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Der Mistkerl

von

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Der Mistkerl

Verloren stand ich am Bahnhof und machte ein Gesicht als wäre der Weltuntergang nahe. Hoffte ich zumindest, denn so fühlte ich mich. Ich wartete hier seit einer halben Stunde auf jemanden, der mich offensichtlich vergessen hatte, und den ich nicht einmal kannte. Erneut war ich kurz davor, einfach irgendwen zu verprügeln, aber der Gedanke daran, dass ich mir wahrscheinlich mehr wehtun würde als jemand anderem hielt mich davon ab. Warum zur Hölle war ich hier?! Ach ja. Richtig. Meine Großtante mütterlicherseits, die Zeit meines Lebens nie auch nur irgendwie Gespräch in unserer Familie gewesen war, war letzte Woche gestorben und auf einmal mussten meine Eltern da ganz dringend hin. Meine Mutter hatte mir mit therapeutischem Blick erklärt, dass ich da sicher keine Lust zu hatte und da ja auch keinen kennen würde, deswegen müsste ich nicht mit. Gerade als ich – erstens – dachte, die Frau hätte es erfasst und sie – zweitens – für diesen grandiosen Einfall umarmen wollte, lächelte sie und sagte, dass sie mich nicht allein lassen wollten und ich deshalb das Wochenende bei ihrer besten Freundin Mia verbringen würde. Einer Frau, die ich das letzte Mal mit zwölf gesehen hatte, und die 60 km entfernt wohnte. Konnte sich meine Mutter keine Freundinnen suchen, die näher wohnten? Und, was noch viel wichtiger war, ich war siebzehn, verdammt noch mal!

Aber klar, eine Woche allein, in dem Alter? Konnte man mir ja nicht zumuten. Ich armes, kleines, hilfloses Ding. Das war der Grund warum ich hier stand, an diesem scheiß Bahnhof und mir die x-te Foltermethode für meine überfürsorgliche Mutter ausdachte. „HEY!“, schrie auf einmal irgendjemand und wedelte wild mit den Armen. Ich legte den Kopf schief. Wem auch immer der am winken war, an seiner Stelle würde ich so tun, als würde ich den Kerl nicht kennen. Das sah mehr als peinlich aus wie dieser große Kerl, der sicherlich schon um die 19 war, wie ein kleines Kind über den Bahnsteig rannte. Ich sah auf meine Armbanduhr, stellte fest, dass mittlerweile schon 45 Minuten vergangen waren, und seufzte. Plötzlich blieb der seltsame Mensch vor mir stehen. Ach du Scheiße. Das konnte doch nicht Mias ‚kleiner Sonnenschein’ sein. Der war definitiv nicht klein. Ungefähr einen Kopf größer als ich, schwarze, leicht verwuschelte Haare und strahlend blaue Augen. Verschreckt sah ich ihn an, wohingegen er über das ganze Gesicht strahlte. Scheiße. Schien wirklich ein Sonnenschein zu sein.

„Du bist sicher Michael.“, fing er gleich an mich zuzuschwallen. „Wow, du bist ja ganz schön klein. Ich hatte dich mir anders vorgestellt. Aber keine Sorge, das ist nicht negativ gemeint. Bist ja ’n süßes Kerlchen. Ach, ich bin Fabi, falls du’s vergessen hast. Und, ich hab mir grad’ überlegt, ich nenn dich Mitch. Das passt besser zu dir als Michael, find ich. Komm, wir gehen mal.“ Damit packte er mich tatsächlich an der Hand, nahm mit der anderen meinen Koffer und stiefelte los, mich hinterherziehend. Ich war noch viel zu perplex um überhaupt irgendwie zu reagieren. Hatte der Mistkerl mich eben wirklich auf meine Körpergröße angesprochen? Ja, ich hatte ganz deutlich gehört, dass er mich klein genannt hatte, und was fast noch schlimmer war als das klein – er hatte ‚süßes Kerlchen’ zu mir gesagt! WAR DER VON ALLEN GUTEN GEISTERN VERLASSEN? Was fiel dem ein? Ich war siebzehn, ich war ein Kerl, und ich war nicht süß! Behinderter Spast. Ich hasste den Kerl jetzt schon. Überhaupt, wie hatte er mich genannt? Mitch? Welcher Volltrottel hieß denn bitte MITCH? Mh. Dumme Frage. Ich ja jetzt scheinbar. Ich kochte innerlich, was Mr. Ich-nenn-dich-Mitch entweder nicht mal mitbekam oder schlicht und einfach ignorierte.

„Es tut mir übrigens wahnsinnig Leid, dass ich zu spät bin, ich hab’s voll verpennt.“, sagte er in diesem Moment und sah mich mit einem hundeähnlichen Blick an. „Hm.“, machte ich nur. Ich konnte ihn ja nicht sofort anschreien, obwohl ich zu gern wollte. Sehr freundlich, seinen Gast erstmal zu vergessen. War ja nicht er gewesen, der sich die Beine in den Bauch gestanden hatte, in irgendeiner fremden Stadt. Mistkerl. Auf dem Weg zu meinem kurzzeitigen Zuhause beschloss ich, ihn ab jetzt auch so zu nennen. Fabi klang einfach zu nett, und das war er definitiv nicht!
 

Ich stellte fest, dass ich Recht mit meiner Schätzung hatte und er mindestens 18 sein musste, denn er führte mich zu einem kleinen Auto, nun ja, mehr Zigarettenschachtel, und stieg ein. Wollte der jetzt fahren? „Hopp, hüpf’ rein!“ Ja, wollte er. Skeptisch starrte ich erst ihn, dann das Auto an und setzte mich schließlich auf den Beifahrersitz. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er ein typisch männlicher Autofahrer war – der Fuß ans Gaspedal geklebt und sich selbst für den Größten haltend. Und genau das machte mir Angst.

Wenige Minuten später wusste ich, dass ich Recht behalten hatte. Ich hätte auf diese Gewissheit allerdings nur zu gern verzichtet, wenn er dafür langsamer gefahren wäre.

Als er mit 70 in den Kreisel rauschte, hatte ich genug. „Fahr’ doch mal ordentlich, du Spasti! Ich will noch nicht sterben, verdammt!“, fauchte ich ihn an. Verdutzt sah er mich an und blinzelte. War der bescheuert? „Und guck’ auf die Straße!“, meckerte ich. Welcher Vollidiot hatte dem den Führerschein gegeben?! Plötzlich fing der Depp an zu lachen. „Keine Sorge, ich kann das. Hast du Angst, oder was?“ Wie bitte? „So wie du fährst, kannst du das eben nicht! Ist mir scheißegal wenn du dich umbringst, aber bitte nicht, wenn ich dabei bin.“, schnaubte ich. Ich wollte nach Hause. SOFORT. Meiner Mutter würde ich was erzählen. Setzte die mich hier fahrlässig Gefahren aus, die ich daheim vor dem PC nie gehabt hätte. Die Logik dahinter suchte ich vergeblich. „Ist ja gut, Kurzer. Dann fahr’ ich halt langsamer.“, lächelte Mr. Ich-fahre-wie-ein-Geisteskranker und drosselte tatsächlich das Tempo. „Nenn’ mich nicht Kurzer.“, knurrte ich nur, dann sah ich stur aus dem Seitenfenster. Zum Glück ließ er mich den Rest der Fahrt in Ruhe, summte nur irgendwas vor sich hin. Ich ignorierte ihn.

Nach zwanzig Minuten war der Horrortrip endlich vorbei. Schnell stieg ich aus und grabschte nach meinem Koffer. „Gehen wir rein. Die Fahrt war sicher anstrengend.“, meinte der große Volltrottel und grinste schon wieder. Die Fahrt eigentlich nicht, nein. Das einzig Anstrengende hier war dieser Glückskeks. Ich zog eine Augenbraue hoch, folgte ihm dann aber kommentarlos.

Wenigstens sah das Haus ganz nett aus, und kaum dass wir in den Flur getreten waren, kam uns eine kleine, aber gutaussehende Frau entgegen. „Michi! Wow, du bist aber groß geworden! Und so hübsch!“, lächelte sie. Herausfordernd sah ich zu ihrem Sohn. Ja, konnte der sich mal ’ne Scheibe von abschneiden. Groß geworden war ich. Mia ließ es sich nicht nehmen, mich zu umarmen, was ich auch über mich ergehen ließ, und meinte dann: „Schatz, bringst du Michi bitte auf sein Zimmer? In einer halben Stunde gibt es Essen, und er möchte sich sicher noch frisch machen, oder so.“

Damit verschwand sie wieder in dem Raum, wo ich die Küche vermutete. ‚Schatz’ leitete mich also die Treppe hoch in mein Zimmer, wo ich einfach stehen blieb und mich umsah. Zwei Betten? Ein ‚Bullet For My Valentine’-Poster an der Wand? OH NEIN. Ich war im Zimmer von dem Mistkerl einquartiert worden! Und musste ihn jetzt drei Tage lang ertragen, Tag und Nacht. Warum immer ich? Ich wollte nach Hause, ganz schnell! „Es macht dir sicher nichts aus, bei mir im Zimmer zu schlafen, oder?“, meinte mein Mitbewohner fröhlich und setzte sich auf’s Bett. „Ich schnarche auch nicht.“ SUPER. Erbärmlicher Witz. Aber wenigstens etwas. Wenn der nachts auch nur einen Mucks von sich gab, konnte er was erleben. „Ach Mitch, leg’ doch mal für ein paar Minuten deine Gewittermiene ab, so schlimm ist’s hier doch gar nicht.“, sagte er gerade. Ich sah ihn böse an. „Ja, ist schon okay, du willst nicht hier sein. Aber ein bisschen lächeln hat noch keinem geschadet, guck!“, sagte er und grinste. „Toll, ich bin wahnsinnig beeindruckt.“, knurrte ich. Man, war der ätzend. „Ich geh’ mal ins Bad.“, sagte ich dann und latschte in den Flur. Scheiße. Jetzt hatte ich zwar einen super Abgang gemacht, stand aber nun wie ein Depp im Flur und wusste nicht wo das Bad war. Deprimiert ließ ich den Kopf hängen. Ich wollte nach Hause! „Zweite Tür rechts.“, hörte ich den Vollidioten auf einmal hinter mir. Wortlos ging ich durch die angegebene Tür und schloss hinter mir ab. Schön blamiert, Micha. Ganz großes Kino. Vor dem Spiegel ordnete ich meine hellbrauen, glatten Haare. Ich hörte meine Mutter fast in meinem Kopf: ‚Schneid’ dir doch endlich mal die Haare, Kind. Die sind viel zu lang.’ Ich seufzte. Mutlos blickten mich die grünen Augen meines Spiegelbildes an. Dann verließ ich das Bad und ging zurück in den Raum, in dem ich schlafen musste. Der Kerl hatte sich auf’s Bett gelegt und machte irgendwas mit seinem Handy. Ich beschloss, mir meinen Gameboy aus dem Koffer zu holen, und so verging die Zeit bis zum Abendessen stillschweigend.

„Kinder! Es gibt Essen!“, rief Mia irgendwann von unten, und ich machte sofort den Gameboy aus. Mittlerweile hatte ich einen Mordshunger. Auch die Grinsebacke sprang vom Bett auf und streckte sich erst einmal ausgiebig. „Man, hab’ ich einen Hunger.“, verkündete er dann und wir gingen nach unten.

In der Küche machte ich dann Bekanntschaft mit dem Rest der Familie. Mias Mann saß schon am Tisch und lächelte mich freundlich an, ehe er sich als Rainer vorstellte und mir erklärte, dass er mich kopfüber an die Wäscheleine hängen würde, wenn ich ‚Sie’ zu ihm sagen sollte. War eigentlich recht nett, hatte ich das Gefühl. Hinter mir stürmte ein kleines Mädchen mit einem sehr offensichtlichen Hang zu Feen ins Zimmer. Sie hatte rosafarbene Flügel auf dem Rücken, eine kleine Krone im Haar und einen knallpinken Zauberstab in der Hand – zumindest vermutete ich, dass es einer war. Das musste dann wohl Elli sein, was sie mir auch bestätigte. „Im März werd’ ich schon sieben!“, erklärte sie stolz. „Toll.“, sagte ich und lächelte sie an. Ich mochte kleine Kinder. „Hinsetzen, Essen ist fertig.“, trällerte Mia und stellte die Lasagne auf den Tisch. „Lasagne? Ich liebe Lasagne!“, strahlte ich. Essen war eine Sache, die mich wirklich aufmunterte. „Ich weiß.“, lachte Mia und nahm im Vorbeigehen Elli den Zauberstab weg. „Mein Essen wird nicht verzaubert, das schmeckt auch so.“ Wir setzten uns hin und fingen an zu essen. Trotz meines Hungers schaffte ich nur ein Stück Lasagne, was zugegeben groß war, aber mein Zimmergenosse aß drei Stücke und ich fragte mich, wo er die alle hintat. Gut, er war groß, aber sehr schlank und in den Beinen konnte er das Essen ja schlecht parken. Der Rest der Familie war eigentlich ganz nett. Ich unterhielt mich sogar bereitwillig mit ihnen, obwohl ich mir ursprünglich vorgenommen hatte, so wenig wie möglich zu sagen und nur böse zu gucken. Nun, der Masterplan war daneben gegangen. Ich lachte gerade über einen von Rainers Witzen über seine Arbeit, als mir auffiel, dass mich der Vollidiot die ganze Zeit anstarrte. Was hatte der denn für Probleme? Ich schüttelte kurz den Kopf und widmete mich dann wieder ganz dem Gespräch. „Ach, übrigens“, fing Mia an. „Fabi, du wolltest doch heute Abend weg, oder? Nimm’ Michi einfach mit, ihr habt sicher Spaß zusammen.“ Erschrocken sah ich zu Angesprochenem, der nur lächelte und nickte. „Klar, wird sicher lustig.“, meinte er. Ich fragte mich, wie er diesen Satz nur so völlig ohne Ironie sagen konnte, denn eins wusste ich: LUSTIG würde es ganz sicher nicht werden.
 

Drei Stunden später war mir klar, dass ich Recht behalten hatte. Es war nicht lustig. Es war zum Kotzen. Zwar war es Mr. Wird-sicher-lustig gelungen, mich in die Disko, in die man eigentlich erst mit achtzehn durfte, reinzuschmuggeln, aber nun saß ich hier, an einem kleinen Tisch, mit irgendwelchen Freunden von ihm. Sie unterhielten sich blendend, der scheinbar staatlich geprüfte Scherzkeks, besser bekannt als Mistkerl, riss einen Witz nach dem anderen und alle amüsierten sich offensichtlich prächtig. Bis auf mich. Ich nuckelte an meiner Cola, da Alkohol sich mit mir nicht gut vertrug, und fragte mich zum 56239465. Mal an diesem Tag, womit ich das verdient hatte.

„Hey, Mitch.“, wurde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen. Misstrauisch beäugte ich das lilahaarige Mädchen, was sich zwischen mich und die Stimmungskanone gequetscht hatte. Ich fand ihn ja schon zum Kotzen, aber ich war mir nicht sicher, ob dieses seltsame Ding eine bessere Alternative war – mit den Haaren. Sie war seine beste Freundin, so hatte sie sich mir zumindest vorgestellt. An ihren Namen konnte ich mich nicht erinnern. War mir auch egal. In dem Moment piekste sie mir mit dem Finger unsanft in die Seite. „Hier spielt die Musik, Kleiner.“, nörgelte sie. Brauchte wohl Aufmerksamkeit. „Was denn?“, knurrte ich. „Oh, da hat aber einer gute Laune. Du bist wohl kein sehr sozialer Mensch. Naja, mir egal, ich unterhalt’ mich jetzt mit dir, ob du willst oder nicht.“, erklärte sie mir und grinste frech. Ich seufzte. „Und worüber willst du dich mit mir unterhalten?“ Sie überlegte. „Keine Ahnung.“, sagte sie dann. „Alles mögliche. Also, wie alt bist du? Fünfzehn, würde ich sagen?“ Meine Miene verfinsterte sich, soweit möglich, noch weiter. „Ups. Mh, dann wohl eher älter. Also?“ „Siebzehn.“, nuschelte ich. Immer wurde man diskriminiert. Nur weil ich klein war! Gemeinheit. „Wow. Und hast du ’ne Freundin? Ich find’ dich nämlich extrem süß.“, schwafelte sie weiter. Ähm, Stopp. Moment mal. Hatte die mir gerade unterschwellig vermittelt, dass die gern was mit mir anfangen wollte? Ein Mädchen? Mit mir? Ich stutzte. Was waren denn das für neue Sitten? Ich hatte noch nie eine Freundin gehabt. Die Mädels fanden mich zwar immer niedlich, aber sahen in mir mehr den ‚kleinen Bruder, den sie nie hatten’ oder den ‚besten Freund’, wie sie sagten. Oh ja, Worte konnten ganz schön weh tun. „Hab keine Freundin.“, sagte ich knapp. Irgendwie war mir die Tussi suspekt. Vielleicht nicht direkt unsympathisch, aber etwas seltsam. „Toll! Dann kann ich dich ja abschleppen.“, lächelte sie und warf sich mir in die Arme. „Äh – was?“, machte ich unintelligent, da ich mich etwas überfordert fühlte. „Loslassen. Sofort.“, ertönte eine eisige Stimme. Das kichernde Etwas an meinem Hals entfernte sich. „Sorry. Ich wusste nicht, dass das deiner ist.“, meinte sie. Ich war verwirrt. Die Stimme hatte ich mittlerweile meinem Teilzeitmitbewohner zugeordnet – aber der sah, erstaunlicherweise, irgendwie… sauer aus. „Ist er nicht. Ich wollte nur nicht, dass du ihn zerquetschst. Der Arme ist sowieso schon verängstigt genug von dir.“, sagte er gerade. Ähm, ja. Verwirrung. Wer oder was war seiner? Und was hatte ich damit zu tun? Ich spielte eine Runde Fragezeichen, da keiner der beiden etwas Näheres sagte, und ich auch nicht nachfragen wollte. Wäre ja schließlich gegen meinen Masterplan, den ich wenigstens hier durchführen wollte. „Nie gönnst nur mir ein bisschen Spaß.“, murrte die Lilahaarige, worauf der Mistkerl nur irgendwas von wegen „Ich geh’ tanzen.“ sagte und in der Menge verschwand. Ich schüttelte den Kopf. Alles sehr merkwürdig hier. Aber bei diesem Idioten ging das wahrscheinlich auch nicht anders. „Tja, Katha, sieht aus als wäre dir deine Beute durch die Lappen gegangen.“, grinste auf einmal einer der Kerle, Niko oder so ähnlich. „Das Leben kann manchmal hart sein.“, meinte Katha nur und grinste schon wieder. „Komm, zur Strafe musst du jetzt was mit mir trinken.“, beschloss sie dann und hielt mir ein Glas mit gelber Flüssigkeit unter die Nase. Das war definitiv kein Orangensaft. Und somit hieß das, ich sollte da besser die Finger von lassen, wenn ich nicht besoffen unter dem Tisch liegen wollte. „Danke, ich mag keinen Alkohol.“, sagte ich und hoffte, dass sie das Glas da endlich wegnahm, bevor sie es mir über meine geheiligte Hose kippte. „Nichts da, das wird getrunken.“, bestimmte Katha, und ich wusste zwar nicht wie sie es gemacht hatte, aber irgendwie bekam sie tatsächlich die Hälfte in meinen Mund und ich schluckte reflexartig. „Na geht doch.“, meinte das Biest zufrieden grinsend. Ungläubig sah ich sie an. Ich wurde von zwei Bier besoffen. Wie konnte sie mir da ein halbes Glas mit Hochprozentigem einflössen?! Ich würde schneller unter dem Tisch liegen als ich piep machen konnte. Na super. Schon nach wenigen Minuten spürte ich den Alkohol.

Irgendwann kam auch Mr. Dancing Queen zurück und ließ sich neben mir nieder. „Na, hast du dich gut unterhalten, so ganz ohne mich?“, fragte er grinsend. „Oh ja. Wahnsinnig gut.“, sagte ich nach einer kurzen Pause, da ich mir im Kopf erstmal meine Sätze zusammenbasteln musste. Scheiß Alkohol. Scheiß Disko. Scheiß Leben. „Dir geht’s ja nicht mehr so ganz super.“, bemerkte er intelligent. „Wie kann man denn von Cola besoffen werden?“ „Frag’ die da.“, erwiderte ich kurz, nur keine langen Sätze bilden, das klappte sowieso nicht. „Katha?“ Seine Stimme hatte einen warnenden Unterton bekommen. „Nur ein ganz kleines bisschen Wodka.“, sagte sie schuldbewusst. „Wirklich, der verträgt nichts.“ Ja, danke, das wusste ich selbst. Der Depp stöhnte genervt auf. „Okay, Kurzer, Zeit zu gehen.“, meinte er und zog mich hoch. „Hey! Nenn’ mich nicht so.“, empörte ich mich. Egal wie angetrunken ich war – und es ging eigentlich noch, war schon mal schlimmer – niemand nannte mich Kurzer! Wir verließen die Disko, und ich war irgendwie ganz froh, da weg zu sein. Die frische Luft half gegen das Schwindelgefühl in meinem Kopf. „Besser?“, fragte er mich. „Passt schon.“, antwortete ich, ehe ich über irgendwas stolperte – vermutlich meine eigenen Füße – und eine glatte Bruchlandung hinlegte. Alle Viere von mir gestreckt blieb ich kurz liegen. „Scheiße.“, sagte ich dann trocken. Super, Micha. Schön blamiert, sehr elegant. Der Mistkerl fing an zu kichern. Hallo? Das war nicht lustig! Ich rappelte mich auf, warf ihm einen bösen Blick zu und stolzierte weiter. Neben seinem Auto blieb ich stehen. Blöder Sack. Vollidiot. Was konnte ich denn dafür, wenn mich seine bescheuerte Freundin abfüllte?! Gar nichts. Argh. Mistkerl. Wir fuhren los und er sagte: „Tut mir Leid, dass ich vorhin gelacht habe, aber du sahst echt niedlich aus.“ Schon wieder war er am Grinsen. Schlimm. „Ich bin nicht niedlich.“, meckerte ich. „Wenn du wüsstest…“, sinnierte er, doch ehe ich ihn anfahren konnte, dass er mit dem Scheiß aufhören sollte, machte er Musik an. So verschränkte ich einfach die Arme vor der Brust wie ein trotziges Kind und schwieg.
 

Daheim angekommen schlichen wir in sein Zimmer, schließlich schliefen seine Eltern schon. Ich ließ mich auf meinem Bett nieder und starrte die Wand an. Noch immer war ich stocksauer. Dieser Kerl regte mich einfach von vorne bis hinten auf. „Hey, so schlimm ist’s doch nun auch nicht gewesen.“, meinte er und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder. „Fick’ dich!“, fauchte ich. Ja, ich machte gern Stress wegen nichts, aber ich war so sauer weil meine Eltern mich wie ein Baby behandelten, und dann kam mir auch noch dieser beschissen-freundliche Mensch, ich hatte einfach keinen Bock mehr. „Reg’ dich ab. Was ist eigentlich so schlimm an mir, dass du so unfreundlich bist?“, fragte er, mittlerweile klang auch er ein wenig sauer. „Alles! Du blöder Vollidiot!“, fauchte ich ihn an. „Erst schicken mich meine Eltern hierher wie ein kleines Kind, dann vergisst du mich am Bahnhof. Du nennst mich ‚klein’ und ‚süßes Kerlchen’ – bist du noch zu retten? Du behandelst mich wie ein Baby! Dabei siehst du selbst aus wie ein zu groß geratener Grundschüler, so wie du dich benimmst! Und dein blödes Gegrinse und Gelächel und Ach-was-haben-wir-uns-lieb-Getue geht mir auf den Zeiger! Dein Fahrstil ist schrecklich, gar nicht erst zu reden von deinem Musikgeschmack! Am Schlimmsten ist, dass ich mich ständig von dir verarscht fühle. So nett wie du tust kann doch kein Mensch sein! Du bist echt nervig! Und überhaupt, du…“ Der Rest meines Schimpfens ging in einem unverständlichen Blubbern unter. Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen, und nach einer Schrecksekunde versuchte ich ihn wegzustoßen und ruderte panisch mit den Armen. „Spinnst du?“, brüllte ich, kaum dass ich wieder sprechen konnte. „Pscht!“, machte er nur. „Irgendwie musste ich dich ja zum Schweigen kriegen.“ Argh! Mistkerl! Das war doch nicht zum Aushalten! Verdammt, meinen ersten Kuss hatte ich mir irgendwie romantischer vorgestellt. „Das war dein erster Kuss?“, fragte er verblüfft. Scheiße. Laut gedacht. Okay, Micha. Wo ist das obligatorische schwarze Loch wenn man es mal braucht? Das war definitiv eine beschissene Situation. Ich fühlte die Röte quasi auf meine Wangen kriechen und senkte den Blick gen Boden. Sehr schöner… Teppich. Lalala, nur nicht dran denken. „Süß.“, hörte ich ihn auf einmal leise sagen. Ich blickte auf. Ehe ich reagieren konnte, hatte ich seine Lippen schon wieder auf meinen. War der irgendwie dumm im Kopf?! Ich wollte eigentlich gerade um mich schlagen, als er sich freiwillig von mir löste. Ich starrte ihn an und bemerkte plötzlich, dass meine Lippen irgendwie… kribbelten? Ich schüttelte den Gedanken ab. „Hör’ auf mich zu küssen, du Spast! Was soll das überhaupt?“, fing ich wieder an zu meckern. „Hast du etwa Angst vor’m Küssen?“, fragte er listig. Das Problem war – ich hatte Alkohol getrunken und war deshalb nicht mehr ganz so scharfsinnig wie sonst, weswegen ich ihm voll in die Falle ging. „Natürlich nicht, Idiot! Wieso sollte ich Angst haben?“ Der Mistkerl grinste. Er hatte gewonnen, und er wusste es. Der Einzige, der es nicht wusste, war natürlich ich. „Beweis’ es!“, hauchte er und ich spürte seine Lippen zum Dritten mal an diesem Abend auf meinen. Diesmal allerdings sehr sanft, fast flüchtig. Als ich mich nicht wehrte – was ich eigentlich nur zu gern wollte, aber aus irgendeinem Grund funktionierte meine Kopf-Körper-Koordination nicht mehr so gut – vertiefte er den Kuss. Irgendwann während diesem Kuss begann mein Herz mit schätzungsweise fünffacher Geschwindigkeit zu schlagen, und in mir tanzten meine Eingeweide Samba. Schockiert über meine eigene Reaktion wich ich zurück. Ich atmete schwer. Was zur Hölle war das gewesen?! Der Grund meiner Verwirrung lächelte mich an. „Es hat dir gefallen.“, stellte er seelenruhig fest. Ich wollte es leugnen, ihm sagen, dass er einen Dachschaden hatte, doch ich konnte nicht. Er hätte es mir sowieso nicht geglaubt. Ich hingegen wollte es mir selbst nur zu gern glauben. Warum gefiel mir ein Kuss mit einem KERL? Zudem noch mit einem, der ein absoluter Vollidiot war? Das war doch nicht zu fassen! Dieser Vollpfosten schaffte es innerhalb von einem Tag, mein gesamtes Innenleben auf den Kopf zu stellen! Was sollte ich denn jetzt machen? War ich jetzt schwul? Nein, wahrscheinlich nicht. Was wenn doch? War eigentlich erstmal egal. Was sollte ich jetzt tun? Wie sollte ich mich verhalten? Aaah. Panik. PANIK! „Du denkst zu viel, Mitch.“, erklang die amüsierte Stimme des Mistkerls. Ich seufzte. Okay, ganz ruhig. ‚Alles wird gut.’, sagte ich mir. So saßen wir eine Weile still nebeneinander. Ich beruhigte mich langsam aber sicher. „Warum hast du mich geküsst?“, fragte ich irgendwann leise. „Na, weil ich in dich verliebt bin, natürlich.“, entgegnete er ruhig, wenn er auch etwas erstaunt klang. „WAS?!“, kam es von mir. „Ja, was hast du denn gedacht?“ Ich schluckte. Ja, was hatte ich gedacht? Nicht das, auf jeden Fall. „Wir kennen uns erst seit heute.“, sagte ich zweifelnd. Er legte den Kopf schief, was auf eine merkwürdige Art niedlich aussah. Quatsch. Jungen waren nicht niedlich. Ich verdrängte den Gedanken. „Trotzdem. Ich weiß nicht, war wohl so was wie Liebe auf den ersten Blick oder so.“, grinste er etwas verlegen. „Ich weiß, das ist alles ein bisschen viel für dich grad’. Vor allem, weil du mich nicht leiden kannst – aus etwas merkwürdigen Gründen.“ Wieder war es still. „Naja, ich denke, ich geh’ dann schlafen.“, sagte er irgendwann. Er hatte scheinbar aufgegeben, dass er noch eine Antwort auf irgendetwas von mir bekam, und verschwand im Bad. Als er wiederkam, machte auch ich mich bettfertig, und so lagen wir kurze Zeit später jeder in seinem Bett. Ich starrte wieder gegen die Decke. „Fabi?“, fragte ich plötzlich aus dem Nichts heraus. Es war das erste Mal, dass ich seinen Namen benutzte. Ich grinste. „Ja?“, antwortete er erstaunt.

„Küsst du mich noch mal?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Avrora
2009-04-15T20:18:59+00:00 15.04.2009 22:18
super sues und knuffig die beiden^^
Von:  Avrora
2009-04-15T20:18:43+00:00 15.04.2009 22:18
super sues und knuffig die beiden^^
Von:  saspi
2008-12-29T23:45:47+00:00 30.12.2008 00:45
hey!!

klasse one shout. hat mir sehr gefallen. war echt spannend zu lesen.

bye


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