatte sie eine Wahl?!

Sie konnte sich aussuchen: Entweder Tod oder die Opferung eines Lebens.

Was machte sie zu dem schlechteren Menschen?!

Slytherin kam näher heran mit seinem Gesicht und sah sie mit seinem grünen Auge an.

„Du kennst eine gute Stelle...nicht wahr?!“

Sie konnte nicht lügen.

„Ja.“

„Sehr gut. Sehr gut.“, frohlockte er und klatschte in die Hände. „Dann zeig mir doch bitte den Ort.“

„Es ist nicht weit. Sie wohnt nebenan. Mrs. Bagshot. Bathilda Bagshot. Sie hat zwar Kinder, aber die leben außer Haus. Und die einzige Kontaktperson, die sie hat, ist eine Muggel Frau mit der sie sich regelmäßig zum Tee trifft.“

Sie wusste, dass sie damit einen Nerv bei Slytherin traf, den man besser nicht anrührte.

„Soso...Bathilda Bagshot...“

Er ließ sich den Namen förmlich auf der Zunge zergehen und intonierte ihn auf drei verschiedene Weisen. Mal sang er ihn beschwingt vor sich hin und mal spie er ihn regelrecht aus.

Kendra überlegte noch immer fieberhaft, wie sie sich dieses Wahnsinnigen ledig werden konnte. Denn eigentlich hatte sie ihm die Hilfe gewährt, die er hatte haben wollen und war nun seiner überdrüssig.

„Hast du alles, was du wolltest?!“

Slytherin grinste.

„Ja. Ich bin mehr als zufrieden, Kendra...“

Und mit einem letzten Augenzwinkern verschwand er von dem Platz, wo er gesessen hatte.

Bathildas Demagogie

Bathilda Bagshot war gerade dabei, eine Kanne Tee zuzubereiten, als es plötzlich an ihrer Haustür pochte.

Die Schläge waren wild und grazil zugleich, sodass die Frau alarmiert aufblickte und sofort nach ihrem Zauberstab griff.

Sie glitt zur Tür und sah durch den Spion.

„Wer ist da?!“

„Guten Abend, Madame.“, sagte die ruhige, beinahe flüsternde Stimme von draußen. „Mein Name ist Gregory Bagshot. Ich versuche Verwandte von mir zu finden.“

Bathilda zog eine Augenbraue in die Höhe und sah erneut durch den Spion. Davor stand ein Mann, der eher Ähnlichkeit mit einem Landstreicher hatte als mit einem Mitglied einer altangesehenen Zaubererfamilie.

Aber sein Name war Bagshot. Immerhin konnte es gut sein, dass sie verwandt waren. Und schwarze Schafe gab es schließlich überall.

Also zuckte sie die Achseln und ihre Hand ergriff den Türknauf.

Man konnte Bathilda Bagshot für übervorsichtig halten oder nicht. Aber manchmal neigte die gute Frau eindeutig zu einer Unvorsichtigkeit, dass einem Zauberer mittlerer Klasse schwindelig wurde.

Als die Tür den Winter hereinließ blickte sie das erste Mal den vermeintlichen Verwandten an. Auffallend war sein leuchtendes Auge und seine Größe. Für einen Zauberer wirkte er sehr hoch gewachsen und beinahe erschreckend dürr dafür.

„Sie sind also...“

„Ja.“

„Kommen Sie herein.“

Sie trat einen Schritt beiseite damit der junge Mann hereintreten konnte.

Die Diele wurde von Mrs. Bagshot immer reichlich gepflegt, so schien es Slytherin. Kein einziges Staubkorn fand sich auf dem gräulichen Teppich wieder. Hier und da stand eine Franse ab, aber das war auch schon die einzige Unebenheit im Gesamtbild des Hauses.

Als Bathilda die Tür schloss, sah Salazar seine Chance gekommen.

Langsam glitt seine Hand unsichtbar ihrer Blicke, in den Mantel und ergriff den Zauberstab. Jenen, den er sich vor vielen Jahrhunderten in dem Gefängnis in Dublin selbst geschaffen hatte.

Und ein Stich der Wut und der Trauer ging durch seinen Geist, als er wieder an seine Geliebte Eileen dachte.

Verdammte Muggel, schrie sein Geist und der Zauberstab glitt von selbst aus der Tasche und richtete sich pfeilschnell auf Bagshots Kopf.

Jene hatte jedoch ebenso ihren Stab gezogen und auf Slytherin gerichtet.

„Ich habe gewusst, dass Sie kommen würden...Irgendwann...“

Er grinste verschmitzt.

„Dann wissen Sie also wer ich bin.“

„Ja. Ich habe es gewusst, als sie geklopft haben, Mr. Slytherin.“

Eine Verbeugung war normalerweise etwas, womit man seinem Gegenüber seinen Respekt und Unterwürfigkeit bezeugte. In Salazars Fall diente es der Verspottung, als er sich spielerisch verbeugte und ihr eine Sekunde den Nacken darbot.

Stupor!“, schrie die Frau und ein roter Blitz schoss durch den Flur.

Schneller, als es das Auge hätte sehen können, war der Gründervater nach oben geschossen und hatte den Fluch mit einem Schlenker seines Zauberstabes beiseite geschleudert. Ein dampfendes Loch an der Decke zeugte noch vom beinahen Exitus.

„Aber, aber, Mrs. Bagshot. Wir wollen doch nicht...“

Ein neuerlicher Fluch schoss an seinem linken Ohr vorbei und versengte die Wand. Diesmal war der Fluch grün.

„Verschwinden Sie aus meinem Haus. Oder ich schreie!“

Schreien kannst du, soviel du willst, dachte Slytherin und vollzog mit dem Zauberstab eine Spiralbewegung.

Wie ein Vogel schoss der Zauberstab der Dame aus der Hand und blieb zitternd auf der Türschwelle liegen. Ein kleines Pentagramm hatte sich selbst auf den Boden projiziert und hielt den Stab in einem Bann.

Accio Zauberstab!“, rief Bathilda, aber mehr als ein müdes Zittern brachte sie nicht zustande.

„Das wird Ihnen nicht helfen, Mrs. Bagshot. Ich fürchte, Ihr Zauberstab wird eine Weile lang unbrauchbar sein.“

Rot vor Zorn sah sie den Magier an und begann dann in einem bellenden Ton zu fluchen.

„Sie verdammtes Aas! Der Himmel möge Ihnen gnädig sein, dafür dass...“

Silencio!“

Aus dem Zauberstab schoss ein durchsichtiger Blitz heraus, der sich wie Kleister über den Mund der Dame legte und ihn beinahe luftdicht verschloss.

Seufzend ließ Salazar seinen Stab sinken, nur um ihn dann wie eine Schlange zuschnappen zu lassen.

Kleine, feste Seile, aus dunklem Haar gewoben, schossen aus der Spitze und wickelten sich wie kleine Schlangen um die Glieder der Frau. Nicht einmal mehr zum Wimmern hatte sie noch Zeit, als Slytherin auch schon erneut über ihr stand.

„Nun...Wenn Sie dann jetzt bereit wären, mir kurz zuzuhören, Mrs. Bagshot. Und mehr noch. Ich möchte, dass Sie das Gesagte...sagen wir...verinnerlichen!!!“

Mit diesen Worten richtete er den Zauberstab auf ihre Stirn und murmelte leise ein Wort:

Amnesia!“
 


 

Selbst als Slytherin gegangen war kam keine Ruhe in das Haus.

Das Feuer schien unruhig zu brennen und flackerte in wilder Ekstase. Aberforth hatte sie, nur Sekunden, nachdem Salazar zu Bathilda Bagshot verschwunden war, bereits versucht auszuquetschen. Jede Einzelheit hatte der Junge wissen wollen. Vom Aussehen bis hin zum Namen des Fremden.

Natürlich hatte sie ihm die Geschichte erzählt, die sie vorher mit dem Gründervater abgesprochen hatte. Er war Gregory Bagshot, ein entfernter Verwandter der Nachbarin und hatte sich im Haus geirrt.

Die Geschichte schien der junge Aberforth auch zu glauben und hatte sich zufrieden in seine Kammer zurückgezogen.

Jetzt saß Mrs. Dumbledore in ihrem Chintz-Sessel und blickte nachdenklich in die Flammen, während sie ein Glas Feuerwhiskey hinunter goss. Eigentlich trank sie es sogar wie Wasser. Aber das war ihr in diesem Moment ziemlich egal.

Sie beschäftigte nicht nur, dass Salazar Slytherin erneut sein Unheil plante, die Welt ins absolute Chaos zu stürzen, sondern auch, dass sie den vielleicht entscheidenden Wink dazu gegeben hatte.

Sie hatte ihm eine mögliche Unterbringung für seine neue Waffe geboten. Und es war gleich, dass die Hexe Bagshot durchaus fähig war, einen guten Zauberer in Schach zu halten. Sie hatte keinen guten Zauberer mehr vor sich.

Slytherin war ein Genie!

Aus den Geschichten, die man sich in Hogwarts über die Gründer erzählt hatte, ging hervor, dass er der wohl listigste Duellant der Zaubererwelt gewesen sein musste. Man erzählte sich, dass er theoretisch sogar in der Lage gewesen war, Godric Gryffindor in seine Schranken zu weisen. Jedoch hatten sich die beiden lediglich auf einem Kraftniveau gemessen, sodass es niemals zu einem richtigen Duell gekommen war.

Zumindest glaubte man das.

Kopfschüttelnd wurde sie von einem Geräusch hinter sich aufgeschreckt.

Wie ein Sturm wirbelte sie herum und richtete den Zauberstab auf die Gestalt hinter ihrem Sessel. Nur um zuzusehen, wie er ihr aus der Hand flog, ehe sie einen Fluch sagen konnte.

Vor ihr stand Albus Dumbledore und senkte den Zauberstab.

„Warum bist du so schreckhaft, Mutter?!“

„Albus...Bei Merlin! Kannst du nicht anklopfen?!“

Mit klopfendem Herzen und rasendem Atem ließ sie sich in den Sessel zurückfallen und schloss kurz die Augen.

Als sie sie wieder öffnete, saß ihr Albus gegenüber und nippte an dem Tee von Slytherin.

„Du hattest Besuch?!“, fragte ihr Sohn und blickte sie offen an.

„Ein Verwandter der Bagshots. Hat sich im Haus geirrt, mein Schatz!“

Albus sagte nichts mehr dazu, sondern trank nur noch den Rest des Tees. Sein kurzes, glattes Haar war noch vom Schnee durchnässt und seine Nase hatten einen tiefen, dunkelroten Ton angenommen.

Auch jetzt erst bemerkte seine Mutter, dass sich ihr Sohn einen Bart stehen ließ. Noch keinen langen oder besonders auffälligen. Einen schlichten, leicht wachsenden Vollbart. Er sah gut aus, fand sie.

Der Bart machte ihn erwachsener.

Erwachsener als er vielleicht war.

„Wo wir gerade davon sprechen.“, begann er und sah wieder auf. „Ich habe, als ich nach Hause kam, merkwürdige Lichter bei Mrs. Bagshot gesehen.“

Kendra erhob sich aus ihrem Sessel und räumte ihre Tasse in die Küche.

Diese befand sich direkt im nächsten Raum, sodass sie freundlicherweise die Tür aufließ, damit sie weiter mit ihrem Sohn sprechen konnte.

Das klinische Weiß der Küche beruhigte ihr Gemüt und ließ sie ein wenig zur Ruhe kommen.

„Lichter?!“, fragte sie zurück, als sie das Geschirr in die Spüle legte.

Mit einem kleinen Ruck ihres Zauberstabes begann Wasser zu fließen und der Lappen huschte mit einer überirdischen Geschwindigkeit über die Teller, die dort noch lagen. Gleich dahinter sauste das Handtuch und trocknete jene ab, während Albus weiter sprach.

„Ja. Magische Lichter.“

Sie ahnte böses.

„Vielleicht probiert sich Mrs. Bagshot einfach nur wieder mal an irgendwelchen Zaubern aus. Du weißt ja, sie ist Historikerin und muss eben auch solche Dinge tun.“

Er nickte verständnisvoll und trank seinen Tee aus.

Spielerisch sah sie, wie ihr Sohn seinen Zauberstab hervorzog und seine Schulbücher erscheinen ließ, in den er in Ferien gerne einmal blätterte. Er war jetzt im letzten Jahr von Hogwarts, stand also somit kurz vor den Prüfungen. Und obwohl jeder Lehrer ihm schriftlich bezeugt hatte, dass er die Prüfungen brillant bestehen würde, so lernte der junge Albus Dumbledore wie ein besessener.

Viele behaupteten, der junge Dumbledore wäre um einiges perfektionistischer gewesen als der spätere weise Schuldirektor.

An dieser Stelle sei gesagt, dass sie sich gar nicht so sehr unterschieden.

Albus Dumbledore war bereits mit siebzehn Jahren sehr klug und brillierte in allen möglichen Bereichen. Sein erster Aufsatz über die Ausrottung der Drachenpopulation hatte bereits begeisterten Anklang im Tagespropheten und anderen Fachzeitschriften der magischen Welt gefunden.

Kritiker überschütteten ihn mit Lob und stellten ihm berauschende Karrieren in Aussicht, die Albus jedoch alle freiwillig ablehnte. Sein größter Traum war das Unterrichten. Er wollte unbedingt ein Lehrer der magischen Künste werden. Er wollte dozieren und den jungen Zauberern von morgen beim Wachsen helfen.

Kendra wusste von diesem Traum und sah lächelnd auf ihn hinab. Im Gegensatz zu vielen anderen wusste sie, dass auch Albus seine verspielten und ziemlich schwierigen Tage hatte, die man kaum ertragen konnte.

Entweder kam er mit irgendeinem wilden Tier nach Hause und bettelte sie an, dass er es behalten dürfe, oder er moserte über seine Zaubertechnik und nötigte alle, seine ‚unperfekten’ Flüche zu bewerten.

Mit dem Jungen hatte man sein Kreuz.

Und es würde auch noch eine ganze Zeit lang dauern, bis sich das ändern würde. Und sie betete dafür.

Plötzlich leuchtete das Wohnzimmer in einem hellen Grün auf.

Wie ein Sturm betrat Kendra das Wohnzimmer und starrte zu Albus, der ebenfalls aufgesprungen war. Sein Zauberstab zitterte leicht ins einer Hand, als sein Blick zum Fenster von Mrs. Bagshot hinüber glitt.

Es war nichts zu sehen.

Ihre hässlichen Vorhänge versperrten die Sicht auf alles, was sich dahinter abspielen konnte. Kendra betete, dass Slytherin die Frau nicht getötet haben mochte. Allerdings war das unwahrscheinlich. Das würde erstens seinen Plan komplett umwerfen und zweitens für mehr Aufsehen sorgen, als er bestimmt gewollt hatte.

„Ich werde hinüber gehen.“, sagte Albus bestimmt.

Seine ruhige Stimme zitterte leicht bei dieser Bemerkung, aber er schien wild entschlossen.

Schneller, als Kendras Hirn begriffen hatte, dass ihr Sohn gerade in das Haus wollte, wo Salazar Slytherin sein Unwesen trieb, hatte sich der junge Mann seinen Umhang umgeworfen und war zur Tür geeilt.

Als der Wind in die Diele blies, wehten seine Haare wie ein Teppich brauner Seide. Er trug sie mittlerweile rückenlang und weigerte sich schlichtweg, seine Haare schneiden zu lassen. Mehr noch, so vermutete seine Mutter, dass er sich einen Zauber über die Haare gelegt hatte, sodass sie keine normale Schere mehr kürzen konnte.

Und Schneidezauber waren sehr gefährlich.

„Sei nicht albern, Albus. Du kannst nicht einfach in ein Haus einbrechen, wenn dort...“

Sie stockte.

„...wenn dort ein merkwürdiges Licht leuchtet.“

„Mutter! Dieses Licht war eindeutig das Licht des Todesfluchs. Und Mrs. Bagshot mag ja brillant sein was die Historie der Welt angeht, aber ich fürchte, dass sie nicht so brillant ist, was das Zaubern angeht.“

„Albus, du bist vermessen!“

Er seufzte und verschwand in die Nacht hinaus.

Noch in derselben Nacht kam er wieder. Es dauerte kaum mehr als eine Stunde. Er hatte den Zauberstab wieder verstaut und sein Gesicht wirkte erwärmt und heiter. Seine Augen glühten regelrecht und er trug einen großen Stapel Bücher unter dem Arm.

„Mrs. Bagshot sagte, dass sie nur versucht hat, eine Schabe zu töten. Und sie hat mich gefüttert.“

Grinsend wies er auf den Stapel und verschwand ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer. Kendra sah mit besorgtem Gesicht die Holzstufen hinauf und seufzte schließlich laut. Der Junge war einfach unverbesserlich.



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