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Das Pendel

Wenn man nicht schwarz und auch nicht weiß sein kann, was ist man dann?
von

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Die notgeile Sau und ich

In gleichmäßigem Trott bewegten sich meine Beine auf dem kalten Asphalt, während meine Augen in der Umgebung umher schweiften. Ich war irgendwann in dieser Wohnsiedlung gelandet, wo sich die Häuser an beiden Seiten, der beinahe unbefahrenen Straße, hinter hohen Mauern und Hecken versteckten. Anscheinend lebten hier die oberen Zehntausend von, wo auch immer ich hier war. Wo wir schon mal dabei waren, das war offensichtlich eine wichtige Frage, der ich mich noch viel zu wenig gewidmet hatte.

Wo, zum Teufel, bin ich hier?

Gute Frage, wirklich gute Frage… Dummerweise hatte ich keinerlei Ideen, was die Antwort betraf. Dumme Sache, wirklich dumme Sache…

Plötzlich fiel etwas kleines, nasses sachte auf meine Wange. Ich hob den Kopf gen Himmel und konnte sehen, wie feine Schneeflocken von oben herab segelten und sich in meinen Haaren verfingen.

Ich hatte schon seit Stunden keine Ahnung mehr, wohin ich sollte. Das Einzige, was ich gerade wollte, war was zu essen. Ja, genau! Ich hatte schon wieder mal Hunger! Aber es gab einen großen Unterschied zu den letzten beiden Wochen, ich hatte Geld und war in der Lage selbst einzukaufen. Klingt toll, nicht wahr?

So also war es gekommen, dass ich nun orientierungslos in der Gegend umher lief, ohne Schimmer wo ich, da wo ich war, hin sollte. Ist das logisch?

Nach einer halben Stunde ungefähr hatte ich das Ende der Reichensiedlung erreicht und stand nun wieder vor einer breiten Hauptstraße. Ich folgte den Fußgängern, die ich am Straßenrand entdeckt hatte und landete so ein paar Minuten später in der Altstadt von, was weiß ich wo. Ich suchte mir ein Restaurant und wurde sogar, hurra, fündig. Der Laden war im Stil der Dreißiger eingerichtet. Das Licht war schummrig gehalten, und wurde nur von den Kerzen beleuchtet über die sich Liebende mit einander flüsternd unterhielten. An den Wänden hingen Kunstbilder und die Tische waren durch Raumteiler abgegrenzt. Genau das Richtige für mich! Ich suchte mir den mit Abstand dunkelsten, entferntesten und verstecktesten Tisch im ganzen Restaurant aus und versuchte bei dem Licht die Speisekarte zu entziffern.

Ich scheiterte natürlich kläglich, aber musste das überhaupt noch erwähnt werden?

Jedenfalls kam ein paar Minuten später ein Kellner zu meinem Tisch und brabbelte irgendwas dahin. Er hatte schwarze Haare, die er klischeehaft zurück frisiert hatte und trug einen klassischen Frack. Ich konnte ihn nur verständnislos anstarren und antwortete flüsternd: „Tut mir Leid, ich versteh kein Wort. Bin nicht von hier.“ Seine Miene hellte sich sofort auf, das konnte ich sogar im Dunkeln erkennen. Er antwortete mit starkem Akzent: „Ah, eine junge Engländerin. Verzeihen Sie bitte gnädige Dame. Ich hole Ihnen sofort die Speisekarte auf Englisch.“ Er drehte sich höflich um und kam keine zwei Minuten später mit einer neuen Karte zurück, dann ließ er mich wieder allein.

Ich arbeitete mich hindurch, bis ich an einem Menünamen hängen blieb. Kopenhagen-Spezial Hmmm… Kopenhagen also. War das nicht in…lasst mich überlegen! Das ist doch in Dänemark, nicht wahr? Ja, ja, stimmt schon! In Geographie war ich noch nie wirklich gut gewesen, aber das war mir in diesem Augenblick egal. Ich wusste jetzt wenigstens wo ich wahr. Das brachte mich aber schon zur nächsten Frage.

Wie bin ich hier her gekommen?

Also ich bitte um Applaus! Das war doch wieder mal eine Frage, die es auf den Punkt brachte, nicht wahr? So wie es aussah, musste Harry mich hier her gebracht haben. Er hatte schließlich gesagt, dass er mich in St. Albans gefunden hatte.

Der Kellner kam wieder und unterbrach so meine Gedanken. Ich bestellte mir einen Jack Daniels und ein Fischfilet. Gott sei Dank musste ich nicht lange auf meine Bestellung warten. Diese wiederum musste nicht lange darauf warten verputzt zu werden. Ich bestellte mir gleich noch einen Daniels und dann noch einen…und noch einen. Dann spielte meine Blase nicht mehr mit und ich ging leicht schwankend auf die Toilette, die ich sogar fand!

Als ich wieder an meinen Tisch kam lag an meinem Platz ein weißer Umschlag auf dem mit feiner, schöner Schrift An Celia Grant stand. Mein Herz fing bei diesem Anblick sofort wild an zu schlagen und als meine Finger über das glatte Papier strichen, glaubte ich einen kurzen Moment lang umzukippen. Ich setzte mich hin. Mir war schwindlig als ich den Brief heraus zog und anfing die Zeilen zu lesen:
 

Sehr geehrte Celia Grant,

Wir wollen Sie hiermit darüber in Kenntnis setzen, dass wir über die gegenwärtige Lage Ihres Reisebegleiters Kain Jonnson, ehemaliges Pendel-Mitglied, informiert sind. Wir rechnen damit, dass Sie diese Informationen gerne erhalten wollen und werden Ihnen deswegen anbieten sich mit uns heute, am 17. November um 18 Uhr im Tivoli, am westlichen Rand zu treffen. Um garantieren zu können, dass Sie den Weg problemlos finden werden, haben wir uns erlaubt hiermit eine Stadtkarte beizulegen.

Mit den besten Empfehlungen wünschen wir Ihnen noch einen wunderschönen Aufenthalt in Kopenhagen.
 

Hier endete der Brief. Meine zitternden Hände hielten das filigrane Papier krampfhaft umschlossen und es kostete mich einiges an Mühe den zerknitterten Brief wieder los zu lassen.

Plötzlich wurde ich von der Seite angesprochen. „Kann ich Madame noch etwas anbieten?“ Ich drehte den Kopf erschrocken zur Seite und sah, wie der Kellner mit dezentem Auftreten fragend vor mir stand. „Haben Sie mir diesen Brief hier her gelegt?“, fragte ich ihn mit schärferer Stimme als ich beabsichtigt hatte. Der Kellner blieb allerdings ruhig. „Ich fürchte ich muss Sie enttäuschen, Madame. Das war ich nicht.“

„Haben Sie vielleicht gesehen, wer es gewesen ist?“

„Auch da muss ich Sie enttäuschen. Ich habe niemanden gesehen. Kann ich sonst noch etwas für Madame tun?“ Einen kurzen Moment zog ich in Betracht mir noch einen Whiskey zu bestellen, verwarf diese Idee ausnahmsweise aber gleich wieder. Dank dem Schock von eben war ich wieder vollauf nüchtern und ich hatte so das Gefühl, dass das so bleiben sollte. „Nein, aber vielen Dank. Ich würde jetzt gerne zahlen.“

„Sehr wohl, Madame.“ Er kramte so ein Elektroding hervor und tippte darauf herum, dann blickte er wieder auf. „Das macht dann genau 23, 50€, wenn ich bitten darf.“

Ich gab ihm 25€ und blieb noch ein paar Minuten grübelnd sitzen, dann nahm ich den Umschlag und zog triumphierend die Stadtkarte, von der im Brief die Rede gewesen war, hervor. Auf der Karte waren zwei Kreuze eingezeichnet. Das eine da, wo ich mich gerade befand, das andere dort, wo ich hin sollte. Es war schon ein ganzes Stück dazwischen. So, wie es aussah handelte es sich beim Tivoli um eine Art Park, oder so. Dann sollte ich mich mal auf den Weg machen, nicht wahr?
 

Es schneite jetzt schlimmer, als vorher. Die Schneeflocken wirbelten umher und hatten bereits eine dünne Schneeschicht am Boden hinterlassen. Eine Uhr in der Auslage von einem Schmuckgeschäft verriet mir, dass es gerade vier war. Das hieß ich hatte noch zwei Stunden. Dank meinem hervorragenden Orientierungssinn würde ich sowieso so lange brauchen. Das nennt man wohl berechnende Voraussicht.
 

Eine dreiviertel Stunde später stand ich vor der Eintrittskasse des Vergnügungsparks Tivoli an. Die Frau hinter dem Gitter sah müde und geschafft aus. Ihre braunen Haare hingen ihr in Strähnen ins Gesicht als sie mich fragend ansah.

„Ich hätte gerne eine Eintrittskarte, bitte.“, sagte ich freundlich. Die Frau unterdrückte sichtlich ein Gähnen. „Tut mir Leid. Wir jetzt zusperren. Komm morgen wieder.“, meinte sie abweisend in brüchigem und fehlerhaften Englisch. Wie bitte?!?

Ich zischte sie entsetzt an. „Ich muss aber da rein, es geht wirklich um Leben und Tod.“

„Hmmm, nicht meine Schuld. Wir jetzt schließen.“

„Ich muss da aber jetzt rein, verdammt noch mal!“, quietschte ich sie böse in den höchsten Tönen an, aber ihre einzige Reaktion war ein gleichgültiges Schulterzucken. Diese Frau hatte offensichtlich nicht die Absicht, sich um anderer Leute Probleme zu kümmern.

Lass mich da jetzt sofort rein, du verdammte Crackhure!“, schrie ich so laut ich konnte.

In dem Moment kam von rechts ein weißhaariger Mann in Anzug auf mich zu. „Kann ich Ihnen behilflich sein? Ich arbeite hier.“

„Ich muss da rein.“, quetschte ich hervor und zeigte verzweifelt in Richtung Park.

„Madame Grant? Celia Grant?“, fragte mich der Mann. Ich konnte spüren, wie mir heiß wurde, als ich nickte.

„Es wurde etwas für Sie hinterlegt, entschuldigen Sie vielmals. Annika muss das vergessen haben.“ Er deutete auf die Frau hinter der Kasse mit der er nun einige scharfe Worte auf Dänisch wechselte. Annika war gezwungen nachzugeben und legte ein kleines Packet auf den Drehboden der Glaswand vor ihr. Der Mann, der offensichtlich ihr Vorgesetzter war, nahm das Päckchen auf der anderen Seite entgegen und reichte es mir feierlich. Ich dankte ihm und ging.

An der nächsten Ecke fand ich eine eingeschneite Parkbank, auf die ich mich setzte. Ich betrachtete das Packet. In der gleichen Schrift, wie auf dem Brief, stand dort mein Name. Ich riss das Papier unachtsam auf und öffnete die Kartonschachtel, die darunter hervor kam. Darin befanden sich ein Schlüssel mit vergoldetem Hotelanhänger und ein erneuter Brief mit Karte. Im Brief stand:
 

Sehr geehrte Celia Grant,

Es freut uns zu erfahren, dass Sie den Weg offensichtlich gefunden haben.

Wie Sie mit Sicherheit bereits bemerkt haben, haben wir der Schachtel außerdem einen Schlüssel beigelegt. Dieser Schlüssel gehört zu dem Zimmer 52 im Imperial Hotel. Dieses ist auf der beigelegten Karte vermerkt.

Wir freuen uns auf Ihr Eintreffen.
 

Mich würde mal brennend interessieren wer wir waren. War ich gerade dabei mitten in die Arme des Mannes zu laufen, vor dem ich seit zwei Wochen auf der Flucht war? Dies wäre wohl äußerst unklug, aber hatte ich eigentlich eine Wahl? Sie wussten, wo Kain war, und wenn das wirklich wahr war, dann musste ich doch dort hin. Schließlich hatte Kain genauso sein Leben für mich riskiert. Genau so war es und nicht anders.

Ich musste dort hin.
 

Dieses Mal nahm ich mir ein Taxi. Ich hatte keine Ahnung, warum ich vorher zu Fuß gelaufen war, aber die frische Luft hatte mir gut getan. Die Fahrt dauerte vielleicht eine Viertelstunde, aber das hinderte den Taxifahrer nicht daran mich nach Strich und Faden abzuzocken. Ich meine 50 € für 15 Minuten?! So dreist war noch nicht mal ich… wahrscheinlich.

Ich hatte keine Zeit mich aufzuregen und bezahlte den Mann wortlos mit bösem Blick, dann ging ich auf das moderne Gebäude zu. So unauffällig, wie ich konnte, durchquerte ich die große Eingangshalle und wartete auf den Aufzug. Im ersten Stock stieg ich aus und begab mich auf die Suche nach Zimmer Nummer 52.

Ich musste ein paar Mal umbiegen und so dauerte es ein bisschen, bis ich den richtigen Gang gefunden hatte. Ab da ging es schneller und keine zwei Minuten später stand ich vor der Tür mit der goldenen 52. So vorsichtig, wie es mir möglich war, drückte ich mein rechtes Ohr an die kalte Tür und versuchte ein paar Momente etwas zu erlauschen …vergeblich.

Etwas unsicher fingerte ich den Schlüssel langsam hervor und drehte ihn dann vorsichtig im Schloss um. Die Tür sprang lautlos auf und ich ging hinein. Ich blickte schnell im Zimmer umher und erstarrte. Im Sessel in der rechten Ecke des Zimmers saß vollkommen gelassen Harry und schaute mich abwartend an. Ich wollte wieder aus dem Raum flüchten, aber bei dem Gedanken an den Grund dieses Treffens war mir klar, dass das wohl nicht zu den Optionen gehörte. Also schloss ich die Tür hinter mir und trat in die Mitte des Zimmers vor.

„Hallo Miranda.“, sagte Harry mit ungewöhnlich ruhiger Stimme.

„Hallo Harry.“

„Wie ich sehe ist es dir nicht schlecht ergangen, Miranda. Du bist weder erfroren noch verhungert, ich habe mir wohl grundlos Sorgen gemacht.“

„Was soll das alles hier, Harry? Warum hast du mich nach Kopenhagen gebracht? Was hast du mit Kain zu tun und vor allem wo ist Kain?“, verlangte ich mit zusammengekniffenen Augen von ihm zu wissen. Harry ließ sich nicht beeindrucken und grinste mich nur schwach an. Er sah anders aus als sonst, er trug ein dezentes Hemd mit schwarzer Hose. An seinem Auftreten war nichts Knalliges und Schreiendes mehr. Er wirkte so ruhig.

„Es wäre wohl besser, du würdest dich setzten.“ Er deutete einladend auf das gemütlich wirkende Doppelbett neben ihm. Wenn auch etwas zögernd, setzte ich mich auf das Bett und sah ihn abwartend an.

„Ich nehme mal an, dass du das Geld im Mantel entdeckt hast. Gut so, damit hab ich gerechnet.“, setzte er an. „Wo soll ich anfangen? Ach ja … mein Name ist Harold Sebastian Meyers, meines Zeichens Herr über die Dämonen.“ Seine Augen hingen berechnend an meinem Gesichtsausdruck. Dieser war gerade dabei jegliche Form zu verlieren.

W-Wie bitte?“, stotterte ich. „Was soll das heißen?“

„Ich bitte dich, ruhig zu bleiben, Miranda.“

„Warum nennst du mich immer noch Miranda? Du kennst doch meinen richtigen Namen!“, quietschte ich ihn an.

„Was bedeuten schon Namen? Rede ich mit jemand anders wenn ich mit Celia Grant spreche? Ich bezweifle es, aber auf deinen Wunsch hin, kann ich dich auch Celia nennen, wenn dir das lieber ist.“

„Ist es!“, stellte ich bestimmt fest.

„Also gut Celia Grant, dann erzähle ich dir jetzt eine kleine Geschichte. Vor ungefähr 26 Jahren verschwand deine Mutter spurlos. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Keinen Tag bevor man ihr Verschwinden entdeckte hatte man deinen Vater tot aufgefunden, Celia.“

„Mein Vater?“ Meine Mum hatte nie auch nur ein Wort von ihm erzählt. Ich wusste rein gar nichts über ihn.

„Genau. Michael Grant verblutete auf Grund einer Schussverletzung.“

Er verblutete? Wie kann das denn sein?

Harry musste meinen verwirrten Gesichtsausdruck wohl richtig gedeutet haben. „Du hast es erfasst Celia Grant. Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem nur wir beide wissen können, um was es geht. Denn nur wir beide können wissen, dass dieser Mann nicht dein Vater gewesen sein kann. Er ist verblutet und das wäre unmöglich, wäre er wirklich dein Vater gewesen. Deine Gabe schneller zu verheilen, wie ich sie an dir entdeckt habe, muss dir dein Vater vererbt haben, aber Michael Grant hatte diese Gabe offensichtlich nicht. Du kannst mir doch folgen, nicht wahr?“ Ich nickte langsam und er redete weiter. „Ich mag dich Celia Grant und deswegen werde ich dir erzählen, was ich weiß. Der Orden sucht dich, Abe sucht dich.“

„Aber warum?“

„Ich bin mir nicht sicher. Du hast bestimmt schon von den verschwundenen Pendlern gehört? Sie gehörten ausnahmslos zu den 7 Gründerfamilien, so wie du. Abe steckt dahinter. Er hat mich in der Hand und somit auch meine Dämonen.“

„Wieso tut er das und warum gehorchst du ihm?“, fragte ich ihn skeptisch.

„Ich weiß nicht genau was er damit bezweckt. Möglicherweise möchte er auf diese Weise den Orden zerstören und im Moment sieht es so aus, als hätte er Erfolg dabei. Es geschehen immer mehr Dinge, die das Gleichgewicht fatal stören. Was das andere angeht, Abe hat etwas von mir, etwas sehr wichtiges, aber das ist eine andere Geschichte.“

Er war einen Moment lang ganz still und wirkte abwesend. „Abe weiß nicht, dass du von einer der 7 Familien abstammst, aber irgendetwas möchte er trotzdem von dir. Er hat mich dazu beauftragt, dich zu finden und dir dies zu sagen. Sie haben Kain Jonnson, Celia, und sie werden ihn erst frei lassen, wenn du dich Abe freiwillig auslieferst.“

„Aber warum das alles? Ich verstehe es nicht. Warum hast du mich nach Kopenhagen gebracht? Was soll ich hier? Warum hast du mich nicht direkt bei Abe abgeliefert? Warum muss Kain da als Druckmittel dienen? War es Absicht, dass ich von diesem Typen niedergestochen worden bin? Warum hast du mich laufen gelassen und mir auch noch mit dem ganzen Geld geholfen? Hast du die Briefe geschrieben?“ Ich hielt inne um zu verschnaufen und konnte hören wie Harry laut pfiff.

„Also wirklich! Das nenn ich mal viele Fragen! Und alle sind sie wichtig. Du willst wissen, was du in Kopenhagen machst? Das ist leicht. Hier ist mein Hauptwohnsitz, ich liebe diese Stadt. Und, was wolltest du noch alles wissen? Ich hab dich deswegen nicht bei Abe abgeliefert, weil er ausdrücklich verlangt hat, dass du freiwillig zu ihm kommst. Deswegen auch die Sache mit deinem Kain. Deswegen ist er das Druckmittel. Was den Typen angeht, der dich überfallen hat, so kann ich dir zumindest garantieren, dass das keiner von meinen Leuten war, allerdings wurde mir gesagt, dass ich dich ungefähr dort außer Gefecht gesetzt finden würde. Die Briefe habe nicht ich geschrieben, ich wurde nur dazu beauftragt sie zu überbringen.

Das ist alles, was ich dir zu sagen habe Celia Grant. Sei dir gewiss, es ist etwas besonderes, dass ich dir geholfen habe und es ist nicht sicher, dass ich es je wieder tun werde.“

Er stand auf und streckte mir einen weiteren Briefumschlag entgegen. Ich nahm ihn und da sagte Harry feierlich: „Lebe wohl, Celia Grant und alles Glück, das es gibt auf dieser grausamen Welt. Du wirst es mit Sicherheit brauchen.“ Mit diesen Worten verschwand er durch die Tür.

Ich seufzte und ließ mich zurück auf das Bett fallen. Das waren viel zu viele Informationen gewesen und mein Kopf fühlte sich so schrecklich schwer an. Nach einer halben Ewigkeit, so schien es mir, setzte ich mich wieder auf und öffnete den Brief.
 

Sehr geehrte Celia Grant,

Es freut uns zu erfahren, dass Sie diesen Brief erhalten haben.

Hiermit berichten wir Ihnen, dass Sie die Gelegenheit haben Kain Jonnson die Freiheit zu schenken. Das Einzige, was Sie dazu tun müssen, ist, sich morgen, am 18. November in diesem Zimmer zu befinden. Im Laufe des Tages werden Sie aufgesucht werden. Weitere Informationen erfahren Sie dann.

Mit den besten Empfehlungen.
 

Ich schaute noch einen kurzen Moment auf die feinen Linien und legte dann den Brief zur Seite. Ich musste also nur in diesem Zimmer bleiben? Die letzten paar Stunden meines erbärmlichen Lebens in einem Sechssternehotel? Da wusste ich, was zu tun war!

Zuerst ließ ich mir ein Bad in dem großen Whirlpool ein, mit gaaanz viel schön duftendem Schaum. Ich ließ mich über zwei Stunden in dem warmen Wasser einweichen.

Danach machte ich es mir neben der Minibar und vor dem Fernseher gemütlich. Ich ließ mich mit allem, was ich in dem kleinen Kühlschrank finden konnte, voll laufen und das war nicht gerade wenig. Schon nach kurzem konnte ich nicht mehr gerade sitzen und die Wörter, die der Fernseher von sich gab, ergaben auch keinen Sinn mehr. Ja, gut, das hatten sie auch schon vorher nicht gemacht, aber ich hätte so oder so kein Wort mehr verstehen können. Wie zu erwarten döste ich irgendwann im weichen Hotelbademantel neben der dänischen Version von ‚Columbo’ ein. Gute Nacht Celia, auch wenn’ s das letzte Mal ist…
 

Viel zu früh wachte ich am nächsten Morgen von dem lauten Pochen von der Tür auf. Also kein ‚noch ein letztes Mal ausschlafen’ für die arme Celia. Ich raufte mir die Haare und rollte mich kraftlos zur Seite. Wie spät war es eigentlich? Im Zimmer war es stockdunkel und das lag mit Sicherheit nicht an meinen nur halb geöffneten Augen. Nun rutschte ich ungeschickt von der Bettkante und kämpfte von dort mit meiner Selbstbeherrschung um nicht sofort wieder am Boden eingerollt weiterzuschlafen. „Ms Schiller? Madame Miranda Schiller? Sie haben gewünscht aufgeweckt zu werden? Ich muss mich entschuldigen Sie auf solch grobe Art und Weise zu wecken, aber wir haben im Moment ein technisches Problem mit unserem Haustelefon. Madame Schiller, Sind Sie wach?“, schien die Tür in tiefer Männerstimme auf mich einzureden. Madame Schiller? Dafür musste wohl Harry verantwortlich sein. Ich krächzte ein leises „Ich komme gleich.“, und stolperte auf die Tür zu. Ich riss sie auf und musste die Augen zukneifen, weil ich das grelle Licht vom Gang blendete.

„Wie spät ist es denn?“, fragte ich den Hotelangestellten, der in roter Uniform vor mir stand. Er hatte hellbraune Haare und freundliche Augen mit denen er mich betrachtete. Als er sprach konnte ich trotz Anstrengung beinahe keinen Akzent in seiner Stimme hören. „Es ist 7 Uhr morgens, Madame. Um diese Uhrzeit wollten Sie doch geweckt werden, nicht wahr Madame?“ Mit Sicherheit nicht! Eigentlich wollte ich ihm das an den Kopf schleudern, aber dann ließ ich es doch sein. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es das arme potentielle Opfer meiner Aggressionen nicht verdienen würde, was ich zu sagen hätte. Also war ich ausnahmsweise ein nettes Wesen (-ernsthaft!) und nickte nur langsam. Ich versuchte sogar dem Mann ein Lächeln zu schenken, aber meine Mundwinkel befanden sich immer noch im Halbkoma und ich brachte daher nicht gerade viel zusammen. „Danke“, krächzte ich dann noch schnell. Mein menschlicher Wecker bestand natürlich darauf, dass ‚das nicht der Rede’ wäre und verabschiedete sich höflicher, als ich es mein ganzes Leben bis jetzt gewesen war. Ich fragte mich im Unterbewusstsein leise, ob ich wohl je wieder die Chance haben würde dies zu ändern.

Ich schloss leise die Tür wieder hinter mir und ließ mich auf das große Bett fallen. Das Seltsame, wirklich Seltsame war, dass ich keine Angst hatte. Eigentlich hätte ich mir bei dem Gedanken daran in die Hosen machen müssen, aber der flauschige Bademantel, in den ich mich gewickelt hatte blieb eindeutig trocken. Innerlich blieb ich vollkommen unberührt, wie leer. Ich war nahezu völlig taub. Möglicherweise war dies eine Art Schutzinstinkt? Vielleicht war meinem Unterbewusstsein klar, dass dies der einzige Weg war um mich daran zu hindern einfach weg zu laufen und dass das der einzige Weg war Kain zu retten. Aber war es wirklich Schuldbewusstsein, das mich so sehr dazu antrieb meinen Retter wiederum zu retten? Fühlte sich Schuldgefühl wirklich so aufopfernd an? Und warum fiel es mir so schwer das zu glauben? Im Grunde hatte doch ich daran Schuld gehabt, dass wir uns getrennt hatten. Es war kindisch und (viel zu) pubertär von mir gewesen, schließlich hatte er nichts dafür gekonnt, dass Abe ihn dazu gezwungen hatte mein Gedächtnis auszunehmen wie eine Weihnachtsgans. Spätestens als er mich dann vor Abe gerettet hatte, hatte er das wieder gut gemacht. Ich kam so oder so nur zu einem einzigen Schluss.

Es war meine Schuld. Verpflichtete mich das nicht nahezu dazu ihn zu retten? Nur, warum hatte ich dann nicht das Gefühl, dass ich es aus Verpflichtung tun würde. Und was war es dann? Um es auf den Punkt zu bringen, ich hatte keine Ahnung und im Grunde wollte ich es auch gar nicht wissen.

Ich streckte mich auf dem Bett zur Seite und krallte mir die Fernbedienung, mit der ich dann im dänischen Fernsehen herum zappte, aber schon nach wenigen Minuten verlor ich die Lust daran diesem, mir unverständlichen Kauderwelsch zu lauschen. Ich knallte das kleine silberne Kästchen mit voller Wucht an die Wand in der gegenüberliegenden Ecke und drehte mein Gesicht in die weichen Kissen. Ich konnte die Fernsehbedienung splittern hören und rollte mich auf dem Bett unter der Decke zusammen. Die konnten mich alle mal! Wenigstens noch ein einziges Mal ausschlafen…
 

„Ms. Celia Grant.“, flüsterte mir die monotone Stimme neben mir zu. „Ich bitte Sie jetzt aufzuwachen. Es ist an der Zeit.“

Es war an der Zeit. Dieser Satz drang schließlich in mein Bewusstsein vor. Nun war es also so weit. Ich öffnete die Augen und war ganz plötzlich vollkommen wach. Ich setzte mich langsam auf und mein Blick fiel das erste Mal auf meine Gäste. Direkt vor mir ragte ein Mann in grauem Anzug in die Höhe. Er hatte schwarze Haare, die bereits von grauen Strähnen durchzogen waren und einen dermaßen ausdruckslosen Blick, wie ich ihn wohl noch nie gesehen hatte. Neben ihm stand er gleich noch zwei Mal. Quieeetssch! Stoppt das Klonen! Diese drei Typen sahen wirklich alle gleich aus. Wie gruselig… Ob sie wohl Zwillinge waren? Klon Nummer 1 unterbrach meine Gedankenwege. „Ms Grant, Ich bitte Sie jetzt mitzukommen.“ Alle drei standen sie da, einer neben dem anderen und das Einzige, was sie gemein hatten war… genau alles. Sie schauten mich alle so erwartungsvoll wie Betonklötze an und ich stand auf. Schaute an mir hinab. „Ähm… Könnte ich mich vielleicht noch umziehen?“ Sie sahen alle ein bisschen dumm aus der Wäsche und irgendwie war mir das Warten zu blöd. Ich drehte mich einfach um und ging ins Bad. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, was diese Spießer dagegen machen sollten, trotzdem war ich angespannt und schlüpfte deswegen schneller als sonst in meine Sachen. Eine bequeme und saubere Jeans und meinen Rollkragenpullover. Dann, ohne dass ich es bemerkt hätte, hatte ich plötzlich die Geldtasche in der Hand. Warum war sie denn nicht in der Manteltasche? Hatte ich sie hierher getan? Ich sah hinein. Es waren noch immer ein paar hundert Euro da. Was sollte ich damit anfangen? Irgendwie zweifelte ich stark daran, dass es was bringen würde das Geld mit zu nehmen. Wahrscheinlich würden sie es mir dann sowieso wegnehmen. Einen Moment starrte ich abwesend auf die Geldscheine. Der Moment zog sich in die Länge und ich konnte meine Augen immer noch nicht davon losreißen, bis ein plötzliches Klopfen an der Tür nachhalf. „Ms. Grant? Alles in Ordnung?“, fragte der Klon mich. „Alles okay, ich will mich nur noch anziehen. Das wird doch wohl kein Problem sein, nicht wahr?“ Es kam keine Antwort und ich wandte mich wieder dem Geld zu. Was war, wenn ich es hier ließ? Irgendwo, wo es keiner fand? Wenn ich Glück hatte konnte ich dann später wieder hierher zurückkehren und es holen. Ich stieg vorsichtig auf den Whirlpoolrand und zog an dem Luftschachtgitter. Das hatte ich mal in einem Film gesehen. Das Gitter gab nicht nach und ich zog immer fester bis es sich endlich löste und ich in hohem Bogen auf dem Boden landete. Der flauschige Teppich unterdrückte das Geräusch des Aufpralls, aber es hinderte den harten Boden nicht daran mein Becken zu misshandeln. Ich unterdrückte ein Stöhnen und hoffte, dass die Klone draußen nichts davon mitbekommen hatten. Dann zog ich mich am Waschbecken wieder hoch, klaubte das Gitter auf, holte mir die Geldtasche und kletterte erneut auf den Badewannenrand. Einen Augenblick lang verlor ich das Gleichgewicht und schwankte nach hinten bevor ich die Balance wieder fand. Danach legte ich das Portemonnaie in den Luftschacht und schloss ihn wieder. Anschließend sprang ich anmutig, wie ich fand, auf den Boden und ging hinaus. Dort griff ich mir meinen Mantel und ging auf den Flur. „Hey Tick, Trick und Track! Kommt ihr?“

Tick, Trick und Track zeigten mit ihrer Verwirrung, dass sie meinen Witz nicht verstanden hatten und kamen schließlich zu mir auf den Flur.

Wir gingen wortlos den Gang entlang, fuhren mit dem Aufzug in die Parkgarage und stiegen in eine schwarze Limousine mit verspiegelten Gläsern, die dort schon auf uns gewartet hatte.

Drinnen entdeckte ich verzückt eine Minibar, die mir die groteske Situation sympathischer zu machen schien. Ich wollte mich eigentlich schon auf das kleine Schränkchen stürzen, als eine kräftige Hand mich festhielt und dann in die Ecke des Wagens stieß. Dank der mehr als ausreichend gepolsterten Sitzbank spürte ich so gut wie gar nichts von meiner ungeplanten Landung. Völlig überrascht wandte ich den Kopf um und konnte plötzlich sehen, wie mich ein großer schwarzhaariger Mann anstarrte. Er stand mitten im Raum der Limousine, neben ihm hatte das Trio bereits brav Platz genommen. Mir war sofort klar, dass er mich geschubst haben musste, diese drei Eierlosen wären nicht in der Lage dazu gewesen. Also lehnte ich mich gemütlich zurück, legte den Kopf in den Nacken und schaute den Mann so böse ich konnte an.

Auge um Auge, Zahn um Zahn, und das wahrscheinlich mindestens 10 Minuten lang. Dann machte sich langsam ein Grinsen auf dem Gesicht des Fremden erkennbar. „Sieht so aus, als hättet ihr da eine richtige Wildkatze gefangen.“, sagte der Schwarzhaarige spöttisch in Richtung der drei Chipmunks. „Und ihr seid auch sicher, dass sie die Richtige ist? Euer Boss zerlegt mich in der Luft, wenn sie es nicht ist. Das ist euch aber klar, oder?“

„Wir sind uns ziemlich sicher, dass es sich um die gesuchte Person handelt.“, antwortete einer der drei.

Ziemlich sicher? Leute, das war kein Scherz! Dieser Abe killt mich, wenn ich das verbocke!“ Er klang aufgeregt. „Hey du! Bist du Celia?“, wandte er sich plötzlich direkt an mich. Ich starrte ihn einen Moment lang einfach nur an. Ohne blassem Schimmer, was nun zu sagen sei. Bevor ich mich jedoch versah ertappte ich mich selbst dabei, wie mein Kopf schwerelos im Raum schwebte, und zwar rauf und runter, rauf und runter… Na toll! Ich nickte. Der Typ bedankte sich mit einem abschätzig abwertenden Blick, nahezu so, wie man eine leicht Verrückte ansehen würde. Dann drehte er sich um und verschwand aus dem Wagen. Die Tür knallte so laut hinter ihm zu, dass ich sehen konnte, wie die drei Engel für Charly zusammen zuckten.

Wenigstens bedeutete das, dass dieser Irre nicht mit fahren würde. Mit den drei Weicheiern konnte ich es aufnehmen, aber ein Gefühl verriet mir, dass dieser Typ nicht so leicht zu berechnen war…

Plötzlich fuhr der Wagen mit einem Ruck los und ich wurde in den Sitz gedrückt bis ich dachte durch die Bank zu fallen. Ich hatte ganz vergessen, dass ja noch jemand die Limo fahren musste. Wahrscheinlich war das Mr. Nice Guy. Wenn er es war, dann hatte er jedenfalls eine radikale Art zu fahren. Das Auto ratterte über die Straße, die Reifen quietschten auf dem Asphalt und bei jeder Kurve fiel ich fast von meinem Sitz. Bei diesem Fahrstil wurde mir schlecht und ich konnte sogar sehen, wie die Beach Boys zu meiner Rechten sichtlich immer grüner im Gesicht wurden.

Als der Wagen endgültig stehen blieb, fiel ich tatsächlich in hohem Bogen auf den Boden. Dabei schürfte ich mir am rauen Teppich das Kinn auf. Als ob ich in letzter Zeit nicht genug Probleme hätte…

In meinem Blickwinkel konnte ich sehen, wie zwei Füße rechts von mir zum Stehen kamen. Schöne schwarze Designerschuhe, die glänzten. Und jetzt begannen die Schuhe auch noch zu sprechen. Sie sagten: „Jetzt komm schon Süße, steh auf! Ausnahmsweise ist jetzt nicht die Zeit sich flach legen zu lassen.“ Verdammte Wichsschuhe!

Ich drehte mich auf die Seite und stand auf. Mein Kinn brannte ziemlich und ich glaubte zu spüren, dass es blutete. Währenddessen funkelte ich den Besitzer der Schuhe verachtend an. Dieser hatte allerdings nur ein anzügliches Grinsen im Gesicht kleben, höchstwahrscheinlich forderte das schon alles an Intelligent, was in seinem hübschen kleinen Kopf Platz hatte.

„Komm jetzt Püppchen, wir müssen los.“ Er deutete mit dem Daumen Richtung Tür. Ich stöhnte genervt auf und klopfte mir ein paar Dreckfussel vom Boden von der Kleidung. Dann verließ ich mit dem sexistischsten Mann alive die Limousine.

„Wo sind wir hier?“, fragte ich ihn, den Blick auf das Gebäude vor uns gerichtet. „Das ist der Flughafen von Kopenhagen.“, sagte er. Nun gut, das erklärte die rauschenden Geräusche.

„Fliegen wir denn weg?“, wollte ich verwundert wissen. „Ja.“, war die kurz angebundene Antwort. Mehr war wohl nicht aus ihm raus zu bringen.

„Entschuldigen Sie bitte? Ich glaube wir sollten gehen.“, ertönte nun eine lispelnde Stimme zu meiner Linken. Dort standen die drei Klone in Reih und Glied und schauten uns beide abwartend an. Der Schwarzhaarige nickte kurz und setzte sich in Bewegung auf das Gebäude zu. Wenn auch etwas unfreiwillig, begann ich ihm zu folgen. In meinem eigenen Tempo. Langsam. Sogar sehr langsam.

„Jetzt komm schon!“, brüllte er quer über den Parkplatz und brachte mich damit zum Grinsen. So theatralisch wie nur möglich wurde ich immer langsamer bis ich unterm Gehen schon beinahe stehen blieb. „Beweg jetzt endlich deinen fetten Arsch hier her!“ brüllte er schon wieder. Moment mal! Fetter Arsch?!

„Fetter Arsch?!“, heulte ich vollkommen aufgebracht los und stampfte wütend wie Godzilla auf ihn zu. „Fetter Arsch? Ich hab keinen fetten Arsch!“, schrie ich ihn an und holte mit meiner Faust aus um ihn zu verprügeln, aber schneller als ich sehen konnte, hatte er meinen Schlag abgeblockt und mir die Hand verdreht. Ich kreischte kurz ein kleines bisschen vor Schmerz und kickte ihm mit voller Wucht gegen das Schienbein. Mit Genugtuung bemerkte ich, wie er überrascht aufheulte. „Was soll der Scheiß? Das hat Weh getan!“, protestierte er laut. Die Leute am Parkplatz beobachteten uns schon alle und als er das bemerkte zog er mich plötzlich an der Hand, die er noch immer im Klammergriff hatte und umarmte mich.

„Was soll das?“, zischte ich los. „Ach Liebling! Lass uns nicht mehr streiten. Wir werden jetzt einen wunderschönen Urlaub haben, so wie ich es dir versprochen hab.“, sagte er viel zu laut. Häh? Dann begann er bedrohlich in mein Ohr zu flüstern. „Jetzt hör mir mal zu Madonna! Du wirst hier keine Szene machen! Halt einfach schön die Klappe und komm brav mit. Ich mach hier nur meinen Job, und wenn du’s wissen willst, ich bekomm für so was wie dich kein Extrageld!“

Ich legte sanft meine Handflächen auf seinen Brustkorb und stieß ihn so heftig wie ich konnte von mir weg. Dann drehte ich mich um und ging auf den Eingang zu.

„Kommst du Schatz?“, fragte ich mit bittersüßem Sarkasmus. Er stand noch immer reglos am selben Fleck und schaute mich etwas überrascht an, doch bei meinen Worten fing er plötzlich an laut zu lachen. „Was ist?“, zischte ich ihn darauf hin aggressiv an.

„Das kann ja mal ein Urlaub werden.“, war seine einzige Antwort, dann kam er zu mir rüber. „Moment mal, wo ist denn das unschlagbare Trio hingekommen?“, wunderte ich mich laut. Tatsache, ich hatte die drei vollkommen aus den Augen verloren und jetzt waren sie weg.

„Ach, du meinst den flotten Dreier? Ich glaub die sind vorgegangen, schon mal alles regeln.“, meinte er zu meiner Überraschung. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mir antworten würde.

Wir durchquerten gerade die moderne Eingangshalle und steuerten auf die Metalldetektoren zu, die es in jedem Flughafen gab. Die Detektoren surrten leise, als der uniformierte Beamte mit verdunkelter Brille mich abcheckte. Vor mir wartete mein schwarzhaariger Freund bereits auf mich. Ich grinste ihn süffisant an, als der Brillengigolo endlich fertig war und folgte ihm, als er auf eine schlichte Tür zuging, auf der mit roter Schrift „Zutritt nur für Befugte“ stand. Er trat in den stockdunklen Raum dahinter ein und ich folgte ihm etwas zögerlich.

„Pass auf, wo du hin steigst.“, sagte er sarkastisch. „Weißt du eigentlich, dass du ein Riesenarschloch bist?“, wollte ich von ihm wissen.

„Aber natürlich weiß ich das, nur, wer hat es dir gesagt? Mir kannst du’s verraten, komm schon! Ich wette, es war Yvonne aus der Buchhaltung! Diese blöde Kuh tratscht überall Blödsinn über mich rum, seit dem ich ihren Lieblingspulli verbummelt hab. Aber bitte, was hätte ich denn auch machen sollen? Ich war einfach betrunken und dann bin ich bei diesem Typen im Bett aufgewacht. Ich wollte einfach weg, da hab ich nicht an den Pulli gedacht!“, inszenierte er dramatisch.

„Ach, fick dich doch!“, riet ich ihm böse. Er drehte das Licht endlich an und ich musste im ersten Moment die Augen zu kneifen bevor ich erkennen konnte, dass wir in einem leeren Gang standen.

„Aber immer doch! Jeden Tag, ist schließlich gesund. Aber da du schon mal hier bist, vielleicht willst du mir ja zur Hand gehen?“ Seine Augen wanderten anzüglich über meinen ganzen Körper. Ich verkniff mir ein Stöhnen. „Ja, warum denn eigentlich nicht? Lust auf einen schönen Blowjob? Ich könnte ja auch meine Freundinnen anrufen und wir besorgen’ s dir so richtig.“ Ich drängte ihn gegen die Wand. „Aber bist du denn überhaupt Manns genug für fünf?“ Genüsslich langsam streckte ich einen Finger nach dem anderen nach oben und wedelte damit vor seiner Nase rum. Er schluckte hörbar. Da hielt ich es nicht mehr aus und ich musste losbrüllten vor Lachen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören damit. Männer waren so durchschaubar!

Die notgeile Sau schnaufte angefressen, funkelte mich verachtend an und ging dann den Gang entlang. Erst als er hinter einer Ecke verschwunden war, setzte auch ich mich in Bewegung. Wir kamen zu einer Tür, die direkt auf den Flugplatz führte. Von dort aus gingen wir auf einen kleinen Flieger zu, der etwas weiter rechts stand. Die Treppe war ausgefahren und die Stufen wackelten ein kleines bisschen unter meinen Füßen als ich hinauf stieg, so dass ich mich instinktiv am Geländer fest klammerte. Der Typ stand direkt hinter mir und als ich stehen blieb stöhnte er einmal demonstrativ genervt auf und meinte: „Was ist? Ist dein Hintern jetzt doch zu fett um durch die Tür zu passen? Du solltest es mir wirklich sagen, bei Übergewicht von 100 Kilo und mehr sollte ich das wissen, wegen dem Flugzeug.“ Er deutete auf die Maschine.

Und ich trat ihn die Stiege runter. Dummerweise war er schneller als ich und klammerte sich ans Gerüst. Dieses begann durch die Wucht heftig zu klappern und zu zittern und ich rutschte aus. Direkt in die Arme meines Engels. Dieser war wenigstens dieses Mal, mit einer Blondine in den Armen, nicht mehr in der Lage sich selbst zu retten und wir beide rutschten die zwei Meter lange Stiege hinab und landeten auf dem rauen Asphalt.

„Uff!“, stöhnte er unter mir. „Die Frage mit dem Übergewicht wäre jetzt wohl geklärt.“ Zum Dank für dieses Kompliment bohrte ich galant meinen Ellenbogen in seine Seite. Da stöhnte er natürlich gleich noch mal. „Währst du so nett von mir runter zu gehen? Ich glaub nicht, dass das hier der richtige Ort für so was ist, aber zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort…“ Er ließ die Worte in der Luft hängen und rollte mich nicht gerade sanft zur Seite.

„Aua!“, heulte ich auf, als ich mir das Knie am Geländer anstieß. Mühsam rappelte ich mich hoch und sah meinem schwarzhaarigen Freund zu, wie er das gleiche tat.

„Sag bloß, du fliegst uns?“, fragte ich ihn plötzlich. „Äh… Ja, natürlich.“, meinte er selbstverständlich. „Oh…“ Ich musste an die Fahrt hier her denken. Nicht gut, gar nicht gut!

„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“, fragte ich ihn dann. „Roman, wieso?“, kam sogar die Antwort. „Ach nichts… Ich wollte nur wissen wer mich umbringen wird…“, flüsterte ich vor mich hin.

„Was hast du gesagt?“, wollte Roman wissen. „Ich hab gesagt, ich wollte nur wissen, wer mich fliegen wird.“, klärte ich ihn freundlich auf. „Wo fliegen wir denn eigentlich hin?“, versuchte ich das kurze Gespräch gerade auszunützen. „Nach London natürlich.“, meinte er noch, dann drehte er mir den Rücken zu und verschwand im Flugzeug. Ich schaute zuerst noch etwas ratlos umher, beschloss dann aber, dass ich es wohl nicht mehr sehr lange aufschieben würde können. Also ging ich, diesmal besonders vorsichtig, die Stiege zum Flugzeug hoch. Drinnen war alles in einem luxuriösen Beige-Ton gehalten. Die drei Betonklötze saßen bereits wartend nebeneinander in drei extrem bequem aussehenden Ledersitzen, von Roman war jedoch keine Spur zu sehen.

„Wollen Sie sich denn nicht setzten, Miss Grant?“, fragte einer der Klone und deutete mit seinen beiden Freunden synchron auf einen Sessel, der einzeln auf der linken Seite des Flugzeugs direkt neben dem Fenster stand. Ich „aha“te die drei unfreundlich an und setzte mich hin. Gab es auf solchen Flügen nicht immer Alkohol? Genau das war es, was ich jetzt brauchte, so angespannt und genervt, wie ich war. Dummerweise war weit und breit keine Stewardess zu sehen, oder Flugbegleiterin, wie man sie jetzt nennen musste. Mein Gott! Diese Probleme hätt’ ich gern!

Romans Stimme dröhnte jetzt durch die Lautsprecher: „Wir starten jetzt, also bitte anschnallen!“ Das war alles, der Flieger begann ratternd die Flugbahn entlang zu rollen, und ich versuchte mir einen so guten Aufenthalt, wie nur möglich, zu machen. Mit 4 Psychopathen allein in einem Flugzeug, ein paar tausend Meter über dem Boden…
 


 

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Zum Schluss möchte ich meiner tollen Beta Mel(Schneesturm) danken! Vielen, vielen Dank! Du hast es wunderbar verbessert! Ich könnte mir keine bessere Beta vorstellen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  P-Chi
2009-04-12T17:40:43+00:00 12.04.2009 19:40
Das war mal wieder sehr toll geschrieben gewesen.
Ich frage mich nur, ob Celia das Geld aus dem Hotel irgendwann mal wieder zurückholt...?
Naja, die Klone waren auch super xDD, aber eine kleine beschreibung wäre ganz nett gewesen.
Harry hat sich ja sehr verändert...von einem Schwulen zu nem Obermacker. Naja, er ist mir trotzdem noch sympathisch xDD *grins*

lg Liti-pa
Von:  Schneesturm
2009-03-15T17:25:05+00:00 15.03.2009 18:25
xDD also ich muss sagen, das ich den titel echt geil finde "die notgeile sau und ich" also ich würde das so lassen.
Ich finde den Roman seeeeehr sympatisch, besonders weil er mich an eine person erinnert. Mir gefällt seine Art- machogehabe und dann den schwanz einzieh- Ich könnte mir Celia und roman richtig gut als altes ehepaar vostellen und wie sie sich gegenseitig aufziehen x3
roman hat kain von seinen platzt gekickt xD
Zum Kapitel- Ich finde wieder die ganzen Dialoge sehr ansprechend und besonders toll finde ich auch die vergleiche von den 3 Klonen oder wie Celia sie nennt "tick trick und track"
Auch sehr toll fand ich die Idee mit den Briefen und wie sie Celia von einem Ort zum anderen geführt haben.
Mich würde mal interessieren, ob sie Kain wirklich freilassen und was Abe mit den beiden machen will o.Ô
Den Harry mag ich auch immer noch sehr♥
lg deine Beta Mel

PS: ROMAN ICH LIEBE DICH ♥♥♥!! xDDDD



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