Zum Inhalt der Seite

Herren der Winde

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Unfreiwillig schuldig

Sodale!
 

Ich freu mich sehr, hier wieder etwas zu schreiben, das bedeutet nämlich, dass sich jemand auf meinen Prolog hingemeldet hat und ich das zweite Kapitel hochlade!
 

Heute ist Montag, was einerseits doof ist... Weil Montage es an sich haben, doof zu sein. Aber gerade habe ich meine Englisch-Abiturprüfung versaut - im letzten Teil der letzten Aufgabe abbrechen müssen - weil meine Uhr zehn Minuten nach ging... Und ich hab mich so gefreut, dass es von der Zeit her hinkam. Tja, die Welt ist ungerecht. Hoffen wir mal, dass ich als brillante Schülern (*hust*) an anderen Stellen so viele Sonderpunkte rausgeschlagen habe, dass es trotzdem noch zu meiner Traumnote reicht...

Aber ansonsten war der Montag ganz okay. Ich hab meinen kleinen Bruder schon früher als gewöhnlich von seiner Tagesmutter abgeholt (was heißt klein, er ist 8) und er war beleidigt. Das hab ich kuriert, in dem ich ihn mit in die Bibliothek geschleppt habe und ihm dann beim Bäcker ein Brötchen besorgt habe... Und musste ihm auch versprechen, jetzt eine Runde mit ihm zu spielen, deshalb bin ich schon wieder auf dem Sprung. Statt herumzulabern sollte ich vielleicht einfach das Kapitel hochladen. Alles klar - kommt sofort!
 

Mein Dank geht an den allerersten Kommentator- Danke! Das Kapitel ist - direkt nach meiner Freundin, für die ich diese Geschichte rsprünglich geschrieben habe - ebenfalls für dich.

isa
 

Kapitel 1 - Unfreiwillig schuldig
 

Kameen D´un Jatcha vom Sirius-Bazaar war genervt. Xjunta war eine Wüstenstadt, bekannt für ihre Hitze – und gerade war Mittag. Sprich: die Zeit, in der die Sonne am Höchsten stand, in der es am heißesten war, in der jeder vernünftige Mensch zu Hause blieb und jeden Schatten suchte, den die Mauern zu bieten hatten – kein Mensch war in den Gassen des Sirius-Bazaars zu sehen. Die großen, verzierten Villen, zwischen denen sich die saubere Straße hinzog, waren heiß und leer, denn auch die Mitglieder der Mittleren Familien zogen es vor, der Hitze der Mittagsstunde aus dem Weg zu gehen, genau wie die der Obersten Vier. Hochgestellte Familien, dachte Kameen mit leichtem Unbehagen. Schliesslich war auch er der Sohn einer solchen Familie. Die Familie D´un Jatcha vom Sirius-Bazaar hatte zwar nicht das Geld, um in den obersten Rängen Xjuntas und im Palast des Rah-Ten Intrigen zu spinnen, aber sie hatte die Qualitäten dazu. Sein Vater war der beste Heiler der Ewigen Wüste, der angesehenste Arzt der Stadt und der persönliche Heiler der Kaiserlichen Familie. Er war oft im Herzen Xjuntas, dem sechseckigen Palast in der Mitte der Stadt, um sich um das Wohlergehen des Kaisers zu kümmern. Nicht, dass es unbedingt nötig gewesen wäre, der Kaiser war bei bester Gesundheit, aber es war seine Pflicht. Kameen war der älteste Sohn der Familie, und als solcher war er gleichzeitig auch der Lehrling, Assistent und späterer Nachfolger seines Vaters. Schon früh hatte er begonnen, seinem Vater zur Hand zu gehen, und so auch alles über die Heilkünste der Wüste zu erlernen. Und heute war er 19, dreimal klüger und wusste nun beinahe so viel wie sein Vater, in manchen Dingen hatte er ihn vielleicht sogar bereits übertroffen, aber nichts hatte sich verändert.

Was Kameen wieder zu seiner ursprünglichen Gereiztheit zurückfinden liess.

„Wasser holen!“, schimpfte er vor sich hin.

„Wasser holen? Das ist eine Aufgabe für Kinder! Pah! Ich bin doch kein kleiner Lehrling mehr!“

Missmutig trat er aus der Gasse und fand sich auf einem kleinen Platz vor einer hohen Mauer wieder. Der Platz war ebenso menschenleer wie die Straßen. Zuerst waren die zwei Torwächter nicht zu sehen, aber Kameen wusste, sie waren dort und suchten den einzigen Schatten, den es im Umkreis mehrerer Meilen geben konnte: Den Schatten unter dem Torbogen zum Brunnenhof.

„Halt!“, kommandierte einer der Beiden, als Kameen in Sicht kam.

„Wer seid Ihr?“

Stumm streckte Kameen den Arm aus, um den Wächter das Siegel seiner Familie am Aufschlag sehen zu lassen.

„Passierschein?“, fragte der Wächter trotzdem misstrauisch und der junge Mann verdrehte die Augen und holte eine Pergamentrolle hervor, die er den Wächtern zeigte. Mit einer steifen Verbeugung traten die Männer beiseite und gewährten ihm Eintritt zum Brunnenhof. Kameen betrat den leeren Platz, der von einer hohen Mauer umgeben war und in dessen Mitte ein Brunnen stand.
 

***
 

„Es ist einfach unerträglich heiß!“, jammerte der Jüngere der beiden Wächter, wischte sich den Schweiß von der Stirn und fing sich eine Kopfnuss seines älteren Kollegen ein.

„Halt die Klappe, Rito! Du weißt, dass wir hier eine wichtige Aufgabe haben. Jammern hilft nichts!“

Grummelnd rieb Rito sich den Kopf.

„Du hast gut Reden, Harole! Noch zwei Jahre Beine in den Bauch stehen im Dienst des Rah-Ten und du bist frei. Und heute Abend wartet eine wunderschöne Frau auf dich... Wie ich dich beneide!“

„Es ist zufällig meine Frau, also benimm dich, aber du hast ausnahmsweise Recht. Sie ist wunderschön. Und jetzt halt den vorlautes Mundwerk und tu deinen Job.“

„Wache stehen, Wache stehen. Tagein, Tagaus, nur immer wieder und wieder Wache stehen! Es war eine dumme Idee des Rah-Ten, dem Unteren Volk den Zutritt zu den Brunnenhöfen zu verweigern. Es ist schon vier Wochen her und die Leute dürfen immer noch kein Wasser holen! Wir stehen hier vor einem Brunnen, der das sauberste und reinste Wasser der Ewigen Wüste zu Gunsten unserer Stadt hinaufbefördert, wir hören sie friedlich vor sich hin plätschern... Aber wir dürfen nicht von ihr schöpfen! Sollen wir etwa verdursten?“

Harole, der ältere Wächter, schürzte die Lippen.

„Was ist dir lieber: Für den Rah-Ten Wache stehen und dafür Wasser und Brot für deine Familie erhalten oder hier Wasser zu schöpfen, wo es dir verboten ist, dafür aus der Wache geworfen zu werden und zu Tode verurteilt zu werden? Deine Eltern und Geschwister werden ohne dich nicht überleben, sie sind doch auf das Wasser angewiesen. Dein Vater kann nicht mehr arbeiten, das weißt du. Nein, mein Lieber, das ist das Risiko nicht wert, denk so etwas lieber gar nicht erst!“

„Übervorsichtiger Spielverderber.“

„Ich verspüre nicht die geringste Lust, meine Frau und meine kleinen Töchter verdursten oder hinrichten zu lassen. Was ich dabei über den Rah-Ten denke, spielt keine Rolle, ich tue meinen Job.“

Harole seufzte.

„Dass ihr jungen Leute auch immer so neugierig auf Veränderungen seid! Ich sag dir, du wirst noch Ärger bekommen, Rito."

Rito rollte mit den Augen und ließ sich zurück in den Halbschatten sinken.
 

Vorsichtig liess Kameen den an einem Seil befestigten Eimer in den Brunnen hinab. Die Rolle, an der es befestigt war, quietschte leise. Es war zu still für seinen Geschmack... Viel zu still.
 

Ein junger Mann mit einer Kapuze gegen die Sonne auf dem Kopf kam die Straße herunter geschlendert, die Hände lässig in den Taschen seiner geflickten Hose vergraben, und hielt auf die Wächter zu.

„Seid gegrüßt! Heiß heute. Nicht wahr?“

Misstrauisch richteten Harole und Rito sich auf.

„Es ist immer heiß in Xjunta“, entgegnete der Ältere und lies seinen Blick über die Kleidung des Mannes streifen. Rotes Haar wie die untergehende Sonne im Sand. Unternehmungslustige Augen. Aber all dies täuschte nicht über die Tatsache hinweg, dass er statt einer Tunika ein geflicktes Hemd ohne Ärmel trug, dass er keinerlei Familiensymbole an seinen nicht vorhandenen Ärmeln trug und eine Schmutzspur sich quer über seine rechte Wange zog. Hier hatten sie es offensichtlich mit einem Jungen aus der unteren Schicht zu tun.

„Und du bist?“

„Ist das so wichtig?“

Der Junge lachte und zog seine Nase kraus.

„Wenn du hier bist, um Wasser zu holen – ihr aus den Bazaar-Vierteln habt hier nichts zu suchen!“

„Hey, Hey!“ Der Angesprochene hob abwehrend beide Hände.

„Ich bin rein zufällig hier. Ihr habt nicht vielleicht meine kleine Schwester gesehen? Ungefähr so...“

Er hob die Hände zu seiner Nase –

„...Groß, mit goldenem Haar?“

Der Ausdruck im Gesicht des älteren Wächters blieb, aber Ritos Aufmerksamkeit liess nach.

„Hab keine Frau vorbeikommen sehen – erst Recht keine mit solchem Haar. Eher ungewöhnlich, nicht?“

„Oh ja!“

Der Junge nickte nachdrücklich.

„Mein Vater sagte immer schon, sie werde einmal Ärger machen. Ich habe ihm nie geglaubt – und jetzt ist sie mit so einem Typen durchgebrannt.“

Der junge Wächter spitzte mitfühlend die Lippen.

„Frauen!“

„Das kannst du laut sagen! Wenn ich sie erwische, werd ich ihr was erzählen... Obwohl sie noch sturer sein kann als ein Kamel!“

„Wir haben sie nicht gesehen“, mischte sich Harole ein.

„Hier ist sie nicht. Such woanders.“

Der junge Mann seufzte.

„Das werd ich wohl tun müssen. Also, war nett, mit euch gesprochen zu haben.“

„Viel Glück bei der Suche“, sagte Rito und grinste.

„Wenn du ihr einen Marsch bläst, grüß sie von mir!“

„Werd ich machen.“

Der Mann entfernte sich zwei Schritte und wirbelte auf dem linken Bein herum, holte aus und trat Harole zielgerichtet in den Bauch.

„Was-“ –Rito griff zu seinem Schwert.

Aber er kam nicht dazu, es zu ziehen. Sein Angreifer hieb ihm die Handkante präzise ins Genick, sodass er wie ein Stein zu Boden ging. Das Letzte, was er sah, bevor er das Bewusstsein verlor, war eine Menschenmasse, die aus den Häusern rechts und links der Straße strömte, lärmte und alle möglichen provisorischen Waffen schwang. Der Wüstenfalke, der stumm auf dem Tor gesessen hatte, schwang sich mit einem schrillen Schrei in die Luft, um Verstärkung zu holen. Die Masse drängte sich um die Mauer zum Brunnenhof und begann, sie mit Fingern, Füßen und Haushaltsgeräten zu bearbeiten, um sie zum Einsturz zu bringen.

„Dabei habe ich doch nur fünf Brüder“, sagte Pyroxen, als er zufrieden auf die ausgeknockten Wächter hinabsah.
 

***
 

In dem Moment, in dem Kameen den sanftesten Beginn des allgemeinen Lärms hörte, reagierte er auch schon – und das so gezielt und effektiv, dass man hätte meinen können, er hätte den Aufstand erwartet. Vielleicht hatte er es auch – aber sicherlich nicht auf diese Weise! Seit Monaten hatte es in den Vierteln des gemeinen Volkes rumort, gebrodelt, die vier Bazaare waren beinahe übergekocht, als vor wenigen Tagen das Verbot erlassen worden war, Wasser aus den Brunnen zu schöpfen. Die Menschen waren durstig, arm, zum Teil krank vor Hitze und Wassermangel... Und wütend. Kameen, der gerne stille und ausgedehnte Streifzüge durch die Stadt machte, hatte beobachtet, wie die ersten Samen einer aufkeimenden Rebellion Früchte trugen.

So schnell er konnte, ohne das kostbare Wasser zu verschütten, füllte er es in die mitgebrachten Wasserschläuche und stöpselte sie gewissenhaft zu. Als er sie sich über den Rücken schwang, begannen die ersten Menschen, an den Mauern herumzuwerkeln. Sie wollten nicht hinein, um Wasser zu holen – sie wollten die Mauer zerstören, das Sinnbild der Herrschaft des Rah-Ten über das Wasser, das ihnen Leben schenkte. Zum wiederholten Mal verfluchte Kameen die Idee seines Vaters, ihn um diese Uhrzeit hinauszuschicken, dann ergriff er den Eimer, liess ihn an der Schnur wieder hinab und wandte sich dem Tor zu. Und dort stand jemand.

Rotes Haar, blitzende Augen. Lässig hatte der junge Mann, der vielleicht so alt war wie Kameen (oder ein halbes Jahr älter?) die geballten Fäuste in die Hüften gestützt, und er beobachtete Kameen lauernd. Offen erwiderte der den Blick.
 

Unter aufmunterndem Gebrüll der Rebellen fielen erste Steine der Mauer polternd in den Brunnenhof.

„Jetzt!“, schrie eine Frau mit überschnappender Stimme.

„Reißt sie ein!“

Gröhlend fuhren die Menschen fort, genau das zu tun. Unterdessen sah Kameen sich nach einer Möglichkeit um, sich möglichst unbemerkt aus dem Staub zu machen. Aber der Brunnenhof war so konstruiert, dass er jeglichen unbefugten Zugang verhinderte, was leider auch bedeutete, dass er jeglichen Ausgang außer dem Tor in der Mauer verweigerte (Was sich jetzt als ein Konstruktionsfehler herausstellte, dessen Behebung nicht in Kameens Zuständigkeitsbereich fiel, ihm aber enorme Schwierigkeiten bereitete). Und im Tor stand der offensichtliche Anführer der Rebellen. Fragen, ob er ihn nicht durchlassen würde, würde wohl nicht viel bringen, schoss es Kameen durch den Kopf. Also rannte er los. Direkt auf den Jungen zu.

„Denkst du, ein Stubenhocker wie du könnte gegen mich gewinnen?“, höhnte sein Gegenüber lachend und ging in Kampfstellung. Natürlich, er war in einem Bazaar-Viertel aufgewachsen, unter dem gemeinen Volk, er hatte sich schon als Kind vermutlich erfolgreich an Prügeleien beteiligt. Anders als Kameen hatte er ein gewisses Vorwissen, was Kämpfe anging. Aber wenn er glaubte, dass er so einfach gegen Kameen ankommen würde, dann irrte er sich... Der beschleunigte in der letzten Sekunde noch mehr, hielt direkt auf den Gegner zu, der seine Fäuste geballt hatte, um zuzuschlagen, sobald er in Reichweite sein sollte. Sah sicherlich gefährlich aus, dachte Kameen kurz, und tauchte gekonnt unter der Faust des Mannes hindurch.

Fegte an ihm vorbei, als wäre er ein Windhauch, und stürmte weiter, durch das Tor hindurch und hinaus auf die Straßen der Stadt. Hinter ihm erscholl ein wütender Schrei.

„Puh!“

Zufrieden wischte sich Kameen mit dem Ärmel über die Stirn. Und jetzt nichts wie weg hier!
 

„Nichts wie weg hier!“

Ein junger Mann mit weichen Gesichtszügen raste um die Ecke und lief mit Schwung in Kameen hinein.

„Oh, Entschuldigung!“

Dabei sah er ihn nicht an, sein Blick huschte suchend über die Menschenmasse. Kameen hielt an, als der Andere ihn wieder vergaß und zum Brunnenplatz stürmte, und im Laufen rief er wieder:

„Nichts wie weg! Die Wächter kommen!“

O-oh.

Nicht gut. Er hatte wirklich nicht das Gefühl, bleiben und zusehen zu wollen, wie die Wächter mit den Aufständischen verfahren würden. Es würde sicherlich kein schöner Anblick sein. Also wartete er gar nicht erst ab, bis er die ersten Schritte hinter der nächsten Ecke hörte, sondern drehte sich um und verschwand in der nächsten halbwegs schattigen Gasse.
 

Er lief den Männern des Rah-Ten geradewegs in die Arme.
 

***
 

„Ich frage dich zum letzten Mal: Wer hat euch dazu angestiftet, den Brunnenplatz anzugreifen, die Mauer niederzureißen und die kaiserlichen Wächter K.O. zu schlagen?“

Innerlich seufzte Kameen auf. Dieser Hauptmann war hartnäckig – und dachte immer, dass er alles besser wusste.

„Und ich sage Euch zum letzten Mal, dass ich nichts mit dem Aufrührern zu tun habe. Ich habe nur Wasser holen wollen, das ist mein gutes Recht.“

„Was haben sie dir dafür geboten, damit du ihnen hilfst und die Wachen ablenkst? Was haben sie dir dafür geboten? Was haben sie deiner Familie geboten, als sie sie geschmiert haben?“

Es fällt einem schwer, ruhig zu bleiben, wenn man sich mit solchen Anschuldigungen konfrontiert sieht.

„Geht das nicht in Euren Dickschädel? Weder. Ich. Noch. Meine. Familie. Haben. Mit. Diesen. Rebellen. Etwas. Zu. Tun. Solange Ihr mir nicht stichhaltige Beweise für mein Mitwirken vorlegen könnt, lasst mich wieder gehen. Sofort.“

„Ach, du hältst dich wohl für besonders schlau? Ich sage dir was.“

Der Mundgeruch des Hauptmanns ließ Kameen beinahe schwindlig werden und die geringe Entfernung zwischen ihnen, die absolut nichts mit Privatssphäre zu tun hatte, machte ihn krank. Auf seinem Stuhl rutschte er so unauffällig wie nötig so weit wie möglich zurück. „Wir haben stichhaltige Beweise, dass du zu den Rebellen gehörst. Erstens: Du warst da. Zweitens: Sie haben dir nichts getan.“

Kameen öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch der Mann vor ihm erhöhte seine Lautstärke und fuhr fort: „Und drittens, wenn du dich hinter deiner Familie verstecken willst, ist das zwecklos. Ich sehe nur eine Spirale auf deinem Ärmel – ihr seid weder reich noch mächtig noch anderweitig besonders begünstigt. Sie wird dir keine große Hilfe sein, wenn du erst im Kerker sitzt.“

Der Mann hatte anscheinend eine gewisse Ahnung, wie die Symbole der Mittleren Familien aussahen. Er hatte recht, Kameens Ärmel zeigte nur eine Spirale, also kaum Reichtum. Aber dann wiederum hatte der Hauptmann etwas anderes übersehen: Eines der kleinen Zeichen, die zeigten, dass die Familie D´un Jatcha weitaus mehr war als nur eine normale, mittlere Familie.

„Also, hast du gehört? Der Kerker wartet auf dich, dessen kannst du dir sicher sein!“

„Ich fürchte, so weit wird es gar nicht erst kommen“, sagte eine ruhige Stimme hinter Kameen und ein Mann mit grauem Haar und silbernem Bart trat in die Wachstube. Kameen brauchte sich gar nicht umzudrehen um zu wissen, wem diese Stimme gehörte.

„Vater!“

„Kennt Ihr mich?“, wandte sich der Meister der Heilkünste, persönlicher Leibarzt des Rah-Ten, an die plötzlich kleinlaute Wache.

„Ja... Aber natürlich, Herr...“

„Gut.“

Kameens Vater nickte, als wäre er es, der das Sagen hatte. Was in gewissem Sinne auch stimmte.

„Ich werde meinen Sohn jetzt mitnehmen. Ich bin mir sicher, dass Eure Anschuldigungen nicht der Wahrheit entsprechen. Kameen hat keinerlei Kontakte zu den Rebellen gehabt, ich selbst habe ihn heute Wasser holen geschickt. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Dennoch muss ich Euch danken.“

Er legte die Hände vor der Brust zusammen und verbeugte sich leicht, während die völlig überraschten Wächter ihn anstarrten.

„Ihr habt gezeigt, dass Euch Eure Aufgabe und damit auch das Leben des Rah-Ten sehr wichtig ist. Ich als Leibarzt des Höchsten kann nur zu den Göttern flehen, dass alle seine Männer so pflichtbewusst und mutig sind wie Ihr.“

„Nun ja“, sagte der Hauptmann, nun sichtlich geschmeichelt.

„Wir tun ja alle nur, was wir können, Herr. Entschuldigt, dass wir Euren Sohn aufgehalten haben, aber wir musste natürlich jedem brauchbaren Hinweis nachgehen.“

„Aber natürlich. Das war nur Eure Pflicht, und ich habe vollstes Verständnis.“

Unter den besten Wünschen der Wächter, die sich nun wieder freundlich und ehrerbietig zeigten, verließen Kameen und sein Vater den Palast.

„Auf der Schleimspur hätte ein Kamel das Gleichgewicht verloren“, murmelte der Heiler und grinste in seinen silbernen Bart.

„Wie bitte?“

„Ach, nichts.“
 

***
 

Aus einer dunklen Ecke heraus betrachteten zwei Augenpaare, wie Vater und Sohn den Palast verließen, am Fuß der Treppe kurz stehenblieben und sich dann über die Südwestbrücke in Richtung Sirius-Bazaar wandten.

„Meinst du das wirklich ernst?“, fragte Zirkon, und seine gesamte Körperhaltung drückte seinen Zweifel aus. Es war unschwer zu erkennen, dass ihm das, was sein Cousin gerade vorgeschlagen hatte, überhaupt nicht gefiel, aber Pyroxen schnaubte nur abgebrüht. Manch einer hätte gesagt, dass das Ganze für ihn nur ein Spiel war, aber damit hatte er Unrecht. Pyroxen nahm sehr ernst, was er sich vorgenommen hatte, und er war bereit, das auf jeden Fall durchzusetzen. Also sagte er:

„Natürlich! Er ist der Sohn von diesem alten Heiler da. Er ist oft im Palast, da bin ich mir sicher. Er lernt bestimmt von seinem Alten. Und da er oft da ist, weiß er auch viel.“

„Wir wollten doch nur Leute mit hineinziehen, die selbst betroffen sind. Er ist es nicht. Du machst vielleicht sein ganzes Leben kaputt. Was, wenn er drauf eingeht und entdeckt wird? Oder was, wenn er ablehnt und die Wächter alarmiert?“

„Dann müssen wir eben etwas finden, zu dem er nicht nein sagen kann!“

Im Gegensatz zu Zirkon war Pyroxen voll Optimismus.

„Aber...“

„Nichts Aber. Wir brauchen Informationen, und zwar gute. Am Besten welche aus dem Palast. Also fragen wir jemanden, der oft da ist. Ihn zum Beispiel.“

Mit einem Finger zeigte er auf Kameen.

„Also gut“, stimmte Zirkon resigniert zu.
 

***
 

„Komm rein, Kameen!“, rief sein Vater aus dem Inneren des hell erleuchteten Hauses. Es war spät gewesen, als sie nach Hause gekommen waren, und die Mutter hatte schon besorgt gewartet. Sie war überglücklich, ihren Ältesten gesund und munter wiederzusehen, und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen, aber da sie wusste, dass Kameen das absolut nicht leiden konnte, hielt sie sich tapfer zurück und machte sich mit Entschlossenheit an das Zubereiten des Abendbrotes. Dieser Elan verursachte einen Überfluss an Nahrung, den die Familie gelassen zur Kenntnis nahm.

„Merkwürdig...“, murmelte Kameen nun und starrte hinaus in die kalte, dunkle Wüstennacht. Er hätte schwören können, dass er auf dem Rückweg zwei Gestalten gesehen hatte, die ihnen gefolgt waren, den gesamten Weg vom Herzen Xjuntas aus. Und auch jetzt, im sicheren Heim, fühlte er sich beobachtet. Aber so sehr er auch lauschte, kein Ton drang an sein Ohr und so sehr er sich auch anstrengte, die Nacht blieb schwarz und undurchdringlich.

Achselzuckend schloss Kameen die Haustür und sperrte die Nacht aus.
 

Fortsetzung folgt...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück