Zum Inhalt der Seite

Unlucky Thirteen

(Kapitel 9 lädt!)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Verdachtsmomente

Okay, hier kommt „etwas verspätet“ der andere Teil meines Geburtstagsgeschenks an eine Freundin von mir. Für dich, liebes Tinchen.

Leider ist dieses Kapitel so lang geworden, dass ich den Teil, der in der Vorschau vorkommt, wieder raus nehmen musste.

--
 

You’ve been hit by

You’ve been struck by

A smooth criminal
 

(Michael Jackson, “Smooth Criminal”)
 

„Was soll das heißen, du willst mich nicht dabei haben? Was glaubst du eigentlich, dass du das allein durch ziehen kannst? Ich meine, wen willst du sonst ins Vertrauen ziehen? Tony? McGee? Ducky vielleicht? Wie willst du es ihnen erklären?“

Gibbs seufzte genervt. ’War ja klar, dass sie das in den falschen Hals kriegt’, murrte er innerlich und sah sich dann gezwungen es umzuformulieren: „Ich will nicht, dass du da mit rein gerätst. Das ist mein Problem. Aber ich bin nicht blöd, ich weiß, dass ich das kaum allein schaffe. Ich werde es trotzdem versuchen, wenn ich muss. Mit anderen Worten: du kannst gehen, wenn du willst.“

Die Israeli verschränkte die Arme vor ihren Händen und als hätte diese Geste nicht schon gereicht um ihren Trotz deutlich zu machen, fügte sie hinzu: „Ich gehe nirgendwo hin. Ich bin genau da, wo ich sein will.“

„In meinen Fußstapfen?“

„Wie bitte?“

„Du hast noch meine Schuhe an.“

„Oh. OH. Willst du sie jetzt wieder? Dann zieh ich sie aus.“

Ein verrückter Gedanke (’Warum bei den Schuhen aufhören?’) streifte seine Stirn, aber Gibbs verscheuchte ihn wie eine lästige Mücke und gab der Trunkenheit die Schuld. Er schmunzelte, als er ruhig erwiderte: „Nein, lass nur. Mir wird nicht so schnell kalt. Nehmen wir an, ich lasse das zu. Nehmen wir an, ich weihe dich ein; was glaubst du, wo du dann stehst?“

„Auf deiner Seite. Und wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dann sind wir nur zwei, stimmt`s? Wir arbeiten nicht für den NCIS... aber auch nicht für House. Zwischen den Fronten, schon klar. Wenn du dich daran erinnerst, Jethro, habe ich schon einige Erfahrung mit solchen Situationen. Und ich war clever genug um Hilfe zu bitten.“

Es war leicht, sich wieder alles in Erinnerung zu rufen. Ihren hilflosen Tonfall (’Und dachtest du, ich höre dein Schluchzen nicht?’) in dem sie ihm ihre Probleme anvertraut hatte. Über tausende von Meilen die sie trennten hinweg; er in Mexiko, sie in DC. Sie hatte nicht gebeten, sie hatte gehofft. Dass er sie rettete. Gibbs war sich sicher, dass sie meinte, sich jetzt dafür revanchieren zu können.

„Wir werden dafür vermutlich gefeuert.“

„Vielleicht. Dann kannst du zurück zu Franks und mein Vater wird entzückt sein, mich so schnell wieder zu sehen. Also, da wir das geklärt haben – wie sieht der Plan aus?“

Und da stand sie nun, unverrückbar: seine Gefährtin in diesem Spiel. Und mit ihr kam die Erkenntnis, dass der erste Schachzug viel einfacher sein konnte. Die Dame hatte mehr Zugmöglichkeiten als der König.

„Ziva? Was hast du für Sachen eingepackt?“
 

//Sonntag Vormittag//
 

Der große NCIS-Truck verweilte auf dem Gelände des PPD, weil er nicht gebraucht wurde, so lange kein neuer Tatort existierte. Daher stand den Agenten nur der dunkelblaue Dienstwagen zur Verfügung. Gibbs, DiNozzo und McGee machten sich an diesem Morgen in eben diesem Auto auf den Weg. Das Ziel: Princeton Police Departement, Spurenabteilung. Detective Tritter hatte vor dem Frühstück angerufen um mitzuteilen, dass die Analyse der Beweismittel erste Ergebnisse geliefert hatte. Gibbs fuhr den Wagen mit unbarmherziger Verbissenheit, scherte sich wie gewöhnlich wenig um Geschwindigkeitsbegrenzungen und dergleichen. Aber etwas war anders an ihm.

„Boss, wo steckt eigentlich Ziva?“, fragte McGee im hinteren Bereich des Dienstwagens. In behutsamen Tonfall. Tony saß auf dem Beifahrersitz und schenkte dem Boss verstohlene Blicke. Er fragte sich, wie dieses Gespräch ausgehen mochte: ’McGoogle hat es also auch gemerkt. Dass irgendwas schräg ist. Etwas am Boss. Ich hätte an Bambinos Stelle nicht gefragt.’

Dieses mulmige Gefühl, dass die beiden Männer teilten, war berechtigt. Dass Gibbs gleich drei Kaffee zum Frühstück getrunken hatte, hatte sie in Alarmbereitschaft versetzt, jeder hatte unabhängig voneinander vermutet, dass die Abwesenheit ihrer israelischen Kollegin etwas damit zu tun haben könnte – aber warum fragen? Ihr Boss war ein Marine. Semper Fi – wir fragen nicht und unser Leben bleibt verschont.

„Sie ist noch im Hotel. Versucht, etwas aus Mary House rauszubekommen.“ Wortkarg. Keine Regung tauchte in Gibbs’ Gesicht auf, die Rückschlüsse auf sein Gemüt zuließ. Seine Gefühlslage ließ sich grob zusammengefasst mit einem Wort beschreiben: wund. Emotional wund. Reizbar, wenn man ins Detail gehen wollte, weil sogar die Sonne an diesem strahlenden Morgen in seinen müden Augen schmerzte. Wie Haut, wenn sie zu viel Reibung ausgesetzt wurde, fühlte sich Gibbs, aus hätte man ihn durch zu viele Hände herum gereicht – seine miese Laune wurde begleitet von Ausgelaugtheit.

Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Einsatz. Noch dazu, wenn es ein so heikler war.

’Gott, ich werde alt. Früher haben zwei, drei Stunden Schlaf pro Nacht ausgereicht.’ Früher – das bedeutete letzte Woche. Gibbs konnte sich diese Schläfrigkeit nicht erklären.

„Hat sie irgendwie Hausarrest?“ Wieder McGee. „Ich meine, gibt es einen Grund, warum sie von den aktiven Ermittlungen ausgeschlossen wird.“

Sie? Wer war sie? Richtig, Ziva.

’Ganz ruhig, Jethro, halt die Sinne beisammen. Ziva würde das hier auch locker hinkriegen. Kein Wunder, ihr reichen vier Stunden pro Schlaf... Schlaf pro Nacht...was-auch-immer. Munter wie ein Hamster bei Nacht, sie kriegt das schon hin. Ich darf es nur nicht versauen.’

„Bei ihrem gestrigen Versuch mit der Dame zu reden hat sie sich ordentlich daneben benommen. Dass muss sie erst mal wieder grade biegen.“

Man konnte sehen, dass Tony und McGee das schluckten. Warum auch nicht, sie waren Schreibtischarbeit als Bestrafung gewohnt und was Ziva (nicht) tat war eine Out-Door-Variante davon.

Das PPD kam in Sicht.
 

Die Büros im Revier waren 8.30 Uhr sonntags weniger als halbbesetzt und jene Beamten, die anwesend waren, sahen nicht gerade glücklich oder motiviert aus. Der Einzige, der einen zufriedenen Eindruck machte, war Michael Tritter. Unter den Polizisten gingen die Gerüchte um, dass Tritter sogar im Departement schlief – im Keller, zwischen den Akten, wo man manchmal Ratten sah, die so groß wie Hundewelpen waren. Gibbs hätte das nicht überrascht. Er hätte es sogar geschätzt, er, der die meisten Nächte unter einem unfertigen Boot verbrachte.

Tritter führte das Team ohne Begrüßung direkt in die Abteilung für Fingerabdrücke.
 

~*+*~

Sonntags zu arbeiten war echt zum kotzen. Selbst wenn man nicht dieselbe Arbeitseinstellung wie Greg House hatte, konnte man dem nur zustimmen. Aber besagte Person hatte in der Hinsicht keine Wahl – seine Schützlinge hatten ihm am Abend eine Nachricht auf dem AB hinterlassen, dass der neue Tox-Screen positive Ergebnisse geliefert hatte. Irgendeiner der vier hatte außerdem Cuddy darüber informiert (wahrscheinlich Foreman, der darin DIE Gelegenheit sah, seinem Boss eins auszuwischen) und die Verwaltungschefin hatte mit Freuden das gesamte Diagostik-Team zum Klinikdienst verpflichtet. Erstens: waren sie ja sowieso alle da und zweitens: gerade für die Schmerzsprechstunden am Wochenende ließ sich nur schwer Personal auftreiben. House hatte überlegt, einfach nicht zur Arbeit zu kommen und alles, das Hippie-Girl betraf per Telefon zu regeln – aber auch Cuddy hatte auf seinem AB eine Nachricht hinterlassen. Sinngemäßer Inhalt: „Erscheinen Sie gefälligst Sonntag zur Arbeit oder sie werden Fallakten in nächster Zeit nicht mal mit dem Hintern zu sehen bekommen.“

Also nahm er eine Menge Coffein, gepaart mit zwei Vicodin zu sich und ging auf Arbeit. Das half zwar nur begrenzt, aber es machte den Arbeitsalltag wenigstens ein wenig erträglicher. House hätte es sogar mit Nikotin versucht (um seine Nerven noch mehr zu stimulieren), aber Rauchen verursachte Lungenkrebs... und der Gedanke, auf Wilsons Behandlungstisch zu landen und sich von seinem besten Freund Vorwürfe wie „Du musstest ja unbedingt beweisen, dass du schlauer bist als der Warnhinweis auf einer Zigarettenpackung, nicht?“ anhören zu müssen, hielt ihn davon ab. Andererseits würde es Wilson dazu zwingen, wieder mit ihm zu reden.

Ein interessanter Gedanke, aber nur begrenzt erwägenswert.
 

Seine Schützlinge folgten ihm in klassischem Schwarmverhalten, als der Nephrologe nach kurzer Inspektion der Blutwerte auf das Patientenzimmer zuging und sich Zugang verschaffte. Anders konnte man es schon gar nicht nennen – die Tür des Zimmers war nicht verriegelt aber House konnte sogar in offene Räume einbrechen. Es war die Tür der Privatsphäre, die er dazu eintrat.

Ohne sich mit Begrüßungen oder anderen überflüssigen Nettigkeiten aufzuhalten, humpelte House um das Bett herum, nahm den Telefonapparat vom Beistelltisch und warf ihn Hippe Girl in den Schoß. Das Mädchen zuckte zusammen und blickte die Anwesenden mit vernebelten und aufgequollenen Augen an.

„Was ist los?“

„Wollen Sie die Polizei anrufen oder sollen wir das machen?“

„Warum sollte ich die Polizei anrufen wollen?“

„Tatbestand grenzenloser Dummheit.“

„Wa--- wovon reden Sie?“

„Ihr Verlobter. Was hat er Ihnen gegeben?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, sagte die Patientin. Das war ihre einzige Verteidigung und sie war nicht besonders gut.

Weder Foreman noch die neueren Mitglieder des Teams waren in den Zweck oder die Details von House kleinem Schauspiel eingeweiht worden, daher erfuhren sie nur und regelrecht live, welche Schlüsse ihr Boss gezogen hatte. Kein Wunder, dass sie sich etwas im Hintergrund hielten.

„Ihr Blut enthält viel zu hohe Werte an Chinin, Miss Riley“, erklärte Foreman, der sich davon höhere Kooperationsbereitschaft von der Schülerin erhoffte. „Wir glauben, dass Sie damit ihre Grippe kuriert haben. Das hätte beinahe zu Ihrer Fehlgeburt geführt.“

„Das ist doch ein schlechter Scherz, oder? Ich weiß nichts von –“

„HÖREN SIE AUF UNS ANZULÜGEN!“ House’ Stock knallte auf den Beistelltisch. Dann setzte der Arzt sich an die Kante des Patientenbetts. „Okay, da Sie so auf Märchen stehen, werde ich Ihnen jetzt mal eines erzählen. Es handelt von einem törichten kleinen Rotkäppchens auf der Suche nach Liebe. Der Name dieses Mädchens ist Jenny –“

„Jenna!“, korrigierte Thirteen.

„Hey, erzählen Sie die Geschichte oder ich? Okay, JENNA hat einen reichen Daddy und das passt ihr nicht, denn jeder beachtet sie nur als Tochter ihres Vaters. Also beginnt sie, Bäume zu knutschen und alles, was nicht aus der Natur stammt, zu verteufeln, in der Hoffnung dann als eigenständiges Wesen betrachtet zu werden. Sie erregt die Aufmerksamkeit eines zwielichtigen Wolfs, der für ihren Vater arbeitet. Der Wolf kann seinen Boss nicht wirklich ausstehen, hält sich für unterbezahlt und verdient sich eine goldene Nase damit, Lagerbestände aus der Firma von Rotkäppchens Daddy zu klauen. Genauer gesagt, Chinin, das er dann dazu benutzen kann das Heroin zu strecken, das er verkauft. Er verdient genug damit, um sich zum Beispiel einen Brillantring wie den an Ihrem Finger leisten zu können. Aber das reicht ihm nicht. Er glaubt, es sei eine gute Idee, Rotkäppchen zu vögeln. Vielleicht wollte er damit ihrem Dad eins auswischen oder er hielt es für einen sicheren Kündigungsschutz, sollte man seine dreckigen Geschäfte aufdecken. Vielleicht hielt er es aber auch nur für hygienischer, als es ständig mit den Schlampen zu treiben, an die er den Stoff vertickt hat. Der Wolf unterschätzte aber Rotkäppchens Abneigung gegenüber die Dinge, die nicht aus der Natur stammten, die so weit ging, dass sie nicht einmal diese magische Pille nahm, die einem lästiges Babygeschrei ersparte. Und so dauerte es nicht lange, bis Rotkäppchen ein Kind erwartete. Da fiel dem Tier zum ersten Mal auf, dass man es wegen Unzucht mit Minderjährigen häuten könnte. Der biblische Akt war zwar einvernehmlich gewesen, aber der Vater der Schwangeren würde sicher anderes behaupten und der Kerl konnte sich den besseren Anwalt leisten. Also musste der einzige eindeutige Beweis für die Unzucht vernichtet werden, bevor der Jäger mit dem Schießgewehr und dem DNS-Test ankam. Hier kommt unser Chinin ins Spiel. Dazu brauchte er nicht einmal viel von dem Zeug. Weniger als acht Gramm, um nicht auch die kleine Jenna zu töten. Er streckt das Zeug mit irgendwas Süßem und wartet, bis sein Herzblatt krank wird. Preist es ihr als natürliches, ungefährliches Heilmittel an. Und dann muss er nur noch warten.“

Man konnte sehen, wie der Verstand von Jenna Riley hinter ihren irritierten Hasenäugelein arbeitete. Dieser Mann, dieser ARZT, den sie kaum kannte und der sie ebenso wenig kannte hatte ihr eine Geschichte aufgetischt, die so abstrus an den Haaren herbei gezogen schien... Und doch konnte sie keine Stelle finden, wo sich ein eindeutiger Widerspruch zu ihrem Leben auftat. Sie weigerte sich, diese Behauptungen zu glauben und doch waren Zweifel geweckt worden.

Tatsache war, dass ihr geliebter Drake ihr tatsächlich einen Verlobungsring geschenkt hatte, den er sich mit seinem Gehalt unmöglich leisten konnte. Tatsache war, dass es Drake war, der ihr ein Grippemittel gegeben hatte. Sie hatte es in sehr kleinen Mengen zu sich genommen. Tatsache war, dass Drake immer geschwiegen hatte wenn sie von Kindern und dem Leben als Familie schwärmte.

„Was... was werden Sie jetzt tun?“, fragte Jenna und Dr. House erhob sich wieder.

„Nichts. Warum sollten wir was tun? Ich hab’ nur hier gesessen und eine Geschichte erzählt. Sie hatten Probleme, wir haben raus gefunden, was der Grund war. Eine Behandlung dürfte nicht nötig sein, denn ich nehme mal an seit ihrer Einlieferung haben sie nichts mehr von dem Chinin zu sich genommen. Ihr Körper müsste das Zeug mittlerweile abgebaut haben. Ihr Kind ist jetzt Sorge des Gynäkologen und wie Sie mit ihrem Verlobten umgehen ist Ihre Sorge... oder die Ihres Seelenklempners.

House humpelte aus dem Zimmer und ließ eine geschockte Patientin und vier peinlich berührte Ärzte zurück.

„Tja, also, ich werd’ dann mal Ihre Unterlagen an unseren Gynäkologen überweisen.“ Murmelte Taub und war damit fein raus, denn er hatte einen Grund den Raum zu verlassen. Foreman sprach Miss Riley sein Beileid für diese grässlichen Umstände aus und entfernte sich dann ebenfalls, wobei Thirteen ihm folgte. Nur Kutner blieb zurück, wirkte betreten. „Wenn Sie möchten, können wir für Sie Anzeige bei der Polizei erstatten.“

Die Patientin erwiderte nichts darauf, starrte nur das Telefon auf ihrem Schoß an, als stamme es nicht aus dieser Welt. „Könnten Sie vielleicht erst meinen Dad anrufen?“

„Natürlich.“ Kutner wollte gehen, die drückende Atmosphäre des Raumes verlassen um das Gespräch vom Empfang aus zu führen (oder auch von der Hölle aus, nur nicht unter den Augen, dieses armen Mädchens, dem House gerade mehr als übel mitgespielt hatte), aber eine kalte Hand schloss sich um seine.

„Könnten Sie hier bleiben... bitte?“ Schluchzend.
 

Ein paar blauer Augen beobachtete von der großen Glasfront aus, wie Kutner sich neben das Mädchen ans Bett setzte und beruhigend auf sie einredete.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“

Thirteen blinzelte, blickte dann zu Foreman, der neben sie getreten war. Hatte er nicht eben noch gehen wollen? Sie wandte ihrem Blick wieder den beiden hinter der Glasscheibe zu und sagte dann: „Er ist ein Arsch.“ Dass sie damit nicht Kutner meinte, musste nicht hinzugefügt werden.

„Ich weiß. Ich würde gerne sagen, man gewöhnt sich daran, aber House lässt nicht zu, dass man sich daran gewöhnt. Ich glaube, er denkt, dass er versagt, wenn er uns nicht mehr aus der Bahn werfen kann.“

„Ich war bereit das zu tolerieren. Das Sticheln, die Einbrüche und das Eindringen in anderer Leute Privatsphäre. Weil ich das als Teil einer Ermittlung angesehen habe. Ich dachte, das wäre es, das House tut: Ermittlungen anstellen, egal auf welchem Wege auch immer. Nur dass es keine Verbrechen gibt, die es aufzuklären gilt, sondern Symptome.“

„Interessanter Denkansatz“, erwiderte Foreman, da er nicht wusste, worauf sie hinaus wollte. Er musterte Thirteens Haltung, ihre Mimik. Das Gesicht, das vor wenigen Minuten noch Anteilnahme gezeigt hatte, war jetzt fast ausdruckslos. Ihre Arme waren verschränkt, ablehnend. Ihre Augen waren so unablässig und bewegungslos auf die Patientin gerichtet, dass es wahrscheinlich nicht Jenna Riley war, auf welche die junge Ärztin sich konzentrierte.

„Ich habe mich geirrt“, meinte sie dann. „Wir sind keine Ermittler. House ist kein Polizist. Er denkt nicht wie einer. Er empfindet keine Reue, wenn er feststellt, dass seine Anschuldigungen ins Leere gehen, ganz egal, wie viel Leid er damit den Patienten zumutet. Er ist nicht wie...“ Sie biss sich auf die Unterlippe, als wolle sie sich selbst am fortfahren hindern.

„Er ist nicht wie wer?“

„Nicht wichtig.“
 

~*+*~

Fingerabdrucklabor des PPD.

Es war nicht besonders groß, daher arbeiteten auch nur zwei Techniker dort. In Schichten. Und weil das Departement sich das eigentlich nicht leisten konnten, waren beides Angestellte der Spurensicherung und im Außendienst tätig, sofern es nichts zu untersuchen gab. Troy Parker, achtundzwanzig, hatte an diesem Wochenende das große Los gezogen sich mit denen vom NCIS gesammelten Spuren zu befassen. Parker war hager, hatte einen Pferdeschwanz und Stoppeln auf dem Kinn, die so dünn gesät waren, dass sie in einem Jahr nicht zu einem Vollbart wachsen würden. Das schwarze Haar sah so aus, als ob er es mindestens fünf Tage nicht gewaschen hätte, aber genau ließ sich das nicht sagen, denn wenn ein gewisses Maß an Fettigkeit erreicht war, gab es eigentlich keine Steigerung mehr.

„Parker, zeig denn Gentleman doch, was du gefunden hast“, ermunterte Tritter den Techniker in nicht sehr ermunterndem Tonfall. „A propos Gentleman... wo steckt denn die kleine Lady ihres Teams? Agent David?“

DiNozzo und McGee sahen verstohlen zu ihrem Boss rüber, aber der ließ es sich nicht anmerken, falls die Frage ihn gestört haben sollte. „Officer David ist leider verhindert“, war die knappe Antwort, was alles heißen konnte. Tritter respektierte die Verschwiegenheit. „Also, Parker, wir warten!“

Parker schob einen metallischen Rolltisch heran, auf dem – systematisch in Plastikbeutel verpackt – die sicher gestellten Spritzen lagen. Sie umrandeten den in der Mitte liegenden Spazierstock.

„Zuerst einmal, das sind nicht alle Spritzen, die gefunden wurden, das hier sind nur die, die schon hinsichtlich der Fingerabdrücke untersucht wurden. Nachdem die Fingerabdrücke entnommen wurden, habe ich alle Spritzen mit ein wenig Methanol ausgespült, um die Substanzreste raus zu kriegen. Die Proben hab ich derzeit in Vials abgefüllt, die gehen morgen früh gleich als erstes mit der Post an ein externes Labor raus. Bis jetzt lässt sich also nur sagen, dass auf so ziemlich jeder Spritze mindestens ein Fingerabdruck war. Fast alle waren im System, ich habe die vorläufige Liste an unsere Drogenermittler weiter gegeben, damit die vielleicht die Liste der Verdächtigen einengen können. Viel wichtiger ist aber der Stock. Er enthielt kein Blut, aber ihr Doc hat ja bereits bestätigt, dass es keine offenen Verletzungen gab. Wir fanden aber einige Epithelzellen. Die DNS wird noch analysiert, stammt aber wahrscheinlich vom Opfer.“

„Mr. House hatte wohl Schuppen?“, fragte DiNozzo. Er zuckte schon zusammen in Erwartung einer Kopfnuss – aber Gibbs hielt sich still. Der Boss ließ sich nicht mal anmerken, ob er der Diskussion folgte oder nicht. Er tat es. Gibbs ermahnte – und seine Worte hörten sich ein wenig träge an. Sie besaßen nicht die Schärfe, die sie haben sollten. „Das heißt, falls das der Stock tatsächlich die Mordwaffe wäre.“

„Ja, genau. Aber auch daran gibt es keinen Zweifel, denn wir konnten den Besitzer des Stockes identifizieren. Er weist eine Menge überlagerte Sätze Fingerabdrücke auf, vor allem im Bereich des Griffs, was nicht verwunderlich ist. Wir fanden aber auch einige am Ende. Zwei vollständige Handabdrücke, als hätte er ihn wie einen Baseballschläger gehalten. Ungefähr so.“ Parker holte einen zugeklappten Regenschirm aus der Ecke des Raumes und packte ihn mit der linken Hand an der Spitze und mit der Rechten ein ganzes Stück darüber. Gibbs erkannte, dass der Junge keine Ahnung vom Baseball hatte, denn dort umklammerte man den Schläger mit beiden Händen an derselben Stelle. Was der Spurentechniker zeigte, erinnerte eher an... Hockey.
 

Ein grünroter Tennisball liegt gebettet in der Rundung des Griffs eines Gehstocks.. Die geübten Hände eines ehemaligen Lacrossespielers schwenken leicht hin und her, dann lässt er den Ball hüpfen. Er fliegt gegen die graue Wand des Büros, kommt mit einem dumpfen „Donk“ dort auf, und folgt den Gesetzes der Reflexion, wird ein wenig höher zurück katapultiert, bis ihn die Schwerkraft übermannt.

Und er fällt.

Um erneut aufgefangen zu werden in der Senke des Griffs.
 

~*+*~

In Untersuchungsraum 2 erwartete House schon die erste Patientin, eine junge brünette Frau, ca. Anfang 20, die einen alles andere als kranken Eindruck machte. Grünes T-Shirt, eine dezente adelige Blässe und wahrscheinlich Studentin.

„Hallo, ich bin Dr. House...“, setzte er an, mehr pflichtgemäß, als dass er erwartete, dass es die Patientin kümmern würde, aber die steckte daraufhin sofort ihre Hand zur Begrüßung hin.

„Hallo, ich bin Tina.“

„... und ich bin nicht interessiert,“ erwiderte der Nephrologe, während er sich auf den Drehhocker setzte und an den Behandlungstisch heranrückte. „Mich interessieren auch Ihre körperlichen Beschwerden nicht, trotzdem muss ich Sie behandeln, also bringen wir die Sache schnell hinter uns.“

„Ich hab’ schon seit Monaten Kopfschmerzen,“ begann Tina nun etwas vorsichtig – sie wusste nicht ganz, wie sie House’ Verhalten bewerten sollte – wurde aber sofort wieder unterbrochen.

„Dagegen gibt es Aspirin.“

„Ich weiß, aber das schlägt mir so auf den Magen. Mein Hausarzt meint, es sei nur Migräne, aber es wird immer schlimmer. Ich kann nachts schon nicht mehr schlafen.“

Er betrachtete das Gesicht der Patientin etwas genauer. Tatsächlich wirkte sie müde, sogar ein wenig schwach, und die Schatten unter ihren Augen traten durch ihre helle Haut besonders stark hervor.

„Übelkeit?“

„Nein, nur Sodbrennen vom Aspirin.“

„Licht- und Geräuschempfindlichkeit?“

Tina schüttelte den Kopf.

„Rufen Sie Ihren Hausarzt an und sagen Sie ihm, dass er ein Idiot und gefeuert ist. Das ist keine Migräne. Sie haben Eisenmangelanämie.“

„Blutarmut? Aber wieso?“

„Nun, abgesehen davon, dass Sie so aussehen als hätten Sie noch nie ein Solarium von innen gesehen, glänzen Ihre Hände ziemlich verdächtig und außerdem duften Sie nach Kokos, was mir sagt, dass Sie eine Körperbutter benutzen, um Ihre trockene Haut in den Griff zu kriegen. Ihre Fingernägel sind unterschiedlich lang, was bedeutet, dass sie schnell mal abbrechen und an Ihrem T-Shirt kleben Haare von Ihnen. Haarausfall, spröde Fingernägel, trockene Haut und Blässe plus Kopfschmerzen und Schlafstörungen lassen nur diese Diagnose zu. Keine Sorge, ein paar Eisenpräparate und Sie können wieder durchschlafen. Also genehmigen Sie sich ein paar Happen in der Cafeteria, ich erwarte Sie in einer Stunde wieder im Warteraum und stelle Ihnen dann eine reizende Internistin vor, die Ihre Diagnose mit ein paar Tests bestätigen wird. Ich habe ihren Namen vergessen, aber wir nennen sie alle Thirteen, weil sie so ein Glückspilz ist.“

„Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinaus wollen...“

„Ja, das höre ich oft.“

„Wieso erst in einer Stunde?“

„Weil ich mir jetzt ein frühes Mittagessen genehmigen werde. Wenn ich schon zum Sonntag arbeiten muss, dann so wenig wie möglich.“
 

~*+*~

’Oh verdammt’, ist das Einzige, dass Jethro noch denken konnte. Den Rest nahm er als Außenstehender wahr. Er muss nicht mehr auf den Monolog achten, der sich vor ihm abspielt, denn er weiß was jetzt kommen wird, wie als beobachtete er das Remake eines Films. Eines Scheiß-Films, den er schon gesehen hätte.

Parker erklärte, dass die Fingerabdrücke von Sohn des Opfers stammten, einem gewissen Gregory House, praktizierender Arzt am Princeton Plainsboro. Seine Abdrücke waren im System wegen Fahrens unter Medikamenteneinfluss und einer Anklage wegen Diebstahl und Konsum verschreibungspflichtiger Schmerzmittel, die aber fallen gelassen worden war. Dieselben Abdrücke fanden sich auch auf einer der Spritzen wieder.

„Ziemlich heftiger Zufall, was?“, meinte Tritter, im wahrsten Sinne des Wortes zähne knirschten. Vielleicht knirschte aber auch nur der Nikotinkaugummi unter seinen Zähnen, wer konnte das schon sagen.

„Wir glauben nicht an Zufälle“, sagte McGee.

„Gut. Schätze, es wäre eine gute Idee, wenn Sie sich mal bei ihm umsehen. Fragen ob er ein Alibi zu der Zeit hatte. Aber ich muss Sie warnen. Der Kerl ist ein ziemlicher Arsch. Hat vor nichts und niemandem Respekt und führt sich auf, als wäre er Gott. Aber sein altes Team schien ihn zu respektieren, sie waren sogar bereit, ihn zu decken, als es um seine Schmerzmittelsucht ging. Ich weiß ja nicht, wie es mit den Neulingen aussieht, aber einen Mord werden sie sicher nicht decken. Sehen Sie zu, dass das zur Sprache kommt, wenn Sie sein Team vernehmen.“

„Und warum lassen Sie das nicht von ihren Jungs machen, Michael?“, fragte Gibbs. Je mehr er hörte, desto weniger wollte er, dass ’seine Jungs’ Kontakt mit dem Fall hatten.

„Weil er mich kennt. Und weil Sie nicht rumlaufen wie Cops, da wird er nicht so schnell Verdacht schöpfen. Außerdem war ich es, der ihn bei diesem Drogenfall auf die Zehen getreten ist. Er ist nur freigekommen, weil er dem Richter gegenüber behauptet hat, das alles wäre nur ein von mir inszenierter Rachefeldzug, weil er mich bloßgestellt hat.“

Tony und McGee fragten nicht, worin die Bloßstellung bestanden hatte. Aber es musste etwas Wahres an der Rache-Theorie sein, wenn Tritter hin und wieder nachschnüffelte, was für Leute House um sich hatte. Das war ziemlich ungünstig.

„Okay. DiNozzo, McGee. Lasst euch die Adresse des Sohnes geben und stattet ihm einen Besuch ab. Ich bleibe inzwischen hier und lese mich in die Akte von unserem Verdächtigen ein.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-07-14T12:41:09+00:00 14.07.2010 14:41
Schneller wieder reingekommen als sonst, gut das wir drüber geredet hatten, das sollten wir immer machen wenn ich ein mir unbekanntes Kapitel lese^^

Ich fand die Beschreibung des Technikers äußerst amüsant und House Geschichte...ich hatte es bildlich vor mir wie er da am Bett sitzt und alle ihn komisch anguckenXD

Mach mcih an Kapitel 9, will mal sehen wie sich DiNozzo und McGee mit House so rumschlagen.

Dein Keks


Zurück