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Wie von der Tarantel gebissen...

von

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From Zero To-...??

Prolog : "From Zero To-...??"
 

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„Noch ein bisschen näher...“

Ein summendes Geräusch, kaum hörbar. Klick.

„Und nochmal“, flüsterte der junge Mann vor sich hin, den Blick durch die Kameralinse gerichtet und auf den passendsten Moment abwartend. Wieder klickte es, drei-, vier- und fünfmal.

Von den anderen Lehrern und Schülern unbeachtet, setzte er seine Beobachtung fort, um noch näher an sein Zielobjekt heranzuzoomen. Ein weiteres klickendes Geräusch des alten Apparates folgte. Die betreffende Person, ein junges Mädchen mit tiefgrünen Augen und halblangem fuchsrotem Haar, lächelte einigen ihrer Freundinnen zu, unwissend, dass genau dieses Lächeln auf einem Foto verewigt sein würde.

„Na, Shaolan? Schon interessante Fotos gemacht?“

Erschrocken drehte sich der Angesprochene zu dem Fragesteller um und blickte in das grinsende Gesicht seines Kumpels Ryo.

„Äh… ja klar…“, erwiderte er lächelnd, seine Gedanken verdrängend.

„Willst du sie nicht ansprechen, wenn du sie schon bestalkst?“

Immer noch grinsend nickte Ryo in die Richtung des rothaarigen Mädchens von gerade eben.

„Was?!“

Shaolan war sprachlos und starrte Ryo an, als hätte er von ihm verlangt, in eine Schlangengrube zu springen. Er spürte, wie seine Ohren immer heißer wurden. „I-Ich bestalke sie doch nicht! Ich habe die Information über 'Spinnen im Regenwald' dahinter fotographiert!“, redete er sich heraus.

Ryo grinste.

„Aber natürlich. Rein zufällig steht Miss Watson auch immer direkt vor den Dingen, die du ablichten willst. Geh schon hin!“

„Aaah... lieber nicht...“, murmelte Shaolan, der eigentlich schon gerne herübergehen würde. Doch Sakura-Jane Watson, seine Angebetete, dieses strahlend schöne, sehr attraktive, lebensfreudige und immer lächelnde – oh ja, dieses Lächeln war umwerfend – junge Mädchen, und außerdem seine Mitschülerin, würde ihn, Shaolan Parker, doch bloß für einen bepickelten, spargeldürren, bebrillten Fotofreak und Milchbubi halten.

Mein Gott, wenn er sie ansprach – was er praktisch natürlich nie wagen, aber theoretisch gerne tun würde – würden sich alle über Sakura-Jane lustig machen. Das konnte er ihr auf keinen Fall antun. Außerdem wusste er, dass Ryo Osborne, sein Schulfreund, Sakura-Jane ebenfalls mochte. Und das nicht zu knapp.

Naja. Ryu hatte sowieso bessere Chancen, der war – soweit er das beurteilen konnte – wenigstens gut gebaut, gebildet und noch dazu auch noch reich. Oder zumindest dessen Vater Yuuto Osborne. Seine Firma machte Umsätze in Milliardenhöhe, aber es war ja nicht so, dass der Vater seinem Sohn davon etwas vorenthielt...

Shaolan seufzte. Ja, er war wirklich ein armes Schwein.

„PARKER!“

Er fuhr erschrocken zusammen und stolperte fast gegen eine der Vitrinen, in denen die Spinnen saßen, die sie gerade mit einem Kurs aus der Schule besichtigten. Laut Prospekt handelte es sich dabei um Exemplare aus der Gattung der Vogelspinnenartigen, jedoch hatte man ihre Erbinformation teilweise verändert, um Beobachtungen anstellen zu können, wie diese veränderten Gene das Verhalten und die Darwin’sche Leistungsfähigkeit – also ihre Fähigkeiten im täglichen Überlebenskampf – beeinflussten oder womöglich sogar steigerten.

„... Äh, jaaa?“, fragte er hastig zurück und spürte schon wieder, dass er rot wie eine Tomate wurde. Die anderen, auch Ryo, waren bereits weitergegangen.

„Wenn Sie dann bitte auch zuhören würden?“, bellte Missis Burnett, eine pompöse Lady in den Spätfünfzigern und mit einem Busen wie ein russischer Kampfbomber – und dazu seine Biologielehrerin – und bedachte ihn mit einem ihrer gefährlichen Silberblicke.

„Aber natürlich. Tut mir leid...“, murmelte er nur, während die anderen in Gelächter ausbrachen.

Typisch Parker, träumte die ganze Zeit in der Gegend herum!

Shaolan nahm sich vor, etwas besser aufzupassen. Aber Sakura-Jane stand ja immer genau in seinem Blickfeld. Wie sollte man sich da denn bitte auf sechsbeinige, kleine, haarige, krabbelnde – er wollte nicht hässlich sagen, denn einige waren doch recht ansehnlich – Viecher konzentrieren?

Er trat einen Schritt zur Seite, um eine dieser genetisch veränderten Spinnen zu fotografieren. Doch obwohl an der Vitrine, die er spontan anpeilte, ein Schild eindeutig anzeigte, dass dort die Salticus scenicus, eine Springspinne, allerdings mit Genen der Psalmopoeus irminia, einer Vogelspinnenart, hätte drin sitzen müssen, war die Vitrine selbst so leer wie die Wüste Gobi, von dem ganzen Pflanzen- und Weichholzkrimskrams, der dort drinnen vor sich hinvegetierte, mal abgesehen. Naja, vielleicht war die ja gerade zur Untersuchung im Labor. Er zoomte zur nächsten Vitrine heran.

Hätte er allerdings nach oben gesehen, so wäre er wohl nicht dort stehen geblieben, wo er war, und schon gar nicht so seelenruhig, denn dort hangelte sich gerade die vermisste Spinne an einem Faden herunter.

Langsam und bedächtig ließ sich das kleine, an Rücken und Beinen mit kastanienfarbenem Chitinfilz bewachsene Geschöpf an dem feinen, kaum mit dem bloßen Auge erkennbaren Faden Zentimeter für Zentimeter tiefer sinken, direkt auf die Schulter des schlaksigen Jungen. Dieser nahm jedoch weder ihre Gegenwart noch die kitzlige Berührung ihrer nadeldünnen Beine zur Kenntnis, sondern machte lediglich ein neues Bild von einem träge an der Innenseite der benachbarten Vitrine entlangkriechenden Arachnoiden.

Für einige Sekunden blieb die Spinne still auf ihrem neuen Ausguck sitzen, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte. Lautlos und mit einer seltsamen Präzision krabbelte sie stetig tiefer, Shaolans Arm herunter.

„AU!!“

Gerade hatte Shaolan erneut auf den Auslöser drücken wollen, als sich ein jäher prickelnder Schmerz auf seinem Handrücken breitgemacht hätte, fast als hätte ihn etwas gestochen. Da er aber die Hand reflexartig geschüttelt hatte, war von einem vermeintlichen Übeltäter nichts zu sehen – außer zwei kleinen, kaum auszumachenden Löchern in seiner Hand.

Na toll, offenbar gönnten sich hier selbst die Spinnen öfter Auslauf, als es ihnen guttat… und was war mit ihm? Er konnte sich ja nicht einmal eine neue Zahnbürste leisten, weil er immer noch keinen Nebenjob gefunden hatte, mit dem er das nötige Geld ins Haus geschafft hätte…

„PARK--“

„Schon unterwegs, Missis Burnett, schon unterwegs!“, stieß er wie auf Kommando hervor und hängte sich hastig seine Fotokamera wieder um, sodass er sich mit dem hellroten Band fast zu Tode stranguliert hätte, bevor er sich wieder in Bewegung setzte, um seine Klassenkameraden wieder einzuholen.

„Sag mal, was ist denn heute mit dir los?“, erkundigte sich Ryo skeptisch und fegte sich mit geübten Fingerspitzen ein unsichtbares Fädchen von seinem maßgeschneiderten Viarucci-Hemd, als Shaolan keuchend neben ihm zum Stehen kam, „Du bist heute ja noch verpeilter als sonst… hat dich die Tarantel gebissen, oder was?“

Shaolan versuchte ein Lachen, doch das, was ihm da aus der Kehle rutschte, klang eher wie eine Grille mit Schluckauf.

„Ich habe nur gerade…“

Sein Blick verselbstständigte sich noch währenddessen und glitt in Richtung Sakura. Es überraschte ihn immer wieder, wie gut ihr die Schuluniform der Neil McNamara –Highschool mit dem olivgrünen Pullunder, dem knielangen kremfarbenen Rock und der dunklen Krawatte stand.

„… mal wieder überlegt, ob ich mir…“

Naja, vermutlich hätte sie sogar in einem Müllsack wunderbar ausgesehen. Sakura sah immer wunderbar aus.

„… einen Hintern beschaffen sollte“, murmelte Shaolan hypnotisch, was unschwer erahnen ließ, in welche Gefilde sein Blick soeben abgewandert war. Ryo runzelte die Stirn.

„Einen Hintern, so so. Gefällt dir das Modell, das dir deine Eltern gratis mitgegeben haben, etwa nicht mehr?“

Das genügte bereits, um seinen Banknachbarn innerhalb weniger Sekunden wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu bringen. Man hätte meinen können, dass seine Ohren jede Sekunde zu qualmen beginnen mussten.

„Äääähhh, einen Job! Ich meinte einen Job!“, korrigierte er sich rasch und riss seinen Blick nur mühsam von Sakura los, „Ich hab dir doch schon geschildert, wie die Situation bei mir und Watanuki aussieht…“

„Ja, das hast du allerdings. Öfter als mir lieb war“, meinte Ryo und setzte sich brav wieder in Bewegung, als die Schülerkarawane unter Missis Burnetts Führung weiterwanderte, „Wieso, hast du etwa immer noch nichts gefunden?“

„Die von der Imbisskette wollten mich nicht“, erklärte Shaolan seufzend und fotografierte im Vorbeigehen das riesige ausgestellte Gipsmodell einer Gemeinen Tunnelspringspinne, „Und die vom Zeitungsdienst haben gesagt, ich wäre zu matschig, um einen Zeitungsstapel vom Boden aufs Fahrrad zu kriegen…“

„Sieh an. Und was erwartest du jetzt von mir?“, fragte sein jahrelanger Schulfreund weiter, der von seinem Vater nicht umsonst bereits einiges an Geschäftssinn mitgekriegt hatte. Sein Gegenüber errötete ertappt.

„Komm schon, Ryo… du und dein Dad habt –zigtausend geschäftliche Kontakte auf der ganzen Welt, da ist doch mit Sicherheit auch jemand dabei, der seinen Sitz hier in New York hat und bereit ist, auch Minderjährigen einen Job zu geben, der nicht allzu madig bezahlt ist… außer öffentliche Toiletten zu schrubben oder Müll aus der Kanalisation zu fischen würde ich doch alles akzeptieren, und das weißt du!“

Ryo Osborne war kein Mensch, der sich durch melodramatische Bettelsuaden beeindrucken ließ. Noch so ein vom Vater übernommener Business-Instinkt.

„Immer halblang, Shaolan. Das sind ziemlich viele Bedingungen auf einen Schlag, findest du nicht auch?“

„OSBORNE!! PARKER!! RUHE DA HINTEN!!“, brüllte Missis Burnett aus der vordersten Reihe, sodass alle zusammenzuckten. Angestrengt taten die beiden Störenfriede, als würden sie die angeschilderten Informationen neben den von Krabblern bevölkerten Terrarien brennend interessieren.

„Als ob du da nichts wüsstest!“, zischelte der Brillenträger seinem Nebensitzer zu, kaum dass die Aufmerksamkeit ihrer militanten Lehrerin wieder auf einer der Vitrinen ruhte, „Du konntest dich noch nie überzeugend blöd stellen, Ryo!“

Ryo seufzte tief. Nachdem sich die Karawane wieder einige Meter voranwälzte, nickte er Richtung Shaolans Kamera.

„Hör zu. Jetzt vergiss mal für fünf Sekunden dein angeknackstes Ego und sag mir, ob du dir zutrauen würdest, mit deiner Fotografiererei Geld zu verdienen.“

„Mit meinen Fotos… ?“

Sein Schulfreund nickte.

„Ja. Ich habe einen Kontakt bei einer Tageszeitung, dem Daily Bugle. Sagt dir der Name etwas?“

Was für eine Frage. Man sollte eher anders herum fragen: wem sagte dieser Name nichts? Der Daily Bugle genoss in ganz New York mit seiner verwegenen Art der Informationsbeschaffung, skandalösen Titelblättern und wilden Theorien über Gott und die Welt einen äußerst furiosen Ruf. Egal, ob ein neuer Popstar, ein neuer Wissenschaftler, ein neuer Politiker oder ein neuer Konzernmanager auf den Plan traten – keine drei Tager später wusste der Daily Bugle bereits alles über dessen Essgewohnheiten, Familienverhältnisse, Weltanschauung, Glaubensausrichtung, welche Klamotten er trug oder mit welcher Person er vergangene Nacht ins Bett gestiegen war.

Ein Wechselbalg, das ist es wohl, hatte Tante Soma einmal zu ihm gesagt, Dieses Blatt wählt seine Freunde und Feinde nur danach, aus welchem von ihnen es die aufreißerischsten Storys saugen kann.

„Ja, davon habe ich schon gehört.“

„Hätte mich gewundert, wenn nicht. Nun, wie dem auch sei, vor einigen Monaten hat Dad mich aus Geschäftsgründen mit der leitenden Redakteurin bekannt gemacht, Missis Yuuko Jamison“, erklärte Ryo und säuberte sein Hemd nachdrücklich von imaginären Fusseln, „Die Alte ist ein Drache, wie ich noch nie zuvor einen getroffen habe, der Teufel im Weiberkleid mit Haaren auf den Zähnen wie der erste Urmensch, ich frage mich, welcher arme Kerl die geheiratet hat, das muss doch das Fegefeuer auf Erden sein… Aber wenn du hingehst und ihr sagst, dass du mich kennst, gibt sie dir vielleicht ‘nen Job.“

Etwas entmutigt starrte Shaolan seinen Schulkumpanen an.

„… Ist sie wirklich so schlimm?“

Ryo seufzte.

„Ich will dir eben keinen Honig ums Maul schmieren! Ich kann dich doch nicht zu dieser Hexe schicken, wenn du eine Mary Poppins erwartest! Das wäre dein Todesurteil!“

Nachdenklich fuhr sich Shaolan über die schwitzige Stirn. Komisch, noch vor zwei Stunden war ihm noch nicht so heiß gewesen. Lag vielleicht an der Luft.

„Was schlägst du vor, wie soll ich vorgehen?“

„Geh zur Redaktion, aber ohne Termin. Wenn du einen Termin hast, wird sie so tun, als hätte sie ihn vergessen.“

„Aber ohne Termin kann sie mich doch gleich wieder rausschmeißen!“

„Ja, eben, aber wenn sie das versucht, dann stell dich vor und zeig ihr ein paar deiner Aufnahmen. Egal welche. Dann sagst du ihr, dass du mich kennst, und dann, tja… dann musst du nur noch Glück haben.“

„Was?!“, japste der bebrillte Junge fassungslos, „Mein ganzes Leben ist doch ein einziger Beweis dafür, dass ich kein Glück habe!“

„Reg dich ab, Mann, wenn es um frisches Personal geht, hat die Alte ständig ihre Giftklauen draußen. Und in letzter Zeit gab es genug Ereignisse, um noch ein paar Fotografen einzustellen. Zum Beispiel das Auftauchen von diesem Kernphysik-Supergenie, Doktor Octavius.“

Shaolan seufzte. Doctor Fye Octavius, ein strahlender Stern der Wissenschaft, schwebend in der unerreichbaren Galaxis der Erfolgreichen und Begehrten.

„Parker! Hör schon auf zu träumen!“

Eins musste man Ryo lassen, er verstand es, die Leute zur Vernunft zu rufen.

„… O-okay, ich schaue mal, was sich machen lässt.“

„Gut. Mehr kann ich nicht für dich tun, den Rest musst du von allein auf die Reihe kriegen.“

Resigniert unterdrückte der Schüler ein weiteres Seufzen. Diesen Satz kannte er bereits zur Genüge, und von Ryo hörte er ihn mindestens einmal am Tag.

„Sicher, vielen Dank.“

„Immer gern geschehen. Was ist denn jetzt wieder los mit dir? Du bist ja blass wie ein Fischfilet!“

Rasch schüttelte Shaolan den Kopf und rieb den Schweiß seiner Stirn kurzerhand mit seinem rot-blau karierten Shirt ab. Wenn er wieder daheim war, würde er sich wohl erstmal ein wenig hinlegen müssen…

„Ist sicher nur die Luft hier drin. Lass uns lieber weitergehen und diese hochinteressante Führung zu Ende bringen…“

Ryo rollte ironisch mit den Augen.

„Hochinteressante Führung, na klar doch. Ich kann’s kaum erwarten. Immer nach Ihnen, Mister Parker.“
 

Ein Job. Ein Job beim Daily Bugle.

Für wie krank und kaputt hielt Ryo ihn eigentlich?

Und wie krank und kaputt war er tatsächlich, wenn er nach über zwölf Stunden – acht Stunden Schule, eine Stunde lang Zeug heimbringen und essen, zwei Stunden erfolglose Jobsuche in den Straßen von New York – noch immer darüber nachdachte?

„HE!! Passen Sie doch auf, wo Sie hintreten, verdammt nochmal!!“

Erschrocken riss Shaolan die Augen auf und warf sich noch im letzten Moment auf der steilen, altersschwachen Holztreppe zur Seite, bevor ihn die Bierwampe eines vorbeikommenden Mieters zurück in den neunten Stock katapultieren konnte.

„Tu-tut mir leid, Mister Alvarez, soll nicht wieder vorkommen-…“

José Alvarez, ein illegal eingewanderter Italospanier mit dem Körperbau, dem geistigen Potenzial und den moralischen Werten eines schwangeren Rhinozeros, funkelte ihn beim Vorbeiwatscheln wütend an.

„Das will ich auch hoffen, denn beim nächsten Mal wird hier ein dürrer Teenagerarsch mit dem Schürhaken versohlt, und eins kann ich Ihnen sagen, meiner wird es nicht sein!!“

Alvarez verstand es wirklich, einem knifflige Personenrätsel aufzugeben.

Seufzend schob sich Shaolan an der enormen Wampe vorbei und kraxelte keuchend bis in den elften Stock des heruntergekommenen Miethauses in der ebenso heruntergekommenen Memorial Avenue, wo sein Mitbewohner Watanuki Kimihiro und er schon seit fast zwei Jahren zusammenwohnten.

Die Treppen, deren Stufen jedesmal die schauerlichsten Quietscharien von sich gaben, sobald man einen Fuß darauf setzte, waren morsch und allesamt schon so gut wie einsturzreif, der von Rost angefressene Lift blieb aus unerfindlichen Gründen ständig auf halbem Weg zwischen dem siebten und sechsten Stock stehen und quietschte dann fast noch schlimmer als die Treppen, die biedere Tapete – deren Muster irgendwann mal ein gelb-graues Streifenmuster gezeigt hatte – war bereits zum größten Teil nicht mehr vorhanden, und das wenige, das noch davon übrig war, war völlig verblichen und mit ominösen Flecken übersät, von denen der Junge gar nicht erst wissen wollte, wovon – oder besser gesagt von wem – sie stammten. Über die Nachbarschaft und ihren sadistischen Vermieter dachte er lieber gar nicht erst nach. Irgendwo in der Etage unter ihnen lief mal wieder Musik, für die jeder Teilnehmer einer Horrorshow wohl ohne weiteres seine Seele gegeben hätte, falls er denn noch eine hatte.

Das Bild der angerosteten Türklinke verschwamm vor Shaolans Blick, als er mühsam den Schlüssel einsteckte und aufschloss. Sein Magen rebellierte mit drückendem Schmerz, während sein Kopf sich mittlerweile wie eine mit glühendem Eisen gefüllte Wassermelone anfühlte.

Verdammt! Wurde er jetzt etwa auch noch krank?

Am besten erledigte er die anfallenden Hausaufgaben erst am nächsten Tag und legte sich so früh wie möglich schlafen, immerhin war bald Wochenende.

Ungelenk stolpernd betrat der Schüler die Wohnung, die in Qualität und Komfort etwa dem Treppenhaus gleichkam, und warf mit mühsam klein gekniffenen Augen einen Blick auf den Termin- und Notfallkalender, der an der Wand direkt neben der Eingangstür hing, falls für einen von ihnen etwas anstand oder mal wieder dringende Schulden beglichen werden mussten. Auch für den heutigen Tag hatte Watanuki etwas eingetragen – Bin oben, Miete bezahlen.

Das reichte ihm bereits als Hinweis. Mit gespitzten Ohren starrte Shaolan an die fleckige Decke und wartete. Und nach einer Weile konnte er es auch hören – es klang, als würde jemand eine riesige Scheibe Speck in regelmäßigen Abständen gegen eine nur ungenügend abgedichtete Betonwand klatschen, ab und zu unterbrochen von dumpfem Geschrei, mal einstimmig, mal zweistimmig.

Leider wusste er, was es in Wirklichkeit war. Er hatte wirklich selten Menschen kennengelernt, die hinter ihrer Fassade der Gleichgültigkeit einen derartigen Sadisten versteckt hielten wie ihr Vermieter Domeki Bobrovic.

Aber wenn sie die Miete nun einmal nicht immer – oder besser gesagt fast nie – mit Geld bezahlen konnten, war das das einzige, was sie – oder besser gesagt Watanuki – tun konnte.

Missmutig lud Shaolan seinen Schulranzen neben dem windschiefen Metallständer ab, den Domeki ihnen in der Wohnungsbeschreibung großzügig als ‚Kleiderschrank‘ beschrieben hatte und ließ sich etwas zu schwer auf dem Bett nieder, sodass unter lautem Krachen eine weitere Latte brach und er mitsamt der Matratze bis auf den Boden durchsank.

Naja. Er hatte sowieso schon öfter über ein Futon nachgedacht.

Mit einem resignierten Ächzen wälzte sich der Junge auf den Rücken und entfaltete die heutige Ausgabe des Daily Bugle, die er sich mithilfe mehrerer Geldleihen bei den werten Klassenkollegen gekauft hatte, um sich einen groben Überblick über das Prinzip dieses Tagesblatts zu verschaffen, da die kleineren Buchstaben seinen Augen sowieso einfach entglitten.

Ryo hatte eindeutig Recht behalten – viele und vor allem große Fotos waren beim Daily Bugle offenbar sowohl beliebt als auch erwünscht. In diesem Bereich würde er sicher punkten können, denn Fotografie hatte schon seit jeher zu seinen am häufigsten praktizierten Hobbies gezählt. Hoffentlich war diese Chefredakteurin Yuuko Jamison eine nicht ganz so schlimme Furie, wie Ryo sie beschrieben hatte…

Gedankenverloren blätterte er einige Seiten weiter, bis er auf ein Foto stieß, das eine komplette Zeitungsseite ausfüllte und die protzige Überschrift ‚Doktor Fye Octavius – der Hoffnungsschimmer unseres Planeten?‘ in grellroten Buchstaben präsentierte.

Mit einem tiefen, entsagungsvollen Seufzen starrte Shaolan auf das lächelnde, von weichem blondem Haar umrahmte Gesicht des jungen Kernphysikers.

Doktor Fye Octavius.

Was hätte er nur dafür gegeben, um für einen einzigen Tag wenigstens dieselbe Luft zu atmen wie dieser Mann. Physik war eines der wenigen Fächer, in denen er regelmäßig Glanzleistungen vollbrachte, ganz besonders Kernpyhsik, und teilweise aus diesem Grund war Octavius für ihn zu Gott geworden, bedingungslos, unmittelbar, und das seit dem Moment, in dem er zum ersten Mal von ihm gelesen hatte. Der andere Grund war schlicht und einfach, dass Octavius all das hatte, was er nie gehabt hatte – er war ein absolutes Genie, er sah gut aus, er hatte Geld, Geschmack, und als Sahnehäubchen Erfolg in nur jeder denkbaren Hinsicht. Vor wenigen Wochen war der gerade mal vierundzwanzig Jahre alte Wissenschaftler wie aus dem Nichts in New York aufgetaucht, hatte den Obermotzen der hiesigen Wissenschaftsverbände innerhalb kürzerster Zeit einen Respekt eingehaucht, wie er nach ihm wohl nur noch Jesus zukam, und angekündigt, dass er etwas plante, was bereits viele von ihm versucht aber noch nie fehlerfrei vollbracht hätten.

Der Rest? Top Secret.

Innerhalb eines knappen Monats hatte Octavius sämtliche Seelen New Yorks auf unwiderstehlichste Weise an sich gerissen, dabei schien es ihm nicht einmal darauf angekommen zu sein. Es schien vielmehr unabdingbar, unvermeidlich, dass sein Erscheinen genau die Wirkung auslöste, die New York ergriffen hatte.

Spätestens an dieser Stelle hätte Watanuki genervt die Augen verdreht – obwohl der nur wenige Jahre ältere Brillenträger und Studienabbrecher mindestens ebenso arm dran war wie er, war es immer ein sehr schweres Unterfangen, ihn für irgendetwas zu begeistern, und wenn er Shaolan in einer Hinsicht nicht verstand, dann warum er Octavius derartig vergötterte.

Eine jähe Hitzewelle, die unangenehm schwer und kribbelnd wie tausend Ameisen seinen Nacken hochkroch, unterbrach den Jungen jäh in den Spaziergängen seiner Gedanken.

Die Bilder verschwammen langsam vor seinen Augen wie seichtes Wasser. Konnte er jetzt schon gar nicht mehr richtig sehen, oder was? Ein paar mal die Augen auf- und zuschlagend nahm er schließlich seine Brille kurz ab, um sich über die Augen zu reiben.

"Was zum..?"

Statt, dass seine Sicht besser wurde, löste sie sich nur noch mehr auf, sodass er sich den Kopf hielt. Schwindelig sank er auf das vergilbte Kissen zurück, bis langsam aber sicher die ansteigende Hitze ihn in eine Art komaartigen Schlaf fallen ließ.
 

Als er endlich wieder zu sich kam, vernahm er leises Geklapper, das immer lauter wurde, von Geschimpfe und Gefluche begleitet, die nur zu einem gehören konnten.

"Na endlich bist du wach. Ich dachte schon, du wärst tot."

Sein Mitbewohner Watanuki stand im Türrahmen, die zur Küche führte und sah ihn leicht besorgt an. Er blieb da stehen, bis sich Shaolan aufgerappelt hatte, dabei quietschte das Bett schmerzhaft auf.

Was war nur passiert, dass er so schnell eingeschlafen war?

Verwirrt starrte er den schwarzen Radiowecker auf dem Nachttisch an, der mit roten Ziffern 23 Uhr und 15 Minuten anzeigte.

"Was ist, bist du krank? Du siehst so bleich aus. Weißt du eigentlich, was für einen Schreck du mir damit eingejagt hast?"

Na ja, krank fühlte er sich nicht an, aber...anders irgendwie. Auf die Frage von Watanuki sagte er nichts, sondern stand mit einem Schwung auf und machte sich auf den Weg ins Bad.

Watanuki seufzte. "Na schön, wenn du nichts sagen willst. Dein Essen steht am Tisch." Ohne auf Antwort zu warten ging er zurück in die Küche. Vielleicht war er ja einfach zu überarbeitet wegen der Schule und brauchte mal Ruhe. In letzter Zeit hatten sie ohnehin schon viel Stress. Doch irgendwie blieb das meiste an ihm hängen, schließlich musste er sich mit drei Jobs jeden Tag aufs Neue durchschlagen, damit wenigstens die Miete bezahlt werden konnte. Ja…die Miete, die schon letzte Woche hätte bezahlt werden müssen, und auch wenn Bobrovic ein geduldiger Mensch war, so brachte er ihn, Watanuki, doch immer wieder zur Weißglut, so wie er ihn jeden Tag beobachtete. Anscheinend hatte er auch noch Spaß daran, ihn zu ärgern. Und immer wieder dieser undeutbare Gesichtsausdruck, wenn er wieder einen seiner Sprüche an seinen Untermieter ausließ. Ganz zu schweigen von der Methode der Mietezahlung, wenn es dann doch mal wieder nicht reichte…

Vor lauter Wut vergaß der schwarzhaarige Brillenträger sein Essen, welches langsam kalt wurde. Auch Shaolans Essen stand noch da, der mittlerweile schon seit fast zehn Minuten im Badezimmer verweilte. Vielleicht sollte er mal nachgucken, nicht dass er noch bewusstlos dort rum lag, so wie der vorhin tot auf dem Bett lag. Und er wollte auch nicht unbedingt das Essen wegschmeißen, falls ihm schlecht war.

Besser er sah wirklich mal nach ihm.
 

Seit einer knappen viertel Stunde stand er jetzt schon am Waschbecken gelehnt, mit freiem Oberkörper und starrte sein Spiegelbild an. Irgendwas stimmte absolut nicht mit ihm. Woher kam nur auf einmal diese Sehstärke? Als ob er Adleraugen hätte, aber das konnte unmöglich sein. Schon seit er denken konnte, trug er stets eine Brille, doch jetzt.. jetzt konnte er selbst aus einiger Entfernung die kleinsten Flecken am Spiegel erkennen.

Resigniert seufzte er und betrachtete seinen Oberkörper und seine Arme, die jetzt aussahen, als hätte er sie monatelang mit Hanteln trainiert und zusätzlich mit Anabolika aufgepumpt. Was aber nicht unbedingt schlecht an ihm aussah, vielleicht konnte er sogar-

Durch ein starkes Klopfen an der Türe wurde er aus seinen Gedanken gerissen, was ihn kurz aufschrecken ließ.

"Hey, Shaolan! Alles klar bei dir?"

"Ääääh...ja sicher! Alles...alles bestens!"

Sogar mehr als bestens. Wenn auch unerklärlich...

Wenn er nicht träumte und nun wirklich so aussah, wie er gerade aussah und dann auch noch ohne Brille alles klar erkennen konnte - dann war das wohl ein Geschenk Gottes ... oder so. Auf jeden Fall war es sehr positiv.

Endlich mal nicht der kleine Loser...

Was für ein schöner Gedanke.

Dann hatte er ja vielleicht doch Chancen bei Sakura-Jane...

Er lächelte verträumt.

Oh jaaa. Sie würde in seinen Armen liegen und seufzen wie sehr sie ihn doch mochte, und wie gutaussehend und wie nett (und et cetera, et cetera) er doch war.

Na ja - da war zwar noch der Bruder, Touya Watson, der ihn anscheinend nicht leiden konnte (wenn er ihn denn überhaupt in irgendeiner Weise zur Kenntniss genommen hatte) - aber das war jetzt vielleicht auch kein Problem mehr.

Er hatte sich verändert. Dieses Gefühl war wirklich großartig.

... und gleich würde er aufwachen und alles war wie immer.

Irritiert bemerkte er, dass genau das nicht passierte.

Okay. Vielleicht war es ja noch nicht Zeit zum Aufstehen.

"Mann! Willst du da drin übernachten oder was?", kam es wieder von der anderen Seite der Tür.

"Was...?"

"Ob du da drin übernachten willst?!"

"Ähm. Nein?"

"Dann komm doch raus..."

"Ah...ja, klar...sofort...!"

Watanuki würde ihm das niemals glauben!

Obwohl. Es war nicht unbedingt nicht offensichtlich...

Und wenn es ein Traum war - na schön, dann sollte er ihn zumindest voll auskosten.

Er öffnete die Tür und trat aus dem Bad heraus.

"Na endl--- woah! Shaolan!" Watanuki machte Augen wie Spiegeleier und fasste ihn bei den Schultern. Dann schüttelte er ihn. "Du nimmst doch wohl nicht irgendwelche Drogen oder Dopingzeug?!"

"N.....nein....w...wie kommst d...du denn darauf?"

"Schon mal in den Spiegel geschaut?! Überhaupt, wo ist eigentlich dein Brille?"

"Di...die br...brauch ich nicht...mehr! U...und jetzt h...hör auf...mich zu sch...schütteln!"

"Bist du high?" Sein Mitbewohner sah ihn misstrauisch an, hörte aber auf ihn zu rütteln wie eine Waschmaschine die Ladung in der Trommel.

"Nein! Bin ich nicht!"

"Wirklich nicht? Naja. Das Essen ist jedenfalls kalt! Und ich bin müde. Ich geh ins Bett. Nacht..."

"Öh. Nacht."

Überrumpelt blieb Shaolan da stehen wo er war, während Watanuki Richtung Bett ging und sich hinlegte. Keine Minute später war er auch schon eingeschlafen.

Bobrovic musste ihn ja ganz schön rangenommen haben.

Shaolan seufzte.

Tja. Dann sollte er wohl auch mal schlafen gehen...

Auch wenn dieser schöne Traum danach wohl endgültig sein Ende gefunden haben würde.

Schade.
 

Da war irgendetwas.

Mühsam blinzelnd kam Shaolan zu sich und starrte mit schläfriger Verständnislosigkeit an die dunkle Decke über seinem Kopf.

War da nicht irgendetwas?

Naja. Am besten trank er etwas und legte sich dann wieder hin, er wollte unbedingt noch einmal diesen wundervollen Traum träumen, er bräuchte keine Brille mehr, hätte endlich ein anständiges, für die Berührungen sanfter Miezepfötchen perfekt geeignetes Quantum an Schmalz in Armen und Brust, mit dem er sogar bei Watanuki Eindruck geschindet hatte…

Aus seinem Vorhaben wurde jedoch nichts, als sich plötzlich eine riesige schwarze Spinne einen Weg auf seine Brust bahnte und sich somit direkt in sein Blickfeld schob.

„He, was zum-…“, fing der Junge verdattert an, doch das schien das haarige, mit riesigen Beißzangen ausgestattete Geschöpf nicht im Geringsten zu stören, da es sich von einem Moment auf den nächsten kopfüber in seinen Mund zwängte, bis hinunter in seinen Rachen schlüpfte und dann anfing, ihn mit Spinnweben vollzupumpen.

„MHMMMMMHHHH--!!! NHHH-NHHHHH!!!“

Wie von Sinnen versuchte er die Spinne wieder von sich wegzukriegen, sie auszuspucken, ihr den Kopf abzubeißen, was auch immer, doch das Vieh verstopfte seine Kehle wie eine riesige schwarze Beutelratte und spinnte unbarmherzig ihre Fäden, spinnte, spinnte, spinnte-…

Ich ersticke--!!

Dieser jähe Gedanke genügte bereits, um Shaolan aus dem Schlaf hochfahren zu lassen – diesmal jedoch wirklich.

„WAAAAAAAAAAAAAH!!! MUTTI!! AAAAAAAHHH!! WAAAAAAAAAH!!“

Das Bett kreischte wie ein gegeißelter Wandermönch, als er – nachdem er erst einmal ausgebrüllt hatte, was ebenfalls eine gewisse Zeit in Anspruch nahm – wie von der Tarantel gebissen hochsprang und sich hektisch an die Kehle fasste.

Nichts. Keine Spinne.

Aber dafür fühlte sich sein gesamter Körper auf einmal an, als hätte er in einem gigantischen Eimer Sirup gebadet. Panisch hob Shaolan den Arm – er sah immer noch um einiges muskulöser aus, als er ihn in Erinnerung hatte – und hob ihn in den fahlen Streifen Mondlicht, der zwischen den mottenzerfressenen Vorhängen ihrer Wohnung hindurch ins Zimmer fiel.

Er war von oben bis unten bekleistert mit einer eigenartigen, nahezu durchsichtigen kristallinen Masse, die sich beim ersten Tasten fast wie Unmengen von geschmolzenen Lakritzfäden anfühlte.

Was war das bloß schon wieder?

Hilflos versuchte Shaolan seinen Arm von dem Zeug zu befreien, doch als er es packen und abreißen wollte, schmiegte es sich an seine Finger wie zählflüssiger, kurz vor dem Erstarren stehender Sekundenkleber und dehnte sich wie Blasenkaugummi zu langen, hauchdünnen Fäden, egal wie sehr er auch zerrte.

Oder eher, je mehr er zog, zappelte und sich wehrte, desto schlimmer wurde es.

Er war in dieses widerwärtige Zeug eingewickelt wie eine Fliege, wie in-…

… Wie in ein Spinnennetz… ?

Ein halblautes Grummeln von dem Bett zu seiner Rechten ließ ihn japsend aus seiner Starre hochfahren.

„Mhhhh… Shaolan… ?“, brummte Watanuki halblaut und tastete unbeholfen nach seiner Brille – selbst in der bleischwarzen Dunkelheit konnte Shaolan erkennen, dass er ständig daneben tastete und die Brille nur zehn Zentimeter weiter rechts von seiner schlaftrunkenen Hand lag – , „Was ist denn schon wieder los, verdammt… ?“

„N-nichts, gar nichts!!“, stieß sein Mitbewohner einem Reflex folgend hervor und war bereits im nächsten Moment Richtung Bad davongestürzt, bevor sein älterer Genosse seine Brille fand. Hektisch schob er den Riegel vor und machte das Licht an, um sich im Spiegel anzustarren.

Tatsächlich. Er war von oben bis unten mit diesem weißlich-klebrigen Zeug beschmiert und sah nun aus wie der Marshmallowmann.

Was war das nur für eine kopflose Nacht?

Vielleicht träumte er ja immer noch und musste sich nur beruhigen. Mühsam schloss der Junge die Augen und atmete zweimal betont ruhig ein und aus. Ein. Aus. Ein. Aus.

„Shaolan? He! Shaolan!!“

Ein plötzliches Pochen gegen die Tür unterbrach ihn in seiner Möchtegern-Meditation. Watanuki klang ganz schön verärgert, sogar noch verärgerter als sonst – und das sollte etwas heißen.

„Verflucht nochmal, was treibst du da drinnen?! Es ist halb vier am Morgen!!“

„Ich, ähh-… ich will mich nur waschen!“, rief Shaolan spontan zurück und drehte wie zur Unterstreichung den Wasserhahn auf. Gute Idee, vielleicht ging das Zeug – das trotz seiner Meditation immer noch da war – ja mit Wasser ab.

„Waschen?! Was ist los, bist du etwa Bettnässer?!“

„Ä-ähh, äh, ja!“

„WAS?!!“

„Äh, ich meine nein!“, stieß der einstige Spargeltarzan sofort hervor, „Ich, ähh-… ich habe nur von Sakura geträumt und dann, naja, du weißt schon…“

Er würde sich für diese Ausrede hassen, aber es war nun einmal das Naheliegendste. Vor der Tür ertönte ein Laut des unkaschierten Ekels.

„Igitt! Schäm dich, du Schwein!“

„Tue ich ja!!“, schrie Shaolan verzweifelt zurück und fuchtelte wie besessen mit den Armen.

Bereits im nächsten Moment klatschte etwas unter leisem Zischen an den Spiegel. Noch mehr von dieser Flüssigkeit. Verwirrt starrte der Junge seine Handgelenke an.

Kam das Zeug etwa aus-… ?!

Oh nein.

„Watanuki… ?“

„Ja?“

„Geh ruhig wieder schlafen, es ist alles in Ordnung… und, ähh, ich wollte dir noch sagen, dass ich bald einen neuen Job haben werde!“

„Einen neuen Job?“, kam sofort die skeptische Frage zurück, „Was für einen?“

„Beim Daily Bugle! Die Bezahlung soll dort sehr gut sein, und dann-… dann wird es uns besser gehen! Ganz sicher!“

Er konnte das Stirnrunzeln seines Leidensgenossen förmlich hören.

„Ja ja, sehr witzig… aber trotzdem viel Glück. Sag Bescheid, wenn du den Job hast, ich geh jetzt schlafen…“

Die Welt da draußen konnte ersaufen, verbrennen oder einer gewaltigen Explosion zum Opfer fallen – wenn Watanuki müde war, zählte es einen Dreck.

„Ja, gute Nacht!“, rief Shaolan noch, ehe er das Knarzen des Bettgestells hörte.

Mit einem lautlosen Seufzen wandte er sich wieder seinem bekleisterten Spiegelbild zu.

Er würde alles geben, um diesen Job zu bekommen – doch ob in nächster Zeit ‚alles in Ordnung‘ sein würde, bezweifelte er stark.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  firefighterJenny
2009-03-01T09:16:57+00:00 01.03.2009 10:16
man, das ist echt eine witzige FF XD

mir gefallen deine Beschreibungen von Dingen
wie z.B. als Syaoran wie die LAdung
einer Waschmaschine geschüttelt wurde *LOL*

ich finde die kombi von spiderman und TRC echt super
die macht mich total neugierig ^-^
die FF muss man als favo markieren

SChreib bitte weiter

MGVLG little_shinigami


Von: abgemeldet
2009-02-11T13:49:05+00:00 11.02.2009 14:49
huhu
die namen sind zwar etwas verwirrend zu anfang, aber ich finds gut! Schreib auf jeden fall weiter!
Von:  Seras
2008-09-20T10:30:05+00:00 20.09.2008 12:30
Die Idee is klasse Spiderman und Tsubasa zu verbinden ich freue mich auf die Rolle von Yuuko als Chef von DB ^^
Von:  BabyTunNinjaDrac
2008-09-10T18:02:36+00:00 10.09.2008 20:02
Wheee~
Eine neue, interessante FanFic ^^~
Die Idee ist wirklich interessant~ okay, ich muss gestehen, ich mag Spiderman nicht wirklich, aber ich nehme mal an, dass es nicht genauso sein wird, oder? xD
Armer Watanuki O____ô Das ist ja echt nicht nett O___ô~ Aber wahrscheinlich wird er noch nett Oo~
Die beste Szene war immer noch, als Syao sich als einen Marschmallow-Man beschrieben hat xD OMS xD Der arme Kerl, ich kann es mir richtig vorstelllen O___ô~
Und Fai! *__*v Wheee~!
Nyo~ Bin gespannt, wies weitergeht ^^
Von:  loire
2008-09-06T14:45:52+00:00 06.09.2008 16:45
Da fehlt ein Absatz für die Verständlichkeit, dass es mit Watanuki weiter geht. Auf der dritten Seite, wo ganz kurz Watanuki "zu Wort" kommt und er damit endend, das er mal nach Shaolan gucken will. Ansonsten sehr gut.


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