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Ein ganz besonderer Weihnachtsengel

von

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Das Monster im 1. Stock

Mein Fanclub begleitet mich zu meinem Einsatzort. Mein Lakai Mark trägt die Decke und die Thermoskanne, die Taschenlampe habe ich mir in die Hosentasche gesteckt. Eine Ersatzpackung Batterien habe ich auch dabei. Jemand wie ich ist eben immer auf alles vorbereitet. Ich habe meinen Thron schließlich nicht dadurch gewonnen, dass ich mich gerne überraschen lasse und spontan agiere. Das war ein verdammt hartes Stück Arbeit. Ich mein, mein Vater sitzt seit fünf Jahren auf der Couch und macht gar nichts mehr. Er hat im Hafen gearbeitet, in einem dieser großen Kräne, und Container von Schiffen geholt. Hat gar nicht schlecht verdient, der Alte, obwohl er nur Hauptschule gemacht hat, aber er hat mehr Geld nach Hause gebracht als so manch anderer. Und dann ist er abgestürzt. War gar nicht seine Schuld. Er ist die Leiter runter, und eine der Sprossen war im Arsch. Ist aus über zehn Metern gefallen. Aber mein Vater ist ein zäher Hund, überlebt hat er’s. Die meisten wären dran krepiert. Er sitzt nur im Rollstuhl. Scheiße ist das, sag ich. Das hat er echt nicht verdient. Immer hat er alles gegeben und jetzt ist er ein Krüppel. Es ist meine Gott verdammte Pflicht, dass ich jetzt das Ruder übernehme, versteht ihr? Kann man gar nichts dran machen.

Deswegen mach ich den Scheiß hier überhaupt mit. Mein Vater soll irgendwann sehen, dass er kein Weichei großgezogen hat. Ich bin wie er, stahlhart, und immer bereit alles zu tun, was nötig ist. Ihr verkriecht euch wahrscheinlich regelmäßig in eine Ecke und findet alles so unfair, hab ich recht? Kotzen könnt ich bei sowas! Wer hat denn je behauptet, dass das Leben gerecht ist? Zeigt mir das Naturgesetz, woraus man den Müll schließen kann! Das Leben ist eine große Bestie und wenn ihr nicht aufpasst, dann werdet ihr verschlungen. Sowie mein Vater. Ein Mann, wie man ihn nur selten findet, und jetzt ein Nichts, mit nur einem falschen Schritt. Er kriegt seine Rente, klar, und die ist auch großzügig, weil, war Materialverschleiß, aber er ist trotzdem überflüssig. Du musst immer gewappnet sein. Pass auf, wo du deine Füße hinsetzt. Ich werde aufpassen und ich werde nicht zulassen, dass mir bei meinem Weg etwas in die Quere kommt, nicht mal ich selbst.

In Augenblick steht zwischen mir und meinem Weg die heutige Nacht, und dieses beschissenen Haus. Mann, ich bin wahrscheinlich der hundertste, der sich auf genau die gleiche Mutprobe einlässt, aber immer noch lieber so, als zu den tausenden zu gehören, die sich sowas nie trauen. Das schon benutzte Frauenzimmer hängt an meinem Arm und ist mal wieder hin und weg von mir. Hilf ihr jetzt auch nicht mehr. Wird sie schon noch merken. Die sanfte Nummer kann sie echt vergessen. Das heißt nur noch Beine breit und Heidewitzka, wenn ich morgen Abend zu ihr gehe. Wer Pat verarscht, der ist in den Arsch gekniffen. Hat sie wirklich nicht anders verdient, oder wie seht ihr das? Na, vielleicht mach ich’s auch nicht. Reicht ja eigentlich, wenn ich es danach nur rumerzähle. Ihr wird niemand glauben, die kennen mich ja schließlich. Ich bin der Held in dieser Geschichte, schon vergessen? Neidisch, oder was? Dann erlebt doch selbst etwas und lebt nicht durch andere Leute, zwingt euch ja keiner, das hier zu lesen, ihr Loser.

Aber jetzt weiter im Text. Ich hab keine Zeit zu verschwenden. Nicht so wie manch andere Leute anscheinend.

„Halt die Ohren steif, Pat.“, brummt Boris.

Er ist immer noch mein Kumpel, aber wenn ich mal ehrlich bin, es ist nicht mehr so wie früher. Keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht hat ihn letzten Endes doch der Neid erwischt. Oder ich hab mich verändert.

„Wir kommen morgen früh her und dann gibt’s erstmal ordentlich ein paar Büchsen Bier.“, teilt Lennart mit.

„Macht euch vom Acker, ich hab hier noch was wichtiges zu erledigen, ehe ich mich auf’s Ohr haue.“, erwidere ich nur lässig

Ich schnappe mir die blöde Kuh, die denkt, sie ist meine Freundin, und gehe ihr ein bisschen an die Möpse. Muss ja schließlich sein, ich will nicht, dass sie Verdacht schöpft. Wenn alles läuft wie ich es will, und das wird es, kann ich morgen Abend endlich ein Tor schießen und dann meinen Abgang machen. Auf zur nächsten Jagd. Hühner gibt es schließlich wie Sand am Meer. Ich bekomme jeder Zeit ein neues Statussymbol, das tun Kerle wie ich immer. Auch, wenn es mir manchmal gehörig auf den Sack geht. Um mich von diesen Gedanken abzulenken knete ich die wabbelige Masse in meinen Händen, bis ich es echt nicht mehr aushalten kann und lieber ihren Bauch streichle. Der ist wenigstens schön flach, da weiß man, was man hat.

Nach der unausweichlichen Verabschiedung machen die anderen die Biege und ich gehe in mein neues Domizil, für eine Nacht. Wenn wenigstens die Fensterscheiben noch ganz wären. Drinnen riecht es nach Moder und Schimmel und es sieht entsetzlich aus. Ich mein, nicht dass ich auf sowas viel gebe, aber das ist echt ätzend hier. Ich hätte auch eine Nasenklammer mitbringen sollen. Da wird einem die Entscheidung, in welchem der Zimmer man sein Lager aufschlagen soll, gar nicht mal so leicht gemacht. Ich inspiziere das Untergeschoss, aber eher gucke ich mir zweimal hintereinander Titanic an, als dass ich meinen Körper hier irgendwo ablege. Ansonsten fang ich noch selbst an zu schimmeln.

Die Treppe sieht immer noch ziemlich stabil aus. Ich gehe zwar nicht gern ein Risiko ein, aber so baufällig ist das Haus auch noch nicht. Die Stufen knarren so verdächtig, ich weiß nicht, ob ich nicht doch lieber wieder zurückgehen soll. Ich hab euch ja gerade die Geschichte von meinem Vater erzählt. Es reicht wirklich einmal nicht aufgepasst und das war’s. Aber ich bin auch kein Feigling, ich lass mich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, nur damit das klar ist. Weiter im Text, ab nach oben. Ich kann schon fühlen, wie es langsam wärmer wird, weniger zugig. Eigentlich komisch, ist es weiter oben nicht immer auch windiger? Naja, liegt bestimmt an den vielen Türen, die es hier gibt und die alle geschlossen sind. Die halten einfach mehr ab, als zerbrochene Fenster. Dann mal los, hier wird es bestimmt ein Zimmer geben, mit dem ich leben kann. Hab ja schließlich keine hohen Ansprüche.

Ich öffne die erste Tür, die mir unter die Finger kommt. Dummer Fehler, es stinkt so bestialisch, dass ich beinahe in echt kotzen muss und nicht nur so gesagt. Es riecht wie… wie… keine Ahnung, übel auf jeden Fall. Da hinten liegt irgendwas in der Ecke, klein nur, aber es zuckt irgendwie. Ich bekomme eine Gänsehaut. Nicht vor Angst oder so, brauch ich gar nicht, mithilfe der Taschenlampe kann ich schließlich problemlos erkennen, dass das nur irgendein Vogel ist, wahrscheinlich ein Taube, und das zucken sind die ganzen Maden, die sie gerade auffressen. So ist eben die Natur, das ist wenigstens ehrlich, versteht ihr? Keinen Schnickschnack, nur der Lauf der Welt. Das Ding erklärt natürlich auch den Gestank. Tür zu, Sache erledigt. Das sollte immer so einfach sein. Aber manche Türen wollen einfach nicht zugehen, manche Bilder behält man einfach im Kopf, egal was man auch macht. Ich kann inzwischen kaum noch an was anderes denken. Immerzu. Ich denke an… Das geht euch einen Scheiß an, ihr blöden Kriecher. Ihr wollt ja nur, dass ihr endlich einen Grund habt, euch mal mir überlegen zu fühlen. Da könnt ihr warten, bis ihr schwarz werdet und ich werde euch immer noch Meilen voraus sein. Findet euch damit ab. Ich hab schließlich auch Sachen, mit denen ich mich abfinden muss. Aber was das für Sachen sind, das geht nur mich was an. Niemanden sonst. Scheiße.

Es bekommt mir gar nicht gut, hier allein in diesem Rattenloch zu sein. Hier ist zu viel Platz, damit mir meine Gedanken abhauen können. Lieber die nächste Tür aufmachen. Ähnliches Ergebnis, allerdings ohne toten Vogel und ohne bestialischen Gestank, dafür mit einem ausgewachsenen Feuchtbiotop in der Mitte des Zimmers. Wenn ich eine Luftmatratze hätte könnte ich mir vorstellen, ich wäre am See. Gibt ja noch ein paar andere Räume hier. Der nächste ist das Bad, zumindest ist er gefliest und hat ein paar Löcher in den Wänden und im Boden. Waschbecken, Dusche, oder auch nur ein Klo gibt es hier nicht mehr. Sieht noch frisch aus, die Löcher. Haben vielleicht die Jungs vom Bautrupp schon unter der Woche erledigt. Man entkernt ein Haus, bevor man es abreißt.

Aber hinter der nächsten Tür ziehe ich den Hauptgewinn. Es riecht nur leicht muffig, hat ein Fenster, das absolut ganz ist, nicht mal einen Riss hat es, ist das zu fassen? Da haben die Generationen vor mir aber keine gute Arbeit geleistet. Das werde ich erledigen, als Abschiedsgeschenk morgen früh. Bitte, bitte, nichts zu danken, so bin ich eben. Doch im Augenblick ist es natürlich genau das, was ich suche. Ich werde hier eine echt erholsame Nacht haben

Ich wickle mich in die Decke, lehne mich an die Innenwand, sicher ist sicher, und stöpsle mich erstmal an meinen MP3. Das Teil ist wirklich lebenswichtig. Die Mucke ist ein ganz anderes Kaliber als die von meiner kleinen Schwester. Die hört Yvonne Catterfeld. Muss ich noch mehr sagen? Ist erst zwölf, die kleine, ist ein süßes Ding, wirklich. Ich pass auf meine kleine Schwester auf, das muss ich als großer Bruder. Die wird nicht an so einen Wichser wie mich geraten, der ihr nur an die Wäsche will, das könnt ihr glauben. Da habe ich schön mein Händchen vor. Ich hab nur Sorgen was passiert, wenn ich erstmal arbeite oder woanders studiere. Dann kann ich sie nicht immer im Auge behalten. Das lustige bei der Sache ist, dass ich mich selbst nicht ausstehen kann. Ganz ehrlich. Ich bin gerade nicht in der Stimmung, den harten Mann zu spielen. Außer euch ist ja eh keiner hier. Mein Leben ist scheiße. Es ist verflucht anstrengenden, immer die Nummer 1 zu sein. Alle starren dich die ganze Zeit an, du musst immer aufpassen, was du sagst oder tust. Andere können sich Fehler erlauben, aber wehe, ich mach mal Mist. Das breitet sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule aus und die hämischen Gesichter, echt ätzend. Ich sag das niemandem, nicht mal Boris, auch wenn er mein Kumpel ist, mein bester Mann. Ich wünschte, ich wäre so ein kleiner Niemand. Dann hätte ich meine Ruhe. Und ich wünschte, ich müsste meinem dämlichen Vater nicht ständig beweisen, dass ich seine Beine sein kann. Ich könnte mich einfach in die Mitte der Aula stellen, in der großen Pause, und es hinausschreien. Das würde schätzungsweise drei Sekunden brauchen, dann wäre alles vorbei.

Oh Scheiße! Da bewegt sich was und diesmal ist es kein beknackter Vogel, dazu ist das viel zu groß. Es bewegt sich, wo ist die Taschenlampe? Sie ist weg, nein, das kann nicht sein, ich hatte sie doch eben noch in der Hand. Was ist das? Was zur Hölle ist das?! Ich will schreien, aber ich habe überhaupt keine Luft mehr dazu. Ich glaube es. Jedes Wort. Zehn Menschen? Was bleibt zurück, etwa das, was sich in der Zimmerecke bewegt? Es ist so verflucht riesig, bestimmt doppelt so groß wie ich. Was soll ich jetzt machen? Das Vater-Unser aufsagen? Ich kann den Scheiß nicht, ich hab in der Schule nicht aufgepasst, als das drankam. Wie bekreuzigt man sich? Ich kann nur noch hochtaumeln, die Tür ist hunderte von Metern weit entfernt, das schaff ich nicht.

Als dann plötzlich ein Lichtstrahl in mein Gesicht fällt, weil ein Auto langsam an dem Haus vorbei tuckert, kann ich Gott sei Dank doch wieder schreien. Könnt ihr’s hören? Da steckt ordentlich Power dahinter, wenn auch nicht ganz so viel wie hinter dem Schrei, der aus der anderen Zimmerecke kommt. Das klingt gar nicht wie ein Geist oder Monster. Also, nicht dass ich sowas glauben würde. Ich war nur ein paar Sekunden eingenickt oder so, da kann einem manchmal schon was komisch vorkommen. Kennt ihr bestimmt auch.

Ich lass mich natürlich nicht in Panik versetzen. Vor allem nicht von dem, was ich jetzt, da es ein wenig Licht gibt, eindeutig als Menschen identifizieren kann. Der Typ ist auch noch gar nicht so alt. Vielleicht so wie ich auch. Ich greife schnell nach meiner Taschenlampe, die ich jetzt etwas entfernt auf dem Fußboden liegen sehe, und erhöhe den Beleuchtungsgrad. Wirklich, da sitzt einer. Der zittert noch mehr als ich, wenn ich zittern würde, heißt das, tu ich aber nicht. Und kreidebleich ist er auch, schon fast so gräulich, mit riesigen Augen, die fallen ihm gleich aus dem Kopf. Wie gut, dass ich so ruhig bin. Ach, wir hatten ja beschlossen, ein bisschen ehrlicher zu sein, richtig? Na gut, mir ist das Herz in die Hose gerutscht, ich hab schon seit Ewigkeiten nicht mehr so ein Schiss gehabt wie eben und wenn ich nicht an der Wand lehnen würde, dann würde ich augenblicklich umkippen. So wackelig sind meine Beine. Ja, ja, grinst nur. Ihr hättet wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen und wärt jetzt genauso mausetot wie der Vogel ein paar Zimmer weiter. Geht mir am Arsch vorbei. Ich muss jetzt erstmal meinen neuesten Fund begutachten, OK?

Mann, was ist das denn für einer? Den hab ich ja noch nie gesehen. Noch so eine Feuermelderfresse, um mal mit Boris Worten zu sprechen. Der Seitenscheitel ist ja wie mit einem Lineal gezogen, die ganze Frisur ist einfach nur lächerlich. Und erst was er anhat! So richtig Hemd und ordentlich gebügelte Bundfaltenhose und allen ernstes eine Strickjacke. Ist der irgendwo entlaufen? Wahrscheinlich seiner Mami, die hat noch überall ihre Fingerabdrücke auf ihm hinterlassen. Ihr kleiner Liebling vom Scheitel bis zur Sohle. Ich glaub, ich hatte noch nicht erwähnt, dass ich sowas süß finde, oder? Da, ich hab’s gesagt. Ihr hattet recht, von Anfang an, zufrieden? Ich kann Titten nicht ausstehen, und nicht nur das, ich finde Frauen ätzend. Ich will sie nicht, was ich will ist ganz was anderes. Das ist es, worüber ich immer nachdenken muss, was ich in die Aula hinausschreien will und was mir seit drei Jahren das Leben zur Hölle macht.

Das war auf Klassenfahrt, am Anfang der 10. Seitdem hab ich auch eine Schwäche für so Milchbubis. Der Typ hat mich komplett umgedreht und seitdem hört es gar nicht mehr auf, sich zu drehen. Das ist zum Kotzen. Sorry, ich rede undeutlich. Ihr wollt jetzt alles wissen, stimmt’s? Warum nicht? Ist ja nicht so, als wenn ich es jemandem erzähle, der eine Rolle spielt. Auf dieser besagten Klassenfahrt war da dieser Junge, von einer anderen Schule. So ein schwächlicher, kleiner, mit genauso großen Augen wie mein unbekannter Zimmergenosse hier. Wir haben ihn so was hochgenommen, ihr wisst schon, was ich meine. Er hat nicht geflennt, ich war echt beeindruckt. Er hat nur seinen Mund ganz fest zusammengepresst und gar nichts gesagt. Wir haben an dem Abend heimlich gesoffen. Wie bitte? Eure Lehrer haben immer aufgepasst, dass ihr nachts nicht mehr aus euren Zimmern seid? Hätten meine mal besser auch getan, dann wäre das alles nie passiert. Ich wollte nur mal schnell für kleine Königstiger, musste mich schon an der Wand abstützen, weil ich so viel getankt hatte. Und wen treff ich da auf dem Lokus? Den Schwächling aus der anderen Klasse. Ich war so besoffen, dass ich ihm gesagt hab, dass es mir leid tut. Könnt ihr euch das vorstellen? Keine Ahnung, wie viel Alkohol man in sich reinschütten muss, damit man sich so gehen lassen kann, aber ich hatte es geschafft, halleluja. Und ehe ich auch nur weiß, wie das alles überhaupt passiert ist, da sind wir auch schon am knutschen und ich hab meine Finger überall an ihm. Ich wünschte, ich hätte noch mehr getrunken, dann hätte ich vielleicht einen Filmriss geschafft.

Am nächsten Tag haben wir ihn aufgemischt, und diesmal so richtig, bis er doch geheult hat. War nicht meine Idee, ich schwör’s! Aber die anderen waren so heiß drauf, da konnte ich nicht nein sagen. Das hätte komisch ausgesehen. Ich hab ihn nur festgehalten. Das war alles. Seine Klasse ist am nächsten Tag abgefahren, ich weiß nicht mal, wie er heißt. Ich denke nur die ganze Zeit an ihn und mir wird manchmal richtig schlecht dabei. Es hat sich eigentlich nichts geändert, aber ich weiß seitdem Bescheid. Das ist aber meine Sache, geht niemanden außer mich was an. Man kann nicht alles haben im Leben, da muss man sich eben auf die Sachen konzentrieren, die wichtig sind und den Rest einfach ignorieren. Es ist wichtig, dass ich ein Gewinner bin, aber es ist nicht wichtig, was ich persönlich dabei denke und empfinde. Das ist einfach Fakt. Wieder zurück zu dem, was wichtig ist. Ich bin nicht allein hier in diesem Zimmer. Neugierig betrachte ich den Typen näher.

„He, du Flasche.“, schnauze ich dann. „Wer hat dir erlaubt, dich hier breit zu machen? Hier nächtige ich.“

Er sieht mich immer noch völlig fassungslos an. Loser. Das steht beinahe in Neonbuchstaben auf seiner Stirn. Das wird er wahrscheinlich für den Rest seines Lebens nicht loswerden. Kann einem fast leid tun. Aber ich hab genug mit mir selbst zu tun, für Mitgefühl und diesen ganzen emotionalen Scheiß hab ich keine Zeit.

„Ich war vor dir da.“, sagte der Spacken dann schwächlich, Mann, fängt der jetzt schon an zu heulen, ich hab doch gar nichts gemacht!

„Wenn ich sage, zisch ab, dann setzt du sofort deinen Arsch in Bewegung, klar?“, mach ich weiter und verbreite eine Aura von Macht um mich; der soll gleich wissen, dass er sich bei mir keine dummen Sprüche erlauben soll.

Na bitte, geht doch. Er nickt und sieht zu Boden. Was für ein Schwächling. Ich bin so froh, dass ich nicht so bin und mich jeder rumschubsen kann. Er darf vorerst bleiben. Ich bin vielleicht kein Heiliger, aber ich bin auch kein Unmensch. Der ist bestimmt von zu Hause abgehauen und weiß nicht, wo er hin soll. Der ist nicht von hier, ich kenn hier jeden und den hab ich noch nie gesehen. Mir wird langsam kalt, aber ich bin ja gut vorbereitet, ich habe eine Decke. Ich setze mich wieder auf den Boden und wickle mich ein, wie so ein Indianerhäuptling.

„Wie heißt’n du?“, erteile ich ihm den Befehl zum Sprechen.

„Richard.“, murmelte er verschämt.

Mamas Liebling, ganz klar. OK, OK, er ist süß. Es gefällt mir eben, wenn jemand ein bisschen schutzbedürftig wirkt. Ich kann auch echt großzügig sein, wenn ich will. Ich bin nicht nur ein Arsch. Viele Leute mögen mich, aber man muss eben nach unten treten. Als ich noch nicht ganz oben war, da hab ich auch so manchen Tritt einstecken müssen. Aber wenn sich jemand anständig beträgt, dann mach ich nichts, ehrlich. Ich seh ihn mir genauer an. Himmel noch mal, der sieht echt schräg aus. So gelackt und geschniegelt, ich glaub, er hat sogar Brillantine in den Haaren. Und er sieht recht unglücklich aus, wenn ich das richtig einschätze. Es wird bestimmt interessanter, wenn ich die Nacht hier nicht ganz alleine verbringen muss. Hey, ich seh ihn nur an, verstanden? Ich mach mir doch nicht die Hände schmutzig. Hab ich doch schon gesagt, das geht nur mich was an. Das eine Mal war ich betrunken und unvorbereitet. Passiert mir bestimmt nicht nochmal.

„Und du?“, fragt Richard schüchtern.

Wieso muss ich das niedlich finden? Scheißdreck, das ist nicht niedlich, das ist jämmerlich. Der Typ ist bestimmt so alt wie ich, ganz klar, aber der hat schon einen richtig krummen Rücken, weil der wohl immer buckelt, vor allem und jedem. Normalerweise würde ich ihn jetzt abschießen, aber ich bin einfach zu froh, dass ich nicht die ganze Nacht alleine hier verbringen muss. Nicht wegen dem was ihr denkt, ich hab nicht die Hose voll, aber wenn ich alleine bin, dann ist niemand da, der mich bewundern kann. Vielleicht werde ich einfach mal nett zu ihm sein, ist ja keiner hier, der das mitkriegt.

„Pat.“

Wir sitzen jeder in unserer Zimmerecke. Ich mit meiner warmen Jacke und in meine Decke gewickelt, er nur in Hemd und Strickjacke. Mann, ist dem nicht kalt? Es ist Winter! Draußen frieren einem die Eier ab und hier drinnen ist es nicht viel besser. Ach so, er zittert ja, vielleicht liegt das doch mehr an den Temperaturen als am Schreck. Ich schnappe mir meine Thermoskanne und fülle den Deckel, der auch gleichzeitig der Becher ist, mit Kaffee voll. Ist mit Schuss, macht zwar nicht wärmer, aber es kommt einem so vor. Ich trinke vorsichtig ein paar Schlucke, ist wirklich verdammt heiß. Mir ist gar nicht kalt, nicht im Moment, und ich will eigentlich auch keinen Kaffee, aber es geht eben nicht anders. Wenn ich Richard gleich gefragt hätte, ob er was heißes trinken will, wie würde denn das aussehen? Als wenn ich irgend so eine fürsorgliche Glucke wäre. Aber wenn ich selbst was trinke, dann kann ich ihm ganz großzügig den Rest geben. Das ist dann in Ordnung.

„Hier.“, sage ich cool und halte den Becher in seine Richtung.

Klar, das Zimmer ist klein, aber so lange Arme hat dann doch kein Mensch, dass er an den Becher kommt. Er wird schon aufstehen müssen, wenn er was will. Ich bedien nämlich niemanden, nur damit das absolut klar ist. Nicht mal dann, wenn ich offensichtlich gerade meinen sozialen hab. Irgendwo sind einfach die Grenzen. Aber Richy versteht das anscheinend. Er steht auf und kommt brav rüber. Ist mir egal, ob er Durst hat oder nicht, wenn ich jemandem was anbiete, dann hat er es gefälligst auch zu nehmen, ist klar, oder? Eben.

Er hat schöne Hände. Für einen Mann, meine ich. Kerle haben sonst keine schönen Hände, brauchen die auch nicht. Frauen sollten schöne Hände haben, ist dekorativer. Männer brauchen Hände, mit denen sie zupacken können. Aber seine sind echt… scheiße, ich will das gar nicht, aber ich denke gerade darüber nach, wie sich diese Hände wohl anfühlen, wenn sie mich anfassen. Gut, drüber nachdenken ist ja nichts verbotenes, ist schließlich nur in meinem Kopf. Es kommt einzig und allein darauf an, was man tut, denn das bekommen alle mit.

„Da ist ja Alkohol mit drin.“, sagt Richy überrascht.

„Trink.“, knurre ich. „Du brauchst das.“

„Danke.“

Mann, wieso muss der die ganze Zeit direkt vor mir stehen bleiben? Ich hab ihm den Becher gegeben, er kann jetzt auch wieder zurück auf seinen Platz, bis er ihn mir wieder bringt. Aber ihr glaubt es nicht, was der sich gerade traut! Direkt neben mich, da setzt er sich hin. Als wenn wir beide Freunde wären. Was denkt der sich eigentlich? Seh ich vielleicht aus, als wenn ich jemanden wie ihn neben mir sitzen haben will? Wie gut, dass niemand außer uns hier ist, ansonsten müsste ich ihm jetzt echt eine kleine Lektion erteilen.

„Du bist von zu Hause abgehauen, oder?“, frage ich ihn; nur so um Konversation zu betreiben, interessiert mich nicht wirklich.

„Ich bin einfach von allem abgehauen, nicht nur von zu Hause.“, gibt Richy auch sofort zu. „Und was machst du hier?“

„Mutprobe.“, brumme ich, auch wenn es ihn ja nun echt nichts angeht.

„Dann gehst du also morgen wieder?“

„Ja.“

Was hat er denn gedacht? Etwa, dass einer wie ich nicht weiß, wo er hin soll? Lachhaft. Für mich gibt es immer Platz, überall. Ich könnte selbst bei Dennis, dem Streber, auf der Matte stehen und er würde mich `ne Nacht bei sich pennen lassen. Würde sich einfach keiner trauen, mich abzuweisen.

„Ich werde einfach hier bleiben.“, seufzt Richy.

Mann, der hat nicht nur schöne Hände, der hat auch eine schöne Stimme. Nicht so tief, wie sie bei einem Mann eigentlich sein sollte, aber verdammt weich. Kann gerne noch mehr sagen.

„Wie lange bist du denn schon hier?“, will ich wissen.

„Keine Ahnung, vielleicht schon seit immer.“, lacht er.

Hui, Gänsehaut. Das ist gar nicht gut. Kein Mann macht mir eine Gänsehaut, keine, die sich bis in meine Eingeweide rein frisst. Ich will, dass er wieder in seine Ecke geht und die beschissene Gänsehaut mitnimmt, und seine schönen Hände. Aber vor allem dieses Lachen. Wahrscheinlich ist er doch ein Monster, genau wie ich zuerst gedacht hab. Irgendwas verdammt seltsames geht hier zumindest gerade ab.

„Ist dir immer noch kalt? Kannst noch mehr haben.“

Versteht ihr, was ich meine? Seltsam. Das ist mein Kaffee, den brauch ich für später, aber im Moment würde ich nichts lieber tun, als ihm die ganze Kanne einzuflößen. Wenn mich jetzt jemand sehen könnte, dann wär mein Leben echt sowas von gelaufen. Ich sitz hier mit `nem totalen Streber und Geek einträchtig Seite an Seite und lass ihn meinen ganzen Kaffee wegsaufen.

„Du bist sehr nett.“, sagt die kleine Ratte und lächelt mich dabei auch noch an; das ist Scheiße.

„Ich bin ein Arschloch, aber bestimmt nicht nett.“, muss ich darauf einfach entgegnen.

Der soll gleich wissen, woran er bei mir ist, versteht ihr? Kann ja nicht angehen, dass ich hier wie so ein Samariter rüberkomme. Und ihr könnt euch euer höhnisches Grinsen sonstwo hinstecken! Ich wollte das eigentlich so richtig barsch sagen, das bescheuerte ist nur, dass meine Stimme ein bisschen vor Kälte erstarrt zu sein scheint, das kommt nämlich ganz wackelig raus.

„Ich glaube nicht, dass du das bist.“

„Kennst mich doch gar nicht.“

Das tut er schließlich wirklich nicht, oder? Nein, ganz sicher nicht. Obwohl, vielleicht kommt er aus dem Nachbarstädtchen, bis dahin hat sich mein Ruf nämlich auch schon rumgesprochen, dann weiß er natürlich, dass ich hart wie Stahl bin und niemandem erlaube, mir auf der Nase rumzutanzen. Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und mustere ihn mal etwas genauer. Ein echter Loser, da gibt es gar keinen Zweifel, aber trotzdem. Erinnert mich wirklich stark an diesen Typen von der Klassenfahr. Einen Moment bin ich mir sogar sicher, dass er es sein könnte, aber das ist nur Wunschdenken, das weiß ich genau. Ach, leckt mich doch, ihr blöden Penner! Auch ein Leitwolf hat seine schwachen Minuten, muss man eben hinnehmen. Ich würde dem Jungen von der Klassenfahrt gerne sagen, dass ich das nicht wollte. Ich mein, alles ist anders seit dem, er hat irgendwas mit mir gemacht, aber ich wollte ihn am nächsten Tag nicht festhalten, während meine Jungs ihn ein bisschen bearbeiten. Ich wollte ihn eigentlich nur festhalten.

OK, haltet das Bild an und beschäftigt euch mal ein Weilchen mit was anderem, kapiert? Zieht Leine! Na los, wird’s bald? Ich heul nicht, wenn andere Leute dabei sind, niemals, mach ich nicht mal, wenn ich alleine bin. Das letzte Mal, dass ich geflennt habe war, als die von der Firma von meinem Vater angerufen haben und er im Krankenhaus lag. So völlig zerbrochen und in Gips gepackt, wie eine kaputte Vase. Da hab ich sofort gewusst, dass er unwiderruflich hin ist, das mussten die Ärzte mir erst gar nicht sagen.

„He, ist doch schon gut.“, sagte diese schöne Stimme an meinem Ohr und ich kann fühlen, wie dieser ätzende, kleine Schleimer einen Arm um meine Schultern legt.

Das traut sich keiner! Niemand! Niemals! Dafür werd ich ihm sämtliche Knochen im Leib brechen, sofort, also wirklich jede Sekunde, ich muss nur erst wieder zu Atem kommen. Ich bin kein Schwächling, ich nicht, nicht Patrick Last, das kann euch jeder bestätigen. Ich brauch niemanden, der mich tröstet, zur Hölle! Die anderen brauchen jemanden, der sie wieder aufbaut, wenn ich mit ihnen fertig bin. So läuft das und nicht anders.

Es fühlt sich so beschissen schön an, wie er den Arm um mich gelegt hat, dass ich ihn allein dafür killen sollte. Aber ich tu’s nicht. Will ja schließlich nicht wegen so einer Null im Knast landen. Ich muss nur irgendwie diese Nacht hinter mich bringen. Morgen holt mein Hofstaat mich hier ab, ich lass mich feiern und abends nagele ich diese kleine Schlampe, wie es sich für einen richtigen Mann gehört. Ich kenn mich mit sowas eben aus. Dass ich viel lieber was anderes machen würde, damit muss ich eben leben.

„Ich würde auch am liebsten weinen.“, murmelt Richy neben mir. „Aber ich kann nicht, ist nichts mehr übrig.“

„Wenn du irgendjemandem erzählst, dass ich geheult hab, dann bist du tot.“, schluchze ich gefährlich.

„Wem sollte ich das denn schon erzählen? Mit mir redet keiner.“

Gute Selbsteinschätzung. Gefällt mir. Der weiß offensichtlich, wo sein Platz ist. Wer will mit so einem Loser schon reden? Vielleicht die Spinner aus dem Schachklub, aber sonst bestimmt niemand. Also, ich ganz sicher nicht. Mach ich nur, weil ich heute irgendwie komisch drauf bin und weil es keiner mitkriegt. Hab ich ja schon gesagt, nicht wahr?

„Hast wohl gar keine Freunde, was?“, schnaube ich verächtlich und stelle so das natürliche Gleichgewicht wieder her.

„Nein, niemanden.“, bestätigt Richy so gleichgültig, dass ich ihn anstarre.

Wenn ich nicht so beliebt wäre und alle den Boden anbeten würden, über den ich wandele, dann hätte ich überhaupt keine Chance, das alles durchzustehen. So kann ich mich ihn ihrer Bewunderung sonnen und brauch nicht über Scheiße nachdenken, mit der ich nichts zu tun haben will. Aber vielleicht gewöhnt man sich ja dran. Manche Menschen kommen als Versager auf die Welt. Wie das Exemplar hier neben mir. Kann halt nicht jeder so ein toller Typ wie ich sein.

„Ach komm, es gibt doch bestimmt ein paar Leute, mit denen du dich verstehst.“, versuche ich ihn aufzumuntern; es gefällt mir besser, wenn er lacht, als wenn er so tot aussieht wie gerade.

Na bitte, da ist es wieder. Wow, das ist ein absolut wahnsinniges Lächeln. So ehrlich, so süß, ich möchte ihn jetzt am liebsten… Ich dreh langsam durch. Das muss an der Jahreszeit liegen. Wenn es auf Weihnachten zugeht, dann wird man dermaßen mit diesem Kitsch zugeballert, dass man früher oder später selbst ganz weich in der Birne wird und sich allen Ernstes überlegt, dass man diese Niete neben sich am liebsten küssen würde. Ja, lacht mich nur aus, ich würd’s ja selbst tun, wenn ich gerade nicht so ein Kloss im Hals hätte.

„Nein, niemanden.“, wiederholt er, aber diesmal grinst er dabei. „Außer dir vielleicht.“

Scheiße, wir kennen uns gerade mal eine Stunde oder so? Denkt der wirklich, wir würden uns verstehen? Der hat sie doch nicht mehr alle, den Zahn muss ich ihm ganz fix wieder ziehen. Ich werd ihm sagen, dass ich der King bin und er mir bestenfalls aus der Ferne zusehen darf, wie ich den Laden schmeiße. Aber auch das nur, wenn er unter meiner Augenhöhe bleibt und mir nicht auf den Wecker fällt.

„Du zitterst immer noch.“, sage ich als Einleitung; gleich werde ich dranhängen, dass er bestimmt Schiss hat und dass er da auch recht dran tut, weil ich ihn jeder Zeit fertig machen kann, da brauch ich nur meinen kleinen Finger für. „Die Decke reicht auch für zwei.“

WAS?! Was rede ich hier? Die Decke reicht für zwei? Ich bin gerade echt über die Kante gesegelt. Dabei hab ich nicht mal was getrunken. Womit will ich das denn jetzt noch entschuldigen? Mann, ihr werdet gerade Zeuge, wie Patrick Last seine ganze Coolness aufgibt. Gefällt euch das? Natürlich. Jeder sieht doch gerne zu, wie ein anderer sich hinpackt und im Dreck liegt. Lacht nur, solange ihr noch könnt. Ich komm wieder auf die Füße. Dreck kann man abwaschen, gebrochene Knochen brauchen lange, um zu heilen. Und ich werde ganz bestimmt ein paar Knochen zum bersten bringen, wenn ich erstmal meinen Verstand wieder habe.

Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich sitze hier, gemeinsam in eine Wolldecke gehüllt, mit einem Kerl, den ich gerade eben erst getroffen habe und ich will gar nichts anderes mehr. Er hat seinen Arm unter der Decke an mein Bein gelegt, das verursacht mir Atemnot. Ich hätte im Moment lieber so ein paar dicke Titten vor meinen Händen, da weiß ich wenigstens, was ich damit anzufangen habe. Mit seiner Hand auf meinem Bein bin ich überfordert. Mann, wie kommt die denn so überraschend dahin? Eben lag die doch noch daneben. Vielleicht auf die gleiche Art, die mein Arm um seine Hüfte gekommen ist. Der lehnt doch tatsächlich seinen Kopf an meine Schulter. Ich kann gar nichts dagegen machen.

Alles klar. Seid ihr jetzt glücklich? Habt ihr, was ihr wolltet? Ich bin ein Homo. Aber das wird außer euch nie jemand erfahren. Und vielleicht außer Richy hier, der das irgendwie einfach gewusst haben muss und auch, dass ich heute so schwach bin, ansonsten könnte er sich sowas nicht erlauben. Das liegt doch an den Genen, oder? Seht ihr, ist gar nichts schlimmes dabei, ist nicht meine Schuld, dass ich gerne Männer ansehe und mir vorstelle, sie anzufassen und von ihnen angefasst zu werden. Werd ich aber trotzdem nicht tun. Wenn sich das rumsprechen würde, dann wäre mein Königreich Geschichte. Heute ist eine absolute Ausnahme. Und wenn ihr jetzt gedacht habt, wir fallen übereinander her und es gibt hier lauter Schweinkram, dann habt ihr euch geschnitten. Gibt es nicht. Wir machen gar nichts weiter. Ich hab den Arm um seine Hüften, er den Kopf an meiner Schulter und die Hand auf meinem Bein und weiter passier gar nichts. Die ganze Nacht über nicht. Wir reden nur ein bisschen, aber auch nicht viel.

Ich bin dann wohl doch irgendwann eingeschlafen. Als ich meine Augen das letzte Mal auf hatte, war noch alles stockdunkel, aber jetzt kommt von draußen graues Licht rein. Ein Blick auf mein Handy sagt mir, dass es viertel nach acht ist. Ein zweiter Blick sagt mir, dass ich allein bin. Richy ist weg. Vielleicht `ne Stange Wasser irgendwo in die Ecke stellen. Ich hab noch so Schokoriegel dabei, die können wir zum Frühstück verputzen und dann heißt es Bye-bye und nicht mehr zurückblicken. Wenn ich ihn irgendwann mal wieder auf der Straße treffen sollte, dann werde ich ihn nicht kennen. Richy ist irgendwie clever, ich glaube, das weiß er auch. Mann, ich bin doch nur ehrlich, also hört auf, euch das Maul zu zerreißen. Soll ich ihn jetzt etwa mitnehmen, wenn ich mit meine Homies zum Frühschoppen gehe? Da friert eher die Hölle zu. Nee, so läuft das nicht. Gestern Nacht war gestern Nacht, aber jetzt ist wieder Morgen, da weiß ich wieder ganz genau, was ich tue.

Nur verabschieden möchte ich mich eigentlich schon ganz gerne. Das mit dem Jungen von der Klassenfahrt, das sitzt mir in den Knochen. Ich will nicht noch so eine Erinnerung. Man kann ein Arschloch sein und dabei trotzdem nicht asozial, versteht ihr. Arschlöcher kommen weiter, das ist eine Tatsache, aber Assis sind auch nur Loser. Also, wo steckt der Kerl? Kann ja nun nicht so lange dauern, ein bisschen Wasser abzulassen!

Aber im Bad ist er auch nicht, Scheiße, der hat sich echt aus dem Staub gemacht. Ein Feigling, ein richtiger Loser. Ist auch besser so, heute Morgen hätt er sonst mal erleben können, dass ich kein Weichling bin. Vielleicht hätten die Jungs und ich ihn ein bisschen hochgenommen.

Dann warte ich eben alleine hier, bis die auftauchen. Erst was saufen, ordentlich was futtern, dann ein bisschen pennen, mit meinem Vater reden und heute Abend steht der Abschlussfick auf dem Programm. Ich hoffe, die blöde Tusse steht auch zu ihrem Wort. Ansonsten kann ich nämlich verdammt ungemütlich werden, da macht euch mal keine Gedanken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-11-29T13:36:59+00:00 29.11.2008 14:36
Da freu ich mich aber. Was neues!
Das ist mal was anderes. Ein Kerl der sich die ganze Zeit rechtfertigt. Der seine Rolle im Leben gar nicht so gut kennt wie er denkt.
Wo ist denn Richy hin?
ich hoffe nur es kommt nicht zu einer Konfrontation mit den anderen.
Und da Pat schon mal so doof gefragt hat: Natürlich sollte er ihn mitnehmen.
Freu mich schon auf den Rest, wie immer.
Von:  erim007
2008-11-29T12:20:27+00:00 29.11.2008 13:20
He,hab deine Geschichte gerade entdeckt.Gefällt mir gut,ist ein toller schreibstil.Da hast du doch einen knallharten Macho mit soften Gefühlen erschaffen,-da bin ich echt auf mehr gespannt.
erima


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