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I miss you...

von

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[one and only chapter]

I miss you…
 

[one and only chapter]
 

Part I - Rukia
 

„Kaien-dono… Kaien-dono… Kaien-dono!!

Immer wieder schallte ihre gebrochene Stimme durch die nun mehr trügerisch stille Nacht und übertönte so den zur Erde niederprasselnden Regen. Obwohl dieser sich so warm anfühlte, ließ es ihr das Blut in den Adern gefrieren. Blut… „Ka…ien…dono…“ Sein Blut.

Jeder einzelne Tropfen, welcher ihre Haut berührte, der sie beide bedeckte, schien die Last, die bereits auf den Schultern des jungen Mädchens ruhte, noch schwerer werden zu lassen.

Krampfhaft hielt sie sich an ihren ehemaligen Mentor und wertgeschätzten Fukutaichou fest, ihre Finger fest in den Stoff seiner Shinigamiuniform gekrallt. Den Kopf gesenkt haltend, versuchte sie ihre Tränen erfolglos zurückzuhalten. Tränen, die sich mit dem Regen vermischten und endlos an ihren Wangen hinuntertropfen zu schienen.

Nie wieder würde sie ihn lächeln sehen dürfen. Nie wieder würde sie wegen eines Magenknurrens vor ihm erröten und nie wieder… würde sie diesen Schmerz in ihrem Herzen loswerden können. Der Schmerz der Gewissheit, dass sie es war, die ihm den entscheidenden Gnadenstoß verpasst hatte und… sein Lächeln für immer von dieser Welt stahl…

Wieso dankte er ihr auch noch? Wieso bedankte er sich dafür, dass er… in ihren Armen sterben durfte? Durch sie sterben durfte…?

Jede Sekunde, die sie ihn in ihren Armen hielt, jede Sekunde, in der ein weiterer Teil der Wärme aus ihrem Körper wich, ließ Rukia sich nur noch fester an den leblosen Körper krallen. Würde sie loslassen – jetzt einfach nur loslassen, dann… würden es nur noch die Erinnerungen sein, die ihn in ihrem Leben hielten.
 


 

Part II - Ukitake
 

„Rukia…“ Leise, sanft aber bestimmend, wurde sie von ihrem Taichou angesprochen, der die gesamte Zeit über an ihrer Seite gestanden hatte, sich bisher allerdings nicht traute diese seelenbrechende Stille zu beenden. Selbst ihm waren die Worte verwehrt. Was hätte er auch sagen können? Was geschehen ist, konnte man nicht mehr rückgängig machen? Wohl kaum und selbst die größten tröstenden Worte wären nicht ausreichend gewesen, um den Schmerz zu lindern, der sich in ihr Herz gefressen hatte. Doch trotz all dem Verständnis, trotz des Nachempfindens und der nicht zuletzt eigenen Trauer gegenüber seines verstorbenen Fukutaichou und treuen Freund, sprach ihm sein Verstand zu, dass sie nicht auf ewig hier sitzen könnte. Allein schon deshalb, weil der niederprasselnde Regen nicht unbedingt zu der Gesundheit seines Schützlings beitrug… und – so gefühlskalt es vielleicht auch klingen mochte – es nichts an der Situation änderte, in der sie sich befanden.

Allerdings war es äußerst fraglich, ob Rukia ihm überhaupt Gehör schenken würde:

Vor seinen Augen ein Mädchen, dessen Herz nun endgültig in tausend Scherben zerbarst. So viel Kummer und nun kam neuer hinzu. Weitaus größerer und vor allem… nicht zu behebender.

Wenn auch ihre traurigen Augen hatte er sie nie weinen gesehen. Nie fiel auch nur eine einzige Träne, und nun konnte sie diese nicht einmal im Ansatz stoppen. War also wieder eines der Wunder, die Kaien vollbracht hatte, so auch leider auf eine sehr ungewollte Art und Weise… „Rukia… steh bitte wieder auf. Du… verkühlst dich noch im Regen.“ Ukitake versuchte so wenig befehlend wie möglich zu klingen. Die Anordnung eines Taichous wäre das letzte, was sie nun brauchen konnte. Und selbst dieser ruhige und sanfte Ton schien ihm noch zu forsch.
 

Part III - Rukia
 

Aufstehen? Wie sollte sie? Sie konnte Kaien-dono doch nicht einfach… Was interessierte es sie schon, ob sie hier komplett erfrieren würde!

Denn… war Rukia das nicht schon? Zumindest empfand das Mädchen nichts anderes außer Leere und Kälte…

„Kaien-dono…“ Die Augen fest geschlossen haltend, als wollte sie so der Wirklichkeit entfliehen, biss sich Rukia fest auf die Unterlippe.

Einer der wenigen, der sie so behandelt hat, wie sie es sich immer gewünscht hatte…

Einer der wenigen, der ihr die Sorgen und den Kummer ablesen konnte, ohne dass sie etwas sagen brauchte.

Einer der wenigen, dem sie etwas bedeutete… Wie… „… konnte ich nur…“

„Rukia, bitte…“

„Nein…“ Ein Schluchzen, das in dem klitschnassen Stoff von Kaiens Shinigamiuniform unterging, kaum hatte Ukitake gesprochen. „Nein, niemals!!“ Mit ihrer Stirn fast schon in der Halsbeuge des Toten lehnend, konnte sie einfach nur immer wieder und wieder verneinen. „I-Ich… ich kann Kaien-dono doch nicht einfach… ich kann doch nicht…“

Plötzlich die warmen und fürsorglichen Hände ihres Taichous auf der Schulter spürend, wagte es Rukia schließlich leicht aufzusehen. Er hatte sich zu ihr runtergehockt und sah ihr so nun direkt in die Augen.

„Rukia… ich sage das nicht aus Boswillen, sondern weil…“

Weil er sie nicht so leiden sehen wollte… das wusste sie gut genug, aber dennoch… Dennoch konnte sie nicht loslassen. Durfte es einfach nicht. Lieber… würde sie sterben.

Und dies war nicht nur eine übertrieben dargestellte Äußerung. Rukia würde wirklich lieber sterben als zurückzugehen.


 

Part IV - Ukitake
 

Hatte er etwas anderes erwartet? Nein, wohl kaum. Er hätte es besser wissen müssen, dass es nicht so leicht werden würde. Sicherlich, für ihn selbst war es auch kein einfacher Akt. Das war es für Niemanden. Eine Person, die immer um einen herum gewesen ist, deren Stimme man jeden Tag an seinem Ohr hatte, ebenso deren Lächeln und Launen … eine wichtige Person, einen Freund so aus dem Nichts zu verlieren und gleichzeitig von diesem loszulassen…

Doch sah Ukitake in dem Zusammenhang leider auch die Pflichten als Taichou, die ihn immer wieder auf seinen Weg begleiteten. Sein Wohl nach hinten stellend, musste er sich vor allem um diejenigen kümmern, die mit solchen Situationen nicht umgehen konnten, die nun… hilflos und verloren im Leben standen.

Auch, wenn es jetzt vielleicht… grausam war und sie ihn dafür hassen würde…

Sich langsam wieder erhebend, packte Ukitake sie am Kragen, zog die verdutzte Rukia hoch, die wohl alles andere als das erwartet hätte. In diesem Moment der Überraschung lösten sich ihre Hände von dem Körper ihres ehemaligen Mentors, sahen ihre geschockten Augen, wie dieser in sich zusammenfiel und am Boden liegen blieb, sich nicht rührte. Fast schon so als würde Rukia erst jetzt verstehen, dass Kaiens Leben für immer verwirkt war, glitt ihr ein leichtes Wimmern über die Lippen, entwickelte es sich jedoch binnen weniger Sekunden zu einem weiteren Schrei. „Nein!! Ukitake-taichou… lasst mich… Bitte!!“

So sehr ihm ihre Worte und Stimme auch in Herz und Seele brannten, versuchte er sie so gut es ging zu ignorieren und lockerte nicht einen Millimeter seines Griffes. Rukia zappelte und strauchelte, versuchte sich ihre Freiheit zu erkämpfen, gab jedoch schließlich nach einem weiteren unnützen Gerangel auf. Ihre Muskeln erschlafften und so gaben auch die Beine des Mädchens nach, fiel sie auf die letzten Zentimeter einfach zu Boden und ließ ihre Tränen nur umso mehr den Vorrang. „Kaien-dono…“, kam es ihr erneut über die Lippen, „Kaien-dono!!“ Ein herzzerreißender Schrei, der Ukitake durch Mark und Bein ging, erfüllte noch einmal die Luft – ein Schrei aus ihrem Innersten, bevor Rukia vollkommen verstummte, am Ende ihrer Kräfte war - ihre Herzenswärme die nach und nach erlosch, als hätte Kaien diese mit sich genommen…

„Wir… müssen die Familie über seinen… Tod in Kenntnis setzen.“, flüsterte Ukitake nach einiger Zeit. Ein weiterer Versuch sie zum Aufstehen zu bewegen. Wo sie bis eben noch darum gekämpft hatte hier zu bleiben, die Zeit zum Stehen zu bringen, willigte Rukia nun ohne ein weiteres Wort ein. Wie automatisch sank ihr Arm aus Ukitakes Hand und die Shinigami erhob sich langsam.

„Ich werde das übernehmen.“, kam es hauchend über ihre Lippen, während sie sich zu ihrem toten Fukutaichou begab, erfuhr allerdings keine Antwort.

Auch wenn ihr Taichou es für keine allzu gute Idee hielt, konnte er nicht dagegensprechen. Was würde sie tun, würde er ihr dies verbieten? Könnte er es ihr überhaupt? Sie stand neben sich… war nicht einmal annäherungsweise das Mädchen, welches er kannte, und zeugte von solch einer falschen Stärke und Ruhe, dass es ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

„In Ordnung.“, gab er schließlich sein Einverständnis und wieder einmal schien Ukitake zu spüren, dass diese Entscheidung falsch war. So wie auch jene, Kaien alleine kämpfen lassen zu dürfen. Was trieb ihn jedoch immer wieder und wieder zu solch einer? Warum konnte er nicht selbst einmal das aussprechen, was eigentlich in ihm sprach? Er stürzte Rukia noch mehr ins Verderben, als sie es jetzt schon von sich aus tat und das einzig und allein mit zwei kleinen Worten.
 

Part V - Rukia
 

Wie würden sie wohl reagieren?

Wie würden Kaiens-donos Liebsten reagieren, wenn sie erführen, dass er…?

Schritt um Schritt. Meter um Meter näherte sich Rukia der nächsten unglücklichen Situation.

Sie hatte keine weiteren Worte verloren, sondern war einfach losgegangen. Nur die kleine Bitte hauchen, dass sich Ukitake-taichou doch wieder zur Division begeben sollte, um den dort nötigen und nun zu treffenden Entscheidungen beizuwohnen. Denn diesen einen und letzten Weg, der abschiedsverheißende Weg, den würde sie jetzt auch noch alleine bewältigen. Zumindest hoffte es Rukia…

Nicht ein einziges Mal richtete sie ihre Augen auf den toten Körper, welchen sie den Weg entlang schliff. Immer wieder durchsah sie in ihrem Kopf die Möglichkeiten, wie sie die Situation handhaben sollte:

Wie es ihnen erklären?

Wie sollte sie ihnen erklären, dass sie es war, die Shiba Kaien in den jetzigen Zustand versetzt hatte?

Bevor Rukia jedoch eine Lösung finden konnte, stand sie bereits vor dem Shiba-Anwesen, welches sie zuvor noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Welch eine Ironie, dass es jetzt ausgerechnet mit solchen Hintergründen passieren musste.

Nur ein paar Sekunden später war Fußgetrampel zu hören, welches von drinnen auf sie zu kam. Mit einem Riesenschwung öffnete ein breitlachender Junge die Tür, rief ein begeistertes „Onii-chan“ – … Wie erwartet. Abrupt blieb Ganju jedoch stehen, als er bemerkte, dass es gar nicht sein Bruder war, der vor ihm stand, sondern eine andere Shinigami. Es war niemand, den er kannte und irgendetwas sagte ihm auch, dass sie nicht für eine Teestunde oder Ähnliches hier aufgetaucht war.

Seine Augen wurden größer, als er sich diese Frau recht besah. Sie hatte Blut an den Händen, auf den Wangen, an ihrer Kleidung… überall. Und… genau dieses tröpfelte von der Klinge ihres Zanpakutôs, welches sie ausgerechnet von sich wegegerichtet hielt. Bei diesem schaudernden Anblick zusammenzuckend wanderten der Blick des Kleinen fast schon reflexartig zu Rukias linken Seite, schien sie dort etwas… festzuhalten?

Ganju musste nicht einmal genau hinzusehen, um zu spüren, wie sich sein Herz zusammenzog und im selben Moment in winzig kleine Einzelteile zu zerbrechen. Er konnte noch so oft versuchen etwas anderes zu sehen… allerdings blieb das Bild, dass sich vor ihm erstreckte unverändert.

Sein Bruder… Sie hielt seinen Bruder am Genick… tot…

„Onii-chan...“ Die zerbrechende Stimme des Kindes wurde im nächsten Moment durch einen schmerzerfüllten Schrei erstickt, welchen Rukia vollkommen unberührt vernahm.

Wie die Ruhe selbst schaute sie zu Ganju herab, senkte schließlich ihre Lider. Damit wären dann wohl alle Erklärungsversuche unnötig.

Sie würden ihr nicht zuhören. Sie würden nicht verstehen wollen, dass Kaien-donos Tod… sein musste. Dass sie ihn dadurch… gerettet hat. Hätte sie es nicht getan… Nein, bevor sich Rukia in diesen Gedanken verlieren konnte, schenkte sie erneut dem Kind ihre gesamte Aufmerksamkeit.

Für die Shibas wäre sie einfach nur diejenige, welche Kaien aus ihrer Mitte gerissen hatte. Eine Mörderin. Mehr nicht.

Vorsichtig ließ sie Kaien zu Boden sinken, nahm aber auch hier nicht einen Atemzug zu viel. „Was… was hast du mit ihm gemacht? Was… hast du…?“ Ganju fiel auf seine Knie, kroch näher zu seinem toten Bruder heran, berührte nur minimal dessen Schulter und schreckte wieder zurück, als er sah, wie sich weitere Partikel von dessen Körper lösten. „Was hast du mit ihm gemacht, du Monster?“, schrie er Rukia an, blickte zu ihr hoch, doch alles, was er als Antwort zurückbekam, war eine anteillose Miene, vollkommen gefühlskalt.
 

Ihre eigene unnatürliche Ruhe würde Rukia wohl erst in ein paar Stunden aufschrecken lassen. Doch in diesem Moment, konnte sie Ganju lediglich ansehen, beinahe durch ihn hindurchblicken. So sehr sie es vielleicht auch gewollt hätte – Das Mitgefühl blieb fern. „Hol lieber den Rest deiner Familie. Ich kann dir nicht sagen, wie lange er noch in diesem Zustand bleibt.“ Selbst der Kleinste sollte wissen, dass sich Verstorbene in Partikel verwandelten, welche die Soul Society ausmachten. „Es ist eh schon ein Wunder, dass sein Körper diesen Weg mitgemacht hat.“, murmelte Rukia mehr zu sich selbst, allerdings immer noch unbeabsichtigt hörbar für Kaiens kleinen Bruder.

Mit einem Mal spürte sie einen kurzen Schmerz in ihrem linken Bein. Zu dem Kind hinabsehend, welches nun zurück ins Haus rannte, wurde ihr bewusst, dass er wohl gegen dieses geschlagen oder getreten hatte.

Kaum war Ganju im Haus, blickte Rukia in den nun mehr sternenklaren Himmel. Die Wolken waren verschwunden und der Regen hatte aufgehört. Wieder war der hellscheinende Vollmond zu sehen… Doch ganz gleich wie schön und friedlich die Nacht nun wirkte:

Für Rukia würde es fortan immer regnen.

Bis in die tiefste Stelle ihres Herzens…

Für einen kurzen Moment einfach nur in dieser Dunkelheit abtauchend, atmete sie tief durch. Ihre Aufgabe war hiermit erfüllt.

Keinen weiteren Blick zu Kaien gelten machend, drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ langsam wieder das Anwesen der Shibas.

Ruhigen Schrittes, einen Fuß nach dem anderen setzend begab sie sich in Richtung eigene Familie. Schließlich musste sie Nii-sama von diesem Unglück in Kenntnis setzen. Sie musste ihm erzählen, dass sie ihren eigenen Fukutaichou umgebracht hatte.

Richtig…


 

Part VI - Byakuya
 

Ihr Bruder, die Ruhe in Person. Obwohl er von außen betrachtet genau so schien, sah es in seinem Inneren ganz anders aus. Nicht, dass er die Minuten oder Sekunden zählte – dennoch beunruhigte es ihn, dass Rukia heute ziemlich lange auf sich warten ließ. Sie hatte sich immer daran gehalten, pünktlich zurück zu sein, doch jetzt…

Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gebracht, klopfte es auch schon an der Schiebtür. Sich zu dieser wendend, stand im selben Augenblick Rukia vor ihm, welche die Tür zur Seite geschoben hatte und sich nun mehr verbeugte.

Irrte er sich oder war sie tatsächlich so geistesabwesend wie sie auf ihn wirkte?

„Nii-sama, vergebt mir mein Zuspätkommen. Ich weiß, dass ich Euch bereits vor Stunden hätte Bericht geben müssen.“, begann sie leise, starrte wie jedes Mal einfach nur zu Boden, „Allerdings kam es zu einem dienstlichen Zwischenfall, weshalb ich nicht früher zurückkommen konnte.“ Byakuya horchte auf. Solche Zwischenfälle waren selten von friedlicher Natur. Ihm war bereits zu Ohren gekommen, dass ein Hollow sein Unwesen trieb, dem bisher noch niemand entkommen war. Doch Rukia stand vor ihm. Vermutlich hatten sie ihn also erfolgreich eliminieren können.

Darauf wartend, dass sie weitersprach, dass sie seinen Verdacht bestätigte, musste er jedoch schließlich feststellen, dass kein weiteres Wort über Rukias Lippen dringen wollte.

„Was genau ist geschehen? Wurde Ukitake bereits in Kenntnis gesetzt?“, hakte er also von selbst nach.

Nein, etwas stimmte nicht. Irgendetwas war geschehen…

Seine Frage erfuhr ein Nicken ihrerseits.

„Das Untersuchungsteam unserer Division fiel dem Hollow zum Opfer. Er ergriff Besitz von Miyako-dono und wir… sind ihm nachgeeilt. Wir konnte ihm ein Ende setzen. Allerdings… forderte es auch ein Opfer.“ Schon wieder diese monotone Stimme… Sie wirkte beherrscht und geordnet wie immer und dennoch so, als würde sie sich zu dieser Kontrolle zwingen, als hätte sie sich einen genauen Plan gemacht, wie sie wann etwas sagen sollte. „Kaien-donos Körper war ebenso von dem Hollow besessen und im Austausch für dessen Tod… forderte es Kaien-donos Leben.“

Shiba Kaien… war tot? Der Fukutaichou der dreizehnten Division war…? „Ich habe sein Leben verwirken lassen.“

Byakuya starrte Rukia nur noch mehr an. Sie hatte… was? Ihm wäre beinahe die Feder aus der Hand gefallen, hätte er sie inzwischen nicht schon zur Seite gelegt. „Danach... habe ich Kaien-donos toten Körper zu seiner Familie gebracht und Ukitake-taichou gebeten zurückzugehen.“ Zum ersten Mal während dieser Konversation hob sie ihren Kopf und das einzige, was ihr Bruder sah, waren die leeren Augen, welche ihn anschauten. „Ich hoffe, Ihr versteht nun den Grund für mein ungebührliches Verhalten, Nii-sama. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich mich nun gerne zur Ruhe legen. Ich werde morgen natürlich sämtliche anfallende Konsequenzen tragen. Bitte entschuldigt mich jetzt.“ Und bevor er auch nur ein Wort hätte einwenden können, hatte sie die Tür schon wieder zugeschoben.

Rukia hatte Kaien… getötet? Nein… wohl eher… den Hollow, der zu dem Zeitpunkt in ihm wohnte… Sich mit einer Hand den Kopf stützend schloss Byakuya seine Augen und atmete tief durch.

Das war wirklich ein einziger Albtraum.
 

Part VII - Rukia
 

Nun war also auch dies geschafft... Im tranceartigen Zustand begab sie sich auf ihr Zimmer, hatte die Augen starr geradeaus gerichtet und zuckte auf ihrem Weg nicht einmal mit der Wimper. Erst als Rukia die Tür leise hinter sich zuschob, wurde ihr klar, was sie ihrem Bruder da gerade gebeichtet hatte.

Kaien-dono... war tot... Sie hatte ihn umgebracht, getötet, aus dem Leben seiner Liebsten gerissen. Er war einfach... tot.

Auf die Knie fallend, spürte Rukia sämtlichen Schmerz über sich hereinbrechen, welcher sich bis eben noch versteckt gehalten hatte.

Eine Träne nach der anderen tropft auf den Boden, immer mehr und ohne ersichtliches Ende. Vorbei war die Selbstbeherrschung, welche sie die ganze Zeit hatte aufrecht erhalten können. „Kaien-dono...“ Nur ein leises Wimmern überkam ihren Lippen und doch war es jenes Wort, jener Name, welcher ihr Herz in noch kleinere Scherben zerbersten ließ.

[…]

Tage vergingen.

Nächte vergingen.

Es war fraglich, wie viel Rukia davon mitbekam.

Die Angestellten im Hause der Kuchikis konnten wohl schon von Erfolg reden, wenn sie die junge Shinigami überhaupt einmal zu Gesicht bekamen. Weder zu den Mahlzeiten, noch zu einer anderen Tageszeit verließ sie ihr Zimmer. Byakuya hatte den Bediensteten schließlich angeordnet, das Essen auf einem Tablett direkt vor der Tür zu platzieren und Rukia mit einem Klopfen darauf aufmerksam zu machen, aber selbst da blieben die Teller und Schüsseln unberührt.

Sie war sich bewusst, dass es nicht gerade die gesündeste Art zu leben darstellte, immerhin brauchten auch Shinigami einen Grundbedarf an Energie, doch wie sollte sie auch nur einen Bissen herunterbekommen? Allein, wenn sie daran dachte, überschlug sich ihr Magen.

Rukia konnte und wollte sich einfach Niemandem zeigen. Weder dem Personal, noch Ukitake-taichou und schon gar nicht ihrem Bruder.

Egal wie sehr sie versuchte, die Schuldgefühle loszuwerden, ihre Gedanken loszulassen und Ruhe zu finden – Es würde sie jede Nacht derselbe Albtraum heimsuchen, beinahe so, als wollte dieser sie daran erinnern, dass die Geschehnisse weder ungeschehen noch vergessen sein konnten. Sie würde auf ewig eine Mörderin bleiben. Jemand, der der Familie Schande gebracht hatte.

Sicherlich konnte sie sich nicht auf ewig hier verstecken, aber zumindest... für ein paar weitere Wochen!?

„Rukia?“

Das Mädchen fuhr erschrocken zusammen und brach somit die starre Sitzposition, die sie seit zwei Stunden eingenommen hatte. Verunsichert ließ sie ihren Blick zur Schiebetür schweifen, hinter der sie schemenhaft die Umrisse von Byakuya wahrnehmen konnte. „Rukia, ich möchte mit dir reden.“

Er mit ihr reden? Seit wann...? Wie...?

Es war so untypisch für Byakuya-niisama, dass er von sich aus zu ihr kam. Rukia konnte sich nicht daran erinnern, dass er überhaupt schon einmal auf sie zugegangen ist.

Nach einigen Sekunden des Schweigens, stand sie schließlich auf, wischte sich über die Augen und öffnete die Tür zaghaft um einen minimalen Spalt.

Zu Byakuya hochsehend, wandte sie ihren Blick schnell wieder ab und begab sich zur gegenüerliegenden Terrassenseite des Raumes, setzte sich erneut an den Fleck von eben.

Ihr Bruder trat nun ein, behielt jedoch eine gewisse Distanz bei. Er konnte sich denken, dass er der letzte war, mit dem Rukia über die ganze Misere sprechen wollte. Dennoch würde sie es müssen. Wenn auch nicht sofort, da er jetzt etwas anderes zu verkünden hatte.

„Ich habe so eben eine Nachricht von dem Shiba-Klan erhalten“, begann er vorsichtig, wohlwissend, dass er sie damit ins kalte Wasser stieß, „Die Beisetzung erfolgt morgen Nachmittag.“

„Welche Beisetzung?“, erwiderte seine Adoptivschwester bitter, „Wie können wir in der Soul Society jemanden beisetzen, dessen Körper nicht mehr existiert?“

„Es geht hierbei nicht um die physische Ebene. Die Familie sollte das Recht erhalten, sich zu verabschieden und somit zu lernen, über den Verlust hinwegzukommen und ihr Leben wieder aufzunehmen.“

„Mit reinen Worten kann man manches aber nicht einmal ansatzweise wieder gut machen. Davon abgesehen, werde ich wohl die allerwenigste sein, die sie sehen möchten.“

Rukia fühlte sich nicht gerade wohl darin, Byakuya zu widersprechen, wo sie sich sonst seiner Meinung und seinen Entscheidungen fügte, doch sah sie für sich einfach keinen Sinn darin, dieser Andacht beizuwohnen... Nein... viel mehr... hatte sie Angst. Angst allen Menschen gegenüberstehen zu müssen, welche um die Ereignisse wussten. Angst, den vielen Augenpaaren ausgesetzt sein zu müssen, sich erneut Kaien-donos Tod stellen zu müssen.

„Die Einladung ging an die gesamte Familie. Du wirst also morgen erscheinen“, erklärte Byakuya nun deutlich anmaßender. So wie sie ihn kannte, „Es interessiert nicht, was wir einzeln über die Art der Verabschiedung denken. Wir haben diese Veranstaltung als Pflicht wahrzunehmen, ohne Wenn und Aber.“

Rukia erwiderte nichts, sondern starrte einfach nur auf einen blinden Fleck vor sich. Natürlich, die Pflichten...

Das ewige Leid, wenn man zu einer Adelsfamilie gehörte.

„Komm, werd' mal ein bisschen lockerer! Keiner achtet hier Schritt und Tritt auf dich, was du tust und machst!“

Kaien-dono hatte ihr oft genug gesagt, dass sie die Verpflichtungen auch einmal Verpflichtungen sein lassen sollte. In diesem Punkt waren sie zwar nie aneinander geraten, aber auch nie auf einen Nenner gekommen.

Sie konnte sich einfach nicht so fallenlassen, wie ihr Mentor es erhofft hatte. Im Hinterkopf hatte sich einfach immer wieder der Gedanke gefunden, dass sie eine Kuchiki war, und als solche Aufgaben und Verpflichtungen um jeden Preis nachkommen musste. Kaien-dono war an dieser Stelle mehr als nur einmal verzweifelt und hatte resigniert...

Byakuya wandte sich nun mehr von Rukia ab und ging wieder zum Korridor hinaus, blieb allerdings noch einmal stehen und sah über seine Schulter. Die Schwarzhaarige einen kurzen Moment beobachtend, schloss er schließlich wieder die Tür und ließ sie somit allein.

Ein weiterer Punkt auf der Liste als Familienmitglied: Zeige (anderen) niemals deine Tränen, denn Tränen sind der Beweis dafür, wie verletzlich dein Herz ist...

Doch... in jenem Moment war sie wieder für sich... Keiner sah ihr zu. Und genau deshalb entschied Rukia für sich, dem erneuten Drang den Schmerz zuzulassen, nachzugeben... Egal, was die Etikette verlangte oder sehen wollte. Manchmal... konnte man dennoch nichts gegen die eigenen Gefühle und Gedanken tun und war ihnen einfach erlegen.
 

Endpart
 

Eine Beisetzung.

Eine Bestattung.

Die Gelegenheit sich von dem Verstorbenen zu verabschieden, seine Trauer anderen kundzugeben.

Sich zusammen mit den Angehörigen an den Dahingeschiedenen erinnern, lachen und weinen.

Es gab viele Arten, wie man diese besondere Angelegenheit beschreiben konnte.

Letzen Endes führte es aber immer und immer wieder zu ein und demselben Ergebnis:

Ewiger Abschied. Reflektion des Vergangenen.

Wenn es zu solch einer Bestattung kam... was genau wurde dann von einem 'Gast' erwartet?

Dass er Tränen vergoss? Dass er respektvoll Blumen mitbrachte und jedem der Familienangehörigen sein Beileid aussprach? Dass man währenddessen die ganze Zeit ernst blieb?

So viele Fragen...

Es hatte in der Nacht durchgeregnet, so dass der Boden feucht war und Wasserperlen auf den Pflanzen glänzten. Zwar war es inzwischen trocken, aber eine graue Wolkenfront hatte sich dafür am Himmel verdichtet.

Rukia wusste nicht, ob sie überhaupt Schlaf gefunden hatte, aber wenn war es zumindest kein besonders tiefer oder langanhaltender gewesen.

Eigentlich wartete sie seit gestern Nacht nur auf den persönlichen Weckdienst des Personals, während sie so in ihrem Futon lag und an die Decke starrte.

Der Tag war viel zu schnell gekommen.

"Kuchiki-dono, es ist Zeit zum Aufstehen!", erklang da auch schon die helle Stimme der jungen Angestellten und Rukia setzte sich prompt wie in Trance auf. Sie hatte mitbekommen, wie der Regen zum Morgengrauen nachgelassen hatte, wollte sich nun aber selbst einmal vergewissern, und erhob sich somit langsam, um zur Schiebetür zu gehen, welche ihr Zimmer von der Terrasse trennte.

Langsam das Holz zur Seite schiebend, blickte ihr eine graue Umgebung entgegen und ließ Rukia innerlich nur noch mehr zusammenfahren. Es war besser als strahlend blauer Himmel, das wäre einer Bestattung nicht gerecht geworden, aber dennoch... hätte genau jener blauer Himmel am besten zu ihm gepasst? Sonnenschein, blauer Himmel, nicht von einer einzigen Wolke getrübt, ein sanfter kühler Wind... Ja, ihm würde es gewiss nicht gefallen, dass Regenwetter herrschte. Damit wäre seine gute Laune für ein paar Sekunden ganz schnell flöten gegangen. Nachdem er sich aber aufgeregt und Dampf abgelassen hätte, würde man wieder sein Lächeln sehen können. So wie immer.

Aber so wie immer war es nicht.

Sie musste sich selbst in Erinnerung rufen, dass dies der Vergangenheit angehörte. Er war nicht mehr hier. Er würde sich nicht mehr über das Wetter aufregen. Er würde auch nicht wieder lachen. Er war einfach nicht mehr hier.

Sich von der Terrasse wegbewegend und dabei die Tür ungeachtet offen lassend, blickte Rukia neben ihren Futon, wo schon feinsäuberlich zusammengelegt die passende Kimonotracht und der Haori bereit lagen. Sie hatte sich gestern Abend doch noch dazu überreden lassen, sich auf heute vorzubereiten, wenn auch mit großem Widerwillen.

Als Rukia nun mehr allerdings auf das Kleidungsstück sah, überkam sie ein seltsames Gefühl. Sie wollte diesen Kimono nicht tragen. Sie wollte sich nicht herausputzen, als würde sie auf eine Hochzeit erscheinen, nur weil sie den Namen Kuchiki trug. In diesem Moment wäre sie dann eine Kuchiki, aber nicht diejenige, die er gekannt hatte: Eine Untergebene der dreizehnten Division.

Seine Untergebene.

Sehr wohl im Wissen darüber, dass sie sich damit auf einen weiteren Vortrag ihres Bruders einstellen könnte, holte sie kurzerhand ihre normale Shinigamitracht hervor und würde sich in wenigen Minuten in dieser zum Frühstück begeben.
 

Rukia betrat ohne morgendlichen Gruß den Aufenthaltsraum und somit Esszimmer der Familie. Byakuya saß ebenfalls bereits fertig angezogen - allerdings eben in jener traditionellen Tracht - am Tisch und sah seine Schwester für einen Augenblick irritiert an. Jedoch beschloss er zunächst nichts gegen ihre Kleiderwahl zu sagen. Es war gewiss nicht das, was sie abgesprochen hatten, aber es fiel auch nicht vollkommen aus dem Rahmen, also wäre es gewissermaßen in Ordnung. Er wusste außerdem gut genug, dass es im Moment nicht gerade einfach war mit Rukia zu reden - und wenn er sie jetzt auf das gebrochene Kleidungsabkommen anstoßen würde, könnte er vermutlich mit einer abweisenden Reaktion rechnen, die für den Rest des Tages in ihrem Fall Schweigen und Rückzug bedeutete. Auch wenn Byakuya es nicht zugab, hatte er große Besorgnis, dass sie sich völlig von ihm abwendete.

Ohne Worte beendeten sie nach einiger Zeit das Frühstück. Rukias morgendliche Portion blieb so gut wie unberührt, gerade mal ihren Becher Tee hatte sie ausgetrunken. Doch nach essen war ihr einfach nicht zumute. Es hätte ihr Lieblingsgericht sein können und sie hätte es nicht probiert.

"Ich nehme an, du wirst nichts weiter zu dir nehmen?", fragte Byakuya vorsichtig und würde sich in der Tat wünschen, dass sie es täte, da sie eh schon blasser als sonst aussah.

"Nein", lautete die knappe Antwort Rukias, welche sie gerade mal mit einem sanften Hauch ausgesprochen hatte.

Sich damit wohl abfinden müssend, erhob sich Byakuya schließlich, immerhin war es Zeit. Sie mussten langsam aufbrechen.

Die Beisetzung würde beim Berg Koifushi erfolgen und bis dahin war es eine gewisse Strecke an Weg, die sie zurückzulegen hatten.

Rukia fragte sich, warum es ausgerechnet dort sein müsste. Nicht, dass sie etwas an sich gegen diesen Ort hätte... aber... wie war man darauf gekommen?

Sicherlich hatte Kaien-donos Familie auch mit Ukitake gesprochen. Dieser wusste wohl nur zu gut, dass jene Trainingsgegend einer von Kaien-dono Lieblingsorten war. Als sie dort zum ersten Mal trainierten, hatte Rukia sehr wohl gespürt, warum. Die Gegend um den Berg herum war nicht nur ruhig und besonnen. Es schien einem, als würde sie leben. Die Bäume, das Gras, der Himmel... einfach alles. Man fühlte sich befreiter, konnte seine Sorgen ablegen und einfach nur in sich gehen. Es war eine gute Wahl. Nur... bedeutete es für Rukia auch, dass sie mit einem Haufen an Erinnerungen behangen war. Für sie wohl mehr als für irgendwen sonst.
 

Eine Stunde später und die beiden Kuchikis erreichten ihr Ziel. Vor Ort befanden sich natürlich bereits der Redner und ebenso die Shiba-Familie sowie Ukitake-Taichou und einige bekannte Gesichter der Division. Nicht weit weg von ihnen konnte Rukia Sentarou und Kiyone ausfindig machen, die mit gesenkten Köpfen sich fast ohne Unterbrechung einander heulend in den Armen lagen.

Ein trauriges Lächeln schlich sich über Rukias Lippen, als sie dieses Bild sah. Stimmt... diese beiden hatten Kaien-dono wirklich sehr verehrt, wenn auch gerne ihn ab und an auf die Palme gebracht. Aber nicht nur sie... eigentlich... die ganze Division. Alle hatten zu Kaien-dono irgendwie aufgesehen. Er war etwas ganz Besonderes gewesen, ein Vorbild, jemand, dem man sein Herz öffnen konnte...

Und sie... sie hatte ihn aus jene Herzen gerissen.

Rukia folgte Byakuya schweigend zu den aufbereiteten Sitzkissen, welche in Reih und Glied lagen.

Ihr Bruder begrüßte die Shiba-Familie und ebenso Ukitake-taichou, sprach sein Beileid aus und obwohl beide Parteien wussten, dass dies nur Worte des Anstands und des Respekts waren, akzeptierten sie diese mit einem belanglosen Danke. Nachdem Byakuya fertig war, hatte nun mehr Rukia dieser schwierigen Aufgabe nachzukommen. Sie war für sie wirklich schwierig, da sich die junge Shinigami nicht einmal traute, den Angehörigen in die Augen zu sehen. Sie hatte Angst. Angst vor Verurteilung, vor Schuldzuweisung. Dabei... würde es ihr doch sogar recht geschehen...

Leise sprach sie auch ihre Worte des Beileids, welche Kaien-donos Eltern überfordert lächelnd entgegennahmen. Sie wussten um die Umstände. Sie wussten, wie ihr Sohn ums Leben gekommen war. Letzten Endes war es Rukia gewesen, die Kaiens toten Körper zu ihnen gebracht hatte, ehe er sich ganz in Reishi aufgelöst hatte. Und genau dieses Erlebnis schien der kleine Ganju immer noch ganz fest in seinem Gedächtnis zu tragen. Während er zwar grimmig, aber dennoch still zu Byakuya aufgesehen hatte, konnte ihn bei Rukias Auftreten nichts mehr bremsen und er trat mutig vor seinen Vater und zeigte auf die Schwarzhaarige mit bebender Unterlippe und zittrigen Fingern: "Du warst es! Du hast mir meinen Aniki weggenommen! Mörderin!"

"Ganju!" Der Kleine wurde von seiner etwas größeren Schwester zurückgehalten, wobei er nur noch mehr zappelte und zeterte. Kuukaku sah unsicher zu Rukia hinüber, welche den Kopf gesenkt hatte und nach einem entsetzten Blick nichts mehr zu antworten wusste.

Sicher... was hatte sie sonst erwartet? ... Er hatte doch recht. Sie hatte ihnen Kaien-dono entrissen. Sie allein.

Die Eltern entschuldigten sich sogleich für das Verhalten ihres Sohnes, woraufhin auch Ukitake-taichou nur beschwichtigend entgegenwirkte und Rukia schließlich vorschlug, dass sie sich doch schon einmal setzen sollte, sie sähe kreidebleich aus.

Rukia nickte und setzte sich gehorsam auf das für sie vorgesehene Kissen. Immerhin waren alle mit Namen ausgerichtet. Zweite Reihe. Sie blickte neben sich und sah das Namensschild ihres Bruders rechts von ihr, das von Ukitake-taichou links von ihr. Sie hatten guten Blick auf den ausgerichteten Gedenkaltar. Auf das Grab. Auf alles. Für einen Moment schien es Rukia, als würde die Zeit still stehen und sie selbst wäre die einzige, die in Bewegung wäre.

"Kaien-dono... es tut mir so leid..."

"Kuchiki, wofür entschuldigst du dich?" Rukia horchte auf und sah auf einmal Kaien neben sich sitzen, wo eigentlich Ukitake hingehörte. Als er sein Gesicht zu ihr drehte, wandte sie ihres schnell ab. Auch ihm konnte sie nicht in die Augen sehen.

"Ich habe Euch in Stich gelassen. Ich... habe Euch sterben lassen", schluchzte Rukia auf, "Wäre ich nicht gewesen, dann..."

"Was dann?", unterbrach er sie kurzerhand und verschränkte die Arme vor der Brust, "Du hättest nicht verhindern können, dass ich sterbe. Das hätte niemand. Nicht einmal Ukitake, und er hat sein Bestes versucht. Letzten Endes hatte er sich notgedrungen dazu entschlossen, mich samt Hollow zu töten!" Es war dieses unbefangene Lachen, was jetzt aus seiner Kehle erklang, ein Zeichen, dass auch er nicht so recht weiter wusste. Wie sehr vermisste sie sein Lachen...

"Aber immerhin... hat er etwas getan. Ich bin weggerannt. Weil ich Angst hatte. Weil ich Angst vor den Tod hatte. Weil ich nicht sterben wollte."

"Aber du bist zurückgekommen. Ist das nichts?", stellte Kaien skeptischen Blickes fest und schlug Rukia sanft auf den Rücken, "Das erfordert auch eine Menge Mut! Ich kenne viele, die sich irgendwo versteckt hätten und Ende!"

"Ich bin nur zurückgekommen, weil ich es nicht ertragen konnte wegzulaufen."

"Das ist in Ordnung."

"Nein. Ich... habe es nur für mich getan." Schwerfällig die Luft ausatmend, schloss sie die Augen.

Kaien kratzte sich am Hinterkopf und legte nachdenklich die Hand ans Kinn. Den Blick zum Himmel richtend, seufte er schließlich.

"Kuchiki... wenn du so denkst, kannst du alles darauf auslegen, dass du selbstsüchtig bist. Genauso kannst du mir anlasten, dass ich meiner selbst Willen gegen diesen Hollow kämpfen wollte. Hochmut tut selten gut!" Der versuchte Aufmunterungsversuch schlug jedoch fehl, stattdessen tropften nun mehr große Tränen von Rukias Wangen. "H-Hey... so war das nicht gemeint! Kuchiki... du hast für mich mehr getan, als es ein anderer hätte tun können. Abgesehen von Ukitake.", berichtigte er sich selbst.

"Ich habe Euch Eurer Familie entrissen. Denen der Division. Einfach allen!!", schien Rukia nun mehr fast zu schreien.

"Vielleicht. Aber... du hast ihnen auch einen Gefallen getan."

"Und welchen?"

"Dank dir können sie mich so in Erinnerung behalten, wie sie mich kannten. Du... hast verhindern können, dass Dinge geschehen, die ich selbst jetzt nach meinem Tod bereut hätte. Die die anderen nicht verstanden hätten. Du hast verhindert, dass es soweit kommt, wie bei Miyako." Rukia schwieg. Für eine Weile saßen sie einfach nur nebeneinander und sahen nach vorne. Schließlich jedoch brach Kaien erneut das Schweigen.

"Rukia... du musst eins verstehen... du hast alles getan, was du tun konntest. Du bist zurückgekommen, weil du weder Ukitake noch mich alleine hast lassen wollen. Du hast gegen die Verzweiflung gekämpft und den Hollow somit getötet. Du hast mir die Möglichkeit geben, als meinereiner von der Welt zu gehen. Mehr hättest du nicht tun können."

Zum ersten Mal sah Rukia nun langsam auf. Millimeter um Millimeter, bis sie schließlich Kaien-donos Blick traf. Er seufzte erneut und legte dann die Hände an ihre Wangen, um diese in die Breite zu ziehen. "Also mach 'n anderes Gesicht. Oder denkst du, ich hab Lust zu sehen, wie du dir von Tag zu Tag neue Möglichkeiten zur Schuldzufuhr suchst? So kenn ich dich nicht, Kuchiki, klar? Ich find's auch nicht gerade 'nen schönen Anblick, mein eigenes Grab zu erblicken, schon gar nicht bei diesem Mistwetter, aber es wäre erträglicher, wenn du nicht so eine Trauermiene machen würdest. Nur weil das 'ne Beerdigung ist, heißt es noch lange nicht, dass du hier ohne Unterbrechung heulen musst wie die beiden da, klar?" Unmissverständlich deutete er mit den Daumen hinter sich zu Sentarou und Kiyone und aus seiner Stimme sprach der übliche genervte Unterton. Dann allerdings Rukias Wangen loslassend, legte er seine Hand auf ihren Kopf und setzte ein sanftes Lächeln auf. "Versprich mir, dass du nicht auf ewig deswegen Trübsal bläst. Du weißt genau, dass ich das nicht für gut heiße. Und außerdem bringt mich das auch nicht wieder zurück!" Mit einem Schnipser gegen die Stirn fiel Kaien in ein leichtes Lachen ein, "Und ich glaube auch kaum, dass ihr mich - den Fast-Taichou Shiba Kaien - auch nur ansatzweise vergessen werdet, hm?" Seine Augen nun von Rukia abwendend, erhob sich Kaien langsam und ging ein paar Schritte vor.

Rukia sah ihm mit einem zarten, aufrichtigen Lächeln nach... wie wahr. Vergessen würden sie ihn wohl bestimmt nicht...

"Rukia?" Wie aus einer Trance erwacht, blickte sie neben sich, sah Ukitake und Byakuya dastehen und sie fragend anschauen.

Irritiert versuchte sie aus dem Augenwinkel wahrzunehmen, wo Kaien-dono steckte... ... nirgendwo? ... Hatte sie das eben nur geträumt? Ein Teil ihrer Einbildung?

Ihr Bruder und ihr Taichou ließen sich nun ebenso nieder und obwohl Ukitake zu ihr sprach, nahm sie seine Worte nicht einmal halbherzig war. Sie war immer noch tief in ihren Gedanken versunken. Es hatte sich alles so real angefühlt, aber vielleicht... waren dies auch nur ihre Emotionen. Der Schmerz war schließlich ebenso real, genauso wie das Verlangen ihren Mentor wieder bei sich zu wissen. Dennoch... selbst wenn es nur Einbildung gewesen sein sollte...

Rukia hob ein wenig ihren Kopf und blickte zum Himmel auf. Wenn sie genauer hinsah... konnte sie sogar ein kleines Fleckchen Blau sehen, welches sich durch die dichte Wolkendecke hindurchkämpfte.

Kämpfen... in diesem Moment kam sich Rukia wie das Stückchen blauer Himmel vor, mitten im tiefen Grau. Als sie bemerkte, dass sich der kleine Fleck vergrößerte und langsam die Wolken wegzuschieben versuchte, musste sie ein weiteres Mal an diesem Tag lächeln.

Es bräuchte Zeit... viel Zeit... und auch würde es nicht verhindern, dass sie Trauer empfände oder sich dieser schmerzvollen einmal hingeben würde.

Aber... irgendwie.. hatten sie alle weiterzugehen... So schwer es fiel...

So sehr sie sich auch wünschte, dass die Erinnerungen in ihrem Herzen wieder lebendig würden.

Womöglich war aber auch genau das die Lösung für alles... der Fakt, dass Kaien ihr sein Herz anvertraut hatte - dass er in ihrem Herzen war.

Auf ewig. Vielleicht wäre das der Weg wieder voranzuschreiten. Mit diesem Gedanken... "wäre es erträglicher".

Solange sie ihn nicht vergaß.

Und das... würde nie geschehen.

"Versprochen..."
 


 

"Unsere Herzen gehen auf unsere Freunde über, denen wir sie anvertrauen. Indem wir sie ihnen anvertrauen leben unsere Herzen in unseren Freunden weiter."
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Takiii
2010-08-29T21:30:42+00:00 29.08.2010 23:30
sehr emotional und sehr gut beschrieben.
Von: abgemeldet
2009-03-28T10:52:46+00:00 28.03.2009 11:52
wow ich bin echt begeistert!
arme Rukia tut mir leid!
ich habe um Kaien dono geheult!

LG Hitsugaya_
Von:  Rukia-sama
2009-03-15T15:38:31+00:00 15.03.2009 16:38
Jetzt ehrlich, ich habe geweint.
Ich habe geweint als ich die Folge geguckt habe (Folge 49) und ich habe geweint als ich das gelesen habe.
Schön, wie du das geschehenm beschreibst, die gefühle ausdrückst.
Wirklich schön~
Von: abgemeldet
2008-10-09T14:20:29+00:00 09.10.2008 16:20
cool du hast weiter geschrieben *freu* arme rukia sie tut mir richtig leid =( naja freu mich schon wenn du weiter schreibst ^^
Von: abgemeldet
2008-10-08T13:05:21+00:00 08.10.2008 15:05
ich find das erste Kapitel hast du schonmal sehr gut geschrieben.. voll traurig man kann richtig nach vollziehen wie sich rukia in diesem moment wohl gefühlt hat^^ hoffe kommt bald ein weiterer teil raus =)


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