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Hoffnung zu Asche

Schatten und Licht, Band 2
von

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Der Aufstand der Schwestern

Es war bereits Dunkel, als eine riesige Säule mit zwei Meter Durchmesser aus gleißend weißem Licht vor der Herrschervilla in Farnelia erschien. So schnell wie sie gekommen, kollabierte sie und hinterließ Merle, die den Energiestein Escaflowne in ihrer Hand hielt. Froh darüber wieder auf Gaia zu sein ging sie die Treppe zum Haupteingang des Anwesens hinauf, während etliche Bedienstete aufgeregt zu den Fenstern stürzten und raus guckten. Zu spät, amüsierte Merle sich, doch dann horchte sie auf. Innerhalb der Villa war ein heftiger Streit im Gange und einer der Beteiligten war Allen. Aus seinen Gedanken strömten Wut und Sorge, seine Stimme war bis in die Eingangshalle zu hören. Irgendetwas muss mit Serena sein, schloss Merle und sprintete in das Gästezimmer der jungen Frau.

„Was habt ihr meiner Schwester angetan?“, brüllte er aufgebracht, als sie durch die Tür trat, und kam Antigonos dabei bedrohlich nahe. „Ihr weckt sie sofort wieder auf!“

„Es war ihre Entscheidung, Ritter Allen, ob es euch gefällt oder nicht. Es gibt keinen anderen Weg für sie außer Wahnsinn und einen frühen Tod.“, verteidigte sich der Atlanter, hinter dem sich Sophia ängstlich versteckte.

„Woher nahmt ihr euch das Recht, sie überhaupt zu fragen?“, verlangte Allen zu wissen, während seine rechte Hand den pechschwarzen Griff seines Schwertes packte und es aus der Scheide zu ziehen drohte.

„Allen!“, schnitt Merles Stimme durch den Raum. „Was ist hier los?“

„Serena wacht nicht mehr auf! Er hatte sich zu ihr gesetzt und so leise mit ihr geredet, dass ich nichts verstehen konnte. Nach ein paar Stunden hat sie plötzlich das Bewusstsein verloren.“, erzählte er. „Er hat sie ins Koma versetzt!!!“

„Überstürze nichts! “, beruhigte sie ihn. „Ich möchte hören, was Antigonos dazu zu sagen hat.“

„In ihr sind zwei Wesen, aber das wisst ihr ja bereits.“, begann er seinen Bericht. „Ihr Gehirn kann dieser Belastung nur schwer standhalten. Starke Gefühle führen bei ihr zu Wahnsinn und mit der Überlasst hätte sie höchstens noch ein Jahrzehnt überlebt.“

„Woher wollt ihr das wissen?!“

„Allen!“, mahnte Merle. „Ich sag es kein zweites Mal. Sei still und hör zu!“

„Die klügsten Köpfe des Drachenvolkes haben sich mit ihrem Fall beschäftigt. Hitomi hat ihnen über die Gedankenrede von der Frau mit den zwei Bewusstsein erzählt. Ich bin lediglich als Übertragungsmedium für eine Ferndiagnose hier. Ich habe Serena das erzählt, was man mir sagte, und das getan, was die Ärzte und Psychologen meines Volkes von mir verlangten.“

„Hitomi hat den Zustand meiner Schwester einfach so ausgeplaudert? Ohne mein Wissen?“

„Ihr zur Folge war Serena damit einverstanden und hat sogar darauf bestanden euch nichts zu sagen.“

„Du kleiner...“, knurrte Allen, doch ehe er erneut auf Antigonos zugehen konnte, stellte sich Merle ihm in dem Weg. Sie hielt seine beiden Arme fest, schmiegte sich an ihm und stellte sich auf ihre Zehenspitzen.

„Warum fragst du nicht einfach, ob er die Wahrheit sagt?“, hauchte sie in sein Ohr. Allens Gesicht verhärtete sich, dann schloss er seine Augen und richtete seinen Blick nach innen. Merle wusste, dass er jetzt Trias tote Frau befragte, deren unsterbliche Seele in einem Stein gefangen war, der in dem Griff seines Schwertes eingelassen war. In dem Schwert, dass Siri, eine Sklavin von Trias, ihm überlassen hatte. Für Merle waren das mehr als genug Gründe dieser Frau nicht zu vertrauen, doch es war Allens Angelegenheit, weswegen sie auch nicht versuchte zu lauschen. Sie lies von ihm ab und trat zurück.

Er stand noch eine Weile reglos da, vollkommen in sich selbst vertieft. Schließlich öffnete er seine Augen, warf einen Blick auf sie, dann auf seine Schwester und ging, ohne ein Wort zu sagen. Bisher hatte Merle ihn nur einmal mit diesen verzweifelten Ausdruck in seinen Augen gesehen, doch nun musste der stolze Ritter wieder eine bittere Wahrheit schlucken. Beim ersten Mal war ihm Hitomi hinterher gelaufen, wohl um ihm Trost zu spenden, doch Merle blieb. Er, Van und alle anderen überfürsorglichen Brüder verdienten es, dass diese Wahrheit ihnen auf die Mägen schlägt. So fest, wie es nur geht.

„Sophia, würdest du uns bitte allein lassen?“, bat Merle die Prinzessin aus Chuzario, die alles schweigend mit angehört hatte. Unsicher blickte diese von ihrem Verlobten zur ihrer Freundin, dann nickte sie.

„Natürlich.“, versicherte sie und verließ das Zimmer.

„Ihr habt euch gut verhalten.“, lobte Merle. „Obwohl Allen vor Wut kochte, wart ihr ruhig.“

„Klar, schließlich war Sophia hinter mir.“, erwiderte Antigonos lächelnd. „Sie hat mir in letzter Zeit so viele Regeln eingebrügelt...das möchte nicht noch einmal durchmachen.“

„Ich hab noch einen weiteren Patienten für euch.“, teilte sie ihn mit.

„Die Sitzung ist leider beendet.“, entschuldigte er sich. „Aber ich kann ihn mir trotzdem ansehen. Wer ist es?“

„Ich.“ Antigonos erstarrte vor Überraschung. „Neugierig? Ich bin immerhin ein Nachkomme von Trias Schöpfungen. Wahrscheinlich habt ihr nicht oft Gelegenheit so direkten Einblick in seine Experimente zu bekommen.“, stachelte Merle ihn an.

„Nein, die Atlanter nehmen keine Tiermenschen gefangen, im Gegensatz zu den Menschen. Ich bin aber auch nicht scharf drauf...auf den Einblick.“

„Heißt das, ihr lehnt meine Bitte ab?“

„Kommt darauf an.“, antwortete er zögernd. „Was stimmt denn nicht?“

Merle berichtete sachlich: „Vans Mutter hat mir, als ich noch klein war, meine Erinnerung geraubt. Ich weiß nicht, wie sie es gemacht hat, aber zwei Quellen haben es mir bestätigt. Ich möchte sie wieder haben.“

„Deine Erinnerungen?“

„Ja, glaubt ihr, ihr schafft das.“

„Keine Ahnung.“, gab Antigonos zu. „Um dein Gedächtnis überprüfen zu können, bräuchte ich Zugang zu deinem Verstand.“

„Es reicht mich zu berühren, nicht wahr?“

„Ja.“, sagte er verwundert. Dass sie so schnell damit einverstanden war ihr Innerstes zu offenbaren, hatte er nicht erwartet. „Wenn wir unsere Köpfe zusammenstecken, geht es sogar noch leichter.“

„Na dann, worauf warten wir?“, forderte Merle ihn heraus und reckte dabei das Kinn. Antigonos ging langsam auf sie zu, bis ihre Nasenspitzen nicht einmal einen halben Fuß von einander entfernt waren.

„Entspann dich.“, riet er ihr, nahm behutsam ihre Schulter und presste sie näher an sich. Als sich ihre Schläfen berührten, verschwand die Welt und alles wurde schwarz. Plötzlich waren nur noch sie zwei da. Merle hörte seinen Herzschlag so deutlich, wie ihren eigenen. Sofort erschien Allen in ihren Gedanken. Ob sie jemals die gleiche Nähe auch mit ihm spüren können würde? Ihre Zweifel trieben Tränen in ihre Augen.

„Einzelne Bereiche deines Gehirns sind mit speziellen Barrieren abgegrenzt.“, flüsterte Antigonos. Dankbar dafür, dass er versuchte sie nicht daran zu erinnern, dass er fühlen konnte, was in ihr vorging, bat sie um eine Erklärung.

„Es sind Sphären aus Gedankenenergie, ähnlich wie die von Hitomi. Sie halten allerdings nur Elektronen und Ionen auf. Blut und andere Stoffe können ungehindert passieren. Dein Körper versorgt zwar die Zellen innerhalb der isolierten Bereiche, kann aber keine Informationen senden oder empfangen.“

„Kannst du die Barrieren auflösen?“, erkundigte sich Merle.

„Das ist leicht.“, meinte Antigonos, wandte dann aber ein: „Glaubst du, das ist klug? Ich kenne Vans Mutter nicht, aber man erzählt sich nichts schlechtes über sie. Was, wenn sie einen triftigen Grund hatte?“

„Ich muss wissen, woher ich komme.“, erklärte sie entschlossen. „Nur dann kann ich vorwärts gehen.“

„Na gut. Auf deine Verantwortung.“ Er atmete einmal tief und ließ sie dann los. „Fertig. Sie sind alle weg.“

„Ich fühle mich nicht anders.“

„Es dauert wahrscheinlich etwas, bis dein Körper merkt, dass da noch etwas ist.“

„Danke!“, sagte Merle aufrichtig. „Bitte erzähl niemandem, was hier passiert ist.“

„Du hast mein Wort.“, versicherte Antigonos. „Ich habe auch einen Schlüssel bei dir platziert. Wenn was sein sollte, kannst du über deine Gedanken mit mir sprechen, ohne dass man uns versteht.“

„In Ordnung. Geh jetzt lieber. Sophia wartet sicher schon.“

„Was tust du?“

„Ich bleibe noch etwas.“ Merles Blick fiel auf Serena. „Jemand sollte bei ihr sein, wenn sie aufwacht.“

„Es wäre besser, wenn immer eine Wache anwesend ist. Ich weiß nicht, wer sie ist, wenn sie das Bewusstsein wieder erlangt.“

„Wieso? Was hast du mit ihr gemacht?“

„Ich habe nur einen Raum nach den Erinnerungen der beiden geschaffen und die beiden dort zusammen geführt. Jetzt können sich unterhalten.“, rechtfertigte sich Antigonos. „Das war vorher nicht möglich, obwohl sie in einem Körper leben.“

„Verstehe.“, sagte Merle und setzte sich zu dem Mädchen. Zärtlich nahm sie ihre Hand. „Es könnte also auch Dilando sein.“

„Ich weiß auch nicht, wie lange sie in diesem Zustand bleibt.“, gab Antigonos offen zu. „Sie könnte medizinische Versorgung brauchen.“

„Ich sorge dafür.“, sicherte sie ihm zu. „Geh jetzt bitte.“

Antigonos schloss leise die Tür hinter sich und ließ die beiden jungen Frauen allein.

„Den haben wir es gezeigt! Stimmt doch, oder?“, verkündete Merle ein wenig triumphierend und mit viel Melancholie.
 

Als Serena die Augen öffnete, die schwere Tür oder die engen, grauen Wände, die ihr auffielen. Es war auch nicht die beißende Kälte oder die schwere Luft. Das erste, worauf ihr Blick fiel, war ein Augenpaar, das von einer Narbe begleitet wurde. Ihr gegenüber an der Tür saß ihr Spiegelbild, die Person, die sie sein könnte, wäre sie mit einem anderen Geschlecht und in einer anderen Familie geboren.

„Wo sind wir?“, fragte Dilando mit müdem Ton.

„In einer Zelle.“, antwortete Serena. Ihre Stimme war zum Zerreißen gespannt. „Hier hat man mich eingesperrt.“

„Ich kenne den Raum.“, erwiderte Dilando und sah sich um. „Auch wenn ich ihn etwas anders in Erinnerung habe.“ Serena musterte daraufhin den Raum und stellte fest, dass es tatsächlich Dinge gab, die nicht passten. Des Essenstablett in der Ecke zum Beispiel. Es sah so aus, als wäre es voller Zorn dort hin geschmissen worden. So etwas hätte sie nie getan, Jajuka, ihr Wärter, auch nicht.

„Warum bin ich hier?“, unterbrach Dilando ihre Gedanken.

„Um zu reden. Wir müssen uns einigen oder wir beide werden zu Grunde gehen.“

„Sagt wer?“

„Jemand vom Volk des Drachengottes.“, sagte Serena. „Du leidest doch auch unter den Kopfschmerzen, oder?“

„Nicht wirklich.“ Dilandos Lachen war kurz und Staub trocken. „Ich weiß schließlich, wie ich mich ablenken kann.“

„Indem du tötest!“, klagte sie ihn leise an.

„Und? Was ist so schlimm daran?“, erwiderte er Schulter zuckend. „Wer sich nicht wehren kann, wird getötet, und wer tötet, bleibt am Leben.“ Dilando erhob sich schwerfällig. „Wenn ich zum Beispiel dich töte, hab ich meinen Körper ganz für mich allein.“

Serena zuckte zurück, doch da war er schon bei ihr, packte ihren Hals und drückte zu. In ihrem Gesicht spiegelte sich blanke Panik, während seines vor Erregung triefte. Doch dann verspannte sich sein Ausdruck. Verwirrt wischte seine freie Hand über seinen Hals.

„Was machst du mit mir?!“, krächzte er und schlug sie in den Bauch. In dem Moment, als sich der Schmerz explosionsartig in ihrem Oberleib ausbreitete, ließ Dilando sie los. Beide sackten zu Boden und waren für einen Augenblick betäubt.

„Wieso?“, zischte Dilando. „Warum spüre ich, was ich dir antue?“

„Ich weiß es nicht.“, versicherte Serena ängstlich. „Bitte tu mir nicht weh!“

„Sag mir, wieso!“, verlange er und erhob sich. Doch ehe er erneut über sie herfallen konnten, trennte die beiden plötzlich eine Mauer. Dilando war nun vollkommen ratlos. Die Zelle war auf einmal nur halb so groß und das Mädchen war verschwunden. „Bist du da?“, schrie er aus Leibes Kräften. „Du bist noch hier! Hab ich Recht?“ Wütend schlug er gegen die Mauer aus unverputzten Steinen, doch sie war genauso solide, wie sie aussah. „Zeig dich!“ Er brüllte, bis er seine eigene Stimme nicht mehr hören konnte. Dann setzte er sich und ohne es zu wollen schlief er ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2010-02-10T23:45:42+00:00 11.02.2010 00:45
Wow da geht es ja ab.
Dilando ist ja wieder mitten drin.
Bin mal gespannt wie es weiter gehen wird.

mfg
fahnm


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