Angst
"Bin ich geschafft", stöhnte Sakura und ließ sich auf den Stuhl am Küchentisch fallen. Sasuke seufzte und tat es ihr nach.
"Hm", gab er von sich.
Es war kurz nach halb drei und die beiden waren endlich zurück. Sakura sah man die Anstrengung deutlich an, aber auch der Uchiha wirkte abgekämpft.
"Es ist alles super gelaufen", sagte Sakura nun leise und legte den Kopf auf die Arme. "Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Es war ein fantastischer Abend."
Sasuke nickte knapp.
"Kochst du uns einen Kaffee?", Sakura sah etwas nach oben.
"Du solltest schlafen gehen", meinte Sasuke, als er sie musterte. "Du siehst nicht besonders gut aus."
"Ach, nun hab dich nicht so. Es war für alle anstrengend, kein Wunder wenn man da etwas abgefrackt aussieht!", sie grinste. "Du hast eine sehr nette Mutter", bemerkte sie hinterher.
Sasuke nickte erneuert. "Ja, sie ist ein guter Mensch."
Sakura war nun an der Reihe mit nicken. Doch gleich darauf ließ sie den Kopf wieder sinken. "Ich will Kaffee", stöhnte sie in ihre Arme.
"Geh endlich ins Bett. Es gibt keinen Kaffee mehr."
"Dann mach ich mir selbst einen!", knurrte Sakura, die diese Bemutterung nicht sonderlich mochte. Sie stand auf und lief zur Maschine. "Willst du noch einen?"
Sasuke brummte etwas, das nach ja klang.
Sakura grinste gemein. "Dann mach ihn dir selbst!"
Mit einem frischen Kaffee ging sie zu ihrem Platz zurück, während Sasukes schwarze Augen sie fast aufstachen.
"Du bist unmöglich!", giftete er sie an und stand nun ebenfalls auf, um sich seinen Kaffee zu machen.
Die Rosahaarige lachte leise. "Entschuldige, aber Mädchen zicken nun mal gerne. Und das war meine Chance, ein wenig Mädchen zu sein."
"Was bist du denn sonst?"
"Eine erwachsende Frau?", Sakura kicherte. "Ich bin alt und werde immer älter! Nächstes Jahr ist es schon der 22."
Sasuke seufzte. "Kriegst du jetzt deine Midlifecrisis?"
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. "Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht, dass du immer älter wirst, und älter und älter ..."
Sasuke nahm seinen Kaffee und setzte sich zurück zu Sakura. "Nein, es ist wie es ist."
"Hm", gab sie zurück. "Das stimmt wohl", sie seufzte und nahm einen kräftigen Schluck des heißen Getränks.
Sasuke sah sie kopfschüttelnd an. "Was ist los?", fragte er.
Sakura zuckte mit den Schultern. "Es ist wegen ... wegen Emily und Sebastian. Ich hatte bisher viel mit ihnen zu tun, weißt du ..."
Sasuke nickte.
"Naja ... ich ... ich mach mir einfach nur Gedanken. Ich meine, sie sind Kinder ... und hatten nie eine Kindheit. Sebastian ist jetzt schon erwachsender als es gut für ihn ist. Und Emily ...", Sakura seufzte und lehnte sich zurück. "Weißt du, wenn ich könnte ... ich würde sie zu mir nehmen und ihnen ihre Kindheit zurückgeben. Nur kann ich das nicht ...", sie lächelte matt.
Sasuke sah Sakura fast mitfühlend an. Auch ihm taten die Kinder leid und er wusste, was in ihr vorging. Zumindest zu einem Teil. "Besteht denn keine Chance, dass jemand die beiden adoptiert? Wozu sind sie denn im Heim?", fragte Sasuke.
Sakura schüttelte den Kopf. "Sebastian möchte ja gar nicht, dass ihn jemand adoptiert. Er fühlt sich für alle anderen verantwortlich. Und Emily ... sie ist so verschlossen, seit der Sache noch mehr als vorher. Es ist auch nur zu verständlich. Aber welche Eltern wollen ein Kind, dass ... du weißt schon ... und aus Watts erst recht nicht. Die denken doch, dort sind alle kriminell oder zumindest das kriminelle Gene in den Kindern steckt. Dabei ... die beiden gehen dort irgendwann kaputt! Sebastian ist nun mal noch ein Kind und kann nicht die ganze Zeit für andere Sorgen. Und Emily ... ich denke, sie braucht jemanden, der sich gerade jetzt besser um sie kümmern kann. Oder überhaupt jemanden, der sich um sie kümmert! Und ich ... ich kann nicht zu ihnen! Ich würde sie nur unnötig in Gefahr bringen", Sakura stöhnte. "Es ist zum verrückt werden!"
Sasuke nickte. Er verstand, was Sakura meinte. "Du musst warten", sagte er ruhig. "Erst einmal abarten. Du musst Gesund werden, und dann müssen wir was gegen diese Verbrecher tun. Danach ergibt sich alles andere."
Sakura lächelte trocken. Wenn doch alles so einfach wäre ...
"Und die beiden sind stark", setzte Sasuke hinterher. "Sie stehen das durch. Du hattest auch keine Kindheit, oder? Und du bist trotzdem eine starke Frau geworden, ein bisschen verrückt, aber stark ..."
Sakura zog eine Schnute. "Ich bin nicht verrückt!"
"Dann bist du eben nur stark", Sasuke lächelte leicht. "Du hast es doch auch gepackt. Dann packen die beiden das auch."
Sakura seufzte. "Deswegen müssen sie da raus", erklärte sie leise. "Sie sollen es besser haben. Sie haben es verdient. Sie sollen ... sie sollen gar nicht so stark werden müssen. Sie sollen lieber Schwächlinge sein, aber Schwächlinge mit einem Leben und einer Zukunft. Lieber das, als Stark und mit Vergangenheit, ohne Aussicht auf ...", Sakura versagte die Stimme, als ihr Tränen in die Augen traten. "Entschuldige, ich ..."
Sasuke wusste nicht was er sagen sollte, also stand er auf und legte seine Arme von hinten um Sakura. "Hör auf dich fertig zu machen. Du kommst nicht drumrum, zuerst dir selbst zu helfen. Danach kannst du dich um andere kümmern, aber zuerst musst du an dich denken."
"Aber ich lass sie im Stich", weinte Sakura nun. "Ich lass sie einfach im Stich ... "
Sasuke nahm Sakuras Arm und zog sie sanft nach oben. "Du solltest wirklich ins Bett", sagte er leise aber bestimmt. "Du bist fertig mit Nerven, der Abend war eigentlich viel zu viel. Morgen sieht die Welt schon besser aus."
Sakura kamen immer noch die Tränen, aber sie ließ sich von Sasuke zum Gästezimmer bringen. Doch ins Zimmer wollte sie nicht. "Ich kann nicht", weinte sie. "Ich kann nicht schlafen, wenn die Beiden ... Emily hat niemanden, und sie weint bestimmt und ... Sebastian rennt wahrscheinlich wieder irgendwo draußen rum. Wie kann ich da nur an mich denken? Wer denkt denn sonst an die beiden?"
Mit sanfter Gewalt drängte Sasuke Sakura ins Zimmer. "Du hilfst ihnen nicht, wenn du nicht gesund wirst!", sagte er ernst. "Du weißt, was der Arzt gesagt hat, oder? Dass du sterben kannst!", eindringlich sah er sie an. "Wer wird dann für sie da sein? Wenn du nicht mehr da bist? Dann sind sie alleine! Dann haben sie erst recht niemanden mehr!"
Sakura zitterte mittlerweile am ganzen Körper und krallte sich regelrecht an Sasuke fest. "Ich hab Angst", flüsterte sie leise und vergrub ihr Gesicht in Sasukes Shirt.
Dem Uchiha fehlten die Worte. Er blieb mit Sakura stehen, denn er musste sich erst einmal wieder fassen. Dass Sakura sagte, das sie Angst hatte ... es haute ihn fast um. Sakura tat immer mutig, immer stark ... er hatte sie mittlerweile zwar auch schon anders kennen gelernt, nämlich mit Nerven, die auch einmal am Boden sein konnten, aber Angst? Nie hätte er gedacht, dass sie das sagen würde.
Er drückte sie fester an sich und streichelte ihr über die Haare. Was sollte er tun? Was sagen? Vielleicht wäre es besser, wenn er den Arzt verständigen würde?
Er spürte, dass Sakura kaum noch stehen konnte und alle Kraft aufwand, um sich an ihn zu klammern. Kurzerhand nahm er sie hoch und legte sie aufs Bett. Er legte sich vorsichtig neben sie und umfasste sie mit seinen Armen.
"Ich bin da", sagte er beruhigend.
Sakura sah ihn aus ihren verweinten Augen entschuldigend an. "Tut mir leid ...", hauchte sie.
Sasuke schüttelte den Kopf. "Das muss es nicht. Lass es lieber raus, als immer nur zu schlucken."
In Sakuras Augen sammelten sich erneuert die Tränen und sie vergrub sich in Sasukes Armen.
Der Uchiha zog die Decke über sich und das Mädchen.
Dann wartete er, bis Sakura sich in den Schlaf geweint hatte.
"Ich werde dich nicht mehr allein lassen", flüsterte er. "Damit du keine Angst mehr haben musst ... denn ich liebe dich, Sakura."