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Die Chroniken der Verlorenen Bd. II

Bis in die Nacht...
von

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Bathildas Demagogie

Bathilda Bagshot war gerade dabei, eine Kanne Tee zuzubereiten, als es plötzlich an ihrer Haustür pochte.

Die Schläge waren wild und grazil zugleich, sodass die Frau alarmiert aufblickte und sofort nach ihrem Zauberstab griff.

Sie glitt zur Tür und sah durch den Spion.

„Wer ist da?!“

„Guten Abend, Madame.“, sagte die ruhige, beinahe flüsternde Stimme von draußen. „Mein Name ist Gregory Bagshot. Ich versuche Verwandte von mir zu finden.“

Bathilda zog eine Augenbraue in die Höhe und sah erneut durch den Spion. Davor stand ein Mann, der eher Ähnlichkeit mit einem Landstreicher hatte als mit einem Mitglied einer altangesehenen Zaubererfamilie.

Aber sein Name war Bagshot. Immerhin konnte es gut sein, dass sie verwandt waren. Und schwarze Schafe gab es schließlich überall.

Also zuckte sie die Achseln und ihre Hand ergriff den Türknauf.

Man konnte Bathilda Bagshot für übervorsichtig halten oder nicht. Aber manchmal neigte die gute Frau eindeutig zu einer Unvorsichtigkeit, dass einem Zauberer mittlerer Klasse schwindelig wurde.

Als die Tür den Winter hereinließ blickte sie das erste Mal den vermeintlichen Verwandten an. Auffallend war sein leuchtendes Auge und seine Größe. Für einen Zauberer wirkte er sehr hoch gewachsen und beinahe erschreckend dürr dafür.

„Sie sind also...“

„Ja.“

„Kommen Sie herein.“

Sie trat einen Schritt beiseite damit der junge Mann hereintreten konnte.

Die Diele wurde von Mrs. Bagshot immer reichlich gepflegt, so schien es Slytherin. Kein einziges Staubkorn fand sich auf dem gräulichen Teppich wieder. Hier und da stand eine Franse ab, aber das war auch schon die einzige Unebenheit im Gesamtbild des Hauses.

Als Bathilda die Tür schloss, sah Salazar seine Chance gekommen.

Langsam glitt seine Hand unsichtbar ihrer Blicke, in den Mantel und ergriff den Zauberstab. Jenen, den er sich vor vielen Jahrhunderten in dem Gefängnis in Dublin selbst geschaffen hatte.

Und ein Stich der Wut und der Trauer ging durch seinen Geist, als er wieder an seine Geliebte Eileen dachte.

Verdammte Muggel, schrie sein Geist und der Zauberstab glitt von selbst aus der Tasche und richtete sich pfeilschnell auf Bagshots Kopf.

Jene hatte jedoch ebenso ihren Stab gezogen und auf Slytherin gerichtet.

„Ich habe gewusst, dass Sie kommen würden...Irgendwann...“

Er grinste verschmitzt.

„Dann wissen Sie also wer ich bin.“

„Ja. Ich habe es gewusst, als sie geklopft haben, Mr. Slytherin.“

Eine Verbeugung war normalerweise etwas, womit man seinem Gegenüber seinen Respekt und Unterwürfigkeit bezeugte. In Salazars Fall diente es der Verspottung, als er sich spielerisch verbeugte und ihr eine Sekunde den Nacken darbot.

Stupor!“, schrie die Frau und ein roter Blitz schoss durch den Flur.

Schneller, als es das Auge hätte sehen können, war der Gründervater nach oben geschossen und hatte den Fluch mit einem Schlenker seines Zauberstabes beiseite geschleudert. Ein dampfendes Loch an der Decke zeugte noch vom beinahen Exitus.

„Aber, aber, Mrs. Bagshot. Wir wollen doch nicht...“

Ein neuerlicher Fluch schoss an seinem linken Ohr vorbei und versengte die Wand. Diesmal war der Fluch grün.

„Verschwinden Sie aus meinem Haus. Oder ich schreie!“

Schreien kannst du, soviel du willst, dachte Slytherin und vollzog mit dem Zauberstab eine Spiralbewegung.

Wie ein Vogel schoss der Zauberstab der Dame aus der Hand und blieb zitternd auf der Türschwelle liegen. Ein kleines Pentagramm hatte sich selbst auf den Boden projiziert und hielt den Stab in einem Bann.

Accio Zauberstab!“, rief Bathilda, aber mehr als ein müdes Zittern brachte sie nicht zustande.

„Das wird Ihnen nicht helfen, Mrs. Bagshot. Ich fürchte, Ihr Zauberstab wird eine Weile lang unbrauchbar sein.“

Rot vor Zorn sah sie den Magier an und begann dann in einem bellenden Ton zu fluchen.

„Sie verdammtes Aas! Der Himmel möge Ihnen gnädig sein, dafür dass...“

Silencio!“

Aus dem Zauberstab schoss ein durchsichtiger Blitz heraus, der sich wie Kleister über den Mund der Dame legte und ihn beinahe luftdicht verschloss.

Seufzend ließ Salazar seinen Stab sinken, nur um ihn dann wie eine Schlange zuschnappen zu lassen.

Kleine, feste Seile, aus dunklem Haar gewoben, schossen aus der Spitze und wickelten sich wie kleine Schlangen um die Glieder der Frau. Nicht einmal mehr zum Wimmern hatte sie noch Zeit, als Slytherin auch schon erneut über ihr stand.

„Nun...Wenn Sie dann jetzt bereit wären, mir kurz zuzuhören, Mrs. Bagshot. Und mehr noch. Ich möchte, dass Sie das Gesagte...sagen wir...verinnerlichen!!!“

Mit diesen Worten richtete er den Zauberstab auf ihre Stirn und murmelte leise ein Wort:

Amnesia!“
 


 

Selbst als Slytherin gegangen war kam keine Ruhe in das Haus.

Das Feuer schien unruhig zu brennen und flackerte in wilder Ekstase. Aberforth hatte sie, nur Sekunden, nachdem Salazar zu Bathilda Bagshot verschwunden war, bereits versucht auszuquetschen. Jede Einzelheit hatte der Junge wissen wollen. Vom Aussehen bis hin zum Namen des Fremden.

Natürlich hatte sie ihm die Geschichte erzählt, die sie vorher mit dem Gründervater abgesprochen hatte. Er war Gregory Bagshot, ein entfernter Verwandter der Nachbarin und hatte sich im Haus geirrt.

Die Geschichte schien der junge Aberforth auch zu glauben und hatte sich zufrieden in seine Kammer zurückgezogen.

Jetzt saß Mrs. Dumbledore in ihrem Chintz-Sessel und blickte nachdenklich in die Flammen, während sie ein Glas Feuerwhiskey hinunter goss. Eigentlich trank sie es sogar wie Wasser. Aber das war ihr in diesem Moment ziemlich egal.

Sie beschäftigte nicht nur, dass Salazar Slytherin erneut sein Unheil plante, die Welt ins absolute Chaos zu stürzen, sondern auch, dass sie den vielleicht entscheidenden Wink dazu gegeben hatte.

Sie hatte ihm eine mögliche Unterbringung für seine neue Waffe geboten. Und es war gleich, dass die Hexe Bagshot durchaus fähig war, einen guten Zauberer in Schach zu halten. Sie hatte keinen guten Zauberer mehr vor sich.

Slytherin war ein Genie!

Aus den Geschichten, die man sich in Hogwarts über die Gründer erzählt hatte, ging hervor, dass er der wohl listigste Duellant der Zaubererwelt gewesen sein musste. Man erzählte sich, dass er theoretisch sogar in der Lage gewesen war, Godric Gryffindor in seine Schranken zu weisen. Jedoch hatten sich die beiden lediglich auf einem Kraftniveau gemessen, sodass es niemals zu einem richtigen Duell gekommen war.

Zumindest glaubte man das.

Kopfschüttelnd wurde sie von einem Geräusch hinter sich aufgeschreckt.

Wie ein Sturm wirbelte sie herum und richtete den Zauberstab auf die Gestalt hinter ihrem Sessel. Nur um zuzusehen, wie er ihr aus der Hand flog, ehe sie einen Fluch sagen konnte.

Vor ihr stand Albus Dumbledore und senkte den Zauberstab.

„Warum bist du so schreckhaft, Mutter?!“

„Albus...Bei Merlin! Kannst du nicht anklopfen?!“

Mit klopfendem Herzen und rasendem Atem ließ sie sich in den Sessel zurückfallen und schloss kurz die Augen.

Als sie sie wieder öffnete, saß ihr Albus gegenüber und nippte an dem Tee von Slytherin.

„Du hattest Besuch?!“, fragte ihr Sohn und blickte sie offen an.

„Ein Verwandter der Bagshots. Hat sich im Haus geirrt, mein Schatz!“

Albus sagte nichts mehr dazu, sondern trank nur noch den Rest des Tees. Sein kurzes, glattes Haar war noch vom Schnee durchnässt und seine Nase hatten einen tiefen, dunkelroten Ton angenommen.

Auch jetzt erst bemerkte seine Mutter, dass sich ihr Sohn einen Bart stehen ließ. Noch keinen langen oder besonders auffälligen. Einen schlichten, leicht wachsenden Vollbart. Er sah gut aus, fand sie.

Der Bart machte ihn erwachsener.

Erwachsener als er vielleicht war.

„Wo wir gerade davon sprechen.“, begann er und sah wieder auf. „Ich habe, als ich nach Hause kam, merkwürdige Lichter bei Mrs. Bagshot gesehen.“

Kendra erhob sich aus ihrem Sessel und räumte ihre Tasse in die Küche.

Diese befand sich direkt im nächsten Raum, sodass sie freundlicherweise die Tür aufließ, damit sie weiter mit ihrem Sohn sprechen konnte.

Das klinische Weiß der Küche beruhigte ihr Gemüt und ließ sie ein wenig zur Ruhe kommen.

„Lichter?!“, fragte sie zurück, als sie das Geschirr in die Spüle legte.

Mit einem kleinen Ruck ihres Zauberstabes begann Wasser zu fließen und der Lappen huschte mit einer überirdischen Geschwindigkeit über die Teller, die dort noch lagen. Gleich dahinter sauste das Handtuch und trocknete jene ab, während Albus weiter sprach.

„Ja. Magische Lichter.“

Sie ahnte böses.

„Vielleicht probiert sich Mrs. Bagshot einfach nur wieder mal an irgendwelchen Zaubern aus. Du weißt ja, sie ist Historikerin und muss eben auch solche Dinge tun.“

Er nickte verständnisvoll und trank seinen Tee aus.

Spielerisch sah sie, wie ihr Sohn seinen Zauberstab hervorzog und seine Schulbücher erscheinen ließ, in den er in Ferien gerne einmal blätterte. Er war jetzt im letzten Jahr von Hogwarts, stand also somit kurz vor den Prüfungen. Und obwohl jeder Lehrer ihm schriftlich bezeugt hatte, dass er die Prüfungen brillant bestehen würde, so lernte der junge Albus Dumbledore wie ein besessener.

Viele behaupteten, der junge Dumbledore wäre um einiges perfektionistischer gewesen als der spätere weise Schuldirektor.

An dieser Stelle sei gesagt, dass sie sich gar nicht so sehr unterschieden.

Albus Dumbledore war bereits mit siebzehn Jahren sehr klug und brillierte in allen möglichen Bereichen. Sein erster Aufsatz über die Ausrottung der Drachenpopulation hatte bereits begeisterten Anklang im Tagespropheten und anderen Fachzeitschriften der magischen Welt gefunden.

Kritiker überschütteten ihn mit Lob und stellten ihm berauschende Karrieren in Aussicht, die Albus jedoch alle freiwillig ablehnte. Sein größter Traum war das Unterrichten. Er wollte unbedingt ein Lehrer der magischen Künste werden. Er wollte dozieren und den jungen Zauberern von morgen beim Wachsen helfen.

Kendra wusste von diesem Traum und sah lächelnd auf ihn hinab. Im Gegensatz zu vielen anderen wusste sie, dass auch Albus seine verspielten und ziemlich schwierigen Tage hatte, die man kaum ertragen konnte.

Entweder kam er mit irgendeinem wilden Tier nach Hause und bettelte sie an, dass er es behalten dürfe, oder er moserte über seine Zaubertechnik und nötigte alle, seine ‚unperfekten’ Flüche zu bewerten.

Mit dem Jungen hatte man sein Kreuz.

Und es würde auch noch eine ganze Zeit lang dauern, bis sich das ändern würde. Und sie betete dafür.

Plötzlich leuchtete das Wohnzimmer in einem hellen Grün auf.

Wie ein Sturm betrat Kendra das Wohnzimmer und starrte zu Albus, der ebenfalls aufgesprungen war. Sein Zauberstab zitterte leicht ins einer Hand, als sein Blick zum Fenster von Mrs. Bagshot hinüber glitt.

Es war nichts zu sehen.

Ihre hässlichen Vorhänge versperrten die Sicht auf alles, was sich dahinter abspielen konnte. Kendra betete, dass Slytherin die Frau nicht getötet haben mochte. Allerdings war das unwahrscheinlich. Das würde erstens seinen Plan komplett umwerfen und zweitens für mehr Aufsehen sorgen, als er bestimmt gewollt hatte.

„Ich werde hinüber gehen.“, sagte Albus bestimmt.

Seine ruhige Stimme zitterte leicht bei dieser Bemerkung, aber er schien wild entschlossen.

Schneller, als Kendras Hirn begriffen hatte, dass ihr Sohn gerade in das Haus wollte, wo Salazar Slytherin sein Unwesen trieb, hatte sich der junge Mann seinen Umhang umgeworfen und war zur Tür geeilt.

Als der Wind in die Diele blies, wehten seine Haare wie ein Teppich brauner Seide. Er trug sie mittlerweile rückenlang und weigerte sich schlichtweg, seine Haare schneiden zu lassen. Mehr noch, so vermutete seine Mutter, dass er sich einen Zauber über die Haare gelegt hatte, sodass sie keine normale Schere mehr kürzen konnte.

Und Schneidezauber waren sehr gefährlich.

„Sei nicht albern, Albus. Du kannst nicht einfach in ein Haus einbrechen, wenn dort...“

Sie stockte.

„...wenn dort ein merkwürdiges Licht leuchtet.“

„Mutter! Dieses Licht war eindeutig das Licht des Todesfluchs. Und Mrs. Bagshot mag ja brillant sein was die Historie der Welt angeht, aber ich fürchte, dass sie nicht so brillant ist, was das Zaubern angeht.“

„Albus, du bist vermessen!“

Er seufzte und verschwand in die Nacht hinaus.

Noch in derselben Nacht kam er wieder. Es dauerte kaum mehr als eine Stunde. Er hatte den Zauberstab wieder verstaut und sein Gesicht wirkte erwärmt und heiter. Seine Augen glühten regelrecht und er trug einen großen Stapel Bücher unter dem Arm.

„Mrs. Bagshot sagte, dass sie nur versucht hat, eine Schabe zu töten. Und sie hat mich gefüttert.“

Grinsend wies er auf den Stapel und verschwand ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer. Kendra sah mit besorgtem Gesicht die Holzstufen hinauf und seufzte schließlich laut. Der Junge war einfach unverbesserlich.



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