Zum Inhalt der Seite

Abenteuer an der Pokémon Akademie

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wenn zwei sich streiten...

„Und wo wollen wir jetzt lang?“ Kaum waren die vier jungen Trainerinnen in den Schatten der Bäume getreten, machte Paul stopp, um sich bei ihren Fanggefährtinnen zu erkundigen, wo es denn weiter gehen sollte, denn das Gebiet war groß.

„Keine Ahnung. Haben wir ne Karte oder so?“ Wie alle anderen auch, kannte Manja das Areal nicht.

Tifi kramte ihren Pokédex heraus: „Ich glaub hier ist so ein Programm drin.“

Die Anderen folgten ihrem Beispiel und mussten auch nicht lange suchen, um den entsprechenden Menüpunkt zu finden.

„Hm, scheint ziemlich groß zu sein, das Gebiet wo wir hin dürfen.“, stellte Paula beim Blick auf den erleuchteten Bereich fest, „Und wo soll’s nun genau hin gehen?“

„Kommt ja drauf an, was für Pokémon ihr beabsichtigt zu fangen.“ Taja runzelte die Stirn und musterte die Karte genau.

Der erlaubte Bereich war nicht nur ziemlich groß, sondern umfasste auch verschiedene Landschaftsformen in denen wohl unterschiedliche Pokémon lebten.

„Is mir egal, ich hab es auf nichts Spezielles abgesehen. Ich schau einfach mal, was mir über den Weg läuft.“

Auch Tifi und Manja bekundeten, dass sie sich überraschen lassen wollten, welche Pokémon ihnen begegnen würden.

„Gut, also wählen wir wohl ein neutrales Gebiet. Wald ist da sicher angebracht. Wenn wir dem Weg folgen, müssten wir später auch auf ein Feld und eine steinigere Gegend stoßen und auf dem Rückweg würden wir auch an einem See vorbeikommen, also wäre so gut wie alles abgedeckt. Auch zeitlich müsste es zu schaffen sein.“ Taja fuhr mit dem Finger über die vorgeschlagene Route.

„Sieht gut aus, also lasst uns weiter gehen.“ Paula war einverstanden und so brachen die vier Akademieschülerinnen nun wirklich auf, um sich ihre ersten Pokémon in der Wildnis zu schnappen. Es versprach ein interessanter Nachmittag zu werden.

Während sie nun also aufmerksam durch die baumige Landschaft wanderten, kam Paula plötzlich eine Idee.

„Hey, wir sind doch hier allein. Wollen wir nicht unsere Pokémon rausholen, damit sie ein bisschen zusammen spielen können? Außerdem können wir so gleich kämpfen, wenn wir einem wilden Poki begegnen.“ Sie strahlte die Anderen so an, dass diese einfach einverstanden sein mussten. Wobei es Paula aber eigentlich auch egal war, ob die anderen Pokémon mit von der Partie waren, Hauptsache Akarin war bei ihr.

Und so dauerte es keine Sekunde bis Glumanda, Plinfa und Panflam um ihre Beine wuselten. Nur Taja hatte sich nicht getraut ihren Pokéball zu zücken.

„Komm schon Taja, lass Flemmli auch raus, es gewöhnt sich doch sonst nie an Gesellschaft.“, versuchte Paula ihre Kameradin zu ermutigen.

„Ich weiß nicht, ich glaub nicht, dass das eine gute Idee ist. Drei andere Pokémon sind vielleicht gleich etwas viel für den Anfang.“, gab die Trainerin zu bedenken.

„Du hast doch dein Kraut, also wird schon nichts passieren.“ Paula war hartnäckig, wenn sie etwas für richtig hielt.

„Ja, versuchen kannst du es doch. Unsere Pokémon sind auch ganz lieb.“ Auch Tifi wollte die Bedenken ihrer neuen Freundin zerstreuen.

Taja hatte zwar nach wie vor kein gutes Gefühl dabei, holte aber doch zögerlich ihren Pokéball hervor, während sie mit der anderen Hand im Beutel an ihrem Trainergürtel ein wenig der Sedarusblätter zerkleinerte, die daraufhin einen aromatischen Duft aussonderten. „Na schön, ich versuch es. Sakura komm raus.“

Der Ball flog in die Luft, öffnete sich automatisch einen Spalt, sodass die Gestalt im Inneren in rotem Schein nach außen dringen konnte. Kaum war dieser vollständig materialisiert, sträubten sich bereits die Federn im Nacken des kleinen Feuerkükens. Es roch etwas. Da waren mehrere Menschen, aber vor allem auch andere Pokémon. Unwillkürlich stieg blinde Wut in ihm auf. Sakura wollte Kämpfen und das sofort. Doch noch etwas Anderes, nicht ganz Unbekanntes hing in der Luft und legte sich wie ein schwerer Schleier über diesen verzehrenden Trieb, sodass sich ebenso Verwirrung in dem kleinen Pokémon breit machte.

„Hey, Sakura, ganz ruhig. Das hier sind Freunde, also schön lieb sein.“

Langsam kam die Stimme seiner Trainerin durch den dicken Schwall an Aggression, der die Sinne des Pokémons bisher weitgehend eingeschränkt hatten. Nun nahm es auch die anderen Gestalten um sich herum genauer wahr. Zwei der Drei Zweibeiner kannte es nicht, nur der Geruch des einen Mädchens rief eine Erinnerung wach. Und auch das rote Ding mit dem Feuerschwanz, das gerade ansetzte fröhlich auf Flemmli zu zurennen, war damit verknüpft. Moment… es kam auf Sakura zu und das löste in dem Pokémon nicht gerade Begeisterung aus. Automatisch nahm es seine Angriffsposition ein und stieß ein leises warnendes Fauchen aus. Doch leider war Akarin nicht gerade sehr gut darin solche Botschaften zu verstehen und rannte deshalb weiter mit freudig ausgebreiteten Armen auf seine neue Freundin zu. Als es dem anderen Feuerpokémon jedoch um den Hals fallen wollte, wich dieses aus und so ging die Umarmung ins Leere.

„Glu?“, verwundert sah es das Feuerküken an, was in geduckter Haltung plötzlich neben ihm stand. Wollte es etwa spielen?

Auch Plinfa und Panflam interpretierten Flemmlis Verhalten ein wenig falsch und kamen freudig angerannt um beim Fangenspielen „Hallo“ zu sagen.

Flemmli fand es dagegen gar nicht lustig, als plötzlich auch noch zwei andere Pokémon angerast kamen. Im Normalfall hätte es einfach mit einem Angriff reagiert, aber irgendetwas hinderte es daran. Also kam dafür etwas anderes auf. Panik. Etwas was dem Feuerpokémon schon lange nicht mehr untergekommen war. Für einen Moment war Sakura etwas überfordert. Es wurde angegriffen und seine Trainerin machte keine Anstalten ihm einen Angriffsbefehl zu geben.

Taja hatte ihr Pokémon die ganze Zeit über im Auge behalten und es gefiel ihr überhaupt nicht, wie sich Sakura zunehmend verspannte. Vor allem bekam sie langsam ebenso Panik, weil die drei anderen Pokémon sich scheinbar überhaupt nicht von den ziemlich eindeutigen Warnsignalen beeindrucken ließen.

„Sakura,…“ Eigentlich hatte Taja vorgehabt ihr Pokémon noch mal zu beruhigen, aber das reagierte etwas vorschnell.

Als Selena, Kev und Akarin in geballter Ladung auf Sakura zugestürzt kamen, war es dem Pokémon zu viel. Bevor seine Trainerin den Pokéball hochreißen konnte, feuerte Flemmli schon eine Glutattacke auf seine drei vermeintlichen Angreifer ab. Die hatten natürlich überhaupt nicht damit gerechnet und rannten voll in den kleinen Feuerhagel herein.

Dann war Taja schneller und holte ihr Pokémon zurück, bevor es noch weitere Attacken von sich geben konnte. Sie hatte doch gewusst, dass es noch zu früh für ihr Pokémon gewesen war. Auch das Sedaruskraut war gegen drei quirlige und verspielte Pokémon machtlos. Und nun waren sie auch noch durch ihre Schuld verletzt worden.

‚Was bist du nur für eine miese Trainerin. Du hast Sakura gar nicht verdient.’, schollt ihre innere Stimme sie. Mit gesengtem Kopf stand die Schülerin da und brachte nur ein leises, aber verdammt schuldbewusstes: „Es tut mir leid, ich hab doch gesagt, wir sind keine gute Gesellschaft.“

„Ach mach dir keinen Kopf, ist doch nichts passiert.“ Entgegen Tajas Erwartung klang Paula überhaupt nicht sauer.

„Aber eure Pokémon sind verletzt!“, protestierte sie.

„Nicht so schlimm, schau sie dir doch mal an.“, fügte Manja in einem fast lachenden Tonfall hinzu.

Erst jetzt hob Flemmlis Trainerin wieder den Kopf und besah sich das, was ihr Pokémon angerichtet hatte. Die drei Schützlinge ihrer Begleiterinnen hatten zwar leicht verkohlte Stellen im Gesicht, aber anstatt heulend auf dem Boden zu liegen, kugelten sich die Drei vor Lachen, weil die Anderen mit dem Ruß im Gesicht einfach nur furchtbar witzig aussahen. Besonders Kev war große Klasse darin, mit schwarz verschmiertem Gesicht Grimassen zu schneiden. So hatten sie schon längst vergessen, dass es eben etwas weh getan hatte.

„Ihr seid nicht sauer?“, erkundigte sich Taja fassungslos.

„Warum denn? Unsere Pokémon haben ihren Spaß und es ist doch niemand ernsthaft verletzt worden. Außerdem war es doch ihre eigene Schuld, wenn sie gleich so auf dein Pokémon zustürmen.“ Auch Tifi zeigte nicht die geringste Spur von Verärgerung.

Taja hatte es allerdings immer noch nicht richtig verarbeitet, dass alle diesen Zwischenfall so locker nahmen und fand nur schwer zur Sprache zurück: „Ok, aber ich glaub ich lass Sakura trotzdem erstmal drin, damit sie sich erholen kann.“

„Klar, ist doch kein Thema, wir versuchen es später einfach noch mal. Jetzt sollten wir sowieso langsam mal weiter gehen, sonst finden wir überhaupt keine Pokémon mehr.“, merkte Paula lächelnd an.

„Kommt ihr drei Spaßvögel, putzt euch das Gesicht ab und dann geht es weiter.“, forderte Manja die Pokémon, die sich immer noch neckten, auf.

Nachdem sich die Kleinen wieder sauber gemacht hatten, ging es dann endlich mit ihrer Suche weiter. Taja hatte schon fast ein schlechtes Gewissen, dass sie die Anderen so lange aufgehalten hatte, aber das schien ihr niemand übel zu nehmen.

So wanderten sie alle friedlich durch den Wald und machten sich eifrig daran Ausschau nach Pokémon zu halten. Doch so richtig wollte sich Keins zeigen.

„Hm, vielleicht haben die anderen Schüler uns alle Pokémon schon weg geschnappt.“, vermutete Manja, nachdem sie nun schon eine dreiviertel Stunde unterwegs waren, ohne auch nur die kleinste Regung im Wald festzustellen. Nur der Wind ließ den Wald ab und zu säuseln, als wenn er ihnen zuflüstern wöllte, wo sich eines der Tierchen befand. Doch leider waren die Trainerinnen nicht sehr gut in Windisch und so blieben ihre Pokébälle vorerst leer.

„Das glaube ich allerdings kaum, die Populationszahlen der Pokémon im hiesigen Wald sind so hoch, dass wir mit den 300 Pokébällen der sich theoretisch derzeit im Wald befindlichen Trainer nicht weit kommen.“, verkündete Taja ernst, woraufhin sie ihre Klassenkameradinnen seltsam anguckten. Sie hatte wie immer nicht mitbekommen, dass das nur ein Scherz sein sollte.

„Na auch egal, Hauptsache es kommt dann irgendwann mal eins.“ Paula war zwar nicht so scharf auf eine Horde gefangener Pokémon, aber ihr war einfach langsam langweilig.

„Du brauchst dich ja nicht zu beschweren, du hast ja schon dein zweites Pokémon.“, gab Manja grinsend zurück.

„Ja stimmt, aber gegen mehr hätte ich nichts, es gibt da ein paar, die wären…“, wollte sie gerade erklären, als sie von Tajas Stimme unterbrochen wurde.

„Seid mal bitte still!“

Sofort blieben alle stehen und lauschten in die Wildnis.

„Also ich hör nichts. Lasst uns weiter gehen.“ Paula war nicht gerade die Geduldigste.

„Warte doch mal, ich glaub auch da ist was.“ Zumindest Tifi hatte genauer hingehört und auch ihr war das leise Geräusch aufgefallen, das nun scheinbar immer näher kam.

„Klingt es wie ein komisches ‚Ho’?“, wollte Manja nun wissen.

Tifi und Taja nickten beide nur, da sie sich auf den Ton konzentrierten.

„Gut, dann hör ich es auch.“

Nun war es nur noch an Paula die Ohren etwas mehr zu spitzen. Sie konzentrierte sich auf die scheinbar stille Umgebung und tatsächlich, da war etwas was sich sehr ungewöhnlich für einen Wald oder reines Pfeifen des Windes anhörte.

„Also ich glaube es kommt auf uns zu, oder?“

Wieder nickten ihre Klassenkameradinnen nur.

„Und ich glaube es kommt von oben.“, stellte Taja fest.

Automatisch richteten sich alle Blicke gen blauen Himmel. Einige Wölkchen schmückten das Bild. Doch plötzlich durchbrach etwas die blau-weiße Eintönigkeit. Ein schwarzer Fleck wurde sichtbar, sehr gut sichtbar sogar, denn er kam ziemlich schnell näher.

„Was ist das?“ Paula konnte den Punkt nicht identifizieren.

„Keine Ahnung.“, auch Taja sah momentan nicht mehr als einen dunkelbraunen Fleck, der ihr allerdings etwas Sorge bereitete, denn er kam wirklich genau auf die kleine Gruppe zu und wurde verdammt schnell größer, „Aber ich glaube wir sollten…“

Das „rübergehen“ kam schon nicht mehr an, denn plötzlich war das unbekannte Flugobjekt überraschend schnell heran und krachte mit einem lang gezogenen „Hooot“ zu Boden. Oder genauer gesagt zu Tifi, denn die Unglückliche stand genau in der Flugbahn.

„Tifi!“, riefen ihre Freundinnen erschrocken aus, als sie mitbekamen, dass sie getroffen war.

„Autsch.“, kam als Antwort aus der kleinen Staubwolke, die sich durch den Aufprall gebildet hatte.

„Alles ok?“ Die Frage hätten sich die Drei eigentlich sparen können, denn wenn man mit voller Wucht von einem Geschoss aus dem Himmel getroffen und zu Boden gerissen wurde, ging es einem bestimmt nicht besonders gut.

Tifi tat jedenfalls im ersten Moment alles weh. Besonders natürlich der Steiß, der sehr unsanft mit dem Erdboden zusammengestoßen war und ihr Bauch, in den sich das Flugobjekt gebohrte hatte. Mühvoll setzte sich das Mädchen auf und besah sich, das was sie eben von den Beinen geholt hatte. Zuerst war es einfach nur eine braune Kugel, doch nach einigen Sekunden bewegte sich das merkwürdige Ding etwas und schaute sie mit zwei großen, rot glühenden Augen an, die in einer merkwürdigen Gesichtsmaske lagen.

„Was ist das?“, wiederholte Paula ihre Frage, denn auch jetzt ergab dieses Pelzknäul keinen Sinn für sie.

„Das ist ein…“ Doch Taja kam nicht dazu, den Namen auszusprechen, denn das Ding stellte sich lieber selber vor.

„Hoothoot“, flötete es.

„Oh ein Pokémon!“ Erst jetzt erkannte die Trainerin in den pinken Sachen, dass das mysteriöse Flugobjekt kleine Flügel und Füße besaß.

Hoothoot, das Eulenpokémon. Es wechselt sein Standbein so schnell, dass man es nicht sieht. Jeden Tag ruft es zur selben Zeit.“ Manja holte sich gleich mal die nötigen Informationen aus dem Pokédex.

„Alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte sich Tifi bei ihrem Fang, immerhin war der Vogel sicher nicht ohne Grund vom Himmel gefallen.

„Hoot. Ho.“, erklärte es ziemlich teilnahmslos und hüpfte dann ohne Umschweife aus Tifis rettender Umarmung.

„Na das ist aber freundlich.“ Paula konnte den Sarkasmus in ihrer Stimme nicht verbergen, denn zumindest ein kleines Dankeschön oder eine Entschuldigung, wenn es Tifi schon niederwalzte, hatte sie schon erwartet, auch wenn es ein Pokémon war.

Manja hatte Tifi inzwischen hoch geholfen. Ihr Rücken tat zwar immer noch ziemlich weh, aber zumindest stehen konnte sie.

„Ist schon gut, Hauptsache es hat sich nichts getan und mir ist ja auch nichts passiert.“ Tifi war nun mal ziemlich gutmütig und so machte sie sich nichts daraus keinen Dank zu erhalten.

Nur einer war die Sache gar nicht egal. Selena fand es überhaupt nicht lustig, dass ein anderes Pokémon seine Trainerin als Auffangkissen missbrauchte und dann einfach so davon spazierte. So eine Unverschämtheit wollte es dem komischen Federvieh nicht durchgehen lassen, also rannte es dem braunen Ding hinterher, stellte sich ihm herausfordernd in den Weg und plusterte sich auf, um seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Doch dem Hoothoot schien das völlig egal zu sein, es marschierte schnurstracks an Plinfa vorbei und tat nicht der gleichen.

„Plin, Plinfa!“ Das blaue Vogelpokémon konnte nicht fassen, dass das andere Pokémon es einfach ignorierte. Da es auch auf heftiges Gezeter nicht im Geringsten reagierte, reichte es dem Wasserpokémon. Selena hüpfte Hoothot hinterher und hackte einmal kräftig in dessen Schwanz. Doch anstatt sich umzudrehen, lief die Eule genauso regungslos weiter wie bisher.

„Also irgendwas ist komisch mit dem Hoothoot, das ist ja ganz apathisch.“ Tifi machte sich ein wenig Sorgen um das kleine Federvieh.

„Du hast recht, irgendwas stimmt nicht.“ Auch Manja kam das Verhalten des Pokémon seltsam vor.

Taja runzelte nachdenklich die Stirn: „Sag mal hatte das Hoothoot irgendwie rotglühende Augen?“

„Ja, sogar ziemlich intensiv rote, die waren ein bisschen unheimlich.“, bestätigte Tifi.

„Aber wenn ich mir das Bild im Pokédex so ansehe, hat es doch normal rote Augen.“ Manja verstand nicht recht worauf ihre Klassenkameradin hinauswollte.

„Ja, aber nicht glühend. Es könnte sein, dass es vielleicht hypnotisiert ist. Bei einer Hypnoseattacke seines anderen Pokémon kann so etwas passieren.“, vermutete Taja.

Die Vier sahen dem seltsamen Vogel hinterher, der immer noch keine Notiz von dem wütend umher springenden Plinfa nahm.

„Dann hat es keine Kontrolle über das, was es tut?“

„Scheint so. Es würde zumindest erklären, warum es überhaupt geflogen ist.“

„Tun das Vögel normalerweise nicht?“ Für Paula ergab das wenig Sinn.

„Das schon, nur hast du dir mal die Flügel angesehen? Sie sind ein wenig kurz und schmal um das Gewicht des Pokémon längere Zeit zu tragen. Vielleicht ist es vor Verwirrung los geflogen, dann haben es die Flügel nicht mehr tragen können und es ist runter gefallen.“ Taja konnte sich nicht vorstellen, wie das Pokémon sonst in die Luft gekommen sein sollte, denn dieser Typ hüpfte normalerweise durch die Gegend und flog eher selten.

„Hört sich logisch an.“ Den drei Anderen war die Theorie eingängig.

„Wenn es schon vom Himmel gefallen ist, was wird es wohl sonst noch für Blödsinn anstellen? Vielleicht tut es sich noch am Ende noch richtig weh.“ Tifi sah ziemlich besorgt aus.

„Stimmt, vielleicht sollten wir hinter ihm her.“, schlug Manja vor.

Doch als sich die Mädchen endlich einig waren, war das Objekt ihres Beschützerinstinktes allerdings bereits verschwunden.

„Verdammt wo ist es hin?“ Langsam ging Paula dieses Pokémon auf den Keks.

„Plin, Plin, Plinfa!“ Aufgeregt wedelte das kleine Wasserpokémon in einiger Entfernung mit den kurzen Ärmchen und deutete in eine Richtung.

Zum Glück war Plinfa dem verwirrten Vogel ein wenig gefolgt, also hatten sie eine Spur. Bevor sie die jedoch wieder verloren, nahmen die jungen Trainerinnen die Beine in die Hand. Hoothoot hatte jetzt anscheinend den Turbogang eingelegt, denn es war ziemlich schwer zu verfolgen. Eigentlich stand es sonst nur auf einem Bein, doch das hatte es nun wohl vergessen.

„Man ist das Teil schnell.“ Paula war es nicht gewohnt so zu sprinten.

„Macht wohl die Hypnose, aber wie halten wir es eigentlich auf, wenn wir es eingeholt haben?“ Manja dachte schon mal daran, wie es weiter ging.

„Fangen würd ich vorschlagen. Dann haben wir es unter Kontrolle und können es notfalls ins Pokémon Center schaffen.“

„Das ist eine gute Idee. Wenn niemand anderes möchte, würd ich es gern fangen.“, verkündete Tifi auf Tajas Vorschlag hin.

„Klar, du hast es ja schließlich auch gerettet.“ Paula hatte zwar nichts gegen Hoothoot, aber Tifi hatte für die seltsame Eule als Stoßdämpfer herhalten müssen, also sollte sie jetzt auch den Lohn bekommen.

Aber dazu mussten sie das Hoothoot erstmal kriegen.

„Na zum Glück rennt es immer nur gerade aus.“

„Naja, Glück würd ich das nicht nennen, da vorne steht ein Baum im Weg und so wie’s aussieht rennt das Teil gerade darauf zu.“, brachte Paula keuchend hervor.

„Dann sollten wir uns beeilen.“

Doch auch einen Zahn zulegen brachte nichts. Hoothoot raste völlig irre genau auf den Baum zu, an dem es wenige Sekunden später mit einem lauten ‚Klatsch’ zum Stehen kam. Oder wohl eher zum Liegen, denn es fiel augenblicklich benommen nach hinten und blieb dort bewegungslos liegen.

„Soweit zu ‚wie stoppen wir es’.“ Manja konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, denn die Szene hatte irgendwo doch sehr lustig ausgesehen.

„Armes Hoothoot.“ Als sie endlich zu dem Pokémon aufschlossen, kniete sich Tifi neben es und schaute nach Verletzungen. Eine leichte Beule zeichnete sich bereits auf der Stirn ab und es hatte die Augen leicht verdreht, aber ansonsten sah es ganz okay aus.

„Fang es lieber, solang es bewusstlos ist, sonst haut es am Ende noch wieder ab.“ Tifi beherzigte Paulas Rat und holte ihren Pokéball hervor. Nun würde es zumindest nicht mehr so schwer sein, die Eule zu fangen. Mit einem Kampf wäre es wahrscheinlich ohnehin nichts geworden, denn Plinfa kam gerade erst mit Panflam und Glumanda im Schlepptau angekeucht. Für die Pokémon mit ihren kurzen Beinen war der Sprint noch viel anstrengender gewesen und nun mussten sie sich erstmal fallen lassen, um wieder etwas zu Atem zu kommen.

Aber Hoothoot hatte sich ja schon selbst außer Gefecht gesetzt und so stieß der Pokéball auf keinen Widerstand, als es den Körper des Vogels traf. Trotzdem war Tifi ein wenig aufgeregt, als der Ball leicht hin und her wippte, immerhin war das gerade ihr erstes wildes Pokémon. Den kleinen Freudenschrei, als der rote Knopf mit einem ‚Blong’ weiß wurde, konnte sie auch nicht zurückhalten, aber es bestand ja eigentlich auch kein Grund dazu. Sie war stolz und durfte es auch sein, denn immerhin hatte sie für dieses Pokémon einen blauen Hintern, Bauchschmerzen und Muskelkater in Kauf genommen.

„Herzlichen Glückwunsch.“ Auch ihre drei Mitschülerinnen gratulierten ihr zum Fang.
 

Nun, da Hoothoot in Sicherheit war, beschlossen die Mädchen eine kleine Pause zu machen. Auch wenn ihnen die Zeit ein wenig davon lief, ein Pokémon hatten sie ja schon mal gefangen und damit war der Nachmittag bereits als Erfolg zu verbuchen. Da konnten sie sich eine kleine Entspannung gönnen. Ein paar Snacks hatten sie auch eingepackt und so wurde es auch noch ein ungeplantes Picknick.

Während sie so dasaßen, ihre belegten Brote verspeisten und quatschten, spannte sich Manja plötzlich und lauschte angestrengt: „Hört ihr das auch?“

‚Nicht schon wieder.’, schoss es Paula durch den Kopf, doch dieses Mal hörte auch sie das merkwürdige Geräusch gleich am Anfang.

Es war ein ziemlich lautes Rascheln, so als käme etwas ziemlich Großes durch das Gebüsch. Direkt auf sie zu. Die Mädchen verstummten, wechselten angespannte Blicke und hielten ihren immer noch plappernden Lieblingen den Mund zu. Die Blätter der dichten Büsche zu ihrer linken Seite zitterten nun schon leicht. Nervosität breitete sich unter den jungen Trainerinnen aus. Es hatte zwar gehießen, dass in diesem Gebiet alle Pokémon sehr friedliebend waren, aber so wie sich die Geräusche anhörten, kam etwas Gewaltiges auf sie zu. Sie waren zwar zu viert, aber ihre Schützlinge hatten sich noch nicht gänzlich wieder erholt, sodass sich Keine sicher war, es mit einem großen, wütenden Tier aufnehmen zu können.

Auch die Pokémon hatten nun erkannt, dass irgendetwas nicht stimmte. Instinktiv bauten sie sich schützend vor ihren Trainerinnen auf.

Tajas Hand glitt automatisch zu ihrem Pokéball. Wenn sie wirklich gegen ein großes Pokémon kämpfen mussten, so war Sakura wohl am besten dafür geeignet, da sie schon ein wenig Kampferfahrung zu haben schien und sicher auch bis zur völligen Erschöpfung kämpfen würde, egal wie unbesiegbar der Gegner auch aussah. Mit der Hilfe der Anderen gab es dann vielleicht die Chance den scheinbar übermächtigen Gegner zu besiegen, oder zumindest eine Möglichkeit zur Flucht zu schaffen.

Mit jeder Sekund wurde das Rascheln der Zweige immer stärker und ein seltsam krächzendes Geräusch kam hinzu.

Ein wenig sorgenvolle Erwartung zeichnete sich auf den Gesichtern der Trainerinnen ab.

„Vorsicht!“

Unter gefährlich knackenden Ästen und einer Woge aufwirbelten Blättern, brach ein Schatten aus dem Dickicht hervor und senkte sich über die vier Mädchen, die im ersten Moment erschrocken zusammen zuckten.

Doch der plötzlich angestiegene Adrenalinspiegel sank augenblicklich wieder, als sie erkannten, wer ihr vermeintlicher Angreifer war.

„Taubsi!“ Ein kleiner Vogel war mit viel Trara dem Gebüsch entglitten, setzte sich nun gemütlich auf einen Ast über den Schülerinnen und besah sie mit einem neugierigen Blick, als müsste es erst einmal die komischen Gestalten am Boden genau inspizieren.

„Ein Taubsi?!“ Paulas Ausruf war irgendetwas zwischen Erleichterung und Enttäuschung.

Sie fand Taubsis zwar toll, aber nach den ganzen bedrohlichen Vorankündigungen hatte sie schon was anderes erwartet.

„Das hat sich aber ganz schön in Szene gesetzt. Aber bloß gut, dass es doch nichts gefährliches war.“ Bei Tifi überwog die Erleichterung.

„Und nun?“ Nachdem sich die kleine zwischenzeitliche Aufregung gelegt hatte, wollte Manja wissen, wie es weiter gehen sollte.

Aber Paula hatte sich darüber schon Gedanken gemacht und wusste eine prompte Antwort: „Na fangen natürlich!“

Wenn sich Taubsi schon wie auf dem Präsentierteller vor sie hinsetzte, schrie das ja regelrecht nach einem Fang. Ohne Abzuwarten ob jemand anderer vielleicht Interesse an diesem Pokémon hatte, schnappte sich die junge Trainerin einen leeren Pokéball und warf ihn nach dem Vogel. Doch das braune Pokémon machte nur einen kleinen Hüpfer zur Seite und ließ das seltsame Wurfgeschoss ungerührt an sich vorbeiziehen.

„Ach Asche!“

„Paula, du musst Taubsi erst schwächen.“, erinnerte Taja ihre Freundin an den allgemeinen Fangablauf.

„Das weiß ich auch, aber soll ich Akarin etwa auf den Baum setzen?“ Paula wusste von vorn herein, dass es keinen Sinn machen würde Glumanda zu erklären, dass es mal schnell auf den Baum klettern sollte.

Tifi hatte allerdings einen besseren Vorschlag: „Versuch es doch herunter zulocken.“

„Und mit was bitte? Soll ich ‚Putt putt putt, komm doch runter Taubsi, ich will dich fangen’ rufen?“ Paula war inzwischen ein wenig gereizt, denn sie konnte es nicht leiden, dass ihr alle da gerade rein redeten und Taubsi in der Zwischenzeit die Kurve kratzen könnte.

Doch das Flugpokémon schien es sich auf seinem Ast gemütlich gemacht zu haben und beäugte das Spektakel unter sich mit großer Neugier. Besonders etwas zog den Blick des Kleinvogels wie magisch an.

„Sagt mal, hab ich einen Knick in der Optik, oder starrt das Taubsi die ganze Zeit auf Paulas Brötchen?“ Taja war aufgefallen, dass der sonst eher als scheu bekannte Vogel merkwürdig viel Interesse an ihnen zu haben schien.

Paula war die Einzige, die ihren Pausensnack noch nicht aufgegessen hatte, weil sie zwischendrin mehr geredet, als gekaut hatte und so hielt sie die Überreste immer noch in der Hand.

„Hm, kann sein. Na das lässt sich ja herausfinden.“ Wie ein Pendel ließ Paula ihren Arm und damit das Brot von einer Seite zur Anderen schwingen.

Wie hypnotisiert folgten die kleinen braunen Knopfaugen, sowie der Rest des Vogelkörpers der Backware.

„Na komm, kleines Taubsi, wenn du das Brötchen haben willst, muss du schon runter kommen. Komm schön runter, es lohnt sich auch. Das Brötchen ist total lecker“, lockte Paula und ließ ihren Snack in geringer Entfernung vor den Baum fallen.

Gespannt warteten alle auf die Reaktion des Kleinvogels. Einen Moment zögerte er noch, dann flatterte er fröhlich gurrend herunter und machte sich an der Zwischenmahlzeit zu schaffen.

Nun da das Objekt ihrer Begierde am Boden und abgelenkt war, hatte die junge Trainerin eine bessere Chance.

„Los, Akarin! Setz Kratzer gegen Taubsi ein.“, befahl Paula und wies auf den Vogel.

Glumanda sah sie einen Moment etwas fragend an, registrierte dann aber das seltsame Flatterding am Essen seiner Trainerin. Und plötzlich verstand es. Dieses blöde Vieh nahm seiner geliebten Paula ihr Essen weg! Das sie darüber ärgerlich war, war ja kein Wunder. So ging das nun wirklich nicht. Mit aufgeplusterter Brust stolzierte Akarin auf das Taubsi zu, um ihm mal gehörig die Meinung zu sagen. Das mit dem Angriff, war ihm beim Erfassen dieses komplizierten Sachverhalts gleich mal entfallen. Aber Akarin wusste instinktiv, was er zu tun hatte.

Mit einem empörten „Glu!“ packte es die andere Hälfte des Brötchens und begann daran zu ziehen, um es dem frechen Vogel wegzunehmen. Doch Taubsi dachte ja gar nicht daran, seine ihm auch noch angebotene Beute zu teilen, geschweige denn sie herzugeben. Also packte es mit dem Schnabel noch fester zu und wirkte Akarins Ziehen durch kräftiges Flügelschlagen entgegen.

„Nein Akarin, du sollst…“ Doch noch bevor Paula ihren Satz beendet hatte, gab das Backwerk nach. Beide Pokémon wurden in die entgegen gesetzte Richtung katapultiert. Taubsi fing das durch einen schnellen Flügelschlag ab, während Akarin gegen den Baum flog. Jammernd hielt er sich den runden Glumandakopf. Taubsi störte sich jedoch nicht daran und fraß in aller Ruhe weiter.

„Oh Akarin.“ Paula wäre am Liebsten zu ihrem kleinen Liebling gerannt und hätte die wachsende Beule an seinem Kopf weggepustet, doch damit hätte sie sicher auch Taubsi verscheucht und nachdem Akarin nun beim Versuch es zu fangen eine Verletzung davon getragen hatte, wollte sie es erst recht nicht entkommen lassen.

Also schnappte sich die entschlossene Schülerin einen neuen Pokéball und warf ihn, in der Hoffnung Taubsi würde nicht ausweichen, weil es zu sehr mit Futtern beschäftigt war. Tatsächlich bemerkte der kleine Vogel das herannahende Geschoss nicht. Doch kurz bevor der Ball endlich sein Ziel erreichte, prallte er überraschend an etwas Anderem ab. Mit einem lauten Klappern flogen plötzlich zwei Pokébälle davon, weit weg von Taubsi, das sich immer noch hingebungsvoll seinem erbeuteten Snack widmete

„Hey was…?“

„Was fällt dir ein mein Taubsi fangen zu wollen?!“, entrüstete sich eine Stimme ganz in der Nähe.

Die Mädchen sahen sich überrascht um, denn die Stimme war geradezu aus dem Nichts aufgetaucht. Das gefiel Paula gar nicht, besonders, weil sie der mysteriösen Stimme bereits eine Person zuordnen konnte und auf die hatte sie jetzt so gar keine Lust.

Plötzlich begann das Gebüsch zu ihrer Seite erneut heftig zu wackeln und unter Stöhnen, Ächzen und Knacken entblätterte sich die Gestalt eines jungen Mädchens aus dem Gebüsch, die auch den Anderen bekannt vorkam.

„Vivi!?“

„Genau! Und das da ist mein Taubsi, also Pfoten weg!“ Die Schülerin die heute ein rotes T-shirt trug, stemmte eine Hand in die Hüfte und zeigte demonstrativ auf den kleinen Vogel am Boden, der sich scheinbar aber überhaupt nicht angesprochen fühlte.

„Oh entschuldige, das wussten wir ja nicht. Da es frei flog, dachten wir es wäre wild und Paula könnte es fangen.“ Taja setzte lieber mal gleich eine Entschuldigung an, denn Paula hatte ihr Gesicht bereits zu einer mittelgroßen Sturmwolke geballt und würde sicher nicht dazu zu bewegen sein, bei ihrer Stellvertreterin um Vergebung zu bitten, und die friedliebende Schülerin wollte sich den Tag nicht durch einen Streit um die Besitzansprüche eines Pokémon verderben lassen.

„Wenn das dein Taubsi ist, warum hast du es dann eben nicht einfach in seinen Pokéball zurückgerufen, anstatt ihn zu werfen?“ Paula zog misstrauisch die linke Augenbraue nach oben. Etwas stimmte doch hier nicht, oder zumindest wollte sie, dass etwas nicht stimmte, denn sie mochte das kleine verfressene Taubsi jetzt schon und konnte sich einfach nicht vorstellen, es in den Händen ihrer Rivalin zu wissen.

„Ich, äh, das war ein Reflex.“, druckste Vivi ein wenig herum.

Für Paulas Geschmack ein wenig zu viel: „Gib’s zu, das ist nicht dein Taubsi, du gönnst es mir nur nicht. So wie den Posten der Klassensprecherin.“

Volltreffer für Paula! Man konnte deutlich sehen, wie sich Vivis Gesichtszüge verfinsterten. Nur mit Mühe konnte sie die leichte Wut in ihrer Stimme unterdrücken: „Es ist aber meins!“

„Beweis es doch einfach durch deinen Pokédexeintrag.“ Manja war es zu blöd dem aufkeimenden Zank zuzusehen.

Vivi zögerte: „Ich äh…“

„Ha! Du hast Taubsi doch gar nicht gefangen!“ Für Paula war dies eindeutig und so konnte sie nicht umhin ein triumphierendes Lächeln aufzusetzen, das auch einen Hauch von unüberhörbarem Spott beinhaltete, der ihrer Mitschülerin galt.

Die war nun ziemlich sauer und brüllte: „Na und? Aber ich hab es zuerst gesehen! Es ist mir nur weggeflogen.“

„Tja, dein Pech, nun schnapp ich es mir eben, wenn du dazu nicht in der Lage warst.“ Es schien Paula fast ein wenig Spaß zu machen, ihr das unter die Nase zu reiben.

„Aber ich habe es zuerst gesehen, deshalb hab ich auch das Anrecht! Wer zuerst kommt, malt zuerst!“, echauffierte sich das Mädchen mit den halblangen Haaren.

„Und wer’s findet, darf’s behalten!“ Paula war nicht gewillt auch nur einen Millimeter nachzugeben.

„Hey, beruhigt euch mal wieder, ihr verscheucht noch sämtliche Pokémon aus dem Wald und Taubsi ist auch gleich weg, wenn ihr so weiter streitet.“, versuchte Tifi die beiden Hitzköpfe, die sich wütend anblitzen, zu beschwichtigen.

Allerdings mit wenig Erfolg.

„Also ich verzichte nicht auf Taubsi!“, machte Paula noch einmal klar.

„Ich auch nicht!“ Auch Vivi blieb stur.

„Meine Güte, ihr seid ja wie zwei kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug streiten. Klärt es doch einfach durch einen Kampf. Dann stehen wir nicht noch drei Stunden hier.“ Manja verdrehte genervt die Augen.

Die beiden jungen Trainerinnen funkelten sich noch einige Augenblicke böse an, dann verschränkte Vivi die Arme und zuckte mit den Schultern: „Von mir aus, dann hol ich es mir eben auf diesem Wege.“

„Das kannst du aber vergessen, ich werd dich platt machen!“ Damit war wohl auch Paula einverstanden.

„Na super, brauchen wir nur noch nen Schiedsrichter und dann ist der Zickenkrieg hoffentlich bald vorbei. Wer will sich zwischen die Beiden stellen?“, fragte Manja leicht grinsend ihre beiden Kameradinnen.

Tifi schaute gleich ganz erschrocken, denn so wie sich Paula und Vivi gerade anknurrten, würde wohl jeder, der sich zwischen sie stellte, zu Hackfleisch verarbeitet werden.

„Naja ich kann es versuchen. Ich kenn zumindest die Regeln, auch wenn ich das noch nie gemacht hab.“, gab Taja ziemlich kleinlaut von sich.

„Gut, dann ist Taja Schieri!“, legte Manja fest, da sie keine Lust hatte, auf eventuelle Einsprüche er beiden Streithähne zu warten, „dann lasst den Kampf beginnen!“
 

Nachdem Taja mit ihrer neuen Freundin und deren Konkurrentin noch die Modalitäten geklärt hatte, stand sie nun in der Mitte zwischen den beiden, sich feindselig anstarrenden Trainerinnen. Obwohl sie kein Interesse an Taubsi hatte, war Taja verdammt nervös, denn immerhin würden im Ernstfall ihre Entscheidungen bedeutend für die Zukunft des Kleinvogels und auch der beiden Mädchen sein. Sie hoffte nur inständig, dass sie sich die Handlungsweisen der Schiedsrichter bei den Pokémonkämpfen, die sie bisher gesehen hatte, gut gemerkt hatte und sie nun auch richtig anwendete.

Und was, wenn sie einen Fehler machte und Paula deswegen Taubsi nicht bekam? Sie würde doch sicher furchtbar sauer sein. Plötzlich schlichen sich mehr als kleine Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war sich freiwillig zu melden, in ihr Bewusstsein. Am Liebsten hätte die Trainerin in den lila Sachen einen Rückzieher gemacht, doch alle sahen sie bereits erwartungsvoll an.

Also musste sie sich wohl oder übel zusammen reißen und einfach auf das Beste hoffen.

„Gut, dies ist ein Trainerkampf um Taubsi zwischen Paula und Vivi. Jede Trainerin darf ein Pokémon einsetzen. Diejenige, deren Pokémon nicht mehr weiterkämpfen kann, verliert und entsagt ihrer Fangabsichten bezüglich des Taubsi.“

Mit ernster Miene sah sie zu den beiden Mädchen: „Und, seid ihr bereit?“

Die Kontrahentinnen nickten nur angespannt. Paula war ja sonst ziemlich relaxt was Kämpfen anging und es machte ihr auch nichts aus, mal zu verlieren. Aber dieser Kampf war etwas anderes. Hier ging es um eines ihrer Lieblingspokémon und außerdem war dieser kleine Machtkampf schon fällig, seit sie das erste Mal aneinander geraten waren. Also war Paula wild entschlossen dieses Kräfteringen endlich für sich zu entscheiden.

Doch Vivi sah nicht weniger entschlossen aus. Auch ihr ging es wohl eher darum, diesem vorlauten Mädchen, was ihr nun schon zum wiederholten Male in die Quere gekommen war, einmal in ihre Schranken zu verweisen. Taubsi war ein guter Bonus.

„Gut, dann ist der Kampf hiermit eröffnet!“, ließ Taja verlauten und wünschte insgeheim Paula alles Gute. Auch wenn sie mit Sicherheit versuchte unparteiisch zu sein, sie hoffte doch inständig, dass ihre neue Freundin das Duell für sich entscheiden würde.

In der war inzwischen der Kampfeswillen aufgelodert und wurde zum Flächenbrand, der die Augen der Trainerin aufleuchten ließ, als sie ihr Pokémon auf das Feld schickte: „Akarin! Los geht’s! Zeigen wir es ihnen!“

Glumanda schaute zunächst ein bisschen verwirrt, denn es hatte sich ja gerade erst von seiner Konfrontation mit dem Baum erholt und der braune Vogel machte sich auch immer noch frech über das Essen seiner Trainerin her, nur schien die das gar nicht mehr zu kümmern. Aber was sollte es. Mit treuherzigem Blick dackelte das Feuerpokémon dorthin, wo seine Trainerin wies. Es verstand zwar nicht so richtig was los war, aber Paula würde schon wissen, was das sollte. So stand es da, sah sie mit großen Augen an und harrte der Dinge, die da kommen mögen.

Vivi hatte das Ganze beobachtet und hatte nur ein höhnisches Lächeln für ihre Gegnerin übrig. Taja wusste wieso die Schülersprechervertreterin sich so wenig beeindruckt gab, denn im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen hatte sie alle Kämpfe ihrer Klassenkameraden genaustens beobachtet und wusste, was für ein Gegner Akarin und Paula bevorstand. Ein leichter Kampf würde das sicher nicht werden.

„Melody komm raus!“ Auch Vivi entließ mit einem Lächeln auf den Lippen nun endlich ihren Partner, damit der Kampf beginnen konnte.

Ein roter Strahl ergoss sich aus ihrem Pokéball auf die Duellfläche. Alle hielten gespannt die Luft an, was sich nun daraus materialisieren würde, denn der klangvolle Spitzname verriet noch nichts.

Eigentlich war es Paula ja egal, was da aus Vivis Ball herauskam, es würde sowieso gleich wieder dahin verschwinden, wenn sie und Akarin es in den Boden gestampft hätten, doch als sich aus dem Rot langsam eine gelbliche Kugel heraus kristallisierte, musste sie doch ein klein wenig schlucken. Die Schülerin wusste zwar nicht mehr genau wie es hieß, aber irgendwie sah es aus wie ein fettgefüttertes Pikachu mit kurzen Ohren und Ziegelmuster auf dem Fell. Es war ein Bodentyp, soweit sie sich erinnerte und wenn Paulas Gedächtnis sie nicht ganz im Stich ließ, war Feuer gegen Boden nicht wirklich effektiv.

Mist, wo hatte Vivi nur schon so ein Pokémon her? Sie musste es wohl gerade erst gefangen haben. Vermutlich war ihr Starterpokémon ein Wassertyp und deshalb setze sie lieber das frisch Gefangene ein. Also konnte Paula Glück haben und es war noch nicht sehr fortgeschritten mit seinen Attacken. Akarin allerdings auch nicht, wie ihr mal eben wieder einfiel. Aber alles Grübeln brachte nichts, es war Zeit zu handeln!

„Akarin, los greif dieses Ding an mit Kratzer!“, befahl Paula und hoffte, dass sich Glumanda nicht seine Krallen an dem harten Pokémon abbrechen würde.

„Hey, Melody ist kein Ding! Es ist ein…“, empörte sich Vivi.

Sandan, das Mauspokémon. Es lebt in trockenen Regionen mit wenig Regen. Es rollt sich ein, um sich vor Gegnern zu schützen.“, ertönte es passend von der Seitenlinie.

Tifi hatten inzwischen ihren Pokédex herausgekramt und sich Paulas Gegner mal genauer angesehen. Dass es ein bisschen das Kampfgeschehen störte, merkte sie jetzt erst, errötete leicht und steckte den kleinen Computer wieder in die Tasche.

„Mir egal, los jetzt Akarin, Kratzer!“ Paula wiederholte ihren Befehl lieber noch mal, denn sie hatte manchmal den Eindruck, dass Akarin etwas unter Gedächtnisschwäche litt.

Auf ihren Ruf hin, sah sie Glumanda mit fragendem Blick und einem erstaunten „Glu?“ an, genau wie jedes Mal wenn sie versucht hatte ihn eine Attacke ausführen zu lassen. Innerlich musste Paula den Kopf schütteln. Warum begriff ihr Pokémon eigentlich nicht, was sie von ihm wollte? War sie etwa eine schlechte Trainerin? Doch sie wollte sich ihren innerlichen Seufzer nicht anmerken lassen, hob also entschlossen die Hand um, wie immer, ihrem Schützling noch mal vorzumachen, was sie meinte.

Akarin beobachtete die Verrenkungen seiner Trainerin neugierig, dann hellte sich seine Miene plötzlich auf. Ach so, es sollte dem gelben Ding die Hand zur Begrüßung geben, so wie es die Zweibeiner immer machten! Warum hatte sie das denn nicht gleich gesagt? Also wand sich die Feuerechse fröhlich um, um auf das seltsame Pokémon zuzugehen, doch das war längst nicht mehr an Ort und Stelle, denn es hatte seiner Trainerin Gehorsam geleistet, die den Augenblick des Zögerns für sich genutzt hatte.

Mit ziemlicher Geschwindigkeit war es heran und knallte mit der Schulter gegen Akarin, so heftig, dass sich die Feuerechse mehrmals überschlug und eine Schleifspur im Boden zurück ließ.

Au! Etwas benommen und mit zahlreichen Blessuren rappelte sich Glumanda wieder auf. Das war aber ein unhöflicher Zeitgenosse! Nun war Akarin ernstlich ein wenig verstimmt. Doch eine Sekunde später hellte sich seine Miene trotz Schmerzen wieder auf, denn ihm war noch eine Möglichkeit eingefallen. Vielleicht hatte der Gelbling ja doch nur Kuscheln gewollt, aber seine Kräfte überschätzt? Also verzieh das Feuerpokémon seinem Gegner augenblicklich und öffnete freudig die Arme, als Sandan erneut heran kam.

„Melody, los, Kratzfurie!“, gab Vivi den energischen Befehl. Dieses jämmerliche Glumanda war doch kein Gegner für sie.
 

Den Zuschauern war allerdings etwas anderes aufgefallen.

„Kratzfurie? Lernt Sandan die Attacke nicht erst auf einem höheren Level?“, hakte Manja bei Taja nach, die zwar den Kampf mit äußerster Konzentration verfolgte, dies dennoch mitbekam und mit einem Nicken quittierte.

„Tja, Melody und ich sind eben schon eine ganze Weile zusammen und wir haben reichlich Kampferfahrung. Ich sagte doch, du hast nicht die leiseste Chance.“ Nun war es Vivi, die sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen konnte. Paula hatte ein bisschen zu große Töne gespuckt, ohne ihren Gegner zu kennen und nun würde sie den Preis für ihre Überheblichkeit zahlen müssen.

Die junge Trainerin wusste, wie schnell ihr Pokémon diese Mehrfachattacke ausführen konnte, da brauchte sie sich um einen Sieg keine Sorgen mehr machen, denn Glumanda war anscheinend nicht nur extrem begriffsstutzig, sondern auch noch ziemlich lahm.

Es ließ Sandan tatsächlich sehr nahe herankommen und strahlte dabei auch noch, als würde das Bodenpokémon Plüsch statt scharfer Krallen an den Pfoten haben.

„Akarin, Ausweichen!“ Paula fiel im Moment nichts Besseres ein, als ihr Pokémon erst einmal in die Defensive gehen zu lassen. So schnell, wie die Klauen näher kamen, hatte sie Glück, wenn Akarin nicht in den nächsten Sekunden wie ein Kratzbaum, der von einer Horde wilder Mauzis heimgesucht wurde, aussah.

Ausweichen? Hatte Akarin das richtig gehört. Hm, erst wollte seine Trainerin, dass es auf den gelben Kloß zu ging und nun plötzlich nicht mehr? Paulas Meinung war wohl so wechselhaft wie das Wetter. Aber gut, Glumanda beschloss seinem Menschen die Freude zu machen. Doch leider einen Moment zu spät, denn Sandas erster Schlag traf die kleine Feuerechse mitten auf die Wange.

Schon wieder Au! Warum musste der gelbe Zwerg denn immer so grob sein? Und was es mit dem ganzen Gefuchtel seiner Arme wollte, verstand Akarin auch nicht. Doch plötzlich traf ihn ein Geistesblitz.

Ja, nun machte alles Sinn! Das andere Pokémon wollte Hascher spielen, deswegen kam es ständig wieder angerannt und versuchte ihn abzuklapsen. Und Paula wollte, dass Akarin sich nicht fangen ließ. Na logisch! Da war Akarin natürlich dabei. Blitzschnell drehte es sich um und jagte fröhlich quietschend im Zickzackkurs davon, während Sandan etwas betröppelt drein schaute, weil seine Attacken ins Leere gingen.

„Hey, was soll das?“ Vivi war auf diese Art des Ausweichmanövers nicht vorbeireitet gewesen.

Das war aber auch eine ziemlich gute Frage, die sich gerade alle Anwesenden stellten, selbst Paula, die wirklich keine Ahnung hatte, was sich ihr Pokémon da gerade dachte. Doch das musste sie ja niemanden auf die Nase binden.

„Na Ausweichen, siehst du doch. Da ist dein Sandingsbums wohl zu langsam.“, erwiderte sie so selbstsicher sie konnte.

Sie hatte zwar keinen Plan was Akarin da gerade tat, aber solang es funktionierte…

„Sandingsbums?“ Nun war Vivi richtig wütend. Melody und sie waren nun schon seid einem Jahren unzertrennlich und niemand beleidigte ihr Pokémon!

„Melody, hinterher und Schlitzer!“ Sie wollte sowohl der frechen Trainerin, als auch ihrem seltsamen Pokémon gehörig die Leviten lesen.
 

Doch ganz so leicht wie gedacht, war das leider nicht, denn Akarin war für seine kurzen Beinchen ziemlich flott unterwegs und rannte jauchzend kreuz und quer über die Wiese, während das behäbigere Sandan ziemlich Probleme hatte mit dem Tempo mitzuhalten.

„Glu?“ Mit einem Male blieb Glumanda jedoch unvermittelt in der Nähe, wo Taubsi trotz des Getöses um es herum völlig vertieft im Zerlegen des Brötchens war, stehen, denn es hatte etwas Interessantes am Erdboden entdeckt und bückte sich, um es näher zu inspizieren.

Doch leider hatte es seinen Boxenstopp nicht angekündigt und ihn auch noch eingelegt, als Melody schon ziemlich nah heran war und so konnte das Bodenpokémon nicht mehr bremsen und knallte gegen Glumandas in die Luft gerecktes Hinterteil. Beide Pokémon wurden durch den Aufprall ein Stück weggeschleudert. Während Sandan auf seinem Allerwertesten landete, pflückte Glumanda ein wenig Gras mit der Schnauze, konnte sich aber ziemlich schnell wieder aufrappeln, denn seine Neugier war stärker als der beißende Schmerz um sein Maul herum.

Vivi wurde dieses Griffeltheater langsam leid. Dieses Pokémon kämpfte nicht, es machte sich und seine Gegner einfach nur lächerlich und das wollte sie Melody nun wirklich ersparen.

„Melody, mach es endlich fertig mit Turbodreher !“ Es sollte Sandans finale Attacke werden.

Ihr Pokémon sprang motiviert wieder auf die Beine und setze zu einem gewaltigen, schrägen Sprung an, um seinen Gegner mit der vollen Power seiner Eigendrehung zu Boden zu schicken. Doch gerade als Sandan am höchsten Punkt war, bückte sich Glumanda. Der Schlag ging nicht nur ins Leere, sondern verringerte ohne Körperkontakt auch nicht Sandans Schwung, sodass das Pokémon über die Feuerechse hinweg segelte und mit einem lauten Rumms frontal gegen den Baum krachte.

„Nein! Melody! Steh wieder auf, ich weiß das kannst du!“ Etwas Panik durchflutete Vivi, als sie zusehen musste, wie ihr Liebling eine unangenehme Kuschelstunde mit der Baumrinde hatte. Sandans leicht benebelter Blick und das Schwanken machten ihr etwas Sorge, doch sie wusste, dass Melody noch nicht an ihre Grenzen gekommen war, also setzte sie zu einem weiteren Befehl an.

Doch die Trainerin kam gar nicht erst dazu ihn auszusprechen. Akarin hatte nur gemerkt, dass ein Schatten plötzlich über ihm gewesen war, als es sich nach dem Stück Brötchen, das es erst beim Tauziehen mit Taubsi abgerissen hatte, gebückt hatte. Nun kam es wieder hoch und drehte sich verwundert um. Und zwar so, dass sein feuriger Schwanz mit viel Schwung genau in Sandans Gesicht landete.

„San! Sandan!“ Ob es die Hitze der Feuerspitze oder einfach nur die Wucht war, die Melody aufschreien ließ, wusste Vivi nicht, doch langsam reichte es ihr.

„Glu?“ Akarin schaute sich verwirrt und mit einer absoluten Unschuldsmiene um.

„Hey, super, Rutenschlag!“ Paula war dagegen sehr glücklich, denn ihr Pokémon hatte endlich mal eine vernünftige Attacke ausgeführt, auch wenn sie gar nicht vorgehabt hatte diese einzusetzen und es die auch eigentlich gar nicht beherrschen sollte. Aber ihr kleiner Liebling war eben immer für eine Überraschung gut. Vielleicht klappte jetzt wenigstens auch der Kratzer.

„Setz Kratzer ein, Akarin!“, befahl Paula optimistisch.

Doch sie hatte ihre Rechnung ohne ihre Gegnerin gemacht.

„Einigler!“ Vivi dachte gar nicht daran, diesem komischen Vieh am Ende noch eine richtige Attacke durchgehen zu lassen.

Melody war zwar nicht ernstlich verletzt, aber doch ein wenig benommen.

Den Befehl verstand es dennoch richtig und kugelte sich sofort zusammen um dem Gegner keine Angriffsfläche zu bieten. Diese Verteidigung konnte niemand durchbrechen.

Niemand, außer vielleicht einem kleinen verspielten Glumanda.

Als Akarin den leuchtend gelben Ball sah, der sich vor seinen Augen zusammenballte, war der Befehl seiner Trainerin völlig vergessen. Es hatte nur noch ein Bedürfnis: Ball spielen!

Mit strahlenden Augen und einem freudigen Quietscher, der den Umstehenden fast das Trommelfell wegpustete, stürzte sich die Feuereidechse auf das runde Etwas und stieß es so kräftig an, dass es durch das Gras rollte. Mit verzückten Lauten rollte Glumanda den lebenden Ball immer weiter vor sich hin.

„Was zum Teufel macht dein beklopptes Pokémon da?“ Vivi war es mittlerweile irgendwo zwischen Heulen und Ausflippen zu Mute. Dieses Feuervieh ging dermaßen respektlos mit ihrem Sandan um, das war echt eine bodenlose Frechheit!

Paula sah allerdings selber ziemlich verblüfft aus. Damit hatte auch sie nicht gerechnet. Aber solange es Akarin Spaß machte und Vivi am Angreifen hinderte, warum sollte ihr Kleiner diese übergroße Murmel nicht eine Weile durch die Gegend schieben?

„Was kann ich denn dafür, dass dein Pokémon aussieht wie eine zu groß geratene Bowlingkugel?“ Paula gab sich gelassen und fand es langsam auch recht amüsant, wie Glumanda den Gegner mit leuchtenden Augen und einer unaussprechlichen Freude vor sich her schubste.

„Bowlingkugel? Nimm das zurück!“ Vivi war nun echt fast am Überschäumen.

Ihre Gegnerin blieb dagegen ruhig, zuckte nur mit den Schultern und bemerkte dann lächelnd: „Na gut, vielleicht doch eher wie eine überreife Wassermelone.“

„DU…!“ Mehr brachte Vivi nicht mehr raus, denn nun hatte sie echt Mühe die Beherrschung nicht zu verlieren.

Doch bevor sich auch noch die beiden Trainerinnen in einen echten Kampf stürzten, schritt Taja lieber ein, zwar mit zaghafter Stimme, dennoch erreichte sie die Aufmerksamkeit der Feindinnen, denn was sie zu verkünden hatte, interessierte beide.

„Ehm, Leute, eure Pokémon sind weg.“

„Was?“, entfuhr es ihnen zeitgleich.

Ein wenig erschrocken fuhr Taja zusammen, da die Beiden diese Frage doch ziemlich heftig und in ihre Richtung gewandt hatten.

„Naja, ich glaub sie sind da hinten. Den Abhang runter.“ Es war schwierig gewesen Pokémon und Trainerinnen im Auge zu behalten.

Da aber Beiden daran gelegen war, ihre Schützlinge wieder zu haben, rissen sie sich einen Moment zusammen und gingen, ohne sich in die Haare zu bekommen, mit den Anderen zu einem leicht steilen Abhang.
 

Am Fuße der Neigung saß Glumanda auf einem ausgestreckt liegenden Sandan mit verdrehten Augen. Akarin machte eine enttäuschte Schnute und stupste die gelbe Sitzgelegenheit immer wieder an. Das Spiel war für seinen Geschmack viel zu schnell vorbei gewesen. Wer hatte denn bitte ahnen können, dass es nach dem lustigen Herunterkullern von dem Hang aufklappen und plötzlich liegen bleiben würde?

„Dein Vieh hat Melody nicht da runter geschubst!?“ Vivi war echt außer sich.

„Sieht ganz so aus.“ Ihre Kontrahentin konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Es sah einfach zu lustig aus, wie Akarin da unten auf Sandan thronte.

Vivi überhörte das mal ganz bewusst, denn ihre Sorge galt jetzt eher ihrer Freundin.

Taja war schon unten angekommen, hatte Akarin von Sandan heruntergeholt und sich das Pokémon angesehen.

„Ich glaub es ist nichts Ernstes.“, beruhigte sie Vivi, der ein ziemlicher Stein vom Herzen fiel, „Aber es ist verwirrt und kann nicht mehr weiterkämpfen. Paula hat also gewonnen.“

Auch wenn Taja die ganze Zeit den Kampf mit einer Mischung aus Spannung und Unglauben verfolgt hatte, war sie nie wirklich der Meinung gewesen, eingreifen zu müssen. Doch nun war der Kampf ganz offensichtlich beendet und sie musste ihres Amtes walten. Diese Nachricht wurde von Vivi allerdings weniger gut aufgenommen.

„WAS!? Melody komm wieder hoch!“ Vivi kniete niedre und versuchte ihr Pokémon leicht wach zu rütteln, doch es schien von seiner Umwelt nicht mehr viel mitzubekommen, „Aber das darf doch nicht wahr sein! Melody kann doch nicht von so einem Schwächling besiegt worden sein!“

„Von wegen Schwächling! Akarin hat eben seine Stärken auf andere Art und Weise.“ Paula wollte sich die Freude über ihren Sieg nicht nehmen lassen.

„Aber es hat keine einzige offiziell zugelassene Attacke verwendet!“, beschwerte sich die aufgebrachte Verliererin bei Taja.

„Naja, aber das war auch kein richtig offizieller Kampf, Akarin hat gegen keine Regel verstoßen und Sandan ist nicht mehr kampffähig, also ist es wohl eindeutig sein Sieg, wenn auch ein bisschen Ungewöhnlicher.“, versuchte diese ruhig zu erklären.

Vivi war zwar echt sauer über den Verlauf und Ausgang des Kampfes, aber sie wusste, dass ihre Mitschülerin Recht hatte. Paula hatte gewonnen, wenn auch mit unmöglichen Methoden, aber nicht durch unfaire Mittel. Diese Gewissheit war zwar bitter wie Galle und dennoch musste sie sie schlucken. Die Sorge um ihr Pokémon ließ sie das etwas beiseite legen. Vorsichtig streichelte sie über Melodys Kopf und ließ sie sanft wissen: „Das hast du super gemacht.“

Dann holte sie das vom Herumkugeln völlig benebelte Sandan in seinen Pokéball zurück, wo sich Melody ein bisschen erholen konnte.

„Hey, nun mach nicht so ein Gesicht. Ich fand den Kampf lustig.“ Paula freute sich zwar tierisch darüber, Vivi eins ausgewischt zu haben, doch es war genug der Schadenfreude und so hielt sie ihr versöhnlich die Hand hin.

Vivi sah die einen Moment an wie etwas ziemlich Ekliges, wollte dann aber auch nicht einen auf schlechten Verlierer machen. So viel Würde war ihr immerhin noch geblieben. Also schüttelte sie zumindest halbherzig die Hand ihrer Gegnerin, ließ sich aber nicht aufhelfen.
 

„So, dann kann ich ja jetzt endlich Taubsi fangen gehen.“, freudig hüpfte Paula zu Akarin um es eine Runde zu knuddeln, sodass es seine schlechte Laune wegen des unterbrochenen Spiels sofort wieder vergaß. Gemeinsam gingen sie zügigen Schrittes zu ihrem Ursprungsort zurück.

„Ich hoffe es ist überhaupt noch da.“, flüsterte Tifi Manja verschwörerisch zu.

Während des Kampfes hatten die Beiden immer abwechselnd einen Blick auf den gemütlich speisenden Vogel geworfen, doch für ein paar Minuten war er nun unbeobachtet gewesen.

Und wie, als wären ihre Worte ein böses Omen gewesen, schrie Paula, die einen Schritt zügiger gegangen war, um sich Taubsi endlich zu fangen, plötzlich auf.

Natürlich beschleunigten die Anderen nun auch ihre Schritte.

„Was ist denn los?“ Manja vermutete schon Schlimmes.

Paula sah ganz leidvoll auf eine Stelle, die mittlerweile bis auf ein paar Krümel leer war und jammerte: „Taubsi ist weg!“

Ihre Freundinnen sahen sich etwas betreten an, da Keine daran gedacht hatte weiter Taubsiwache zu spielen und genau das hatte das kleine Pokémon genutzt, um sich nach einem reichlichen Mahl wieder auf seine Flügel zu schwingen. Die ganze Aktion mit dem Kampf war also völlig sinnlos gewesen.

„Oh nein, Taubsi!“ Paula war echt enttäuscht.

„Kopf hoch, vielleicht ist es ja noch nicht weit geflogen. Nach dem ganzen Brötchen, muss es sicher bald erstmal verdauen und eine Verschnaufpause einlegen und wenn wir es suchen, holen wir es sicher noch ein.“ Taja versuchte ihre Kameradin aufzumuntern. Zwar glaubte sie selbst nicht wirklich, dass sie in so einem großen Wald die Spur eines kleinen Vogels wieder finden würden, aber Paula sah so unendlich traurig aus, dass sie es gar nicht mit ansehen konnte.

Und es schien zu wirken, denn deren Miene hellte sich tatsächlich wieder etwas auf.

„Ok, suchen wir es. Taubsi! Taubsi, wo bist du?“ Augenblicklich begann Paula nach ihrem verschwundenen Beinahepokémon zu rufen.
 

„Meinst du das hier?“, ertönte plötzlich eine Stimme, die den Mädchen eine eiskalte Gänsehaut über die Haut laufen ließ.

Eine Gestalt schälte sich aus dem Schatten des Waldes, lehnte sich lässig an den großen Baum, der heute schon drei Pokémonköpfe an seiner Rinde hatte ertragen müssen, und setzte ein überhebliches Lächeln auf die schmalen Lippen, während er einen Pokéball mit einer Hand spielend immer wieder in die Höhe warf.

„Leroy!“ Die Aussprache dieses Namens, der ihr in mehr als unangenehmer Erinnerung geblieben war, wurde mehr zum Knurren, als es Paula eigentlich vorgehabt hatte.

„Du kannst auch Besitzer eines Taubsis zu mir sagen, wenn dir mein Name nicht gefällt.“ Der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Das heißt, du hast dir Taubsi einfach so gefangen?“, hakte Vivi verärgert nach.

„Ganz genau. Ich konnte euer Kindertheater nicht mehr länger mit ansehen und da habe ich mich erbarmt und dieses Vieh davor bewahrt von einer Stümperin gefangen zu werden.“ Das Lächeln des Jungen mit den silbrig glänzenden Haaren wurde immer bösartiger.

„Das heißt also, du hast uns beobachtet?“ Manja gefiel die Aussage des Schülers der A -Klasse überhaupt nicht.

„Nun ja, nicht freiwillig, glaubt es mir. Aber es war ungefähr so wie bei einem Autounfall, so schrecklich, dass man gar nicht wegsehen konnte.“ Ein spöttisches Lachen folgte.

Am Liebsten hätte Paula ihm an den Kopf geworfen, dass er nur mal in den Spiegel sehen musste, wenn er etwas Schreckliches sehen wollte, doch ihr war jetzt etwas anderes wichtiger: „Gib mir Taubsi wieder!“

Leroy fixierte Paula mit einem eiskalten Blick und stieß sich vom Baum ab, um sich herausfordernd mit verschränkten Armen ihr gegenüber zu stellen: „Warum sollte ich?“

„Weil ich den Kampf um Taubsi gewonnen hab! Ich habe es viel eher gesehen!“ Auch wenn das jetzt nicht gerade die schlagfertigsten Argumente waren, mehr hatte sie gerade nicht auf Lager.

Gespielt amüsiert lachte der Junge auf: „Na und? Ich war schneller. Und auch wenn ich dieses schwächliche Vieh eigentlich nicht gebrauchen kann, sehe ich nicht ein, es dir unfähigen Trainerin zu überlassen.“

„Dann fordere ich dich eben zu einem Kampf heraus!“ Paula sah langsam keine andere Möglichkeit mehr an ihr Taubsi heranzukommen.

„Paula, meinst du wirklich das ist eine gute Idee?“, raunte Taja ihr zu.

Die Trainerin schätzte Akarin mittlerweile als zu verausgabt ein, um noch einen Kampf durchzuhalten und Raupy… nun ja, der Käfer war im Allgemeinen nicht der Stärkste.

Doch der verzweifelte Blick von Paula veranlasste sie ihre Vorbehalte nicht auszusprechen.

„Gegen dich kämpfen? Warum sollte ich mir an solchem Gesindel die Finger schmutzig machen? Ich habe das Federvieh gefangen und es gehört nun rechtmäßig mir.“ Ein gehässiges Grinsen huschte dem Schüler über die Lippen, als er sich einfach umdrehte und ging.

„Warte, du Feigling!“ Paula war so aufgebracht, dass sie diesem miesen Typen sofort hinterher und ihn aufhalten wollte, doch als sie den ersten Schritt nach vorn gemacht hatte, tauchten plötzlich drei weitere Gestalten zwischen den Bäumen auf und die waren zum Großteil von massiger Statur. Natürlich, Leroy durfte wie die Anderen ja nur mit einer Gruppe gehen und er hatte, ebenso logisch, seine schmierigen Kumpanen um sich versammelt. Zwar hatte Paula eigentlich keine Angst davor sich mit ihnen anzulegen, auch wenn zwei davon wirklich wie Bilderbuchschlägertypen aussahen, doch im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie nicht allein war. Sicher konnten die anderen Mädchen den Typen auch eine auf die Nase hauen, aber es war zahlenmäßig ausgeglichen und sie wollte ihre Klassenkameradinnen nicht unnötig in Gefahr bringen, also hielt sie ihre Wut im Zaum. Auch die Hände von Taja und Manja, die plötzlich auf ihren Schultern ruhten, um sie notfalls fest zu halten, verdeutlichten dem Mädchen, dass sie es besser nicht auf eine gewaltsame Konfrontation ankommen lassen sollte.

Also entließ sich nur die angehaltene Luft schnaufend und versuchte sich etwas zu entspannen.

Leroy spazierte im Schutze seiner Bodyguards gemütlich davon, blieb allerdings nach einigen Metern stehen und drehte sich noch einmal um: „Ich glaube ich weiß jetzt, wie mir dieses unwürdige Ding doch noch von Nutzen sein kann. Mein Kissen braucht mal wieder eine neue Federfüllung.“

Sein fieses Lachen ging den Mädchen durch Mark und Bein und ließ darauf schließen, dass er seine Bemerkung durchaus ernst gemeint hatte.

Nun war es gut, dass ihre Mitschülerinnen Paula griffbereit hatten, denn die war nach dieser Ungeheuerlichkeit kaum noch zu halten.

„Paula, beruhig dich! Das bringt doch nichts!“ Auch Manja hätte dem Kiefernorthopäden dieses kleinen Rotzlöffels am liebsten eine Menge Arbeit verschafft, aber sie wusste, dass sie unter diesen Umständen weder eine Chance hatten, noch im Recht waren.

„Aber, aber… Taubsi!“ Paula standen mittlerweile Tränen der Verzweiflung in den Augen. Sie war so nah dran gewesen eines ihrer Lieblingspokémon zu fangen und vor allem hatte sie den kleinen Vielfraß schon in ihr Herz geschlossen gehabt, hatte um ihn gekämpft, doch nun war er in den Händen dieses Widerlings, der was wusste sie schon was mit dem armen Vogel anstellen konnte. Das war doch einfach nicht fair!

„Ich weiß, aber Paula, er hat Taubsi auf legalem Wege gefangen. Wir können nichts tun. Wir haben ja auch keine Beweise, dass er ihm etwas antun wird.“ Taja litt angesichts der himmelschreienden Ungerechtigkeit mit Paula und vor allem Taubsi mit. Sie nahm wirklich sehr ungern jemandem die Hoffnung, doch sie war in diesem Fall einfach realistisch.

„Aber…“

„Sie hat Recht, das führt zu nichts.“ Bitterkeit lag auch in Vivis Stimme. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und musste sich arg beherrschen, aber es war einfach aussichtslos.

Paula sah ihre Mitschülerin, mit der sie sich eben noch um den braunen Vogel gestritten hatte, an und als sich ihre Blicke trafen, wurden beide von einer Erkenntnis übermannt, die ihnen tiefe Trauer ins Herz pflanzte und fast zum Weinen brachte.

Taubsi wäre jetzt nicht einem anderen, skrupellosen Trainer schutzlos ausgeliefert, wenn eine von ihnen verzichtet hätte. Doch so hatten sie mit ihrem Streit und Egoismus das Schicksal dieses kleinen Pokémon besiegelt und das würde vermutlich elend aussehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück