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Daylight

~Wait for Sunrise~
von

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Lodernde Gefahr

Hey ihr lieben Leser!! Das ist also der Prolog meiner neuen Fanfic, die ich anstelle von "Gangs of Tokio" schreiben werde. Leider habe ich GoT abgebrochen, dafür ist aber "Daylight - Wait for Sunrise" entstanden. An dieser Stelle möchte ich ein liebes Danke an meine beste Freundin Berry setzen, ohne deren Zusammenarbeit und Hilfe "Daylight" gar kein Anfang gefunden hätte! Jetzt will ich euch auch gar nicht weiter aufhalten. Viel Spaß beim Lesen, und hinterlasst mir bitte ein paar anregende Kommis, damit ich immer weiß, was verbesserungswürdig ist!! Danke!!!
 

"Wie konnte das nur passiere?", eine ältere Frau mit ergrauten Haaren starrte mit weit geöffneten Augen auf das Szenario, dass sich ihr auf der gegenüberliegenden Straßenseite bot. Der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben.

"Vielleicht waren es diese Straßengören, man hat sie hier in letzter Zeit öfter gesehen!", antwortete ein Mann Anfang sechzig. Über seinen gestreiften Pyjama trug er einen dunklen Morgenmantel. Scheinbar hatte er schon im Bett gelegen, als sich das Unglück ereignete.

"Aber ob die wirklich so einen Brand ...", begann die ältere Frau, als einer der Feuerwehrmänner auf sie zukam.

"Sie müssen bitte zurück in ihre Wohnungen, es ist noch immer gefährlich. Wir haben das Feuer noch nicht vollständig unter Kontrolle. Es könnte immer wieder ausbrechen!", sagte er leicht außer Atem.

"Ist jemand in dem Haus gewesen?", fragte der Anwohner im dunklen Morgenmantel und zeigte auf das im flammenstehende Wohnhaus, dass aber schon seit Jahren leer stand. Lediglich einige Straßenkids hatten dort in letzter Zeit ihr Lager aufgeschlagen.

"Wir haben jemanden reingeschickt, aber unser Mann kam nicht weit. Alles ist am Einstürzen, sollte sich dort jemand befunden haben, dann ...", der Feuerwehrmann schwieg kopfschüttelnd. Schon lange arbeitete er in diesem Beruf, aber es war jedesmal eine Qual für ihn, wenn er mit seiner Einheit zu spät kam oder nichts mehr getan werden konnte, außer das Feuer zu schüren. Er war der Feuerwehr beigetreten um Leben zu retten, nicht sie den Flammen zu überlassen. Doch diesmal hatte die rote Glut des Teufels gewonnen. Es konnte niemand geborgen werden.

"Dann hoffen wir, dass diese Gören rechtzeitig abgehauen sind. Am Abend habe ich dort noch welche rumlungern sehen", erklärte der Mann wissend.

"Die Polizei wird jeden Moment hier sein und sie deswegen sicher noch befragen. Bitte begeben sie sich solange in ihre Wohnungen. Wie ich schon sagte, ist es hier zu gefährlich!"

Die beiden älteren Leute nickten und gingen, wenn auch widerwillig, zurück in ihre Wohnungen um auf die Polizei zu warten.

Später würde einer der Anwohner aussagen, dass gegen sechs Uhr Abends fünf Jugendliche in dem leerstehenden Wohnhaus verschwunden waren. Als das Feuer ausbrach, schienen es nur Vier hinaus geschafft zu haben.

Eine Leiche wurde nie gefunden.

Vermutlich war eines der Straßenkinder lebendig verbrannt worden.

Die vier Überlebenden wurden nie wieder von den Anwohnern gesehen, und auch was das verherrende Feuer ausgelöst hatte, konnte nie festgestellt werden.

Allerdings ging das Gerücht um, dass es kein normaler Brand gewesen war ...

One year later

Die Stadt der Engel wird sie genannt. Los Angeles. Ihrem Zauber kann sich niemand entziehen.

Schlanke Palmen, die sich im Wind wiegen, traumhafte Strände, glänzende Limosinen, die sich bei Sonnenuntergang in den Verkehrsstrom einreihen. Engelsgleiche Vorstellungen, die von den Einwohnern genährt werden. Der Mythos besteht fort. In den Köpfen der Menschen. Die meißten sehen nur, was sie sehen wollen. Sehen einen fiktiven Traum, der keinen Platz für die Realität offen hält.

Doch es gibt sie, die Realität.

Man findet sie dort, wo die Reichen und Schönen, die Erfolgreichen und Ehrgeizigen niemals sind.

Los Angeles, eine nach Abgasen stinkende Betonwüste. Ein farbiger Smogschleier, der über der Stadt liegt.

Eine beständig wachsende Metropole, direkt auf dem San-Andreas-Graben, zwischen den Brandungswellen des Pazifik und der Mojava-Wüste, Zentrum der Unterhaltungsindustrie mit spanischer Verganhenheit.

Los Angeles, die Stadt der Schönen, der Reichen, der Berühmten.

Los Angeles, die Stadt der Bandenkriege, der Drogen, der Kriminalität.

Wie eine goldene Medaillie, so hat auch die Stadt der Engel zwei Seiten.

Die eine wurde geprägt durch einen Traum.

Die Andere ist ein Alptraum.

Gangs, die sich gegenseitig bekriegen, die die Straßen beherrschen. Die mit Waffen und Drogen handeln.

Überfälle, Morde.

Angst, Verzweiflung, Hass, Wut, Armut.

Ein Name.

Watts.

Watts ist ein Pulverfass. Los Angeles berüchtigstes Stadtvirtel, südlich gelegen.

Ein Jahr.

1965.

1965 kam es in Watts zu schweren Straßenschlachten, den "Watts Riot". Die Zeitbombe war explodiert.

Seitdem hat sich die Situation verbessert. Soziale Einrichtungen wurden geschaffen. Organisationen gegründet, um die Lebensverhältnisse zu stabilisieren.

Watts hat sich erholt, aber genesen ist es nie.

Bis heute nicht.

Nach Einbruch der Dunkelheit sollte hier niemand mehr alleine unterwegs sein.

Niemand.
 

Verschlafen öffnete eine rosahaarige junge Frau die Augen, um sie im selben Moment wieder zu schließen. Ihr war nicht nach wach werden, obwohl sie in den nächstem Minuten feststellen musste, dass es danach nicht ging.

"Verdammt", knurrte die Rosahaarige mürrisch und richtete sich auf. Als ihr die Decke vom Oberkörper rutschte fuhr sie zitternd zusammen. Die Kälte, die sie durchzog, ließ sie frösteln und rasch stand sie auf, um sich ihre Jacke überzuziehen.

Sakura Haruno war 21 Jahre alt. Sie hatte lange, rosa Haare, die sie oft zu einem Pferdeschwanz band, und smaragdgrüne Augen. Ihre dünne Figur wurde von einer weiten Jacke verdeckt, unter der sie aber recht knappe Kleidung trug, bestehend aus einem roten Top, einem schwarzen Minirock und schwarzen Overknees.

Keine angemessene Kleidung für den Spätherbst!

Erst kürzlich hatte Sakura mit einer Grippe zu kämpfen gehabt. Der Grund war zum einen natürlich ihre sommerliche Kleidung gewesen. Der andere hatte jedoch damit zu tun, dass die junge Frau seit gut zwei Monaten auf der Straße lebte, beziehungsweise in einer alten, leerstehenden Hütte inmitten von Watts, L.A. Kalifornien.

Und auch wenn man Kalifornien mit Sonne und Gute-Laune Wetter verband ... Die nächtlichen Temperaturen im November konnten leicht die Null Grad unterschreiten.

Sakura hatte nie viel Geld gehabt. Doch als sie nach L.A. gegangen war, hatte sie einen Job bekommen, mit dem sie sich eine kleine Wohnung finanzieren konnte. Durch einige Zwischenfälle, bei denen hauptsächlich Drogen eine Rolle spielten, hatte sie ihren Job wieder verloren.

Jetzt lebte sie auf der Straße. Obdachlos, Arbeitslos, Mittelos.

Hoffnungslos ...

Sakura verließ ihr improvisiertes Schlafzimmer, dass aus einer alten geflickten Decke und einer dünnen Matraze bestand, um sich im "Bad" der verfalllenen Hütte für den Abend zurecht zu machen. Da sie den ganzen Tag über geschlafen hatte, musste sie sich jetzt auf die Pirsch nach Nahrung machen. Und Schlafen war Tagsüber angenehmer als in der Nacht. In der Dunkelheit die Augen an einem Ort wie diesen zu schließen konnte fatal enden.
 

Eine halbe Stunde später ging die Rosahaarige durch eine kleine Einkaufstraße mit vielen Obst und Gemüseläden, in denen sich hier und dort etwas einstecken ließ. An Vitaminen fehlte es ihr wahrhaftig nicht! An neue, wärmere Klamotten zu kommen stellte sich schon als wesentlich schwieriger heraus.

Sakura musste ein Gähnen unterdrücken, als sie einen alten Bekannten von weiten erkannte, der ihr entgegen kam. Sie hatte ihn einige Zeit nicht gesehen, was vermutlich hieß, dass er mal wieder gesessen hatte.

"Sakura, was für eine Freude dich hier zu treffen. Erledigst du deinen Einkauf?", sprach der junge Mann sie gleich an.

Sakura nickte leicht. "So ungefähr. Das übliche. Wie gehts dir, Steve? Du warst eine Weile weg, oder?"

"So ungefähr, das Übliche", erwiderte Steve vielsagend grinsend.

"Irgendwann buchten sie dich für immer ein. Ich versteh nicht, warum sie dich immer wieder gehen lassen", die Rosahaarige seufzte.

"Wegen guter Führung, schätz ich. Aber zerbrech dir darüber mal nicht deinen hübschen Kopf. Wann bekommst du die nächste Ware?"

Sakura verengte ihre Augen. "Grad mal draußen, und schon wieder auf dem falschen Weg. Lernst du nichts?"

"Lernen war nie meine Stärke", meinte Steve grinsend. "Morgen Mitternacht in der Charcoal Alley?"

Sakura nickte. "Das Gleiche wie letztens?"

"Wie letztens", bestätigte der junge Mann.

Sakura nickte erneuert, ehe Steve sich mit einem kurzen Gruß verabschiedete.

Ein Seufzen entfuhr der jungen Frau. Ihre beste Freundin würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie sie sehen würde. Aber war ihr Aufstieg nicht grandios? Von einem kleinen Junkie zu einer der gefragtesten Dealer der 103rd Street.

Es war einfach grandios ...
 

So, Kappi No. I ist damit geschafft. Ich weiß, es ist nicht sehr lang, aber dafür arbeite ich schon am nächsten *lol*. Vielen Dank an dieser Stelle für die netten Kommentare! Ich hoffe, auch diesmal wieder welche zu erhaschen *g*. Bis später, eure Cherry21

Memory

"Nenne dich nicht arm, nur weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur der, der nie geträumt hat", Temari Sabakuno stand vor dem Schaufenster und las diesen Satz immer und immer wieder. Was für ein dummes Zitat irgendeines dummen Menschen. Wusste der denn gar nichts? Wusste er nicht, das Träume verräterisch waren? Das sie einen auffraßen? Einen zerstörten? Das sie einen Hoffnungen schenkten, die im nächsten Moment zerplatzen konnten?

Träume, wie lächerlich!

Träume brachten einen nur Schmerz und Trauer. Träume sorgten dafür, dass viele Tränen vergossen wurden.

Träume hatten sie, Temari, hier hergebracht ...

L.A. Kalifornien.

Jetzt war sie hier, schon gute drei Wochen. Fast einen Monat. Von einem Neuanfang hatte sie geträumt. Von einem glücklichen Zusammentreffen mit ihrer Familie, die sie sechs Jahre lang nicht gesehen hatte. Von einem rentablen Job, einer eigenen kleinen Wohnung. Von einem besseren Leben hatte sie geträumt. Und von Vergessen.

Doch was war geschehen, als sie mit dem Bus zu der Adresse fuhr, wo ihre Mutter und ihr Bruder lebten? In einem Trailerpark war sie gelandet, wo ihre Familie auf wenige Quadratmeter zusammengepfercht hauste. Ihre Mutter war krank, vermutlich würde sie den Winter nicht überstehen. Für Medikamente fehlte das Geld. Ihr Bruder trieb sich nur in den Ghettos rum und zog sich einen Joint nach dem anderen hinter.

Sie hatte sich Arbeit gesucht, doch es war nichts mehr als ein kleiner Aushilfsjob als Kellnerin drin gewesen. Sie verdiente miserabel. Eine eigene Wohnung konnte sie sich nicht leisten, das schwer verdiente Geld gab sie ihrer Mutter.

Träume? Wie lächerlich ...

Temari seufzte und ging weiter. Weg von dem dummen Zitat. Erinnerungen keimten in ihr auf.

Träume vom Vergessen.

Doch sie konnte nicht vergessen, konnte die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Zu schwer lastete sie auf ihren schmalen Schultern.

Bilder vernebelten ihr die Sicht, und sie musste stehen bleiben.

Würde es jemals aufhören? Würde sie eines Tages vergessen können?

Doch bedeutete Vergessen nicht auch Aufgeben?

Durfte sie aufgeben?

Ihre Freundin im Stich lassen?

Nur sie kannte die Wahrheit.

Nicht Träume hielten sie aufrecht.

Nein!

Es war Hoffnung ...
 

"Ich bin wieder da", rief Temari, als sie den Trailer ihrer Familie betrat. Wie vermutet trieb sich ihr Bruder irgendwo rum, während ihre Mutter teilnahmslos vor dem Fernseher saß. "Ich habe dir ein paar Hustentabletten mitgebracht, Mum."

"Danke Temari", kam es monoton von Frau Sabakuno. Ein bellendes Husten begleitete ihre schwache Stimme.

"Geht es dir ein bisschen besser?"

Die kranke Mutter nickte, doch Temari wusste, dass es nur eine Lüge war um sie zu beruhigen.

"Soll ich dir etwas zu essen machen oder hast du schon Mittag gegessen?"

"Ja, Gaara hatte vorhin etwas vorbei gebracht. Jetzt ist er unterwegs."

Temari nickte verstehend. "Dann geh ich noch etwas spazieren. Gegen Abend bin ich wieder zurück. Wenn etwas sein sollte geh zu den Nachbarn, sie haben ein Telefon und können notfalls einen Arzt verständigen."

Frau Sabakuno schmunzelte und zum ersten mal wirkte sie nicht apathisch. "Der einzige Mensch, den wir wegen mir noch anrufen müssen, ist der Bestatter."

Die junge Frau seufzte strafend. "Du sollst so nicht reden, Mum! Dann ist doch Quatsch, was du da sagst!", dann verließ sie den Trailer, und ihr trauriger Blick strafte ihrer Worten Lügen.
 

Temari war, wie es ihr schien, schon etliche Kilometer gelaufen, als sie in eine Straße bog, die ihr gänzlich unbekannt war. Neugierig schritt sie über den Asphalt. Es fuhren kaum Autos, und nur wenige Menschen waren hier anzutreffen. Einige kleine Läden zierten die Straße, doch ansonsten schien es hier nichts zu geben, als eine gläserne Eingangstür ihren Blick auf sich zog.

Temari wechselte die Straßenseite und blieb vor der Tür stehen. Sie führte in ein recht großes Gebäude, das zwar weitläufig schien, aber nicht sehr hoch war.

"Tonstudio Uchiha Records", las sie auf der Plakette, die dort angebracht war. "Inhaber: I. Uchiha."

Temari stutzte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, den Namen schon einmal gelesen zu haben. Ohne wirklich zu wissen warum, öffnete sie die Tür und trat in einen länglichen Flur, der sich am Ende gabelte. Sie lief über den schäbig aussehenden Teppich und bog schließlich rechts ab, bis sie vor einer weiteren Tür stand, in dem sich laut Tafel das Büro befinden sollte.

Wie von Geisterhand nahm ihre Hand die Klinke ...

"Gott!", stöhnte Temari und schüttelte verwirrt ihren Kopf. "Was zum Kuckuck tu ich denn da?"

"Eine gute Frage!", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr.

"Was?", ruckartig drehte sich die junge Frau um und blickte in ein genervt dreinblickendes Gesicht eines Mannes mitte Zwanzig. "Ähm, ich ... sorry!", entfuhr es der Blonden, die den Blick gar nicht von dem Fremden nehmen konnte und schon leicht rosa im Gesicht wurde.

"Und was willst du?"

"Ich", Temari suchte stammelnd nach Worten. "Ich äh ... wollte eigentlich nichts weiter, nur mal gucken", lächelte sie peinlich berührt.

"Nur mal gucken?"

"Ja, ich ... ähm ich hab noch nie ein Tonstudio von Innen gesehen, weißt du und da dachte ich ..."

"Das bestimmt Tag der offenen Tür ist und du einfach so hier reinmarschieren kannst, stimmts?"

"Nein, nein wirklich nicht, ich ... ich geh mal lieber!"

Temari machte schleunigst auf dem Absatz kehrt und eilte an dem Fremden vorbei Richtung Ausgang.

"Warte mal", sagte der Fremde plötzlich und wie von der Tarantel gestochen blieb die Blondine stehen. Unsicher drehte sie sich um.

"Ja?"

"Wenn du ins Aufnahmestudio willst, musste du links abbiegen ..."

"Wie bitte?", Temari glaubte sich verhört zu haben.

Der Mann lachte leise. "Ach was soll's, komm mit! Ich zeigs dir, ist ja bald Weihnachten, nicht?"

Temari grinste. "Danke", erwiderte sie lächelnd und streckte ihrem Gegenüber die Hand hin. "Mein Name ist Temari. Temari Sabakuno."

Der Fremde nahm die angebotene Hand grinsend an. "Ich heiße Itachi Uchiha."
 

"Ja, und nun steh ich auf meinen eigenen Beinen", erzählte Itachi und schlürfte an seinem heißen Kakao, den er sich eben hatte kommen lassen.

Temari hörte aufmerksam zu. Sie konnte noch immer nicht ganz glauben, dass sie mit diesem gut aussehenden Mann, der sich als der Produzent von Uchiha Records herausgestellt hatte, in einem kleinen Cafe saß und Kuchen verspeiste. Nicht dass er ihr nur das gesamte Tonstudio gezeigt hatte, er hatte sie auch noch auf einen warmen Kakao eingeladen!

"Aber was ist mit deiner Familie? Redest du auch nicht mehr mit deiner Mum?", fragte sie, als Itachi ihr davon erzählt hatte, wie er seinen Traum verwirklicht hatte, allerdings auch von zu Hause rausgeschmissen wurde, weil er nicht den Maßstäben seines Vaters entsprach.

Itachi lächelte sanft. "Doch natürlich! Sie kommt mich öfter noch besuchen. Sie leidet darunter, dass ich mich mit Vater so zerstritten habe. Aber sie hat ja auch noch Sasuke."

Auf Temaris fragenden Blick hin, erklärte Itachi, das Sasuke sein jüngerer Bruder war.

"Aber auch eine Nervensäge durch und durch. Kriegt kaum den Mund auf und redet immer nur das Nötigste. Leider kommt er sehr nach Vater. Er soll eines Tages die Firma übernehmen und unser Vater nimmt ihn deshalb sehr hart ran. Er hat es alles andere als Leicht!"

Temari nickte verstehend. "Dann könnte man ja fast sagen, dass du alles richtig gemacht hast", lächelte sie.

"Ja, nicht nur fast möchte ich meinen!", entgegnete Itachi scherzend. "Diese Last, ein Erbe von Uchiha Industries zu sein, liegt nicht mehr auf mir und ich kann mein Leben selbst bestimmen!"

"Aber zu dem Preis, von deiner Familie getrennt zu leben", seuftzte Temari kaum hörbar und mehr zu sich selbst.

Itachi winkte ab. "Ich bin ja nicht aus der Welt! Meine Mum und auch Sasuke sind immer für mich da, wenn ich sie brauche. Und ich brauche nicht mehr als die Beiden, vielleicht noch meinen Beruf. Und irgendwann möchte ich eine eigene Familie haben", er grinste verschmitzt. "Allerdings werde ich ein besserer Vater und meine Kinder immer unterstützen, egal was sie aus ihrem Leben machen wollen!"

"Oho, gleich mehrere Kinder?", scherzte Temari.

Itachi wurde fast ein wenig rot um die Nase. "Naja, es kommt, wie es kommt."

"Das ist wohl war", meinte Temari nachdenklich.

"Und was machst du so?", stellte Itachi nun die Gegenfrage. "Die ganze Zeit hab ich nur von mir geredet, jetzt interessiert mich, was du so treibst."

"Ach, dass kann nicht interessieren. Ich arbeite als Kellnerin. Nichts spannendes", seufzte sie.

"Na von wegen. Da erlebt man manchmal so einige Sachen! Kannst du mir glauben, ich habe auch mal in einem Restaurant gearbeitet."

Temari grinste und schüttelte amüsiert den Kopf. "Das Sao Paulo würde ich nicht als Restaurant bezeichnen. Das Einzigste was ich dort erlebe, sind besoffene Kerle, die ihre Gläser als Spucknäpfe benutzen."

"Na, wenn das mal nichts ist! Wer weiß, vielleicht ist ein geborener Weltmeister unter ihnen!"

"Ganz sicher!", lachte Temari.

"Bist du denn hier aus der Gegend? Ich hab dich vorher noch nie gesehen", wollte Itachi nun wissen.

Das Lachen der Blondine erstarb. "Nein, ich komme aus New York. Meine Familie lebt hier und ich bin vor einigen Wochen zu ihnen zurückgezogen."

"New York? Oh ein Kind der Großstadt!"

Temari musste wieder lächeln. "Oh ja, denn L.A. ist ja auch nur ein Dörfchen!", scherzte sie.

"Naja, irgendwie schon. Zumindest hier in der Gegend. Jeder kennt jeden. Aber warum zurückgezogen? Hast du schon mal hier gelebt?"

Temari nickte. "Ich bin vor sechs Jahren nach New York gegangen."

"Aha, wolltest du da etwa dein großes Glück am Broadway versuchen, weil dir Hollywood nicht reichte?"

Temari konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Auch wenn sie sich nicht an die Vergangenheit erinnern wollte, mit Itachi darüber zu reden fiel ihr leichter als gedacht.

"Weniger",lächelte sie. "Eigentlich war es ein Kerl ..."

"Oh", Itachi überlegte kurz. "Dann nehme ich an, dass du wegen einem Jungen dein Elternhaus verlassen hast, vermutlich sogar von zu Hause weggelaufen?"

"Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen", seufzte die Blonde.

"Und was ist mit ihm passiert? Habt ihr euch getrennt und du bist deswegen zurück?"

"Nein, wir waren nicht lange zusammen. Ich hatte zwar erst gedacht, er sei meine große Liebe, aber da hatte ich mich getäuscht."

"Warum bist du dann so lange in New York geblieben? Deine Familie war doch hier, oder konntest du nicht zurück?"

"Eigentlich wollte ich nicht. Ich hatte dort jemanden kennengelernt ...", Temari wurde leiser. Ab diesem Punkt zu erzählen schmerzte und sie wusste nicht, ob sie es konnte.

"Oh ha, deine zweite große Liebe?", Itachi merkte den Wandel und versuchte vorsichtiger nachzuhaken. Es wäre vielleicht besser gewesen, gar nicht nachzufragen, aber zu sehr interessierte ihn diese Geschichte.

Temari lächelte traurig. "Nein, meine beste Freundin."

Nun war Itachi überrascht und ihm brannten tausend Fragen auf der Zunge, aber Temaris betrübter Gesichtsausdruck ließ ihn schweigen. Wenn sie reden wollte, sollte sie es von sich aus machen. Ab hier durfte und wollte er sie nicht mehr bedrängen.

Eine Weile herrschte Schweigen.

Temari hing ihren Erinnerungen nach, währenddessen Itachi sie beobachtete und an seinem Kakao nippelte. Es war wirklich ein interessantes Mädchen, dass ihm da in seinem Tonstudio über den Weg gelaufen war, und er hatte richtig gehandelt, sie näher kennen zu lernen. Sie war nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern auch intelligent und freundlich.

"Sag mal, wie kamst du eigentlich auf mein Tonstudio?", brach er das Schweigen, in dem er hoffte dezent vom Thema abzulenken. Scheinbar hatten sie schmerzhafte Erinnerungen eingeholt.

Temari schaute erst verwirrt auf, doch dann zwang sie sich zu einem Lächelnd. "Naja, früher wollte ich immer mal Sängerin werden", gestand sie lächelnd.

"Oho, also lag ich mit Broadway gar nicht so falsch?"

"Nee, die Liebe zur Musik und zum Singen ... weißt du, die hab ich von Sakura", wieder lächelte sie ihr trauriges Lächeln.

Itachi hätte sich selbst Ohrfeigen können. Er wollte sie ablenken und nun stach er genau zu! "Und Sakura ist deine beste Freundin in New York gewesen?", hakte er dennoch nach.

Temari nickte. "Wir haben zusammen Texte geschrieben, naja viele waren es nicht. Aber es hat uns Spaß gemacht und wir haben davon geträumt, eines Tages vielleicht mal hier her zu kommen und einen Song aufzunehmen. Deswegen war ich irgendwie nicht ganz da, als ich in deinem Tonstudio auftauchte. Irgendwie hat es mich daran erinnert", Temari seufzte leidlich.

"Na dann hast du hier den Hauptpreis gewonnen! Wir können zurückgehen und mal eine Aufnahme machen. Mich würde interessieren wie deine Stimme klingt", Itachi hoffte Temari dadurch etwas aufzuheitern, doch es war wiedereinmal ein Tritt ins Fettnäpfchen.

"Ich denke nicht. Es war unser Traum, nicht meiner ... ohne Sakura würde es keinen Sinn machen."

Itachi sah Temari teilnahmsvoll an. "Was ... was ist aus deiner Freundin geworden?", fragte er vorsichtig und kaum hörbar. "Habt ihr euch gestritten?"

"Gestritten?", Temari schüttelte traurig den Kopf. "Kein Streit der Welt hätte unsere Freundschaft zerstören können! Wir waren wie Schwestern! Eine Familie, ob Blutsverwandt hin oder her."

"Und warum dann ..."

"Weil ... weil sie mich für tot hält ..."
 

*PUH* Juchu, endlich hab ich das Kapitel vollendet! Tut mir echt leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich hab lange rätseln müssen, wie und was Itachi nun macht. Jetzt steht das Konzept aber endlich und ich denke, es wird nun schneller vorwärts gehen! Auf jedenfall werde ich mir mühe geben. Das nächste Kapitel ist auch schon zur Hälfte fertig, also wenn nichts dazwischen kommt, lade ich es auch demnächst hoch. Allerdings bin ich zur Zeit voll in Renovierungen verstrickt, weshalb ich lieber nicht schwöre *g* Trotzdem hoffe ich, dass alles so klappt, wie es soll und ihr Freude am Lesen haben werdet. Für konstruktive Kritik bin ich natürlich immer zu haben *lach* Also bis später, und einen schönen ersten Advent noch!

Eure Cherry

Itachi's Bruder

Müde ließ sich Itachi auf seine Couch fallen, als er am Abend nach Hause kam. Gähnend schnappte er sich die Fernbedienung und zappte durchs Programm, doch konnte er sich kaum auf die Sendungen konzentrieren.

Zu sehr ging ihm dieses Mädchen durch den Kopf.

Temari Sabakuno.

Irgendwie hatte sie es ihm angetan. Nicht nur durch ihre Art oder ihr Aussehen, auch ihre Geschichte ließ ihn nicht locker. Dabei wusste er noch so wenig.

Wer war sie wirklich? Was hatte sie in New York getan? Und was machte sie jetzt in einer Bar wie das Sao Paulo? Es war ihm sehr wohl bekannt, vor allem sein Ruf!

Aber am meisten interessierte ihn, warum diese Sakura sie für tot hielt ...

Fragen über Fragen, es war einfach zum Mäusemelken!

Ein Läuten seiner Türklingel ließ Itachi aus seinen Gedanken hoch schrecken. Wer konnte denn das nun wieder sein? Eigentlich wollte er doch jetzt nur noch seine Ruhe!

Schlürfend ging der Schwarzhaarige in den Flur. Der Besucher konnte ein Donnerwetter erleben. Erstens war es spät Abends und zweitens war er fix und alle von seinem Arbeitstag!

Murrend öffnete er die Tür, als ihm fast die Kinnlade runterfiel. "Was machst du denn hier?", begrüßte er seinen Bruder.

"Tse, lass mich lieber rein und stell nicht solche dussligen Fragen. Darf ich dich nicht mal besuchen kommen oder was?", entgegnete Sasuke Uchiha, der 23 jährige Erbe von Uchiha Industries.

"Sicher, aber es überrascht mich doch sehr. Sonst muss dich Mutter immer regelrecht mitschleifen, weil du kaum Zeit hast. Und nun stehst du leibhaftig vor meiner Tür. Allerdings ein wenig spät, findest du nicht?"

"Ich komme direkt aus der Uni", erwiderte Sasuke kühl und zog sich die Schuhe aus, um Itachi ins Wohnzimmer zu folgen. Sasuke würde es zwar nie zu geben, aber er kam gerne her. Die Wohnung gefiel ihm, sie hatte etwas heimisches und war trotzdem ganz anderes als sein zu Hause. Hier herrschte nicht der teure und exquisite Geschmack seiner Eltern vor, sondern Itachis schlichter, aber durchaus moderner Stil. Es gab keine überteuerten Möbel ohne Sinn, die einfach nur da waren um einen hohen sozialen Status auszudrücken. Hier hatte alles seine Funktion, nichts war überschwänglich und trotzdem fühlte man sich wohl.

Ja, Sasuke mochte die Wohnung mehr als seine Eigene.

Er selbst lebte seit gut einem Jahr nicht mehr bei seinen Eltern, denn die Fahrt zu seiner Uni war immer sehr zeitaufwendig gewesen. Die UCLA befand sich in Westwood, währenddessen seine Eltern selbstverständlich in dem teuersten Viertel L.A.'s lebten.

Das er nun selbst nach Westwood gezogen war brachte eine Menge Vorteile mit sich. Zum ersten hatte er endlich keine langen Fahrtzeiten mehr, die er in Kauf nehmen musste, und zum Zweiten stand er nicht mehr unter der ständigen Beobachtung seines Vaters. Er war nun mehr oder weniger sein eigener Herr, der zwar nicht tun und lassen konnte, was er wollte, aber zumindest seine Ruhe vor dem strengen Vater hatte.

Irgendwie beneidete er Itachi für sein Leben.

Seine Dummheit, alles hinzuschmeißen.

Seinen Mut, alles aufzugeben um ein ganz normales Leben führen zu können ...

Denn selbst, wenn er nicht mehr zu Hause lebte, so wurde er dennoch oft von seinen Eltern besucht. Vor allem sein Vater ließ sich dies nicht nehmen. Noch immer wollte er über Sasuke's Leben bestimmen. Sei es bei der Gestaltung seiner Freizeit, bei seinen Aufgaben in der Firma oder gar bei der Einrichtung seiner Wohnung. Überall wirkte sein Vater mit. Obwohl es weniger ein Mitwirken war als vielmehr ein Beherrschen. Sasuke sollte der Vorzeige Sohn sein, der Itachi nie gewesen war.

Und Sasuke fügte sich ...

"Na dann schieß mal los, was kann ich für dich tun?", erklang plötzlich Itachis Stimme und Sasuke schloss die Augen. Für einen Moment hatte er sich wirklich überwältigen lassen.

"Erst mal brauch ich einen starken Kaffee", antwortete der jüngste Uchiha und ließ sich stöhnend aufs Sofa fallen. "Die Uni schafft mich im Moment. Eine Prüfung jagt die nächste!"

"Ja, ich kann mich dran erinnern, wie es war", Itachi nickte verstehend und ging in die Küche um zwei starke Kaffee zu kochen. "Aber das Arbeitsleben ist nicht besser. Es wird noch viel stressiger, glaub mir. Studium ist dagegen ein Kinderspiel und die Universität eine Puppenstube, in der alles noch heile ist."

"Wie meinst du das denn jetzt wieder?", hakte Sasuke nach und folgte seinem Bruder in die Küche.

"Ach ich mein nur", gab dieser gemächlich zurück. "Ich hab heute jemanden kennengelernt, der im Sao Paulo arbeitet. Stell dir mal vor, du müsstest da kellnern! Was wären wir, wenn wir nicht unser privilegiertes Leben hätten?"

"Tse, als wenn ich weniger hart arbeiten muss als ein Kellner im Sao Paulo!"

"Das wollte ich damit nicht sagen, Sasuke! Ich weiß, was alles auf deinen Schultern lastet, ich selbst habe es erlebt! Aber wenn du hart arbeitest, dann wirst du dafür auch eines Tages belohnt. Ob in Form von Geld, Macht oder Ansehen, Erfolg oder was weiß ich. Aber wenn du im Sao Paulo arbeitest, oder in einer anderen Bar dieser Art, dann kannst du schuften und ackern und tun und machen, aber du wirst weder Erfolgreich, Berühmt oder Reich, noch sonst irgendetwas. Verstehst du was ich meine?"

"Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen!", knurrte Sasuke beleidigt. Manchmal behandelte ihn sein Bruder noch wie ein Kind. Eine sehr lästige Eigenschaft seitens Itachis. Dabei war er gerade mal 2 Jahre älter!

"Wir haben wirklich Glück mit unserem Leben und sollten es schätzen. Man vergisst es zu leicht."

"Itachi, komm wieder runter! Ich will jetzt hier nicht mit dir philosophieren! Mach mir einen Kaffee und gut ist!."

Itachi seufzte lautstark und goss den Kaffee in die Tassen.

"Den du da heute kennengelernt hast, ist es vielleicht eine Sie?", fiel es Sasuke plötzlich ein und ein seltenes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

"Was?", Itachi verschüttete fast den Kaffee, den er gerade ins Wohnzimmer trug. "Wie kommst du darauf?"

"Naja, der Sao Paulo Kellner scheint dich ja richtig mitgenommen zu haben. Ich frage mich nur, warum?"

"Es gibt Dinge, die dich nichts angehen!", konterte Itachi knurrig. "Und selbst wenn es eine Frau wäre, was macht das für einen Unterschied?"

"Du willst doch darauf jetzt keine Antwort, oder? Na erzähl, wie heißt sie?"

"Tse", gab Itachi Uchiha-like von sich. "Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten."

"Wird da etwa jemand rot um die Nase?", spitzelte Sasuke. Es gefiel ihm sichtlich, Itachi ins Schwitzen zu bringen.

"Sasuke, hör auf mich auf den Arm zu nehmen!"

"Dann sag mir doch einfach, wie sie heißt!"

"Temari ..."

"Oho, also hatte ich wirklich recht", Sasuke seufzte. "Ist sie hübsch?"

"Es geht nicht immer nur darum, ob eine Frau hübsch ist oder nicht!", erwiderte Itachi und nippte an seinem Kaffee.

"Sicher, aber da sie ja im Sao Paulo arbeitet liegt ja der Gedanke fern, dass sie wenigstens reich ist."

Itachi lächelte Kopfschüttelnd. "Ach kleiner Bruder, warte ab bist du dich in jemanden wirklich verliebst. Dann wirst du merken wie egal dir ihr sozialer Stand ist, ob sie einen passablen Job hat und täglich zu Maniküre geht. Den Job kann man verlieren, sein Geld und alles was dazu gehört. Wichtig ist in erster Linie der Charakter, den du für kein Geld der Welt kaufen kannst. Und ihr Lächeln ..."

"Lächeln?", Sasuke zog die Braue hoch.

"Ja ihr Lächeln und nichts anderes. Wenn dich ihr Lächeln bezaubert, dann ist dir der Rest egal", Itachi seufzte.

"Weia", Sasuke fasste sich theatralisch an den Kopf. "Man hat es dch erwischt! Ihr Lächeln, meine Güte!"

"Mich hat es nicht erwischt!", verteidigte sich Itachi und zog eine Schnute. "Ich wollte dich nur von meiner Weisheit kosten lassen!"

"Weisheit? Daran verhungert man ja!"

"Eines Tages wirst du es selbst sehen, kleiner Bruder. Und es kommt überraschender als du denkst!"

Sasuke schüttelte genervt den Kopf. Itachi konnte manchmal schon ein ganz schöner Träumer sein ...

"Temari heißt sie also", sagte Sasuke nach ein paar Minuten Schweigen. "Und wie ist ihr 'Lächeln'?"

"Jetzt nimmst du mich auf den Arm, Sasuke!", Itachi stellte seine Kaffeetasse ab. "Ich hab mich nicht verliebt, ich kenne sie ja kaum. Aber sie ist ein sehr nettes Mädchen, und sie ist intelligent und besitzt Charme. Und sie hat ein ehrliches Lächeln!"

"Aha, eine ehrliche Lächlerin. Trägt sie eine Hornbrille und ist mitte 60?"

"Mach dich nur lustig! Und nein, sie ist Anfang Zwanzig und ausgesprochen hübsch!"

Sasuke nickte. "Na dann wünsch ich euch beiden mal alles Gute ..."

"Lass den Quatsch", knurrte Itachi mürrisch. "Jetzt erzähl lieber mal, was dich zu so später Stunde noch zu mir führt! Mein Kaffee kann es wohl kaum sein!"

"Nein", gab Sasuke zu und sein Blick wurde düster. "Es geht um die jährliche Weihnachtsveranstaltung der Firma ..."

"Damit habe ich nichts zu tun, Sasuke, das weißt du."

"Sicher, aber ... nun, dieses Jahr hat Vater mich beauftragt, sie zu organisieren, da er über Weihnachten im Ausland ist."

"Wie bitte? Er lässt Mutter zu Weihnachten alleine?"

Sasuke nickte langsam. "Naja, Heiligabend fliegt sie zu ihm, aber mir passt das alles auch nicht. Doch darum geht es nicht. Er ist über Weihnachten nicht da und das lässt sich nicht ändern. Mutter ist damit einverstanden und wird auch erst Neujahr zurückkommen. Es ist ihre Entscheidung. Mir ist es egal, wo er ist. Aber ...", Sasuke schwieg einen Moment. "Vielleicht würdest du zu der Feier kommen. Mutter würde es sehr freuen. Die Feier ist ein Tag bevor sie fliegt."

"Ich werde drüber nachdenken ...", meinte Itachi nur.

Sasuke nickte. Er wusste, dass er mit dieser Bitte einiges in Itachi auslöste. Seit er von dem Oberhaupt der Uchihas regelrecht verbannt worden war, hatte er keinen Fuß mehr in die Nähe des Uchiha Wesens gesetzt, geschweige den in die Firma. Er hatte nicht einmal mehr darüber geredet.

"Dann gehe ich jetzt", Sasuke erhob sich. "Ich finde alleine hinaus. Bis später."

Damit ließ er Itachi und seine Gedanken alleine.

Preparations

"Oh man, und jetzt weißt du nicht was du tun sollst, ja?", Temari nahm einen ordentlichen Schluck ihres heißen Kakaos. Sie saß mit Itachi in einem kleinem Cafe, wie sie es schon die letzten Tage gemacht hatte. Gerade hatte er ihr überraschenderweise von dem Besuch seines Bruders letzte Woche und seiner Bitte erzählt, bei der firmeninternen Weihnachtsfeier dabei zu sein.

"Naja, an sich hab ich kaum eine Wahl. Meiner Mutter bedeutet es wahrscheinlich viel, aber der Gedanke in die Firma meines Vaters zu gehen ... und ich werde sicherlich auch auf einige Kollegen treffen, die mich erkennen. Dann kommen diese lästigen Fragen, ich weiß nicht ob ich darauf wirklich Lust habe."

"Aber deinem Bruder wäre es egal?"

Itachi seufzte. "Er würde es niemals zugeben, aber ich denke, dass Ganze macht ihn nervös. Auch wenn es nichts mit der Arbeit an sich zu tun hat, so ist es doch eine große Aufgabe. Er weiß, dass ich früher schon mal eine Weihnachtsfeier ausgerichtet habe, und ich denke, er will unbewusst meine Hilfe. Er hat ja auch sonst keine Unterstützung. Der alte Herr wird ihn wahrscheinlich ins kalte Wasser geworfen und vor vollendeten Tatsachen gestellt haben. Und Sasuke konnte dagegen nichts sagen. Es hätte ja auch nichts gebracht. Unser Vater lässt sich nie etwas sagen, ob er im Recht ist oder nicht. Die Meinung anderer interessiert ihn nicht. Das hat ihn schließlich zwar weit gebracht, aber es wird auch sein Untergang werden. Und Sasuke zieht er mit ins Verderben!"

"Das klingt wirklich nicht gut. Und dein Bruder will diese Firma aber unbedingt haben? Kann er sich nicht auch einfach von deinem Vater abwenden?"

Itachi schüttelte den Kopf. "Dafür ist Sasuke nicht der Typ. Auch wenn er Vater insgeheim hasst, er will ihn doch in jeder Hinsicht beeindrucken und nicht der enttäuschende Sohn sein. Damals, als ich noch zu Hause lebte, hat sich Vater hauptsächlich mit mir abgegeben, weil ich der Erbe werden sollte. Sasuke war immer die Nummer 2. Und Vater hat es ihm deutlich gezeigt ... Er ist eben ein Mistkerl durch und durch! Als er mich dann rausgeschmissen hat, wurde Sasuke der Erbe, aber blieb nach wie vor die Nummer 2, eben nicht die erste Wahl. Ich denke, er will dem Alten beweisen, dass er mehr ist. Vielleicht sogar, dass er besser sein kann als es Vater selbst je war."

Temari seufzte. "Ein beachtlicher Ehrgeiz. Und nun muss die Weihnachtsfeier natürlich ein voller Erfolg werden, das kann ich verstehen. Also wenn man mich fragen würde ...", Temari seufzte erneuert. "Ich würde ihm helfen, ohne dass er es merkt."

"Ich glaube, du hast recht. Ich werde die Höhle des Löwen wohl einmal besuchen müssen ..."

"Das ist eine gute Entscheidung. Wann soll die Feier denn stattfinden?"

"Morgen in einer Woche."

"Ach herrje, da ist ja kaum noch Zeit. Und du sitzt hier rum und trinkst Kakao! Mach dich auf die Socken!"

Itachi sah Temari perplex an. "Jetzt?"

"Na sicher jetzt! So eine Feier musst doch gut organisiert und durchdacht sein. Da hat man keine Zeit für Teetrinken mit irgendwelchen Weibern!"

Der junge Uchiha grinste. "Na, du bist ja nicht irgendein Weib. Und wir trinken auch keinen Tee."

"Ach, sei still und zieh los! Meine Schicht fängt eh bald an."

Itachi schüttelte lächelnd den Kopf. "Dann sehen wir uns morgen?"

"Wenn du das möchtest."

"Wenn du es auch möchtest?"

Temari grinste. "Ja, ich denke das möchte ich. Also bis morgen."

"Bis morgen."
 

Tief holte Itachi Luft, dann trat er durch den Eingang des riesigen Gebäudes von UchihaIndustries. Es dauerte keine Minute, da kam auch schon ein junger Mann auf ihn zu. "Bitte der Herr, haben sie eine MemberCard? Oder eine Besuchserlaubnis? Wie ist der Name des werten Herrn?"

Itachi knurrte. Das war vielleicht ein aufdringlicher Kerl! Solche Idioten hatte es zu seiner Zeit noch nicht gegeben, die einem dermaßen auf die Pelle rückten.

"Ich will zu Sasuke Uchiha", meinte er knapp.

"Haben sie eine Besuchserlaubnis oder eine Vorladung, werter Herr?"

"Ich will hier keine Wurzeln schlagen, wo ist sein Büro?"

"Ich darf ihnen keine Auskunft geben, erst wenn sie mir die nötigen Formulare vorgelegt haben."

"Mein Bruder braucht keine Formulare", hörte man plötzlich die kalte Stimme von Sasuke.

Abrupt drehte sich der junge Mann um und begann zu zittern. "Herr Uchiha, es ... ihr Bruder? Ich ... ich bin untröstlich, ich ..."

Sasuke kam näher und sein Blick war herablassend, als er den Mann fixierte. "Wenn dir noch einmal ein solcher Fehler unterläuft, bist du deinen Job los!", knurrte er kaum hörbar, als er sich seinem Bruder zu wandte. "Was machst du hier, Itachi?", es klang geschäftlich, aber Itachi erkannte dennoch die Überraschung in seiner Stimme.

"Nun, ich dachte ich sehe mir mal den Ort des Geschehens an."

Sasuke war nun sichtlich verwirrt. "Ort des Geschehens?"

"Na, wo die große Party stattfinden soll. Ich interessiere mich dafür, was du daraus machen wirst. Wenn ich hier schon auftauchen soll, dann möchte ich wenigstens davon überzeugt sein, dass alles zu meiner Zufriedenheit sein wird."

"Zu deiner Zufriedenheit?", Sasuke sah seinen Bruder schief an. "Das heißt also, du kommst?"

"Wie ich es eben erwähnte, ist dem wohl so. Ich möchte Mutter nicht enttäuschen. Bin ich jetzt umsonst gekommen oder trinken wir hier noch einen Kaffee?"

Sasuke holte kaum merklich erleichtert Luft und nickte gefasst. "Gut, komm mit. Ich zeig dir alles ..."
 

"Ich muss sagen, ich bin beeindruckt", lobte Itachi, als er in dem großen Saal der Firma stand, in dem schon das meiste fertig geschmückt und dekoriert war. "Du hast gute Arbeit geleistet."

"Hast du etwas anderes erwartet?", murrte Sasuke scharf.

Itachi grinste. "Nein, das meinte ich auch nicht. Planst du ein Buffet?"

"Sicher, bei der hohen Anzahl an Personen, die kommen werden, ist dass das Logischste."

Itachi nickte. "Und die Beleuchtung?"

"Wird morgen installiert. Die Leuchter werden den Abend über reguliert und es werden immer wieder rote Einsätze gebracht, damit es weihnachtlich wirkt."

"Klingt gut", Itachi nickte wieder und sah zur Decke. "Welche Musik wird gespielt?"

"Alles mögliche, was es zu Weihnachten gibt. Ich lasse eine Band einfliegen."

"Einfliegen?"

"Ja, aus Tennessee. Sie soll eine der Besten sein."

"Warum so einen Aufwand? Es gibt gute regionale Bands."

"Ich kenne keine."

Itachi seufzte. "Das überrascht mich nicht. Soll ich dir einen Rat geben?"

"Wenn du es nicht lassen kannst", brummte Sasuke.

"Ein Kinderchor aus Watts. Aus dem dortigem Kinderheim. Es sind fabelhafte Stimmen dabei, ich habe ihn erst vor kurzen gehört."

Sasuke glaubte sich verhört zu haben. Die Worte Kinder, Watts und Heim schwirrten ihm im Kopf. "Das ist doch nicht dein Ernst?", wollte er fast schon wütend wissen. "Du machst Scherze!"

"Oh nein, ganz und gar nicht. Es sind sehr nette Kinder, und wenn du schon tausende von Dollar für eine Band ausgeben willst, dann kannst du auch gleichzeitig was Gutes tun. Dem Heim würde das Geld sehr gut bekommen, und zu Weihnachten ist es eine sehr nette Geste. Außerdem klingt der Chor sehr schön und deine Gäste werden entzückt sein. Alle wären zufrieden."

"Vater würde ausrasten, wenn er erfährt, dass ich Kinder eingeladen habe. Aus einem Heim! Und dann auch noch aus Watts!"

"Warst du schon einmal in Watts?"

"Sicher nicht! Es ist das Übelste, was es in Los Angeles gibt! Dort wohnen, oder besser gesagt hausen nur Rumtreiber, Penner und dieses ganze Gesindel! Wenn jemand von meinen Gästen Wind davon bekommt, dass ich jemanden aus Watts hier habe ... oder gar die Presse! Das würde nur dem Ruf der Firma schaden!"

"Wie könnte es dem Ruf der Firma schaden, wenn man einen vortrefflichen Kinderchor einlädt und einem Heim im ärmsten Viertel der Stadt Geld spendet? Ich kann mir das kaum vorstellen! Ist das nicht der Geist der Weihnacht?"

Sasuke stöhnte genervt. "Ich denke darüber nach."

"Ich schlage vor, du überzeugst dich selbst von ihrem Können. Ich werde morgen ein Treffen arrangieren. Passt es dir um drei?"

"Wie? Nein, das passt mir ganz und gar nicht!"

"Dann um Vier, abgemacht?"

"Itachi, wirklich ich möchte nicht ..."

"Sasuke, sieh und hör es dir wenigstens an. Gib dir einen Ruck. Oder hast du Angst, dort hinzugehen?"

"Was?", Sasuke schien perplex. "Warum sollte ich Angst haben?", seine Frage klang gefährlich.

"Nun, Watts ist nicht der sicherste Ort. Vielleicht traust du dich dort nicht hin ..."

"Meinst du, ich Fall darauf jetzt rein? Glaubst du, dass du mich so manipulieren kannst?"

"Das würde mir im Traum nicht einfallen. Aber ich dachte, du möchtest Vater beeindrucken. Was gibt es beeindruckenderes als positive Publicity? UchihaIndustries spendet armen, hilfsbedürftigen Kindern zu Weihnachten Geld und Geschenke, damit auch die weniger gut Lebenden ein frohes Fest erleben dürfen ... eine grandiose Geste ... ein Vorbild für alle ... was ist nun? Um Vier?"

"Pah, meinetwegen. Aber wir bleiben nicht lange!"

"Geht klar. Ich hol dich um halb ab."

Und so hatte Itachi doch gewonnen.
 

Okay, endlich hab ich es geschafft und mal wieder ein Kappi beendet! Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat und nun auch noch so kurz ist! Aber ich saß einige Wochen mit kaputter Tastatur da und hatte noch einigen anderen Stress. Hoffentlich lässt das jetzt nach Weihnachten nach und ich habe wieder öfter Zeit zum Schreiben. Ich werde mich auch noch heute ans nächste Kapitel setzen, dass zwar wieder recht kurz werden wird, dafür aber schneller on kommt! So, dann wünsche ioch euch noch einen schönen letzten Weihnachtstag, eure Cherry

Im Heim

Pünktlich um halb Vier klingelte Itachi an Sasukes Tür, der schon fertig angezogen auf seinen Bruder gewartet hatte. Itachi war legére wie immer gekleidet und auch Sasuke hatte sich alltäglichere Sachen angezogen, was aber noch immer bedeutete, dass sein Hemd alleine um die 200 Dollar Wert war.

"Na, bereit für die kleinen Racker?", grinste Itachi.

Sasuke ließ ein abwertendes Knurren hören und folgte seinem älteren Bruder aus der Wohnung zu dessen Wagen.

"Das du dir mit deiner Arbeit so ein Auto leisten kannst ...", meinte Sasuke kopfschüttelnd und stieg in den Porsche.

"Mit meiner Arbeit verdiene ich sehr gut", gab Itachi murrend als Antwort. "Ohne dass ich meine Seele verkaufen musste!"

"Ich habe meine Seele nicht verkauft!", zischte Sasuke zurück.

"Nein, du hast sie verschenkt ..."

"Red keinen Mist!"

"Lass uns jetzt nicht streiten", seufzte Itachi leidlich. "Wir müssen noch zu Temari."

"Zu wem? Du meinst deine kleine Kellnerin aus dem Sao Paulo oder was?"

Itachi verzog den Mund zu einer Schnute. "Sie ist nicht meine kleine Kellnerin!"

Sasuke grinste in sich hinein. Die schlechte Stimmung von eben war verblasst. "Ach nein? Ihr seid noch nicht zusammen?"

"Natürlich nicht, wir sind Freunde!"

"Freunde? Und das, obwohl ihr euch doch kaum zwei Wochen lang kennt!"

"Na und, wenigstens hab ich Freunde!"

"Was willst du damit schon wieder sagen?", knurrte der jüngere Uchiha.

"Nun, dass du keine Freunde hast!"

"Ich hab auch nicht die Zeit dazu mir irgendwelche Weiber anzulachen!"

"Temari ist nicht irgendein Weib und angelacht hab ich sie mir auch nicht!"

"Naja, ich werde sie vermutlich gleich kennen lernen. Kommt sie denn mit?"

Itachi nickte und fuhr auf die Stadtautobahn. "Wir holen sie von der Arbeit ab und fahren dann direkt weiter. Sie wohnt nicht weit entfernt von dem Heim."

"Sie wohnt in Watts?", entfuhr es Sasuke.

Itachi nickte und konnte sich ein Grinsen aufgrund Sasukes entsetztem Gesicht nicht verkneifen. "Soll ich noch eins draufsetzen?", fragte er glucksend.

"Wie draufsetzen?"

"Temari lebt mit ihrer Familie in einem Trailerpark ..."

Sasuke entglitten die Gesichtszüge. Er hatte nichts gegen Leute aus Watts, solange sie ihm nicht zu nahe kamen. Für ihn waren es alle arme Schlucker, die es zu nichts brachten und nur faul vor sich her vegetierten, weil sie kein Ehrgeiz und keine Disziplin hatten. Das hatte sein Vater immer behauptet und er hatte es geglaubt.

"Und ... und warum ..."

"Warum ich mich mit ihr abgebe?", erriet Itachi seine Frage und wurde plötzlich ernst. "Weil sie eine der nettesten und liebsten Personen ist, die ich je kennengelernt habe, weil sie mich akzeptiert wie ich bin und nicht danach geht wer ich bin, und weil ich mich einen Dreck darum schere, wo jemand herkommt. Ich hasse diese Vorurteile, die vor allem unser Vater in uns geschürt hat!"

Angesichts der Tatsache, dass Itachi gerade eben so etwas wie einen Wutausbruch hatte, schwieg Sasuke für einen Moment und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. "Aber ist nicht jeder Mensch für sein handeln verantwortlich und kann so beeinflussen, was aus ihm wird? Jemand der sich in der Schule nie angestrengt hat, brauch sich doch nicht über seine schlechten Noten wundern. Jemand der nur zur Uni ging, um nicht arbeiten zu müssen, muss sich doch auch nicht wundern wenn er keinen Abschluss bekommt. Ist es nicht so? Wenn du keinen Ehrgeiz und keine Disziplin gehabt hättest, hättest du dann jemals dieses Tonstudio aufmachen können?"

Sasuke sah verwundert, wie Itachi nickte. "Sicher hätte ich es nicht gekonnt", sagte er knapp.

"Wie? Also hab ich doch recht!"

"Nein."

"Was quatscht du da? Ja oder nein?"

"Ja und nein! Das Leben, Sasuke, ist etwas komplizierter als eine mathematische Gleichung. Nimm a und b zusammen und du erhälst c. Klar, dass ist logisch. Aber wenn du Menschlichkeit, Glück, Pech, Freunde, Zufall, Familie und Liebe hinzuaddierst, auf was kommst du dann? Ist die Antwort dann immer noch c?"

Sasuke sah seinen Bruder verwirrt an. "Du redest Unsinn! Was soll bei so einer wahnwizigen Gleichung schon rauskommen?!"

"Das Leben! Keine Regel ohne Ausnahme, stimmts? Behauptung, These, Ausnahme. So ähnlich hat man es gelernt. Du behauptest, nur weil ein Mensch aus Watts kommt, ist er kein ehrlicher, guter Mensch. Deine These ist, jeder Mensch aus Watts oder sonst einem Armenviertel ist undiszipliniert, faul und hat ein schlechtes Leben. Und die Ausnahme? Jeder Mensch, ob aus Watts oder Westwood, dem nie etwas in den Schoss gefallen ist, der immer wieder Schicksalsschläge erleiden musste, der als Kind schon lernen musste was Gewalt heißt, der nie eine Schule besuchen konnte weil das Geld fehlte, der bildet die Ausnahme! Im Leben ist nichts sicher Sasuke, denn jede Regel die du im Leben aufstellst, kann schneller gebrochen werden als dein kleiner Finger."

"Mein kleiner Finger?", Sasuke musste über diese symbolische Aussage schmunzeln, doch er setzte schnell wieder die Maske auf, als Itachi vor dem Sao Paulo hielt. "Ich werde bei Gelegenheit mal über deine Worte nachdenken", sagte er lediglich und beobachtete die Menschen, die aus der Kneipe kamen. Alle waren sie dunkel gekleidet, mit finsteren Gesichtern.

"Sie scheint nicht pünktlich zu sein", stellte Sasuke fest und sah weiterhin zu den finsteren Gestalten, die sich in der nahenden Dunkelheit aufhielten und ein interessiertes Auge auf den Wagen warfen. "Vermutlich werden deine Ausnahmemenschen uns noch das Auto klauen."

"Ach was, die meisten sehen nur so mürrisch aus. Und außerdem blickt du auch nie anders!"

"Tze!", gab Sasuke nur von sich, als er plötzlich eine weibliche Stimme hörte, die immer näher kam und sich offensichtlich den Weg durch die Meute, die sich mittlerweile um den Porsche gebildet hatte, erkämpfen musste.

"Verdammt, macht das ihr Trunkenbolde hier wegkommt, habt ihr noch nie ein Auto gesehen oder was?", fauchte plötzlich Temari, als sie neben Itachis Tür auftauchte. Grinsend warf sie ihm einen freundlichen Blick zu, ehe sie hinten einstieg, aber nicht ohne die angesammelte Männermasse noch einmal anzuschnauzen, etwas von Verbot im Sao Paulo sagte, sodass sich die düsteren Gestalten verzogen.

"Tada, der Weg ist frei für die Herrschaften", lachte sie vergnügt, als Itachi losfuhr, während Sasuke jegliches Kommentar einfach nur hinunter schluckte. Als er sie eben das erste mal gesehen hatte, mit ihrer hellen Kleidung und den blonden Haaren, da hatte sie dermaßen von der Masse abgegrenzt gewirkt, dass er Itachi fast verstehen konnte. Temari war ohne Frage anders, als er sich jemanden aus Watts vorgestellt hatte. Und sie war furchtlos und mutig, was sie eben bewiesen hatte.

"Hey, du bist also Sasuke, freut mich dich kennenzulernen!", rief sie nun von hinten und reichte Sasuke freundlich die Hand. "Ich heiße Temari. Entschuldige Itachi, dass ihr warten musstet, aber dieses Getier von Chef wollte mir kein Weihnachtsgeld geben, obwohl er das damals steif und fest behauptet hat! Jetzt durfte ich mit dem eine viertel Stunde diskutieren, und dabei spuckt der immer so fürchterlich, ich bin noch ganz nass."

Itachi lachte glucksend, und auch Sasuke schmunzelte leicht. "Haste es denn jetzt wenigstens bekommen?", fragte der ältere Uchiha.

Temari, die hinter Itachi saß, grinste. "Sicher doch. Mit mir legt sich keiner an!", dann blickte sie aus dem Fenster, und Sasuke, der die junge Frau aus den Augenwinkeln sehen konnte, wusste dass es keinen Cent gegeben hatte.

Doch warum hatte sie gelogen?
 

Zehn Minuten später hielt der Porsche an einem recht großen Gebäude, welches Sasuke fast an seine Grundschule erinnerte. Allerdings wirkte der Ort so trostlos und verlassen, wie man es sich kaum vorstellen konnte. Die drei stiegen aus, und Itachi schloss seinen Wagen ab, ehe sie die Stufen zum Eingang hinauf gingen.

"Hier sollen Kinder leben?", fragte Sasuke abschätzend.

Itachi nickte. "Drinnen sieht es etwas fröhlicher aus."

"Kommst du oft hierher?", wollte sein Bruder wissen und versuchte, so desinteressiert wie möglich zu klingen.

"Ich leite hier den Chor", grinste Itachi. "Seit einem Jahr."

"Ich verstehe", meinte Sasuke knapp. Das es ihn vollkommen überraschte, würde er nicht zugeben. Und dennoch ... diese Arrangement für andere hatte er von Itachi fast erwartet. Er war ein guter Mensch, dem das Wohl anderer am Herzen lag. Er war soviel anders als ihr Vater. Sasuke hingegen war genau wie Fugaku Uchiha. Kalt und hart.

Und Itachi war der weit bessere Mensch.

Die drei gingen einen langen Flur entlang, in dem keine Menschenseele zu sehen oder hören war. "Sie haben noch unterricht. Wir warten in der Aula", erklärte Itachi und ging weiter.

Sasuke nickte nur und sah sich weiterhin um. Alles war karg und nur notdürftig eingerichtet, die Möbel waren alt und zerschlissen. Nur die Bilder an den Wänden, die von den Kindern stammten, strahlten etwas Wärme aus. Es herrschte dennoch eine traurige, melancholische Stimmung, die Sasuke kalt den Rücken runterlief.

"Noch Fünf Minuten, dann klingelt es", meinte Temari mit dem Blick zur Uhr, als sie in der Aula an einem Tisch saßen.

Sasuke, dem das ganze Gewarte langweilig wurde, stand auf.

"Wo willst du hin?"

"Mich umsehen", war die knappe Antwort.

Itachi nickte nur und Sasuke verließ die Aula. Seine Beine trugen ihn durch die verwirrenden Gänge des doch recht großen Heimes. Hauptsächlich sah er sich die Bilder an den Wänden an, die ihn irgendwie mitnahmen. Sie drückten soviel aus, obwohl kleine Kinder die Maler waren. Und es waren Dinge, die er selbst kannte. Einsamkeit, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Kälte, Hoffnung ...

Jetzt verstand er, dass er nicht anders war, nur weil er aus einer anderen sozialen Schicht kam. Und er verstand auch langsam, was Itachi mit seinen Worten gemeint hatte.

Das Klingeln der Schulglocke riss ihn aus seinen Gedanken und er musste fast an die Wand springen, als plötzlich etliche Türen aufgerissen wurden und das laute Geschrei der Kinder erklang, die endlich Frei hatten. Nur mit Mühe konnte er sich durch die Scharen einen Weg zur Aula bahnen, die schon überfüllt war mit kleinen und größeren Mädchen und Jungen, die sich hauptsächlich um Itachi und Temari scharten. Ein freudiges Lächeln war allgegenwärtig und Sasuke musste beinahe grinsen.

Als Itachi seinen Bruder entdecke, sagte dieser etwas zu den Kindern, woraufhin diese kreischend auf Sasuke zu rannten. Mit entsetzten Gesicht machte dieser einen Satz nach hinten, als eine scharfe Stimme erklang, woraufhin alle sofort verstummten. Sogar Sasuke hatte diese bissige strenge Stimme in eine Starre versetzt.

"Jeder geht jetzt auf sein Zimmer, ausser die Kinder, die im Chor von Herrn Itachi sind. Zack!", polterte ein älterer Mann, der mit seiner Erscheinung jedes Kind in Angst und Schrecken versetzen konnte. Sasuke mochte ihn auf Anhieb nicht und als er zu seinem Bruder sah, wusste er, dass Itachi ihn verachtete. Mit leisen Schritten ging er durch die Sitzreihen und stellte sich neben Temari, die offenbar leicht geschockt wirkte von dem Verhalten des Mannes den Kindern gegenüber.

"Herr Uchiha", der älterer Mann nickte leicht und kam nun auf die Drei zu. "Es freut mich, dass sie uns heute beehren."

Das dem absolut nicht der Fall war, konnte jedoch jeder hören. Der Mann schien Itachi auch nicht zu mögen. Während er Temari absichtlich übersah funkelten seine Augen nun zu Sasuke, der dem Blick allerdings mit Leichtigkeit standhielt. Im Gegenteil, es wirkte fast so, als würde der Ältere durch Sasukes Blick eingeschüchtert.

"Herr Sanday, ich möchte ihnen gerne meinen Bruder vorstellen, Sasuke Uchiha. Wie ich ihnen gestern schon telefonisch mitteilte, würde er gerne einmal den Chor hören, den er eventuell gerne bei seiner Weihnachtsfeier hätte, die er nächste Woche plant."

"Ja ja, das sagten sie ja schon. Dann machen sie das mal, und danach kommen sie zu mir ins Büro. Ich habe für dieses Geplänkel der Gören nicht viel übrig."

Sasuke zog nur die Braue nach oben, während Temari geräuschvoll schnaubte. Nur Itachi lächelte unvermindert und nickte.

Herr Sanday schüttelte abwertend den Kopf und zog von dannen.

"Diese Ausgeburt der Hölle!", fluchte Temari gleich im gemäßigten Ton, damit die Kinder es nicht hörten, und sogar Sasuke ließ sich zu einem Nicken herab.

"Was ist das für ein übergeschnappter Vogel?", wollte er von Itachi wissen, der nur traurig lächelte.

"Ihm gehört das Heim hier. Durch den größten Teil der Spenden bereichert er sich und den Kindern geht es immer dreckiger. Aber niemand kann etwas dagegen tun, denn angeblich ist er sauber. Er kommt aus New York, dort hat er wohl auch schon in einigen Heimen gearbeitet, aber irgendwas muss da gelaufen sein, denn dort darf er nicht mehr arbeiten. Hier", Itachi seufzte verdrießlich. "Hier interessiert das aber keinen und niemand weiß, was in New York gelaufen ist. Es ist wohl schon lange her."

"Tse", kam es nur von Sasuke, doch dann setzte er sich auf einen der Stühle. "Und dann soll ich den auch noch bezahlen?"

Jetzt grinste Itachi. "Ja, und zwar in Form von Kuscheltieren und Geschenken für die Kinder. Damit kann er kaum was anfangen, die Kinder aber schon. Wir müssen ihm nur klar machen, dass das unsere Bezahlung sein wird und das es vermutlich in der Presse stehen wird. Dann kann er kaum noch etwa dagegen unternehmen."

Sasuke seufzte. "Dann lass deinen Chor mal singen."
 

"Dann bis morgen", sagte Temari, als sie ausstieg zu Itachi. "Hat mich sehr gefreut dich kennenzulernen, Sasuke! Vielleicht sehen wir uns mal wieder", wandte sie sich noch an den jüngeren Uchiha, der knapp nickte.

"Bis dann, gute Nacht", sagt Itachi und fuhr los.

Als die beiden Uchihas auf die Stadtautobahn fuhren und Watts verließen, herrschte ein angenehmes Schweigen.

Erst, als Itachi bei Sasukes Apartment hielt, blieb dieser noch kurz sitzen.

"Sie singen nicht schlecht. Es gibt schlimmeres", gab Sasuke zu, während er die Tür öffnete. "Es ist vielleicht gar nicht eine so schlechte Idee, sie zur Weihnachtsfeier auftreten zu lassen."

Itachi lächelte kopfschüttelnd. "Irgendwann wirst du es auch noch lernen."

"Was soll ich lernen?"

"Alles so negativ zu betrachten und auszudrücken. Aber das wird schon noch."

"Pah", knurrte Sasuke daraufhin nur und ging um das Auto herum, wo ihm schon der Portier die Tür aufmachte.

"Ich denke, unser Vater wird es dennoch nicht gut heißen, dass du sie auftreten lässt."

"Lass das meine Sorge sein. Nacht", verabschiedete sich Sasuke kurz.

"Sasuke", hielt ihn Itachi noch einmal auf.

"Was nun noch?"

"Du bist ein besserer Mensch als du glaubst."

Dann trat der ältere Uchiha aufs Pedal und fuhr davon.

Und ließ einen irritierten Sasuke zurück.

Die Fremde in der Bar

Es war der 19. Dezember, und für Temari ein Tag wie jeder andere. Obwohl sogar ihre Mutter versuchte, etwas Weihnachtsstimmung zu verbreiten, war sie davon noch nicht eingenommen. Die Weihnachtstage waren immer etwas emotionales gewesen, und normalerweise hatte sie meistens mit Sakura in ihrem Unterschlupf gesessen und an ihre Familie in L.A. gedacht. Nun war sie bei ihrer Mutter und ihrem Bruder, und dachte, wie schon sooft in letzter Zeit an Sakura, wo sie wohl war, was sie machte und ob es ihr gut ging.

"Ich muss dann los", sagte Temari und schnappte sich ihre Tasche. Sie gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn und ging zur Tür des kleinen Trailers. "Wartet nicht auf mich, es kann heute spät werden."

"Lass dir von dem Vogel nicht auf der Nase rumtanzen!", meinte Gaara, ihr Bruder und meinte mit Vogel wie immer ihren Chef.

"Werd ich nicht. Und du treib dich bitte nicht wieder die ganze Nacht rum, wenn ich nicht da bin. Mutter muss nicht alleine bleiben, solange es ihr noch schlecht geht."

"Als wenn es mir besser gehen könnte", hustete diese. "Ich habe euch, und das reicht völlig. Wir verbringen Weihnachten zusammen, was könnte ich mir schöneres wünschen?"

Temari seufzte, winkte zum Abschied und ging hinaus in die Kälte. Der Frost war fast unerträglich, und da es längst dunkel war, fühlte es sich noch kälter an. Wenigstens hatte es Temari nicht weit bis zum Sao Paulo.
 

Eine halbe Stunde später stand die Blonde wie gewohnt hinterm Tresen und zapfte Bier oder schenkte andere Getränke aus. Die erste Stunde ihrer Schicht verbrachte sie meistens mit nichts anderes, erst danach lief sie von Tisch zu Tisch und bediente die besoffenen Kerle, die ihr des öfteren einfach an den Hintern grapschten oder dumme Kommentare fallen ließen. Auch diesen Abend wurde sie davon nicht verschont.

Generell hasste sie diese Spätschichten, die mehr Regel als Ausnahme waren. Tagsüber bestand die Kundschaft eher aus nüchternden Frauen wie Männern, abends hingegen wäre das schon fast unmöglich gewesen. Wer nicht betrunken war, hatte sich voll gedröhnt. Nüchtern ging nicht. Nüchtern war unmöglich.

"Hey, Temari hör auf zu Träumen! Bring den Schnaps und das Bier zu Tisch drei!", die blonde Frau schreckte aus ihren Gedanken hoch und rannte mit dem Tablett zu den Gästen. Für das Bringen der Getränke verdiente sie sich wie so häufig einen Klaps auf den Hintern.

"Widerliche Penner!", knurrte Temari, leise genug um nicht gehört zu werden. Ihre Arbeit durfte sie um Gotteswillen nicht aufs Spiel setzen. So konnte sie ihrer Mutter wenigstens einige der teuren Medikamente ermöglichen.

Eine Stunde später machte Temari ihre erste Pause und sie gönnte sich eine kalte Cola. Das waren die einzigen Momente, die ihr bei ihrer Arbeit gefielen. Sie konnte etwas abschalten und Kraft tanken, wenn auch nur für zehn Minuten.

Temari unterhielt sich gerade mit einer andere Kellnerin, die Pause machte, als sie vor der Tür Gerammel hörte. Keine Minute später wurde diese aufgestoßen und eine vermummte Gestalt betrat den Raum, schwankte deutlich und ging an einen der hinteren Tische, die im dunkeln lagen. Temari erkannte, dass der Neuankömmling offenbar eine Frau war, denn die Fremde trug einen recht kurzen Rock und über die Knie reichende Strümpfe. Das einzig Warme, dass sie trug war der dicke Schal um ihren Hals, der auch ihren Kopf bedeckte. Plötzlich jedoch wurde die Fremde von einem alten Mann aufgehalten, der ihr lüstern an de Hintern tatschte. Das Lachen erstarb aber augenblicklich, als die Frau ein Messer zog und es an die Kehle des Mannes legte. Das Einzige, was Temari sehen konnte, was das warnende Lächeln der Fremden, was dem Alten offenbar reichte. Er ließ abrupt von ihr ab und die junge Frau konnte ungehindert zu ihrem Platz gelangen. Sie schien allerdings auch einige Leute in der Kneipe zu kennen, da ihr manche zu nickten. Keine Minute später hatte sich die Spannung gelegt und jeder hing wieder an seinem Glas.

Temari musste sich sichtlich zwingen, den Blick von der Fremden abzuwenden. Irgendwas faszinierte sie an ihr ...

"Kommt die öfter? Ich hab sie noch nie gesehen", meinte sie zu ihrer Kollegin feststellend.

"Sie war auch schon ewig nicht mehr hier. Das letzte mal ungefähr eine Woche, bevor du hier angefangen hast. Damals aber noch regelmäßig."

"Regelmäßig?"

"Ja, eigentlich jeden Tag. Wenn sie ging war sie fast immer sturzbetrunken. Ihren Namen kenne ich nicht, den kennen auch irgendwie die wenigstens, und wer ihn kennt verrät ihn nicht. Es ist unheimlich mit ihr. Und sie ist gefährlich."

Temari hörte aufmerksam zu. "Hast du schon einmal mit ihr geredet?", wollte sie wissen.

Die andere nickte. "Ja, und es war ganz anders, als ich es erwartet hatte. Man sagt, sie würde ohne mit der Wimper zu zucken töten. Angeblich vertickt sie hier irgendwo Drogen und ist selbst ständig high. Aber als ich ihr ihren Schnaps brachte hat sie mich nur freundlich angelächelt und sich bedankt. Und wer tut das hier schon? Aber danach habe ich gesehen, wie sie einem Kerl fast die Eier abgeschnitten hat, oder wollte. Da bin ich lieber nicht mehr hin. Sie macht mir Angst, dabei ist sie nicht älter wie wir. Und sie soll nicht von hier sein."

"Nicht von hier?"

"Nein, ich glaube sie soll aus Maryland kommen, oder irgendwo dort in der Gegend. Vor einem Jahr ist sie hier plötzlich aufgetaucht. Sie zieht immer ganz alleine herum. Man sagt, dass sie Menschen hasst!"

Temari musste fast Grinsen. Da hatte sich ja eine wahre Gerüchteküche um die Fremde gebildet. Wahrscheinlich stimmte nicht einmal die Hälfte. Aber ihr Ruf schien ihr Sicherheit zu geben. Sie war nicht dumm.

"Du musst zu ihr!", sagte Temaris Kollegin plötzlich und erschrocken sah Temari die Frau an.

"Was? Warum ich denn jetzt?"

"Weil deine Pause vorbei ist und ich noch fünf Minuten habe!"

"Klasse ...", Temari stand genervt auf und richtete ihre Schürze. Etwas mulmig wurde ihr jedoch, als sie sich dem Tisch der Fremden näherte.

"Was darf ich ihnen bringen, Miss?", fragte sie höflich.

"Irgendeinen Schnaps, Hauptsache stark ...", kam es nuschelnd zurück. "Und wenn es geht noch heute, ich musste schon lange genug warten. Ich hab keine Zeit."

"Natürlich", gab Temari zurück und beeilte sich den Schnaps zu bringen.

"Nimm gleich das Bier für Tisch sieben mit", sagte man ihr an der Bar.

Temari nickte nur und lud sich noch zwei Krüge Bier aufs Tablett.

Eilig kehrte sie zu der jungen Frau zurück und stellte ihr den Schnaps hin. "Entschuldigen sie fürs Warten."

"Habs ja überlebt", kam die gedrückte Antwort.

Temari danke lächelnd und drehte sich, um Tisch sieben das Bier zu reichen, knickte aber mit ihren Arbeitsschuhen um und beide Krüge landeten krachend auf dem Boden, aber nicht ohne vorher einigen kahlgeschorenen Männern das Shirt zu durchnässen.

Sofort schlug die erheiterte Stimmung um und es wurde mucksmäuschenstill. Temari traute sich kaum zu atmen, als sie sich wieder fand und auf die Knie ging um die Scherben einzusammeln.

"Entschuldigt, es tut mir furchtbar leid, ich hab ... es tut mir leid, ich ...", Temari hielt inne, als sie plötzlich jemand am Kinn griff und sie auf Augenhöhe zog.

"Kleine Mistkröte, sieh dir an was du getan hast!", sagte ein bulliger Mann Mitte dreißig. "Wie gedenkst du, dass wieder gut machen zu können?", er bleckte seine gelben Zähne und fuhr mit seiner Zunge dreckig über seine Lippen.

"Ich ... ich könnte ihnen das Shirt waschen oder ersetzen und ich bringe ihnen selbstverständlich sofort ein neues Bier und ..."

Klatsch!

Eine schallende Ohrfeige brachte Temari zum Schweigen. Es schmerzte so sehr, dass ihr Tränen in die Augen traten.

"Halts Maul, so einfach kommst du mir bestimmt nicht davon."

"Lass sie zufrieden, Frank. Als wenn dir das Bier auf deinem fetten Bauch schaden würde. Man sieht kaum einen Unterschied", hörte man plötzlich die Stimme der Fremden, diesmal aber klar und deutlich, nicht nuschelnd oder betrunken.

Und Temari blieb fast das Herz stehen. Diese Stimme, dieser drohende Unterton ... sie hörte sich fast genauso an wie Sakura!

Unmöglich ...

"Hat dich jemand um ein Kommentar gebeten?", zischte Frank eisig, was die Fremde aber nicht beeindruckte. Im Gegenteil, sie stand auf und kam langsam aus der dunklen Ecke heraus. Von Temari sah sie nur den Hinterkopf, aber Frank blickte sie unvermittelt in die Augen. Als sie ihren Schal von ihren Haaren löste, konnte man das böse Blitzen in ihren Augen sehen, die Drohung darin. Ein Lächeln aber zierte noch immer ihr Gesicht. Es wirkte auf eine Art grausam, auch wenn sie dadurch noch anziehender aussah.

"Lass das Mädchen los, es war ein Versehen und sie hat sich entschuldigt."

"Halts Maul, von einer Hure wie dir lass ich mir nichts sagen! Du hast mich lang genug manipulieren können!", und zum wiederholten Mal holte der Glatzkopf zur Ohrfeige aus, doch war die Fremde diesmal schneller und sprang galant hinter ihn, um ihm ihr Messer an die Kehle zu legen. Nun sah sie unverwandt in Temaris Augen ...

"Oh Gott", entfuhr es der Fremden augenblicklich und sie schwankte zurück. Das Messer ließ sie fallen.

Temari schaffte sich als erste aus der Starre zu lösen. Sie hatte nur einen Gedanken, und zwar, dass sie sofort hier raus mussten.

Hastig schnappte sie sich den Arm der Frau und rannte so schnell sie ihre Beine trugen aus der Bar, noch ehe jemand auf die Idee kam ihnen zu folgen.

Sie rannte etliche Gassen entlang, die Frau noch immer am Handgelenk hinter sich her schleifend. Erst nach Zehn Minuten hielten sie an. Temari schnaufte unentwegt und bekam kaum Luft, zudem traute sie sich nicht aufzuschauen, doch die ihr so bekannte Stimme schreckte sie aus ihren Gedanken.

"Du bist ein Geist ...", wisperte die Frau, die neben ihr im Schnee hockte und sie unverwandt ansah. "Du bist doch tot. Du musst tot sein. Du ... du bist ein ... ein Geist!"

Temari ließ sich zu ihrer Retterin hinunter und sah sie mit Tränen in den Augen an. "Nein, ich lebe! Ich lebe und ich habe dich endlich gefunden. Ich ... ich habe gedacht, ich finde dich nie wieder, Sakura!"

Doch Sakura brach in diesem Moment zusammen.

Pluck up courage!

Es dauerte einige Sekunden, bis Temari wieder zu sich fand.

"Sakura?", flüsterte sie und packte ihre alte Freundin an den Schultern. "Wach auf, bitte! Wir müssen hier weg!"

Doch Sakura rührte sich nicht.

Temari begann zu schluchzen und schüttelte immer wieder an dem leblosen Körper der jungen Frau, als sie plötzlich Stimmen in der Nähe hörte und sich ihrer Situation voll bewusst wurde. Sie mussten hier schleunigst weg! Einen galanten Abtritt hatten sie in der Bar nicht geliefert und sicher würden einige Kerle nach ihnen suchen, so erhitzt wie die Gemüter waren.

Temari wischte sich die Tränen weg und stand auf. Mit aller Kraft hievte sie Sakura soweit hoch, um sich mit ihr in einer dunklen Gasse zu verstecken. Was dann kommen würde wusste sie noch nicht.

Es ging schneller voran, als Temari dachte und traurig stellte sie fest, dass Sakura noch weniger wiegen musste, als es damals schon der Fall gewesen war.

Verdammte Armut ...

Sie legte ihre Freundin hinter einer nicht all zusehr einladenden Mülltonne ab und sah sich etwas um. Niemand schien sich in der Nähe zu befinden. Jetzt musste sie sich nur noch überlegen, was zu tun war. Sie kehrte zu Sakura zurück und versuchte sie abermals zu wecken, doch die Rosahaarige blieb stur.

Temari spürte, wie sich wieder die heißen Tränen ihren Weg bahnten, und langsam gesellte sich Verzweiflung dazu. Was sollte sie jetzt tun?

Sie kramte in ihrer Tasche und holte ihr Handy heraus. Da ihr Guthaben fast aufgebraucht war, hatte sie höchstens einen Anruf. Sollte sie ein Taxi rufen? Aber wohin dann? Zu sich? Nein, das ging nicht. Doch wohin dann? Sie hatte hier doch keine Freunde ...

Oder doch?

Temari kramte in ihrem Portmonnaie nach Itachis Visitenkarte, die er ihr vor kurzen gegeben hatte. Sollte sie?

Nein! Sie konnte ihn nicht um Hilfe bitten! Das ganze ging ihn nichts an und sie wollte ihn nicht mit hinein ziehen ...

Stimmen ließen Temari aufschrecken und eine panische Angst überkam sie. Gegen diese bulligen Kerle hatte sie ohne Sakura keine Chance, und sie konnte ihre ohnmächtige Freundin nicht beschützen. Sie war immer schwach gewesen. Sakura war immer diejenige gewesen, die stark war. Egal was passierte, sie verlor nie den Verstand. Egal wie schlimm die Situation war, wie aussichtslos, oder wie betrunken sie war. Im entscheidenden Moment war sie immer im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte. So wie vorhin, als sie Temari beschützen wollte.

Aber was konnte sie? Was konnte sie tun, um sich nun zu revanchieren? Sie konnte nicht mit einem Messer umgehen, oder böse mit den Augen funkeln, oder jemanden nach belieben Manipulieren. Sie konnte nichts ...

Temari lehnte sich schluchzend an die Wand und sah auf das blasse Gesicht ihrer bewusstlosen Freundin. Es gab nicht viel was Sakura umhauen konnte, aber sie hatte es offenbar geschafft.

Wirklich grandios ...

Temari schloss die Augen, aus denen nun unentwegt die Tränen flossen. Es war lange her, dass sie das letzte mal geweint hatte. Sie erinnerte sich an eine Situation, die mittlerweile einige Jahre zurücklag.

Sie war noch recht neu in der Gang gewesen, in die sie nur wegen David geraten war. Wegen ihm hatte sie ihre Familie und ihre Heimat verlassen, wegen ihm war sie nach New York gegangen. David hatte sie bekannt gemacht, hatte sie eingeführt. Und dann hatte er sie betrogen ...

Damals war sie am Boden zerstört gewesen. Für ihn hatte sie alles hin geschmissen. Für ihn hatte sie alles gegeben. Und er verließ sie wegen einer anderen.

Trotzdem war sie in der Gang geblieben. Was hätte sie auch tun sollen? Zurückkehren? Nach Hause? Hätte sie das überhaupt gekonnt?

Aber in der Gang hatte sie es nicht leicht. Keiner mochte die Blonde, man redete hinter ihrem Rücken über sie. Immer schon. Aber als sich David noch von ihr abwandte, da war sie das Letzte. Keiner redete ein Wort mit ihr, sie lag immer allein und aß allein. Sie bekam nur die Reste vom Rest.

Sie war die Unterste in der Rangfolge.

Und Sakura stand ganz oben. Jeder hörte auf sie, tat was sie sagte. Sie sorgte für Essen, für warme Plätze. Sie schlichtete Streit mit anderen Banden und sorgte dafür, dass ihnen keiner in die Quere kam.

Aber sie interessierte sich nicht für Temari. Die ersten Wochen, als Temari dort aufgetaucht war, schien sie die Blonde nicht einmal bemerkt zu haben.

Sie stand ganz alleine da, als David sie verließ. Sie war den anderen ausgeliefert.

Und Temari fand sich damit ab.

Eines Abends war es besonders schlimm. Die Straßengang bestand aus knapp 15 Jugendlichen, mal waren es mehr und mal weniger. Temari hatte als letzte etwas von dem kargen Essen erhalten und saß auf dem Boden, weit entfernt von den Anderen.

Plötzlich rempelte sie jemand an und als ihr der Teller zu Boden fiel, stieß die Person ihn mit dem Fuß weg. Es war das Einzige, was sie an diesem Tag zu essen gehabt hatte.

Temari sah verschreckt in die Augen ihrer Angreiferin, die nur belustigt grinste. "Was ist? Ist dir etwa dein Essen runtergefallen? Es liegt doch noch da, leck es doch vom Boden auf!"

"Ich ...", Temari begann zu zittern.

"Hast du mich nicht gehört?", fragte die Brünette. "Du sollst auf den Boden kriechen und das Essen auflecken! Hier wird nichts verschwendet."

"Aber ..."

"Verdammt, leck das Essen auf!", die Brünette trat Temari heftig in die Seite, so dass das Mädchen unter Schmerzen nur keuchen konnte. Ein zweiter Tritt schubste sie zu der Stelle, wo das gesamte Essen im Dreck lag. Und unter Schmerzen hörte sie nur das Lachen der anderen.

Keiner würde ihr beistehen. Niemand würde zu ihr halten. Sie war allein.

Temari begann zu weinen, doch die anderen reizte das immer mehr zum Lachen. Plötzlich verstummte aber die Masse, und Temari konnte durch ihren verschleierten Blick erkennen, dass Sakura gerade zurückgekehrt war. Würde sie sich für sie einsetzen? Dem Ganzen Einhalt gebieten?

Bestimmt nicht! Sie würde Lachen, wie die anderen.

"Oh, wie ich sehe habt ihr heute Abend was zum Spaßen", hörte Temari die Stimme der Rosahaarigen näher kommen.

Die Brünette grinste böse. "Sie musste mal eine Lektion erhalten! Ihre Visage geht mir auf den Geist!"

Temari hörte Sakuras leises Lachen. Es war sogleich Anmutig wie gefährlich.

"Und warum kriecht sie da unten im Essen rum?", wollte Sakura grinsend wissen.

"Weil sie ein dreckiger Köter ist, und Köter haben vom Boden zu essen."

Jeder im Raum lachte. Temari presste die Augen zusammen. Sie wollte, dass das Weinen aufhört. Sie wollte sich nicht die Blöße vor Sakura geben. Die anderen waren egal. Aber Sakura sollte sie nicht für schwach halten ...

"Du bist ein Schwächling", hörte sie plötzlich Sakuras scharfe Stimme und das Lachen wurde immer lauter.

"Aber ich hab nichts gegen Köter. Sie sind einem treuer als jeder verdammte Mensch!"

WAS?

Temari riss abrupt die Augen auf. Hatte sie sich diese Worte von Sakura nur eingebildet?

Doch die Stille im Raum ließ sie erahnen, dass Sakura das wirklich gesagt hatte.

"Beweg deinen Hintern nach oben, oder haste wirklich vor den Dreck da aufzulecken?"

Temari traute sich kaum zu Bewegen, aber Sakura zog sie nach oben. "Kriechst hier rum und lässt dir auf der Nase rum tanzen! Warum hast du ihr nicht einfach eine rein gehauen?", wollte sie direkt von der Blonden hören.

Temari wagte kaum den Mund auf zu machen. Das Ganze hier war doch nur eine Verarsche, oder? Warum sollte gerade Sakura einer wie ihr helfen?

"Ich ... ich hatte ... angst ...", presste sie gerade so aus ihren Lippen.

"Angst?", höhnte Sakura und sah zu der Brünetten, die noch immer nicht realisierte, was hier abging.

"Und, was ist mit dir? Hast du auch Angst?"

"Ich? nee, wieso?", fragte die Braunhaarige zurück, als sie plötzlich von Sakura gepackt und zu Boden gestoßen wurde. Direkt in das wässrige Essen.

"Du bist die jenige, die sich vor Angst in die Hosen scheißen sollte! Machst hier einen auf dicken Macker, wenn ich weg bin oder was? Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist an Essen zu kommen?", Sakura war so wütend, dass Temari einige Schritte nach hinten machte. Jetzt verstand sie auch, woher der Respekt kam, den ihr die anderen entgegenbrachten ... "Denkst du mit deinem mickrigen Hirn eigentlich nach?", polterte sie. "Und ihr ..." sie drehte sich zu den restlichen, den der Schrecken noch in den Augen stand. "Lacht dumm rum, anstatt mal eure Hintern in Gang zu setzen. Findet ihr das komisch? Was wäre, wenn ich einen von euch das Essen vom Boden lecken lasse? Sind wir nicht schon die Untersten der Untersten? Halten uns diese frisierten Lackaffen nicht schon für räudige Köter? Habt ihr das noch nie gehört? Ich schon! Oft genug, und dann muss ich sehen, wie sich meine Leute auch noch so benehmen! Ihr macht uns wirklich alle Ehre! Wir sitzen hier alle, verdammt noch mal im selben Boot! Wer den Schwächling hier nicht leiden kann, okay! Das interessiert mich nicht! Aber das dabei so etwas rauskommt, das ist ja ...", Sakura holte tief Luft, doch wie es schien war sie die Einzige, die sich traute zu Atmen. "Und dann das Essen!", Temari stockte fast das Herz, als Sakura plötzlich einen eher quengligen Ton anschlug. "Leute, ich renn mir doch nicht die Hacken ab und ihr werft es zu Boden, um euren Spaß zu haben!"

"Sorry, Sakura ...", sagte plötzlich einer aus der Gang und noch viele andere nuschelten betrübt ein Sorry hinterher.

"Sorry ... Einsicht mag ja hübsch wirken, aber sie wird uns nicht ernähren. Was soll Temari denn jetzt essen? Ich meine", Sakura sah grinsend zu der Brünetten. "Jennifer hat ihre Ration ja nun, nicht?"

"Aber ..."

"Kein aber. Ich will hier nachher nichts mehr liegen sehen. Leck den Dreck auf oder sieh zu dass du dich hier nie wieder blicken lässt!"

Das waren harte Worte ...

"So, wo ist mein Essen?", fragte Sakura und wirkte leicht müde. Sofort sprang jemand auf und brachte ihr eine gefüllte Schüssel, doch Sakura ging an dem jungen Mann vorbei. "Gebt es Temari. Und überlegt euch, wie ihr eurer beschissenes Verhalten wieder gut machen könnt! Wenn wir uns nicht mehr aufeinander verlassen können, dann werden wir nicht lange überleben."

Dann verschwand sie aus dem Raum und ließ bedrückte Gesichter zurück.

"Hier", sagte der junge Mann und reichte die Schüssel Temari, die kaum ein Wort raus brachte, sondern nur den Kopf schüttelte. "Das ... kann ich nicht annehmen ...", wisperte sie.

"Keine Sorge, wir tun unsere Essen zusammen und bringen Sakura auch eine Schüssel. Sie soll nicht für uns grade stehen müssen. Das tut sie oft genug. Und entschuldige ... wir haben uns nicht gerade wie die Nettesten aufgeführt. Es kommt nicht noch einmal vor ..."

Temari hatte an diesem Abend das erste mal nicht alleine gegessen. Doch Sakura hatte sie auch nicht mehr zurückkehren sehen. Um so mehr glänzte dafür der Boden ...
 

Wieder sah Temari auf ihre bewusstlose Freundin. Damals war der erste Schritt für eine wunderbare Freundschaft gemacht worden. Sakura war für Temari eingetreten, obwohl sie nichts von ihr wusste. Nur das sie die Schwächere gewesen war ...

Und danach hatte sich soviel geändert. In der Gang hatte sie nie mehr alleine essen oder sitzen müssen, man hatte nicht mehr hinter ihrem Rücken geredet, nichts dergleichen mehr.

Und jetzt? Sie war doch immer noch die Schwächere. Was konnte sie ausrichten? Was tun?

"Dich überwinden ist der erste Schritt", hatte Sakura immer gesagt, wenn Temari sie fragte, was sie gegen ihre Angst machen konnte. "Angst zu haben ist keine Schande! Aber Mutig sein bedeutet auch nicht die Abwesenheit von Angst, sondern vielmehr, dass du erkennst, dass etwas anderes wichtiger ist als deine Angst. Vielleicht beschert dir dein tapferes Handeln kein langes Leben. Aber wer immer nur vorsichtig ist, der lebt doch nie."

"Die Vorsichtigen leben nie ...", flüsterte Temari und blickte noch einmal zu Sakura. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen, doch sie fasste einen Entschluss. Sie musste um Hilfe bitten. Sie musste sich überwinden. Für ihre beste Freundin.

Temari schüttelte den Kopf und griff nach ihrem Handy. Hoffentlich würde das Guthaben reichen. Und ihr Akku war auch nicht besonders voll. Warum musste alles immer mit einmal kommen?

Sie nahm die Visitenkarte von Itachi und wählte die Nummer. Ehe sie auf die grüne Taste drückte vergingen einige Sekunden, aber dann tat sie es.

Es läutete eine Weile, ehe Itachi abnahm. Als sie seine Stimme hörte kamen die Tränen noch intensiver und nur unter Schluchzen konnte sie ihm in etwa die Situation erklären.

Doch Itachi verstand sofort.

"Hör zu Temari, sobald du irgendwo ein Taxi kommen siehst, hältst du es an!", er nannte eine Adresse und die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu hören. Er hatte Angst um das Mädchen.

"Aber ... aber ich hab keine drei Dollar in der Tasche, ich ..."

"Sag dem Fahrer, dass er bezahlt wird sobald er euch sicher abgeliefert hat! Er soll keine Umwege fahren! Aber so geht es schneller, als wenn ich jetzt ins Auto steige. Das ist die Adresse meines Bruders, es ist näher dort hin. Wir sehen uns dort, okay?"

Temari schluchzte ein "ja" und legte auf.

Dann hielt sie ein Taxi an und zusammen mit dem Fahrer brachten sie Sakura ins Auto.

"Betrunken", meinte Temari abwesend auf den fragenden Blick hin.

"Aber bezahlen kannst du?", wollte der Mann genervt wissen.

Temari nickte.

Dann fuhr der Wagen los ...

Keine Sekunden später tauchten zwei Kahlköpfige im Rückspiegel auf.

Die ganze, wahre Geschichte

Schnell war alles gegangen, als Itachi den Hörer aufgelegt hatte. Er war in seinen Wagen gesprungen und losgefahren. Unterwegs hatte er Sasuke angerufen und ihn aufgeklärt. Sasuke wiederum hatte einen Arzt verständigt und war nach unten gegangen, um das Taxi zu erwarten. Itachi war als Erster angekommen, doch keine fünf Minuten später traf auch eine aufgelöste Temari ein, die sich kaum beruhigen konnte. Dank Itachis tröstenden Worten schaffte er es dann aber doch, das Mädchen ins Apartment zu bringen, während Sasuke einen knurrigen Taxifahrer bezahlte und dann Sakura vom Rücksitz nahm.

"Wir legen sie ins Gästezimmer", sagte Itachi und Sasuke nickte nur schweigend, während Temari Sakuras Hand hielt und versuchte mit ihr zu sprechen.

"Warum wird sie nicht wach?", wisperte die junge Frau, und das Zittern ihres Körpers drang bis in ihre Stimme.

"Keine Sorge, ein Arzt wird gleich kommen. Sasuke hat schon telefoniert", meinte Itachi beruhigend und zog Temari sanft ins Wohnzimmer. "Wir machen jetzt Tee und dann wird er da sein."

Es dauerte nicht lange, da klingelte es an der Tür. Sasuke hatte offensichtlich Druck gemacht. Er ging den Arzt hereinlassen und begleitete ihn dann ins Gästezimmer zu Sakura, während Temari im Wohnzimmer warten sollte.
 

Das war vor einer halben Stunde gewesen. Nun saß die Blonde wie ein aufgescheuchtes Reh auf der Couch und wackelte mit den Beinen. Warum dauerte das so lange? Was tat der Arzt da drinnen? Auch Sasuke war noch nicht heraus gekommen.

"Warum ...", begann sie, doch Itachi lächelte nur aufmuntert.

"Doktor Larch ist ein sehr guter Arzt. Er bringt Sakura wieder auf die Beine, mach dir mal keine Gedanken."

Temari nickte und es vergingen weitere Minuten, als die Tür zum Gästezimmer geöffnet wurde und Sasuke mit dem Arzt hinaus trat.

"Und?", sprang Temari sofort auf. Wieder traten ihr die Tränen in die Augen.

"Alles ist gut, Miss. Ihrer Freundin wird es in ein paar Tagen besser gehen. Sie war kurz wach, als ich sie untersuchte und ich habe ihr eine Beruhigungsspritze gegeben. Sie wird bis morgen früh durchschlafen. Sie scheint ein wenig zu viel getrunken zu haben, außerdem stellte ich einen Schock fest. Und da sie leider recht unterernährt ist, hat sie das umgehauen, um es mal so zu formulieren. Sie braucht dringend Ruhe in den nächsten Tagen, das Beste wäre es, wenn sie im Bett bleibt. Zudem kommt eine leichte Unterkühlung. Sie soll sich also warm halten, und vor allem soll sie essen! Morgen nur leichte Kost, aber danach völlig normal. Ich komme in drei Tagen wieder und schaue noch einmal nach ihr. Falls zwischendurch etwas sein sollte, sie wissen ja wie sie mich erreichen", damit wandte er sich an Sasuke, der nur knapp nickte.

"Auf Wiedersehen, ich finde alleine hinaus", verabschiedete sich Doktor Larch.

Temari nickte dankend und als der Arzt die Wohnung verließ, ließ sie sich erschöpft aufs Sofa fallen. Sie vergrub ihr Gesicht hinter ihren Händen und schüttelte den Kopf. "Wie soll das gehen?", schluchzte sie.

"Wie soll was gehen?", fragte Itachi vorsichtig.

"Sie hat mich gesehen, und sie hielt mich für einen Geist! Wenn sie mich morgen sieht, wird sie vermutlich wieder zusammenbrechen!"

"Dann werden wir erst einmal mit ihr reden", schlug Itachi vor.

"Wir?", entfuhr es Sasuke und er ließ sich auf seinen ledernen Sessel fallen. "Ich hab immer noch nicht verstanden, was hier eigentlich abgeht!", murrte er sichtlich genervt.

Itachi warf ihm einen warnenden Blick zu, doch Temari schüttelte nur den Kopf. "Es ... es tut mir leid, ich hätte euch ... ich hätte nicht anrufen sollen, aber ... ich wusste nicht ..."

"Es ist okay, Temari! Dass du mich gleich angerufen hast, war das einzig Richtige! Du kannst immer anrufen, hörst du!"

Temari versuchte zu lächeln, aber so richtig wollte es nicht funktionieren. "Danke, danke euch beiden!" brachte sie hervor.

"Ah schon gut", winkte Sasuke brummend ab. "Aber mich würde trotzdem interessieren, was das hier nun alles soll. Wer ist das betrunkene Weib da drin und warum sollte sie dich für einen Geist halten?"

"Sasuke!", zischte Itachi.

"Nein, er hat recht. Ich ... ich schulde euch eine Antwort ... aber ... ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Es ist damals viel passiert und irgendwie hängt scheinbar alles zusammen und manches versteh ich nicht."

"Dann fang von vorne an", murrte Sasuke einfach. Er wollte nun Antworten und war es nicht gewöhnt, warten zu müssen.

"Naja, ich bin hier geboren, dass hatte ich Itachi ja schon erzählt. Und mit 16 dann nach New York gegangen ... wegen einem Kerl. Dort bin ich auf der Strasse gelandet, weil ich blind vor Liebe war", Temari musste fast lächeln, weil ihr jetzt alles so dumm vorkam. Sie sah dabei niemanden an, sondern blickte starr auf den Boden, als fuhren die Bilder vor ihrem inneren Auge vorbei.

"Auf der Strasse?", Sasuke verschlug es fast die Sprache. Er hatte viel erwartet, aber nicht so etwas.

Temari nickte. "David, so hieß er, gehörte dort einer Gang an, aber davon hatte er mir nichts gesagt. Ich war damals ebenso ... so geschockt, als mir klar wurde, auf was ich mich eingelassen hatte. Aber ich konnte nicht zurück, und ich wollte nicht, weil ich David liebte, bis ... bis er jemanden anderen gefunden hatte. Aber ich blieb bei der Gang, denn zurück konnte ich auf gar keinen Fall, obwohl ich dort nicht sehr willkommen war. Man war nicht gerade gut auf mich zu sprechen. Die Gruppe bestand damals aus um die 10 oder 15 Jugendlichen, ihr Anführer war ein Kerl namens Jack Lorrel. Jeder hatte einen Rang und eine Aufgabe. Ich stand ganz unten", Temaris Lächeln verzog sich zu einer Grimasse, als die Erinnerungen sie einholten. "Jack war ein Monster. Er war grausam, brutal und total selbstverliebt. Er hielt sich für etwas besonderes, denn das Leben auf der Strasse hatte er selbst gewählt. In Wahrheit besaß seine Familie eine riesen Villa und hatte mehr Geld als sonst wer in der Gegend. Wenn es ihm draußen zu kalt wurde, ging er nach Hause. Trotzdem hatte er die Gang im Griff. Es hatte ja auch jeder Angst vor ihm", Temari stöhnte leidlich und fuhr mit ihren Händen durch die Haare. "Er war der größte Mistkerl, den ich je getroffen habe, und so wie ich ihn gehasst habe, so hat er auch mich gehasst."

"Und trotzdem bist du geblieben? Hat er dir nie etwas angetan?", fragte Sasuke geradeaus.

Temari schüttelte den Kopf. "Er hat mich zwar angesehen und, wenn Blicke töten könnten, ich wäre schon am ersten Tag krepiert, aber er hat nie auch nur ein Wort mit mir geredet. Er machte stets einen großen Bogen um mich."

"Warum das?", wollte Itachi leise wissen.

Temaris Blick wanderte zum Gästezimmer. "Ich denke, dass Sakura von Anfang an dafür gesorgt hat, dass er mich in Ruhe lässt. Auch wenn sie erst ebenfalls nicht mit mir redete, muss sie trotzdem ein Auge auf mich gehabt haben. Ich wusste es nur nicht."

"Sie gehörte also auch zu dieser Gang?", hackte Sasuke nach.

Temari musste wieder sachte Lächeln. "Sie gehörte nicht einfach dazu, sie war die Gang. Sie war die eigentliche Anführerin, sie organisierte alles. Und vor ihr hatte man nicht einfach nur Angst, wie vor Jack. Die Leute hatten vor ihr Respekt, weil sie sich nicht abhob. Und dabei hätte sie sämtliche Möglichkeiten gehabt. Sie hätte sogar ein richtiges Leben haben können. Aber sie entschied sich für ihre Gang, nicht wie Jack, um den Nervenkitzel zu haben, sondern weil sie wusste, dass man sie dort brauchte."

"Und dann wurdet ihr Freunde?"

Temari nickte. "Es dauerte etwas. Aber schließlich akzeptierte sie mich, und damit auch alle anderen. Jack hatte nach wie vor damit ein Problem, aber er wusste, dass er sich nicht gegen Sakura stellen durfte. Im entscheidenden Moment hätte sich niemand, ausnahmslos niemand, auf seine Seite geworfen", Temari holte tief Luft. "Wir hatten einige schöne Jahre zusammen. Und ich war längst nicht mehr das Letzte für die anderen, sondern hatte Aufgaben und stand schließlich nicht weit unter Sakura. Und das verdankte ich nur ihr. So ließ es sich sogar Leben, obwohl es harte Zeiten gab. Aber man war eine Familie und stand die Dinge zusammen durch. Und auf der Strasse gab es viel durchzustehen."

"Was passierte dann?", wollte Sasuke wissen.

"Nun, eines Tages kam ein Mann zu uns. Er sagte, er hätte für uns eine tolle Möglichkeit gefunden, den Winter zu überstehen. Jack war sofort Feuer und Flamme, obwohl er an den kältesten Nächten sowieso nicht auf der Strasse blieb. Sakura war dagegen, aber sie ließ abstimmen und so kam es, dass wir ab September letzten Jahres in einer recht netten Gegend ein leerstehenden Haus hatten, wo trotzdem die Heizung lief. Der Fremde erzähle sogar, es wäre eine Art Projekt für Strassenkinder. Sakura blieb trotzdem skeptisch.

Und das aus Guten Grund, denn eines Tages, irgendwann Anfang November brannte die ganze Hütte ab ..."

Temari musste verschnaufen. Sie hatte am Ende so schnell gesprochen, um die Bilder nicht wieder sehen zu müssen, dass sie nun vollkommen außer Atem war.

"Sie brannte ab? War das Feuer gelegt worden?", Itachi war entsetzt. Temari lachte leise. "Es wurde nie bewiesen, aber natürlich ist es gelegt worden. Es war Absicht gewesen. Und der Grund ...", doch plötzlich schwieg Temari und erzählte an einer anderen Stelle weiter, als wäre sie nicht sie selbst gewesen. "Sakura und ich waren die letzten gewesen, die in dem Haus waren. Wir wurden durch herabstürzende Balken getrennt, und während sie die anderen Mitglieder hinausschleppen, ließ man mich zurück, weil keiner an mich rankam. Ich hörte Sakura noch Schreien, sie wollte zurück ... mich nicht im Stich lassen, aber sie wäre vermutlich dabei selbst draufgegangen. Ich ... und ich hatte mich eigentlich schon damit abgefunden ... aber ... da ...", Temari schloss die Augen, um nicht mit Weinen anzufangen. Diese grausame Erinnerung an die einstürzende Hütte würde sie nie wieder vergessen können. Sie spürte noch jetzt die Angst, die sie damals hatte.

"Eine Luke, ich weiß nicht, warum sie mir vorher nie aufgefallen war. Sie führte ... in den Keller durch etliche unterirdische Gänge und dann irgendwie nach draußen. Als ich wieder raus war, war ich mindestens zwei Kilometer von dem Haus entfernt. Aber ich brach zusammen, und irgendwie brachte mich irgendwer ins Krankenhaus, ich lag einige Wochen im Koma, und als ich wieder zu mir kam, konnte ich mich an nichts erinnern. Erst einen Monat später hatte ich die meisten meiner Erinnerungen zurück. Und dann suchte ich Sakura, aber sie war nirgends zu finden. Mehr durch Zufall hörte ich Gerüchte, dass die Sache mit dem Brand nicht normal gewesen sein sollte. Jack war auch nie wieder in den Strassen dort gesehen worden und Sakura ebenfalls nicht. Man erzählte mir, dass sie fort gegangen sei. Und ich wusste nicht, wo ich hin sollte, denn meine alte Gang gab es so nicht mehr. Also kehrte ich zurück zu meiner Familie. Weil ... weil mich nun nichts mehr in New York hielt ... naja", Temari grinste Itachi leicht an. "Nun bin ich wieder hier und wie sich rausstellte, war Sakura schon die ganze Zeit hier. Vorhin gabs in der Bar, wo ich arbeite, eine Prügelei, und als ich in Schwierigkeiten steckte, hat sich Sakura eingemischt. Und als sie mich auch noch erkannte, dachte sie natürlich, ich wäre ein Geist, weil ihr jeder wahrscheinlich sagte, ich sei tot. Und sie war betrunken, dass trägt noch seinen Teil dazu bei."

"Das Ganze klingt ja total Irre", entfuhr es Sasuke, obwohl er es zum erstenmal nicht negativ meinte. Die Geschichte hatte ihn fast beeindruckt und an sein Mitgefühl gekitzelt.

Itachi sagte erstmal nichts. Er musste das alles zuerst verarbeiten.

"Ich ...", begann Temari nach ein paar Minuten Schweigen. "Ich weiß nicht, wo sie jetzt lebt. So weit ich gehört habe, kennt sie hier kaum jemand wirklich. Ich weiß auch nicht, was wir jetzt machen sollen ..."

"Abwarten", sagte Sasuke.

Itachi nickte. "Wir lassen Sakura erst einmal in Ruhe schlafen. Morgen, wenn sie aufwacht, werde ich als erstes mit ihr reden. Ich erkläre ihr dein Erscheinen. Wenn sie dich zuerst sieht, wird sie vermutlich wieder geschockt sein. Und dann sorgen wir dafür, dass sie wieder auf die Beine kommt."

"Wir?", diesmal war es Temari, die das sagte.

"Na sicher", lächelte Itachi. "Wir fahren jetzt zu mir, du kannst im Gästezimmer schlafen. Sasuke wird ein Auge auf Sakura haben. Und morgen früh, wenn wir gefrühstückt haben, kommen wir gleich wieder her."

"Aber ..."

"Kein aber! Du hast doch gehört, was Doktor Larch sagte. Sakura braucht Ruhe, Wärme und Essen. Ich möchte gar nicht vermuten, wo sie wohnt, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass sie dort hat, was sie braucht, um wieder zu Kräften zu kommen. Und Sasuke hat sicher nichts dagegen ..."

"Sicher nicht", presste der jüngere Uchiha alles andere als begeistert hervor. Aber in dieser Situation konnte sogar er niemanden vor die Tür werfen.

"Dann werden wir jetzt gehen und morgen um Acht wieder kommen!", entschied Itachi.

Somit war es beschlossene Sache ...

Confusion

Genervt zappte Sasuke durch das nächtliche Programm.

"Nur Mist!", knurrte er und sah zur Wanduhr. Es war mittlerweile drei Uhr Morgens, aber an Schlaf nicht zu denken. Er wusste selbst nicht, was ihn wach hielt. Normalerweise war er immer so kaputt, dass er ins Bett fiel und einschlief. Aber heute? Keine Spur von Müdigkeit.

Dafür war er reichlich nervös und verwirrt. Er wusste, dass er nicht zu den emotionalen Verfechtern seines Geschlechts gehörte. Gefühle waren lästig, ob beim Studium oder auf der Arbeit. Also wurden sie abgestellt. Ganz einfach. Und so lebte es sich am Besten. Aber heute, da machte es ihm zu schaffen, seine Gefühle zu unterdrücken.

Bei ihm im Gästezimmer lag ein verhungertes, fast erfrohrenes Weib, während er jeden Abend bei 20 Grad ins Bett ging. War die Welt gerecht? Nein, aber dass wusste er selbst. Und trotzdem, egal wie schwer er es bisher gehabt hatte, er hatte sich nie wegen Essen oder Wärme Gedanken machen müssen. Er konnte sich immer zu 100 % auf seine Arbeit konzentrieren, dieses Mädchen da drinnen kannte vermutlich nur die eine Frage. "Wo finde ich heute etwas zu essen?"

"Was geht mich das an!", schnauzte Sasuke zu sich selbst und stand vom Sofa auf. Seine Füße trugen ihn in die Küche, ein heißer Kaffee würde vielleicht Wunder wirken.

Wie würde es jetzt weitergehen? Er konnte die Fremde ja wohl kaum hier behalten. Und er glaubte auch nicht, dass sie hier bleiben würde. Vermutlich würde sie aufwachen und schnurstracks abhauen.

Es ging ihn ja auch nichts an. Itachi hatte sie ihm aufgedrängt, er war nicht dafür gewesen, sie hier zu lassen. Aber wohin hätte sie gekonnt? Mit zu Itachi? So groß war seine Wohnung nicht. Und zu Temari? In einem Trailer konnte unmöglich Platz sein.

Er hatte den Platz.

Aber er wollte sie nicht hier haben! Jemanden von der Strasse ...

Er war doch keine Obdachlosenannahme!

Die Worte des Arztes schwirrten wieder in seinem Kopf herum. Als er mit ihm alleine bei dem Mädchen gewesen war. Der Arzt hatte sie untersucht und immerzu den Kopf geschüttelt.

"Wissen sie, Herr Uchiha, bevor ich hier in Westwood Doktor wurde, habe ich bei einem alten Zausel gearbeitet. Ich war noch sehr jung damals. Seine Patienten waren hauptsächlich die Creme de la Creme. Stars und Sternchen, aus alle Branchen. Er verdiente wie kein anderer!"

Sasuke hatte dem Geschwätz des Arztes kaum Gehör geschenkt. Was interessierte ihn denn dessen Lebensgeschichte?

"Aber jeden Samstag", fuhr Doktor Larch fort. "Wenn er seine Praxis geschlossen hatte, da fuhr er mit seinem Arztkoffer nach Watts runter."

Nun wandte Sasuke seinem Blick doch dem älteren Mann zu. "Was wollte er da?", hatte er gefragt.

"Helfen, Herr Uchiha. Einfach nur Helfen ... er nahm kein Geld für seine Arbeit. Er fuhr mit seinem Wagen die Strassen entlang, blieb irgendwo stehen und nach und nach kamen sie."

"Sie kamen?"

"Die Kinder von der Strasse, die sich nie einen Arzt leisten konnten. Er untersuchte sie, verteilte Medikamente und tat was er konnte. Er bekam nie Geld, manchmal nicht einmal ein Danke ... aber dankbar waren sie alle. Er rettete Leben, nur weil er eine Erkältung behandelte. Eine Erkältung kann auf der Strasse schon den Tod bedeuten. Er machte es seit Jahren. Dann erzählte er mir davon. Ich fragte sogar, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte!", Doktor Larch schmunzelte bei dem Gedanken. "Wenn das seine Patientn nämlich heraus gefunden hätten, es wäre doch niemand mehr zu ihm gekommen. Er wäre Pleite gegangen! Wer wollte schon von einem Arzt behandelt werden, der am Tag zuvor die dreckigen unsauberen Strassenkinder von Watts angefasst hatte?

Nun wie auch immer ... er bat mich, ihn nur ein einziges Mal zu begleiten. Nach langem Zögern tat ich es, es war kurz vor Weihnachten. Es war eine Nacht wie heute. Es war nass, kalt, und es war so trostlos in der Gegend. Der alte Zausel fuhr uns in eine düstere Gasse, und ich bangte wirklich um mein Leben. Und dann ... sie kamen nach und nach, als hätten sie in einem Wartezimmer gesessen und auf den Aufruf gewartet. Es war alles dabei. Mütter mit Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Aber ich hielt mich im Hintergrund. Ich konnte einfach nichts tun. Ich war davon überzeugt, dass es nicht richtig war, seinen Ruf dafür aufs Spiel zu setzen. Man musste doch auch selber Leben. Eine Familie ernähren.

Dann kam ein kleines Mädchen mit ihrer Mutter, und das Mädchen erinnerte mich an meine eigene Tochter. Sie sah mich an, als wenn sie sagen wollte: wenn du helfen kannst, warum tust du es dann nicht?

Ich sah, dass sie am Knie blutete. Der alte Herr war gerade beschäftigt. Und dann tat ich, was ich schon längst hätte tun sollen. Mich einen Dreck um die Meinung anderer kümmern, sondern helfen. Das war meine Aufgabe!", der Arzt legte eine Pause ein.

"Tun sie es immer noch? Nach Watts fahren und helfen?"

Doktor Larch zögerte. "Nein, seit der alte Herr tot ist, habe ich diese Gegend nicht besucht. Ich bin ... bin ein Feigling, deswegen."

"Weil sie denken, dass ihre Patienten hier es raus finden könnten?"

"Nein ... weil ... weil der alte Zausel dort ermordet worden ist."

"In Watts? Wo er diesen ganzen Leuten geholfen hatte?", Sasuke war schockiert, damit hätte er am wenigsten gerechnet!

Doch Doktor Larch lachte. "Ja genau, in Watts, wo er nur helfen wollte. Wissen sie, Herr Uchiha, ich dachte erst genauso wie sie. Diese verdammten Penner dort! Er hilft ihnen, opfert ihnen soviel, und was tuen sie? Stechen ihn ab! Aber sehen sie, es war ja nicht das kleine Mädchen mit ihrer Mutter, oder der Junge mit der Erkältung. Es war irgendjemand von den tausend, und trotzdem richten wir über sie alle. Einer von denen hat etwas unfassbar schlimmes getan, und alle müssen drunter leiden. So tief sitzen unsere Vorurteile in uns drin.

Wenn ich den Mut hätte, ich würde wieder nach Watts fahren. Ich würde helfen. Aber ich bin und bleibe ein Feigling. Und damit zu leben ist weit aus schlimmer, als sie sich das vorstellen können."

Sasuke sagte nichts. Was hätte er auch sagen können? Die Geschichte war ehr verwirrend gewesen. Überhaupt war alles in letzter Zeit sehr Verwirrend.

"Ich denke, ich bin dann fertig", riss Doktor Larch Sasuke aus seinen Gedanken. "Ich werde es vor der jungen Dame da draußen nicht sagen, deswegen sage ich es ihnen jetzt. Wenn das Mädchen sich nicht vollständig erholt, bevor sie wieder da hin geht, wo sie anscheinend her kommt, dann wird sie den Winter nicht überstehen. Sie wird vermutlich nicht einmal Weihnachten überstehen. Ihre Kräfte scheinen vollkommen aufgebraucht."

Sasuke nickte knapp, dass er verstanden hatte. Dann hatte er noch einen Blick auf die Fremde geworfen und war Doktor Larch aus dem Zimmer gefolgt.

Die Geschichte des Arztes hatte sehr wohl etwas in ihm bewirkt. Nämlich dass er vorsichtig sein musste. Nicht dass sie ihn im Schlaf abstach!

Sasuke musste über seine eigenen Gedanken lächeln. Er war kein Feigling, und das Mädchen hatte bei Gott keine Kraft mehr ihn zu überfallen.

Darüber musste er sich also keine Sorgen machen.

Aber worüber musste er sich überhaupt Sorgen? Warum machte er sich Gedanken, wie es weitergehen sollte?

Er fand darauf keine logische Antwort.

Es waren einfach nur seine eigenen Vorurteile, die ihn so denken ließen, so wie auch die Patienten des alten Zausel. Und sollte er sich davon beeinflussen lassen? Nein!

"Ah", Sasuke setzte sich auf seinen Barhocker und schüttelte Gedankenverloren den Kopf. Er war hin und her gerissen. Er war verwirrt. Er war irritiert. Und er war voll mit irgendwelchen lästigen Gefühlen.

Er saß wohl tief im Eimer ...

Sasuke gähnte und entschied sich etwas zu schlafen. Er stellte die Kaffeetasse beiseite und verließ die Küche. Als er am Gästezimmer vorbei ging wollte er nur einen kurzen Kontrollblick reinwerfen. Vielleicht war sie schon aus dem Fenster verschwunden ...

Sasuke grinste bei seinem eigenen Witz, denn sein Apartment lag im 12. Stock. Er öffnete die Tür und da es sehr dunkel im Zimmer war trat er näher ans Bett, um die Fremde zu sehen.

Oder auch nicht, denn es lag niemand mehr im Bett.

"Beweg dich jetzt ja nicht!", hörte er eine zitternde weibliche Stimme hinter sich und er spürte, wie ihm etwas metallenes gegen die Kehle gehalten wurde.

"Gut geschlafen, Sakura?", meinte Sasuke und grinste leicht. Von wegen durchschlafen bis zum Morgen und von wegen nicht gefährlich und keine Kraft! Er kam sich ein wenig verarscht vor ...

"Woher kennst du meinen Namen?", zischte die junge Frau.

"Nimm das Messer runter und leg dich wieder ins Bett. Du wirst dich nicht lange auf den Beinen halten können", meinte Sasuke ruhig und tonlos.

"Geht dich ja wohl nichts an. Wo bin ich hier und wieso?"

"Du bist bei mir, du lagst auf der Strasse und warst bewusstlos. Ein Arzt hat dich untersucht und gesagt, dass du solche Aktionen lieber meiden solltest."

"Ein Arzt? Und wer bist du?"

Sasuke seufzte. Vielleicht würde sie ja seinen Namen erkennen und dadurch wissen, dass er nichts böses mit ihr vorhatte. Denn das sie Angst hatte konnte er förmlich spüren.

"Sasuke Uchiha", sagte er mit einem kleinen Grinsen im Gesicht.

"Sasuke ... der, der mir den miserablen Stoff verkauft hat?"

Sasuke glaubte sich verhört zu haben.

"Bitte was? Ich bin nicht aus deiner Gegend. Wir sind hier in Westwood! Ich arbeite bei UchihaIndustries", sagte er und stellte knurrend fest, dass er sich zu einem viel zu langen Satz hatte hinreißen lassen.

"In Westwood? Wie bin ich hier her ... "

Sasuke merkte, dass Sakura gerade die Kraft verließ, drehte sich abrupt um und nagelte sie gegen die Wand. "Wolltest du mich abstechen, oder was?" rief er bissig.

"Sicher", kam es ebenso wütend, wenn auch schwach zurück. "Sogar mit einem Thermometer ..."

"Wie?"

Sasuke blickte nach unten und konnte durch das hereinfallende Licht das Fieberthermometer auf dem Boden sehen. Nun kam er sich leicht ... idiotisch vor. Hatte er tatsächlich Angst gehabt?

"Nun lass mich los, meine Waffe hab ich ja nicht mehr."

Sasuke bedachte Sakura mit einem eiskalten Blick, doch das Mädchen war in keinster Weise eingeschüchtert. Sie schien sogar amüsiert.

"Du kannst aufhören mich so anzugucken, ich fall dadurch doch nicht tot um", grinste sie.

"Blöde Kuh", entfuhr es Sasuke und er schlug sich innerlich sogar selbst gegen die Stirn. Was war das denn für eine lächerliche Beleidigung gewesen?

Das merkte auch Sakura, entwand sich seinem Griff und stakste recht wackelig zum Bett um sich ihren Schal zu greifen.

"Wo geht es hier raus?", fragte sie.

"Wie?"

"Ich will zurück, also wo ist der Ausgang?"

Sasuke schnaubte. Wie er es erwartet hatte. Und was nun? Sollte er Itachi anrufen? Er hatte keinen Nerv mit diesem Weib zu diskutieren. "Durchs Wohnzimmer geradeaus und dann in den Flur."

"Danke."

Sakura drehte ich abrupt um und marschierte aus dem Zimmer. Sasuke ging langsam ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Was sollte er jetzt machen? Vielleicht Temari erwähnen?

Ein polterndes Geräusch ließ ihn aus seinen Gedanken erwachen und als Sakura wütend im Wohnzimmer auftauchte, musste er beinahe grinsen.

Geräuschvoll ließ sie sich auf die Couch gegenüber fallen und funkelte ihn böse an. "Deine Tür geht nicht auf", knurrte sie.

"Das haben Türen mit Alarmsystem so an sich. Man braucht einen Code."

"Tatsache ...", höhnte Sakura. "Und wie ist der verfluchte Code?"

"Vergessen ..."

"Verdammter Mistkerl!", rief Sakura und sprang auf, doch wurde ihr plötzlich schwarz vor Augen, und hätte Sasuke sie nicht aufgefangen, wäre sie vermutlich zu Boden gegangen.

"Lass es ruhig angehen, verstanden? Geh zurück ins Bett und schlaf dich aus", befahl Sasuke.

Doch Sakura machte keine Anstalten. "Lass mich bitte gehen", flüsterte sie, und Sasuke verstand, dass sie eigentlich nur Angst vor ihm hatte. Er kannte sie durch Temaris Erzählungen, aber sie hatte ihn noch nie gesehen. Sie war aufgewacht, in einem fremden Bett, in einer völlig anderen Gegend.

An ihrer Stelle würde er vermutlich auch lieber gehen wollen.

Er musste also mit offenen Karten spielen.

"Ich mach es kurz. Temari hat dich hier hergebracht. Sie lebt, okay? Sie ist bei dem Feuer nicht umgekommen, sondern wurde in ein Krankenhaus gebracht. Und in ein paar Stunden kommt sie her. Solange sollst du dich ausruhen."

"Sie ist ...", Sakura schloss die Augen und erzittert. Sasuke schalte sich selbst für sein fehlendes Feingefühl. Etwas weniger direkt hätte wohl nicht geschadet.

"Brichst du mir jetzt wieder zusammen?", fragte er unvermittelt.

"Ich ... sie ... wo ist sie jetzt?", Sakura klang so, als würde sie jeden Moment mit Heulen anfangen. Doch Sasuke merkte schnell, dass sie das zu verhindern wusste. Sie wollte sich vor ihm nicht die Blöße geben. In diesem Punkt waren sie sich recht ähnlich.

"Bei meinem Bruder, Itachi. Sie sind befreundet und Temari hat ihn angerufen, als du dachtest sie sei ein Geist und in Ohnmacht gefallen bist. Das war vor sechs Stunden."

"Ich ... ich erinnere mich ....", meinte Sakura abwesend. "Es war ihre Stimme, ihr Gesicht ... sie lebt?!", es war Feststellung und Frage zu gleich. Sasuke nicke knapp und da er Sakura noch immer im Arm hielt, bewegte er sich langsam zum Gästezimmer, um sie endlich los zu werden. Es war ihm seltsam, unangenehm und angenehm zugleich, dieses zerbrechliche Mädchen in den Armen zu halten. Umso schneller sie aus seiner Sicht war, umso eher konnte er wieder Herr seiner Sinne werden.

"Ich ... ich muss zu ihr und ..."

"Nicht jetzt!", sagte Sasuke streng. "Sie braucht Ruhe, das hat sie doch ein wenig aus der Bahn geworfen. Und in ein paar Stunden kommt sie eh wieder. Und noch wichtiger ist, dass du endlich mal pennst. Der Arzt sagt, du machst es sonst nicht mehr lange."

Das war Sasuke eher rausgerutscht.

Sakura lachte barsch. "Was weiß dieser Arzt schon!"

"Er weiß einiges. Wenn du die nächsten Nächte wieder auf der Strasse verbringst, erholt sich dein Körper nicht mehr und das war es dann. Verstehst du das? Dein letzter Winter, mit anderen Worten."

"Das geht niemanden etwas an!", knurrte Sakura ohne sich recht bewusst zu werden, dass Sasuke damit meinte, dass sie sterben könnte, wenn es so weiter ging.

"Also ist es dir egal?", fragte er ungläubig.

Sakura schnaubte. "Es ist egal, wem es egal ist. Dinge lassen sich nicht ändern! Man kann sie nur hinauszögern. Und es wurde alles schon hinausgezögert. Auch jetzt nur."

Sakura befreite sich aus Sasukes Umarmung, und trotz wackligen Knien stand sie aufrecht.

Und seltsamerweise musste Sasuke plötzlich Lachen, was nicht nur Sakura, sonder auch ihn selbst verdutzte. Es hätte jeden verwundert, der ihn nur im Ansatz kannte!

"Guck dich an", sagte er.

"Ja und?"

"Du stehst!"

"Wahnsinn!", höhnte Sakura, die nicht wusste, auf was er hinaus wollte.

"Der Arzt hat dir eine Beruhigungsspritze gegeben, du dürftest eigentlich nicht mal wach sein!"

"Nun, anscheinend wirkt sie nicht", meinte Sakura tonlos.

Doch Sasuke schüttelte den Kopf. "Sie wirkt mit Sicherheit, Sakura. Sieh dich an, wie du zitterst. Es kostet dich sehr viel Kraft, so aufzuführen ... Und trotzdem tust du es. Du stehst. Du bist kein Schwächling. Und feige bist du auch nicht. Also renn nicht weg!", seine Stimme klang nun ernst. Und es klang fast, als wäre er Itachi, was ihn selbst wurmte.

"Ich muss mir das nicht anhören!"

"Du tust es doch schon ...", stellte Sasuke leise fest.

Sakura sah ihn perplex an. "Und was nun?"

"Wie wäre es mit einem Bad? Dann schläft du noch ein wenig und dann stehst du Temari gegenüber. Das, wovor du dich so fürchtest!"

"Ich fürchte mich nicht, ich ..."

"Doch das tust du. Du hast Angst, das es nur ein Traum ist. Oder eine Lüge. Und wenn du jetzt schlafen gehst und aufwacht, ist alles vorbei. Es wurde dir wieder genommen."

"Was sollte mir genommen werden?"

"Hoffnung ...", sagte Sasuke.

"Hof ...", doch Sakura versagte die Stimme. Sie schloss die Augen, als sie plötzlich die heißen Tropfen auf ihren Händen spürte. "Ich weine?", stellte sie überrascht fest, und sogar Sasuke überraschte es, aber nur weil es sie überraschte.

"Du solltest ins Bad, danach sieht die Welt schon besser aus ...", sagte er, um diese unangenehme Situation zu lösen.

"Aber es ist doch immer noch die Gleiche", wisperte Sakura leise.

Keiner der beiden sagte mehr etwas.

Bad boy, good boy

"Wie lange noch?", quengelte Sakura und sah zur Uhr. "Wann wollten sie hier sein?"

"Um acht, wie ich schon hundertmal sagte ...", bemerkte Sasuke, während er an seinem mittlerweile dritten Kaffee nippte. Es war gerade erst sechs und er hatte noch kein Auge diese Nacht zugemacht. Nachdem er Sakura ins Bad geschickt hatte, war er vor dem Fernseher zwar kurz eingenickt, aber das war nicht von langer Dauer gewesen.

Sakura hatte natürlich nicht daran gedacht sich auszuruhen oder hinzulegen. Und Sasuke hatte das unbestimmte Gefühl, dass wenn er sie nicht im Blick behielt, sie sich doch irgendwie aus dem Apartment schleichen würde.

Nun saß sie dem Uchiha gegenüber, in einem viel zu großen, dicken Pullover und der nicht weniger weiten Jogginghose, die Sasuke ihr nach dem Bad aufs Bett geschmissen hatte.

Zuerst hatte sich Sakura natürlich geweigert, die Sachen anzuziehen, aber Sasuke hatte nur die Nase gerümpft und gesagt, dass ihre anderen Sachen stinken und mal dringend eine Wäsche nötig hatten.

Murrend gab die junge Frau also nach und saß nun mit den zu großen, dafür aber molligen Sachen auf dem Barhocker und schlürfte Tee.

Sasuke sah wieder zur Uhr und seufzte, ehe er sich erhob und zum Kühlschrank schlürfte. Diese Nacht war ihm eindeutig zu anstrengend gewesen!

Er durchstöberte seinen Kühlschrank nach Essbaren und erwischte sich selbst dabei, wie er überlegte, was Sakura essen konnte. Der Arzt hatte ja gesagt, das heute nur leichte Kost erlaubt wäre. Aber was war leichte Kost? Karnickelfutter? Davon hatte er nicht wirklich etwas.

"Tse, was willst du essen?", fragte er genervt in den Kühlschrank.

"Kein hunger", war die knappe Antwort.

"Das war nicht meine Frage", stellte Sasuke knurrend klar.

"Ich kann später bei mir etwas essen", erwiderte Sakura beiläufig, als sie erneut zur Uhr sah.

"Das kann dauern."

"Wie?"

"Ich sagte, das kann dauern. Doktor Larch meinte, du wirst die nächsten Tage im Bett bleiben müssen", Sasuke glaubte fast selbst nicht, was er da sagte. Dieses dürre Weib die nächsten Tage hierbehalten, war eigentlich nicht seine Absicht. Aber wenn der Doktor übermorgen noch einmal nach ihr sehen wollte, konnte er ja unmöglich sagen, dass er sie auf die Strasse gesetzt hatte. Das würde nicht sehr ... nun ... menschlich rüber kommen. Obwohl es natürlich nicht sein Problem war. Temari oder Itachi konnten sie doch genauso aufnehmen und aufpäppeln. War er Krankenschwester oder wie? Doch andererseits hatte er auch ein seltsames Interesse an der jungen Frau. Doch diese Gefühle konnte er im Moment noch nicht zu Ordnen.

"Interessiert mich doch nicht, was irgendein Larch sagt!"

"Ach, hör auf hier rumzuzicken, ich bin echt müde, kapiert!", entfuhr es Sasuke einfach, obwohl der Satz sowas von nicht Uchiha-like war. Aber in letzter Zeit passierte das ja öfter. Es war zum Mäusemelken! "Bleib einfach die nächsten Tage im Bett, friss dich fett und dann kannste meinetwegen verschwinden!", brummte er und warf einige Lebensmittel auf den Küchentisch.

"Ein sehr freundliches Angebot, aber ich lehne dankend ab. Wenn ich Temari gesehen habe, verschwinde ich. Ich hab zu tun!"

"Was denn? Dich zu saufen oder wie?"

"Halt den Mund, klar! Dich geht alles, was ich tue, einen Scheißdreck an!"

"Kannst du auch was anderes als Fluchen?"

"Willst du mich in den Wahnsinn treiben? Was kümmert es jemanden wie dich, was aus mir wird?!"

"Pah!", Sasuke blickte Sakura kalt an. "Was heißt hier jemand wie ich?"

Sakura musste schmunzeln. "Du denkst vermutlich, ich meine mit jemanden wie dich einen reichen, verwöhnten Schnösel, dem alles in die Wiege gepackt wurde, der sich um nichts sorgen muss, der alles bekommt was er will ..."

"Was solltest du sonst meinen ...?"

"Eigentlich glaube ich das nicht. Du siehst nicht aus wie jemand, der sich alles ins Körbchen packen lässt. Dass du dir deine Einrichtung hier selbst verdient hast, dass glaube ich allerdings nicht. Du hast sicher reiche Eltern, aber deswegen werf ich dich nicht einen gefertigten Topf. Was ich aber mit jemanden wie dich meinte, ist deine Art. Du bist so kalt, du zeigst keine Gefühle. Man fröstelt bei dir und es läuft einem eiskalt den Rücken runter. Man fühlt sich nicht willkommen, nur geduldet. Warum soll ich also hier bleiben? Interessiert es dich wirklich, was aus mir wird? Oder liegt es eher daran, dass du dir die Unannehmlichkeiten ersparen willst, wenn dir jemand vorwirft, dass du eine junge Frau ohne Dach überm Kopf raus geworfen hast? Da musst du dich kaum Sorgen, denn das juckt niemanden. Ist es nicht so?", Sakura klang traurig, aber sie lächelte trotzdem. Als Sasuke nichts sagte, stand sie langsam auf. "So ist es, dass wissen wir beide. Also gib mir einfach den Code für die Tür und du kannst deinem Bruder und Temari sagen, ich hätte dir nicht geglaubt und wäre einfach abgehauen."

Sasuke zögerte. Wäre es nicht das Einfachste, es so zu machen? Sakura könnte Temari später immer noch finden. Watts war ja nun nicht riesig. Und er hätte keine Probleme mehr, keine Umstände.

Er war nun einmal nicht wie sein Bruder! Er vollbrachte keine guten Taten. Er war kein alter Arzt, der sein Leben für andere opferte. Andere interessierten ihn nicht. Genau wie seinem Vater niemand interessierte. Was hätte er getan? Er hätte dieses Weib zur Hölle geschickt! Gelacht hätte er. Gelacht und ihr die Tür vor der Nase zugeschmissen.

Wollte er so jemand sein? Eigentlich nicht. Aber danach ging es nicht. Was er sein wollte, war egal. Was er war, das war entscheidend. Und er war nun mal kein guter Mensch.

"Du bist ein weit besserer Mensch, als du glaubst", hatte Itachi gesagt, und irgendwie schmerze es ihn, daran zu denken.

"Du denkst also, ich wäre ein schlechter Mensch?", fragte er, und etwas melancholisches klang in seiner Stimme.

"Ich denke, du bist kein dummer Mensch. Es macht dir doch nur Umstände, mich hier zu behalten. Du wüsstest nicht einmal für wie lange. Du hast sicher eine Arbeit, oder was weiß ich. Du hast Verpflichtungen. Du hast eventuell sogar Freunde. Wie erklärst du ihnen meine Anwesenheit? Hey, nehmt sie nicht weiter wahr, sie ist aus der Gosse und obwohl ich sie nicht hier haben will, bleibt sie eine Weile!", affte Sakura eine andere Stimme nach. "Du bist kein schlechter Mensch, weil du mich gehen lässt. Die wenigsten würden mich auf unbestimmt Zeit aufnehmen, und ich bin dir doch völlig fremd. Was weißt du über mich? Ich könnte dich mitten in der Nacht abstechen. Ist es nicht das, was man von uns denkt?"

Sasuke grinste plötzlich und sah Sakura in die Augen. "Würdest du mich abstechen?", fragte er unvermittelt.

"Was?", entfuhr es der Rosahaarigen völlig irritiert.

"Würdest du mich abstechen, wenn ich dich jetzt nicht gehen lasse? Ja oder nein."

Sakura fühlte sich überrumpelt und funkelte Sasuke böse an. "Was soll die bekloppte Frage! Ich ... ich ..." Sakura holte tief Luft um sich zu beruhigen. Sie wollte diesem Kerl am liebsten an die Gurgel springen. Doch sie senkte ihren Blick und sah kopfschüttelnd zu Boden. "Wie könnte ich denn? Ich bin vielleicht nicht die Schlauste, aber ich bin weder dumm noch naiv. Du rettest mir das Leben, wenn du mich hier behältst. Und als dank sollte ich dir deins nehmen? Du gibst dich zwar wie ein gefühlskalter Eisklotz, und zu einem Teil bist du das mit absoluter Sicherheit! Aber ...", Sakura sah Sasuke nun um einiges netter an. "der andere Teil lässt dich zu einem weit aus besseren Menschen werden, als du es selbst von dir denkst. Denn offensichtlich hältst du dich für einen schlechten Kerl. Wieso auch immer, denn es ist nicht selbstverständlich das jemand das tut, was du hier tun würdest."

Sasuke wusste nicht, was er nun sagen oder denken sollte. Erst sagte Itachi sowas, nun eine vollkommen Fremde. War er so leicht zu durchschauen? Was war nur mit ihm los?

Sakura seufzte und ging zurück zum Küchentisch. "Wann kommt Temari nun?", fragte sie seufzend.

Sasuke seufzte ebenso, als er knurrend zur Uhr sah. "Deine Rede hat eine halbe Stunde gedauert, also ist noch immer Zeit. Und überhaupt, kannst du die Uhr nicht lesen?"

"Selbstverständlich kann ich das!", empörte sich Sakura und füllte sich Tee nach.

"Und warum fragst du dann immer wieder?"

Nun grinste Sakura. "Damit du mit mir redest. Das scheint nämlich nicht deine Lieblingsbeschäftigung zu sein. Und ich hab gehört, dass tut man, wenn man Tee trinkt. Reden mein ich."

"Das kann ja eine heitere Zeit werden ...", brummte Sasuke, doch Sakura wusste, dass das eben Humor hätte sein sollen ...

Fear and Laughing

Temari saß zappelnd auf dem Beifahrersitz von Itachis Porsche und sah starr aus dem Fenster. Vor fünf Minuten waren die beiden losgefahren, und Temari war so aufgeregt und nervös wie noch nie, zumindest hatte sie das Gefühl. Abgesehen von der verqueren Situation gestern, hatte sie Sakura über ein Jahr nicht mehr gesehen. Ein ganzes Jahr lag zwischen den einst besten Freunden. Ein Jahr, in dem die eine dachte, die andere sei tot! Ein Jahr, in dem viel passiert war, mehr schlechtes als Gutes.

"Nun beruhig dich und atme mal tief durch!", sagte Itachi, als er von der Stadtautobahn fuhr. "Wir sind gleich da."

Temari nickte verbissen. Sie spürte zu all ihrer Aufregung nun auch noch Angst aufkommen. "Ob sie schon wach ist?"

Itachi zuckte mit den Schultern, als er in ein schickes Viertel bog, in dem es riesige Hochhäuser gab. "Das werden wir gleich sehen. Mach dich nicht verrückt."

"Aber es ist doch zum Verrückt werden! Ich meine, was ist, wenn sie mich sieht und gleich wieder umkippt! Das kann doch nicht gut sein!"

"Das wird sie schon nicht. So wie du es erzählt hast, hat das Mädchen doch eigentlich starke Nerven."

Temari seufzte. Sie faltete ihre Hände ineinander, da sie heftig zitterten.

"Wir sind da", meinte Itachi leise und hielt auf einem Parkplatz für Besucher. Er stieg aus und sah zu den Wohnungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sasukes war die Oberste. Im Gästezimmer brannte kein Licht.

"Nach was guckst du?", fragte Temari als sie ebenfalls aus dem Wagen stieg und seinem Blick folgte.

"Nichts weiter. Na los, lass uns gehen."

Die Blonde nickte, holte tief Luft und folgte dem Uchiha.

Am Eingang des Hochhauses wurden sie vom Portier begrüßt, doch Temari eilte schon atemlos auf den Fahrstuhl zu.

Itachi grinste leicht. "Das packst du schon!", meinte er zuversichtlich und drückte auf den Knopf in die 12. Etage.

Drei Minuten später standen die Beiden vor Sasukes Wohnungstür.

"Willst du nicht klingeln?", fragte Itachi, den Temari zögerte.

"Vielleicht sollten wir später wieder kommen?", überlegte sie. "Wenn sie noch schläft und ruhe braucht, und ...", noch währen sie sprach, wurde die Tür plötzlich von innen geöffnet. Itachi erwartete eigentlich einen genervten Sasuke, doch stattdessen sah er Sakura, in den warmen Sachen seines Bruders. Doch das erste was ihm auffiel, war ihr hübsches Gesicht, mit smaragdgrünen Augen die soviel Traurigkeit ausstrahlten. Er spürte, das Temari erstarrt war und keinen Ton raus brachte. Er merkte selbst, wie ihn die Situation an die Nieren ging. Er konnte sich nicht ausmalen, wie es für die Beiden in diesem Moment sein musste. Er wollte es auch nicht, denn die Vorstellung, so etwas zu erleben, wie die beiden es erlebt hatten, ließ ihn erschaudern.

Und all das geschah innerhalb von Sekunden. Jeder sah den anderen an, aber keiner rührte sich.

Temari schluckte. "Sakura, ich ...", begann sie heiser und ihre Stimme bebte regelrecht. Sie sah Sakuras Gesicht, das wie durch Schmerzen verzerrt war. WAs dachte sie in diesen Moment? Wusste sie schon bescheid, oder war das hier alles ein grausamer Zufall?

"Er hat nicht gelogen ...", bemerkte die Rosahaarige nun und Itachi war überrascht, wie fest ihre Stimme klang. Sie hatte unübersehbar einen starken Charakter. "Du lebst ....", wiederholte sie flüsternd, als sich ihre Mundwinkel langsam nach oben zogen. All die Traurigkeit verschwand aus ihren Augen, all der Schmerz schien vergessen.

Und dann begann Sakura zu lachen.

Itachi konnte es ihm ersten Moment nicht glauben, aber Sakura lachte wirklich. Und ihr lachen wurde immer lauter und fröhlicher.

"Warum guckst du so?", fragte sie plötzlich und sah Temari grinsend an. "Ist doch niemand gestorben, oder?"

BAFF

Itachi blieb bei diesem Satz fast das Herz stehen, und als er Temari vor sich sah, deren Schultern gefährlich zuckten, dachte er schon sie würde zusammenbrechen, doch ...

Sie lachte!

Was passierte hier?

Die beiden Mädchen standen sich gegenüber und lachten? Sollten sie nicht kreischen, weinen, gar zusammenbrechen?

Aber die beiden lachten.

Und lachend fielen sie sich in die Arme.

Itachi sah Sakura, wie sie Temari fest an sich drückte, und unter dem Grinsen, dem Lachen, da sah er ihre versteckten Tränen.

Und als er die beiden Freundinnen so sah, da wurde auch ihm warm ums Herz.

Und er fiel in das Lachen ein.
 

Eine Viertelstunde später saßen die beiden Mädchen auf der Couch, während Sasuke im Sessel eher döste, und Itachi den Tee brachte.

"Dann wurde der Brand wirklich gelegt ...", sagte Sakura leise. Temari hatte ihr eben alles noch einmal genau erzählt.

"Und du hast darüber nichts gehört? Von den anderen meine ich?", fragte Temari.

Sakura schüttelte nachdenklich den Kopf. "Nein, keiner wusste etwas. Sie waren alle mit den Nerven fertig", meinte sie Abwesend, doch Sasuke, der zwar die Augen geschlossen hatte, aber trotzdem zuhörte, hatte das Gefühl, dass Sakura nicht ganz die Wahrheit sagte. Er konnte aber nicht erklären warum.

"Ja, ich habe mich später auch umgehört, aber nichts raus gefunden. Und von unserer Truppe habe ich auch kaum jemanden finden können."

"Hm ... Aber was solls, das ist vorbei nicht?", wechselte Sakura abrupt das Thema, so dass sogar Sasuke die Augen öffnete. "Wir sind nicht mehr in New York, und ich für meine Person, habs auch nicht so eilig, da wieder hinzukommen."

Temari grinste. "Ich auch nicht. Und eigentlich wollten wir ja immer nach L.A."

Sakura lachte. "Stimmt, zwar nicht so, wie es geplant war, aber jetzt sind wir hier. Hier wird alles besser ...", das Lachen erstarb und Sakura musste sich mühe geben, nicht allzu Traurig zu werden. "Wie geht es deiner Mutter und deinem Bruder?", fragte sie schnell.

Temari seufzte. "Mum geht es schlecht. Und ich glaube ... naja es wird nicht besser. Der Winter ist kalt. Und sie ist nicht mehr die Jüngste. Medikamente sind teuer. Und sie bräuchte einen ganzen Arsch davon, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich weiß auch nicht ..."

"Meinst du damit, dass ..."

Temari nickte langsam. "Ich arbeite ja jetzt als Kellnerin, ein paar der Medikamente kann ich ihr kaufen. Wenigstens, dass sie etwas weniger hustet. Aber der Trailer ist alt, voll mit Schimmel und undicht. Und Gaara liegt den ganzen Tag nur auf seinem faulen Hintern und kifft sich die Birne weg. Es würde uns besser gehen, wenn er auch mal etwas vernünftiges machen würde!"

Sakura nickte. "Hört sich nicht gut an. Wenn sich nichts ändern, wird deine Mum wohl kaum ins neue Jahr kommen. Wie der alte Georg, weißt du noch? Der hats doch auch mit den Lungen gehabt, und als sie ihn dann von der Straße holten, lebte der plötzlich wieder auf. So einfach kann es gehen."

Temari seufzte. "Stimmt. Obwohl der alte George ein paar Monate später trotzdem gestorben ist."

"Nun ja, das lag aber weniger an seiner geteerten Lunge als an dem großen Loch, das er im Schädel hatte. Wer seine Nase in fremde Angelegenheiten steckt, der ist eben selbst dran schuld. Aber deine Mum wird wohl kaum demnächst erschossen werden, also müssen wir wohl irgendeine Idee haben. Ich wüsste vielleicht etwas, aber dazu muss ich erst mal hier raus."

"Das ist lieb, aber du musst dich erst selbst wieder erholen, bevor du irgendwo hin kannst. Der Arzt war gar nicht begeistert, und du siehst auch schlimm aus! Wie ein Strich in der Landschaft!", schimpfte Temari, obwohl sie selbst nicht zu den wohl genährtesten gehörte und einige Pfunde mehr vertragen könnte.

"Ach, ich bin jetzt schon wieder ganz fit. Noch mal ordentlich ausschlafen und ich kann Pferde stemmen!"

"Jaja, Pippi Langstrumpf. Du siehst aber ganz blass aus."

"Das kommt alles mit einmal wieder. Mach dir keine unnötigen Gedanken wegen mir. Die Winter hier sind kaum so hart wie in New York."

"Aber in New York warst du nicht alleine ...", bemerkte Temari traurig.

"Wer sagt das ich alleine bin?", fragte Sakura etwas scharf.

"Jemand aus dem Sao Paulo. Sie hat ... sie meinte einiges, und ..."

"Hör nicht auf das, was die sagen. Überhaupt solltest du da nicht mehr hin!", meinte Sakura und klang nun um einiges strenger. Auch Itachi und Sasuke merkten den plötzlichen Wandel des Mädchen. Bisher war sie noch recht ausgelassen gewesen, jetzt aber spürte man die Anspannung in der Luft.

"Was? Aber ich arbeite doch dort und ich brauch den Job!"

"An erster Stelle brauchst du dein Leben. Und wenn du dich dort rum treibst, bist du es schneller los, als dir lieb ist. Es gibt genug andere Dinge, die du machen kannst. Dinge, die weniger gefährlich sind. Dort treiben sich hauptsächlich Junkies und Dealer rum, das Sao Paulo vertreibt Drogen wie ihren Schnaps!"

Temari senkte den Blick. Eigentlich hatte sie es nicht ansprechen wollen, aber sie wollte die Wahrheit wissen. "Du auch, Sakura?", flüsterte sie.

"Was?", fragte Sakura perplex.

"Ob du auch ... die ... die andere Kellnerin meinte, du würdest auch Drogen verticken und selbst ...", Temari stockte.

"Ich sagte schon, dass du nicht auf andere hören sollst! Dort erzählt man sich so einiges, und meistens ist es Dreck."

"Sakura?", Temaris Stimme klang traurig wie nie zuvor. "Was ist im letzten Jahr alles passiert? Bitte, sei bitte ehrlich zu mir!"

Sakura schnürte es die Kehle zu. Sie sah Temari an, doch eigentlich war es eher, als sehe sie durch sie hindurch. Vor dieser Frage hatte sie sich gefürchtet.

"Weißt du ...", begann sie langsam. "Es war nicht gerade mein bestes Jahr ... aber ...", Sakura lehnte sich auf der Couch zurück. "Es ist doch eigentlich nur entscheiden, wie es endet. Und das Jahr ist bald rum, also warum noch von der Vergangenheit sprechen?", Sakura zwang sich zu einem Lächeln.

"Dann sag mir, was du tun wirst, wenn du wieder ok bist. Das ist nicht Vergangenheit, oder?!", Temari meinte es ernst. Sie wollte wissen, was passiert war, und sie würde es auch raus finden.

Sakura schloss die Augen. Sie fühlte sich schlapp und ausgelaugt, auch wenn sie das niemals zugeben würde. "Das Gleiche wie sonst auch."

"Dann werde ich wieder dabei sein. Wir machen es wieder zusammen!", Temari lächelte. Es würde wie früher werden, auch wenn sie vielleicht nicht mehr so viele waren.

Sakura lächelte ebenfalls. "Wie früher", flüsterte sie, ehe sie sich nach vorne fallen ließ und ihren Kopf auf den Händen abstützte. "Nein, Temari. Wir machen das nicht mehr zusammen. Ich mach es jetzt alleine", sagte sie ernst.

"Aber warum? Ich ..."

"Du hast deine Familie, Temari! Die steht jetzt an erster Stelle! Du kannst dir einen vernünftigen Job suchen, Geld verdienen ... du hast ein Dach über den Kopf und vielleicht irgendwann mal auch deine eigene Wohnung. Einen Kerl und ein paar dieser kleinen Viecher. Und noch ein Hund, eine Katze und ein paar Goldfische. So sollte dein Leben aussehen!"

"Deines doch auch!"

Sakura lachte bitter. "Sollte es das? Ja, vielleicht ...", doch die junge Frau schüttelte den Kopf. "Und wie sollte das passieren? Wer stellt jemanden wie mich ein? Meinst du, bei den ganzen Arbeitslosen, die es gibt, wird auch nur einer auf die Idee kommen, mich zu nehmen? Was kann ich vorweisen? Ich habe keinen Abschluss, keine Ausbildung, nichts! Ich habe mehr als die Hälfte meines Lebens auf der Strasse verbracht!"

"Aber deswegen musst du doch nicht auch den Rest deines Lebens dort verbringen!", nun wurde auch Temari laut, sodass Itachi leicht zusammen zuckte. Bisher hatte er der Diskussion schweigend zugehört, aber langsam bekam er Angst, dass sie eskalierte. Er sah zu seinen Bruder, doch der schien nach wie vor zu dösen.

"Lass uns jetzt nicht darüber sprechen. Über so was kann man sich später immer noch den Gedanken machen."

"Warum weichst du mir aus, Sakura? Du ..."

"Hört jetzt auf", sagte plötzlich Sasukes Stimme.

Itachi, der damit am wenigsten gerechnet hatte, sah seinen Bruder verwirrt an. "Wie?", entfuhr es ihm.

Sasuke gähnte herzhaft und sah zu Itachi. "Du und Temari sollten in die Stadt. Ich hab hunger und nichts im Kühlschrank. Ihr könntet das Mittagessen einkaufen fahren", sagte er wie aus dem Nichts. Ausnahmslos jeder war irritiert über dieses Verhalten.

"Aber ... jetzt? Ich meine, ...", begann Itachi, doch Sasuke stand schon auf.

"Ja jetzt! Falls du es nicht bemerkt hast, das Weib da wird vermutlich jeden Moment umkippen, wenn sie nicht ne Pause macht", sagte er betont lässig und sah zu Sakura.

Itachi warf ihr ebenfalls einen Blick zu, und musste Sasuke recht geben. Sakura war leichenblass im Gesicht und sah gar nicht gut aus.

"Was quatscht du da, ich brauch keine verdammte Ruhe! Die mach ich, wenn ich sie machen will!", knurrte die Rosahaarige beleidigt und wollte sich empört aufrichten. Allerdings straften sie ihre Worte Lügen und Sasuke konnte sie gerade so am Oberarm packen. Abermals hatte er sie vor dem Sturz gerettet.

Der jüngere Uchiha zog lächelnd eine Braue nach oben. "Das seh ich. Dir geht es fabelhaft."

Auch Temari war aufgestanden. Sie legte einen Arm um Sakuras Hüfte. "Na los, ich schlepp den Schwächling ins Bett", grinste sie.

"Vielen dank auch", murrte Sakura, lächelte aber matt zurück und ließ sich von Temari aus dem Zimmer helfen.

"Du hast eine bemerkenswerte Auffassungsgabe. Ich hätte eigentlich vermutet, dass du schläft", Itachi schüttelte lächelnd den Kopf. "Dabei hast du vermutlich schon erwartet, dass sie nicht lange durch hält. Brüderchen, Brüderchen, ich bin überrascht."

"Lass das Gelaber. Bring lieber was vernünftiges zu essen mit. Und irgendwas, was die essen kann", er deutete Richtung Gästezimmer, in dem die beiden Mädchen verschwunden waren.

Itachis Grinsen wurde noch breiter. "Du machst dir ja richtig Gedanken um Sakura. Muss ich mir Sorgen machen?"

"Pass auf was du sagst, sonst kannst du dir wirklich Sorgen machen!", brummte Sasuke böse.

Itachi schüttelte nur den Kopf. "Schon okay, ich will ja keinen Ärger", gluckste er.

"Ärger?", fragte Temari, die gerade ins Zimmer zurück kam. "Warum bekommst du Ärger?"

"Das muss ich wohl für mich behalten, sonst ist mein Leben in Gefahr ...", der ältere Uchiha erhob sich. "Hat sie sich hingelegt?"

Temari grinste. "Sie hat felsenfest behauptet, dass sie keine Ruhe braucht und nicht wie eine schwindende Oma behandelt werden will. Sie wollte nicht mal ins Bett", das Mädchen lachte leise. "Naja, sie hat sich überreden lassen und keine Sekunde später ist sie auch schon eingepennt."

Itachi lächelte sanft. "Du hast wirklich eine taffe Freundin."

Die Blonde nickte, allerdings sah sie dabei traurig aus. "Etwas zu taff. Sie kennt das Wort schonen nicht. Ich mach mir irgendwie sorgen ..."

"Na, jetzt ruht sie sich ja erstmal etwas aus. Lass uns in der Zeit einkaufen fahren, nicht dass Sasuke noch verhungert!", höhnte Itachi und gab seinem Bruder einen ordentlichen Klaps auf die Schulter. "Wir sind bald zurück. Kommst du klar?"

"Tse, was soll die dumme Frage?"

"Leg dich auch ne Runde hin", meinte Itachi plötzlich etwas ernster. "Du siehst auch nicht besonders fit aus."

Doch Sasuke zog nur die Stirn in Falten und ließ die beiden alleine.

"Dann wollen wir mal!", meinte Itachi zu Temari, die daraufhin nickte und mit dem Uchiha die Wohnung verließ.

Sei meine Begleitung - Itachis Part

"Jetzt bin ich knülle!", sagte Temari und ließ sich auf einen gemütlichen Leder besetzten Stuhl nieder, der in dem kleinen Cafe war, das sie vor knapp einer Minute mit Itachi betreten hatte. Sie hatten drei riesige Einkaufstüten mit Lebensmittel gekauft, besser gesagt Itachi. Da das meiste davon für Sakura war, wollte Temari es zwar bezahlen, aber Itachi hatte abgewehrt. Er war ein Gentleman und das sollte sie akzeptieren, hatte er einfach gesagt.

Und Temari war dankbar, denn sie hatte schon so kaum Geld übrig.

"Ich auch. Das war Marathon-Shopping!", lachte der Uchiha und nahm ebenfalls platz. "Wir sollten noch in eine Apotheke, bevor wir zurück fahren. Ein paar Aufbau-Präparate und deine Freundin steht morgen schon wieder fest auf den Beinen."

"Aufbau-Präparate?", wiederholte Temari. "Was soll das sein?"

"Na Eisen, Magnesium, Calcium ... damit hat mich meine Mutter früher immer überschüttet, wenn ich krank war."

Temari nickte verstehend. Davon hatte sie kaum Ahnung. Wenn sie mal krank gewesen war, hatte Honig mit Milch helfen müssen. Für mehr war kaum Geld dagewesen. "Ich muss dir wirklich danken, Itachi, ich ... ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn du nicht da wärst!", sagte sie ehrlich.

"Na, das ist doch selbstverständlich."

"Das ist es sicher nicht. Das würde nicht jeder machen. Und wir kennen uns nicht mal lange!"

"Dafür hab ich dich umso lieber", meinte Itachi frei heraus, woraufhin Temari rot anlief und eilig einen Kaffee bestellte.

Für eine Weile herrschte ein, zumindest für Temari, unangenehmes Schweigen.

"Temari?", fragte Itachi plötzlich und sah von der Zeitung auf, in die er gerade einen Blick geworfen hatte.

"Hm?", die junge Frau sah ihn fragend an, als sie an ihrem Getränk schlürfte.

"Begleitest du mich zur Weihnachtsfeier?"

PRUST!

Temari hustete heftig, und klopfte sich auf die Brust, da sie sich ziemlich verschluckt hatte.

Itachi sah sie besorgt an. "Gehts?"

"Ähm ... ja, ja alles okay, ich bin okay. Okay ja, okay ...", stammelte sie und stellte vorsorglich den Kaffee ab. "Ich ... also ..."

Itachi grinste und packte die Zeitung beiseite. "Ganz ruhig, erst einmal durchatmen ... so, und jetzt kannst du mir deine Antwort geben!"

"Meine Antwort?", keuchte die Blonde.

"Ja, ob du mich begleitest! Ich kenn dort doch im Prinzip niemanden, höchstens ein paar alte Säcke, und außerdem wüden mich dann alle um meine hübsche Begleitung beneiden!", lachte der Schwarzhaarige.

Temari rief an wie eine Tomate. Seine hübsche Begleitung? Hielt er sie für hübsch? Darüber hatte sie noch nie nachgedacht! Überhaupt hatte sie über sowas seit einer Ewigkeit nicht mehr nachgedacht. Hätte sie das vielleicht längt tun müssen? Über Itachi nachdenken? Und jetzt ... jetzt kamen ihr tausend Gedanken über ihn mit einmal. Just in diesem Moment stellte sie fest, dass er ja ein Mann war. Und sie eine Frau. Mann, Frau. Frau, Mann. Gott des Wahnsinns, was für eine Kombination!

"Ähm ... ich ... ich ... weiß nicht."

Itachi zog eine Schnute. "Wieso weißt du es nicht? Hast du keine Lust?"

"Das ... ist es nicht, aber ich ... ich weiß nicht mal, was man da anzieht, und wenn ich es weiß, dann weiß ich auch, dass ich so etwas bestimmt nicht habe, oder mir leisten könnte! Vielleicht kann ich es leihen, ob man so etwas kann? ...", quasselte die junge Frau hektisch, um sich ja nicht auf die Mann-Frau-Kombination zu konzentrieren.

Itachi winkte ab. "Ach, deswegen brauchst du dir noch keine Gedanken machen. Wir könnten vorher zusammen einkaufen gehen, ich habe auch keinen passenden Anzug mehr. Ich bin aus den meisten raus gewachsen ... "

"Anzug? So fein? Gott, Itachi, ich blamiere dich doch! Ich hab ja nicht mal Manieren. Ich kann grad mal eine Gabel und ein Messer halten. Und selbst da ...", Temari schwieg und versank in Gedanken, wo sie vor versammelten Mannschaft, die komplett aus männlichen Itachis bestand, mit Gabel und Messer hantierte ...

"Temari, bleib ruhig! Du machst dir viel zu viele Gedanken!"

"Tatsache? ...", Temari schüttelte ihre grausamen Vorstellungen ab.

"Was sagst du also?", hakte Itachi grinsend nach.

"Ich ... nun ja, ich ... denke schon", gab sie schließlich von sich. Aus irgendeinem Grund wollte sie ihn begleiten. Seine Begleitung sein ...
 

"Was soll das sein?", Sakura saß in Sasukes Wohnzimmer und packte die recht große Apothekentüte aus, die man ihr gegeben hatte. Sie hielt eine Schachtel mit großen, weißen Tabs in der Hand. "Ich hab keine Spülmaschine bei mir", sagte sie mi gerunzelter Stirn.

Itachi schmunzelte. "Das sind Brausetablette, die man in Wasser auflöst. Das ist zum Beispiel konzentriertes Magnesium. Die sind nicht für die Spülmaschine sondern für dich. Die löst du in Wasser auf und bekommst so alles was ein Körper braucht, um fit zu werden."

"Mit Spültabs soll der Fit werden?", Sakura schüttelte ungläubig den Kopf.

Itachi musste sich nun wahrlich zusammen reißen, um nicht in Gelächter auszubrechen. Sogar Sasuke grinste, obwohl er das Gespräch nur aus der Küche verfolgte. Er füllte ein Glas mit Wasser und brachte es ins Wohnzimmer.

"Danke Sasuke, dann demonstrieren wir es ihr am besten", sagte Itachi und waf eine Tablette ins Wasser, die sich sprudelnd auflöste.

"Und jetzt trink", sagte Itachi und hielt der Rosahaarigen das Glas hin.

Angewidert griff Sakura zu und nahm einen vorsichtigen ersten Schluck ... um ihn im nächsten Moment geradewegs auf die Couch zu versprühen.

"Wollt ihr mich vergiften?", fragte sie schockiert. "Das schmeckt ja widerlich!"

"Medizin schmeckt immer widerlich!", gab auch Temari ihren Senf dazu.

"Dann koste du mal, Oberschlaumeier!", knurrte Sakura und hielt ihrer Freundin das Glas hin.

Temari roch kurz dran, ehe sie das Gesicht verzog. "Dem Himmel sei dank bin ich gesund!", lachte sie und stand auf. "Ich kümmer mich mal ums Mittagessen."

"Ich helf dir!", rief Sakura sogleich. Ihr war alles recht um dieses Gebräu nicht trinken zu müssen.

Doch da hatte sie ihre Rechnung ohne Itachi gemacht. "Nichts da!", sagte er kopfschüttelnd. "Du bleibst sitzen, ruhst dich aus und trinkst das Glas leer. Du hast immerhin noch Calcium und Vitamin C vor dir!"

"Wie?", keuchte Sakura.

Doch Itachi wollte keine Widerworte hören. "Ich helfe Temari in der Küche und Sasuke passt auf, dass das schmackhafte Getränk nicht in der Blumenvase landet!"

"Klasse ...", kam es gleichzeitig aus Sasukes wie aus Sakuras Mund.

Eine Stunde später saßen die Vier in Sasukes Esszimmer.

"Das ... ähm sieht lecker aus", meinte Sakura, wobei ihre Mundwinkel verdächtig zuckten. Vor ihnen stand so etwas ähnliches wie gegartes Gemüse, verfeinert mit Kräutern aller Farben ...

"Hab mir ja auch Mühe gegeben!", sagte die Blonde stolz. Sakuras Unterton hatte sie nicht bemerkt.

Sasuke rümpfte die Nase. "Das kann man essen?", fragte er geradeaus.

"Sicher, und vor allem ist es Gesund!", mischte sich Itachi ein, der an dem Mahl nicht unschuldig war. "Und da ist das wichtigste!"

"Überleben ist das Wichtigste ...", korrigierte Sakura und ließ eine zerstampfte Paprika über ihre Gabel gleiten.

Sasuke musste sich zusammen reißen, nicht zu lachen.

"Ich muss sagen, für dieses treffende Kommentar hättest du dir eine extra Portion verdient ...", sagte er, während er im Essen nach Essbaren stocherte.

Temari zog eine Schnute. "Nun habt euch nicht so, Hauptsache es ist Nahrhaft, und ihr werdet davon nicht sterben!"

Sasuke, wie Sakura schnellten mit ihren Köpfen nach oben und sahen Temari zweifelnd an.

"Du hast damals schon immer grauenhaft gekocht", meinte Sakura und erinnerte sich. "Du hast alles immer zu Tode gekocht."

"Du bist gemein! Das lag auch an der Situation! Nicht jeder hätte über einer brennenden Tonne Spagetti zaubern können!"

"Wohl war, Spagetti ...", Sakura grinste, als sie dann zurück dachte. "Naja, wenn ich das überlebt habe, werde ich auch das hier überstehen."

"Das ist die richtige Einstellung."

Und am Ende war jeder Teller leer ...

I have to go

Es war schon gegen Mittag, als Sakura verschlafen die Augen öffnete. Sie brauchte einen Moment, ehe sie realisierte wo sie war. Sie richtete sich auf und bemerkte, dass sie seit langen zum erst einmal Aufwachte ohne zu frieren. Als sie aus dem Fenster blickte, sah den Schnee fallen. Große, dicke weiße Flocken schwebten vom Himmel nieder.

Die Rosahaarige schloss die Augen und dachte an Gestern. So viel war passiert! Sie hatte Temari wiedergefunden, obwohl sie ihre beste Freundin für Tot gehalten hatte. War das ein gutes Zeichen? Würde jetzt alles besser werden?

"Wohl kaum", flüsterte die junge Frau und stand auf. Sie ging zu dem großen Spiegel, der an der Wand hing und blickte in ihr eigenes, trauriges Gesicht. Sie sah wirklich nicht gut aus. Aber wie konnte sie, nach allem was im letzten Jahr passiert war? Wie konnte der Alkohol, der Stress, die Angst und die Traurigkeit nicht ihre Spuren hinterlassen haben?

Sakura seufzte. Was sollte sie jetzt tun? Ihr Leben war noch nie ein Vorzeigeleben gewesen, aber jetzt? Jetzt war es gefährlich, und verbittert. Und wenn sie hier blieb, würde sie die, die ihr helfen wollten, nur in Gefahr bringen. Vor allem Temari. Sie war niemand mehr, der dafür sorgte, dass andere Essen hatten, oder einen Schlafplatz. Sie musste niemanden mehr zusammenhalten.

Sie war jetzt allein, und das durfte sich auch nicht ändern. Jemanden wie sie in seiner Nähe zu haben, brachte nur Unglück. Und am wenigsten wollte sie Temari Unglück bringen. Ohne Sakura war Temari besser dran.

Sie hatte ihre Familie.

Sie hatte eine Chance, eine gute Arbeit zu finden.

Und sie hatte jetzt auch diesen Itachi, der ein sehr netter und feiner Kerl war. Und er mochte die Blondine. Das war unübersehbar! Er würde jetzt für sie sorgen und auf sie aufpassen.

Sakura hatte ihre Aufgabe erfüllt. Sie hatte dafür gesorgt, dass Temari die letzten Jahre überstanden, ja sogar an sich selbst gewachsen war. Sie war von einem kleinen, verschüchterten Mädchen zu einer temperamentvollen, jungen Frau geworden.

Und Sakura war dankbar, dass sie ihr dabei etwas hatte helfen können.

Traurig schüttelte die Rosahaarige ihren Kopf und zog sich ihre alten Sachen an, die frisch gewaschen auf dem Stuhl neben der Kommode lagen. Sie wusste, dass Sasuke bis zum Nachmittag arbeiten war. Und Temari und Itachi wollten erst zum Kaffee kommen. Sie hatte also Zeit.

Zeit, um zu gehen.

Ordentlich packte sie die von Sasuke geborgten Sachen auf das gemachte Bett. Sie ließ auch eine kleine Nachricht da. Er sollte nicht denken, dass sie undankbar war.

Sie spürte, wie frisch ihre Klamotten im Vergleich zu den wolligen Sachen des jungen Mannes waren. Es machte sie irgendwie traurig. Und irgendwo, da mochte sie den Eisklotz sogar. Er hatte sich um sie bemüht, ohne dass ihn jemand gezwungen hatte.

Wenn sie sich in einem anderen Leben begegnet wären ... wer weiß ob sie sich nicht gut verstanden hätten?

Sakura lächelte leicht, nahm sich ihren Schal und verließ das Zimmer. Sie ging ohne Umweg zur Haustür und tippte den Code ein, den Sasuke ihr gesagt hatte, als Temari gekommen war. Er war natürlich geändert worden ...

Sakura schüttelte lächelnd den Kopf. Dachte der Junge wirklich, sie so einfach aufhalten zu können?

Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer der Rezeption. Gelassen erklärte sie, dass sie sich eingesperrt hatte und ihr jemannd von draußen öffnen musste.

Eine halbe Stunde später saß sie in einem Bus.

Es ging zurück nach Watts.

Dort gehörte sie nun einmal hin ...

Und dort brachte sie nicht die in Gefahr, die ihr etwas bedeuteten ...
 

Als Sasuke gegen zwei nach Hause kam, war er sichtlich gestresst. Die Arbeit an sich war schon anstrengend genug, aber sich auch noch um diese Feier zu kümmern raubte ihn den letzten Nerv. Warum konnte das auch nicht ein anderer machen? Warum blieb immer alles an ihm hängen? Dieses Weib hatte er ja nun auch an den Hals.

"Ist Post für mich da?", raunzte er, als er am Portier vorbei marschierte.

"Nein Herr, aber dafür ist ihre Tür wieder vollkommen in Ordnung. Tut uns leid wegen dieses Unannehmlichkeiten."

Sasuke blieb abrupt stehen. "Was haben sie gerade gesagt?"

"Oh", der Portier schien überrascht. "Die Miss wollte doch gleich zu ihnen und ihnen berichten. Deswegen riefen wir sie nicht an. Sie meinte, sie übernehme das."

"Die Miss? Meinen sie die junge Frau? Wo ist sie hin?", Sasuke ahnte böses.

"Zu ihnen wollte sie, mein Herr."

Sasuke nickte. Mehr musste er von dem Mann nicht wissen.

Er eilte zum Fahrstuhl und fuhr zu seinem Apartment. Doch auch wenn er nicht daran glauben wollte, so wusste er, dass sie nicht mehr da sein würde ...

"Sakura?", rief er, als er die Wohnung betrat. Er machte sich nicht einmal die Mühe, Schuhe und Jacke auszuziehen. Geradewegs lief er ins Gästezimmer.

Doch dort war niemand.

Er ging zu dem Bett, wo seine Kleidung ordentlich gefaltet lag. Er nahm den Zettel, der neben den Sachen lag und las. Ein melancholischer Zug legte sich auf sein Gesicht.

Danke, hatte sie geschrieben. Danke für deine Menschlichkeit. Und das er Temari nicht sagen sollte, was der Arzt gesagt hatte. Sie würde klar kommen. Es sollte sie niemand suchen.

Sasuke knurrte. Dieses dumme Weib! Was dachte sie sich eigentlich?

Und was sollte er jetzt tun? Im Prinzip doch nichts, sie hatte ihn darum gebeten. Und er war sie los, musste sich um nichts mehr kümmern. War es so nicht das Beste?

Er ließ sich aufs Bett fallen und dachte nach, während er draußen den Schnee beobachtete. Die nächsten Tage würden noch kälter werden.

Aber dieses dumme Gör zog es ja vor, auf der Straße zu bleiben. Sie war doch selbst Schuld. Wie konnte man auch so eigensinnig sein?

Und sie kannte es ja auch nicht anders, sie würde klar kommen.

"Verdammter Mist!", Sasuke brodelte. Ihn plagte das Gewissen. Es war nervend!

Er stand auf und ging ins Wohnzimmer, schnappte sich das Telefon und rief Itachi an. Mit kurzen Worten erklärte er, was passiert war. Dann schnappte er sich seinen Autoschlüssel und verließ die Wohnung.

Eine halbe Stunde später standen ein BMW und ein Porsche vor Temaris Trailer. Die Leute in dem Park hatten nicht schlecht geguckt, als erst Itachi angefahren kam, und fünf Minuten später dann Sasuke.

So etwas hatte es hier wahrscheinlich noch nicht gegeben. Und dementsprechend wurde auch getratscht. Noch Wochen später erzählten die Leute davon ...

"Ich fass es nicht", sagte Temari den Tränen nahe. Sie saß im Wohnzimmerbereich des Trailers, zusammen mit Sasuke und Itachi. Die beiden Männer an einem Ort wie diesen wirkte irgendwie seltsam. Fast komisch.

"Ich verstehe es auch nicht. Hast du irgendwas zu ihr gesagt, Sasuke?", wollte Itachi von seinem Bruder wissen.

"Natürlich nicht!", entgegnete der jüngere Uchiha genervt. "Ich war ja nicht mal da. Ich hab sie seit gestern Abend nicht gesehen!"

"Aber wie sollen wir sie finden? Und dazu kriegen, wieder mitzukommen? Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ändert sie ihre Meinung nicht", meinte Temari, als ihre Mutter zum Tisch kam und Plätzchen hinstellte.

"Lasst es euch schmecken, Kinder", sagte sie freundlich. Das Besuch da war, war etwas seltenes und sie freute sich ehrlich darüber. Es päppelte sie fast etwas auf.

"Danke sehr", nickte Itachi lächelnd.

"Wollt ihr noch Tee? Es ist so schrecklich kalt draußen."

"Nein danke, Mum. Wir müssen noch weg."

"Eure Freundin suchen? Ich habe etwas gelauscht", lächelte die ältere Dame.

"Hm", gab Temari zu. Sie hatte ihrer Mutter nicht viel von Sakura erzählt. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter zuviel über ihr Leben damals auf der Straße wusste.

"Ein Mädchen von der Straße", Frau Sabakuno seufzte. "Ich fürchte, ihr werdet sie kaum finden können. Wenn jemand untertauchen kann, dann die Kinder, die dort leben. Allerdings", sie überlegte kurz. "Du könntest deinen Bruder fragen. Ich sage es nicht gern, aber er treibt sich dort öfter rum als hier. Er weiß vielleicht jemanden, der wiederum etwas weiß, der jemanden kennt, der etwas gehört hat ... verstehst du Liebling?"

Temari nickte. "Wo steck er im Moment?"

"Oh, normalerweise würde ich das nicht wissen, aber er redete vorhin mit jemanden und sagte, dass er in eine Bar gehen wollte. Ich glaube die gleiche, in der du arbeitest."

"Sao Paulo?"

Frau Sabakuno nickte.

"Dann fahren wir am besten gleich los", sagte Itachi und die anderen beiden nickten.

"Danke, Mum!", sagte Temari und gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn.

"Ach was. Bring mir öfter deinen netten Besuch mit."

Itachi grinste und gab der Frau die Hand. "Wir kommen bestimmt wieder. Es war sehr nett sie kennenzulernen."
 

"Was soll das heißen, ich bin gefeuert? Wegen dem ollen Glatzkopf? Ich kann das erklären!", Temari sah ihre Kollegin wütend an. Sie hatte ihr gerade gesagt, dass der Chef sie hier nicht mehr wollte.

Die andere Frau schüttelte den Kopf. "Deswegen nicht. Erinnerst du dich an die Frau, die dort saß? Über die wir geredet haben? Sie war vorhin beim Boss und hat auch was hier gelassen. Ich glaub, sie hat dafür gesorgt, dass du deinen Job verlierst. Ich hab ja gesagt, die ist gefährlich. Hast du es dir mit ihr verscherzt?"

Temari glaubte sich verhört zu haben. Sakura war hier gewesen? "Was hat sie dalassen?", fragte sie hektisch.

Die Andere fingerte hinter die Bar und gab Temari einen Briefumschlag. Hastig öffnete das Mädchen ihn und las den kleinen Zettel, der dort drinnen war.

"Danke", sagte sie schnell und ging zurück zu Itachi und Sasuke, die an einem der hinteren Tische saßen. Gaara war noch nicht aufgetaucht.

"Sie war hier", erklärte Temari knapp. "Und sie weiß das wir sie suchen. Sie sagt, wir sollen es lassen. Warum macht sie das?", Temari ließ sich auf den Stuhl fallen. Wieder war sie den Tränen nahe. Nach so langer Zeit hatte sie endlich Sakura gefunden, nur um sie kurze Zeit später wieder zu verlieren.

"Hat sie dir das geschrieben?", fragte Itachi und legte Temari beruhigend eine Hand auf die Schulter.

Die junge Frau nickte. "Ja. Und mein Job bin ich auch los."

"Was? Wegen ..."

"Sakura. Sie hat dem Chef irgendwas erzählt. Jetzt hat er mich gefeuert. Aber sie hat mi eine Adresse gegeben, für ein Cafe irgendwo in Westwood. Sie sagt dort wird eine Arbeitskraft gesucht und man wird mich auf jedenfall nehmen. Ich ..."

"Hey, keine Sorge, wir finden sie schon und überreden sie, wieder mitzukommen, hm?", meinte Itachi einfühlsam.

"Tse, wir lassen das Reden und schleppen sie einfach mit", knurrte Sasuke, der bisher kaum ein Wort gesagt hatte.

Temari lächelte matt. "Danke", flüsterte sie, als sie plötzlich rote Haare sah. "Da ist Gaara!", rief sie und sprang auf. Noch ehe ihr Bruder sich irgendwo setzen konnte, hatte sie ihn schon gepackt und aus der Bar gezogen. Sasuke und Itachi gingen ihr eilends nach.

Wusste Gaara vielleicht etwas über Sakura?

Sag es!

Temari holte tief Luft. Hinter ihr standen Sasuke und Itachi, und beide sahen schockiert aus. Das Gebäude, dass sich vor ihnen befand, war alt und zerfallen. Und hier sollte Sakura in der letzten Zeit gelebt haben?

"Und du glaubst wirklich, dass sie hier sein könnte?", fragte Itachi.

Temari nickte langsam. "Gaara hats gesagt. Und er meinte, seine Informationen stimmen immer. Das ist ... in New York hatte Sakura noch höhere Ansprüche ... das sie hier ... ich versteh es nicht", Temari schüttelte betrübt den Kopf. "Was ist passiert?", sagte sie mehr zu sich selbst.

"Lasst uns reingehen. Wenn sie uns bemerkt, wird sie nachher noch abhauen", meinte Sasuke kühl und wollte die Tür öffnen.

"Die sind meistens von innen zugenagelt. Kommt hier lang", sagte Temari etwas gefasster. Sie ging voran und zur rechten Seite des Hauses, dort gab es ein scheinbar geschlossenes Fenster. Temari lächelte sanft. "Das hier ist unverkennbar Sakuras Handschrift. Wir müssen durch das Fenster."

"Das ist zu", bemerkte Sasuke trocken.

"Ach ja?", Temari grinste leicht, schob einen kleinen Splitter an der unteren Seite nach hinten und schon ließ sich das Fenster bewegen.

"Ein Zaubertrick", applaudierte Itachi.

"Nicht ganz, aber so in der Art. Auf diese Weise kann man sich uneingeladene Gäste vom Leib halten. Und auf der Straße gibt davon genug ..."

Temari seufzte und stieg als erste ein, ehe ihr die Jungs folgten. Da es schon recht spät war, kam kaum noch Licht in das alte zerfallene Haus. Vorsichtig machten sie einen Schritt vor den nächsten.

"Wir sollten uns aufteilen und suchen. So erwischen wir sie am ehesten", überlegte Temari, da sie Angst hatte, Sakura könnte schon über alle Berge sein.

Die Uchiha-Brüder nickten leicht. Temari blieb im Erdgeschoss, währenddessen Itachi nach unten ging und Sasuke der Treppe nach oben folgte.

Bei jedem Schritt hatte er allerdings Angst, dass die Treppe einstürzen würde.

Oben angekommen atmete er erst einmal tief durch. Dass er wegen diesem Mädchen solch einen Stress hatte, wurmte ihn. Er würde ihr einige Takte sagen, wenn er sie finden sollte. Was dachte sie sich eigentlich? Dachte sie überhaupt nach?

Er folgte dem Flur und stellte Fest, dass das Haus größer war als er gedacht hatte. Von draußen wirkte es eher wie eine alte kleine Hütte. Wie konnte ein Mensch hier überhaupt leben? Es war zerfallen, dreckig und der Schimmel war überall an den Wänden. Und es war kalt, furchtbar kalt.

Sasuke seufzte und ging weiter. Es gab allerlei kleine Zimmer und jedesmal, wenn er in eins Blickte, dachte er Sakura könnte dort drinnen sein. Ob sie wusste, dass sie hier waren? Ob sie vielleicht schon längst verschwunden war? Oder versteckte sie sich in irgendeiner dunklen Ecke?

Warum tat sie das? Warum lief sie weg? Hierher ... Wie konnte man so ein Leben vorziehen? Sie hätte doch für eine Weile bei ihm bleiben können, wo war das Problem?

Und da musste er unwillkürlich an seine Mutter denken.

Als er noch klein war, hatten sie sich einen Hund zugelegt. Er sollte mal ein guter Wachhund werden. Zwar hatte das Uchiha Anwesen etliche Alarmanlagen und es gab auch Bodyguards, doch ein Wachhund war immer eine gute Maßnahme. Sasuke war damals vielleicht vier gewesen, als der Welpe zu ihnen kam. Er erinnerte sich, wie er mit ihm aufgewachsen war. Er war ein guter Freund gewesen, und treu. Aber er durfte nie ins Haus. Als dann der Winter kam, hatte Sasuke seine Mutter angebettelt, den Hund ins Haus holen zu dürfen. Er hatte Angst um seinen Freund, dass er erfrieren könnte.

Doch seine Mutter hatte nein gesagt und Sasuke war nach einer heftigen Diskussion weinend auf sein Zimmer gerannt. Später kam seine Mutter zu ihm und setzte sich an sein Bett.

"Liebling, du musst verstehen, dass es für ihn das Beste ist, wenn er draußen bleibt", sagte sie sanft und streichelte ihrem Sohn über die Haare.

"Wie kann es gut für ihn sein, es ist draußen viel zu kalt", erwiderte Sasuke wütend.

"Aber er ist es nicht anders gewohnt. Lieber nimmt er die Kälte in kauf, als dass er sich hier drinnen einsperren lässt. Er kennt keine Wände, und den stickigen Geruch im Haus."

"Hier ist es doch nicht stickig!"

"Für ihn schon, denn er hat bisher immer nur die Luft geatmet, die der Wind ihm bringt. Und es ist auch nicht gut, ihn rein zunehmen, weil sein Körper sich den Temperaturen draußen angepasst hat. Hier drinnen würde er sich vollkommen Umstellen müssen, und umso schwerer ist es für ihn, wenn er wieder hinaus muss."

Sasuke schreckte aus seinen Gedanken hoch. Er mochte es nicht, wenn ihn alte Erinnerungen überkamen. Aber waren das vielleicht Sakuras Ängste? Darüber hatte er bisher nie gedacht, sie aber vermutlich schon. Nämlich dass sie wieder gehen musste, wenn sie gesund war. Fürchtete sie sich, sich dann nicht mehr Umstellen zu können? Aber sie war doch ein Mensch und kein Hund! Was für lächerliche Gedanken er doch im Moment hatte!

Aber war es wirklich so lächerlich? Bestand ihre Angst darin, dass sie sich an eine warme Wohnung gewöhnen konnte? Was man nicht kennt, dass vermisst man auch nicht, wie wenn man es in den Händen hielt und fallen lassen musste.

Das hatte seine Mutter auch mal gesagt.

Aber was sollte er tun? Ihr helfen eine Wohnung zu finden? Das war doch nicht sein Problem! Und trotzdem, warum beschäftigte er sich dann damit, was sie dachte?

Was war nur mit ihm los?

Wollte er das wirklich wissen?

Oder wusste er es im Prinzip längst?

Konnte es sein, dass er nicht einfach nur Mitleid mit dem Weib hatte, sondern sie gar mochte?

Wie konnte das sein? Er mochte doch sonst niemanden! Er hatte keine Freunde, wollte keine. Die, mit denen er zu tun hatte, waren ihm viel zu dumm.

War Sakura da anders?

Oder lag es daran, dass sie in gewisser Hinsicht wie er war?

Sie wollte auch niemanden, sie wollte keine Hilfe. Sie wollte nur für sich sein.

Und für einen kurzen Moment spürte er, wie falsch diese Haltung war.

Sasuke blieb stehen, unsicher was er jetzt tun sollte. Wenn er sie wieder zu sich holen würde, dann war es nur für eine bestimmte Zeit. Irgendwann musste sie wieder gehen, und dann? Für ihn war dann alles wieder wie früher, aber für sie hätte sich einiges geändert.

Denn sie würde dann etwas vermissen, was sie vorher gar nicht wirklich gekannt hatte. Ein warmes Bett, eine warme Mahlzeit, und vielleicht Menschen, die um sie herum waren.

Seine Gedanken schweiften wieder ab, zu dem kalten Winter vor vielen Jahren.

Er hatte seinen treuen Freund nicht mit ins Haus nehmen dürfen. Doch er hatte es eingesehen. Seine Mutter hatte vermutlich recht gehabt. Man konnte ein Tier nicht aus seinen Umfeld reißen.

Er hatte seinen treuen Freund in diesen Winter dennoch verloren. Er war erst ein Jahr alt gewesen, und als sich ein anderer Hund über den Zaun geschlichen hatte, hatte dieser seinen Hund tot gebissen.

Sasuke schüttelte den Kopf, um seine Gedanken frei zu bekommen. Warum musste er gerade jetzt daran denken? Doch eines stand fest. Wenn er Sakura für eine Weile aufnehmen würde, würde sie sicher Probleme haben, hier wieder zu recht zu kommen. Tat er es aber nicht, würde sie demnächst vermutlich nicht mehr aufwachen.

Man konnte die Dinge nicht voraussehen, dass hatte er damals gelernt. Auch das es falsche Entscheidungen gab, egal welchen Weg man wählte.

Sasuke setzte sich in Bewegung und ging weiter. Er hatte noch zwei Zimmer, in denen er nicht geguckt hatte. Doch er glaubte nicht daran, dass sie noch hier war. Wenn einer der anderen sie nicht entdeckt hatte, dann war sie vermutlich erst gar nicht hier gewesen.

Das Zimmer, dass Sasuke als nächstes Betrat, war am größten. Er ging einige Schritte hinein, denn er konnte kaum etwas sehen. Plötzlich spürte er etwas kaltes am Hals, ohne das er etwas hatte kommen hören.

Er musste unwillkürlich lächeln. "Ist das wieder ein Fieberthermometer?", fragte er belustigt.

"Diesmal leider nicht", antwortete Sakura traurig. "Warum seid ihr hier? Ich hatte dich doch darum gebeten, dass ..."

"Ach, halt den Mund. Ich weiß worum du mich gebeten hast, und ich lehne deine Bitte ab. Deine Freundin ist mit den Nerven runter, weil du abgehauen bist! Denk doch nicht nur an dich selbst!"

"Hast du ihr gesagt ..."

"Nein, was Doktor Larch gesagt hat, behalte ich vorerst für mich. Es sei denn, du weigerst dich mitzukommen."

"Du verstehst das nicht! Wenn ich zurückkomme, und wenn Temari bei mir ist ... ich bin nicht mehr die, die ich damals war! Und ich habe in den letzten Monaten Dinge getan für die ich grade stehen muss. Ich will nicht, dass Temari in Gefahr gerät!"

"Was hast du angestellt? Eine Bank ausgeräumt?", witzelte Sasuke und drehte sich vorsichtig um, damit er Sakura in die Augen sehen konnte. Allerdings bemerkte er auch das rasierklingenscharfe Messer an seinem Hals.

"Was ich getan habe, geht niemanden etwas an! Es ist einzig und alleine meine Sache!"

"Du solltest es mir lieber sagen", meinte Sasuke tonlos.

Sakura zögerte. Vielleicht würde er dann die Gefahr erkennen und sie gehen lassen?

"Ich hab ... der Polizei was gesteckt, verstehst du? Und es gibt Leute, die das nicht gut fanden. Sie haben raus bekommen, dass ich es war. Sie kennen mich!"

"Dann geh zur Polizei und erklär denen, dass du Hilfe brauchst! Wenn du zu denen gehst um zu petzen ...", Sasuke grinste. Er hätte eigentlich nicht gedacht, dass Sakura jemand war, der andere an den Pranger stellte. Waren das hier nicht alles ihre Leute? Auf die eine oder andere Weise?

"Petzen? Ich nenne das nicht petzen, und wenn es das ist, dann steh ich dazu, denn ich würde es immer wieder machen! Die Kerle haben Kinder vergewaltigt!", Sakura wurde lauter und ihr Gesicht verzog sich schmerzverzerrt. "Sie haben kleine Mädchen missbraucht, verstehst du das? Nur weil sie auf der Straße leben und es keinen interessiert, wenn sie mal für ein paar Nächte wegbleiben! Weil sich niemand für sie interessiert! Dafür sollen die Schweine hängen, und ...", Sakura versagte die Stimme. Tränen standen ihr in den Augen und sie ließ das Messer fallen. Sie hatte keine Kraft mehr.

Doch Sasuke nutzte nicht die Gelegenheit, sondern blieb wie erstarrt stehen. Die grausamen Worte hallten immer wieder in seinem Kopf nach. Und er sah Sakura, die kaum noch stehen konnte. Er machte einen Schritt nach vorne. Und drückte das Mädchen tröstend an sich ...

Sakura begann nun immer mehr zu weinen, ihr Schluchzen wurde immer lauter und sie krallte sich an seiner Jacke fest. Mittlerweile musste Sasuke sie stützen, damit sie nicht zu Boden ging.

"Hat ... hat die Polizei die Kerle verhaftet?", fragte er vorsichtig.

Sakura schüttelte unter Tränen den Kopf. "Nur einen, weil sie ihn ... weil sie ihn dabei erwischten und nicht wegsehen konnten ..."

Und jetzt verstand er die Situation.

Sakura war ernsthaft in Gefahr.

Und jeder, der sich in ihrer Nähe befand, vermutlich auch.

Und obwohl sie richtig gehandelt hatte, wollte sie noch alleine dafür grade stehen. Selbst jetzt wollte sie keine Hilfe.

Manchmal war es egal, was man tat. So oder so konnte es falsch sein.

Doch Sakura hatte das einzig richtige getan.

Und er würde kein Feigling sein, der jemanden mit soviel Mut zurückließ.

"Wir gehen", sagte er langsam und er spürte Sakuras kraftlosen Versuch, sich dagegen zu wehren. Doch diesmal würde er sie nicht weglaufen lassen.

Er führte sie die Treppe hinunter, als ihm auch schon Temari und Itachi entgegen kamen. Er deutete ihnen, Ruhe zu bewahren, denn Sakura weinte immer noch klammernd an Sasukes Jacke. Scheinbar hatte sie die Nerven verloren, was nur allzu verständlich war.

Itachi nickte verstehend, während Temari selbst leise zu weinen anfing. Noch nie hatte sie ihre 'Freundin weinen sehen, immer war sie Stark gewesen und hatte alles durchgestanden. Was konnte passiert sein?

Noch im Auto weinte Sakura, bis sie vor Erschöpfung einfach einschlief.

What can i say

"Temari, wollen wir gehen?", flüsterte Itachi, als er leise das Gästezimmer betrat, in dem Sakura schlief. Temari saß neben ihr auf einem Stuhl und blickte traurig zum Fenster raus.

Seit einer Stunde etwa waren sie wieder bei Sasuke, seit dem hatte Sakura nicht die Augen geöffnet. Temari hätte gern mit ihr geredet, ihr Trost zu gesprochen, aber Sakura hatte den Schlaf nötig. So saß sie nur da und lauschte dem Atem ihrer Freundin und blickte in die Dunkelheit, die sich über Westwood gelegt hatte.

Kurz nachdem sie in der Wohnung gewesen waren, hatten sie sich ins Wohnzimmer gesetzt und Sasuke hatte ihnen erzählt, was Sakura gesagt hatte.

Vor allem für Temari war es ein Schock gewesen. Und sie konnte es einfach nicht verstehen. Warum tat die Polizei so wenig? Warum half sie nicht denen, die Hilfe brauchten? Warum verschlossen sie die Augen vor so grausamen Dingen? War es in New York auch so gewesen, oder hatte sie es einfach nicht mitbekommen?

"Temari?", Itachi stellte sich neben sie und legte seine Hand auf ihre Schulter.

"Ja, ich ... entschuldige. Ich komme sofort", sagte sie.

Itachi nickte und verließ den Raum.

"Lauf bitte nicht mehr weg, Sakura", flüsterte sie, als sie aufstand. "Versprich es mir! Wir stehen das zusammen durch, okay? Alle für einen, und einer für alle, stimmts? So wie damals."

Temari schloss die Augen. Ja, so wie damals.

Dann verließ sie das Zimmer.

"Wenn etwas ist, ruf an", sagte Itachi, als er sich von Sasuke verabschiedete. "Ansonsten sind wir morgen Mittag da."

Sasuke nickte. "Ich denke, dann wird der Arzt auch fertig sein", meinte er. Doktor Larch wollte nämlich am Vormittag nach Sakura sehen.

"Danke", sagte Temari und reichte Sasuke die Hand.

Sasuke nahm sie und nickte.

Dann schloss er die Tür und ging in die Küche, um sich einen starken Kaffee zu kochen. Er wartete einen Moment, ehe er zum Gästezimmer zurückkehrte. Vorsichtig öffnete er die Tür.

"Sie sind gerade gegangen", meinte er in die Dunkelheit. "Wenn du Hunger hast oder einen Kaffee willst komm in die Küche."

Dann kehrte er selbst zu seinem Kaffee zurück.

Wie erwartet folgte Sakura ein paar Minuten später und setzte sich ihm gegenüber. Keiner sagte ein Wort, aber Sasuke stellte fest, dass sie noch schlechter als vorher aussah. Er goss einen zweiten Kaffee ein und stellte ihn ihr hin.

"Doktor Larch kommt morgen um 10 Uhr her, er wollte noch mal nach dir sehen", meinte der Schwarzhaarige schließlich. Obwohl er sicher nicht ein Mann vieler Worte war, hatte er das Bedürfnis mit Sakura zu reden. Allerdings wusste er nicht so recht, über was.

"Danach muss ich zur Arbeit, aber Itachi bringt Temari vorbei und ihr könnt euch Mittagessen machen und so was."

"Wissen sie bescheid?", fragte Sakura leise, ohne von ihrem Kaffee aufzublicken.

Sasuke nickte. "Ja. Und sie wollen beide, dass du bleibst. Also wenn du vorhast wieder abzuhauen ..."

"Nein, schon gut ...", meinte Sakura abwesend.

"Dann ist gut. Sakura?"

"Hm?"

"Kennst du ihre Namen?", wollte Sasuke vorsichtig wissen.

"Natürlich ..."

"Wie ..."

"Nein", Sakura schüttelte den Kopf. "Es reicht schon, dass ich hier bin. Aber wenn sie wissen, dass ihr wisst, wer sie sind, ist das was anderes."

"Wir müssen etwas unternehmen, Sakura!"

"Wir müssen abwarten ..."

"Worauf warten? Dass noch mehr Kinder ..."

"Im Moment sind die Kinder vor ihnen zumindest sicher. Die sind nicht so dumm, weiter zu machen, solange einer von ihnen im Knast sitzt."

"Aber sie müssen alle ins Gefängnis!"

"Krepieren müssen sie!", sagte Sakura aufgebracht. "Nicht ins Gefängnis, mit drei warmen Mahlzeiten und Fernsehen. Und nach fünf Jahren sind sie wieder draußen und können weiter machen."

"Und was sind das für Leute?", wollte Sasuke wissen.

"Das sind keine Leute, dass sind Monster! Und ihr Boss ist der Schlimmste von ihnen. Er hat Beziehungen zur Mafia und bezieht daher seine Drogen. Und seine Penner verteilen das Zeug. Nicht nur in Watts, in ganz L.A. Aber ich kenne nur die aus Watts und Westwood. Es sind vier, mit ihm fünf. Und einer davon sitz jetzt im Gefängnis und freut sich über sein warmes Bett."

"Woher kennst du sie?"

Sakura zuckte mit den Schultern. "Was weiß ich, irgendwoher."

"Hast du von ihnen Drogen bekommen?", fragte Sasuke geradeaus.

Sakura zuckte zusammen. Warum ließ man sie nicht einfach in Ruhe? Warum nahm diese Fragerei kein Ende?

"Möglich", meinte sie schließlich.

"Möglich, oder ja?"

"Verdammt, ja!", fauchte das Mädchen. "Aber selten. Die Ware war nciht einwandfrei und ich wollte selbst Profit machen."

"Du hast sie nicht selber genommen?"

Sakura lachte leise. "Nein, Drogen haben mein Leben schon einmal kaputt gemacht, und ich bin jetzt clean und werd es auch bleiben. Ich hab sie weiterverkauft, um über die Runden zu kommen."

"Konntest du dir keine vernünftige Arbeit suchen?"

"Das hab ich", lächelte Sakura gedankenverloren. "Und ich hatte sogar einen kleinen Aushilfsjob. Sogar eine eigene Wohnung, wenn auch nur für ein paar Wochen. Aber das alles bin ich schneller losgeworden, als ich es begreifen konnte ..."

"Und warum?"

Sakura nahm einen kräftigen Schluck von dem heißen Kaffee. "Weil ich nur noch gesoffen habe. Hinter was hinter ging. Und mein Chef hat mich vor die Wahl gestellt. Entweder ich nehm mir einen Psychologen und lass das Trinken, oder ich verschwinde. Er war schon ein feiner Kerl. Normalerweise hätte mich jeder andere sofort rausgeworfen."

"Was hast du ..."

"Ich bin gegangen, natürlich. Was soll ich mit einem Psychologen, der mir sagt, wo das Problem liegt? Ich bin doch kein Idiot, ich kenne meine Probleme selbst. Dazu muss niemand in meiner Seele bohren. Das größte Problem ist aber nun mal, dass sich meine Probleme nicht lösen können. Es kann mir keiner meine Erinnerung nehmen. Nein, das geht leider nicht ...", meinte Sakura mehr zu sich selbst und wie in Trance. Sie schüttelte den Kopf, um wieder zu sich zu kommen. "Aber Temari lebt, und damit ist ein Problem beseitigt. Sie ist okay, und es geht ihr relativ gut."

Sasuke nickte und goss sich Kaffee nach. Er hatte das Gefühl, davon heute nicht genug bekommen zu können.

"Dann hast du getrunken wegen deinen Problemen?", wollte er wissen.

Sakura überlegte. "Keine Ahnung, vielleicht um zu vergessen, vielleicht um sich leichter zu fühlen, vielleicht weil es einen von innen wärmt ... Oder weil ich vorher, in New York mein ich, eigentlich nie Alkohol getrunken habe. Und nun hab ich entdeckt, dass die Welt sich so, wenigstens für eine Weile leichter ertragen lässt. Es gibt viele Gründe, warum ... aber eigentlich ist einer Dümmer als der andere. Aber dumme Menschen machen dumme Dinge, und ich hab genug dumme Dinge gesehen und gemacht, dass es auf eins mehr oder weniger auch nicht mehr drauf ankommt."

Sakura seufzte. "Hast du dumme Dinge in deinem Leben gemacht?"

Sasuke runzelte die Stirn. Er hatte eigentlich nicht das Bedürfnis, über sich zu sprechen. "Keine Ahnung", meinte er einfach.

"Findest du dein Leben, so wie es jetzt ist, ok? Stört dich nichts, oder würdest du gerne etwas ändern?"

Sasuke zuckte mit den Achseln. "Darüber mach ich mir keine Gedanken."

Sakura seufzte wieder. "Was machst du überhaupt? Was arbeitest du?"

"Ich studiere, und nebenbei arbeite ich in der Firma meines Vaters."

"Muss man dir alles einzeln aus der Nase ziehen? Was studierst du?"

"Interessiert dich das wirklich?", fragte Sasuke leicht gereizt. Er hatte weniger Lust, über so etwas zu reden.

"Nein, und gerade weil ich es absolut nicht hören will, frage ich. Einzig und allein zu dem Zweck, um deine reizende Stimme zu vernehmen, die wie Engelsgesang in mein Ohr dringen ...

Sasuke konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Und so begann er zu erzählen. Von seinem Studium an der UCLA, von seinem Vater und der Firma, und auch von Itachi, von seinem Rausschmiss aus der Familie, und sogar von der Weihnachtsfeier nächste Woche. Er redete in dieser Stunde wahrscheinlich mehr, als wie in den letzten Wochen zusammen. Und auch wenn vieles tonlos klang, und nur wenig von seinen Gefühlen rüber kam, sonder mehr wie ein Bericht in der Zeitung klang, so tat er doch hier etwas für ihn ungewöhnliches. Er erzählte von sich. Eigentlich etwas ganz normales.

Doch für beide, für Sakura und Sasuke, war es nie etwas normales gewesen. Sie hatten es nicht gelernt, es nie gewollt. Beide versteckten Gefühle und Ängste, beide schämten sich ihrer, und dennoch brauchten beide jemanden, der sie irgendwann dazu brachte, über sie zu reden.

Und genau das geschah in diesem Moment. Sie redeten über sich, hörten dem anderen zu. Bis spät in die Nacht hinein saßen sie einfach nur in der Küche, tranken Kaffee und redeten.

Und auch wenn es keiner der beiden zugegeben hätte. Es tat ihnen gut. Es befreite sie von einer unsichtbaren Last. Vielleicht konnte es nicht die Probleme lösen, aber es konnte sie erleichtern ...

Sing a song

"Nun", räusperte sich Doktor Larch, als er mit seinen Untersuchungen fertig war. "Ich muss gestehen, ich hätte mir gewünscht, dass sie etwas besser aussehen."

Sakura hörte schweigend zu. Es passte ihr nicht wirklich, dass sie ein fremder Mensch untersuchte, ob er nun Arzt war oder nicht.

Das merkte der Doktor auch recht schnell, und nur zu gut konnte er es verstehen, deshalb wandte er sich an Sasuke, der wieder im Zimmer war und auf einem Sessel weiter hinten platz genommen hatte. Während der Untersuchung hatte er draußen gewartet, nun wollte er aber auch hören, was der Arzt zu sagen hatte.

"Hat ihnen der Herr Uchiha gesagt, wie es um ihre Gesundheit steht?"

Sakura nickte desinteressiert.

"Sie sollten wirklich ruhiger werden. Vermeiden sie jeglichen Stress. Es ist in ihrer jetzigen Situation das blanke Gift. Und als Arzt muss ich ihnen raten, ins Krankenhaus zu gehen. Allerdings weiß ich um ihre Lage, und es stellt sich die Frage, wie es mit einer Versicherung aussieht."

Sakura schüttelte den Kopf.

"Das heißt also, dass sie keine haben."

"Ich kann sie auch nicht bezahlen", sagte Sakura tonlos.

Doktor Larch nickte. "Ich weiß, und ich möchte auch gar kein Geld. Ich kann es vertragen, auch etwas für meine Würde als Arztes zu tun, und nicht nur für den vollen Geldbeutel. Leider Gottes ist es so", er seufzte. "Nun, dann möchte ich ihnen vorschlagen, wenigstens meine Hilfe anzunehmen und mit mir zusammen zuarbeiten."

Sakura legte die Stirn in Falten. Sie mochte solche Situationen nicht. Was hatte sie für eine Wahl?

Also nickte sie langsam.

"Das ist doch ein Anfang", Doktor Larch lächelte. "Ich würde sie bitten, übermorgen in meine Praxis zu kommen. Dort habe ich die nötigen Geräte für wichtige Untersuchungen. Ist es ihnen möglich zu kommen?", er sah Sakura an, aber eine Antwort erwartete er eher von Sasuke.

"Sie wird da sein", sagte er geschäftig.

Der Arzt nickte erleichtert. "Ginge es um sieben? Ich weiß es ist früh, aber um diese Zeit habe ich keine anderen Patienten und wir haben genügend Zeit zur Verfügung."

"Sicher", meinte der Uchiha.

"Das freut mich. Dann bin ich für heute fertig und erwarte sie übermorgen. Ruhen sie sich aus, schlafen sie viel und bitte essen sie. Ein paar Pfunde mehr und die Welt sieht schon viel besser aus."

Sakura nickte leicht.

Dann ging Doktor Larch mit Sasuke hinaus.

"Und?", fragte Sasuke, als er den alten Mann zur Tür brachte.

"Ich wünschte, ich könnte schon genaueres sagen. Aber die Untersuchungen sind wichtig. Herr Uchiha, wie lange werden sie sie hier behalten können? Ich mache mir ernsthafte Sorgen, ich denke nicht, dass sich innerhalb der nächsten Wochen etwas ändern wird. Über Jahre wurde ihre Gesundheit abgebaut und sie wird vermutlich Wochen brauchen, um wenigstens einigermaßen bei Kräften zu sein. Allerdings kann ich verstehen, wenn sie hier nicht bleiben kann. Ich würde versuchen, etwas für das Mädchen zu finden. Vielleicht eine Art Stätte für Obdachlose oder etwas derartiges, ich weiß es nicht. Dort gibt es auch fähige Ärzte ..."

Sasuke wusste, was der Arzt meinte. Dort könnte er sie nicht mehr betreuen.

"Nein, sie bleibt bis sie wieder die Alte ist", sagte er schlicht.

Doktor Larch nickte. "Die Alte ... bei dem Mädchen frage ich mich, ob sie jemals bei vollen Kräften war. Ich glaube vieles, was ihr Körper uns an Signalen gibt, kommt von ihrer Psyche. Es wäre eine Überlegung Wert, einen Psychologen aufzusuchen. Ich könnte jemanden rausfinden, der, was das Geld angeht, mit sich reden lässt ..."

Sasuke schüttelte den Kopf. "Geld spielt keine Rolle, schicken sie mir die Rechnungen und sagen ihr nichts davon. Sie muss es nicht wissen. Aber ich will den besten Arzt!", meinte Sasuke ausdrücklich.

Doktor Larch nickte.

"Und ich denke, eine Frau wäre besser", fügte Sasuke hinzu.

Doktor Larch nickte wieder. "Das denke ich auch", meinte er betrübt.
 

Kurz nach 12 klingelte es an der Tür. Sasuke ging öffnen, da er Sakura den Code nicht sagen wollte. Auf noch eine Suchaktion in Watts hatte er keine Lust.

"Na Brüderchen, alles klar?", begrüßte ihn Itachi, ließ Temari zuerst eintreten und folgte dann in den Vorsaal.

"Hey", meinte Temari und hob kurz die Hand zum Gruß.

Sasuke nickte. "Sakura ist im Wohnzimmer. Wenn ihr auch Kaffee oder so etwas wollt, Itachi weiß ja wo alles ist", meinte der jüngere Uchiha.

"Pah, deine Gastfreundschaft ist beeindruckend", murrte Itachi. "Möchtest du was trinken, Temari?"

"Ja, danke. Ein Tee wär gut", sagte die Blonde und folgte Sasuke in die Wohnstube.

"Hallo Sakura", sagte Temari, als sie ihre Freundin auf der Couch sah, wieder in Sasukes Klamotten und mit Decken eingewickelt Kaffeetrinkend. "Wie gehts dir?"

"Hey", gab die Rosahaarige zurück und machte für Temari platz. "Ganz gut. Ich glaube, wenn ich den ganzen Tag Fernsehen gucke, gewöhne ich mich noch an dieses konservative Leben in einer Wohnung", meinte sie mit leichten Lächeln.

"Dann bleibst du?", fragte Temari mit besorgten Unterton.

Sakura nickte. "Tut mir leid, dass ich dir solchen Kummer bereitet habe, dass wollte ich nicht. Ich hatte nur ... ich ..."

"Schon gut", winkte Temari ab. "Sasuke hat es uns erklärt und ich verstehe dich. Ich hab nur Angst, dass ... dass ich dich wieder verliere!"

Sakura sah Temari aufmunternd an. "Alle für einen, und einer für alle, nicht wahr?", wiederholte sie Temaris Worte von gestern.

Temari kamen die Tränen und sie fiel Sakura um den Hals. "Ja", rief sie.

"Nun flenn hier nicht rum, du Heulsuse!"

"Das musst du sagen", versuchte Temari zu lächeln. "Ich hab dich gestern zum ersten mal Weinen sehen."

"Tatsächlich? Tut mir leid ..."

"Ach hör doch auf, warum sollte dir das leid tun!"

"Ich hab sie sogar schon zum Zweitenmal heulen sehen", grinste Sasuke und stand vom Sessel auf.

"Idiot!", brummte Sakura beleidigt, während Temari nur überrascht war.

"Heulsuse!", konterte Sasuke. "Aber nun gut, ich muss zur Arbeit. Wir sehen uns später."

Sasuke verließ das Wohnzimmer und ging in die Küche. "Du hast die beiden Mädchen im Griff?", fragte er seinen Bruder grinsend.

Itachi nickte. "Ich bin der geborene Babysitter, bei einem Bruder wie dir ..."

"Red keinen Stuss", raunzte Sasuke. "Wie lange bist du nachher weg?"

"Ich muss um drei zum Studio. Gegen sechs wäre ich wieder da."

Sasuke nickte. "Ich bin gegen fünf zurück. Länger werde ich heute nicht bleiben. Dann sind sie zwei Stunden alleine, das wird wohl klappen."

"Du bist ja richtig fürsorglich. Vernachlässigst sogar deine Arbeit. Ich bin sehr überrascht. Hast du sie schon gefragt?"

"Was?", fragte Sasuke perplex.

"Na ob sie dich zur Weihnachtsfeier begleitet, oder hast du schon jemanden? Oder gedenkst du gar alleine zu kommen?"

"Das geht dich ja wohl nichts an!", schnauzte Sasuke genervt.

"Wirst du sie noch fragen?"

"Hast du denn jemanden?", umging Sasuke die Frage.

"Sicher. Temari begleitet mich."

"Tse, ich gehe alleine. Es ist keine Pflicht, jemanden mitzubringen."

"Dann willst du sie hier den ganzen Abend alleine lassen?"

"Ich ... sie steht aber keinen Abend durch. Der Arzt sagt, kein Stress und nichts!"

"Also machst du dir sorgen?"

"Lass mich zufrieden, Itachi."

"Wirst du sie fragen?", Itachi grinste breit

"Ich überleg es mir!"

"Aber frag sie nicht, als wäre sie irgendwer! Dann wird sie dich bestimmt nicht begleiten."

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zu sowas überhaupt Lust hat", überlegte Sasuke, und hätte sich für diese Aussage selbst auf den Hinterkopf klatschen können.

Itachi lächelte.

"Tse, wie auch immer. Versuch nachher was ordentliches zum Mittag zu machen. Zum Frühstück hat sie gerademal ein halbes Brötchen geschafft. Aber vermutlich lag das am Doktor."

"Was hat der alte Larch überhaupt gesagt?"

"War nicht begeistert", sagte Sasuke seufzend. "Eigentlich müsste sie ins Krankenhaus. Übermorgen gehen wir in seine Praxis, dann checkt er sie noch mal gründlich durch. Und auf einen Psychoredner wirds hinauflaufen. Aber wie wir sie dazu bekommen, weiß ich noch nicht. Das muss wahrscheinlich Temari machen."

"Ein Psychologe?"

"Sagte ich doch."

"Das wird nicht billig. Da wird sie schon deswegen nicht mitspielen."

Sasuke winkte ab. "Sie soll ihn ja auch nicht bezahlen. Wir werden sehen, ich muss jetzt los", Sasuke nickte Itachi zu und verließ dann die Wohnung.
 

"Zu einer Weihnachtsfeier?", wiederholte Sakura fragend.

Temari hatte ihr eben erzählt, dass Itachi sie dazu eingeladen hatte. Sie saßen beide im Gästezimmer, während Itachi sich am Mittag kochen versuchte.

"Ja, und ich war vollkommen baff in dem Moment. Und das schlimmste ist, ich hab da erst gemerkt, dass er ja ein Mann ist!"

Sakura lachte. "Du hast da erst bemerkt, dass er ein Mann ist? Sag mal Temari, dass Itachi ein Mann ist ... das merkt man schon wenn er von weiten kommt. Er ist sowas von männlich", grinste sie kopfschüttelnd.

"Mach dich nicht lustig über mich!", murrte Temari beleidigt.

"Mach ich nicht ... nein ... aber ... Gott da kann man sich doch nur lustig machen!"

Temari schnaubte. "Wie auch immer ... und in der ganzen Aufregung hab ich auch noch zu gesagt!"

"Und? Ist das nicht richtig? Du magst ihn doch, und du weißt nun, dass er keine Frau ist! Freu dich doch, mit ihm da hin zu gehen!"

Temari seufzte betrübt. "An sich schon. Es ist ja auch cool, dass er mich gefragt hat. Aber da sind bestimmt hunderte von Leute, die starren mich dann an und reden, und alles sowas."

"Was sollen die denn reden? Mach dir doch wegen irgendwelchen Anderen keinen Kopf. Es geht doch nicht um die! Es geht nur um dich und Itachi!"

"Aber ich werde ihn blamieren!", befürchtete Temari. "Ich weiß doch gar nicht, wie man mit solchen Leuten redet! Die führen bestimmt nur sone gehobene Konversation, reden von ihren tollen Jobs und dem ganzen Kram."

"Na und, du bist doch nicht schlechter als die!"

"Und was soll ich anziehen? Ich hab doch nichts, was man da anziehen könnte! Ich wüsste nicht mal, was man da trägt. Und ich will auch nicht, dass mir das jemand bezahlt."

"Wollte dir Itachi deine Klamotten für die Feier bezahlen?"

Temari nickte.

"Na, und das macht dir Sorgen? So ist es doch aber richtig! Er lädt dich ein, er will dass du ihn begleitest, warum darf er dir dann nicht etwas zum Anziehen kaufen! Du kannst es ja nun mal nicht und er hat dafür bestimmt ein paar Dollar übrig. Er scheint ja nicht arm zu sein ..."

"Mir ist es trotzdem nicht so richtig recht ... mir hat noch nie jemand was geschenkt oder bezahlt. Und es gehört sich doch auch nicht!"

Sakura lachte. "Weißt du was sich alles nicht gehört? Aber wenn ein Junge ein Mädchen ein Kleid kauft, dass ist in Ordnung. Deswegen musst du dir keine Gedanken machen, auf gar keinen Fall! Schlimmer wäre es, wenn du ihm den Anzug kaufen müsstest. Das ist dann schon wieder was anderes. Jungs haben da noch son komisches Stolz-Gefühl", Sakura nickte bekräftigend. "Aber als Mädchen geht es vollkommen ok. Und du kannst dir diesen Stolz nicht leisten."

"Jetzt so wieso nicht mehr, du hast mir ja meinen Job vermasselt", bemerkte Temari.

Sakura grinste. "Na, dafür hab ich dir einen besseren besorgt. Du verdienst dort besser und wirst nicht von Glatzen belästigt. Und vor allem ist es nicht in Watts sondern hier in Westwood."

"Ich weiß, ich war vorhin schon da ...", gab Temari schmunzelnd zu.

"Na, und?"

"Ich bin genommen!", freute sich die junge Frau. "Und es ist wirklich ein klasse Laden, voll süß gemacht. Und betrunkene Penner kommen da sicher nicht hin! Und ich verdien fast ein drittel mehr, als im Sao Paulo!"

"Ich weiß", sagte Sakura lächelnd. "Vermassel es also nicht. Es ist kein Job fürs Leben, aber ein guter Anfang. Vielleicht kannst du dir Geld zusammen sparen und später ein eigenes Cafe aufmachen!"

"Oh ja", Temari gluckste vor Freude. "Und du steigst dann auch mit ein!"

"Bestimmt", lachte Sakura.

"Na klar, du kannst dann immer bei mir auftreten und singen! Das wird ein Publikumsmagnet! Der Laden wird immer voll sein!"

"Das glaub ich nicht, ich hab schon ewig nicht mehr gesungen."

"Das kannst du aber nicht verlernen! Komm, sing mal was!"

"Bestimmt nicht!", sagte Sakura fest. "Das war ein Traum, und nicht mehr. Vergangen und vergessen!"

Temari zog beleidigt eine Schnute. "Nun sei kein Frosch! Wir könnten doch was zusammen singen?", schlug sie begeistert vor. "Nur einmal!"

"Ach, nicht heute. Vielleicht nächstes mal, okay?"

"Meinetwegen", murrte Temari. "Aber hab ich dir erzählt, was Itachi macht?"

Sakura schüttelte den Kopf.

"Er besitzt ein Tonstudio! So hab ich ihn kennen gelernt, weil ich in seinem Studio rumgelaufen bin!"

Sakura lächelte. "Wolltest du eine Platte aufnehmen?"

"Nee, ich hab mich nur umgesehen. Früher wollten wir immer hier her, und das um mal hier singen zu können! Hast du das vergessen?"

Sakura schloss betrübt die Augen. "Ja, es scheint so."

Temari wollte gerade etwas sagen, als es an der Tür klingelte.

"Ich geh schon!", rief Itachi aus dem Wohnzimmer.

"Du wirst dich bestimmt irgendwann wieder erinnern", sagte Temari fest.

Sakura nickte leicht. "Möglich."

Eine halbe Stunde später saßen die beiden Frauen und Itachi am Esstisch, der gedeckt war mit allem, was das Herz begehrte.

"Das hast du gekocht?", fragte Temari ungläubig.

Itachi nickte stolz. "Sicher. Das ist mein verborgenes Talent!"

"Verborgenes Talent?", grinste Sakura. "Also war das Klingeln an der Tür vorhin nicht der Lieferservice?"

BUM!

Temari fiel die Kinnlade runter, während Itachi verdächtig kicherte.

"Ach ... was ... ich ..."

Doch dann lachten alle drei, ehe sie sich über das gebrachte Essen hermachten.

Sei meine Begleitung - Sasukes Part

"Guten Morgen, freut mich, dass sie gekommen sind!", sagte Doktor Larch und bat Sakura und Sasuke in sein Sprechzimmer. "Nehmen sie Platz."

Sakura setzte sich, währenddessen Sasuke hinter ihr stehen blieb und sich um sah. Es war schon etwas her, dass er hier gewesen war. Doktor Larch war auch sein Hausarzt, der seiner ganzen Familie. Er war einer der Fähigsten in ganz L.A.

"Wie geht es ihnen, Frau ..."

"Haruno", sagte Sakura gedehnt.

Es war das erste mal, dass auch Sasuke ihren Nachnamen hörte.

"... Frau Haruno?"

Sakura nickte. "Ganz gut."

"Sie sehen heute auch schon etwas besser aus. Nicht mehr ganz so blass. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. So", Doktor Larch nahm ein Papier zur HAnd und einen Stift. "dann fangen wir am Besten gleich an. Zuerst müsste ich ihnen ein paar Fragen zu ihrer Person stellen, geht das in Ordnung?"

"Nicht wirklich", war Sakuras schlichte Antwort darauf.

"Sie hatten mir versprochen, mit mir zusammen zu arbeiten, oder? Es ist auch nicht viel. Nur ein paar kleine Dinge, die man einen Patienten fragt, bevor man ihn behandelt. Wie ihren Vollständigen Namen."

"Den kennen sie ja nun."

"Ja, Sakura Haruno. Wann wurden sie geboren?"

"28. März."

"Und sie sind jetzt wie alt?"

"21."

"Und wo geboren?"

"New York hat man mir gesagt."

Doktor Larch sah Sakura fragend an.

Genervt stöhnte diese. "Ich bin im Heim aufgewachsen. Ich kenne meine Familie nicht. Die ganzen Angaben, die ich ihnen gegeben habe, hat man mir irgendwann mal mitgeteilt. Aber es kann auch alles gelogen sein. Die wussten es selbst nicht genau und es hat keinen interessiert. Mich auch nicht."

"Dann könnten sie ja jeden Tag Geburtstag haben", versuchte Doktor Larch die Situation aufzuheitern.

"Ich hab noch nie Geburtstag gefeiert, also ist es mir egal."

"Ich verstehe", meinte der Arzt und sah aufs Papier. "Sie leben in Watts? Gibt es eine Adresse?"

"Keine Adresse", meinte Sakura knapp. Sie hatte das Gefühl bei der Polizei zu sitzen. Sie fühlte sich im Moment nicht gerade wohl.

"Seit wann leben sie auf der Straße?"

Sakura musste kurz nachdenken. "Ich war in etwa neun."

Doktor Larch sah kurz auf. "Dann sind sie aus dem Heim abgehauen?"

"Gut kombiniert", lächelte Sakura ironisch.

"Hat es dort einen Vorfall gegeben? Warum konnten sie nicht dort bleiben? Oder wollten sie nicht?"

Sakuras Miene verfinsterte sich. "Meine Sache."

"Ich bitte sie um etwas mehr Ehrlichkeit, Frau Haruno. Und wenn sie mir die Wahrheit sagen, wird ihnen deswegen nichts passieren. Ich werde es auch niemanden weiter erzählen. Sie können mir vertrauen."

Sakura runzelte die Stirn. "Bin ich hier, um meine Kindheitsgeschichten auszupacken? Ich wüsste nicht, was das bringen sollte?!"

"Es bringt mehr als sie denken", meinte der Arzt ganz simpel.

"Dann kann ich mich eben nicht mehr erinnern", meinte Sakura knurrig.

"Jetzt Lügen sie."

Sakura wurde langsam wütend. "Ich hatte dort Stress, okay? Das hat mir nicht gepasst und deswegen bin ich abgehauen."

Doktor Larch nickte und unterdrückte ein seufzen. Im Moment würde er sich mit dieser Antwort wohl begnügen müssen. "Nun gut, dann lebten sie auf der Straße. Waren sie allein?"

Sakura schüttelte den Kopf. "Dann wäre ich schneller krepiert, als ein Fisch an Land."

"Sie schlossen sich also einer Gruppe an?"

Sakura nickte wieder.

"Kamen sie mit Drogen und Alkohol in Kontakt?"

Wieder das eintönige nicken.

"Wie alt waren sie da?"

"Keine Ahnung, vielleicht 12."

"Nahmen sie viel davon?"

"Wir hatten mehr Drogen als Essen."

Doktor Larch kritzelte etwas aufs Papier. "Welche Drogen?"

"Was spielt das für eine Rolle?"

"Es könnte eine große Rolle spielen. Bitte antworten sie."

"Alles, was man bekommen hat. Ich war nicht wählerisch."

"Nehmen sie heute immer noch Drogen?"

"Nein", sagte Sakura fest, fast eisig.

"Seit wann nehmen sie keine Drogen mehr."

"Ich könnte 15 gewesen sein."

Doktor Larch sah Sakura fast überrascht an. "Warum, wenn ich fragen darf?"

Sakura schwieg einen Moment. Sie sah auf den Schreibtisch des Arztes und schien nachzudenken. "Es ... es starb jemand", meinte sie dann langsam.

"Ein guter Freund?"

Sakura lächelte traurig. "Der Beste."

"Was passierte dann?"

"Ich schloss mich anderen Leuten an."

"Fingen sie wieder mit Drogen an? Oder tranken sie noch Alkohol?"

"Nein, auch kein Alkohol."

Doktor Larch sah fragend aus. "Nicht mal mehr Alkohol?"

Sakura lachte leise. "Nein, keinen Tropfen."

"Wann kamen sie nach L.A.?"

"letztes Jahr im Herbst irgendwann. Oder Winter. Oder irgendwo dazwischen."

"Warum verließen sie New York?"

"Weil ich dachte, es sei jemand gestorben. Ich wollte nicht länger dort bleiben."

"Sie dachten ..."

"Das Mädchen, dass sie letzte Woche getroffen haben, bei mir zu Hause, war Temari. Sakura dachte, sie sei tot. Aber sie haben sich hier wieder getroffen", erklärte Sasuke, worauf Sakura erst bemerkte, dass er ja hinter ihr stand.

Doktor Larch lächelte. "Das freut mich, dass sie lebt! Aber es war bestimmt ein Schock für sie, oder? Da sie ihre Freundin ja für tot hielten."

Sakura bejahte.

"Als sie nach L.A. kamen, fingen sie dann wieder mit Alkohol oder Drogen an?"

"Alkohol ja, Drogen nein."

"Sie haben so lange kein Alkohol getrunken, warum dann doch wieder?"

"Mir war danach."

"Tranken sie in letzter Zeit regelmäßig?"

"Ja."

"Täglich?"

"Ja."

"Glauben sie, dass sie ein Alkoholproblem haben?"

Sakura musste grinsen. Das diese Frage immer wieder auftauchte ... "Nein", sagte sie lächelnd. "Ich habe getrunken, weil ich es wollte. Nicht weil ich süchtig war, oder es unbedingt brauchte um meine Nieren zu spülen."

"Um warum wollten sie trinken?"

"Ich hab keine Lust mehr", sagte Sakura das Thema wechselnd. "Mir wirds ein weinig zu Anstrengend!"

"Das kann ich nachvollziehen. Dann nur noch ganz kurz zu ihrer Gesundheit. Waren sie in letzter Zeit häufiger krank?"

"Ich hatte vor kurzen eine Erkältung."

"Wurde die behandelt? Von einem Arzt meine ich?"

"Sie sind mein erster Arzt, seitdem ich auf der Straße lebe."

"Hatten sie sonst in ihrem Leben häufig mit Krankheiten zu tun? Grippen, oder Erkrankungen des Magens?"

"Nein, so gut wie nie."

"Brüche irgendeiner Art?"

"Nur zwei Finger, falls es Brüche waren."

"Darf ich sehen?", fragte der Doktor vorsichtig.

Sakura seufzte und hielt ihm ihre Finger hin.

Doktor Larch zog die Braue nach oben. "Ja, beide waren gebrochen, wie es aussieht. Sie sind nicht mehr richtig zusammen gewachsen. Da scheint kein fähiger Arzt behandelt zu haben."

"Da war überhaupt kein Arzt dran", meinte Sakura genervt. Hörte man ihr überhaupt zu?

Doktor Larch sah sie irritiert an. "Aber soweit sich das von Außen beurteilen lässt, war der Kochen des rechten Fingers zumindest, so gebrochen, dass er durchs Fleisch bohrte. Damit waren sie nicht beim Arzt?"

Sakura schüttelte den Kopf. "Ist doch wieder zusammen gewachsen."

"Aber ...", der Arzt schluckte. "Wer hat ihn ... er musste ja wieder an seinen Platz zurück!"

"Auf der Straße findet sich immer jemand, der einem bei so etwas helfen kann."

"Sie haben es alleine gemacht?"

"Natürlich. Es war nur ein Finger."

Der alte Mann sah sich die Hand noch einmal genauer an. "Wie haben sie die Schmerzen ausgehalten?"

Sakura kicherte, als sie sich erinnerte. "Nicht lange. Aber ich stand unter Schock und hab den erst besten gerufen, der mir über den Weg lief. Dem gab ich den letzten Rest Kohle, die ich hatte, und hab ihm gesagt, wenn ich ohnmächtig werden sollte, soll er zu meinen Leuten gehen und denen sagen, dass sie mich holen müssen."

"Und dann?"

"Dann hat es Knack gemacht und ich bin umgekippt."

"Warum haben sie nicht gewartet, bis sie irgendwo sind, wo sie ..."

"Oh, dazu hatte ich keine Zeit. Wenn son Schock weg ist, kommt der ganze Schmerz und ich hätte mich sicher nicht mehr getraut, das selbst zu machen. Es musste schnell gehen. Das weiß man."

Doktor Larch nickte verstehend. Das zerbrechliche Mädchen, das hier vor ihm saß, hatte mehr Mut als er je haben könnte. Dafür hatte sie seinen Respekt. Dennoch ließ ihn dieser Bruch nicht in Ruhe. "Wie kam es dazu? Diese beiden Finger ... zur gleichen Zeit ... was haben sie da gemacht?"

"Oh, ich habe nicht viel gemacht. Ich musste nur jemanden in die Quere kommen, und der hat das dann erledigt", trotz der harten Worte grinste Sakura, als sei es etwas normales.

"Sie wurden dir mit Absicht gebrochen?", entfuhr es Sasuke und er sah fassungslos zu Doktor Larch.

Sakura zuckte wieder mit den Schultern. "Es ist lange her, ich erinnere mich kaum noch."

Doktor Larch fixierte weiterhin die Bruchstellen, bzw. die Stellen, wo der Finger ungerade zusammengewachsen war. "Wie wurden sie gebrochen?", fragte er ruhig.

"Autotür", war die simple Antwort. "Hand rein gehalten und dann hat sie ein anderer zugeschlagen. Naja, wenigstens haben sie mich losgelassen, ehe sie losgefahren sind", Sakura grinste über ihren eigenen makaberen Scherz, während Sasuke fast schlecht wurde bei dem Gedanken.

"Gut, okay ...", Doktor Larch räusperte sich. "Dann werden wir die Hand am Besten einmal röntgen. Damit fangen wir an. Dann zapf ich ihnen etwas Blut ab und noch einige andere Dinge. Ich meine ihre Herzwerte, die brauchen wir noch. Blutdruck und so was. Sie können in das Zimmer nebenan gehen und dort auf mich warten. Ich folge ihnen dann gleich."

Sakura nickte gelangweilt und verschwand, währenddessen sich Sasuke noch immer nicht rührte.

"Geht es ihnen gut, Herr Uchiha?", fragte der Arzt, als er einige Dinge zusammen suchte.

Sasuke nickte knapp. "Sicher. Ich warte im Warteraum."

"Gut, ich schick sie dann zu ihnen."
 

Schweigend saßen Sakura und Sasuke im Auto und fuhren zurück. Es war keine angenehme Stille, denn Sakura hatte noch kein Wort gesagt, seit sie von den Untersuchungen zurückgekommen war. Und Sasuke hatte nicht nachgefragt.

"Sollst du wieder hin oder kommt er zu dir?", brach Sasuke schließlich das Schweigen.

"In vier Tagen, dann hat er auch die Ergebnisse aus dem Labor", meinte die Rosahaarige ohne den Blick vom Fenster zu nehmen.

"Was hat er denn alles gemacht?"

"Dumm gequatscht", war die Antwort.

Sasuke nickte. "Also kam nichts gutes raus?"

"Ach was weiß ich. Ich versteh das Gelaber von Ärzten nicht."

"Zick hier nicht rum!", sagte Sasuke scharf. "Er will nur helfen."

"Eine super Hilfe wenn er mir sagt, dass ich nicht richtig ticke!"

"Er hat gesagt, du tickst nicht richtig?"

"Nein ... aber er hat es so gemeint!"

"Was hat er denn gesagt?", wollte Sasuke wissen, obwohl er es sich schon denken konnte.

Sakura knurrte. "Er will beim nächsten Mal nen Seelenklempner mitbringen. Ah, ich fass das nicht!"

"Na und, hier in L.A. hat fast jeder Zweite den Psychiater. Deswegen sagt ja niemand, du bist verrückt. Naja, obwohl du natürlich verrückt bist!"

Sakura sah Sasuke beleidigt an. "Wieso bin ich verrückt?", keifte sie.

"Biegst dir deine Knochen wieder alleine in den Finger, das ist für mich verrückt!"

"So ein Quatsch! Wärst du an meiner Stelle gewesen, hättest du es genauso gemacht!"

"Das kann ich mir kaum vorstellen!", Sasuke schüttelte sich bei dem Gedanken. "Sakura?"

"Hm?"

"Was hast du gemacht, dass das passiert ist?", fragte Sasuke vorsichtig. Bei Sakura musste man immer aufpassen, was man sagte. Sie machte sonst gleich dicht.

Das Mädchen seufzte resigniert. "Ich weiß es gar nicht mehr so genau. Is lange her."

"Nun sag schon, was hast du angestellt?"

Sakura sah Sasuke langsam an, dann grinste sie. "Der Kerl, der mir die Finger gebrochen hat, der hatte einen Bruder."

"Ja und weiter?"

Sakuras Grinsen wurde fies. "Dem hatte ich ein Messer in die Eier gerammt ..."

Unwillkürlich trat Sasuke vor Schreck auf die Bremse, und wäre er nicht geistesgegenwärtig genug gewesen, wäre das Auto vermutlich noch von der Straße geschlittert.

Als er sich einigermaßen gefasst hatte, sah er Sakura ungläubig an. "Is das dein Ernst?"

"Natürlich."

"Gott, verdammt ey! Warum rammst du jemanden ein Messer .. ich fass es nicht!"

Sakura zuckte mit den Achseln. "Er hatte es verdient."

"Warum? Hat er sich an dich rangemacht und das hat dir nicht gepasst?"

Sakura lachte. "Nein, dann hätte ich sie ihm abgeschnitten ... das war ein Scherz!", sagte sie, da Sasuke fast Grün im Gesicht wurde. "Nein ...", ihr Lachen erstarb. "Weißt du, auf der Straße gehts nicht immer freundlich zu. Männer werden zu Tode geprügelt, und mit Frauen macht man ganz andere Dinge. In der Gruppe, mit der ich damals abhing, war ein Mädchen, das durch ihn keine guten Erfahrungen mit Männer gemacht hatte. Bei deinem Gott, er hatte es verdient."

Sasuke schwieg. Er wusste, was sie meinte. Die Grausamkeit der Straße wurde ihm immer wieder bewusst, wenn er Sakura zuhörte. Und unwillkürlich fragte er sich, ob sie auch solche Erfahrungen machen musste.

"Hast du au ..."

"Lass es!", unterbrach Sakura ihn, noch bevor er es hatte aussprechen können. "Frag danach nie, kapiert!"

Und Sasuke schwieg.

Er musste nicht danach fragen. Er wusste die Antwort.

Und es tat ihm weh, es zu wissen.
 

Eine Viertelstunde später waren die beiden wieder bei Sasuke zu Hause. Sakura hatte sich gleich vor den Fernseher verzogen, währenddessen Sasuke sich erst einmal einen Kaffee genehmigte.

Er musste zuerst seine Gedanken ordnen. Dass dieses Mädchen soviel in ihm aufwühlte, passte ihm gar nicht. Und trotzdem konnte er es nicht ändern. Er musste sich wohl damit abfinden.

Er blätterte ein wenig in der Morgenzeitung, als er einen Artikel über seine Firma sah. Die Rede war von der Weihnachtsfeier, die ja schon in Zwei Tagen war.

Irgendwie machte ihn das alles Nervös. Er hatte sein bestes getan, doch ob es genug war? Alles war Vorbereitet und organisiert, bis ins kleinste Detail. Nur eines fehlte.

Ob er jetzt einfach ins Wohnzimmer marschieren und sie fragen sollte?

Was war schon dabei?

Sasuke nickte sich innerlich zu und nahm noch einen kräftigen Schluck Kaffee, dann legte er die Zeitung beiseite und ging aus der Küche.

Sakura fand er vor dem Fernseher und irgendwie belustigte ihn dieses Bild.

"Was glotz du denn?", riss die junge Frau ihn aus seinen Gedanken.

Sasuke wollte ihr schon etwas gemeines entgegenbringen, beließ es aber bei einem Seufzen. Er setzte sich auf den Sessel ihr gegenüber und wartete. Er musste seine Worte jetzt genau abwägen, sonst hatte er gleich bei ihr verschissen.

Aber wollte er wirklich, dass sie ihn begleitete?

Es war natürlich besser, dann musste er nicht ständig hier anrufen um zu hören, ob sie noch da war.

Aber war das der wirkliche Grund?

Irgendwie nicht ...

Sasuke wollte das sie mitkam, um sie bei der Feier einfach dabei zu haben.

Nicht weil es die einfachste Lösung war.

"Wenn du was zu sagen hast, dann tu es doch endlich!", kam es plötzlich von Sakura. Sie sah zwar weiterhin zum Fernseher, aber scheinbar hatte sie sein Nachdenken bemerkt.

"Es geht um die Feier, von der ich dir erzählt habe. Die in meiner Firma. Sie ist am Sonntag und ich werde den ganzen Abend nicht hier sein."

Sakura grinste, wandte ihm jedoch nicht den Blick zu. "Hast du schiss das ich abhaue?"

Sasuke schüttelte genervt den Kopf.

"Was willst du dann von mir? Ich bleib schon hier, mach dir mal keine Gedanken. Du kannst ja anrufen, wenn du mir nicht glaubst."

"Das ist es nicht", sagte Sasuke. "Ich wollte eigentlich wissen, ob du mitkommst."

"Hä?", nun sah Sakura doch vom Fernseher weg und starrte Sasuke verdutzt an. "Was soll ich?"

"Mich begleiten", knapp und präzise. Eine gute Antwort.

"Wieso?"

Eine gute Frage ...

Jetzt brauchte Sasuke eine Antwort. Eine gute! Aber was war eine gute Antwort? Damit er sich keine Gedanken machen musste? Oder weil er jemanden mitnehmen wollte, damit es besser aussah. Oder weil er sie mochte und dabei haben wollte?

Den letzten Satz bitte streichen, dachte Sasuke und schüttelte den Kopf. Gott, wenn es so weiter ging brauchte er auch noch einem Psychologen!

"Ja und?", hakte Sakura ungeduldig nach.

"Darum einfach."

Ah, eine gute Antwort ... eine richtig gute Antwort ... Zum Kuckuck war die Antwort dumm!

"Nein", sagte Sakura und blickte wieder zum Fernseher. "Keine Lust."

"Keine Lust? Was ist das für eine Begründung?", wollte Sasuke fast schon wütend wissen.

"Eine bessere Begründung als dein Darum eben!"

Damit war die Sache für Sakura erledigt und sie konzentrierte sich wieder vollkommen aufs Fernsehprogramm.

Sasuke schnaubte und stand auf. "Dann nicht", sagte er knurrig und ging zurück in die Küche.
 

"Du hast nein gesagt?", rief Temari schockiert, als sie von Sakura erfuhr, dass sie nicht mit zur Feier ging. "Wieso? Das wär doch richtig toll geworden! Wir waren doch noch nie auf sowas!"

"Wenn ich keine Lust habe, habe ich keine Lust, basta!", gab Sakura zurück.

"Keine Lust? Wie kann man keine Lust haben? Überleg mal was es da für essen gibt, und Musik und Getanze und was weiß ich!"

"Na und, mir ist das doch egal. Ich steh nicht auf sowas."

"Du kennst sowas doch gart nicht, wie kannst du dann nicht darauf stehen?"

"Es ist wie es ist!"

Temari schüttelte ungläubig den Kopf. "Was ist dein Problem?", fragte sie. "Wir kennen uns doch schon eine ganze Weile, ich glaub dir dein Keine Lust nicht!"

Sakura stöhnte gestresst. "Der Kerl ist einfach nur unfähig!"

"Sasuke? Wieso?"

"Weil ich einfach nur wissen wollte, warum ich mitkommen soll! Ich hab nicht mal eine besondere Antwort erwartet, aber ein Darum eben, ist mir dann doch zu blöd!"

"Er hat darum eben gesagt?"

"Ja, es ist eine Frechheit!"

Temari nickte. Das konnte sie verstehen! Diese brummige Macho, was dachte er sich?

"Ihr könntet ja noch mal reden?", schlug sie vor.

"Reden? Worüber?"

"Na, es ist doch offensichtlich was falsch gelaufen!", meinte Temari überzeugt.

"Sicher ist was falsch gelaufen", schnaubte Sakura. "Er läuft falsch! Hat vermutlich keine Erziehung gehabt, nicht vernünftig sprechen gelernt oder was weiß der Fuchs! Ah, diese Feier kann mir gestohlen bleiben!"

Temari kicherte leicht. "Du hättest ihn begleitet, oder?"

Sakura zögerte, nickte aber schließlich. "Sicher, selbst wenn es ihm nur darum gegangen wär, jemanden mitzunehmen. Ich bin ihm dankbar, für das was er tut. Ich kann es nicht so sagen, aber dadurch hätte ich es ihm vielleicht zeigen können. Irgendwie. Keine Ahnung. Aber so ein Darum eben ... das ist zu wenig. Wenn er nicht lernt, Dinge auszusprechen, dann kann er nichts erwarten."

"Ihr seit euch da sehr ähnlich, weißt du das? Du kannst ihm doch auch nicht einfach danke sagen", erinnerte Temari lächelnd.

Sakura schnafte geknickt. "Ich weiß, irgendwie ist es fast das Gleiche. Ich weiß, dass es manchmal sehr schwer sein kann, über seine Gefühle zu reden, aber man muss es lernen, sonst kommt man irgendwann nicht weiter."

"Dann willst du ihn mit deiner Absage also erziehen?"

"Nein, ich war in dem Moment sauer. Aber ich nehm es auch nicht zurück."

"Willst du es dir nicht noch mal überlegen?"

"Nein ..."

Eine gute Antwort

Temari sah Sakura strahlend an, als sie in ihrem Gästezimmer stand und sich in dem Spiegel betrachtete. "Weia, ich wusste gar nicht, dass es so hübsche Kleider gibt!", sagte sie außer sich.

"Das stimmt. Es sieht traumhaft aus!", meinte Sakura zustimmend.

"Gott, keiner wird merken, dass ich nicht dazu gehöre!", Temari sah noch immer in ihr Spiegelbild. Sie trug ein langes, dunkelblaues Kleid aus Satin, dass hellblaue Akzente hatte.

"Du gehörst dazu, wie jeder andere auch. Und du wirst herausstechen, weil keiner so hübsch sein wird wie du! Itachi kann wirklich froh sein! Und er wird gut auf dich aufpassen müssen!", grinste Sakura schelmisch.

Temari lächelte und setzte sich neben ihre Freundin. "Irgendwie bin ich voll nervös. Ich hatte noch nie so etwas an, oder diese komischen Absatzschuhe!"

Sakura lachte, als sie Temaris Füße in den Pumps beguckte. "Hoffentlich wirst du dich damit nicht ständig hinpacken!"

"Mach dich nur Lustig!", tat die Blonde beleidigt. "Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, dass ich mal in sowas stecke, ich hätte ihn ausgelacht."

"Jetzt bist du im wahren Leben!", sagte Sakura und drückte ihre Freundin an sich.

"Im wahren Leben?"

Sakura nickte. "So sollte das Leben sein, so und nicht anders. Das ist das einzige Leben, für das es sich lohnt, zu kämpfen! Mit einem richtigen Job, Menschen die man liebt, und ab und zu einer Feier, zu der man in schönen Abendkleidern auftaucht."

"Und was war unser Leben sonst?"

Sakura schüttelte den Kopf. "Das ist kein Leben, das ist einfach nur eine traurige Welt, in der die sind, die nicht ins Leben passen. Oder die dort keinen Platz finden konnten."

"Und was ... was ist mit dir?", wollte Temari verwirrt und betrübt wissen.

Sakura lächelte matt. "Meine Zeit wird bestimmt auch kommen", sagte sie.

Temari grinste. "Dann könntest du heute Abend vielleicht doch ..."

"So schnell nicht, nein."

"Aber das wäre doch so toll!"

Die Rosahaarige schüttelte den Kopf. "Lass es gut sein. Nicht heute Abend."

Es klopfte an der Tür und keine Sekunde später erschien schon Itachis Kopf. "Na, alles klar bei euch?", fragte er gut gelaunt.

"Sicher!", rief Temari und sprang auf.

Itachi grinste. "Wollen wir dann los?"

"Aber, und ab durch die Mitte!", lachte Temari fröhlich, drehte sich zu Sakura um und drückte sie noch einmal. "Und du rufst an, wenn etwas ist, verstanden?!"

"Sicher, mach dir keine Gedanken und genieß den Abend!", grinste diese.

Temari nickte und lief etwas holprig auf den Pumps nach draußen.

Itachi sah ihr kurz nach, dann wandte er sich noch einmal an Sakura. "Du möchtest wirklich nicht mit?", fragte er und trat ins Zimmer.

Sakura schüttelte den Kopf. "Nein, es ist so besser. Ich fühl mich auch nicht ganz wohl."

"Sollen wir vielleicht lieber ..."

"Um Gotteswillen, macht das ihr los kommt und die Party genießt!", scheuchte Sakura.

Doch Itachi hielt noch einmal inne. "Du wirst hier bleiben, oder?"

"Wie ich es Temari versprochen habe", sagte Sakura leise.

"Mein Bruder ... Sasuke ... er ist so ein ungehobelter, Trottel, er hat es nicht so gemeint! Er wollte ..."

Sakura lächelte sanft. "Ich weiß es doch, Itachi. Ich bin ihm nicht böse deswegen."

"Aber warum willst du dann nicht mit?"

"Weil ... wir beide vermutlich zu Dickköpfig sind, um etwas voreinander zuzugeben. Ich kann dir hier und jetzt sagen, dass ich Sasuke verstehen kann, dass ich es ihm nicht übel nehme, so grob zu sein, so kalt ... aber vor ihm würde ich es nicht tun. Genauso wenig wie er vermutlich. Ich hab nie viel gehabt, man hat mir im Leben eine ganze Menge genommen, aber ... nicht meinen stolz, weißt du. Dass kann mir keiner nehmen, nur manchmal übertreibt man es. So sind die Dinge, und anstatt das man Fehler zugibt, um glücklich zu sein, lässt man es. So funktioniert die Welt. Leider irgendwie ..."

Itachi nickte. Er wusste, dass er Sakura nicht überreden konnte.

"Jetzt guck nicht so traurig! Heute Abend sollten deine Gedanken einzig und alleine bei einer gewissen, hibbeligen Blondine sein. Mir geht es gut. Aber dir wird es schlecht ergehen, wenn ich morgen von Temari höre, dass ihr der Abend nicht gefallen hat!"

Itachi lachte leise. "Ich hab verstanden, Miss!"

"Das möchte ich auch hoffen!", meinte Sakura belustigt, doch wurde sie plötzlich etwas ernster. "Weißt du, ich kann nicht mehr auf Temari aufpassen. Sie ist nicht mehr in meiner Welt ... beschütze sie bitte in deiner."

Itachi sah Sakura an und ging einen Schritt auf sie zu. Dann hielt er ihr plötzlich die Hand hin. "Ich verspreche es dir auf die Hand", sagte er sanft lächeln.

Sakura nahm sie ebenfalls lächelnd an, doch es war fast so, als hätte sie Tränen dabei in den Augen. "Das ist gut", sagte sie mit zittriger Stimme. "Pass bloß gut auf sie auf."

Und dann weinte sie doch.

Itachi drückte die junge Frau an sich. "Kommst du wirklich klar?", fragte er.

Sakura nickte und wischte sich die Tränen weg. "Natürlich. Ich bin nur niemand, der sentimentales Gequatsche verträgt. Und jetzt hau ab!"

Als Itachi aus dem Zimmer war und die Tür geschlossen hatte, war es dunkel im Raum. Sakura legte sich aufs Bett und sah an die Decke. Wie seltsam doch alles in letzter Zeit war. Sie hörte wie die Haustür geöffnet und geschlossen wurde, und als sie dachte, sie sei endlich allein, kamen noch mehr Tränen.

"Gott des Wahnsinns", schimpfte sie zu sich selbst. Diese Heulerei war ja anstrengend.

Sie stand auf und knipste das Licht an. Vielleicht würde sie eine Dusche wieder zu verstand bringen?

Sie verließ das Bett und ihr Zimmer um ins Bad zu gehen. Es war überall still und sie musste einen Moment stehen bleiben, um sich zu fassen. Die Gedanken überrollten sie.

Sie wischte sich abermals über die Augen, und wollte schon ihren Weg fortsetzen, als plötzlich Sasuke vor ihr stand.

Sakura entrann ein spitzer Schrei. "Verdammt, du hast mich erschreckt!", keifte sie ihn sofort an, doch Sasuke reagierte nicht darauf. Er sah sie mit seinen dunklen Augen an, und Sakura hatte das Gefühl, dass er sie durchbohrte.

Eigentlich hatte der Uchiha nur etwas vergessen gehabt. Er hatte noch einmal in die Wohnung gemusst, und als er an Sakuras Zimmer vorbei gegangen war, hatter er sie weinen gehört.

Und er hatte dabei das Gefühl, als würde er selbst weinen müssen, so sehr schmerzte es ihm in der Seele. Weinter sie wegen ihm? Hatte er sie so sehr verletzt?

Er und sein verdammter Stolz!

Nun hatte er die Gelegenheit, es wieder grade zu biegen.

Doch er kämpfte noch immer mit seinem Stolz.

Er stand ihr gegenüber und brachte kein Wort heraus. Er sah ihre verweinten roten Augen, doch es kam kein Ton.

Dann bewegte sie sich, wollte an ihm vorbei ...

Und in dem Moment zog er sie an sich und küsste sie ...
 

Sakura stand nun schon seit zwanzig Minuten unter der Dusche. Das Wasser nahm sie kaum noch war, sie musste ständig nur an ihn denken. Dieser Idiot hatte sie doch tatsächlich geküsst! Wie konnte er es wagen? Was dachte er sich eigentlich?

"Ah, dieser Mistkerl!", polterte sie.

Er hatte es gewagt, sie einfach zu küssen und gleich danach abzuhauen! Konnte man das fassen? Das war doch nicht wahr! Alles ein Alptraum, und dann noch einer der schlechten Sorte. Oder eine Komödie, eine Tragödie und alles zusammen.

"Wenn ich dich zu fassen kriege!", raunzte Sakura zu sich selbst und stieg schließlich aus der Dusche. Sie musste etwas unternehmen! Ihn bestrafen, ihn verhauen, ihm Angst einjagen ... oder ihren verflixten Stolz ablegen und endlich das richtige tun. Nämlich die Beine in die Hand nehmen und zu dieser verdammten Feier fahren.

Aber wie?

Sie hatte weder etwas anzuziehen, noch wusste sie wohin!

"Verfluchter Mist!", knurrte sie und sah sich im Bad um, als könnte ihr dort irgendetwas helfen.

Aber ihr war nicht zu helfen ...

"Mist, Mist, Mist!!", schnauzte sie wütend und zog sich an. Mit einem Blick in den Spiegel wurde ihr das größte Problem klar. Damit konnte sie nicht auf die Feier, die Sasuke veranstaltete!

"Okay, beruhig die Nerven!", sagte sie zu sich selbst und lief ins Wohnzimmer. Was ist wenn sie jemanden anrief? Aber wem zum Teufel konnte sie anrufen?

Und selbst wenn sie etwas zum anziehen hätte, sie würde ja nicht einmal aus der Wohnung kommen. Der Portier würde bestimmt nicht noch einmal darauf reinfallen, dass die Tür kaputt war.

Das war es! Der Portier ...

Sakura eilte zum Diensttelefon und rief im Empfang an.

"Ja bitte?", meldete sich eine männliche ältere Stimme am anderen Ende.

"Ich brauch Hilfe!", sagte Sakura sofort. Sie hatte jetzt keine Zeit um Märchen zu erfinden. "Sie müssen mir ein Kleid besorgen, jetzt gleich!"

"Was?", dem Mann am anderen Ende fiel fast die Kinnlade runter. "Miss, ich verstehe nicht ..."

"Gott des Wahnsinns, ich brauche ein Kleid, jetzt auf der Stelle. Ich habs echt eilig, hören sie. Und wenn ich nicht auf der Stelle irgendwie auf dieser Feier bin ...", Sakura raufte sich die Haare.

"Feier, Miss?"

"Sasukes, meine Güte!"

"Die von Herrn Uchiha?"

"Gott, ja! Welche sonst! Ich ruf aus seinem Apartment an und muss da sofort hin."

"Aber der Herr meinte, ich solle sie heute Abend nicht rauslassen, auch wenn sie mir wieder eine Geschichte erzählen. Er sagte, nun ähm ... das sie leicht krank seien."

"Krank? Was für ein Krank meinte er? Meinte er Verrückt-Krank?"

Am anderen Ende hörte Sakura ein Husten.

Gott, war sie wütend! "Okay, also entweder sie helfen mir jetzt auf der Stelle oder ich schlage hier in der Wohnung alles kurz und klein. Dann breche ich die Tür auf und wenn ich unten bin, sollten sie lieber woanders sein, kapiert?"

"Miss, ich bitte sie sich zu beruhigen ..."

"Beruhigen?", brüllte Sakura. "Sie haben jetzt eine Minute um hier hoch zu kommen, ansonsten beginne ich mit den Fenstern, die ich zerschlagen werde um dann böse obszöne Wörter nach draußen zu schreiben, und das werde ich tun bis die Polizei kommt. Und ich werde dafür sorgen, dass jeder Mensch hier in der Gegend die schlimmsten Sa ..."

"Miss, bitte hören sie auf, ich komme gleich, es ist okay!"

Sakura schnaufte und legte auf. Ihr wurde leicht schwindlig. Diese Aufregung tat ihr alles andere als gut.

Dann sah sie auf die Uhr, doch im nächsten Moment klingelte es schon an der Tür.

Sakura öffnete hastig und sprang den älteren Mann schon fast an. "Und jetzt brauch ich Kleid oder so etwas in der Art. Irgendwas, schnell!"

"Miss, woher soll ich ein Kleid nehmen?"

"Meine Güte, denken sie doch mal mit! Ich kann doch so nicht zu der Feier von Sasuke, soll ich ihn blamieren?"

"Miss, warum ..."

Nun platzte Sakura die Geduld. "Weil der Hund mich geküsst hat, verdammt!", keifte sie. "Erst bringt er es nicht zu stande, mich vernünftig zu fragen, ob ich ihn begleiten will, und dann küsst er mich einfach und haut ab!"

"Oh", sagte der Portier und schien in höchsten Maße überrascht, als er plötzlich lächelte.

Wie konnte der jetzt lächeln?

"Ich verstehe ..."

"Na super, wenn einer das versteht, ist die Welt ja noch in Ordnung ..."

"Nun gut, Miss ich helfe ihnen. Aber darf ich ihnen sagen, dass sie wirklich verrückt sind?"

Wäre Sakura eine Katze, sie wäre dem Portier jetzt ins Gesicht gesprungen und hätte ihm seine Visage zerkratzt.

"Sie mögen den Herrn Uchiha wohl sehr?"

"Was? Nein, natürlich nicht!", gab Sakura zurück. So eine Frechheit!

"Ich verstehe ..."

Sakura ließ ein Knurren hören, als der Portier plötzlich ein Handy aus seiner Jacke nahm.

"Was für ein Kleid möchten sie denn?"

"Was? Gott, ich hab davon doch keine Ahnung. Ich hatte in meinem Leben noch nie ein Kleid an! Irgendwas, was nicht auffällt, und nicht so teuer ist, denn Sasuke muss es bezahlen, zumindest auslegen, ich hab nämlich keinen Cent in der Tasche."

Der Portier nickte. "Dem Herrn Uchiha soll es gefallen, und für die Weihnachtsfeier. Das ist doch eine konkrete Angabe", lachte der Mann. "Gut, dann rufe ich zunächst ein Taxi. Um diese Zeit hat normalerweise kein Geschäft mehr offen, aber ich habe da einen guten Freund ... er wird sie Abendfertig machen."

"Und man muss mir sagen wo die Feier ist, ich hab nämlich kein Schimmer!"

"In der Firma des Herrn Uchiha."

"Na was weiß ich denn wo die ist!"

"Sie kennen die Firma nicht?", der Portier war schon wieder überrascht.

"Nein, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht mal was das für eine Firma ist. Es geht mir auch im Moment nicht um irgendeine blöde Firma, sondern um Sasuke."

"Was für eine vortreffliche Antwort!", der Portier schien entzückt. "Sie sind wahrlich verrückt!"

"Warum zum Kuckuck soll ich denn verrückt sein?"

"Weil sie sich für den jungen Mann interessieren, nicht für das, was er besitzt. Das ist leider Gottes verrückt, denn jedes andere Mädchen würde vermutlich auch daran denken, was er für eine Firma leitet."

Sakura zog die Braue hoch. "Aha", war ihr einziges Kommentar. Sie sollte verrückt sein? Der Alte war verrückt!

Doch als sie eine Stunde später in den Spiegel schaute, blieb ihr fast das Herz stehen. Der alte Portier hatte ein Wunder vollbracht, oder auch sein Freund, der ihr mit bester Laune geholfen hatte, nicht nur ein Kleid zu finden, sondern auch zu frisieren und zu schminken.

Sakura erkannte sich kaum wieder!

"Entzückend sehen sie aus, Mademoiselle!", sagte der dunkelhaarige Franzose, Besitzer eines Friseursalons und einer Modeboutique.

Ihr Glück war im Moment wirklich erschreckend genial! "So schön, wie eine Prinzessin!"

Sakura grinste, was jedoch eher an dem schleimichen Akzent des Mannes lag. Dennoch hatte er sich als Engel bewiesen. Sie stand auf, um im nächsten Moment fast wieder auf der Nase zu liegen.

"Andere Schuhe gehen nicht?", fragte sie und rieb sich genervt den Knöchel. "Damit überleb ich keine fünf Minuten!"

"Das ist alles eine Frage des Bewegens!", sagte Herr Marceille und machte es ihr vor, so dass Sakura fast einen Lachkrampf bekam. Dennoch riss sie sich zusammen und versuchte den Mann so gut es ging zu imitieren.

"Ja ja, sehr gut. Damit schaffen sie es wenigstens bis zu ihrem Geliebten!"

"Nix da Geliebten!"

"Ich weiß, ich weiß, ach es ist so romantisch!"

Sakura wollte schon etwas erwidern, als es an der Tür klingelte.

"Gut, Mademoiselle, ihr Taxi ist da!"

Sakura nickte und machte einen kleinen Knicks. "Danke, ganz viel danke!", sagte sie ehrlich. "Ich lass das Kleid ganz und bring es ihnen heil zurück, vielleicht wird es dann nicht ganz sooo teuer?", versuchte sie, denn der Preis hatte ihr vorhin für einen Moment jegliche Luft genommen.

"Ich nehme nie etwas zurück", sagte der Franzose kopfschüttelnd. "Aber das Kleid ist ein Geschenk. Es sieht so gut an ihnen aus, Mademoiselle, das es nie jemand anderes tragen könnte. Ich glaube, es hing nur in meinem Laden, um auf den Moment zu warten, wenn sie kommen würden!"

Sakura war einfach zu baff, um etwas darauf zu erwidern. Sie lächelte und nickte noch einmal, ehe sie ins Taxi stieg.

"Viel Glück Mademoiselle, viel Glück", hauchte der Franzose mit dramatischer Stimme. Für solche Momente lebte er.
 

Mit wackligen Knien stieg Sakura aus dem Taxi. Der Mann war so schnell gefahren, dass sie kaum geglaubt hatte, hier lebend anzukommen. Der Portier hatte wirklich etwas gut bei ihr.

"Wenn sie sich beeilen, schaffen sie es, bevor die große Weihnachtsrede von Herr Uchiha gehalten wird", sagte der Taxifahrer plötzlich.

Sakura sah ihn perplex an. Wusste eigentlich jeder genauestens bescheid? Sasuke würde sie dafür vermutlich lebendig begraben wollen!

"In einer halben Stunde ist es soweit. Sie wird immer um Zehn gehalten. Viel Glück."

Sakura nickte. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Hier schien sich alles irgendwie verschworen zu haben. Und sie nannte man verrückt? Wenn es so weiter ginge, dann würde sie es vermutlich auch werden!

Sakura drehte sich um und holte tief Luft ... doch bei dem Anblick des riesigen Gebäudes verschlug es ihr einfach nur die Sprache.

"Um Gottes willen", entfuhr es ihr. Konnte ein Gebäude wirklich so groß sein?

Egal, sie hatte keine Zeit für ein dummes Haus. Sie musste zu Sasuke und ihn anschnauzen, ihn verprügeln und durch die Mangel ziehen! Wenn sie daran dachte, was sie in der letzten Stunde alles hatte durchmachen müssen, nur um hier zu irgendeiner Weihnachtsfeier aufzutauchen, ihr wurde fast schwummrig dabei!

Sakura seufzte und marschierte los. Sie raffte das Kleid, damit sie sich nicht verhedderte, und verfluchte alles was ihr einfiel dafür, dass man so etwas hatte erfinden müssen. Warum konnte nicht jeder einfach nur in Joggingsachen kommen? Das war bequem und man konnte sich vernünftig bewegen!

"Guten Abend, Madame!", begrüßte sie der Mann am Empfang. "Wir freuen uns sie hier zu sehen", er lächelte ihr freundlich zu. Nun, scheinbar wirkte sie nicht wie eine Straßengöre. Das war ein gutes Zeichen!

"Ihre Einladung bitte ..."

WAS?

"Wie bitte?", sagte Sakura gekünstelt Lachend.

"Ihre Einladung, sie haben doch sicher ..."

Um Gottes Willen. Sie hatte natürlich keine Einladung! Wozu brauchte man denn auch so einen Schnickschnack?

"Vergessen", grinste sie verlegen und mit hoher Stimme. Vielleicht hörte es sich dann damenhafter an.

"Ähm ... ich ... vergessen, ja ich muss ...", der Empfangschef war mit dieser einfach Aussage offensichtlich überlastet. Kam sowas denn nie vor?

"Muss ich jetzt hier draußen frieren?", fragte Sakura immer noch im gehobenen Ton. "Ich denke, dass es den Hernn Uchiha nicht gefallen wird, wenn er sieht, wie ich hier behandelt werde!"

Yes, das war super, dachte Sakura innerlich.

"Der Herr Uchiha ... ja .. wenn sie eine Sekunde warten würden, ich muss nur meinen Chef holen, dann ... er weiß besser, was zu tun ist ..."

Sakura nickte. Und wie sie warten würde ...

Langsam glitt sie zu ihren Schuhen hinunter. Hier am Empfang standen einige Bodyguards, und spätestens wenn noch irgendein dummer Boss geholt werden würde, würde sie im hohen Bogen fliegen ...

"Ah, die Füße, schlimm mit diesen Schuhen", lachte sie verlegen und versuchte so unauffällig wie möglich diese Dinger auszuziehen. Wenn sie zu Sasuke wollte, hatte sie nur eine Möglichkeit ... und nur eine Chance ...

"Sie rennt!", rief plötzlich einer der großen, bulligen Aufpasser und setzte sich in Bewegung, genau wie drei seiner Kollegen und der Empfangsjunge.

"Schnappt sie!", rief ein anderer.

Doch Sakura würde sich nicht so einfach schnappen lassen. Was das davon rennen anging, konnte keiner so leicht mit ihr mithalten.

Nur war das hier nicht die Straße, sondern ein riesiger Gebäudekomplex, und sie hatte keinen Schimmer wo sie hin musste.

Gott des Wahnsinns, wenn sie diesen Abend überleben würde, würde sie vermutlich Sonntags zur Kirche gehen.

Sakura rannte nun durch einige Gänge, bog manchmal links und manchmal recht ab, immer mit der Angst, in eine Sackgasse zu laufen. Bei fünf Verfolgern wäre das wohl fatal gewesen!

"Na klasse", keuchte Sakura schon, als sie eine ewig breite Tür vor sich hatte, neben der rechts und links zwei Männer standen.

Also musste sie dort rein!

"Aufmachen, los!", rief sie von weiten, und vor Schreck taten die beiden jungen Männer, was sie sagte.

Doch gleich hinter ihr kamen die Bulldoggen-Türsteher, die sofort "Schließen" riefen. ....

Sakura legte noch einen Zahn zu. Und mit einem ordentlichen Satz sprang sie in den überfüllten Saal, bevor die Türen zugingen.

Sie grinste verlegen, als sich hunderte von Augen ihr zu wandten.

Gott des Wahnsinns, Gott des Wahnsinns, Gott des Wahnsinns ...

Doch ein ohrenbetäubender Knall hinter Sakura ließ die Menschen ihre Augen von ihr nehmen.

Scheinbar waren die Türsteher direkt in die Tür geknallt.

Sakura zuckte zusammen. Da hatte sie ja etwas angerichtet ... sie hoffte wirklich, dass es den Männern nicht allzu weh getan hatte ...

Plötzlich zupfte etwas an ihrem Kleid. Oder jemand.

"Hm?", Sakura sah nach unten und blickte direkt in die Augen eines kleinen Jungen. "Sebastian?"

"Hallo Sakura, du bist es ja wirklich!", sagte der Junge.

"Was machst du hier?", flüsterte das Mädchen, da sich im Moment jeder auf die tobenden Geräusche vor der Tür konzentrierte.

"Wir singen hier! Wir wurden eingeladen. Es ist ganz toll!"

"Ihr singt hier?", Sakura sah sich um und bemerkte, das keine zwei Meter von ihr entfernt ein Kinderchor stammt.

Wenn das mal nichts gutes bedeutete ...

"Sebastian?", sagte Sakura und beugte sich zu dem Jungen hinunter. "Tust du mir einen gefallen?"

"Klar, was denn?"

"Singt. Jetzt gleich, irgendwas lautes und auffälliges. Ich brauch etwas Ablenkung."

"Hast du etwa wieder ärger?"

"Ein wenig", zwinkerte Sakura. "Macht ihr das für mich?"

"Na klar!", lächelte der Kleine und rannte eiligst davon. Keine Sekunde zu früh, denn nun öffneten sich die Türen ...

In dem Moment, wo die Bodyguards Sakura erblickten und sich alle Augen wieder auf die junge Frau richteten, setzte mit einmal der Chor ein und sang aus Leibeskräften. Durch dieses unerwartete Ereignis drehte sich alle Köpfe zu den Kindern.

Sakura seufzte, sah den Empfangschef grinsend an, und war im nächsten Moment verschwunden ...

Fünf Minuten ging das Versteckspiel gut, doch dann hatte Sakura plötzlich einen der Bulldoggen-Türsteher vor sich. Als sie zurück in die andere Richtung wollte, versperrte ihr der nächste den Weg.

"Das Spiel ist zu Ende, Madame!", sagte der Empfangsjunge, und Sakura konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, weil er so außer Atem war.

Allerdings verging ihr das Lächeln, als sie plötzlich jemanden direkt hinter sich spürte.

"Was ist hier los?", sagte Sasukes kalte Stimme. Da sie etwas Abseits von den Menschen standen, bekamen den Vorfall aber die wenigsten mit.

"Diese Frau hat sich unerlaubt Zutritt verschafft! Sie hat gesagt, sie wollte zu ihnen, aber sie hat keine Einladung gehabt. Angeblich hat sie sie vergessen!", erklärte der junge Empfangschef völlig fertig. "Dann ist sie einfach los gerannt, und wir haben sie durch das halbe Gebäude verfolgen müssen! Es tut mir schrecklich leid, dieser Vorfall ist einfach unverzeihlich! Ich werde sie sofort in Gewahrsam nehmen lassen!"

"Willst du noch irgendetwas sagen, Sakura?", sagte Sasuke nun direkt zu ihr und die junge Frau spürte wie es ihr eiskalt den Rücken runterlief. Da er hinter ihr stand, konnte sie sein Gesicht nicht sehen, aber vermutlich war es wutverzerrt. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Langsam drehte sie sich um. Wenn sie sich entschuldigte, dann musste sie es ihm wenigstens ins Gesicht sagen. In sein hartes, grausam böse blickendes ...

"Du lachst?", entfuhr es Sakura, als sie Sasuke sah, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie hielt sich die Hand ans Herz, das für einen Moment sicher aufgehört hatte zu schlagen.

Sie war verrückt, das alles war einfach nur verrückt.

"Nun, was anderes konnte ich nicht tun, bei der Aktion hier. Ich glaube, ich habe mich schon lange nicht mehr so köstlich amüsiert!", sagte Sasuke wider erwarten.

Sakura hätte ihm am liebsten eine geklatscht!

"Aber Herr Uchiha, diese ..."

"Diese Dame gehört zu mir, ihr könnt euch entfernen!", sagte er etwas kühler zu dem Empfangschef und seine Stimme klang recht scharf.

"Und was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?", wandte er sich an Sakura.

"Im Moment nur, dass ich jetzt deinen Arm brauche, und zwar schnell", meinte das Mädchen leicht zittrig.

"Gehts dir nicht gut?", fragte Sasuke besorgt und legte seinen Arm um Sakuras Hüfte, um mit ihr zu einigen leeren Plätzen zu gehen.

"Himmel, ich bin gerade etliche Kilometer durch dieses verfluchte Gebäude hier gerannt. Und davor ... Gott ich will dir gar nicht sagen, was davor alles passiert ist. Ich hab grad das Gefühl im falschen Film zu sein. Aber ich glaub, ich brauch Wasser, oder irgendwas, keine Ahnung. Der Arzt hätte mir mal sagen sollen, dass ich keine Verfolgungsjagten mehr vertrage ..."

"Mach jetzt keine Witze, du siehst schlecht aus!"

"Schlecht? Na danke, hast du eine Ahnung, was dich dieses unmögliche Kleid fast gekostet hätte? Da kostet es ein Vermögen und man kann nicht mal vernünftig mit rennen. Und diese verdammten Schuhe hab ich auch verloren. Ah, ich hoffe, die hat er mir mit zum Kleid dazu geschenkt!"

"Dir hat jemand das Kleid geschenkt?", Sasuke setzte sich neben Sakura und hielt ihr ein Glas Wasser hin.

"Sicher, ein Franzose. Der Freund von deinem Portier ... Verflucht sei dieser Wahnsinnig!"

Sasuke grinste leicht. "Ich denke, die Geschichte will ich nachher ausführlich hören."

"Ich hab eher Angst, dass du sie in nächster Zeit noch öfter hören wirst ...", Sakura musste fast Schreien, damit Sasuke sie verstand, denn der Chor gab wieder eine extra Portion Lautstärke zum Gesang. "Ah, Sekunde", sagte sie und stand auf. Sasuke sah, dass sie irgendjemanden in Richtung Kinder ein Zeichen gab, und keine Sekunde später war nur noch das sanfte Singen der Kinder zu hören, nicht mehr das aus voller Kehle trällern.

"So ist es besser ...", seufzte Sakura und schloss die Augen. Sasuke konnte nur staunen. Deswegen hatte der Chor also plötzlich auf volle Lautstärke gedreht gehabt.

"Warum bist du hier, Sakura?", hörte sie plötzlich Sasukes Stimme neben sich.

Jetzt war es soweit. Sakura öffnete die Augen, die gefährlich blitzen und nur auf diesen Moment gewartet hatten, so zu gucken.

"Weil ich sauer auf dich bin! Verdammt sauer! Gott so sauer war ich noch nie auf jemanden!"

"Deswegen bist du hier?", Sasuke musste fast wieder grinsen.

"Ich bin hier, weil du Idiot einfach abgehauen bist! So was gemeines, so eine Frechheit! Was ... oh ich bin so sauer!"

"Also bist du hier, weil du sauer auf mich bist?", wiederholte Sasuke und klang dabei fast enttäuscht.

Sakura wollte schon wieder zum Motzen ansetzen, doch plötzlich lächelte sie ihn an. "Vielleicht bin ich auch hier, weil ich mit dir tanzen wollte ..."

Sasuke lächelte zurück. Es war kein großes Lächeln, aber es war ein ehrliches. Das reichte Sakura.

Dann beugte sich der Uchiha vorsichtig nach vorne und zog sie zu sich. Er sah plötzliche Angst in ihren Augen auftauchen, doch dann lächelte sie und gab sich seinem zärtlichen Kuss hin ...

"Du siehst wunderschön aus", flüsterte er ihr leise zu. "Und ich bin froh, dass du hier bist."

"Warum?", fragte Sakura.

"Weil es mich glücklich macht ..."

Eine gute Antwort.

Emily

Sakura seufzte, als sie sich die Hände abtrocknete und in den Spiegel sah. Sie hatte sich kurz von Sasuke getrennt, um auf die Toilette zu gehen, bevor sie Temari und Itachi suchen wollten.

Temari würde vielleicht Augen machen! Sakura grinste innerlich bei dem Gedanken.

"Hey, du!", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr und Sakura sah im Spiegelbild eine großgewachsene Blondine mit böse funkelnden Augen, und eine kleinere und dickliche Braunhaarige.

Sakura runzelte die Stirn, ehe sie sich umdrehte. "Ja, ich?", fragte sie lächelnd. Sie wollte keinen Ärger, am Ende war Sasuke noch auf sie Sauer. Genug Gründe hatte sie ihm dafür schon gegeben!

"Wer bist du? Hä?", keifte die Blondine, die scheinbar der Boss dieser Zweier Gruppe war.

"Sakura", lächelte die Rosahaarige lieblich. Jetzt hieß es zusammenreißen! Erst einmal musste sie wissen, was die Blonde gegen sie hatte.

Und es sollte auch nicht lange dauern, bis sie es erfahren würde ...

"Du machst dich an MEINEN Sasuke heran!", schnauzte die Fremde gereizt und machte einen Schritt auf Sakura zu, um ihr mit erhobener Faust zu drohen.

Sakura blinzelte mehrmals, um die Antwort überhaupt realisieren zu können.

"An wen bitte?"

"Tu nicht so doof! Du bist eine hinterlistige Schlampe, das seh ich dir an! Du schmeißt dich an Sasuke ran, um sein Geld zu kriegen! Dabei gehört er nur mir, und du hast dich von ihm fernzuhalten!"

Sakura lächelte gezwungen. "Okay", sagte sie mit zittriger Stimme, denn sie musste ziemlich an sich halten, nicht ihre Beherrschung zu verlieren.

"Flittchen!", rief die Blonde wütend. "Ich sag dir, wenn du nicht deine Finger von Sasuke lässt, dann schlag ich sie persönlich weg!"

Sakura sah die Fremde irritiert an. "Was tust du dann? Du schlägst dann meine Finger weg?", ihre Mundwinkel zuckten gefährlich, und keine Sekunde später begann sie herzhaft zu Lachen. Gott, diese reichen, verzogenen Gören, die dachten sie könnten einen auf cool und gemein tun ...

"Was lachst du da so dumm?"

Sakura schüttelte den Kopf, ging auf die Blondine zu und machte plötzlich ein finsteres Gesicht. Sie legte ihr die Hand auf die Schulter, drückte aber nicht zu. Dann lächelte sie die junge Frau fies an.

"Hör mal zu, Püppchen, ich tue, was ich will, verstanden? Und solltest du MIR in die Quere kommen, dann mach ich mit deinen Fingern etwas ganz anderes, und das schwöre ich dir!"

Sakura nickte der Braunhaarigen zu, ehe sie auf dem Absatz kehrt machte und aus dem Bad verschwand.

"Alles okay, Miriam?", fragte die dickere der Beiden und sah ihre Freundin besorgt an, da diese leicht erstarrt wirkte.

"Sicher ...", Miriam reckte sich. "Wer zum Teufel ist diese Kuh? Was bildet die sich eigentlich ein? Aber ich finds schon noch raus!"
 

"Wo warst du so lange?", fragte Sasuke, der etwas Abseits der Toiletten gewartet hatte.

"Ich hatte nur eine freundliche Unterhaltung mit einer deiner Verehrerinnen", grinste Sakura.

"Mit wem? Oh Gott, hat dir diese dumme Ziege aufgelauert?"

"Ja, ich denke wir reden vermutlich von der selben Person", lachte Sakura.

"Was wollte sie?"

"Nichts weiter", meinte die Rosahaarige nur und sah sich um. "Hast du Temari schon gefunden?"

Sasuke schüttelte den Kopf. "Aber ich hab auch keine Zeit mehr zum Suchen. Ich muss diese beknackte Rede halten. Am besten du wartest hier, und wenn ich fertig bin, komm ich dich abholen."

Sakura nickte. "Okay."

"Aber rühr dich ja nicht vom Fleck!"

"Ja, ja! Nun geh schon!"

Sasuke stöhnte genervt und verschwand dann in der Menschenmenge.

Sakura lächelte ihm sachte hinterher.

Was geschah hier nur?

War sie etwa dabei, sich in diesen ungehobelten Eisklotz zu verlieben? Oder hatte sie es bereits getan?

Die junge Frau sah sich um und nahm auf einem der etwas abseits stehenden Stühle platz. Langsam wurden ihr die Füße kalt, denn ihre Schuhe hatte sie noch immer nicht gefunden.

Ob es ein Fehler war?

Sakura seufzte resigniert. Warum musste Sasuke auch so anders sein! Warum musste er reich und bekannt sein, konnte er nicht einer von der Straße sein? Dann wäre alles soviel einfacher!

Aber er war nicht von der Straße ... er stand soweit über ihr, wie nur jemand stehen konnte. Seine Familie besaß diese riesige Firma, er würde sie eines Tages übernehmen ... was sollte er da mit einer wie ihr anfangen? Wenn jemand herausfand, woher sie kam, das würde doch seinem Ansehen schaden!

Er war ein Prinz und sie die Bettlerin.

Warum hatte er sie nur küssen müssen? Warum war er so gut zu ihr?

Weil er sie ehrlich mochte?

Oder war sie für ihn ein Spaß, mal etwas anderes ...

Ob er vor ihr schon viele Frauen geküsst hatte?

"Gott!", stöhnte Sakura und schüttelte den Kopf. Was machte sie sich denn hier für Gedanken!

Denn ... im Prinzip war es doch egal. Wenn es ihr besser ging, würden sie sich sowieso nicht mehr sehen.

Vermutlich war das auch das Beste.

Sie hoffte nur, dass der Abschied schnell kam, denn sie wollte sich nicht erst noch an ihn gewöhnen.

Falls es nicht schon passiert war ...

"Alles in Ordnung?", riss sie eine fremde, männliche Stimme aus den Gedanken.

Sakura schrak hoch und sah in zwei blaue Augen. "Wie?", fragte sie perplex.

"Entschuldigen sie! Ich wollte sie nicht erschrecken, sie sahen nur so traurig aus", lächelte der junge Mann und ließ sich neben Sakura fallen.

"Oh, nein, keineswegs!", entgegnete Sakura grinsend. "Ich habe nur nachgedacht."

DEr Fremde nickte. "Ich habe da etwas für sie", er lächelte wissend und holte hinter seinem Rücken ein paar Schuhe hervor.

"Meine Schuhe!", rief Sakura erfreut aus. "Danke sehr, woher wusste sie ..."

"Sie sind die einzige hier, die keine trägt", lachte der Mann amüsiert.

Sakura grinste verlegen. "Ja, ich hab sie vorhin ... irgendwie verloren. Vielen dank, dass sie sie mir wiedergebracht haben."

"Sie könnten sich revanchieren ...", lächelte der Mann. "Sie könnten mir den ersten Tanz schenken."

Sakura schmunzelte, schüttelte aber den Kopf. "Es tut mir leid, aber ich tanze schon mit jemanden ..."

"Sasuke Uchiha, nicht wahr?", die Stimme des Mannes klang plötzlich wesentlich kühler, schon fast bedrohlich.

"Ähm, ja, aber ..."

"Er verdient sie nicht!", platzte es aus dem Mann wütend hervor.

"Er verdient mich nicht?", wiederholte Sakura irritiert. "Was reden sie denn da, ich ..."

"Geben sie sich nicht mit den falschen Leuten ab! Ein Bündnis mit mir wäre eine ausgezeichnete Partie!"

Hä??

Sakura sah den jungen Mann verständnislos an. Was erzählte er ihr denn da gerade für einen Quatsch? Ein Bündnis? Partie?

Sakura wollte gerade etwas erwidern, als jemand hinter ihr auftauchte, woraufhin der Fremde aufstand und gemein grinste.

"Hat er dich belästig, Sakura?", fragte Itachi.

"Hey!", Sakura sprang auf und sah Itachi grinsend an. "Ich hab euch gefunden!", meinte sie und drückte Temari, die neben Itachi stand, lächelnd an sich.

"Wir eher dich!", erwiderte die Blonde lachend.

"Hallo Itachi", sagte der Fremde plötzlich eisig und Sakura spürte die Spannung, die zwischen den beiden Männern war.

"Das du auch hier bist, Kabuto ... ich dachte eigentlich nicht, dass du dich hier blicken lässt!"

"Das dachte ich von dir auch nicht ...", kam die Antwort sogleich.

"Was willst du hier?!", fragte Itachi und klang alles andere als freundlich. Er klang nun viel mehr wie sein Bruder. Kalt und eisig.

"Mich amüsieren", antwortete Kabuto und sah unmissverständlich zu Sakura. "Aber ich werde wohl vorerst den Rückzug antreten. Ich hoffe wir sehen uns wieder, Sakura?", sagte er mit schleimiger Stimme.

"Das denke ich kaum. Sie ist mit Sasuke hier."

"Nun, wir werden ja sehen. Bis später."

Dann ging Kabuto und ließ die drei zurück.

"Wer war das?", fragte Sakura, die die Situation nicht verstand. Allerdings hatte sie den Hass deutlich spüren können. Echten Hass!

"Kabuto. Sein Vater arbeitet hier. Und er studiert mit Sasuke zusammen. Aber er ist das größte Arschloch, dass es gibt. Er hat schon öfter für Ärger gesorgt ..."

"Was für Ärger?", wollte Temari wissen.

Itachi zuckte mit den Schultern. "Nicht so wichtig. Aber haltet euch lieber von ihm fern. Er bedeutet Probleme."

"Er ... kommt mir bekannt vor", meinte Sakura nachdenklich. "Ich weiß nur nicht, woher ...

Itachi sah sie fragend an, es lag fast Besorgnis in seinem Gesicht. Doch dann riss er sich zusammen und grinste Sakura belustigt an. "Also hast du es dir doch anders überlegt!"

Sakura grinste zurück und nickte leicht.

"Und vor allem siehst du total wahnsinnig aus! Wo hast du so ein Kleid auftreiben können?"

Sakura lächelte gequält, ehe sie sich setzte und den Beiden die ganze Geschichte erzählte, mit Ausnahme natürlich, dass alles so gekommen war, weil Sasuke sie geküsst hatte. Das musste vorehrst niemand erfahren!

Itachi lag fast auf dem Boden, als Sakura endete.

"Das ist ja besser als jede Komödie! Mädchen, du bist durchgeknallt!", rief er lachend.

Sakura schnitt eine Grimasse. "Es ist eben alles irgendwie so gekommen, ich hab nicht viel dafür getan!", verteidigte sie sich.

"Weia, deswegen haben wir vorhin einen der Bodyguards mit Platzwunde am Kopf gesehen. Weil der gegen die Tür geknallt ist!", erinnerte sich Temari. "Aber es ist einfach nur toll, dass du hier bist! Hast du dir denn schon alles angesehen? Da kommt man richtig in Weihnachtsstimmung."

Sakura schüttelte den Kopf. "Nein, ich sollte hier auf Sasuke warten. Ist er mit seiner Rede schon fertig?", fragte Sakura und sah zur Bühne, die Sasuke gerade ... verließ. Hatte sie jetzt etwa die ganze Rede verpasst? Wie peinlich!

Itachi nickte. "Keine Sorge, er hat nichts wichtiges gesagt. Nur allen gedankt und der übliche Kram."

"Oh, wir müssen zum Buffet, Sakura!", rief Temari, da nun die meisten der Gäste dorthin aufbrachen. "Wenn wir uns nicht beeilen, kriegen wir nichts mehr ab!"

Itachi lachte. "Es ist mit Sicherheit genug für alle da. Aber geht schon vor. Ich fang Sasuke ab und wir suchen euch dann."

Die beiden Mädchen nickten und verschwanden in der Menge.
 

"Kabuto?", sagte Sasuke gestresst und sah sich um. "Na super, dann wird er eine Einladung über seinen Vater bekommen haben. Das dieser Mistkerl hier ist, ist das Letzte. Das er sich das traut ..."

"Er hat sich noch mehr getraut", meinte Itachi, während er neben seinem Bruder her lief um die Mädchen zu suchen. "Er hat sich an Sakura rangemacht."

"Was?", Sasuke blieb abrupt stehen. "Diese Dreckshund, wenn ich den in die Finger bekomme!"

Itachi hob beschwichtigend die Hände. "Bleib ruhig. Heute und hier darf dir kein Fehler unterlaufen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es das ist, was er will. Bei den ganzen Reportern hier, das wäre ein gefundenes Fressen, wenn du auf Kabuto reinfällst!"

Sasuke nickte widerwillig. Itachi hatte recht, er musste Ruhe bewahren. Er dufte sich keinen Fehltritt erlauben, wenn alle Augen auf ihn gerichtet waren.

Und er wollte sich nicht auf Kabuto konzentrieren, denn seine Augen ruhten heute nur auf Sakura ...

"Da seid ihr ja!", sagte sie, als Sasuke vor ihr stand. "Was guckst du denn so?"

Sasuke schüttelte den Kopf. "Nichts", sagte er und nahm den Teller, den sie ihm reichte.

"Da, ich teile meine Beute mit dir. Das war grad eine Schlacht an dem Buffet!"

Temari nickte bekräftigend. "Schlimmer als wenn beim Schlussverkauf!"

"Wie die Bestien. Und es sind einige Geschosse unter den Leuten ...", meinte Sakura vielsagend.

"Aber wir haben kamen ...", sagte Temari.

"Wir sahen ...", meinte Sakura.

"Und siegten!", riefen beide gleichzeitig und mit einer Ernsthaftigkeit, dass die beiden Uchihabrüder loslachen mussten.

"Ja wirklich", Itachi schüttelte amüsiert den Kopf, als er auch von Temari einen voll beladenden Teller bekam. "Wie die Löwen, die nicht wissen, dass das Bufet immer wieder gefüllt wird ..."

"Hä?", entfuhr es Temari.

"Wie?", stöhnte Sakura.

"Der ganze Stress umsonst?", Temari konnte es kaum glauben.

Sasuke nickte, und als sich die Mädchen umdrehten, und die erste Schar Menschen vorüber war, liefen auch schon wieder Kellner rum, die Speisen und Getränke nachfüllten.

"Na und, der erste Schwung ist immer der Beste!", beteuerte Sakura. "Ich hoffe nur, die dicke Tante nimmt es mir jetzt nicht übel, dass ich ihr ein Bein gestellt habe."

"Und ich sie danach auch noch gegen die Wand geklemmt hab ...", fügte Temari hinzu.

"Ich seh es schon vor mir, wie du die nächsten Tage den Schreibtisch voller Beschwerden kriegst, weil zwei wilde Löwen auf deiner Feier auf der Pirsch waren", lachte Itachi, der das alles nur köstlich fand.

Sasuke schwieg dazu lieber, doch dass auch er seinen Spaß hatte, konnte man sehen.

"Hallo Sakura!", hörte man plötzlich mehr als nur eine Kinderstimme rufen, und keine Sekunde später hatte die junge Frau drei kleine Mädchen am Kleid hängen, während zwei Jungen grinsend daneben standen. Ihnen war dieses Verhalten offensichtlich zu "kindisch".

"Hey, seit ihr schon fertig mit singen?", fragte Sakura, die Temari noch gerade so ihren Teller reichen konnte, damit dieser unter dem Drücken der Kinder nicht zu Boden ging.

"Wir machen Pause!", erklärte einer der Jungen fachmännisch.

"Achso", sagte Sakura und sah den Bengel grinsend an. "Dir ist es wohl peinlich, mich zu begrüßen, was?"

Der Junge lief sofort rot an. "Gar nicht wahr!"

"Na dann komm her und lass dich drücken, ich hab dich schon ewig nicht mehr gesehen, Jeremy!"

Eher widerwillig ließ sich der etwa acht jährige Junge von Sakura in den Arm nehmen.

"Wir haben dich auch schon lange nicht mehr gesehen!", sagte eines der Mädchen. "Du hast uns doch nicht etwa vergessen?"

"Na sagt mal, denkt ihr sowas von mir?", Sakura kicherte. "Ihr seit ja richtige Meistersänger."

"Das hat uns Itachi beigebracht!", sagte der andere Junge, Sebastian.

Nun war Sakura doch überrascht. "Itachi?", sie sah den älteren Uchiha verwirrt an.

Und so erklärte man ihr, dass Itachi öfters ins Heim ging und mit den Kindern sang.

Sakura grinste. "Na das ist ja ein Zufall."

"Und sie kennen wir auch", ein braunhaariges Mädchen zeigte auf Temari, die daraufhin einen kleinen Knicks machte.

"Das ist ja wirklich überraschend", lachte Sakura. "Und den brummigen Eisbären hier auch?", sie deutete zu Sasuke, der nur die Braue hochzog. Brummiger Eisbär?

Sasuke sandte Itachi einen tödlichen Blick, als sich dieser ins Fäustchen lachte.

Sebastian nickte. "Ja, das ist Herr Uchiha."

"Herr Uchiha?", Sakura lachte darüber, wie ehrfurchtsvoll der Junge das sagte. "Herr Uchiha?!", sagte sie mit einer Schnute in Sasukes Richtung, so dass der junge Mann genau wusste, was sie von ihm wollte.

"Sagt einfach Sasuke", knurrte er knapp.

"Oder brummiger Eisbär", flüsterte Sakura, woraufhin die Mädchen leise kicherten.

Sasuke musste wieder seine todbringenden Blicke verteilen, denn Itachi hatte schon fast Tränen in den Augen ...

Und trotzdem schmunzelte er innerlich, wie liebevoll Sakura mit den Kindern umging. Und er fand es bemerkenswert, wie sehr die Kinder sie mochten.

"Hallo Sakura", sagte plötzlich eine zarte, leise Stimme hinter der kleinen Gruppe. Sakura zerriss es fast das Herz, als sie sich langsam umdrehte.

"Hallo Emily", flüsterte Sakura fast genauso leise zurück, und dass sie im Moment den Tränen nahe war, sah man ihr deutlich an. Trotzdem lächelte sie aufmunternd, als das Mädchen näher kam und ihr schließlich weinend um den Hals fiel.

Sakura drückte die Siebenjährige fest an sich, als sie zu Sasuke blickte, der etwas von ihr entfernt stand und sie verwirrt ansah, genau wie Temari und Itachi.

Sie versuchte ihn anzulächeln, und trotzdem liefen ihr nun leise Tränen über die Wangen, so dass sie die Augen schließen musste.

"Stimmt was nicht, Sakura?", fragte ein anderes Mädchen, die die Situation auch nicht verstand.

Sakura schüttelte den Kopf und erhob sich, hielt Emily aber immer noch fest. "Sebastian? Könntet ihr uns bitte was zu trinken holen?"

Der Junge nickte verstehend. Scheinbar war er der einzige, der wusste was los war. "Los Leute, wir brauchen ein paar Hände."

"Sollen wir alle gehen?", fragte Jeremy.

"Na klar, sonst kriegen wir das ja wohl kaum weg. Und jetzt hör auf doof zu fragen, sondern setz dich in Bewegung. Sakura will trinken, also kriegt sie Trinken! Abmarsch!"

Der geborene Anführer ...

"Danke", flüsterte Sakura ihm leise zu, und als die Kinder sich davon gemacht hatten, sah Sakura Emily lächelnd an. "Du singst also auch im Chor, ja?", fragte sie, doch ihre Stimme klang gezwungen.

Emily nickte leise und wischte sich über die Augen. "Und sie hat eine zauberhafte Stimme", fügte Itachi hinzu, was das Mädchen ein wenig rot anlaufen lies.

"Ist das so?"

Emily lächelte leicht.

"Vielleicht wirst du ja mal ein ganz großer Star!", meinte Sakura und hockte sich zu Emily hinunter, um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu wischen. "Und dann winken dir deine Fans mit Taschentüchern zu!", grinste sie überdeutlich.

Temari war die Einzigste, die verstand, und aus ihrer Tasche Taschentücher holte. "Hier, bitte sehr."

"Na los, eine Runde ordentlich Nase ausspülen und dann sieht die Welt schon wieder besser aus, was?!", sagte Sakura aufmunternd.

"Kommst du wieder zurück, Sakura? Wir haben dich schon lang nicht mehr gesehen", meinte Emily nun, sie schien sich etwas gefasst zu haben.

"Sicher komm ich zurück. Ich muss noch was erledigen, bevor ich wieder komme. Aber ich versuche es so schnell wie möglich zu schaffen, hm?"

"Wo schläfst du denn jetzt? Du bist ja auch nicht mehr bei dir."

Sakuras Gesicht verfinsterte sich. "Emily, du musst mir versprechen, dass du nicht mehr in diese Gegend gehst, okay? Auch die anderen nicht! Keiner soll mehr nach mir suchen."

Emily nickte. "Aber wo schläft du jetzt?"

Sakura lächelte sanft. "Für eine Weile bin ich bei Sasuke."

Emilys Gesicht verzog sich wieder. "Sakura?"

"Ja, was denn?"

"Komm nicht zurück!", sagte Emily fest, was den anderen fast einen Schrecken einjagte. "Bleib dort, bitte! Wenn du zurück kommst ... Sie werden dich kriegen, Sakura!", weinte Emily wieder. "Sie werden dich kriegen, und dann machen sie böse Sachen. Sebastian hats gesagt. Er hat es gehört, als er bei dir war. Sie suchen dich, und sie werden dich finden, und dann ... sie dürfen das nicht!" Emily zitterte nun am ganzen Körper und Sakura musste sich schnell fassen, um das Mädchen tröstend zu umarmen.

"Keine Sorge, so einfach kriegt man eine Sakura nicht! Um mich musst du dich nicht sorgen. Ich bieg das wieder hin. Und dann komm ich zurück, und niemand wird jemals wieder einen von uns schnappen. Aber du musst mir versprechen, dass ihr im Heim bleibt! Geht nicht mehr heimlich raus! Vor allem nicht alleine!"

Emily nickte. "Okay."

"Erinnerst du dich noch an den alten Mann, der immer auf der Bank schläft, gleich in der Nähe vom Heim?", fragte Sakura nun.

Emily nickte. "Der ist nett. Der erzählt immer witzige Geschichten."

"Wenn irgendetwas passiert, dann geh zu ihm, okay? Erzähl es ihm, und dann sag ihm, er soll es unserem Freund sagen. So kann ich es erfahren, verstehst du? Aber wirklich nur, wenn etwas ganz Wichtiges ist. Nur dann. Und keiner darf es weiter erfahren. Nur der alte Mann. Ihm kannst du vertrauen. Und Sebastian, dem kannst du auch alles sagen! Aber wirklich nur den beiden!"

Emily nickte.

"Dann ist gut. Und nun lächel mal, du hast heute einen großen Auftritt. Was denken denn die Leute, wenn sie dich immer weinen sehen? Bestimmt, dass du keinen Spaß hier hast!"

"Aber ich hab Spaß", beteuerte das Mädchen, und tatsächlicherweise grinste sie.

"Da, sind wieder da!", rief keine Minute später der kleine Sebastian durch die Menge. Hinter ihm liefen die vier anderen Kinder, beladen mit Getränken, die sie unter Temari, Itachi, Sasuke und Sakura verteilten.

"Danke. Und jetzt geht selbst noch ein bisschen futtern. Vergesst euch nicht das Beste in die Hosentaschen zu stecken, damit ihr es mitnehmen könnt", grinste Sakura und drückte jedem noch ein Küsschen auf die Stirn.

"Pass auf sie auf, ja?", sagte sie noch leise zu Sebastian, der sich nur wiederwillig umarmen ließ.

Der Junge nickte.

"Und wag es dir ja nicht, noch einmal vom Heim abzuhauen. Nicht jetzt! Du bist nicht dumm, also tu auch nichts dummes!"

Sebastian nickte, auch wenn er sich nicht so wirklich daran halten wollte.

"Du aber auch nicht! Mach nichts falsches", sagte er ganz Mann.

Sakura lachte leise. "Nun hör mal großer Junge! Ich mach nie falsche Sachen! Ich komm nur immer in die Nähe von falschen Menschen. Also sei du kein dummer Mensch, der falsche Dinge tut!"

Sebastian runzelte bei diesem verwirrenden Satz die Stirn.

"Nun lauf zu den anderen, sonst brumm ich dir auch ein Küsschen auf."

Und da war er auch schon verschwunden.

"Der Junge weiß, was mit dem Mädchen passiert ist. Mit Emily mein ich. Nur wir beide wissen es", sagte Sakura, die den Kindern noch hinterher sah. Sie wusste, dass die anderen viele Fragen hatten.

"Dann ist Emily von diesem Kerl, der jetzt im Gefängnis sitzt ..., begann Temari.

Sakura nickte.

"Aber wenn sie den Jungen schnappen, dann könnten sie herausfinden, wo du bist", sagte Itachi besorgt.

"Nein", Sakura schüttelte den Kopf. "Auf den Junge ist verlass. Er ist mehr Mann, als manch ein anderer. Er würde vermutlich eher sterben, als dass er verraten würde, wo ich bin", Sakura sah nun ins Leere. "Und das macht mir viel mehr Sorgen ..."

Dance with me

Es war schon 23 Uhr, als Temari aufgeregt zur Uhr sah.

"Bald ist es soweit", grinste sie wie ein Honigkuchenpferd.

"Was denn?", fragte Sakura neugierig.

Temari lachte verschmitzt. "Baaaaald .... wird der Ball eröffnet!"

"Der was?"

"Der Ball", wiederholte Itachi, der gerade mit Getränken wiederkam. "Aber erst in einer Stunde, um Punkt 12 Uhr Mitternacht."

"Und dann?", wollte Sakura unwissend wissen.

"Na dann wird getanzt!", lachte Temari fröhlich. "Ich hab zu Hause mit meiner Mutter geübt, aber ich will trotzdem nicht wissen, wem ich alles auf die Füße trete!"

"Ich hoffe nur mir, oder mit wem willst du alles tanzen? Reich ich dir etwa nicht?", tat Itachi betrübt, konnte sich das Grinsen aber nicht verkneifen.

"Spinner!", gluckste Temari. "Dann plätte ich eben nur deine Füße!"

"Das kann ja heiter werden", seufzte Sasuke, wiedereinmal genervt.

Sakura sah ihn fragend an. "Sag mal, so ein bisschen tanzen ..."

Itachi lachte hinterhältig. "Sasuke muss ja nicht nur ein bisschen tanzen, er muss den Ball auch eröffnen."

"Eröffnen?"

Itachi nickte. "Er muss den ersten Tanz machen, dann erst schließen sich die nächsten Paare an."

Sakura grinste hämisch. "Nun, dann wünsch ich dir viel Glück, wenn alle Augen auf dich starren."

"Du tanzt mit", war die schlichte Antwort des Uchihas.

Sakura fiel fast das Glas aus der Hand. "Nie im Leben", keuchte sie.

"Du hast gesagt, du bist hier um mit mir zu tanzen", erinnerte Sasuke und sein Grinsen nahm diabolische Züge an.

"Ja ... ja aber doch nicht für irgendeinen Eröffnungstanz, irgendwann am Ende des Abend, wenn keiner mehr drauf achtet ..."

"Das musst du dir abschminken. Um 12 wird getanzt. Basta!"

Eine klare Ansage.

"Nix da, basta!"

Auch eine klare Ansage.

"Nun komm schon Sakura, du kannst doch tanzen!", mischte sich Temari grinsend ein, wofür sie einen vernichtenden Blick von ihrer Freundin erhielt und einen verblüfften von den Jungs.

Sasuke sah Sakura skeptisch an. "Was kannst du denn tanzen?"

Sakura wandte ihren Todesblick von Temari, um ihn Sasuke zu zuwerfen. "Bestimmt mehr als du!"

Itachi klatschte erfreut in die Hände. "Oho, das wird schwer. Unsere Eltern haben Sasuke in sämtliche Tanzkurse gesteckt. Sein Repertoire ist erschreckend."

Sakuras Augenbraue zuckte gefährlich. "Ist ja hübsch wenn er viel kann, aber kann er sie auch gut?"

"Tse, ich muss niemanden etwas beweisen. Ich weiß, dass ich alles kann. Das ich alles gut kann!", sagte er betont hochnäsig. Wenn er Sakura kriegen wollte, dann ging es nur so.

"Pah, dann werde ich dem werten Herrn Uchiha-Supertanztalent nachher die Hacken heiß tanzen lassen!"

"Eröffnet wird der Ball aber mit einem Standartwalzer, da muss man langsam tanzen, falls dir das geläufig ist."

Argh ... Sakura kochte. Dieser überkandidelte Oberidiot!

"Okay, damit habe ich keinerlei Probleme!", sagte Sakura betont ruhig.

"Danach kommt der Wiener Walzer ...", bemerkte Sasuke gedehnt.

"Den werde ich auch noch hinbekommen ...", Sakuras Stimme zitterte schon, so musste sie an sich halten, diesem Machomaulhelden nicht an die Gurgel zu springen.

"Und dann ...", Sasuke machte eine Pause. "Dann kommt ... Schluss."

"Hä?", Sakura verstand nicht.

"Mehr als zwei Tänze müssen nicht sein", schnaubte Sasuke, dem einer vor den ganzen Gästen schon zuviel war.

Sakura grinste. "Na das ist ja wirklich eine schwierige Sache."

"Wo hast du denn tanzen gelernt?", warf Itachi dazwischen, ehe die beiden sich noch ansprangen.

Temari kicherte. "Das wird sie euch bestimmt nicht verraten!"

"Wieso nicht?", wollte Itachi neugierig wissen.

Sakura knurrte. "Weil es niemanden etwas angeht. Und man muss nicht alles wissen. Manchmal ist es besser, im Unklaren zu sein!"

Temari kicherte immer noch, worauf sie ein weiteres mal einen grausamen Tod durch Sakuras Hydraaugen erlebte.

"Wann hast du das letzte mal getanzt?", fragte Sasuke mit kühlem Lächeln.

Sakura sah ihn kalt an. "Ist vielleicht eine Weile her, aber das sagt gar nichts!"

"Wie alt warst du denn, als du tanzen gelernt hast?", hakte Itachi nach.

Sakura überlegte kurz. "Das war vor etwa vier Jahren glaub ich."

"Und wann hast du das letzte mal getanzt?", warf der ältere Uchiha hinterher.

Sakura überlegte wieder. "Das war vor drei Jahren glaub ich."

Nun sahen sie zwei geschockte Uchiha an, während eine kichernde Temari erneuert totgeguckt wurde.

Sasuke stöhnte leidlich. "Ich werde mich mit dir bis auf die Knochen blamieren!"

"Würde mich hier irgendwer kennen, dann würde ich wohl jetzt das gleiche sagen. Nur kennt mich keiner, weshalb es mir egal ist, wenn ich 'ausversehen' Grottenschlecht tanzen werde und du im Boden versinken wirst!"

"Tse!"

"Pah!"

"Wollen wir nicht alle Freunde sein", Itachi hob beschwichtigend die Hände, obwohl es ihm fast vom Stuhl fegte, so sehr hätte er eigentlich lachen müssen.

"Du könntest ja auch diese Miriam fragen", viel es Sakura plötzlich ein. "Die würde sicher umfallen vor Freude. Wenn sie mich aber mit dir tanzen sieht, wird sie mir bestimmt noch an den Hals springen."

"Kriegst du etwa Angst?"

Angst? Angst? Angst? Sakura und Angst! Jetzt tobte das Mädchen innerlich.

"Ich lass mich nicht auf dieses Niveau hinunter", sagte sie gelassen, zumindest nach außen hin. In ihren Gedanken wurde Sasuke gerade durch sämtliche Folterinstrumente gezogen ...

Schweigen kehrte ein, und die Uhr tickte unvermindert.

Während Itachi und Temari sich angeregt unterhielten, war das Einzigste, was Sakura und Sasuke austauschten, giftige Blicke.

Und dann war es plötzlich so weit.

Sasuke schluckte unmerklich. Wie er so etwas hasste. Denn der Chor verstummte nun und ein Ansager trat auf die Bühne, der die Kinder dankend verabschiedete. Sie hatten die meiste Zeit zwar damit verbracht, sich mit Essen zu beschäftigen, aber zum Ende hin hatten sie noch einige Lieder gesungen.

Dafür wurde nun die große Fläche in der Mitte des Saals frei gemacht. Ein Spotlight ging an und bestrahlte nur noch diese Stelle. Sasuke wäre am liebsten verschwunden, doch Sakura war bereits aufgestanden, da man anscheinend auf den werten Uchiha wartete.

"Darf ich bitte, mein Herr?", fragte sie lächelnd, und es war kein fieses oder gemeines Lächeln, sonder ein sanftes, was Sasuke mehr Mut machte als sämtliche Worte dieser Welt.

"Wenn die Dame möchte", er stand auf und nahm ihren Arm, um sie in die Mitte zu führen. Hunderte von Augen folgten ihnen, und Sasuke schluckte erneuert.

"Wovor fürchtest du dich?", flüsterte Sakura leise.

Sasuke zischte etwas, dass in etwa hieß, dass er solche Massen, die ihn anstarrten, einfach nicht leiden konnte.

Sakura lachte hinter vorgehaltener Hand. "Der große, stolze Sasuke Uchiha hat Angst!"

"So ein Unsinn!"

"Gib es zu oder ich rufe es einfach in die Menschenmasse. Glaub mir, ich hätte kein Problem damit!"

"Warum solltest du das machen?", zischte Sasuke wieder. Gott, wie lang war denn der Weg bis zur Mitte?

"Weil ich nichts zu verlieren habe. Kein Ansehen, keinen Status ..."

"Angst steht nicht in meinem Vokabular!", knurrte Sasuke.

Sakura lächelte leicht. "Aber es steht in deinen Augen ..."

Der Uchiha sah sie berührt an.

"Vielleicht ein wenig. Menschen lachen einen aus, reden hinter einem. Das muss ich nicht haben!", gab Sasuke gezwungen zu.

Sakura lächelte. "Und das war nun so schwer?"

"Was?"

"Zuzugeben, dass du Angst hast. Angst, ausgelacht zu werden. Aber soll ich dir was verraten? Wenn sie lachen, dann lass sie lachen! Und warum sollten sie überhaupt lachen? Du machst doch nichts anderes, als andere auch!"

"Normalerweise ...", Sasuke machte kurz Pause. "Normalerweise eröffnen meine Eltern den Ball immer. Sie machen alles richtig. Ihnen würde kein Fehler passieren, und das wissen die Leute nun mal."

"Du bist aber nicht deine Eltern. Du bist ein ganz anderer Mensch, niemand ist gleich! Jeder hat irgendwo andere Seiten, auch wenn man sie manchmal kaum wahrnimmt. Und wenn du jemand bist, dem mal ein Fehler unterläuft, na meine Güte, dann scheiß drauf! Weißt du was wir machen, wenn sie lachen sollten, nur weil wir es anders gemacht haben als perfekt?"

Sasuke schüttelte den Kopf. Was sollte man da machen?

"Dann lachen wir! Wir lachen sie aus, dafür dass sie alle gleich sind! Dafür, dass sie perfekt sind. Oder glauben, dass sie alle perfekt sind. Denn niemand ist perfekt!"

Sasuke konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Sakura lächelte zurück, als sie endlich die Mitte erreichten und sich zum Walzer aufstellten. "Und nun zeigen wir denen mal, was Perfekt ist!", grinste sie breit.

Sasuke nickte.

Dann spielte die Musik.

Und es gab nicht ein Auge, dass nicht vor Staunen aufgerissen war.

Von Sasuke hatte man eine gute Leistung erwartet.

Das Mädchen kannte keiner.

Aber das ...

Niemand lachte.

Denn perfekter und anmutiger hätten es selbst Sasukes Eltern nicht machen können ...
 

Mittlerweile war die Tanzfläche voll, und man war von Standardtänze auf Modern umgestiegen. Die Gäste amüsierten sich köstlich, vor allem aber Temari, die nun über eine halbe Stunde mit Itachi tanzte.

Sakura saß etwas abseits am Rand und beobachtete ihre Freundin. "Sie ist so glücklich", meinte sie mehr zu sich selbst.

"Meinst du Temari?", fragte Sasuke, der neben ihr saß. Die letzten zehn Minuten hatte er sich zu seinem glanzvollen Eröffnungstanz gratulieren lassen. Und mehr als einmal war die Frage gekommen, wer die reizende Dame an seiner Seite war.

Sakura nickte langsam und nahm einen Schluck ihres Sektes, das man ihr gebracht hatte. "So unbeschwert konnte sie früher nie sein. Und jetzt ist sie nur noch fröhlich", Sakura seufzte. "Und sie geben ein hübsches Paar ab", lachte sie leise.

Sasuke konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Das ist wahr. Ich glaub, es fehlt auch nicht mehr viel. Itachi muss nur mal etwas Mut sammeln. Er kann so ein Schisser sein!"

Sakura sah Sasuke amüsiert an. "Itachi ist also der Schisser? Wer hat denn fast die Hosen voll gehabt, und sich kaum auf die Tanzfläche getraut?"

Sasuke brummte vor sich her. "Du hast gut getanzt", sagte er dann.

"Du auch", gab Sakura zurück.

Dann grinsten sich beide an.

"So glücklich?", hörten sie plötzlich Kabutos Stimme hinter sich. "Was ist der Anlass? Ich möchte mich auch freuen."

Sasuke stand sofort auf, Sakura machte es ihm nach. "Mach das du hier verschwindest, sonst vergesse ich mich!", zischte Sasuke im scharfen Ton.

"Aber, aber! Zu einer Weihnachtsfeier wie dieser, sollte man sich da nicht vertragen?"

Sasuke schüttelte angewidert den Kopf. "Mit dir, nie im Leben!"

"Oh, sieh mal", Kabuto zeigte plötzlich auf einen älteren Mann, denn er sogleich heran winkte. "Herr Doyle, es freut mich sie zu sehen!"

Herr Doyle nickte Kabuto zu, wandte sich aber sogleich an Sasuke. "Ein gelungenes Fest", sagte er durch seinen Schnurrbart. "Und eine reizende Dame", lächelte er und nahm Sakuras Hand. "Ihr Tanz war beeindruckend. Faszinierend. Wirklich!"

"Danke", lächelte Sakura zuckersüß. Offenbar war der Herr eine wichtige Person.

"Oh, ich habe zu danken. Es hat mein Herz erfreut."

Sakura nickte freundlich.

"Wie wäre es, wenn wir etwas trinken, um gemeinsam auf den schönen Abend anstoßen zu können?", mischte sich Kabuto ein und reichte Sasuke und Herr Doyle einen Punch.

"Für mich nicht, danke. Ich habe schon einen Sekt gehabt, dass sollte genügen", wehrte Sakura lächelnd ab, als er auch ihr einen Becher reichen wollte.

"Dann stoßen wir mal an, auf einen gelungenen Abend", sagte Herr Doyle, doch plötzlich rutschte Sakura irgendwie aus und stieß dabei Sasukes Becher weg, so dass dieser direkt auf Herrn Doyles Jackett.

"Oh mein Gott!", Sakura rang um Fassung. "Es ... Oh Herr Doyle, es tut mir so leid. Mir ist ... mir wurde schwindlig, und ... oh wie peinlich, ich bin so ein Trampel!", Sakura klang, als würde sie jeden Moment anfangen mit Weinen.

"Aber, aber, meine Dame, es ist doch nichts weiter passiert!", wehrte Herr Doyle gleich ab, da er Angst hatte, Sakura würde wirklich gleich losheulen. Vermutlich war sie sehr zart beseitet, auch was ihre Nerven anging.

Sasuke konnte noch immer kein Wort herausbringen. Er wusste nicht, was er denken sollte. Irgendwie hatte er das Gefühl, Sakura wäre eben mit Absicht gegen ihn gerempelt.

"Geht es ihnen besser, meine Dame?", fragte Herr Doyle.

"Ja, ich ... meine Gesundheit lässt in letzter Zeit zu wünschen übrig. Deswegen auch nur ein Glas Sekt, aber es war vermutlich schon zu viel. Es tut mir so leid, wie kann ich ..."

"Ach, ist doch schon fast trocken. Ich gehe schnell ins Bad und wenn ich zurück bin, strahlt das Hemd wieder in seinem feinsten weiß!", er lächelte ihr aufmunternd zu, drehte sich um und verschwand. Kabuto ging ebenfalls um dem alten Herrn zu Hand zu gehen.

Keine Sekunde später kam ein Kellner, der das Missgeschick beseitigen wollte.

"Hey!", sagte Sakura, als er es aufwischen wollte. "Mach es bitte später, ja?"

Der Kellner sah sie fragend an, doch da Sakura ihr liebstes Lächeln einsetzte, nickte er nur und verschwand.

Sakura wartete eine Sekunde, ehe sie in die Hocke ging.

"Was ... Sakura was war das grade? Du hast meinen Punch doch mit Absicht ..."

"Sei bitte still und gib mir ein Taschentuch."

Sasuke stöhnte genervt und tat wie ihm geheißen. Sakura wischte damit etwas der Flüssigkeit auf, die zu Boden gegangen war.

"Was tust du denn da?"

Sakura roch an dem Tuch, ehe sie leicht mit ihrer Zunge drüber fuhr. Sasuke sah sie entgeistert dabei an.

"Was zu ..."

"Weißt du, was das ist?", fragte sie und wischte mit einem weiteren Tuch selbst das klebrige Zeug vom Boden.

"Kann das kein Kellner machen?", knurrte Sasuke, langsam wurde er über dieses seltsame Verhalten wütend.

"Nein, es sei denn du möchtest, dass morgen in der Presse steht, dass auf deiner Weihnachtsfeier Drogen ausgegeben wurden!"

Das hatte gesessen ...

Sasuke sah Sakura geschockt an.

"Was redest du da ..."

"In dem Punsch waren Drogen. Und extrem hoch dosiert, sonst hät ich es nicht erkannt.."

"Du hast die Drogen gesehen?"

Sakura nickte und reichte Sasuke das Tuch. "Probier, nur die Zunge ran, dann passiert nichts."

Sasuke sah sich um, dass ihn auch niemand beobachtete, ehe er tat, was sie sagte.

Er verzog das Gesicht. "Bitter", meinte er und reichte es zurück. Sakura nickte wieder und steckte das beschmutzte Tuch in eine kleine Tüte, und dann in ihre Handtasche.

"Ich wette, dass es GHB ist."

"GHB?"

"Ähm, man sagt auch Liquid Ecstasy, oder Liquid X, oder Fantasy ... keine Ahnung, auf jedenfalls war es Glück, dass der Idiot es so hoch konzentriert hat. Oder auch nicht, ich weiß nicht."

"Ecstasy?"

"Naja, man sagt es nur so, verwandt is es aber nicht mit dem echten Ecstasy. Ist nur ein Verkaufsargument, verstehst du. Aber dieser Hund, was sollte das?

"Du meinst Kabuto?"

Sakura nickte langsam. "Ich weiß jetzt, wo ich ihn schon mal gesehen habe. Er treibt sich ab und zu im Sao Paulo rum, wahrscheinlich bekommt er von dort seine Drogen. Und zufällig vertreibt das Sao Paulo hinterm Tresen auch GHB."

"Wie hast du es erkannt?"

"Ein Schleier. Wenn man es zu hoch dosiert, dann bildet sich ein Schleier, wie bei Benzin und Wasser.

"Und ... was wäre passiert?"

"Naja, es soll müde machen. Eine Überdosis führt zu narkotischen Schlaf. Übelkeit, Brechen. So was. Die Party wäre gelaufen gewesen."

Sasuke schluckte schwer. "Dieser Dreckskerl, ich muss ...", er wollte schon los, doch Sakura packte ihn am Arm.

"Warte!"

"Was? Der wollte mir Drogen unterjubeln! Das ist ..."

"Verstehst du das nicht?"

Sasuke sah Sakura verwirrt an.

"Woher solltest du denn wissen, dass es Drogen waren? Hättest du den Punch getrunken, es wäre dir kaum aufgefallen. Verstehst du ..."

Sasuke sah Sakura erstarrt an. "Dann wollte er mir entweder eins Auswischen, oder aber ..."

" ... mich testen. Ich habe ihn erkannt, er kann mich auch erkannt haben. Vielleicht kennt er meinen Namen, in Watts gibt es einige Leute die ihn kennen."

Sasuke nickte langsam. "Was tun wir jetzt? Dafür muss er büßen!"

"Er muss büßen, ohne Frage. Aber nicht heute und nicht hier. Fall nicht auf ihn rein! Weißt du noch, was ich vorhin zu dir gesagt habe? Als ich den Leuten entgegenrufen wollte, dass du Angst hast?"

Sasuke zuckte mit den Schultern. "Weil du nichts zu verlieren hast oder so."

"Eben! Wenn du dich hier mit ihm anlegst, das will er doch nur! Ihm ist es egal, er hat nämlich nichts zu verlieren, zumindest nichts im Vergleich zu dir! Und das ist der Grund, warum manche Leute sowas machen! Er würde es tun, er würde dich hier und jetzt zu Grunde richten! Du würdest dein Ansehen verlieren, alles! Die Presse ist hier, denk mal was das für Schlagzeilen wären!"

Sasuke setzte sich. Sakura hatte recht. Er war zum Nichtstun verdammt! Und in einer halben Stunde würde seine Mutter kommen, das wäre eine klasse Begrüßung geworden.

"Du hast recht", sagte er langsam.

Sakura ließ sich neben ihn auf den Stuhl fallen. "Es tut mir leid, es tut mir schrecklich leid. Wenn ich nicht hier wäre, dann hätte er das vermutlich nicht getan. Ich ..."

"Hey, beruhig dich", sagte Sasuke und legte seinen Arm um Sakuras Schultern. "Dir musst gar nichts leid tun! Du hast mich grade vor einem Fehler nach dem anderen bewahrt! Und wenn nicht das hier, irgendwas hätte der Dreckshund getan. Irgendetwas tut er immer!"

Sakura seufzte und lehnte sich gegen Sasuke.

"Was, schon müde?", grinste der Uchiha, als das Mädchen die Augen schloss.

"Nur ein wenig."

"Willst du lieber nach Hause? Der Arzt hat gesagt, dass du ..."

"Ach was, ich bin nur kaputt, das ist normal. Der Tag war es jedoch nicht ...", Sakura lächelte leicht, als sie sich erinnerte.

"Es dauert nicht mehr lange. Meine Mutter taucht nachher noch auf, sie hat es eher nicht geschafft. Und wenn wir sie begrüßt haben, könnten wir auch fahren."

"Wir?"

"Wenn du eher willst, kann ich dir auch ein Taxi rufen."

"Nein, ich meine den Satz davor!"

"Wenn wir meine Mutter begrüßt haben?"

Sakura nickte wie von der Tarantel gestochen. "Das kannst du doch alleine, alleine mit ihr reden, begrüßen und sowas!"

"Ich glaube, dass meine Mutter aber gerne meine Tanzpartnerin sehen würde."

"Ich bin aber eine absolute Niete im Mütter begrüßen!"

"Jetzt hast du aber Angst!"

Sakura sah Sasuke entgeistert an.

Da hatte er wohl ins Schwarze getroffen.

Und so blieb Sakura auch das nicht erspart ...
 

Temari genehmigte sich gerade ihr drittes Glas Sekt, als sich Sakura zu ihr setzte.

"Na alles klar?", fragte Sakura und seufzte resigniert.

Temari nickte. "Ein schöner Abend", meinte sie leicht betrübt. "Schade, dass er bald zu Ende ist."

Sakura nickte zustimmend. "Ja, er war okay. Wo ist denn Itachi?"

"Seine Mutter begrüßen, die wird wohl jeden Moment kommen. Und Sasuke?"

Sakura zuckte mit den Achseln. "Vermutlich das Gleiche, wenn es schon so spät ist."

"Ihr habt euch heute Abend gut vertragen, oder?", fragte Temari mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Läuft da was?"

"Wie bitte? Also sag mal ...", Sakura schüttelte den Kopf und sah sich in der nahe stehenden Menschenmenge um.

"Gib es zu!"

"Wir verstehen uns bestimmt nur halb so gut wie du und Itachi!", gab Sakura zurück.

Temari musste kichern. "Jetzt sag du aber mal!"

Sakura lächelte ihre Freundin vielsagend an. "Du magst ihn sehr, oder?"

Temari nahm einen kräftigen Schluck. "Ja, schon ..."

"Aber?"

"Ich ... ich weiß es auch nicht. Er ist total süß, voll lieb, ein absoluter Gentleman, immer gut drauf ... also meistens, aber ... ich ... ich seh das wahrscheinlich alles nur durch eine rosarote Brille, und wenn ich sie absetze ... dann ist aller Zauber hin, verstehst du?"

Sakura sah ihre Freundin mitfühlend an. "Das mit David sitzt noch, hm?"

Temari stöhnte. "Das nervt mich selbst! Ich ... es ist einfach zum kotzen, dass ich ständig an das alles denken muss! Warum kann ich nicht einfach mit ihm abschließen?"

Sakura sah Temari traurig an. "Vermutlich, weil er dich zu sehr verletzt an. Du hast für ihn soviel aufgegeben, und er zieht so eine Nummer ab ... aber deswegen sind nicht alle Kerle schlecht! Glaub mir, Itachi ist ein ganz anderes Kaliber! Er ist jemand, dem man vertrauen kann!"

"Das dachte ich von David auch ..."

"Aber David ... sieh mal, du warst damals noch so jung! Du hast einen Fehler gemacht, und daraus gelernt! Dein Fehler war aber nicht zu vertrauen! Man muss vertrauen können, wenn nicht, was wird dann aus einem, hm? Man bleibt einsam, und immer allein."

"Du hast auch nie jemanden vertraut", bemerkte Temari trocken.

Sakura seufzte. "Doch, und dieser jemand hat mich auch noch nie enttäuscht!"

"Wer denn?", wollte die Blonde nun wissen.

Sakura lachte. "Du stehst heute aufm Schlauch, was? Du natürlich! Du bist der einzige Mensch, für den ich immer meine Hand ins Feuer halten würde! Du bist meine beste Freundin, und meine Familie!"

Temari sah Sakura gerührt an. So etwas hatte die Rosahaarige noch nie zu ihr gesagt.

"Na, nun fang nicht gleich an zu heulen!", grinste die junge Frau und schüttelte den Kopf. "Du bist nach wie vor ein Schwächling!"

"Dann bin ich gerne ein Schwächling", sagte Temari und musste sich eine Träne aus dem Auge wischen.

"Dann werde aber bei Itachi schwach, und nicht, nur weil ich mal was Nettes sage", Sakura zwinkerte bedeutend, als Temari plötzlich etwas hinter ihr sah und erstarrte.

"Oh Gott!", flüsterte sie entsetzt.

"Was?"

"Dreh dich nicht um!"

"Warum? Sag schon!"

"Sie kommen her!"

"Oh mein Gott, sag jetzt nicht ..."

"Doch, Itachi, Sasuke und eine Frau. Oh Gott, das muss ihre Mutter sein! Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Ich will hier weg!", Temari wurde blass.

Aber nicht so blass wie Sakura. "Ich auch, ich kann nicht mit ihr reden! Sie ist eine Dame, sie wird sofort merken, wo ..."

"Nun hab dich nicht so, es steht doch nicht auf unserer Stirn geschrieben!", Temari versuchte sich Mut zu machen.

"Aber ..."

"Psst, sie ..."

"Hey ihr Beiden", sagte Itachi direkt hinter Sakura, die Temari mit aufgerissenen Augen ansah, während diese nervös lächelte.

"Hey", Temari schluckte, fasste sich aber und stand rasch auf, Sakura tat es ihr nach.

"Darf ich euch unsere Mutter vorstellen?", Itachi grinste breit bei dem angsterfüllten Anblick der jungen Frauen.

Sakura und Temari verbeugten sich gleichzeitig.

"Es ist uns eine Ehre ..."

"Wir sind höchst erfreut ..."

Frau Uchiha kicherte. "Na, na, ihr müsst euch doch nicht verbeugen! Und es ist mir eine Ehre, euch kennen lernen zu dürfen!"

Sakura lächelte, doch noch immer stand ihr der Schweiß auf der Stirn, vor allem, da Sasuke ein ernstes Gesicht zog. Hatte sie ihn schon blamiert? Vor der eigen Mutter?

"Das ist Temari Sabakuno", übernahm Itachi wieder das Wort, und Temari reichte Frau Uchiha die Hand.

"Da hast du aber untertrieben, als du sagtest sie sei eine vornehme hübsche Dame. Ich bin entzückt!"

Temari lief rot an. "Danke, das ist ... sehr freundlich", stammelte sie.

"Und das ist Sakura ..."

"Haruno", ergänzte Sasuke im kühlen Ton, so dass es dem Mädchen eiskalt den Rücken hinunter lief.

Sakura lächelte und tat Temari den Handgruß nach.

"Die herausragende Tänzerin, ich hab ein Lob nach dem anderen über dich gehört! Man munkelt sogar, du und Sasuke habt besser getanzt, als ich und mein Mann!"

Wenn Temari schon rot war, dann war es Sakura noch mehr. Sie hatte also nicht nur Sasuke blamiert, sondern auch noch Frau Uchiha! Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Warum hatte sie auch tanzen müssen?

Sie war eine dumme Nuss ohne Ende!

Nun lachte Frau Uchiha wieder. "Ihr beiden macht den Tomaten in meinem Wintergarten Konkurrenz! Kommt, wollen wir uns etwas setzen und ein bisschen plaudern? Itachi holt uns doch sicher ein wenig Sekt?"

Itachi nickte und machte sich auch sofort auf den Weg.

"Sasuke, ob du mir etwas von den leckeren gebackenen Obst holst?"

Sasuke nickte und folgte seinem Bruder schweigend.

Jetzt waren sie alleine ...

Alleine!

Temari und Sakura sahen aus, als stände ihnen die schlimmste Folter bevor.

"Ach nun guckt nicht so verängstigt, ich beiße nicht!", Frau Uchiha nahm neben Sakura platz.

Die beiden Mädchen lächelten gezwungen.

"Es ist schade, dass ich erst so spät kommen konnte", begann die ältere Frau. "Ich hätte euren Tanz gerne gesehen. Es muss traumhaft gewesen sein."

Sakura sah wie ein verschrecktes Häschen aus. "Danke, aber die Gäste übertreiben."

"Nicht doch, ich habe wirklich nur Gutes gehört. Wo hast du so gut tanzen gelernt, mein Liebe?"

Sakura schluckte. Jetzt musste sie denken, denken, denken.

"In ... in einer Tanzschule, in New York."

"Oh, du bist nicht von hier?"

Sakura nickte. "Nein, ich komme ursprünglich aus New York."

"Und du, Temari?"

"Hier. Ich meine, ich bin von hier", stotterte die Blonde.

"Wart ihr schon einmal in Washington? Dort bin ich geboren. In einer sehr ländlichen Gegend, wisst ihr."

Beide Frauen schüttelten den Kopf.

"Wir machen dort ab und an Urlaub. Es ist wirklich sehenswert."

Beide Frauen nickten.

"Wie hat euch denn die Weihnachtsfeier gefallen? Es ist das erste mal, dass Sasuke sie ausgerichtet hat."

"Sehr schön", sagte Temari lächelnd.

"Ja, sehr originell", fügte Sakura hinzu, in der Hoffnung, die richtigen Worte gewählt zu haben.

"Das stimmt!", Frau Uchiha nickte. "Mir gefällt es auch sehr, und ich hab bisher nur Positives gehört. Er war schrecklich nervös deswegen, wisst ihr."

Sakura nickte. "Ja, das hat man ihm angemerkt."

Fehltritt!

Frau Uchiha machte große Augen und sah Sakura überrascht an. Doch dann lächelte sie sanft. "Sie stehen meinem Sohn sehr nahe, nicht? Selbst ich konnte es nur vermuten. In meiner Gegenwart tat er immer so, als wäre er sich bei allem so sicher und als wenn es ihm nichts ausmacht. Er zeigt schrecklich wenig Emotionen, dabei ist er ein sehr gefühlsvoller Mensch."

Sakura nickte bedächtig, als plötzlich ein älterer Mann am Tisch auftauchte.

"Mademoiselle Uchiha!", rief er erfreut aus. "Habe ich sie gefunden! Ich wollte sie um den letzten Tanz bitten, die Musik endet wohl bald.

Frau Uchiha lächelte lieblich, ganz wie eine Dame. "Aber sehr gern, Herr Santaner. Dann verabschiede ich mich mal von euch, es war wirklich eine Freude für mich, euch kennen zu lernen."

"Für uns auch", sagte Sakura, nun etwas lockerer. Sie und Temari standen auf und reichten Frau Uchiha die Hand.

Überstanden ...

Angst

"Bin ich geschafft", stöhnte Sakura und ließ sich auf den Stuhl am Küchentisch fallen. Sasuke seufzte und tat es ihr nach.

"Hm", gab er von sich.

Es war kurz nach halb drei und die beiden waren endlich zurück. Sakura sah man die Anstrengung deutlich an, aber auch der Uchiha wirkte abgekämpft.

"Es ist alles super gelaufen", sagte Sakura nun leise und legte den Kopf auf die Arme. "Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Es war ein fantastischer Abend."

Sasuke nickte knapp.

"Kochst du uns einen Kaffee?", Sakura sah etwas nach oben.

"Du solltest schlafen gehen", meinte Sasuke, als er sie musterte. "Du siehst nicht besonders gut aus."

"Ach, nun hab dich nicht so. Es war für alle anstrengend, kein Wunder wenn man da etwas abgefrackt aussieht!", sie grinste. "Du hast eine sehr nette Mutter", bemerkte sie hinterher.

Sasuke nickte erneuert. "Ja, sie ist ein guter Mensch."

Sakura war nun an der Reihe mit nicken. Doch gleich darauf ließ sie den Kopf wieder sinken. "Ich will Kaffee", stöhnte sie in ihre Arme.

"Geh endlich ins Bett. Es gibt keinen Kaffee mehr."

"Dann mach ich mir selbst einen!", knurrte Sakura, die diese Bemutterung nicht sonderlich mochte. Sie stand auf und lief zur Maschine. "Willst du noch einen?"

Sasuke brummte etwas, das nach ja klang.

Sakura grinste gemein. "Dann mach ihn dir selbst!"

Mit einem frischen Kaffee ging sie zu ihrem Platz zurück, während Sasukes schwarze Augen sie fast aufstachen.

"Du bist unmöglich!", giftete er sie an und stand nun ebenfalls auf, um sich seinen Kaffee zu machen.

Die Rosahaarige lachte leise. "Entschuldige, aber Mädchen zicken nun mal gerne. Und das war meine Chance, ein wenig Mädchen zu sein."

"Was bist du denn sonst?"

"Eine erwachsende Frau?", Sakura kicherte. "Ich bin alt und werde immer älter! Nächstes Jahr ist es schon der 22."

Sasuke seufzte. "Kriegst du jetzt deine Midlifecrisis?"

Die junge Frau zuckte mit den Schultern. "Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht, dass du immer älter wirst, und älter und älter ..."

Sasuke nahm seinen Kaffee und setzte sich zurück zu Sakura. "Nein, es ist wie es ist."

"Hm", gab sie zurück. "Das stimmt wohl", sie seufzte und nahm einen kräftigen Schluck des heißen Getränks.

Sasuke sah sie kopfschüttelnd an. "Was ist los?", fragte er.

Sakura zuckte mit den Schultern. "Es ist wegen ... wegen Emily und Sebastian. Ich hatte bisher viel mit ihnen zu tun, weißt du ..."

Sasuke nickte.

"Naja ... ich ... ich mach mir einfach nur Gedanken. Ich meine, sie sind Kinder ... und hatten nie eine Kindheit. Sebastian ist jetzt schon erwachsender als es gut für ihn ist. Und Emily ...", Sakura seufzte und lehnte sich zurück. "Weißt du, wenn ich könnte ... ich würde sie zu mir nehmen und ihnen ihre Kindheit zurückgeben. Nur kann ich das nicht ...", sie lächelte matt.

Sasuke sah Sakura fast mitfühlend an. Auch ihm taten die Kinder leid und er wusste, was in ihr vorging. Zumindest zu einem Teil. "Besteht denn keine Chance, dass jemand die beiden adoptiert? Wozu sind sie denn im Heim?", fragte Sasuke.

Sakura schüttelte den Kopf. "Sebastian möchte ja gar nicht, dass ihn jemand adoptiert. Er fühlt sich für alle anderen verantwortlich. Und Emily ... sie ist so verschlossen, seit der Sache noch mehr als vorher. Es ist auch nur zu verständlich. Aber welche Eltern wollen ein Kind, dass ... du weißt schon ... und aus Watts erst recht nicht. Die denken doch, dort sind alle kriminell oder zumindest das kriminelle Gene in den Kindern steckt. Dabei ... die beiden gehen dort irgendwann kaputt! Sebastian ist nun mal noch ein Kind und kann nicht die ganze Zeit für andere Sorgen. Und Emily ... ich denke, sie braucht jemanden, der sich gerade jetzt besser um sie kümmern kann. Oder überhaupt jemanden, der sich um sie kümmert! Und ich ... ich kann nicht zu ihnen! Ich würde sie nur unnötig in Gefahr bringen", Sakura stöhnte. "Es ist zum verrückt werden!"

Sasuke nickte. Er verstand, was Sakura meinte. "Du musst warten", sagte er ruhig. "Erst einmal abarten. Du musst Gesund werden, und dann müssen wir was gegen diese Verbrecher tun. Danach ergibt sich alles andere."

Sakura lächelte trocken. Wenn doch alles so einfach wäre ...

"Und die beiden sind stark", setzte Sasuke hinterher. "Sie stehen das durch. Du hattest auch keine Kindheit, oder? Und du bist trotzdem eine starke Frau geworden, ein bisschen verrückt, aber stark ..."

Sakura zog eine Schnute. "Ich bin nicht verrückt!"

"Dann bist du eben nur stark", Sasuke lächelte leicht. "Du hast es doch auch gepackt. Dann packen die beiden das auch."

Sakura seufzte. "Deswegen müssen sie da raus", erklärte sie leise. "Sie sollen es besser haben. Sie haben es verdient. Sie sollen ... sie sollen gar nicht so stark werden müssen. Sie sollen lieber Schwächlinge sein, aber Schwächlinge mit einem Leben und einer Zukunft. Lieber das, als Stark und mit Vergangenheit, ohne Aussicht auf ...", Sakura versagte die Stimme, als ihr Tränen in die Augen traten. "Entschuldige, ich ..."

Sasuke wusste nicht was er sagen sollte, also stand er auf und legte seine Arme von hinten um Sakura. "Hör auf dich fertig zu machen. Du kommst nicht drumrum, zuerst dir selbst zu helfen. Danach kannst du dich um andere kümmern, aber zuerst musst du an dich denken."

"Aber ich lass sie im Stich", weinte Sakura nun. "Ich lass sie einfach im Stich ... "

Sasuke nahm Sakuras Arm und zog sie sanft nach oben. "Du solltest wirklich ins Bett", sagte er leise aber bestimmt. "Du bist fertig mit Nerven, der Abend war eigentlich viel zu viel. Morgen sieht die Welt schon besser aus."

Sakura kamen immer noch die Tränen, aber sie ließ sich von Sasuke zum Gästezimmer bringen. Doch ins Zimmer wollte sie nicht. "Ich kann nicht", weinte sie. "Ich kann nicht schlafen, wenn die Beiden ... Emily hat niemanden, und sie weint bestimmt und ... Sebastian rennt wahrscheinlich wieder irgendwo draußen rum. Wie kann ich da nur an mich denken? Wer denkt denn sonst an die beiden?"

Mit sanfter Gewalt drängte Sasuke Sakura ins Zimmer. "Du hilfst ihnen nicht, wenn du nicht gesund wirst!", sagte er ernst. "Du weißt, was der Arzt gesagt hat, oder? Dass du sterben kannst!", eindringlich sah er sie an. "Wer wird dann für sie da sein? Wenn du nicht mehr da bist? Dann sind sie alleine! Dann haben sie erst recht niemanden mehr!"

Sakura zitterte mittlerweile am ganzen Körper und krallte sich regelrecht an Sasuke fest. "Ich hab Angst", flüsterte sie leise und vergrub ihr Gesicht in Sasukes Shirt.

Dem Uchiha fehlten die Worte. Er blieb mit Sakura stehen, denn er musste sich erst einmal wieder fassen. Dass Sakura sagte, das sie Angst hatte ... es haute ihn fast um. Sakura tat immer mutig, immer stark ... er hatte sie mittlerweile zwar auch schon anders kennen gelernt, nämlich mit Nerven, die auch einmal am Boden sein konnten, aber Angst? Nie hätte er gedacht, dass sie das sagen würde.

Er drückte sie fester an sich und streichelte ihr über die Haare. Was sollte er tun? Was sagen? Vielleicht wäre es besser, wenn er den Arzt verständigen würde?

Er spürte, dass Sakura kaum noch stehen konnte und alle Kraft aufwand, um sich an ihn zu klammern. Kurzerhand nahm er sie hoch und legte sie aufs Bett. Er legte sich vorsichtig neben sie und umfasste sie mit seinen Armen.

"Ich bin da", sagte er beruhigend.

Sakura sah ihn aus ihren verweinten Augen entschuldigend an. "Tut mir leid ...", hauchte sie.

Sasuke schüttelte den Kopf. "Das muss es nicht. Lass es lieber raus, als immer nur zu schlucken."

In Sakuras Augen sammelten sich erneuert die Tränen und sie vergrub sich in Sasukes Armen.

Der Uchiha zog die Decke über sich und das Mädchen.

Dann wartete er, bis Sakura sich in den Schlaf geweint hatte.

"Ich werde dich nicht mehr allein lassen", flüsterte er. "Damit du keine Angst mehr haben musst ... denn ich liebe dich, Sakura."

Was ich kann und will, das tue ich

Es war am Vormittag, als Sakura langsam wach wurde. Die Sonne schien durch die Vorhänge und kitzelte ihre Nase. Sakura blickte aus dem Fenster, als sie einen Widerstand hinter sich bemerkte. Vorsichtig drehte sie sich um und blickte in Sasukes schlafendes Gesicht. Hatte er die ganze Nacht bei ihr verbracht? Machte er sich wirklich solche Sorgen um sie?

Dabei hatte sie nichts dergleichen verdient.

Er sollte sich nicht um sie kümmern!

Niemand sollte das ...

Sakura seufzte leise und stand auf.

Sie war ihm nur ein Klotz am Bein, nichts anderes.

Und dabei ... dabei mochte sie ihn doch.

Sakura sah Sasuke eine Weile beim Schlafen zu. Wenn sie nicht sie, und er nicht er wären, ob es dann eine Zukunft für sie gäbe?

Eine Glückliche?

Eine Hoffnungsvolle?

Wieder seufzte die Rosahaarige. Was sollte sie tun? Was konnte sie tun?

Was war der richtige Weg?

Gab es für sie überhaupt einen richtigen Weg, oder führten alle ins gleiche Nichts?

Sie hatte Sasuke geküsst.

Sasuke hatte sie geküsst.

Konnte daraus etwas entstehen? Liebe?

Liebe er sie?

Liebte sie ihn?

Sakura fuhr sich über die Augen, damit eine einzelne Träne nicht den Weg aus ihren Augen finden konnte.

Sie durfte nicht schon wieder weinen. Dadurch würde sich nichts ändern.

Aber was musste sie tun, damit sich etwas änderte? Damit etwas Gutes geschehen konnte?

Sie musste etwas für die Kinder tun.

Für Temari, die sie wie ihr eigenen Fleisch und Blut liebte.

Für Itachi, der ihre beste Freundin glücklich machen konnte.

Und für Sasuke ...

... den sie mehr als ihr eigenes Leben liebte ...

Sie alle würden zu schaden kommen. Sie alle würden verlieren, wenn sie nichts unternahm.

Keiner konnt etwas gegen die Männer ausrichten.

Sie waren hinter Sakura her, würden aber vor niemanden und nichts zurückschrecken.

Sie würden den Menschen wehtun, die sie über alles liebte.

Es wäre ihre Schuld, wenn ihnen etwas zustieß.

Sakura hatte ihr Leben lang nach einer Regel gelebt. Und sie hatte sie gebrochen. Für Temari und für Sasuke. Weil sie gar nicht anderes konnte.

... Du darfst nie etwas zu lieb haben, denn am Ende verlierst du es doch ...

Und nun hatte sie sich in diesen Eisklotz verliebt, der bei ihr so liebevoll und sanft sein konnte.

Sie hatte sich ihm geöffnet und erlaubt, ihr nah zu sein.

Und dadurch hatte sie nicht nur gegen ihre eigene Regel verstoßen.

Sondern ihn in Gefahr gebracht.

Und so gab es nur einen Weg, den sie gehen konnte.
 

Als Sasuke etwas später wach wurde merkte er sofort, dass Sakura nicht mehr im Zimmer war. Fast gleichzeitig sprang er auf. Er hatte ein komisches Gefühl.

Er verließ das Gästezimmer und ging ins angrenzende Wohnzimmer. "Sakura?", rief er etwas lauter.

Keine Antwort ...

Sasuke lief in die Küche, doch Sakura war auch nicht dort.

Sie war doch nicht ... das durfte nicht sein, nein ...

Sasuke durchsuchte seine ganze Wohnung, doch Sakura war nirgends zu finden. Er schritt durch die Zimmer in den Vorsaal und zog sich die Jacke an. Vielleicht war sie nicht weit gekommen und er konnte sie finden ...

Atemlos öffnete er seine Tür, als ihm fast das Herz stehen blieb.

"Ich hab doch noch gar nicht geklingelt", grinste Sakura ihm entgegen. Sie hielt eine Tüte mit duftenden Brötchen in den Händen. "Ich dachte, du hättest vielleicht Hunger?"

Sasuke verzog das Gesicht zu einer undurchsichtigen Maske. "Das war gerade nicht komisch!", sagte er kalt und ließ sie eintreten.

"Was war nicht komisch?", Sakura war sichtlich verwirrt.

"Das du einfach abhaust! Du hättest doch bescheid sagen können, und außerdem musst du alleine nicht raus! Wir hätten uns die Brötchen bringen lassen können!", er war eindeutig wütend. Und seine Maske fiel ihm in diesem Moment schneller, als ihm lieb war.

Jetzt verstand Sakura, was in dem Schwarzhaarigen vor sich ging. Er hatte gedacht, dass sie wieder abgehauen war. Sanft lächelte sie ihn an. "Es tut mir leid, ich wollte dir wirklich nur eine Freude machen. Und ein bisschen frische Luft schnappen. Ich hab mir nichts weiter dabei gedacht."

Sasuke stöhnte genervt. "Das nächste mal weckst du mich, okay?"

Sakura grinste. "Du hast geschlafen wie ein Stein! Und du hattest den Schlaf nötig", sie lief in die Küche und packte die Brötchen in einen Korb. "Hast du nun Hunger?"

Sasukes Magen gab dazu die passende Antwort.

Sakura kicherte. "Scheint wohl so. Los, geh dich fertig machen, ich deck derweil den Tisch!"

Eine Stunde später saß Sakura vor dem Fernsehr und genoss die Freuden von jenen, die Digital - und Kabelempfang hatten. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nicht soviel TV gesehen, wie in der Zeit hier.

Gegen Nachmittag kamen jedoch Temari und Itachi, und Sakura musste leidenerweise den Fernseher ausschalten.

"Ich hab eine super Idee!", sagte Temari, als sie sich gemütlich auf die Couch plumpsen ließ.

"Idee? Für was?", fragte Sakura verwundert, während sich auch Sasuke und Itachi mit ihren Kaffee's dazu setzen.

"Zu was? Na zu Silvester natürlich"

Sakura zog die Augenbraue nach oben. "Silvester? Wir haben noch nicht mal Weihnachten hinter uns gebracht!"

Temari sah ihre Freundin unverständlich an. "Wie? Weihnachten ist doch schon geplant ...", sie sah vorsichtig zu Sasuke, der in diesem Moment eindeutig schwer schlucken musste. "Hast du vergessen, es ihr zu sagen?"

Sasuke machte ein kühles Gesicht. "Ich hatte bisher keine Zeit gehabt", war seine einzigste Erklärung.

"Vergessen? Was denn?", Sakura sah die drei anderen Verwirrt an.

"Wir wollten heute Abend zusammen Weihnachten feiern, mit Bescherung und allem drum und dran."

Sakura sah ihre Freundin perplex an. "Was?", entfuhr es ihr.

"Naja, wir wollten her kommen, weil du ja nicht unbedingt weg kannst. Wir kochen zusammen und dann gibts Weihnachtsmusik und alles, was man so macht."

"Ohne mich!", entfuhr es Sakura, die absolut überrumpelt war. "Du weißt, dass ich nicht viel für Weihnachten übrig habe! Ich feier keine Weihnachten!"

"Diesmal wirst du wohl kaum drum rum kommen", grinste Itachi aufmunternd.

"Und zu Weihnachten haben wir uns auch immer etwas Zeit genommen!", erinnerte Temari.

"Das war was anderes!"

"Nun hab dich nicht so", schmollte Temari. "Du musst doch nichts weiter machen außer mit uns zusammen sitzen! Wie jetzt."

"Eben", fügte Itachi hinzu, während sich sein Bruder fein aus der Unterhaltung raus hielt. "Und dir wird dabei auch nichts passieren!", versprach er lachend. "Und weh tun wird es auch nicht!"

Sakura knurrte ihn böse an.

"Außerdem gibt es da Zwei, die gerne Weihnachten bei dir sein würden ...", lächelte Temari zwinkernd.

Sakura guckte verwirrt drein. "Wer?"

"Sebastian und Emily. Itachi hat dafür gesorgt, dass sie über Weihnachten hier sein können. Also bei dir und Sasuke."

Sakuras Augen weiteten sich. Damit hatte sie nicht gerechnet. "Wie ... Wie über Weihnachten?", fragte sie stammelnd.

"Bis die Feiertage vorbei sind", erklärte Itachi schmunzelnd. "Und sie freuen sich wahnsinnig darauf. Muss ich ihnen wirklich sagen, dass du nicht feiern willst?"

Sakura konnte es immer noch nicht ganz begreifen und schüttelte nur den Kopf. "Ich ...", sie wusste nicht, was sie sagen sollte und wieder einmal spürte sie Tränen in sich aufkommen. Aber diesmal waren es Tränen der Freude. "Wann kommen sie?"

"Sasuke holt sie um sechs ab. Und eigentlich müsstet ihr auch langsam los", erklärte Itachi und sah auf die Uhr.

"Wie ... wie los?", Sakura verstand gar nichts mehr. Zu groß war die Überraschung.

"Einkaufen, bevor die Geschäfte zu machen. Ich könnte mir vorstellen, dass die beiden sich über ein Weihnachtsgeschenk freuen würden", Itachi grinste vielsagend vor sich her.

Sakura jedoch starrte ihn nur leidend an. Natürlich gehörten Geschenke dazu, aber wie sollte sie denn welche bezahlen? Solange sie nicht auf der Straße war konnte sie auch kein Geld verdienen ...

Temari gluckste. "Du guckst wie ein Außerirdischer ..."

Sakura sah die Blonde beleidigt an. "Würdest du auch! Außerdem, wie guckt denn ein Außerirdischer? Temari, wie soll ich Sebastian und Emily denn ein Geschenk machen können? Ich bin momentan ein wenig außer Atem, sonst würde ich ja noch vor den Ladendetektiven wegrennen. Aber im Moment glaube ich kaum, dass ich das packe. Nicht nach dem Wettlauf gestern Abend!"

Temari sah nun vielsagend zu Sasuke, der die Augen jedoch geschlossen hatte. Innerlich gab sie ihm einen ordentlichen Tritt gegens Schienbein. Was war das für ein Kerl, der kaum die Klappe aufbekam? Vor allem, wenn sein Typ verlangt wurde?

"Ich bezahle", sagte Sasuke emotionslos, und Temari bekam fast einen Schreck. Wäre sie kein realistisch denkender Mensch gewesen, sie hätte fast an Telepathie geglaubt ...

Sakura wollte schon widersprechen, als sich der jüngere Uchiha erhob und sie fixierte. "Ohne Widerrede. Die Geschenke sind für die Kinder, nicht für dich. Also werde ich das wohl machen dürfen!"

"Na siehste, alles ist gelöst!", Temari klatschte begeistert in die Hände und stand ebenfalls auf. "Dann machen wir los, oder Itachi?"

Der Angesprochene nickte.

"Oh, achso ...", Temari lief in den Vorsaal und kam mit einer Tüte zurück, die sie Sakura reichte. "Hier sind ein paar Klamotten drin, warme Klamotten!", erklärte sie, weil Sakura schon den Mund aufgemacht hatte um zu erklären, dass sie selbst Sachen hatte. "Ich meine also keine Miniröcke. Eine H-O-S-E."

Sakura murrte. "Ich weiß, was eine Hose ist!"

"Dann ist ja gut. Ich dachte nur, dass du zum Einkaufen vielleicht etwas frauliches tragen willst, anstatt der Jogginghose von Sasuke", Temari grinste amüsiert. Außerdem dürfte die auch eher passen, obwohl du ja fast nur die Hälfte von mir bist."

Sakura sah Temari gnatzig an. "Kannst du aber vergessen. Außerdem hab ich schon zugenommen!"

"Bestimmt von dem halben Brötchen heute morgen ...", gab Sasuke seinen Senf dazu.

"Ich kann mir ja nichts reinstopfen!"

"Die Gans heute Abend wird reingestopft!", sagte Sasuke fest. Als er Sakura gestern Abend hoch genommen hatte, war er fast erschrocken wie leicht sie war. Das trug bestimmt nicht zu ihrer Genesung bei.

"Es gibt ... eine Gans?"

"Eigentlich zwei", meinte Itachi nachdenklich. "Aber wir sollten vielleicht noch ein paar andere Dinge besorgen. Süßigkeiten für die Kinder zum Beispiel."

Temari nickte. "Dann kümmern wir uns um das Essen und ihr euch um die Geschenke für die Beiden. Und um acht treffen wir uns dann hier wieder."

Itachi nickte, sowie sein Bruder. Nur Sakura zog lediglich die Braue nach oben.

"Also bis dann!", verabschiedeten sich die Zwei.

"Bis dann", gab Sakura zurück, ehe sie sich mit ihren neuen Sachen ins Gästezimmer verzog.
 

Sakura stand vor der großen Auswahl an Kinderspielzeug und blickte hin und her. Sie hatte absolut keine Ahnung, was sie für Emily, geschweige denn für Sebastian aussuchen sollte.

Es war zum Haare raufen!

Die Rosahaarige ließ einen tiefen Seufzer von sich und verschränkte die Arme, als sie durch die Reihen der Kinderabteilung lief.

"Wie wäre es mit Klamotten?", mischte sich Sasuke in ihre Gedankenwelt.

Sakura nickte leicht. "An sich wäre das schon das Beste, aber ein eigenes Spielzeug ... das würde zumindest Emily sicher freuen. Ich hab nur keinen Schimmer, was. Ich meine, sie ist ja nun kein Kleinkind mehr und erwachsener als andere in ihrem Alter. Was schenkt man so einem Mädchen? Ich weiß nicht, ob sie sich über eine Puppe freut, oder über einen Teddybären, oder ... ach man, keine Ahnung. Was würdest du ihr schenken?"

Sasuke sah Sakura irritiert an. "Woher soll ich das wissen? Ich bin kein Mädchen, und kein Kind."

"Dann sag mir wenigstens, was ich Sebastian holen könnte. Er ist doch ein Junge und du warst sicher auch mal in seinem Alter, oder nicht?"

Sasuke füllte sich deplatziert. Im Aussuchen von Kinderspielzeug war er sicher nicht der Geeignetste. "Wie alt ist er denn?", fragte er ausweichend.

"Neun", erklärte Sakura, während sie einige Kuscheltiere in die Hand nahm.

"Naja", Sasuke überlegte. "Vielleicht ein Taschenmesser?"

"Ein Taschenmesser? Soll er jemanden abstechen?"

"Damit kann er sich wehren, wenn ihm jemand bedroht."

Sakura zog die Braue hoch. "Ein Messer kann Menschen töten! Ich will nicht, dass er zum Mörder wird!"

"Er soll ja auch niemanden töten!"

"Das passiert aber schneller als gedacht, wenn man in eine Notsituation kommt. Und wenn ein Kind ein Messer in der Hand hat, ist es genauso gefährlich wie ein Erwachsener. Also wird es auch wie einer behandelt. Und schwups hat er sein eigenes Messer im Bauch!"

"Was anderes weiß ich nicht", knurrte Sasuke genervt.

"Was hast du denn zu deinem Neunten Geburtstag bekommen?", wollte Sakura wissen.

"Was weiß ich, vielleicht irgendwelche Aktien oder sowas."

Sakura zog eine Schute. "Was sind das denn für Kindergeschenke?"

"Dann frag doch die Verkäuferin!"

"Nein, es muss schon was originelles sein, etwas das von Herzen kommt!"

"Dann schenk ihm eine Herzklappe!"

"Wirklich komisch!", giftete Sakura und durchforstete weiterhin sämtliche Regale. "Oh wie süß!", rief sie plötzlich aus, als sie einen plüschigen weißen Bären in der Hand hielt. Sie sah auf den Preis und ... erstarrte! "Was? Wie kann denn ein blöder Eisbär fast 50 Dollar kosten?", sagte sie entrüstet. "Das ist ja lächerlich!"

Sasuke seufzte. "Liegt am Material", kommentierte er und nahm ihr den Bären ab, um ihn in den Einkaufswagen zu legen.

"Was machst du denn? Der ist zu teuer!"

Sasuke schob den Wagen weiter. "Hör auf dir die Preise anzusehen. Du sollst nur etwas aussuchen, mehr nicht."

"Es hat nun mal nicht jeder das Geld auf den Bäumen!", beschwerte sich Sakura.

"Diese blöden Bären bezahlt ja auch nicht jeder! Ich bezahl ihn, und ich gebe gerne 50 Dollar für ein Plüschviech aus, wenn es dieses Mädchen ein wenig Freude bereitet!"

Sakura sah Sasuke perplex an. Das er so etwas sagen würde, hätte sie von dem sonst so kühlen, unnahbaren Uchiha nicht erwartet. Sie lächelte sanft. "Okay", sagte sie einfach.

Nun war es Sasuke, der ein wenig überrascht guckte. "Okay?", so schnell nahm sie es hin?

Sakura grinste nur und ging weiter.

Eine halbe Stunde später standen sie an der Kasse und Sasuke bezahlte die Geschenke für die beiden Kinder. Emily bekam ausser dem Plüschbären noch neue Unterwäsche und einen dicken, wolligen Pullover. Für Sebastian hatte Sakura einen Discman ausgesucht, einige CD's, sowie eine warme Mütze für draußen.

"Geschafft!", schnaufte Sakura, als sie neben Sasuke durch das große Shoppingcenter lief. "Ich denke, die beiden werden sich freuen!"

"Hast du noch etwas Kraft?", fragte Sasuke plötzlich grinsend.

Sakura sah ihn schräg an. "Wieso? Was hast du vor?"

"Ob du noch Kraft hast oder nicht!"

"Natürlich hab ich Kraft, ich bin doch kein Schwächling!"

Sasuke grinste noch breiter, als er Sakura in ein Modegeschäft für Frauen zog.

"Was wollen wir hier?", fragte die junge Frau verwirrt.

"Hier geht meine Mutter immer hin, wenn sie shoppen will. Sie sagt, dass ist das beste Geschäft in ganz Westwood!"

Sakura nickte verstehend. Oder auch nicht. "Aha", war das Einzigste, was sie in diesem Moment sagte.

"Jetzt suchst du dir was aus!", erklärte Sasuke auf ihr fragendes Gesicht hin.

"Wie?", Sakura sah den jungen Mann unverständlich an. "Wozu?"

"Damit du deine eigenen Klamotten hast vielleicht? Nun hab dich nicht so, das ist mein Weihnachtsgeschenk für dich."

Sakura schüttelte den Kopf. "Du kannst mir nichts schenken!"

"Natürlich kann ich das!", sagte Sasuke fest. "Und ich tue es auch. Am besten, du lässt dich beraten. Und such dir was vernünftiges aus. Also etwas Warmes! Wir haben nämlich noch eine Weile Winter!"

Doch Sakura rührte sich nicht. "Ich will keine Geschenke! Ich schenke dir auch nichts!"

Doch Sasuke hörte ihr nicht zu. Er sah sich nach einer Verkäuferin um, und mit einmal ging alles schneller als gedacht. Sakuras Widersprüche wurden dabei vollkommen außer Acht gelassen.
 

Unbedeutende Stunden später saß Sakura in Sasukes Wagen auf dem Weg nach Watts. Es war schon recht spät und deshalb holten sie die Kinder direkt nach dem Einkaufsmarathon ab.

"Das hättest du nicht tun müssen", sagte Sakura und sah aus dem Fenster. Sasuke hatte ihr mehr als nur eine Tüte voll neuer Kleidung gekauft. Und Sakura war das ganze mehr als nur unangenehm.

Der Uchiha seufzte kopfschüttelnd. "Warum tust du dich so schwer? Was ist denn dabei, wenn dir einer was schenkt? Es sind keine Almosen, Sakura! Es sind 'Geschenke, von mir. Und ich schenke es dir, weil ich das will! Weil ich es kann. Warum soll ich nicht etwas tun, dass ich will und das ich auch kann? Das wäre doch unlogisch!"

Sakura wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, denn eigentlich hatte Sasuke mit seiner Aussage recht.

"Aber ...", sie schloss für einen Moment die Augen. Sie war nach diesem anstrengende Tag doch recht ausgelaugt. "Ich kann dir nichts schenken. Und ... ich ... ich weiß nicht, ich hab ein komisches Gefühl. Ich würde dir auch gerne eine Freude machen. Aber ich kanns nicht."

Sasuke lächelte sanft und drückte kurz ihre Hand. "Das du Weihnachten bei mir bist, ist für mich Geschenk genug. Nicht jedes Geschenk muss materiell sein."

Sakura fühlte sich bei seinen Worten gerührt und sagte den Rest der Autofahrt keinen Ton mehr.

Sie hätte auch nichts über die Lippen gebracht, was ihren Gefühlen in diesem Moment gleich gekommen wäre.
 

"Sakura!", rief Emily begeistert, als sie schon am Parkplatz zu dem Waisenhaus zusammen mit Sebastian wartete.

"Hey!", Sakura stieg aus und nahm die siebenjährige in die Arme. "Gehts dir gut?"

Emily nickte und wollte Sakura gar nicht mehr loslassen. "Es ist so toll, dass wir Weihnachten nicht im Heim sind!"

Sakura lächelte. "Ja, das stimmt!", dann wandte sie sich dem Jungen zu. "Und bei dir auch alles klar?"

Sebastian nickte, ganz Mann. "Natürlich."

Emily ließ Sakura los und drehte sich nun zu Sasuke, der neben den Dreien an der hinteren Autotür wartete, um die Kinder rein zulassen.

"Hallo!", sagte Emily etwas leiser und schüchtern. Gegenüber Männern war sie sehr vorsichtig geworden. Es war fast Angst in ihren Augen zu sehen.

Sasuke nickte ihr grüßend zu.

"Sasuke kennst du doch, Emily", meinte Sakura und legte eine Hand auf ihre Schulter. "Er hat die Weihnachtsfeier ausgerichtete, wo ihr im Chor gesungen habt. Wir feiern bei ihm, du brauchst dich vor ihm bestimmt nicht zu fürchten. Er guckt zwar manchmal etwas böse", Sakura kicherte leise. "Aber er ist ein ganz Lieber."

Emily nickte leicht, dann grinste sie Sasuke fröhlich zu, so dass Sasuke nur Staunen konnte, wie einfach Sakura dem Mädchen die Angst nehmen konnte.

"So, und jetzt lass du dich drücken!". sagte Sakura lachend und legte ihre Arme um Sebastian, der dabei fast rot anlief. Er war in einem Alter, wo er nicht mehr wie ein Kind behandelt werden wollte, zumindest wenn es erwachsende Männer sehen konnten.

Nach der liebevollen Umarmung nickte Sebastian Sasuke zu. "Hallo Herr Uchiha. Danke, dass sie uns abholen und wir bei ihnen feiern dürfen", er verbeugte sich sogar etwas.

Sasuke musste fast Grinsen. "Kein Problem, Junge. Und Sasuke reicht."

Sebastian nickte wieder, dann stieg er hinter Emily ins Auto ein.
 

Nachdem Sasuke in der Tiefgarage geparkt hatte, öffnete er den Kofferraum. "Geht schon mal hoch, ich bring die Sachen mit", sagte er schlicht.

"Das kannst du alleine wohl kaum alles tragen", bemerkte Sakura, denn er waren fast sieben volle Tüten, die dort lagerten.

"Ich helfe", sagte Sebastian und sah zu Sasuke, der nickte.

"Dann gib mir wenigstens auch eine Tüte mit", meinte Sakura.

"Das schaffen wir auch allein", erklärte Sasuke kopfschüttelnd.

"Genau", Sebastian nickte kräftig. "Das ist nichts für Frauen."

Sakura konnte sich das Grinsen kaum verkneifen. Da spulte sich aber jemand auf! Die Rosahaarige fragte sich, ob das an Sasuke lag. Sebastian schien recht beeindruckt von dem Uchiha zu sein. Die einzigsten Männer, mit denen er sonst zu tun hatte, waren irgendwelche Gangmitglieder. Sasuke war da ein ganz anderes Kaliber.

"Okay, dann werden wir Frauen schon mal vorgehen und Tee kochen, was Emily?", Sakura nahm das Mädchen bei der Hand.

"Okay", grinste die Kleine zurück, die Sebastians Verhalten ebenfalls ungewöhnlich fand.

Eine Viertelstunde später hatten Sasuke und Sebastian alle Tüten im 12. Stock. Sakura saß mit Emily bereits bei einer heißen Tasse Tee, doch sie hatten auch schon für die Packesel Getränke geholt.

Schnaufend ließ sich Sebastian neben Emily aufs Sofa fallen.

"Na du starker Mann, hätte ich nicht doch lieber eine Tüte nehmen sollen?", lachte Sakura amüsiert.

"Nee", knurrte der Junge, der sich in seiner Ehre verletzt fühlte. "Ich bin völlig fit!"

"Völlig fit?", Sakura zog die Braue hoch.

"Das sagt man so!"

"Aha", Sakura schüttelte den Kopf. Sie wurde wirklich langsam alt ...

"Gibt es hier eine Toilette, Sakura?", fragte Emily plötzlich.

"Was?", die junge Frau lächelte. "Na klar gibt es hier eine Toilette. Komm, ich zeig dir wo."

Sie brachte Emily ins Bad, doch als sie wiederkam musste sie leise lachen. Sebastian war, völlig fit wie er war, eingeschlafen.

"Das ging ja schnell", meinte sie zu sich selbst, als Sasuke ins Wohnzimmer kam.

"Was ist denn mit dem Bengel?", fragte er verständnislos.

Sakura schubste ihn in die Küche, damit sie Sebastian nicht weckten. "Er ist müde, und K.O.", erklärte sie, während sie sich eine Tasse Kaffee einfüllte.

"Von den paar Tüten?"

"Natürlich nicht!", Sakura setzte sich zu Sasuke. "Von allem. Vermutlich hat er sich die ganze Nacht wieder rum getrieben. Dass er einfach nicht hören kann!"

"Ich hab ihm das auch gesagt, und dass du dann böse auf ihn bist, wenn er immer wieder weg läuft", sagte Emily plötzlich, die in die Küche kam. "Aber er ist so ein Dickkopf. Er hört gar nicht, was ich ihm sage."

Sakura nickte.

"Aber das Bad ist so toll", wechselte Emily schon das Thema und begann zu schwärmen.

"Ja, nicht?", grinste Sakura.

"Ich hab noch nie so eine große Badewanne gesehen!", frohlockte das Mädchen. "Wir haben im Heim gar keine Wannen, nur Duschen. Und die sind ganz oll."

Sakura lächelte. "Na dann beeil dich und hüpf rein, ein bisschen dauert es eh noch. Ich leg dir dann Handtücher ins Bad."

Emily grinste über beide Ohren. "Echt, darf ich?", dabei sah sie zu Sasuke. Scheinbar wollte sie auch seine Zustimmung.

"Sicher", meinte der Uchiha ein wenig perplex.

Emily lachte begeistert und verschwand dann aus der Küche.

Sakura seufzte, ehe sie sich erhob. "Ich bringe ihr mal die Handtücher."

Dann ließ auch sie den Schwarzhaarigen alleine.

The letter

"Ahhhhhhh", schrie Temari und hechtete dem Gemüse nach, dass sich rollend vom Tisch bewegte. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es, sämtliche Paprika, Zwiebeln und Tomaten aufzufangen.

Sakura stand nur einige Meter entfernt und lachte laut. Sie musste sich schon fast den Bauch dabei halten.

"Was gackerst du da so blöd! Anstatt mal zu helfen!", zischte Temari, als plötzlich die Kartoffeln überkochten und das Mädchen zur nächsten Unruhequelle sprinten musste.

Sie hasste kochen!

"Bleib doch mal ruhig, du machst viel zu viel Stress!", kommentierte Sakura die Situation, für Temari vollkommen unangebracht.

"Wer macht denn Stress?", fragte Itachi, der die Küche betrat aber gleichzeitig schon aus dem Weg hüpfen musste, da Temari ihn sonst umgerannt hätte.

Und das mit einem heißen Kochtopf voller Kartoffeln, die sie nun abschrecken wollte!

"Ah", meinte er vielsagend und sah zu Sakura, die nur zustimmend nickte.

"Ihr seid beide blöd! Steht nur doof im Weg rum!", motzte die Blonde genervt.

"Du hast doch gesagt, du schaffst das", bemerkte Sakura trocken. "Ich wollte dir ja helfen. Es waren deine Worte!"

"Tse, ich weiß, was ich gesagt habe!", Temari wuselte mit den Kartoffeln zurück zum Herd, wo schon die Bratensauce recht weit aus dem Topf kam.

Sakura seufzte kopfschüttelnd. "Dann gehe ich jetzt zu den Kindern. Itachi wird dir sicher zur Hand gehen ..."

Itachi sah Sakura fast panisch an. Mit Temari war im Moment nicht gut Kirschen essen, und sie ließ ihn mit ihr alleine.

Wie Grausam!

Sakura lachte nur und verschwand aus der Küche, um sich im Wohnzimmer sogleich auf die Couch zu schmeißen und den Fernseher anzuschalten. Sebastian war nun im Badezimmer, da Emily ihn ganz neidisch gemacht hatte, als sie frisch gebadet die Wanne verlassen hatte.

Er hatte gemeint, dass er sich von der Bequemlichkeit dieser Badewanne erst einmal selbst überzeugen musste ...

Und nun war er schon fast eine Stunde in einem duftenden Schaumbad, während das Mädchen mit Sasuke im Gästezimmer verschwunden war.

Sakura seufzte und stand auf. Was machten die beiden da drinnen überhaupt?

Leise schlich sie zur Tür und versuchte zu lauschen. Langsam griff sie zur Klinge, um diese dann vorsichtig runter zu drücken. Als die Tür einen Spalt breit offen war, flog ihr jedoch schon ein Kissen entgegen.

"Du darfst nicht gucken!", rief Emily. "Wir packen doch ... oh nichts mein ich! Das ist eine Überraschung, die darfst du nicht sehen!"

Sakura brummte. "Dann eben nicht!"

Sie ging zurück zur Couch, als es an der Tür klingelte. Scheinbar war sie die Einzigste, die es gehört hatte, und so bequemte sie sich zum Vorsaal, um zu öffnen.

"Ja bitte, wie ka ...", doch sie stockte, als sie einen etwas älteren Mann vor sich sah, schlecht gekleidet und übel riechend.

"Sakura Haruno?", fragte er unwirsch.

Sakura stockte fast das Herz. Woher wusste der Fremde, wer sie war?

Wo sie war?

Langsam nickte das Mädchen. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte.

"Da", er reichte ihr unerwartet einen Brief.

"Was ist das?", fragte Sakura erschrocken.

"Nen Brief", sagte der Mann schlicht.

"Ja", Sakura schüttelte den Kopf. "Aber von wem und ..."

"Du weißt von wem", der Fremde wandte sich zum Gehen. "Er sollte dir schreiben, wenn es Neues gibt. Mir ist keiner gefolgt, da bin ich sicher. Mehr soll ich nicht sagen."

Sakura starrte den Fremden an. "Danke", brachte sie gerade so heraus.

Der Alte nickte, drehte sich um und verschwand im Aufzug.

Sakura brauchte einige Sekunden, ehe sie überhaupt reagieren konnte. Sie sah nach hinten, dass auch ja niemand in der Nähe war. Aber alle waren beschäftigt.

Sie öffnete den Briefumschlag und holte einen nicht sehr langen Zettel heraus. Eilig las sie das Geschriebene, und die blanke Panik stieg in ihr auf.

Hastig und mit zitternden Händen steckte sie den Brief in ihre Hosentasche.

Sie schloss leise die Tür und ging Richtung Bad.

Es tat ihr im Herzen weh, aber sie konnte jetzt nur mit einem reden.

"Sebastian?", rief sie leise und klopfte an der Badezimmertür.

"Ich bade, was ist?", kam es murrend aus dem Inneren.

"Sebastian, lass mich rein. Wir müssen reden."

"Sakura, ich bin nackt!"

"Dann zieh dir etwas an, bitte. Es ist sehr wichtig."

Sakura hörte, wie Sebastian aus der Wanne kletterte und eine Minute später die Tür öffnete. Schnell stahl sie sich ins Bad und schloss hinter sich ab.

"Was ist los?", fragte Sebastian, der ihr mittlerweile angstverzerrtes Gesicht sah und erschrak.

"Wir ...", Sakura musste sich setzen und hielt die Hand vors Gesicht. Sie musste jetzt Nerven bewahren. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen. Sie musste sich zusammenreißen!

Sie fasste in ihre Tasche und holte den Brief hervor, den sie Sebastian dann hin hielt.

Sie hasste es, ihn mit hinein ziehen zu müssen, aber sie hatte keine Wahl. Er war jetzt der Einzigste, der ihr helfen konnte.

Er überflog die Zeilen und wurde Aschfahl. "Das ist von Mardo, oder?", fragte er mit bebender Stimme.

Sakura nickte. "Einer seiner Leute hat ihn gerade gebracht."

"Was tun wir jetzt?"

Sakura schluckte. "Wir tun erst mal gar nichts. Wir müssen ruhig bleiben. Niemand darf davon erfahren. Es würde alle in Gefahr bringen."

Sebastian nickte, allerdings bemerkte Sakura, dass er scheinbar den Tränen nahe war. Auch er wusste was Angst war.

Und er wusste, wann man Angst haben musste ...

"Wieviel Zeit haben wir?"

Sakura überlegte. "Morgen Abend, nicht länger. Aber bis dahin dürften wir sicher sein."

"Morgen Abend schon ..", Sebastian musste sich zusammen reißen, nicht zu weinen. Er konnte die Tränen kaum zurückhalten. Er war soviel Mann, doch trotz allem noch ein Kind.

Ein Kind, dass den wichtigsten Menschen in seinem Leben verlieren würde.

"Beruhig dich, Sebastian! Wir haben heute morgen doch alles besprochen. Wir müssen uns an den Plan halten!", sagte Sakura und schloss die Augen.

Sie hatte Sasuke angelogen, als sie ihm gesagt hatte, dass sie nur Brötchen holen war.

Die Brötchen waren nur ihr Vorwand gewesen.

In Wahrheit hatte sie sich mit Sebastian getroffen.

Dieser nickte wieder, aber in seinem Gesicht lag tiefe Traurigkeit. "Was sollen wir ... ohne dich machen?", wisperte er.

"Genau das, was ihr immer macht! Es wird alles gut werden, hörst du? Wir werden uns wiedersehen!", Sakura wollte zuversichtlich klingen, doch ihre matte Stimme strafte sie ihrer Worte Lügen.

Sie wusste, dass es vielleicht das letzte mal sein würde, wo sie alle zusammen sein würden.

"Ich will dich nicht verlieren", Sebastian konnte nicht mehr an sich halten und begann zu weinen.

In diesem Moment war er nur noch Kind.

"Du wirst mich nicht verlieren! Du musst darauf vertrauen, dass alles Gut wird! Und du musst für mich stark sein. Versprichst du mir das?"

Sebastian wischte sich die Tränen aus den Augen und gab Sakura den Brief zurück. "Okay", nickte er.

Sakura lächelte ihn sanft an. "Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Pass vor allem auf Emily auf, und ... wirf ein Blick auf Sasuke, ja? Ich weiß nicht, wie lange sie brauchen werden, bis sie es herausfinden. Und solange könnten sie es auf Sasuke abgesehen haben. Aber unternehme nichts auf eigene Faust! Ruf die Polizei, hörst du?"

Sebastian verzog das Gesicht, doch Sakura wusste, dass er sie verstanden hatte.

"Und .. pass auch gut auf dich auf. Treib dich nicht mehr Nachts auf den Straßen rum."

"Gut", wimmerte Sebastian.

"Jetzt hör auf zu weinen. Wir haben eine Mission durchzuführen, Kollege!", sie richtete sich grinsend auf.

"Aber ..."

"Kein Aber! Wir sind die Besten! Vergiss das nicht, egal was andere sagen! Wenn wir das nicht packen, dann packt das keiner! Und wir werden es packen!"

Sebastian lächelte schwach, dann stand auch er auf.

Sakura streckte ihm die Hand entgegen. "Alle für einen", grinste sie, aber den Tränen nahe.

"Und ... und einer für alle", beendete Sebastian den Satz und schlug ein.
 

"Herrlich", stöhnte Itachi und rieb sich den Bauch. "Das war die beste Gans, die ich je gegessen habe! Du hast fantastisch gekocht!"

Temari wurde rot. "Ähm, danke ...", sagte sie verlegen.

"Na wer wird denn da gleich rot", lachte Sakura kopfschüttelnd. "Aber es war wirklich ausgezeichnet. Ich habe lange nicht mehr so gut gegessen."

Temari grinste. "Jetzt hör auf, wenn du es so übertrieben sagst, glaub ich dir bald gar nicht."

Sakura lachte. "Is mir doch egal, ob du es glaubst oder nicht. Es hat geschmeckt und gut ist."

Emily nickte zur Bestätigung von Sakuras Worten, obwohl sie noch immer am Essen war.

"Hat es dir auch geschmeckt?", wandte sich Itachi an den Jungen.

Sebastian nickte. "Große Klasse. Ich hab noch nie vorher Gans gegessen."

Temari erreichte langsam die Farbe einer Tomate. "Jetzt ist aber Schluss! Ich komm mir ganz veräppelt vor."

Itachi lachte und sogar Sasuke musste grinsen.

Als alle fertig mit dem Essen waren, räumten Sakura und Temari den Tisch ab, während die anderen ins Wohnzimmer gingen.

"Du wirst bestimmt mal eine gute Hausfrau", grinste Sakura, als sie die dreckigen Teller in die Spüle stellten.

"Ich werd keine Hausfrau!", protestierte Temari, musste aber lachen. "Ich kann mir das gar nicht vorstellen!"

"Ich schon, mit drei Kindern am Rockzipfel!"

"Also wirklich, so ein Schwachsinn!"

"Willst du später keine Familie?", fragte Sakura nun unverwandt.

Temari stockte in ihrer Bewegung und drehte sich ihrer Freundin zu. "Doch, natürlich. Ich kann es mir im Moment nur nicht so vorstellen. Aber irgendwann, wenn ich soweit bin ... doch, ich denke schon!"

Sakura grinste. "Na sag ich doch!"

"Und du?", wollte die Blonde nun wissen.

Sakura erstarrte fast bei dieser Frage. Ja, was war mit ihr?

"Ich hab noch nie darüber nachgedacht", entgegnete sie und konzentrierte sich weiter aufs Teller einsortieren. In Wahrheit aber hatte sie sich Gedanken gemacht. Nur leider wurden diese Gedanken vorhin davongeweht und es waren nur leere Erinnerungen, die zurückblieben. Leere Wünsche und Hoffnungen.

"Du wärst bestimmt eine Klasse Mum!", sagte Temari begeistert. "Und mit Sasuke als Daddy ..."

Sakura wurde auf der Stelle rot. "Was plapperst du denn da?"

Temari kicherte. "Ach, nun komm schon! Ihr seid wie für einander geschaffen! Guck dir diesem Eisbären an, du hast ihn richtig aufgetaut. Und du müsstest mal sehen, wie er dich anschmachtet!"

"Bitte was tut er?"

"Er schmachtet dich an! Man, stehst du auf dem Schlauch? Er ist total in die verschossen!"

Sakura schüttelte grinsend den Kopf. "Nein, bestimmt nicht. Vielleicht mag er momentan von mir angetan sein, aber das legt sich auch wieder. Es ist nur eine Frage der Zeit ..."

"Was für Zeit? Ihr seht euch doch jeden Tag, wie sollte er dich da ... also wirklich, du redest manchmal einen Quatsch! Und er ist nicht nur einfach angetan von dir, das sieht ein Blinder mit Krückstock!"

Die rosahaarige Frau lächelte matt. "Mehr ist da nicht. Es liegt einfach nur daran, dass ich anders bin als die Frauen, die er kennt. Ich bin was neues, etwas völlig fremdes. So etwas wie ein Abenteuer. Aber Abenteuer hören auf und werden irgendwann zu Geschichten, die man seinen Enkeln erzählt. Mit einem Lächeln im Gesicht, aber nicht mehr."

Temari gab Sakura plötzlich einen Klaps auf den Hinterkopf.

"Au, für was war das denn?", schmerzend rieb sich die Rosahaarige die gepeinigte Stelle.

"Deine Strafe! Für dummes Gerede! Anders kriegt man dich ja nicht zum Schweigen!"

"Warum sollte ich Schwe ..."

"Psst!", zischte Temari. "Ich rede!"

Sakura zog die Augenbraue nach oben und wartete. "Ja?"

"Also erstmal musst du aufhören, dich immer so herabzusetzen!", Temari holte Luft. "Nur weil du keine reiche Schnepfe bist, heißt das noch lange nciht, dass Sasuke keine ehrlichen Gefühle für dich haben kann! Das denkst du nämlich, und das ist totaler Quatsch! Du sagst immer, dass die Reichen voller Vorurteile gegen die Armen sind, aber selber bist du nicht besser. Du hast nämlich Vorurteile gegen die, die mehr Glück mit dem Geld haben! Aber deswegen ist man noch lange kein verwöhnter Schnösel! Und Sasuke bestimmt nicht! Und dann musst du wirklich aufhören, immer so negativ zu denken! Das ist echt furchtbar! Guck doch mal, wo du stehst! Du hast ein super klasse Weihnachtsessen hinter dir, hast die Menschen um dich, die du liebst, und die dich lieben! Das ist soviel mehr Wert als jeder Cent! Denn das kannst du für kein Geld der Welt kaufen! Freundschaft! Liebe und Glück. Lass es doch einfach mal zu. Lass es zu, einfach einmal glücklich zu sein!", Temari schüttelte den Finger vor Sakuras Nase hin und her. "Heute Abend ist ein ganz besonderer Abend. Denn wir sind zusammen. Wir sind zusammen und freuen uns, zusammen zu sein. Und das kann uns keiner nehmen! Egal, was man uns schon genommen hat, oder uns nehmen wird! Das ist alles sowas von egal!", sie nickte kräftig. "Denn das, was wir im Herzen haben, dass bleibt immer ein Teil von uns! Kapiert?!"

Sakura sah Temari gerührt an, als sie ihr im nächsten Moment um den Hals fiel und bittere Tränen weinte. "Danke", hauchte Sakura. "Danke für jede Sekunde, die ich mit dir verbringen durfte!"

Temari schluckte und tätschelte Sakuras Rücken. "Schon gut. Ich wollte nicht so auf den Putz hauen", meinte sie nun kleinlaut, doch Sakura schüttelte nur den Kopf.

"Nein, du hattest recht. Ich hab es ... einfach nur vergessen gehabt."

"Na dann", räusperte sich Temari, die nicht ganz wusste, woher dieser krasse Sinneswandel kam. Sie schob es einfach auf Sakuras angeschlagene Nerven. "Jetzt hör auf zu weinen, meine Worte sollten dich aufmuntern und nicht zum Flennen bringen."

"Wer flennt denn?", fragte Sasuke, der in diesem Moment in die Küche kam. "Ach, unsere Heulsuse wiedermal ...", war sein eher unpassendes Kommentar.

Temari warf ihm einen bösen Blick zu, doch Sakura störte sich nicht an Sasukes Worten. Sie drehte sich sogar zu ihm um und lächelte unter ihren Tränen hervor.

"Kann man an Weihnachten nicht mal weinen?", grinste sie und wischte sich über die Augen.

Temari seufzte. "Ich geh mal den Rest holen", sagte sie überdeutlich. Sakura wusste, dass sie ihr damit Gelegenheit geben wollte, mit Sasuke zu reden.

Als Temari aus der Küche war, herrschte für einen Moment schweigen. Sakura drehte sich wieder zu dem benutzen Geschirr, um ihre Arbeit zu Ende zu bringen, während Sasuke sich neben sie stellte um ihr zu helfen.

"Worüber habt ihr denn geredet?", fragte er und versuchte, seine Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.

"Eigentlich über nichts Besonderes, wir haben uns nur Temari als gebackene Hausfrau mit drei Kindern vorgestellt, da kamen mir einfach die Tränen", scherzte sie.

Sasuke grinste leicht. "Gut, dass ihr euch nicht noch Itachi daneben vorgestellt habt, wie er ihr beim Geschirrspülen hilft", witzelte Sasuke. "Dann hättest du wahrscheinlich nicht mehr aufgehört zu weinen."

Sakura nickte, obwohl sie wusste, dass sie in diesem Augenblick genau in eben dieser Situation war. Sie wusch ab und Sasuke stand beim Geschirrspülen neben ihr.

Das Leben war seltsam. In jeder erdenklichen Weise. Seltsam und traurig zugleich.

Keiner sagte ein Wort, als sich Sasuke zum Gehen wandte. "Die Kinder wollen Weihnachtslieder singen", meinte er, bevor er die Küche verließ.

"Ich komme gleich", erklärte Sakura.

Mehr sagte sie nicht.

Obwohl sie soviel mehr zu sagen hatte ...
 

Es wurde ein schöner Abend, nicht nur für die Kinder. Sasuke lächelte mehr als sonst und auch Sakura schien voller Freude zu sein, obwohl sie am Anfang nicht einmal hatte feiern wollen.

Es wurde viel gesungen und am Ende, als man den CD Spieler laufen ließ, tanzten sie sogar.

Sakura war in diesem Moment wahrscheinlich der glücklichste Mensch auf Erden, so empfand sie es zumindest.

Für diesem Moment vergaß sie alles um sich herum, nur Sasuke nicht, der sie fest in den Armen hielt und mir ihr tanzte.

Es wurde immer später und Itachi schlug schließlich vor, ins Bett zu gehen, damit die Kinder morgen ausgeschlafen waren, wenn es Bescherung gab.

"Schlaft ihr denn auch hier?", fragte Sakura nun verwundert, da Temari und Itachi nicht aussahen, als würden sie aufbrechen.

Temari nickte grinsend. "Japs, im Gästezimmer."

Sakura zog die Braue nach oben. "In meinem Gästezimmer?"

"Nein, in dem anderen", erklärte Itachi. "Die Kinder schlafen bei dir im Zimmer."

Nun wanderte auch Sakuras andere Augenbraue nach oben. "Wo?"

"In deinem Bett", lächelte Temari.

"Und wo schlafe ich dann?", wollte Sakura nun wissen. Sie ahnte böses.

"Bei Sasuke im Schlafzimmer", erklärte Temari schlicht.

"Und wo schläft Sasuke dann?", Sakura erweckte im Moment den Anschein, nicht nur auf einem Schlauch zu stehen.

"In meinem Bett", kam es gähnend von dem Uchiha, der sich auch schon verzog.

Sakura brauchte eine Sekunde, um das eben gehört zu realisieren.

Temari gab ihr einen Schubs, als sie an ihr vorbei ging Richtung Bad. "Eine gute Nacht euch beiden", flüsterte sie der Rosahaarigen zu.

"WAS??"

Doch Temari war schon auf und davon, genau wie Itachi, der eilends das Weite gesucht hatte.

"Das fass ich nicht!", Sakura kochte nun. Sie sollte mit Sasuke in einem Zimmer schlafen? In seinem Zimmer? Gar in einem Bett?

Sakura schüttelte innerlich den Kopf, als ihr auffiel, dass sie Sasukes Schlafzimmer noch nie gesehen hatte. Hatte er ein großes Bett, oder ein kleines? Oder vielleicht eine Liege? Oder einen weichen Boden ...

"Sakura?"

Emilys Stimme rief die junge Frau zurück aus ihren Gedanken.

"Ähm, ja?"

"Bringst ... bringst du uns ins Bett und erzählst noch was?", bat sie mit niedlicher Stimme, so dass Sakura nur nicken konnte.

"Na klar, geht euch schon umziehen. Ich komme gleich nach ..."

Emily nickte und die Kinder verschwanden, währenddessen sich Sakura für einen Moment auf die Couch setzte.

Sie konnte doch mit Sasuke nicht in einem Zimmer, geschweige denn in einem Bett schlafen!

Das ging einfach nicht!

Nicht das sie sich wegen irgendetwas schämte, aber der Zeitpunkt war so falsch, wie er nur falsch sein konnte.

Ihm so nah zu sein, gerade heute ...

Sie war ihm an diesem Abend schon viel zu nah gekommen.

Alles war gegen sie ...

Sakura seufzte und stand auf. Erst einmal sollte sie den Kindern gute Nacht sagen gehen ...

"Na, schon am Schlafen?", fragte sie, als sie durch die Tür lugte und schließlich eintrat, da das Licht noch brannte.

Emily schüttelte den Kopf. Sie lag schon in dem großen Bett, nur Sebastian stand noch am Fenster und sah betrübt nach draußen.

"Kommst du, Sebastian?", bat Sakura ihn, damit die Kinder endlichen schlafen würden. Es war schon weit nach 22 Uhr.

Der Junge schloss für einen Moment die Augen, dann drehte er sich um und hüpfte neben Emily in Sakuras Gästebett. Er grinste fröhlich, aber Sakura wusste, dass es nur Fassade war. Seinen traurigen Blick hatte sie im Spiegelbild sehen können.

"Erzählst du uns jetzt noch eine Geschichte?", fragte die Siebenjährige, als Sakura ihr die Decke bis ans Kinn zog.

"Ach, du weißt doch wie schlecht ich im erzählen bin. Sebastian könnte uns doch etwas nettes erzählen?", wandte sie sich an den Jungen.

"Nee", sagte er brummend. "Das ist doch was für Mädchen!"

Sakura lachte leise. "Achso? Aber was machen wir dann? Wenn wir beide nicht erzählen wollen, muss das wohl Emily tun."

Doch das Mädchen schüttelte rasch den Kopf. "Dann sing uns was vor!", schlug sie vor.

Sakura machte eine Schnute. "Ich sing doch aber nicht gern."

"Aber du hast schon mal gesungen", erinnerte Emily sie.

Sakura starrte das Mädchen für einen Augenblick mitleidig an. Ja, sie hatte Emily bisher einmal etwas vorgesungen. Damals, als die Sache mit dem Mann passiert war und sie nicht gewusst hatte, wie sie sie sonst beruhigen hätte können.

"Ich weiß aber gar nicht was", versuchte Sakura sich rauszureden.

"Irgendwas cooles!", mischte sich Sebastian ein.

"Nein, was schönes!"

"Nein, cool!"

"Nee, ich will was schönes!"

"Cool!"

"Schön!"

"Hört auf", sagte Sakura seufzend. "Ich überlege kurz, okay?"

Sie dachte eine Minute nach. Eigentlich kannte sie nicht viele Lieder, aber vor kurzen hatte sie im Fernsehen eine Wiederholung gesehen.

"Und?", fragte Emily neugierig.

Sakura grinste leicht. "Aber nur ein Lied, okay?"

"Japs", das Mädchen nickte, während Sebastian sich schlafbereit auf die Seite drehte.

Sakura räusperte sich. Sie hatte schon lange nicht mehr gesungen, obwohl es ihr früher immer Freude gemacht hatte.

Sie setzte sich aufrecht hin, dann begann sie leise zu singen:

"Midnight, not a sound from the pavement

Has the moon lost her memory?

She is smiling alone

In the lamplight

The withered leaves collect at my feet

And the wind begins to moan
 

Memory

All alone in the moonlight

I can smile at the old days

It was beautiful then

I remember the time I knew what happiness was

Let the memory live again
 

Every streetlamp seems to beat

A fatalistic warning

Someone mutters and the streetlamp gutters

And soon it will be morning
 

Daylight

I must wait for the sunrise

I must think of a new life

And I mustn't give in

When the dawn comes

Tonight will be a memory, too

And a new day will begin
 

Burnt out ends of smokey days

The stale, cold smell of morning

The streetlamp dies

Another night is over

Another day is dawning
 

Touch me

It's so easy to leave me

All alone with my memory

Of my days in the sun

If you touch me

You'll understand what happiness is

Look, a new day has begun"

(Originaltext Cats, zu hören zum Beispiel auf Youtube ...)
 

Sakura seufzte und deckte Emily zu, die schon eingeschlafen war. "Gute Nacht", flüsterte sie. "Schlaft schön."

Dann verließ sie das Zimmer und schaltete hinter sich das Licht aus.

Der Blick zurück

Als Sakura leise in Sasukes Schlafzimmer glitt, war schon das Licht runtergestellt, so dass nur noch ein wenig zu sehen war. Die junge Frau blickte sich jedoch erstaunt um, denn sie hatte nicht erwartet, dass Sasukes Schlafzimmer so ordentlich und geräumig war. Sie hatte sich eher einen dunklen Raum vorgestellt, wo überall die Wäsche herum lag und Dinge, über die sie gar nicht nachdenken wollte.

Sakura grinste bei dem Gedanken, als ihr auffiel, dass Sasuke ruhig atmete und vermutlich schon schlief. Sie sah sich genauer um und bemerkte, dass sein Bett wirklich groß genug war, um mit einigem Abstand neben ihm schlafen zu können. Außerdem lag dort schon fertiges Bettzeug. Eine eindeutige Einladung ...

Sakura seufzte wieder, ging noch einmal zurück ins Bad und kam in Schlafsachen zurück ins Zimmer. Leise und ohne großartige Bewegungen kroch sie unbemerkt ins Bett und deckte sich zu. Sie schloss erschöpft die Augen, öffnete sie aber sofort wieder.

Es ging nicht!

Sie konnte nicht schlafen.

Wie auch, bei dem, was morgen passieren würde ...

Sakura atmete tief Aus und Ein. Vielleicht halfen ein paar Entspannungsübungen? Sie konzentrierte sich und versuchte sich vorzustellen, durch eine Wiese zu laufen. Eine bunte Wiese, mit vielen Blumen, die herrlich dufteten.

Sakura seufzte. Eine schöne, unrealistische Vorstellung.

Sie kannte Wiesen im Prinzip nur aus dem Fernsehen, selbst war sie noch nie glücklich über eine gerannt, hatte den Geruch der frischen Blumen eingeatmet ...

Sakura knurrte leise. Warum musste sie sich denn auch jetzt solche Phantasien in den Kopf rufen. Von wegen Entspannung ...

Genervt drehte sie sich auf die andere Seite ...

... und blickte direkt in Sasukes dunkle Augen, die mit der NAcht fast eins waren.

Ein kleiner Schreckenschrei entfuhr der jungen Frau, doch sie hatte schnell ihre Fassung wieder. "Was erschreckst du mich denn so, zum Kuckuck noch mal!"

"Du machst Lärm und störst meinen Schlaf", gab Sasuke brummend zurück. Tatsächlicherweise hatte er noch nicht geschlafen, aber wohl Sakuras Gemütszustand bemerkt. "Stimmt was nicht?"

Sakura schüttelte leicht den Kopf. "Nein, alles in Ordnung."

"Du lügst", war Sasukes einfach Antwort darauf.

"Tue ich nicht. Und jetzt lass mich schlafen!", demonstrativ schloss die Rosahaarige die Augen.

Eine Weile herrschte schweigen und Sakura glaubte schon, Sasuke sei wieder eingeschlafen. Vorsichtig öffnete sie die Augen, doch wieder blickten sie die seine an.

"Hör auf mich die ganze Zeit zu beobachten!", zischte sie genervt.

Sasuke sagte nichts dazu. Er sah sie nur weiterhin an, so dass sich die junge Frau wieder auf die andere Seite drehte.

"Was geht hier vor, Sakura ...", hörte sie ihn plötzlich fragen.

Sakura riss die Augen auf und glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Was hatte er eben gesagt? Konnte er etwas wissen?

Doch Sakura schüttelte innerlich den Kopf. Nein, es war unmöglich. Aber warum ahnte er dann etwas? Wieso?

"Was redest du da!", sie seufzte theatralisch. "Ich bin nur kaputt. Es war recht aufregend heute.

Sie spürte, wie Sasuke sich auf seinen Arm lehnte und sie regelrecht mit seinem Blick durchbohrte. "Ich glaube dir nicht!"

Sakura seufzte ein weiteres mal, dann richtete sie sich plötzlich auf. Sie drehte sich zu Sasuke. "Hör mal, es ist wirklich nichts. Es ist ... es ist einfach nur die ganze Situation. Weihnachten mein ich, mit euch und den Kindern ..."

Sasuke nickte leicht und Sakura atmete innerlich auf. "Aber", begann er leise. "Wenn irgendwas sein sollte, versprich mir, dass du zu mir kommst, okay?"

Sakura sah ihn traurig an, was durch die Dunkelheit aber kaum zu sehen war. "Natürlich ...", log sie. "Wenn ... wenn du mir auch etwas versprichst ..."

Sasuke wartete, aber er musste leicht nicken, damit sie weiterredete.

"Versprich, dass wenn mir ... wenn mir irgendwann, irgendwie mal irgendwas passiert ... dass du dann ab und an nach Sebastian und Emily guckst ..."

Ein gespenstisches Schweigen legte sich über die beiden, denn keiner sagte ein Wort.

Sasuke war bis auf den letzten Muskel angespannt. Er wusste nicht, was er jetzt denken sollte. Aber Sakura schien es todernst zu meinen, und so nickte er langsam.

"Natürlich ...", sagte er ehrlich.

Die Rosahaarige lächelte leicht, als der Uchiha sich auf einmal bewegte und sie keine Sekunde später in die Arme genommen hatte.

Sakura erschrak fast. "Was tust du da?", fragte sie irritiert.

"Merkst du das nicht?", Sasuke lachte leise.

"Warum?"

"Weil mir danach ist."

"Aber vielleicht ist mir nicht danach", murrte Sakura nun. Trotzdem, die negativen Gedanken waren spurlos verschwunden.

Allein durch seine Umarmung.

"Letztens hast du mich noch geküsst ..."

Sakura wurde rot um die Nase. "Du hast mich geküsst und nicht umgedreht!", stellte sie klar.

"Vielleicht sollten wir das wiederholen?", flüsterte Sasuke in ihr Ohr, so dass es Sakura eiskalt den Rücken runterlief.

Er hatte eine ungeahnte Wirkung auf sie.

Eine regelrecht Elektrisierende.

Und er rief ein Kribbeln hervor, dass sie sonst nicht kannte.

"Ich ...", begann sie stammelnd, doch in diesem Moment legte er schon seine Lippen auf ihre und ein leidenschaftlicher Kuss entbrannte zwischen den beiden.

"Wolltest du etwas sagen?", hauchte Sasuke zwischendrin.

Sakura schüttelte leicht den Kopf und grinste.

Alle Bedenken waren davon.

Alle Zweifel besiegt.

Allein durch ihn.
 

"Wie toll!", rief Emily und drückte den kuschligen Eisbären an sich. "Oh, danke!", sie stand auf und sprang Sakura um den Hals.

"Nichts zu danken", lachte die Rosahaarige. "Aber Sasuke musst du dann auch drücken."

Emily nickte und rannte hinüber zu dem Uchiha, der auf seinen Sessel saß und der morgendlichen Bescherung zu sah.

Er wollte sich erst wehren, aber das Mädchen hatte sich schneller auf ihn gestürzt als er flüchten konnte.

"Ähm ... schon gut ...", sagte er wie gequält, da er mit Kindern nicht viel anfangen konnte und ihre euphorische Begeisterung nicht teilte.

"Boah, ein Discman!", rief Sebastian aus, der ebenfalls am Auspacken war. "Genial, cool ... danke Sakura!"

"Was denn, krieg ich von dir keine Umarmung?"

Sebastian sah die junge Frau beleidigt an. Er war ein Mann! Wie konnte sie das immer wieder vergessen?

Schließlich ließ er sich doch zu einem kleinen Drücken herab ...

"Danke Sasuke", wandte er sich auch den Schwarzhaarigen, der nur knapp nickte, da Emily es sich gerade mit ihrem Bären auf seinem Schoss gemütlich machte.

Hilfesuchend sah er zu Sakura, die nur vor sich her kicherte.

"Das ist von mir und Itachi", mischte sich jetzt Temari ein, die für Sasuke kein Mitleid empfand. "Frohe Weihnachten!"

Sakura lächelte. "Danke euch beiden", sagte sie leise, aber ohne Protest. Eigentlich hatte sie keine Geschenke gewollt.

Sie entfernte das Papier und wickelte einen dicken Wollschal mit passenden Handschuhen und Mütze aus. "Vielen dank", sagte sie gerührt.

"Ach was", lachte Temari, die selbst am Auspacken war. "Boah", staunte sie, als sie zwei Konzertkarten einer ihrer Lieblingssänger in den Händen hielt, die ihr Itachi geschenkt hatte. "Cool, danke!"

Der ältere Uchiha nickte amüsiert. "Keine Ursache."

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis alle mit ihren Geschenken fertig waren. Vor allem die Kinder strahlten über beide Ohren, während Sakura noch einen Briefumschlag vor sich hatte.

Er war von Sasuke.

Langsam öffnete die junge Frau den Umschlag, hielt dann aber inne. "Ich glaube, den möchte ich erst später aufmachen", sagte sie vor sich hin lächelnd.

"Was? Aber ich will doch auch wissen, was drin ist!", maulte Temari, als ihr Handy aber klingelte. Jedoch war es kein Anruf sondern eine Alarmfunktion. "Schon so spät?", brummte sie missmutig. "Na toll!"

"Musst du los?", fragte Sakura und etwas melancholisches klang in ihrer Stimme mit.

Temari nickte geknickt. "Hm, meine Mutter wollte, dass ich um elf zu Hause bin. Weil wir ja so lange nicht mehr zusammen Weihnachten gefeiert haben ..."

Sakura lachte leicht. "Ist doch süß. Freu dich lieber!"

"Jaja", die Blonde erhob sich. "Aber heute Abend komm ich wieder, und dann probieren wir deine ganzen Klamotten an!"

"Na aber sicher", grinste Sakura.

Nun stand auch Itachi auf. "Ich fahr dich nach Hause", erklärte er.

Temari nickte, als plötzlich Sebastian aufsprang. "Könnt ihr uns mitnehmen?"

Alle Augen ruhten auf ihm, nur Sakura schloss ihre für einen Moment.

Es hatte begonnen ...

"Warum das?"

"Naja, wir ... wir müssten doch den anderen Kindern auch frohe Weihnachten wünschen, sonst wäre es ja gemein. Und wenn ihr heute Abend ... naja zurück fahrt, dann könnten wir ja wieder mitkommen, oder?", etwas Flehendes lag in seiner Stimme.

Itachi sah zu Sakura, die lächelnd nickte. "Ganz Mann", sagte sie leise.

"Okay", meinte er daraufhin. "Sicher, dann machen wir das so. Zieht euch an, es geht gleich los."

Die Kinder nickten und Sasuke war erleichtert, seinen Schoss endlich wieder für sich alleine zu haben.

"Bis nachher Sakura!", rief Emily, die immer noch auf Wolke Sieben schwebte und ihren Bären nicht los ließ.

Sakura drückte das Mädchen an sich. "Ich hab dich lieb, meine Kleine", flüsterte sie leise.

"Ich dich auch. Ganz lieb sogar. Bis nachher", erwiderte Emily.

Sakura musste mit den Tränen kämpfen.

Denn sie wusste, was das Mädchen nicht wusste ...

Es würde kein Nachher geben ...

Sebastian reichte Sasuke die Hand und bedankte sich noch einmal, dann sah er zu Sakura, die an der Wohnungstür stand.

Wie sie so wusste er, was das jetzt für ein Moment war.

Ein Moment des Abschieds.

Des Lebewohls ...

Er ging zu ihr und alle staunten nicht schlecht, als er sie fest drückte.

"Hoho, der kleine Mann wird sentimental", grinste Itachi.

"Liegt an Weihnachten", gab Sebastian gnatzig zurück. "Bis später Sakura."

Dann ging er voran ohne sich umzudrehen.

Denn niemand sollte seine Tränen sehen ...

Als Itachi sich auch verabschiedet hatte, blieb nur noch Temari zurück. "So eine große Verabschiedung", grinste sie und sah Sebastian hinterher. "Er ist wirklich noch ein kleiner Junge."

"Ja", lächelte Sakura. "Aber mit dem Mut eines Mannes."

"Stimmt wohl!", die Blonde nickte, dann drückte sie Sakura ein Küsschen auf die Wange. "Bis heute Abend."

"Ja", sagte Sakura und versuchte völlig normal zu wirken. "Bis heute Abend dann."

Sie winkte noch einmal und schloss dann die Tür, während Sasuke schon wieder im Wohnzimmer saß.

Sebastian hatte getan was er tun sollte. Er hatte sich und Emily zurückbringen lassen.

Jetzt war sie an der Reihe ...

"Willst du auch einen Tee?", rief sie Sasuke zu, als sie in die Küche ging.

Tee war immer gut.

Gut für die Nerven, die bei Sakura langsam am Ende waren.

"Hm", kam es brummend aus dem Wohnzimmer.

Sakura ging in die Küche und machte Sasuke und sich Tee, mit dem sie dann ins Wohnzimmer zurückkehrte. "Bitteschön", sagte sie und stellte ihm die Tasse vor die Nase.

"Sie haben sich ganz schön gefreut", meinte Sasuke beiläufig.

Sakura nickte. "Das kann man wohl sagen."

"Warum sind die beiden überhaupt im Heim?", wollte er wissen.

Sakura setzte sich auf die Couch und nahm ihren Tee, um zu pusten. "Emily hat ihre Eltern bei einem Autounfall verloren", sagte sie und überlegte. "Da war sie 5, glaub ich."

"Und der Bengel?"

"Seine Eltern sind mit ihm nicht klar gekommen. Er war ... naja recht wild. Und sein Vater war ein Trinker. Er wollte ihm also Manieren beibringen. Irgendwann hat ihn dann das Jugendamt aus dieser Hölle raus geholt. Viel zu spät allerdings. Sein Vater hatte ihn fast tot geprügelt."

Sasuke nickte. Das war also der Hintergrund der beiden. Es war wirklich traurig. "Aber er hat sich gut entwickelt, oder?"

Sakura zuckte mit den Schultern. "Etwas. Ich glaube, er ist ziemlich traumatisiert. So etwas steckt man nicht so leicht weg. Aber er wird selbst froh sein, nicht mehr dort sein zu müssen. Seine Mutter besucht ihn manchmal, aber er hat ... nicht viel für sie übrig. Und ihr liegt eigentlich auch nicht viel an dem Jungen."

"Seit wann ist er im Heim?"

"Er war in mehreren Heimen", klärte Sakura auf. "Seit er fünf ist. Vor drei Jahren kam er dann nach Watts. Es ist sozusagen die letzte Anlaufstelle. Er kann ziemlich terrorisierend sein", Sakura lächelte leicht. "Er lässt sich eben nichts sagen und ist ein Sturrkopf durch und durch."

"Er scheint dich sehr zu mögen."

Sakura starrte auf ihre Teetasse. "Irgendwie schon, ja. Er ist ein guter Junge."

Sasuke nickte und nahm einen kräftigen Schluck des Früchtetees. "Ich mag keine Tees", sagte er kopfschüttelnd. "Nichts geht über Kaffee."

Sakura grinste. "Das stimmt, aber ein Tee hat schon was. Vor allem wenn es draußen so kalt ist wie heute."

"Stimm wohl", Sasuke lehnte sich zurück und schloss die Augen. Draußen war es wirklich kalt. Und er war dankbar, dass er in einer Wohnung lebte, und nicht, wie die vielen armen Seelen auf der Straße keine Bleibe hatte.

Früher hatte er nie darüber nachgedacht, erst in den letzten Wochen war es ihm richtig bewusst geworden.

Der junge Mann seufzte und leerte seinen Tee. Als er die Tasse aber auf den Tisch stellen wollte, musste er inne halten, da seine Hand stark zitterte.

Die Tasse entglitt ihm und er fasste sich an den Kopf. Irgendetwas stimmte nicht!

Ihm wurde schwarz vor Augen und alles begann sich zu drehen. Was geschah hier?

Er sah verwirrt zu Sakura, die ihn traurig anlächelte. Und dann verstand er ...

"Was ... hast ... hast du da rein gemacht?", sagte er fast flüsternd, da er kaum noch Kraft hatte.

Sakura wischte sich über die Augen, in denen sich bereits die Tränen sammelten. "Entschuldige", wisperte sie. "Aber ... aber so ist es am Besten ..."

"Was ... redest ... du da?"

"Ich kann nicht bleiben, Sasuke. Ich kann nicht bleiben und du darfst mich nicht aufhalten."

"Du ... haust ab? Wieso?"

Sakura schüttelte den Kopf und stand auf. Sie ging langsam auf ihn zu und drückte ihn in den Sessel zurück. "Sie wissen es", es war kaum zu hören, aber Sasuke verstand jedes Wort. "Sie wissen es und werden kommen. Und sie werden vor niemanden halt machen, verstehst du? Sie würden auch dich ...", sie legte eine Hand auf seinen Kopf. "Ich wünschte, es wäre alles anders gekommen! Ich wünschte, ich wäre jemand anderes. Dann ... dann könnte ich bei dir bleiben. Aber ich bin ich ... ich habe etwas getan und dafür muss ich alleine gerade stehen! Alle sind in Gefahr, wenn ich bleibe."

"Geh ... nicht", hauchte Sasuke, der kurz davor war, ohnmächtig zu werden.

"Mach dir keine Sorgen, heute Abend geht es dir wieder besser. Du wirst vielleicht ein wenig verkatert sein. Mehr aber nicht", Sakura versuchte ruhig zu klingen. "Gott", begann sie dann aber zu wimmern und schlag Sasuke die Arme um den Hals. Ihr Gesicht vergrub sie in seinem Shirt. "Bitte verzeih mir, irgendwann. Ich wollte nicht, dass ich das tun muss. Aber du darfst mir nicht folgen! Sie werden euch in Ruhe lassen, wenn ich aus der Stadt bin! Ihr könnt ganz normal weitermachen, hörst du? Als wäre ich nie dagewesen", dicke Tränen liefen der Rosahaarigen nun übers Gesicht.

Mit letzter Kraft legte Sasuke seinen Arm um das Mädchen.

Er wusste, dass er sie nicht mehr aufhalten konnte.

Er hatte nicht aufgepasst und sich austricksen lassen.

Er hätte es besser wissen müssen. Er hatte sie beschützen wollen, und am Ende versagt.

"Komm ... komm zurück", sagte er gequält, als seine Augen zufielen.

Sakura sah ihn an. Ganz sanft küsste sie ihn ein letztes mal. "Wir werden uns wiedersehen, Sasuke Uchiha. In diesem, oder im nächsten Leben. Aber wir werden uns wiedersehen, denn ... ich liebe dich ..."

Dann richtete sie sich auf, ging ins Gästezimmer und mit ihren Sachen verließ sie die Wohnung.

Erst als sie draußen vor dem Gebäude stand sah sie noch einmal zurück.

"Ich danke dir für alles", sagte sie leise, ehe sie sich auf den Weg machte.

Auf den Weg, ins Ungewisse ....

Dein zu Hause ist dort, wo man auf dich wartet

Hey hey,

das hier ist also der Epilog und somit bin ich am Ende der Geschichte angekommen! War ganz schön anstrengend, aber durch die vielen lieben Kommis wurde ich immer wieder aufgemuntert, weiterzuschreiben!! Deshalb möchte ich euch allen ein ganz großes DANKE aussprechen, für eure Anmerkungen und Zusprüche!! Ihr seid die Besten!!

Ich habe in meinem Weblog ja schon angekündigt, dass es eine Fortsetzung geben wird. Da ich die ersten Kapitel auch schon fertig habe, wird es auch nicht lange dauern, vorausgesetzt, ihr wollt überhaupt eine Fortsetzung haben???

Würde mich echt freuen, wenn ihr euch jetzt am Ende noch mal dazu äußern würdet, was am besten gefallen hat und was nicht, damit ich mich verbessern kann. Vorschläge sind immer willkommen!!

In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen!

Eure Cherry21
 

P.S. Einige Dinge, die am Schluss offen bleiben, werden zum Teil erst in der Fortsetzung geklärt, also nicht erschrecken *lol*
 

Sakura stand am Busbahnhof und wartete. Sie hatte einen Rucksack bei sich, in dem ihre wichtigsten Dinge waren.

Und dank Sasuke gehörten dazu viele warme Sachen.

Sie seufzte und setzte sich auf die Bank unter dem Wartestand, da es langsam begann zu schneien.

"Oh, sie verreisen wohl?", sagte plötzlich der alte Mann neben ihr. "Ich auch, wissen sie. Ins Warme!"

Sakura lächelte ihn leicht an. "Ja, im Süden ist es sicher schön."

"Und wo möchten sie hin, junges Fräulein?"

Sakura überlegte. Darüber hatte sie sich keine großen Gedanken gemacht, sondern lediglich einen Fernreisebus ausgesucht, der gleich in der nähe war. "Wohin fährt denn der nächste Bus?", fragte sie schließlich.

"Der hier fährt nach Florida und der danach geht nach Tennessee, glaube ich."

Sakura nickte. "Dann werde ich nach Florida fahren."

Der Alte war ein wenig überrascht, lächelte dann aber. "Werden sie dort lange bleiben?"

Sakura zuckte mit den Achseln. "Das weiß ich noch nicht. Wie es die Zeit ergibt ..."

"Das ist manchmal gar nicht so lang, wie man glaubt ...", er lachte leise. "Denn zu Hause ... da ist es immer noch am Schönsten!"

"Wenn man wüsste, wo sein zu Hause ist ...", seufzte Sakura.

"Das ist ganz einfach. Sehen sie, ich bin sooft in meinem Leben gereist, aber mein Herz war immer hier, in meiner Heimat. Dort wo die waren, die mich liebten und die auf mich warteten. Und genau da ist man zu Hause."

Sakura lächelte und nickte, als der Alte aufstand und sich verabschiedete.

"Eine Gute Reise!", sagte er und ging hinüber zum nächsten Bushalteplatz.

"Ebenfalls", sagte Sakura ihm hinterher.

Dann lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Obwohl sie es nicht wollte, liefen vor ihrem geistige Szenen ab.

Szenen, wie alles seinen Anfang genommen hatte.

Wie sie Temari gefunden hatte und ihr Zusammenbruch.

Dann das Kennenlernen mit Sasuke.

Das alles lag noch gar nicht lange zurück.

Und dennoch kam es ihr wie eine Ewigkeit vor.

Sie hatte ihn kennen und schätzen gelernt. Und dann lieben ...

Und gestern Nacht hatte sie es ihm gezeigt.

Vermutlich war es ein Fehler gewesen, dass sie miteinander geschlafen hatten.

Dennoch bereute sie nichts.

Sie musste an die Kinder denken, und ob Sasuke sein Versprechen halten würde.

Emily würde sicher weinen, aber irgendwann würde sie es verstehen.

Und Sebastian war stark.

Was würde Temari sagen, wenn sie es heute Abend erfuhr?

Was würde sie fühlen, was denken?

Würde sie sie hassen?

Sie war gegangen, ohne ein Wort des Abschieds.

Temari war ihre beste Freundin gewesen und würde es immer bleiben, das stand fest.

Aber hätte sie dann nicht die Wahrheit verdient gehabt?

Sakura schüttelte innerlich den Kopf.

Manchmal war es besser, im Ungewissen zu leben.

Und Sebastian würde niemanden etwas von dem Brief erzählen.

Den Brief, den sie von ihren alten Bekannten MArdo bekommen hatte.

Die Nachricht, in der stand, dass die Männer, die hinter ihr her waren, sie fast gefunden hatten und nicht mehr lange brauchen würden, bis sie bei Sasuke auftauchten.

Wieder seufzte Sakura vor sich hin.

Wie sollte es weitergehen, wie könnte es weitergehen?

Florida war sicher schön.

Sie hatte Bekannte in Florida.

Dort musste sie wohl für die nächste Zeit untertauchen.

Und was dann?

Sie konnte nicht ewig weglaufen ...

Sich nicht ewig verstecken ...

Ein Bus fuhr ein und Sakura konnte lesen, dass sein Ziel Florida war.

Es war also ihr Bus.

Jetzt hieß es Abschied nehmen.

Abschied von ihrem zu Hause.

Sakura griff nach ihrem Rucksack und holte das Geld raus, dass Sebastian ihr durch Mardo besorgt hatte. Es würde für eine Weile reichen, aber was dann?

Vielleicht gab es auch kein 'dann' ...

Sakura schulterte den Rucksack. Jetzt war es wieder wie vor fast zwei Jahren.

Sie würde wieder alleine sein.

"Die Dame wünscht?", fragte der Busfahrer, als sie in den Bus stieg.

"Eine Karte nach Florida", sagte Sakura.

"Machen sie zwei draus ...", korrigierte die Stimme hinter ihr.
 

THE END



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Von:  JackyDBlade
2009-12-24T21:52:49+00:00 24.12.2009 22:52
hamma kapitel
der schlusssatz war auch hamma

Von: abgemeldet
2009-06-09T13:41:19+00:00 09.06.2009 15:41
Das ist eine so unglaublich geniale FF !!!
Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen !!!
Sasuke und Sakura sind einfach süß !!!
Und Sebastian erst ich leide richtig mit dem Kleinen, obwohl es ihn gar nicht gibt -.-
Und die kleine Emily erst !!!
Das Ende ist echt fies !!!
Das ist ja wie ein neuer Prolog !!!
Ist die neue FF schon draußen ???
Ich such mal ;)
Ich freu mich schon tierisch aufs weiterlesen !!!
Also noch mal Gratulation zu dieser FF ... sie ist wirklich gelungen !!!
Außerdem kannst du toll schreiben !!!

LG Narutofan13-14 !!!
Von:  rory89
2009-01-22T14:26:08+00:00 22.01.2009 15:26
das echt gemein das ein doofes ende wir wollen mehrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
Von:  Honey07
2009-01-22T08:03:49+00:00 22.01.2009 09:03
Tachchen oder Guten Morgen!!!
Ich kann mich meinen ganzen vorschreibern nur anschließen. Das is ein super Kapitel, mit einem super spannenden Ende xDDDD
Ich hoffe auch das es Sasuke is. Das wäre sooooo süß wenn er mit fahren würde.
Boa, ich freu mich schon auf die fortsetzung, echt jetzt!
Mach büdde schnell weiter.

LG sasu00saku
Von:  dannysahne
2009-01-22T07:48:00+00:00 22.01.2009 08:48
Du bist so gemein... *HEUL*
Einfach mittendrin aufzuhören...
Wer war das hinter Sakura, Sasuke?
Kann die Fortsetzung kaum erwarten!
Mach schnell weiter!

LG
Von: abgemeldet
2009-01-21T23:56:18+00:00 22.01.2009 00:56
halloooooooooo gehtz noch????
du kanst doch nicht einfach an dieser stelle aufhören!!! *heul*

wer is das??
und was hat sakra gemacht, dass sie weg muss???

bin gespannt auf die fortsetzung
mach weiter so
lg sakura93
Von: abgemeldet
2009-01-21T23:51:38+00:00 22.01.2009 00:51
ohhh nein!!
was wird sie jetzt machen??

hey du kannst echt voll gut schreiben!!

anstatt chemie zu lernen, was wir heute schreiben, les ich deine ff...alles nur deine schuld, weil ich nich davon wegkomm! xD
Von: abgemeldet
2009-01-21T23:39:25+00:00 22.01.2009 00:39
was war das für ein brief??? und warum hat sie sich vorher mit sebastian getroffen??

also hast wieder supa toll be-und geschrieben!!
sry für das kurze kommi, aba ich muss jetzt unbedingt weiter lesen xD...
Von:  Hilary_Hiwatari
2009-01-21T21:55:47+00:00 21.01.2009 22:55
oh man
das ist gemein.
die ganze Story ist so cool und du hörst einfach da auf.
Voll gemein =(
Hoffe du schreibst ne fortsetzung und sagst mir dann bescheid.
Bis dann
LG Brina
Von:  Zuckerschnecke
2009-01-21T20:54:03+00:00 21.01.2009 21:54
also wenn das nicht nach einer fortsetzung schreit xD
hmm ich hoffe es ist sasuke ♥
war echt gut das kapi =3


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