Zum Inhalt der Seite

Innocent Passion

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Chapter 01

Date of beginning: 23.03.02

Date of end: 15.08.2008
 


 


 


 

Innocent Passion
 


 


 


 

Autor: Cigamina
 

Fandom: Weiß Kreuz
 

Pairings: Omi x Nagi, Omi x Ken, Nagi x Schuldig, Youji x Aya, Ken x Tsubáme
 

Genre: yaoi
 

Warnungen: lemon, sap, rape, angst, dark, voilence, death, OCC
 

Rating: NC-17
 

Disclaimer: Die Jungs von Weiß Kreuz gehören nicht mir, und ich mache auch kein Geld damit… Aber Tsubáme gehört mir, nur mir! (Tsubáme klingt eigentlich wie ein Frauenname, aber er ist eindeutig ein Mann! Ich fand den Namen und seine Bedeutung nur so schön…)
 

Summary: Omi wird während einer Mission schwer verletzt und seine Kameraden können ihn nicht mehr aus dem Gebäude retten, bevor es explodiert. Sie halten ihn für tot… doch ist er es wirklich?
 

Widmungen: DANKE!! an Kocorona und Li-chan fürs Betalesen!
 

Anmerkungen: Ich habe keine Ahnung, mit was für Waffen Schuldig kämpft oder ob er überhaupt welche benutzt, aber Giftpfeile waren für diese Story eben sehr geeignet.
 

Genauso wenig weiß ich, ob Nagi überhaupt Gedanken lesen oder mit Leuten in deren Kopf sprechen kann, aber ich bin einfach mal davon ausgegangen. Wenn es nicht stimmt, bitte ich um Entschuldigung, aber diese Fähigkeiten sind für meine Fanfic sehr wichtig, und ich werde es auch nicht mehr ändern.
 

Außerdem können sich Schwarz und Weiß zum Zeitpunkt dieser Fanfic noch nicht oft getroffen haben, weil Omi Nagis Fähigkeiten gar nicht kennt.
 

Und noch etwas. Da ich diese Story angefangen habe, bevor ich den Anime zu Weiß Kreuz gesehen habe, hatte ich keine Ahnung, welche Haar- und Augenfarbe Nagi hat. Also bin ich von dem Bild ausgegangen, das ich im Weiß Kreuz Manga Nr. 2 gefunden habe, und da hatte Nagi braune Haare und auch braune Augen.
 

So, das war’s, und jetzt viel Spaß! ^-^
 

Lieder, die ich zu dieser Story gehört habe, als ich sie geschrieben habe:

Ace of Base – My mind

Alan Parsons Project – Damned if I do

Alan Parsons Project – Games people play

Brithney Spears – Boyz

Bro’Sis – Do you?

Daft Punk - Harder, better faster, stronger

E Nomine – Das Tier in mir

Eifel 65 – Blue

Highland – Solo tu

Justin Timberlake – Like I love you

Lutz Görner – Deborah-Lied (AT)

Puff Daddy feat. R. Kelly – Satisfy you

Rammstein – Engel

Sash! – Run
 

Feedback an: Cigamina@aol.com (Seid aber nicht so hart zu mir, das ist die erste Fanfic, die ich je geschrieben habe. ^.^;)
 

Homepage: www.cigaminas-sanctuary.de.tt
 

>Normale Schrift< = Telepathie
 

/Normale Schrift/ = Gedanken
 

„Normale Schrift.“ = Gerede
 

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
 

„OMI!!!“
 

Youji sah die Bewegung nur aus dem Augenwinkel, aber es war sowieso schon zu spät.
 

Ein Giftpfeil traf Omi in die rechte Schulter.
 

Er riss die Augen auf, sah noch kurz den Schützen und ging dann taumelnd zu Boden.
 

Schuldig schleuderte einen Arm in die Luft und jubelte.
 

„Ja! Einer weniger!“
 

Er stand auf einem Stapel Paletten, die in dem Lagerhaus standen, das gleich in die Luft fliegen würde.
 

Die Jungs von Weiß waren beauftragt worden, dieses Lagerhaus zu sprengen. Sie hatten gut in der Zeit gelegen, bis Schwarz aufgetaucht war und nun waren sie in einen bitteren Kampf verwickelt.
 

Nicht nur gegen Schwarz, sondern auch gegen die Zeit, denn die Zünder standen auf drei Uhr und es war zwei Minuten davor.
 

Warum musste das jetzt noch passieren?
 

„Wir müssen hier raus!!“ ,schrie Aya verzweifelt.
 

Er schnappte sich Ken und stürzte mit ihm zu Youji.
 

„Wo ist Omi?!“
 

„Da drüben!! Schuldig hat ihn mit seinen Pfeilen getroffen!!“
 

Seine Stimme war tränenerstickt und ziemlich schrill.
 

Omi lag außerhalb ihrer Reichweite, etwa 100 Meter von ihnen entfernt.
 

„Wir müssen hier raus, sonst gehen wir alle drauf!!“
 

Aya zerrte die beiden anderen Richtung Ausgang.
 

„NEIN!!! Wir können ihn nicht einfach liegen lassen!! Er wird sterben!!“
 

„Wenn wir noch länger hier bleiben, gehen wir alle drauf!!“
 

Aya schubste die anderen beiden vor sich her.
 

„Hey, die hauen ab!!“
 

Schuldig klang entrüstet.
 

„Das sollten wir auch tun! Oder willst du sterben??!!“
 

Brad Crawford zog Schuldig zurück, der den Flüchtenden hinterher laufen wollte.
 

„Ist ja gut!“ sagte Schuldig zerknirscht und schnappte sich Brad und Farfarello, der sich in seiner Nähe befand und drehte sich zu Nagi um.
 

Dieser schüttelte den Kopf.
 

„Ich muss noch mal weg! Geht schon mal vor!“
 

Schuldig zuckte mit den Schultern und teleportierte sich mit den beiden anderen weg.
 

Aya und die beiden anderen waren mittlerweile aus dem Lagerhaus draußen.
 

„Omi!!! Omi!!!“
 

Ken schrie beim Laufen immer wieder seinen Namen.
 

Youji rannte auch, er weinte.
 

Dann ging hinter ihnen der Schuppen in die Luft.
 

„OOOMIIIII!!!!!“
 

Sie wurden von der gewaltigen Druckwelle zu Boden geworfen und ein gewaltiger Schwall von Hitze rollte über sie hinweg.
 

Gleich nachdem er es wieder für sicher hielt, richtete sich Aya wieder auf und sah hastig zurück.
 

Von dem Lagerhaus war nichts mehr außer den Grundmauern zu sehen.
 

Seine letzte Hoffnung erstarb.
 

Nein, das konnte Omi nicht überlebt haben.
 

Auch Yohji richtete sich zum Sitzen auf. Er sah auf Kens Gestalt, die immer noch zuckend auf dem Boden lag und immer wieder eine Faust auf den Boden schlug.
 

Yohji weinte selbst, zog aber dennoch Ken in seine Arme und hielt ihn fest.
 

„Omi... Omi!“
 

Ken flüsterte diesen Namen immer wieder und Yohji fing noch heftiger an zu weinen.
 

Aya stand daneben und kämpfte ebenfalls mit den Tränen.
 

So verweilten sie dort noch ziemlich lange.
 

~*~*~*~*~*
 

Omi öffnete langsam die Augen, alles in seinem Blickfeld war verschwommen. Er blinzelte.
 

Was war passiert? Er konnte sich an nichts erinnern.
 

Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit und sein Blick klärte sich soweit, dass er sein Umfeld erkennen konnte.
 

Er lag auf einer Pritsche in einem Zimmer, in dem es keine Fenster gab. Einen kleinen Tisch und zwei Stühle erkannte er auch. Die Tür schien aus massivem Holz zu bestehen, ein kleines, vergittertes Fenster war darin. Doch er kannte den Raum nicht.
 

Wo war er hier? Und wie kam er hierher?
 

Er setzte sich auf.
 

Plötzlich fuhr ein heftiger Schmerz durch seinen rechten Arm und er sah darauf hinunter. An seiner Jacke fehlte ein Ärmel, an seinem Kapuzenshirt und T-Shirt auch. In der Mitte seines Oberarms hatte er eine tiefe Wunde. Sie blutete noch etwas, aber war teilweise schon verkrustet.
 

Woher kam denn die? Sie war ein wenig grün und blau verfärbt.
 

Omi sah schnell woanders hin und kämpfte gegen die Ohnmacht, die ihn immer befiel, wenn er Blut roch. Er rang sie erfolgreich nieder und ließ sich zurück auf die Pritsche sinken.
 

Die Wunde brannte und pochte schmerzhaft.
 

In diesem Moment hörte Omi einen Schlüssel in der Tür und setzte sich ruckartig auf. Die Tür wurde aufgezogen und eine schmale Gestalt glitt in den Raum. Sie schloss die Tür sorgfältig wieder hinter sich und bewegte sich auf den Tisch zu.
 

„Wer ist da?“
 

Omi fragte dies mit einer festeren Stimme, als ihm zu Mute war.
 

Die Gestalt erstarrte kurz in der Bewegung, stellte dann etwas auf dem Tisch ab und schnipste kurz mit den Fingern.
 

In dem Raum wurde es langsam heller, sodass Omis Augen genug Zeit hatten, sich an das Licht zu gewöhnen. Er starrte die Gestalt an, die jetzt auch beleuchtet wurde, seine Augen weiteten sich und ihm entfuhr ein entsetztes Keuchen.
 

Er sah in das Gesicht von Nagi Naoe.
 

Omi drückte sich ängstlich an die Wand. Er war alleine und das auch noch in Nagis Gewalt.
 

„Du bist wach?“
 

Omi stellte plötzlich fest, dass er noch nie Nagis Stimme gehört hatte. Sie klang melodisch und freundlich, eigentlich fast schüchtern.
 

Nagi ging einen Schritt auf Omi zu und Omis Gesicht bekam einen panischen Gesichtsausdruck.
 

„Lass mich! Komm nicht näher!“
 

Nagi blieb sofort stehen. Er lächelte ansatzweise.
 

„Du musst keine Angst haben. Ich tue dir nichts. Sonst hätte ich dich eben nicht gerettet, oder?“
 

Omi runzelte die Stirn.
 

„Wovor gerettet?“
 

Nagi sah ihn komisch an.
 

„Wie wovor? Das Lagerhaus? Die Explosion?“
 

Mit einem Schlag kam alle Erinnerung zurück. Youjis Schrei. Der Pfeil. Schuldig, der jubelte. Dann war Schluss, danach konnte er sich an nichts erinnern.
 

„Was ist passiert? Schuldig hat mich getroffen. Und dann?“
 

„Du kannst dich nicht erinnern?“
 

Omi schüttelte langsam den Kopf und Nagi seufzte daraufhin leise auf und begann dann damit, Omi auf den neusten Stand der Dinge zu bringen.
 

„Du wurdest getroffen und gingst zu Boden. Deine Truppe war aber am anderen Ende des Lagerhauses und zu weit von dir entfernt. Euer Anführer ist mit den anderen beiden geflohen, die dich noch holen wollten. Wenn sie es versucht hätten, wären sie alle mit der Lagerhalle in die Luft gegangen, und euer Rotschopf wusste das. Er musste die anderen beiden gewaltsam aus dem Lagerhaus ziehen, sie wollten dir helfen. Meine Leute sind dann auch abgehauen und ich habe dich hierher gebracht.“
 

Omi starrte ihn an.
 

„Warum denn das? Ich bin dein Feind, schon vergessen? Es wäre doch gut für euch gewesen, wenn ich draufgegangen wäre, warum also rettet ihr mich?!“
 

Nagi schüttelte den Kopf.
 

„Nicht ihr. Die anderen denken, dass du tot bist. Ich habe dich gerettet, aus freien Stücken. Das war kein Auftrag, und wenn das herauskommt bin ich dran. Du siehst, wenn ich dir etwas tun wollte, hätte ich dich einfach liegen lassen.“
 

„Ich verstehe dich nicht! Wenn es so gefährlich ist, warum hast du es dann getan?!“
 

Nagi senkte den Kopf.
 

„Das... weiß ich selbst nicht so genau. Ich sah dich da liegen und ein Teil von mir schrie, ich solle abhauen, ein anderer Teil, ich könnte dich da nicht einfach sterben lassen. Und irgendwie hatte ich ein Gefühl... der Verbundenheit. Auch schon bei anderen Einsätzen war es so. Den anderen von Weiß schien es nie etwas auszumachen, andere Menschen zu töten, aber du warst anders. Man merkte dir an, dass es dich jedes Mal getroffen hat. Bei mir ist es ähnlich. Jedes Mal, wenn jemand stirbt, bin ich verzweifelt, weil ich genau weiß, es ist meine Schuld. Ich habe jeden einzelnen Auftrag geplant, jeden Mord... Der Hälfte von Schwarz macht es Spaß, andere zu killen, einem scheint es scheißegal zu sein. Und ich hasse es.“
 

Omi sah ihn verwundert an. Er hätte nicht gedacht, dass sich einer von Schwarz solche Gedanken machte, und schon gar nicht der kalte Nagi, der jeden Einsatz ohne Emotionen abwickelte.
 

„Dann bist du wie ich. Ich plane auch unsere Einsätze und ich hasse es genauso, Menschen zu töten. Aber du irrst dich. Den anderen geht das genauso nahe, vor allem Aya. Er leidet schrecklich darunter, töten zu müssen. Sie können das nur nicht zeigen, weil das eine Schwäche wäre. Aber ich bin mir sicher, dass sie oft weinen, wenn sie allein sind. Wie ich...“
 

Er wandte den Kopf ab, seine Augen brannten.
 

Nagi kam jetzt zögerlich auf ihn zu und setzte sich dann zaghaft neben ihn.
 

„Dass du das so einfach kannst... Ich traue es mich nicht, nicht mal vor mir selber. Ich glaube, dass ich dann nicht die Kraft hätte, weiter zu machen. Und Schwarz ist mein Leben, ich habe kein anderes. Ich hatte auch noch nie eins.“
 

Omi sah ihn wieder an.
 

„Warum? Was ist mit deiner Familie?“
 

Nagi lächelte bitter.
 

„Sie haben mich verstoßen, wegen meiner Fähigkeiten und so.“
 

Omi blickte in die braunen Augen.
 

„Das tut mir leid. Ich kann mich an nichts erinnern, was vor Weiß war. An rein gar nichts. Nicht mal an meinen Namen. Omi Tsukiyono ist nur mein Name, den ich von Weiß bekommen hatte.“
 

Nagi sah ihn bestürzt an.
 

„Das muss schwer sein. Nichts von sich selbst zu wissen.“
 

Omi lächelte jetzt.
 

„Am Anfang war es sehr schwer. Aber bei Weiß habe ich Freunde gefunden, die mir sehr geholfen haben und mich so akzeptierten, wie ich bin. Und ich bin froh darüber, dass Aya und die anderen nicht versucht haben, mich mitzunehmen, denn dann wären wir jetzt alle tot. Er hat völlig richtig entschieden, die Gruppe geht vor. Aber Ken und Youji werden ihm vielleicht Vorwürfe machen, das weiß ich nicht. Ich muss zurück, damit sie keinen Streit bekommen.“
 

Vor allem wegen Ken, dachte Omi bei sich.
 

Nagi nickte.
 

„Aber zuerst möchte ich deine Wunde versorgen, denn das war immerhin ein Giftpfeil von Schuldig. Er liebt diese Dinger, die erst Stunden nach dem Treffer wirken. Denn dieses Gift wirkt sehr langsam, es quält die Leute zu Tode. Schuldig ist ein Sadist.“
 

Nagi bemerkte Omis entsetztes Gesicht und fuhr dann hastig fort.
 

„Aber ich habe das Gegenmittel hier.“
 

Er holte die Kiste, die er vorhin auf den Tisch gestellt hatte, und stellte sie neben der Pritsche ab.

Nagi nickte ihm einmal kurz zu und begann die Wunde zu säubern, um sie danach mit einer Salbe einzureiben.
 

„Das wird jetzt sicher brennen.“
 

Es brannte wirklich höllisch, doch Omi biss die Zähne zusammen und gab keinen Mucks von sich.

Nagi verband die Wunde dick und kramte dann ein kleines Beutelchen aus dem Kasten, bevor er Omi eine kleine Tablette reichte.
 

„Die musst du einnehmen, da sind Antikörper drin, die das Gift innerhalb von Minuten neutralisieren.“
 

Omi nahm die kleine, weiße Tablette in die Hand und betrachtete sie. Nach kurzem Überlegen und einem kurzen Blick zu Nagi schluckte er sie schließlich.
 

Dann schaute er wieder hoch.
 

„Du hast eben gesagt, dass du von deinen Eltern verstoßen wurdest, wegen deiner Fähigkeiten. Was für Fähigkeiten denn?“
 

Nagi sah ihm in die großen, blauen Augen.
 

„Ich kann Gedanken lesen und beherrsche die Teleportation, wie Schuldig. Sie fanden mich wohl ziemlich abartig und haben mich weggeschickt.“
 

Omi sah ihn bedauernd, aber gleich danach ein wenig misstrauisch an.
 

„Wie liest du? Durch Augenkontakt?“
 

Nagi schüttelte verwundert den Kopf.
 

„Nein, ich muss mich nur konzentrieren.“
 

„Merkt dein Gegenüber das?“
 

Jetzt verstand Nagi, auf was Omi hinauswollte.
 

„Wenn du glaubst, ich würde jetzt gerade in deinen Gedanken herumkramen, liegst du falsch. Ich lese niemals die Gedanken von jemandem, der es mir nicht vorher erlaubt hat.“
 

Omi sah ihn beruhigt an.
 

„Gut. Würde ich es trotzdem merken?“
 

„Kommt drauf an, wie ich es machen wollte. Wenn ich langsam und vorsichtig vorgehen würde, und du es nicht wüsstest, würdest du es wahrscheinlich gar nicht merken. Wenn ich es gewaltsam versuchen würde, würdest du es sicher merken. Allerdings kommt es auch darauf an, wie wachsam du bist. Aber wenn du von Schuldig gedanklich angegriffen wirst, wirst du es ganz sicher auch spüren. Er versucht es immer nur gewaltsam, wobei es ihm völlig egal ist, wie privat deine Erinnerungen sind. Er macht keinen Hehl darum, ob es jemand merkt oder nicht. Er ist verdammt stark in der Beziehung, viel stärker als ich. Doch im Gegensatz zu mir benutzt Schuldig seine Fähigkeit nur um zu verletzten und seine Opfer zu schwächen. Man kann die Opfer dazu zwingen, sich an Dinge zu erinnern, die sie schon lange aus ihrem Gedächtnis verbannt haben. Das ist dann wie eine geistige Vergewaltigung. Er hat auch schon Leute so brutal angegriffen, dass sie sich danach verhalten haben wie nach einer richtigen Vergewaltigung. Er ist eben ein Sadist, wie schon gesagt. Aber ich würde diese Fähigkeit nie zu so etwas missbrauchen. Ich könnte das überhaupt nicht.“
 

Omi starrte ihn an. War dieser Schuldig wirklich so brutal? Das konnte er gar nicht glauben.
 

Dann kam ihm eine Idee.
 

„Kann man es irgendwie abwehren?“
 

Nagi überlegte kurz.
 

„Ja, das geht. Aber nur mit einem starken Willen. Du kannst alle deine Gedanken verschließen, indem du an ein großes, schwarzes Nichts denkst. Wenn du das lange genug durch hältst, wird sich der Angreifer irgendwann zurückziehen. Denn wo nichts ist, kann man auch nichts lesen.“
 

„Wie fühlt es sich an?“
 

Omi war mittlerweile richtig neugierig.
 

Nagi legte den Kopf schief.
 

„Willst du es wissen? Ich kann es dir zeigen, wenn du es erlaubst.“
 

Omi fuhr auf.
 

„Was?“
 

„Ich könnte dir zeigen, wie es sich anfühlt. Und du könntest einfach Stopp sagen, wenn ich aufhören soll.“
 

Omi erinnerte sich plötzlich, wo er war, wer sein Gegenüber war und zuckte mit den Achseln.
 

„Ich bin sowieso dein Gefangener, du kannst tun, was du willst, ich kann dir eh nicht entkommen.“
 

Nagi schüttelte den Kopf.
 

„Nein, du bist kein Gefangener. Die Tür ist nicht abgeschlossen, du kannst jederzeit gehen und ich würde dich nicht aufhalten. Dazu habe ich kein Recht. Und selbst, wenn du wirklich mein Gefangener wärest, würde ich dich trotzdem um Erlaubnis fragen.“
 

Omi sah zur Tür, dann wieder zu Nagi zurück.
 

„Und du würdest wirklich aufhören, wenn ich es sage?“
 

Nagi nickte.
 

Omi zögerte noch, dann überwog die Neugierde.
 

„Okay, aber wirklich nur, bis ich Stopp sage.“
 

Nagi nickte wieder und setzte sich im Schneidersitz Omi gegenüber.
 

Dieser fühlte, wie Nagi sich in seine Gedanken einschleuste.
 

Es war wie eine Hand, die sich tastend durch seine Erinnerungen und Gedanken bewegte.
 

Nagi bewegte sich vorsichtig und zaghaft, immer darauf gefasst auf ein Wort von Omi zurückzuweichen.
 

Dieser fühlte sich auf einmal schutzlos und völlig ausgeliefert, Panik kroch in ihm hoch.
 

Nagi las auch diesen Gedanken.
 

>Keine Angst, ich tue dir nicht weh.<
 

Omi hörte Nagis Stimme in seinem Kopf.
 

/Das kannst du also auch./, dachte Omi bei sich und Nagi antwortete ihm.
 

>Merkst du ja. Du hast immer noch Angst, soll ich aufhören?<
 

/Nein./, dachte Omi und Nagi bewegte sich weiter in seinem Kopf.
 

Omi spürte, wie Nagi vorsichtig seine Erinnerungen zu den letzten Ereignissen öffnete und las.
 

/Darf ich mal etwas versuchen?/, fragte Omi Nagi, und dieser nickte.
 

Omi versuchte jetzt alle seine Gedanken zu verschließen und an ein schwarzes Nichts denken, was ihm dann auch gelang.
 

>Darf ich auch etwas probieren?< fragte ihn Nagi und Omi dachte: /Ja./
 

Er spürte plötzlich, dass Nagi jetzt mit mehr Kraft auf dieses Nichts drückte und hielt dagegen.

Dann zog sich Nagi plötzlich ganz aus ihm zurück.
 

„Du bist ganz schön stark. Doch wenn ich gewollt hätte, hätte ich durch dein Nichts brechen können. Aber ich bin ja nicht Schuldig. Und, wie hat es sich angefühlt?“
 

Omi sah ihn etwas verwirrt an.
 

„Das hast du doch sicher gelesen, oder?“
 

„Nein, Gefühle und Empfindungen sind auf einer tieferen Ebene als schlichte Gedanken, und dort gehe ich nicht ungefragt hin. Das ist etwas, was nur jedem selbst gehört. Allerdings ist diese Ebene bei jedem Menschen tief verborgen und um darin zu lesen muss man diese Barriere gewaltsam durchbrechen oder derjenige muss sie von selbst öffnen. Und die erste Möglichkeit steht für mich immer außer Frage.“
 

Omi blickte ihn verwundert an.
 

„Mittlerweile kann ich mir gar nicht vorstellen, dass du wirklich bei Schwarz bist.“
 

Nagi lächelte.
 

„Hast du gedacht, wir wären alle so wie Schuldig? Wie du siehst ist das nicht der Fall. Und?“
 

„Es war wie eine Hand, die sich vorsichtig durch meine Gedanken getastet hat. Nicht unangenehm, nur fremd… So anders, als ich mir das vorgestellt habe.“
 

Nagi sah ihn anerkennend an.
 

„Du hast ein echt feines Gespür. Ein anderer hätte es nicht so intensiv gefühlt. Aber genau das würde dich für eine gewaltsame Attacke extrem anfällig machen, weil du jeden noch so kleinen Schritt genau mitkriegst. Schuldig hätte keine Probleme mit dir, er würde dich sehr schnell brechen. Und das kann schlimme Folgen haben, ich hab es schon ein paar Mal gesehen und wünsche mir, ich könnte es vergessen.“
 

Omi fragte gar nicht erst weiter nach.
 

Er hob seine Hand um auf seine Uhr zu sehen, bemerkte aber in diesem Moment, dass er sie wohl irgendwo verloren haben musste.
 

Er sah sich in dem Raum um, entdeckte aber auch dort keine Uhr.
 

„Wie spät ist es?“
 

Nagi sah auf seine Armbanduhr.
 

„Kurz vor vier. Warum...“
 

Er verstummte und krampfte sich dann zusammen.
 

Omi wollte ansetzten etwas zu sagen, doch Nagi bedeutete ihm still zu sein.
 

Nach einer Weile entspannte er sich wieder und lehnte sich gegen die Wand.
 

„Was war denn los?“
 

Omi klang ernsthaft besorgt.
 

„Schuldig. Er hat mit mir gesprochen, wir haben jetzt noch eine Besprechung. Zum Glück hat er meine Gedanken nicht gelesen, sonst hätten wir jetzt ein echtes Problem. Aber bei Mitgliedern von Schwarz ließt selbst er meistens nicht ohne Erlaubnis.“
 

Omi stand auf.
 

„Dann werde ich mal gehen.“
 

Er ging Richtung Tür.
 

Nagi sprang auf und hielt ihn an seinem gesunden Arm fest.
 

„Ich bringe dich schnell. Wo soll ich dich hinbringen?“
 

Omi konnte ihm ihr Versteck ja schlecht verraten, also sagte er: „Bring mich an die alte Kirche, von dort aus gehe ich allein.“
 

Nagi nickte und schloss die Augen.
 

Omi spürte, wie er sich langsam auflöste. Es war ein unangenehmes Kribbeln in seinem ganzen Körper und er fühlte, wie immer mehr von seinem Gewicht und seiner Masse verschwand, wobei es woanders wieder auftauchte. Er fühlte sich, als ob er zerrissen würde, obwohl es nicht wehtat, aber das machte ihm trotzdem Angst. Er wollte sich von Nagi losreißen, doch dieser hielt ihn fest.
 

„Keine Angst. Es ist ein bisschen komisch am Anfang, doch man gewöhnt sich schnell daran.“
 

Omi hatte immer noch Angst, blieb aber stehen. Er löste sich weiter auf und fühlte gleichzeitig, wie er sich an der alten Kirche materialisierte.
 

Er schrie erstickt auf, Nagi legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
 

„Gleich ist es vorbei.“
 

Dann verschwand er mit einem heftigen Ruck aus dem Raum und tauchte sofort an der Kirche wieder auf.
 

Von dem heftigen Ruck r noch aus dem Gleichgewicht gebracht, stürzte er hart zu Boden.
 

Er rieb sich sein schmerzendes Hinterteil, als ihm eine Hand entgegen gestreckt wurde. Er sah hoch in Nagis grinsendes Gesicht.
 

„Die Landung musst du aber noch üben!“
 

Omi lachte ebenfalls und ergriff die ausgestreckte Hand. Nagi zog ihn hoch und Omi sah ihn an. Blaue Augen trafen auf braune.
 

„Danke für alles, Nagi. Ich schulde dir was.“
 

„Lass stecken, ist schon gut. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder, außerhalb eines Einsatzes natürlich. Mit dir kann man sich unterhalten.“
 

Omi ließ seine Hand los.
 

„Ging mir auch so. Kannst dich ja mal melden.“
 

Er zwinkerte ihm zu und Nagi verstand.
 

„Okay, ich gehe dann mal.“
 

Er fing an, sich aufzulösen.
 

>Mach’s gut!<
 

„Du auch.“
 

Dann war Nagi verschwunden.
 

Omi seufzte leise und wandte sich in Richtung Hauptquartier um.
 

Jeder Schritt war schwer, er hatte bis jetzt nicht gemerkt, wie müde er war.
 

/Das kann ja heiter werden./
 

~*~*~*~*~*
 

Mittlerweile saßen die anderen von Weiß in der Küche ihres Hauptquartiers.
 

Ken lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch und hatte den Kopf in seinen Armen vergraben. Er weinte immer noch stark.
 

Youji strich ihm sanft über die Schultern und flüsterte beruhigende Worte in sein Ohr.
 

Er weinte selber leise.
 

Aya saß mit apathischem Blick daneben, er kämpfte noch immer gegen seine Tränen.

Plötzlich sah Youji zu ihm auf.
 

„Ich bringe Ken hoch, er ist völlig fertig. Bleib bitte hier, ich will noch mit dir reden.“
 

Er zog Ken mit sanfter Gewalt hoch und legte einen Arm um ihn.
 

„Komm mit, ich bringe dich hoch. Schlaf dich erst mal aus.“
 

Ken machte keine Anstalten, sich zu wehren, und so bugsierte Youji Ken die Treppe hoch.
 

Als er fünf Minuten später wieder in die Küche kam, sah er, dass an Ayas Wangen jetzt doch die Tränen hinunterliefen. Er setzte sich neben ihn und legte einen Arm um den Rotschopf.
 

Nun fing Aya richtig an zu weinen.
 

„Ich bin schuld… Ich hätte ihn niemals dort liegen lassen dürfen. Er hat noch gelebt, und ich habe ihn einfach im Stich gelassen! Was bin ich nur für ein Mensch? Ich habe ihn getötet! Ich ganz alleine...! Ich habe es schon wieder nicht geschafft, jemanden zu beschützen…“
 

Ihm versagte die Stimme.
 

Youji antwortete ihm sofort.
 

„Du hast richtig gehandelt. Hätten wir ihn geholt, wären wir alle nicht mehr rechtzeitig raus gekommen. Ich bin sicher, dass Omi nicht gewollt hätte, dass wir seinetwegen alle sterben…“
 

„Da hast du völlig Recht, Youji.“
 

Die beiden fuhren wie vom Blitz getroffen herum.
 

Omi stand müde lächelnd in der Tür.
 

Sie starrten ihn an, als wäre er ein Außerirdischer.
 

„Omi...? OMI!!!“
 

Youji war aufgesprungen und stürzte auf Omi zu. Er umarmte ihn heftig und sagte immer wieder seinen Namen. Die Tränen flossen wie Sturzbäche aus seinen Augen und Omi legte die Arme auch um ihn, streichelte beruhigend über seinen Rücken. Dabei sah er Aya müde an.
 

„Ich gebe Youji in allen Punkten Recht, Aya. Deine Reaktion war absolut richtig, und ich bewundere dich dafür. Ich hätte nie so schnell handeln können. Also mach dir keine Vorwürfe.“
 

Aya schüttelte heftig den Kopf.
 

„Ich habe dich trotzdem im Stich gelassen! Das ist unverzeihlich!“
 

„Blödsinn, wie du siehst, lebe ich ja noch. Ich nehme dir ganz bestimmt nicht übel, dass du drei von uns retten wolltest. Die Gruppe geht eindeutig vor. Und damit basta.“
 

Youji löste sich von ihm, sein Gesicht war rot geweint und Omi strich ihm die Tränen aus dem Gesicht.
 

„Hör bitte auf zu weinen, ich kann das nicht sehen.“
 

Omi zog ihn zum Tisch und drückte ihn auf einen Stuhl. Er setzte sich neben Aya und klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern.
 

„Und du auch. Weinen steht dir gar nicht.“
 

Er wartete, bis sich die beiden wieder beruhigt hatten.
 

Youji fasste sich als Erster.
 

„Wie hast du es geschafft? Ich meine, du lagst am Boden und... Wie bist du da raus gekommen?“
 

Vor genau dieser Frage hatte sich Omi gefürchtet. Er hatte ganz sicher nicht vor, ihnen die Wahrheit zu erzählen, denn bei ihrem nächsten Treffen mit Schwarz könnte Schuldig dann alles lesen und Nagi würde echte Probleme kriegen. Und das wollte er nicht. Ganz und gar nicht.
 

Plötzlich hatte er dir rettende Idee.
 

„Keine Ahnung. Ich kann mich an nichts erinnern nach Schuldigs Treffer. Und dann erst wieder, als ich eben vor unserer Tür aufgewacht bin. Wie lange ich dort lag und wie ich dort hinkam, weiß ich nicht. Scheint mir ja öfters so zu gehen…“
 

Er bemühte sich, einen verbitterten Ausdruck auf sein Gesicht zu bringen.
 

Youji und Aya starrten ihn an.
 

„Du hast keine Erinnerung? An gar nichts?“
 

Omi schüttelte traurig den Kopf. Das musste er gar nicht spielen, er fühlte sich wirklich schlecht. Immerhin log er seine Freunde gerade ziemlich an, und das tat ihm weh. Er log nicht gerne, er hasste es geradezu.
 

Er hoffte, dass seine Lüge glaubwürdig war, denn er konnte ihnen seine Rettung nicht erklären, es war zu gefährlich.
 

Er sah Youji an, glaubte er ihm?
 

Youji sah ihn noch einmal prüfend an, nickte dann aber.
 

Omi atmete innerlich auf.
 

„Derjenige, der dich gerettet hat, muss sich mit Wunden ausgekannt haben. Er hat dich verbunden.“
 

Aya stierte auf Omis nackten Arm. Verdammt, das hatte er ganz vergessen. Doch er senkte nur den Kopf zuckte mit den Achseln.
 

Youji sah auf die Uhr.
 

„Du solltest jetzt ins Bett gehen, Omi. Gut, dass du Ferien hast, sonst würdest du morgen in der Schule bestimmt einschlafen, und das würde bei einem kleinen Genie bestimmt keinen guten Eindruck machen. Gute Nacht, Kleiner.“
 

„Gute Nacht, ihr zwei.“
 

Omi ging zur Tür und schloss sie von außen.
 

Youji starrte auf die jetzt geschlossene Tür und zog eine Augenbraue nach oben.
 

„Entweder ist Omi wirklich fertig, oder er wollte schnell hier raus. Ich habe ihn Kleiner genannt und er hat nicht mal das Gesicht verzogen.“
 

Aya nickte.
 

„Ich glaube, er verschweigt uns etwas. Omi kann nicht gut lügen.“
 

„Aber warum denn? Was kann er denn erlebt haben, was er uns nicht sagen kann?“
 

Aya zuckte mit den Achseln.
 

„Keine Ahnung. Ich gehe jetzt auch ins Bett. Bis Morgen.“
 

„Bis Morgen. Wir haben morgen zusammen Dienst. Sei pünktlich, ja?“
 

Aya nickte und verließ den Raum.
 

Youji saß noch eine Weile dort und rauchte, holte sich dann ein Glas Wasser und ging in sein Zimmer.
 

~*~*~*~*~*
 

Omi lag in seinem Bett, er konnte trotz aller Müdigkeit nicht schlafen. Er fühlte sich echt mies.
 

Erst hatten die anderen sich Vorwürfe wegen ihm gemacht, und jetzt log er sie nach Strich und Faden an. Er hatte ihnen noch nie etwas verschwiegen, immer hatte er alles erzählt.
 

Auf einmal fiel ihm ein, dass er Ken noch gar nicht gesehen hatte. Er stand auf langsam auf und ging, sich überwindend, zu Kens Zimmer. Er wollte ihn zwar eigentlich nicht sehen, schon gar nicht in dieses Zimmer gehen, doch das konnte er nicht machen.
 

Er lauschte an der Tür.
 

Er hörte Ken leise schluchzen, er sagte immer wieder seinen Namen. Er klopfte an die Tür und das Gemurmel verstummte.
 

„…ja…“
 

Er hörte Kens zittrige Stimme.
 

Omi öffnete die Tür und betrat den dunklen Raum.
 

„Wer ist da?“
 

Omi holte tief Luft.
 

„Ich bin’s.“
 

Er hörte das Laken rascheln und gleich darauf ging die Nachttischlampe an.
 

„...Omi...?“
 

„Ja, ich bin’s.“
 

Kens Lippen fingen an zu zittern.
 

„Das kann nicht sein, du bist doch... Ich muss träumen...“
 

„Du träumst nicht, ich bin wirklich hier.“
 

Omi blieb in der Tür stehen und Ken stürzte auf ihn zu. Ihm liefen die Tränen die Wangen hinunter.
 

„OMI!!!“
 

Im nächsten Moment schloss er Omi in seine Arme und vergrub sein Gesicht in seiner Halsbeuge.
 

Omi erstarrte. Er befreite sich hastig aus Kens Armen.
 

„Omi, ich...“
 

Doch Omi fiel ihm müde ins Wort.
 

„Bitte Ken, lass uns morgen reden. Ich bin hundemüde und du bist es auch. Morgen können wir reden. Sei mir nicht böse, aber ich möchte nur noch schlafen. Ist das okay?“
 

Ken sah ihn mit verquollenen Augen an. Er nickte ein wenig traurig.
 

Omi drehte sich um.
 

„Gute Nacht, Ken.“
 

„Gute Nacht, Omi....“
 

Omi machte seine Tür hinter sich zu, lehnte sich dagegen und schloss die Augen.
 

Er wusste, dass Ken ihn liebte, er hatte es ihm selbst gesagt. Aber er hatte Ken klar machen müssen, dass er seine Liebe zwar akzeptierte, aber nicht erwiderte. Und er wusste genau, dass Ken in der Zeit, in der sie ihn für tot gehalten hatten, am meisten gelitten hatte.
 

Aber er wollte Ken auch nicht an sich heran lassen, er sollte sich keine Hoffnungen machen. Er hatte Omi schon einmal überwältigt, hätte ihn fast vergewaltigt, wenn Youji ihn nicht davon abgehalten hätte.
 

Omi hatte es zwar fast überwunden, ging aber seitdem immer auf Abstand. Er hatte Angst vor Ken, er war so viel stärker als er. Eben die Konfrontation hatte ihn schon Überwindung gekostet.
 

Er stieß sich von der Tür ab und legte sich zurück in sein Bett. Allmählich döste er weg.
 

>Omi? Schläfst du schon?<
 

Er hörte Nagis Stimme in seinem Kopf und fuhr hoch.
 

/Nein, ich wollte gerade einschlafen. Ich habe ihnen nichts erzählt, ich fand es zu gefährlich. Wenn sie es wüssten und Schuldig würde ihre Gedanken lesen, würdest du doch großen Ärger bekommen, oder?/
 

>Ja, würde ich, und nicht zu knapp. Danke, das war echt nett von dir.<
 

/Das war ja wohl selbstverständlich. Was möchtest du denn von mir?/
 

>Ich wollte mich vielleicht mal mit dir treffen. Du hast Talent für die Telepathie und ich könnte es dir beibringen. Hast du Lust und Zeit?<
 

Omi war sofort begeistert. Zum einen wollte er gerne die Telepathie erlernen, andererseits wollte er Nagi auch wiedertreffen.
 

/Klar! Wie wäre es mit morgen, um vier Uhr im Park?/
 

>Okay. Ich lasse dich jetzt schlafen. Gute Nacht!<
 

/Dir auch, bis morgen!/
 

Nagi erwiderte nichts mehr und Omi legte sich entspannt zurück. Jetzt freute er sich auf morgen und schließlich schlief er doch ein.
 

~*~*~*~*~*

Chapter 02

~*~*~*~*~*
 

Am nächsten Tag erwachte Omi erst um ein Uhr mittags. Er streckte sich und gähnte herzhaft, bevor er aufstand.
 

Er warf einen Blick in den Spiegel und befand, dass er duschen gehen sollte. Seine Haare waren total zerzaust und klebten. Er fühlte sich ziemlich schmutzig und schnappte sich sein Handtuch.
 

Omi ging ins Bad und verschloss die Tür sorgfältig, bevor er den Verband von seinem Arm abwickelte.
 

Er riss erstaunt die Augen auf, denn die Wunde war nicht mehr zu sehen.
 

Wie war das denn möglich? Aber eigentlich egal, um so besser, er konnte ja Nagi fragen.
 

Der Blondschopf ließ sich Zeit beim duschen. Als er fertig war, trocknete er sich ab und föhnte seine Haare trocken. Dann putzte er seine Zähne, zog seine bequemsten Klamotten an und verließ das Bad. Er schloss die Tür hinter sich und wandte sich um, als er plötzlich mit jemandem kollidierte.
 

Omi prallte an dem harten Körper ab und wäre mit voller Wucht auf den Boden geknallt, wenn Ken ihn nicht aufgefangen hätte.
 

Omi verhielt sich in einer Sekunde des Schrecks ganz still, dann drückte er fast panisch gegen Ken.
 

„Lass mich runter! Bitte lass mich los!“
 

Ken setzte ihn hastig auf dem Boden ab und wich einen Schritt zurück.
 

„Es tut mir Leid, ich habe dich nicht gesehen!“
 

Omi stand auf und sah Ken ins Gesicht, er war rot angelaufen. Ihm tat seine heftige Reaktion sofort ein bisschen leid.
 

„Die anderen haben mir erzählt, dass du alles nach Schuldigs Treffer vergessen hast. Stimmt das wirklich?“
 

Omi nickte stumm. Er drehte sich um und wollte in sein Zimmer zurückgehen, doch Ken hielt ihn am Handgelenk fest.
 

Omi fuhr herum und starrte Ken ängstlich an.
 

Der ließ seinen Arm sofort wieder los, als hätte er sich verbrannt.
 

„Du sagtest, wir könnten heute reden...“
 

„Du weißt doch jetzt alles, oder? Was willst du denn noch reden?“
 

Ken sah zur Seite.
 

„Das weißt du genau…“
 

Omi machte einen Schritt rückwärts, drehte sich dann blitzschnell um, rannte in sein Zimmer zurück und schlug die Tür hinter sich zu. Er sank daran hinab und legte den Kopf auf seine Knie.
 

Er war Ken gegenüber unfair gewesen, das wusste er. Er hasste es, ihm weh zu tun, aber was sollte er denn tun? Er erwiderte Kens Gefühle nicht!
 

…hoffentlich würde Ken jemand anderen finden, das wäre für sie beide besser.
 

Er wartete noch fünf Minuten, bis er sich sicher sein konnte, dass Ken gegangen war, und ging dann in die Küche. Er machte sich einen Kakao und setzte sich mit einem Brötchen an den Tisch.
 

Schnell hatte er sein Frühstück hinunter geschlungen und räumte sein Geschirr in die Spülmaschine. Dann ging er in den Laden hinunter.
 

Aya und Youji machten gerade eine Kaffeepause. Als die Tür aufging sahen sie auf.
 

„Ohayo Aya, ohayo Youji.“
 

Youji lächelte ihn an.
 

„Ohayo Omi. Ausgeschlafen? Wie geht es deiner Wunde?“
 

Omi zögerte kurz, rollte dann jedoch sein weites Hemd an dem Arm hoch, wo die Wunde gewesen war.
 

Youji keuchte und Aya sprang auf.
 

„Was soll das denn? Wo ist die Wunde?!“ Er packte Omi fest am Arm.
 

„Du tust mir weh, Aya! Lass los!“
 

Omi versuchte seinen Arm aus Ayas Griff zu befreien, doch dieser hielt ihn eisern fest.
 

„Was ist gestern passiert?! Ich bin sicher, du weißt etwas!!“
 

Omis Herz machte einen Satz und schlug dann in doppelter Geschwindigkeit weiter.
 

Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
 

Youji stellte sich hinter Aya und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
 

„Lass das, Aya. Wenn er sagt, dass er es nicht weiß, ist es auch so. Oder hast du Omi jemals lügen hören? Also, ich vertraue ihm.“
 

Ayas Augen wurden nach einem Augenblick, in denen Youjis Worte auf ihn wirkten, ein wenig sanfter und er ließ Omi schließlich los.
 

„Du hast schon Recht. Entschuldige, Omi.“
 

Omi sah zu Boden, dann drehte er sich um und rannte in sein Zimmer zurück.
 

Er ließ sich schluchzend auf sein Bett fallen, krallte sich in seinem Laken fest und ließ seinen Tränen freien Lauf.
 

Das war zu viel für ihn gewesen. Aya glaubte ihm nicht, und Youji vertraute ihm blind. Er log sie alle an, und Omi hatte noch nie in seinem Leben gelogen. Er fühlte sich so schlecht wie noch nie zuvor.
 

Er lag sehr lange dort, bis er den Kopf hob und auf die Uhr sah.
 

Es war bereits halb vier.
 

Omi sprang hastig auf und stürzte ins Bad, um sein Gesicht zu waschen. Dann schnappte er sich seine Jacke und raste dann die Treppe hinunter.
 

Youji saß in der Küche und trank eine Tasse Kaffee.
 

Omi rannte an ihm vorbei.
 

„Ich gehe weg, bin aber abends wieder da! Tschüss!“

Damit fegte er zur Tür raus.
 

Unten im Blumenladen wiederholte er dasselbe noch mal für Aya, dann stürmte er in Richtung Park davon.

Auf halbem Weg dorthin, hörte er Nagi.
 

>Hallo Omi. Ich bin schon im Park und habe einen guten Platz zum Üben gefunden. Kommst du zum See? Am Ufer ist man ein wenig geschützt von den Blicken der Spaziergänger.<
 

/Klar, bin gleich da!/
 

Omi bog gerade um die letzte Ecke und konnte gleich darauf den See sehen, die Mitte des Parks.

Er entdeckte Nagi nicht gleich, doch dann sah er ihn am Ufer liegen. Er hatte die Augen geschlossen und hörte leise Musik aus einem Discman, den er in der Tasche hatte.
 

Die Hände unter dem Kopf verschränkt und die Beine übereinander geschlagen, sah er aus wie ein ganz normaler Junge. Omi bemerkte Nagis zierliche dünne Finger und seinen schmalen schlanken Körper.
 

Er sah auch auf sein Gesicht. Die Gesichtszüge waren sehr fein und klar, das Gesicht selbst wohlgeformt. Alles war gut proportioniert. Die perfekt geschwungenen Augenbrauen waren ziemlich schmal, was ihm ein feminines Aussehen gab. Braune, dichte Haare rundeten das Bild ab. Nagi war richtig hübsch.
 

„Findest du?“
 

Omi schrak heftig zusammen, er hatte Nagi nicht in seinen Gedanken gespürt. Er lief knallrot an und Nagi lachte.
 

Er nahm die Kopfhörer ab, setzte sich auf und sah zu Omi hoch.
 

„Musst du gerade denken. Hast du noch nie in den Spiegel geschaut? Du bist mindestens so hübsch wie ich, eher noch mehr.“
 

Das konnte Omi gar nicht finden. Ihm wurde zwar oft gesagt, er sei süß, aber hübsch fand er sich gar nicht.
 

Er ließ sich, immer noch rot im Gesicht, neben Nagi fallen.
 

„Ich habe dich gar nicht in meinen Gedanken gespürt. Warst du noch vorsichtiger als gestern?“
 

Nagi schüttelte den Kopf.
 

„Nein, du hast dich nicht darauf konzentriert. Wenn du wachsam gewesen wärst, hättest du es sicher mitbekommen.“
 

Omi nickte beschämt.
 

Er hatte wirklich nicht darauf geachtet, er war damit beschäftigt gewesen, Nagi zu betrachten.
 

Dieser lächelte.
 

„Sollen wir anfangen?“
 

Omi reagierte zuerst gar nicht.
 

„Omi?“
 

Der Angesprochene schaute ihn jetzt an und nickte hastig.
 

“Ist irgendetwas?”
 

Omi schüttelte heftig den Kopf.
 

„Nein!“
 

Nagi sah ihn schief an.
 

„Du kannst nicht lügen…“
 

In Omis Augen trat plötzlich Traurigkeit.
 

„Das habe ich heute schon mal gehört...“
 

Nagi sah ihn fragend an.
 

„Willst du es mir erzählen? Oder kannst du nicht darüber reden?“
 

Omi sah in diese sanften braunen Augen. Es interessierte ihn wirklich, das wusste Omi als er in Nagis Gesicht sah.
 

„Wenn du willst, kannst du es lesen, ich erlaube es dir. Aber nur darüber, versprochen?“

Nagi sah ihn ernst an.
 

„Das ist klar. Du weißt doch, dass ich nur so weit gehe, wie du es erlaubst. Ich verspreche es dir.“
 

Im nächsten Moment spürte Omi Nagi schon in seinen Gedanken.
 

Er ließ ihn alles lesen, über Youjis Vertrauen ihm gegenüber, über Ayas Misstrauen, das ja nicht unbegründet war, über Ken und seine Liebe zu ihm. Auch, dass Ken ihn damals überwältigt hatte und seine panische Angst vor einem zweiten Mal.
 

Dann tat Omi plötzlich etwas, das Nagi niemals gedacht hätte. Er öffnete seine Empfindungen für ihn.
 

Er sah Omi entsetzt an.
 

„Das lässt du zu? Du willst mich wirklich dahin lassen?“
 

Omi nickte schüchtern.
 

„Ich glaube, dass du meine Gefühle verstehen könntest. Einem anderen würde ich das nicht erlauben.“
 

>Hast du dir das wirklich überlegt? Ich bin immer noch dein Feind...< bemerkte Nagi, auf Gedankensprache umschaltend.
 

Omi schüttelte den Kopf.
 

„Ich sehe dich nicht als solchen. Nicht am Tag.“
 

Nagi lächelte warm.
 

>Ich dich auch nicht. Nicht mehr…<
 

Dann betrat er die tiefere Ebene.
 

Omis Empfindungen wirbelten nur so um ihn herum. Er schien völlig durcheinander und hatte das totale Gefühlschaos. Nagi erkannte Trauer, Angst, Zweifel, Reue, Selbsthass. Aber auch Freude und Wärme, die im Moment jedoch nicht besonders stark vorhanden waren. Angst und Trauer waren die überlegenen Gefühle und Nagi erforschte zuerst die Trauer. Er schleuste sich in dieses Gefühl ein und verstand jetzt auch, warum Omi sich so schlecht fühlte. Er hätte nicht gedacht, dass es jemanden geben könnte, der so stark auf andere Menschen achtete und versuchte, es ihnen allen recht zu machen. Deshalb machte es Omi auch so viel aus, die anderen von Weiß zu belügen…
 

Nagi wandte sich von diesem Gefühl ab und beschäftigte sich dann mit der Angst. Als er dieses Gefühl anzapfte, rauschten Tausende von Bildern an ihm vorbei, alles Momentaufnahmen aus Omis Leben. Auf einigen Bildern erkannte er Ken, der... Nagi erschrak, als er erkannte, was Ken Omi auf den Bildern antat. Er hatte es zuerst nicht richtig gesehen, die Bilder wirbelten sehr schnell an ihm vorbei.
 

/Halt, Nagi! Hör auf, nicht weiter! Bitte!/
 

Auf einmal wurde Nagi sich bewusst, was er sich da ansah, und er schreckte zurück. Omi hatte natürlich alles mitbekommen und noch einmal miterlebt.
 

Nagi zog sich langsam zurück, er wollte sich nicht mit einem Ruck lösen, denn das würde Omi vielleicht erschrecken.
 

Als er wieder auf der normalen Gedankenebene war, zog er sich ganz zurück.
 

Omi saß zitternd und weinend vor ihm.
 

Nagi sah es bestürzt, schlang kurzerhand die Arme um ihn und zog ihn an sich. Omi saß jetzt in seinem Schoß und Nagi drückte ihn an seine Brust.
 

„Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht öffnen sollen. Ich...“
 

Doch Omi schüttelte den Kopf.
 

„Ich habe dir erlaubt, dort hin zu gehen, das ist es nicht.“ Seine Stimme war tränenerstickt.
 

Nagi drückte ihn noch fester an sich und streichelte sanft seine Schultern.
 

„Was dann?“
 

Omi lehnte sich zögernd an ihn.
 

„Das ich es immer noch nicht überwunden habe.“ ,wisperte er kaum hörbar. „Ich bin schwach... so verdammt schwach. Und ich benehme mich schlimmer als ein kleines Kind. Selbst ein solches würde mit so etwas klarkommen, und ich heule dir jetzt die Ohren voll.“
 

Er wollte sich von Nagi lösen, doch dieser hielt ihn fest.
 

„Erstens: Das macht mir nichts aus und zweitens: Was du da sagst ist Quatsch. Du bist nicht schwach, ganz im Gegenteil. Dass du trotzdem ‚normal’ weiterlebst, mit dieser Erinnerung und demjenigen, der dir das angetan hat, zeigt, wie stark du bist. Und mit so was kommt niemand einfach so klar.“
 

Omi sah jetzt hoch in Nagis Gesicht, in seine schönen braunen Augen.
 

In ihnen lag die pure Ehrlichkeit, er log ihn nicht an. Er meinte jedes einzelne Wort so, wie er es sagte, das wurde Omi jetzt klar.
 

Er lächelte ihn an.
 

„Danke, Nagi.“
 

Nagi lächelte zurück.
 

>Sollen wir jetzt anfangen?<
 

Omi nickte.
 

Es war schon sieben, als sich Omi von Nagi verabschiedete.
 

Er winkte ihm noch einmal zu und lief dann schnell nach Hause.
 

Omi hatte es tatsächlich geschafft, ein paar Gedanken von Nagi zu lesen. Auch hatte er ihm antworten können, als Nagi mit ihm in Omis Kopf gesprochen hatte. Sie hatten sich gegenseitig versprochen, ihre Fähigkeiten niemals gegen den jeweils anderen zu richten, und Omi war froh darüber. Außerdem hatte er Nagi versprechen müssen, seine Kräfte so wie er einzusetzen, also nie zum Schaden anderer Leute. Außerhalb einer Mission natürlich.
 

Als er wieder im Blumenladen angekommen war, wollte Aya gerade schließen. Omi schlüpfte noch hinein, ehe Aya das Rollo herunterließ.
 

„Wo warst du?“
 

Aya sah ihn prüfend an.
 

Wieder fing Omis Herz schneller an zu schlagen.
 

„Im Park, spazieren.“
 

Das war eigentlich nicht gelogen. Jedenfalls nicht das mit dem Park.
 

Er drückte sich an Aya vorbei und lief die Treppe zur Wohnung hoch. Das Abendbrot stand schon auf dem Tisch und Ken räumte gerade die Messer aus der Schublade.
 

Na toll.
 

Omi ging schnell an ihm vorbei, setzte sich auf den Platz, der am weitesten von Ken entfernt war und senkte seinen Blick. Er wollte Ken nicht ansehen und schon gar nicht mit ihm sprechen.
 

Dieser setzte sich plötzlich neben ihn.
 

Omi bemerkte es sofort und rutschte auf seinem Stuhl so weit wie möglich von ihm weg.
 

Ken legte ihm eine Hand auf die Schulter.
 

„Bitte, Omi...“
 

Doch Omi war aufgesprungen und starrte Ken mit ängstlichem Blick an.
 

„Fass mich nicht an! Nie wieder!“
 

Ken sah ihn verzweifelt an, sprang ebenfalls auf und rannte aus dem Raum.

Er wäre auf der Treppe fast mit Youji kollidiert, wenn dieser ihm nicht im letzten Moment ausgewichen wäre.
 

„Hey, Ken! Ken! Wo willst du hin?“
 

Doch Ken rauschte ohne ein Wort an ihm vorbei, Youji meinte in seinen Augen Tränen erkannt zu haben.

Er lief die Treppe runter und traf in der Küche auf Omi.
 

Jetzt war ja alles klar.
 

Omi stand immer noch in Abwehrhaltung in der Küche, doch er hatte den Kopf gesenkt. Als Youji ihn ansprach, schreckte er hoch.
 

„Was hat er gemacht?“
 

Omi antwortete nicht, sondern warf sich Youji in die Arme. Er konnte seine Tränen jetzt nicht mehr zurückhalten.
 

„Er lässt mich einfach nicht in Ruhe! Er will ständig mit mir reden, ich will aber nicht mit ihm sprechen! Und ich liebe ihn verdammt noch mal nicht! Ich will ihn auch nicht verletzten, aber was soll ich sonst machen? Warten, bis er noch mal über mich herfällt?!“
 

Youji schlang die Arme um ihn und strich ihm langsam und beruhigend über den Rücken.
 

„Vielleicht solltest du wirklich mal mit ihm reden?“
 

Omi schüttelte panisch den Kopf.
 

„Nein! Und schon gar nicht alleine! Mit ihm allein in diesem Raum... ohne mich!“
 

„Und wenn ich mitkomme?“
 

Omi sah vorsichtig zu ihm hoch.
 

„Das würdest du tun?“
 

Youji nickte.
 

„Aber nur zum Aufpassen. Reden musst du schon selber.“
 

Omi zögerte noch einen Moment, stimmte dann aber, wenn auch widerwillig, zu.
 

„…Okay...“
 

Youji ließ ihn los und Omi wischte sich über sein Gesicht.
 

„Ich gehe ihn jetzt holen, du bleibst hier.“
 

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und wurde prompt durch Aya ersetzt, der soeben von der anderen Seite den Raum betrat.
 

Omi setzte sich zurück an den Tisch und Aya sich neben ihn, wo sie schweigend zu essen begannen.
 

Nach etwa fünf Minuten kam Youji, die Hände auf Kens Schultern gelegt, wieder in die Küche zurück.

Ken sah Omi nicht an und umgekehrt auch nicht. Youji drückte ihn auf den Stuhl Omi gegenüber und setzte sich neben diesen.
 

Er begann auch zu essen und verwickelte Aya dabei in ein Gespräch. Oder zumindest versuchte er es. Der Rotschopf antwortete ihm mit hm’s und hn’s, manchmal sogar mit ja und nein, doch er selbst sagte eigentlich eher weniger.
 

Ken hatte den Kopf gesenkt und machte keine Anstalten etwas zu essen.
 

Als alle anderen fertig waren, räumte Aya freiwillig den Tisch ab und die restlichen gingen nach oben, um ihr Vorhaben durchzusetzen.
 

Sie gingen in Omis Zimmer, dort war es ihm angenehmer.
 

Beide setzten sich an den kleinen Tisch gegenüber, Youji setzte sich zwischen sie. Omi sah Ken möglichst fest in Augen, doch dieser hielt seinem Blick nicht Stand und senkte den Kopf.
 

„Omi, ich kann verstehen, dass du Angst vor mir hast, aber vielleicht glaubst du mir ja trotzdem. Es tut mir Leid, was ich dir angetan habe, so Leid... Ich habe es total verbockt und dich verletzt. Dabei liebe ich dich doch! Ich weiß nicht, was damals in mich gefahren ist, bitte glaube mir!“
 

Er sah auf. Omis Miene war eine Spur weicher als zuvor.
 

„Das beruht aber nicht auf Gegenseitigkeit, Ken, und das weißt du auch. Und ich glaube das, was du sagst. Aber ich habe Angst vor dir und dem, was du mir antun könntest, du bist so viel stärker als ich. Das musst du jetzt verstehen. Und ich bitte dich, wir können Freunde sein, aber nicht mehr. Akzeptiere das bitte, ansonsten leiden wir beide darunter. Ich kann nun mal an meinen Gefühlen nichts ändern, und ich will dir nicht wehtun.“
 

Omi wartete angespannt auf Kens Reaktion und hoffte, dass er ihn endlich verstehen würde.

Nach einem kurzen Schweigen antwortete Ken endlich.
 

„Ich kann an meinen Gefühlen für dich auch nichts ändern Omi, aber ich werde deine Entscheidung akzeptieren und versuchen, dich nicht mehr zu bedrängen.“
 

Er stand mit gesenktem Kopf auf.
 

„Es ist wohl für uns beide besser, wenn ich jetzt gehe...“
 

Mühsam die Tränen zurückhaltend, verließ Ken den Raum; sein Herz fühlte sich an, als ob es jeden Moment in tausend Stücke zerspringen würde.
 

Omi saß verzweifelt immer noch am Tisch und seine Augen stierten auf den Tisch, obwohl er diesen gar nicht ansah.
 

Er hatte Ken tief verletzt, und er machte sich Vorwürfe deswegen.
 

„Omi?“
 

Omi sah hoch in Youjis Augen, tiefes blau traf auf katzengrün.
 

„Du hast es richtig gesagt, es war gut so. Ich glaube, er hat es jetzt endlich verstanden.“
 

Omi nickte schwach, das hoffte er wirklich.
 

Youji erhob sich.
 

„Ich gehe noch mal runter, vielleicht ist Aya noch da. Ich muss noch mit ihm reden. Ach ja, du bist morgen dran mit arbeiten, sei pünktlich, ja? Gute Nacht, Omi.“
 

„Ich werde da sein. Gute Nacht, Youji.“
 

Er verließ den Raum.
 

Omi ging zu seinem Bett und ließ sich darauf fallen.
 

Er brauchte jemandem, mit dem er ganz offen reden konnte. Und er hoffte, dass ihn diese Person jetzt hören würde.
 

Omi konzentrierte sich und dachte an alles, was ihm Nagi über das Kommunizieren auf gedanklicher Ebene beigebracht hatte, dann versuchte er es.
 

>Nagi? Nagi, hörst du mich? Ich bin’s, Omi!<
 

Zuerst dachte er, dass es nicht geklappt hatte, doch dann antwortete ihm Nagi.
 

>Toll, du hast es geschafft! Ist es dir schwer gefallen?<
 

Omi lächelte.
 

>Nein, eigentlich nicht. Du bist eben ein guter Lehrer. Hast du morgen wieder Zeit?<
 

Nagi schien kurz zu überlegen, dann antwortete er.
 

>Ja, gerne! Gleicher Ort, gleiche Zeit?<
 

>Kannst du auch später? So gegen halb Acht? Es ist ja bis zehn Uhr hell. Ich muss morgen bis sieben arbeiten. Okay?<
 

>Ja, geht klar! Ich werde da sein. Was arbeitest du denn?<
 

Omi druckste herum.
 

>…hm… na ja, also äh… das hat mit Weiß zu tun...<
 

>…Oh… tut mir leid, ich wollte nicht...<
 

>Schon gut, konntest du ja nicht wissen. Also dann, bis Morgen! Ich freue mich schon darauf!<
 

>Ich mich auch. Bis Morgen!<
 

Omi kappte die Verbindung und stellte fest, dass ihn dieses Gespräch irgendwie angestrengt hatte. Aber das war es wert, er würde Nagi wiedersehen.
 

Irgendwie fühlte er sich in seiner Gegenwart sehr wohl und zu Nagi hingezogen. Er fühlte mehr für ihn als für ein Mitglied von Weiß. Und das verwirrte ihn. Nagi war sehr nett zu ihm, sie waren wie Freunde. Oder waren sie Freunde?
 

Omi hatte noch nie einen echten Freund gehabt, er hatte sich auch eigentlich nie nach einem solchen gesehnt. Aber von Nagi wünschte er sich, sie wären offiziell keine Feinde, das würde alles leichter machen…
 

Nagi war so... anders als alle, die er bis jetzt kennen gelernt hatte. Er war nicht mit ihm in einer Gruppe, die ihn zwang, mit ihm zusammen zu sein. Sie waren sich gegenüber zu nichts verpflichtet.
 

Und doch wusste Nagi mehr von ihm als jeder andere. Er kannte seine Gedanken und seine Empfindungen. Und vielleicht würde er Omi irgendwann auch seine Empfindungen öffnen.
 

Omi vertraute ihm jedenfalls, was bei ihm recht selten war. Er war kein Mensch, der anderen schnell vertraute. Er vertraute allen Mitgliedern von Weiß, sogar Ken, wenn auch nicht so unerschütterlich wie Youji und Aya.
 

Aber Nagi hatte er sehr schnell vertraut, nachdem er ihn außerhalb einer Mission kennengelernt hatte. Er hatte keine Zweifel dabei gehabt, ihm erst seine Gedanken und dann seine Gefühle offen zu legen. Irgendwie hatte er gewusst, dass Nagi nicht weiter gehen würde als er es ihm erlaubt hat, und dass er ihn verstehen würde.
 

Er mochte Nagi sehr. Und er glaubte, dass das bei Nagi auch so war.
 

Doch jetzt war er ziemlich müde, und seine Gedanken konnte er ja auch noch morgen fortsetzten. Er schlief schon nach wenigen Minuten ein.
 

~*~*~*~*~*

Chapter 03

~*~*~*~*~*
 

Die nächsten Wochen vergingen ziemlich ereignisreich, Omi traf sich sehr oft mit Nagi. Er fühlte sich mit jedem Tag wohler in Nagis Gegenwart, freute sich schon am Abend auf das nächste Mal, wenn sie sich wieder treffen konnten. Auch wurde er immer besser im Gedankenlesen und Kommunizieren, und auch das Teleportieren hatte er schon bald richtig gut drauf.
 

An diesem Tag saß er mal wieder Nagi gegenüber im Park.
 

Nagi versuchte schon seit fünf Minuten in Omis Gedanken zu dringen, schaffte es aber auch nicht mit Gewalt. Schließlich gab Omi ihm den Rest, indem er ihn kurzerhand aus seinen Gedanken hinaus katapultierte.
 

Nagi sah ihn verblüfft lächelnd an.
 

„Wow. Du bist jetzt schon stärker als ich, obwohl wir erst seit ein paar Wochen üben. Du bist echt erstaunlich. Wenn du noch weiter trainiertst, bist du bald stärker als Schuldig.“
 

Omi schaute ihn überrascht an.
 

„Stärker als der? Das glaube ich ja nie!“
 

„Doch, du hast das Zeug dazu.“
 

Omi legte lachend seinen Kopf in den Nacken.
 

„Ist schon eine lustige Vorstellung: Ich, der Kleine von Weiß, besiegt den großen Schuldig von Schwarz. Der würde bestimmt ziemlich blöd kucken...“
 

Omi schloss die Augen und stellte sich das Bild vor. Dabei verlor er sein Gleichgewicht und landete auf den Rücken. Er stieß sich dabei den Kopf schmerzhaft auf dem Grasboden.
 

„Au!“
 

Nagi war sofort über ihm.
 

“Was ist denn?“
 

Omi rieb sich den Kopf.
 

„Nichts, ich hab mich nur gesto...“
 

Er stockte. Nagis Gesicht war nur ein ganz kleines Stückchen von seinem eigenen entfernt.

Sie sahen sich in die Augen, blau traf auf braun. Nagi näherte sich immer weiter Omis Gesicht, bis seine Lippen die von Omi berührten.
 

Ganz leicht und nur flüchtig streiften Nagis Lippen Omis Mund, bevor er gleich darauf seinen Kopf wieder etwas anhob.
 

„Ai shiteru.“
 

Er senkte erneut seinen Kopf überwandt den letzten Abstand wieder, schloss die Augen und seine Lippen berührten Omis erneut, diesmal sicherer.
 

Augenblicklich schoss eine nie gekannte Hitze durch Omis Körper. Er machte keine Anstalten, sich zu wehren, irgendwie fühlte sich das gut an.
 

Er schloss auch die Augen und erwiderte den Kuss schwach. Nagi strich ihm ermutigend über einen Arm und Omi bewegte seine Lippen gegen Nagis.
 

Er genoss das Gefühl von weichen Lippen auf seinen eigenen, seine Gedanken schalteten sich völlig ab.
 

Dann löste sich Nagi langsam von Omi.
 

Dieser atmete schwer und richtete sich auf.
 

Plötzlich wurde ihm bewusst, was er da eben gemacht hatte. Er hatte einen Jungen geküsst! Na ja, eigentlich war er geküsst worden, Nagi hatte ja angefangen…
 

Er sah ihm wieder in die Augen und sah dort Unsicherheit aufglimmen.
 

„War das... okay für dich? Ich hätte nicht so über dich herfallen sollen... Es ist einfach über mich gekommen... “
 

Aber Omi schüttelte den Kopf.
 

„Es war in Ordnung. Es hat mir ja gefallen...“
 

Er konnte Nagi aufatmen sehen.
 

„Ja? Echt?“
 

Omi lachte.
 

„Ja, echt. Sonst hätte ich es ja nicht erwidert, oder? Und... du hast das ernst gemeint? Du liebst mich?“
 

Nagi wurde rot, dann nickte er heftig mit dem Kopf.
 

Omi sah ihn nachdenklich an.
 

Liebte er Nagi auch? Der Kuss hatte ihm gefallen, sehr sogar, aber wollte er auch mehr?
 

Nagi sah ihn ängstlich an.
 

Omi seufzte leise.
 

„Nagi, ich weiß nicht, ob ich dich auch liebe. Aber du kannst mir helfen, es herauszufinden.“
 

Mit diesen Worten rollte er sich über Nagi und legte seine Lippen sanft auf Nagis weichen Mund.

Wieder loderte diese Hitze in ihm auf, trieb ihn weiter.
 

Er strich zärtlich mit seiner Zunge über Nagis Lippen, bis dieser seine ein wenig öffnete. Omi drückte vorsichtig seine Zunge in Nagis Mund, erkundete sachte seine Mundhöhle.
 

Nagi erwiderte den Kuss zögernd, suchte mit seiner Zunge Omis. Er strich langsam daran entlang, bis sich ihre Zungenspitzen trafen.
 

Das Gefühl war intensiv, sehr intensiv. Ein Gefühl wie ein Elektroschock fuhr durch beide Körper. Aber es fühlte sich verdammt gut an, besser als Omi sich einen Zungenkuss immer vorgestellt hatte.
 

Er wollte am liebsten für immer so verweilen, wollte das Gefühl für immer behalten, doch als ihm die Luft ausging, löste er keuchend den Kuss.
 

Als er wieder zu Atem gekommen war, sah er Nagi tief in die Augen.
 

„Ich liebe dich auch.“
 

Nagi lächelte ihn sanft an und Omi lächelte zurück.
 

Dann schlang Nagi seine Arme und Omis Körper und drückte den Älteren an seine Brust.
 

Omi lehnte sich entspannt gegen Nagi und genoss seine Wärme, seinen Geruch.
 

Nagi roch gut, irgendwie eine Mischung aus süßen Früchten und eben Nagi.
 

Omi atmete tief ein und schloss die Augen.
 

Wie lange sie so da gesessen hatten, hätte Omi ohne seine Uhr nicht sagen können, denn er hatte das Zeitgefühl total verloren.
 

Doch irgendwann öffnete er seine Augen wieder und sein Blick fiel auf seine Armbanduhr.
 

„Oh Mist, ich muss jetzt los. Sonst machen sich die anderen noch ‚Sorgen’…“
 

Er rollte mit den Augen und stand auf. Nagi erhob sich ebenfalls und blickte Omi an.
 

Dieser sah zurück, zog Nagi an sich und küsste ihn noch einmal.
 

„Tschüss, ich melde mich, ja?“
 

„Okay, ich warte darauf.“
 

Mit diesem Worten teleportierte sich Nagi davon.
 

Omi hätte das auch tun können, doch er ging zu Fuß, er wollte in Ruhe über alles nachdenken.
 

Langsam ging er auf den Ausgang zu, tief in seine Gedanken versunken.
 

War das alles wirklich gewesen?
 

Nagi liebte ihn?
 

Der perfekte, wunderschöne Nagi, gegen den er sich so unvollkommen und plump fühlte?
 

Und überhaupt, er liebte einen Jungen! Er hatte soeben seinen ersten richtigen Kuss mit einem Jungen gehabt, mit dem er eigentlich gar nichts zu tun haben dürfte, und es kümmerte ihn gar nicht! Es war ihn ehrlich gesagt völlig egal, was und wer Nagi war, er wusste nur, dass er ihn liebte.
 

Eigentlich hatte Omi nicht gedacht, dass er schwul war. Aber auch das war ihm eigentlich egal, denn das war absolut normal und nichts Außergewöhnliches.
 

Aber was ihm nicht egal war, war das, was seine Freunde dazu sagen würden, wenn sie herausfänden, dass er mit Nagi Naoe von Schwarz zusammen war.
 

Waren sie überhaupt zusammen?
 

Sie hatten sich ihre Liebe gestanden und sich geküsst, aber waren sie jetzt fest zusammen? Omi hatte keine Ahnung von solchen Dingen, er hatte noch nie eine richtige Beziehung gehabt.
 

Immer noch in Gedanken öffnete er die Tür zum Blumenladen, es war erst halb sieben, und trat hinein.

Aya hatte mit Ken Dienst und Omi grüßte beide kurz. Dann ging er zur Treppe und wollte gerade hoch laufen, als er Ayas Stimme hörte.
 

„Wo warst du?“
 

Omi drehte sich um und sah in Ayas Augen. Seine Stimme hatte neutral geklungen, doch in seinen Augen flackerte Misstrauen.
 

Omi holte tief Luft.
 

„Das geht dich gar nichts an, Aya. Ich frage dich ja auch nie, wo du hingehst. Also lass die Fragerei bitte.“
 

Auch seine Stimme klang neutral, aber ungewöhnlich fest. Mit diesen Worten ging er die Treppe nach oben und stürzte in die Küche, wo er prompt auf Youji traf.
 

Er sagt kurz: „Hallo.“ und wollte dann direkt weiter in sein Zimmer, doch Youji hielt ihn zurück.
 

„Setz dich mal.“
 

Omi zögerte kurz, tat dann aber, wie ihm geheißen.
 

Youji setzte sich ihm gegenüber und stützte die Ellenbogen auf den Tisch.
 

„Ich möchte ja nicht aufdringlich sein, aber wir machen uns langsam Gedanken um dich. In den letzten Wochen warst du so anders als sonst, angefangen mit dem Tag nach der Explosion. Was ist an dem Tag passiert? Bitte, sag es mir doch, ich bin mir sicher, dass du etwas weißt.“
 

Omi wandte den Blick ab und schwieg. Also hatte Youji ihm auf nicht geglaubt.
 

„Omi.“
 

Der Blondschopf drehte ihm seinen Blick wieder zu, Tränen standen in seinen Augen, und er sah in Youjis katzengleiche.
 

„Warum willst du es nicht sagen?“
 

Omi antwortete leise. „Ich kann es nicht…“
 

„Was könnte denn schon so schlimm sein, dass du nicht darüber reden kannst?“
 

Der Jüngere biss sich auf die Lippen und sah fast schon verzweifelt in Youjis Augen.
 

Was würde er wohl tun, wenn er von ihm und Nagi wüsste?
 

Er wäre bestimmt nicht begeistert…
 

„…willst du es wirklich wissen…?“ Omi sah immer noch ziemlich verzweifelt in Youjis Augen.
 

Dieser nickte.
 

„Okay, wenn du es unbedingt wissen musst: Ich wurde damals von Nagi Naoe gerettet. Mittels einer Teleportation.“
 

Youjis Augen weiteten sich.
 

„Nagi Naoe?! Der Kleine von Schwarz?! Aber warum denn das?!“
 

Jetzt wo Omi schon mal angefangen hatte, erzählte er Youji alles. Nur das, dass er Nagi seine Gedanken und Gefühle offenbart hatte, ließ er dann doch lieber geflissentlich aus…
 

Youji sah ihn mit geweiteten Augen an.
 

„Ihr…ihr habt euch fast jeden Tag getroffen? Immer wenn du weg warst, wart ihr zusammen im Park?“
 

Omi nickte.
 

„Aber nicht nur, weil er mir Gedankenlesen und Teleportieren beibrachte. Ich hatte endlich einen Freund gefunden, und seit heute ist er auch mein richtiger Freund, wenn du verstehst, was ich meine.“
 

Youji hatte sich gerade eine Zigarette anzünden wollen, hielt aber in der Bewegung inne.
 

„Was? Ihr…ihr seid…… zusammen?“
 

Omi nickte wieder. Er ging einfach mal davon aus.
 

Youji sah ihn ernst an.
 

„Also, eigentlich geht es mich ja nichts an, aber er ist einer von Schwarz. Und damit eine Gefahr für uns. Gegen eure Beziehung selbst habe ich ja nichts, aber wenn er etwas über uns herausfindet, wäre das bestimmt nicht so gut. Ich werde Aya und Ken nichts sagen, aber dann sieh zu, dass Nagi nichts über uns erfährt. Ansonsten werde ich mit ihnen reden müssen.“
 

Omi sah ihn dankbar und glücklich an.
 

„Vielen Dank.“
 

Er hätte nicht gedacht, dass Youji so tolerant war.
 

Omi stand auf, lächelte Youji noch mal zu und ging dann auf sein Zimmer. Er ließ die Tür ins Schloss fallen und glitt an ihr hinab auf den Boden.
 

Erst jetzt wagte er es wieder richtig zu atmen.
 

Was wäre gewesen, wenn Youji nicht so positiv reagiert hätte? Er hätte sie bestimmt verraten, und dann wäre es für ihn und für Nagi ernst geworden.
 

Omi hätte nicht gedacht, dass Youji das anscheinend ohne weiteres hinnahm, dass er jetzt mit Nagi zusammen war. Und die paar Warnungen waren auch völlig unnötig gewesen, Nagi wollte ja gar nichts von Weiß wissen.
 

Egal, Hauptsache, Youji hielt dicht.
 

Omi stand auf und zog sich dann um, bevor er sich vor seinen Computer setzte, noch ein bisschen im Internet surfte und danach ins Bett ging.
 

~*~*~*~*~*
 

Auch am nächsten Abend war Omi wieder auf dem Weg in den Park, um sich mit Nagi zu treffen.
 

Er zog sich gerade seine Jacke an, als Aya hinter ihm auftauchte.
 

„Wo…?“
 

Doch Youji legte ihm die Hand auf die Schulter.
 

„Lass ihn doch. Vielleicht hat er ja eine Freundin…?“
 

Ayas Mundwinkel zuckten leicht, an so etwas hatte er wohl noch gar nicht gedacht. Er schüttelte Youjis Hand ab, drehte sich um und verließ den Raum.
 

Youji grinste Omi nur an.
 

„Viel Spaß!“
 

„Danke, werde ich haben.“
 

Omi grinste zurück und rannte dann in Richtung Park.
 

Er war froh darüber, dass er Youji alles erzählt hatte. Jetzt musste er nicht mehr ganz so viel lügen wie vorher.
 

Als der Eingang des Parks in Sicht kam, sah er Nagi schon davor warten.
 

Er lief ein wenig schneller und kam schon bald bei seinem Freund an. Heute war es eher kühl und es waren keine Leute auf der Straße.
 

Omi sah Nagi in die Augen und schlang dann seine Arme um den Jüngeren.
 

„Hi, Nagi!“
 

„Hallo, Omi.“
 

Nagi blickte ihn lächelnd an, bevor er sich vorbeugte um Omi sanft zu küssen. Dieser erwiderte den Kuss genauso zärtlich.
 

Nagi löste den Kuss schließlich und nahm Omis Hand in seine eigene.
 

„Komm. Wir gehen ein bisschen im Park spazieren, du wirst wohl keinen Unterricht mehr von mir brauchen…“
 

Omi lachte, nickte dann aber. Er fasste seinen Freund bei der Hand und zog ihn mit sich in den Park.
 

Sie gingen eine Weile still nebeneinander her, bis Omi das Schweigen brach.
 

„Nagi, ich habe Youji von uns erzählt.“
 

Nagi blieb ruckartig stehen und starrte ihn an.
 

„Warum denn das? Was, wenn er uns verrät?!“
 

Omi zog ihn weiter.
 

„Keine Panik! Er hat gesagt, er akzeptiert es und er wird uns nicht verraten. Nicht, solange du nichts über uns herausfindest.“
 

Nagi schüttelte heftig mit dem Kopf.
 

„Ich will ja gar nichts von Weiß wissen. Ich will nur mit dir zusammen sein.“
 

„Das geht mir doch genauso. Aber du weißt, dass ich nicht gerne lüge, und so habe ich es demjenigen gesagt, von dem ich mir ziemlich sicher war, dass er den Mund hält. Und er wird es weder Aya noch Ken sagen, da bin ich mir auch sicher. Sei also unbesorgt.“
 

Er blieb stehen und sah Nagi beruhigend an.
 

„Keiner wird etwas erfahren.“
 

Nagi lächelte jetzt wieder und schmiegte Omi an sich, der ziemlich genauso groß war wie er selbst.

Dann gingen sie weiter, bis sie eine Bank fanden, worauf sie sich niederließen.
 

Nagi legte einen Arm um Omis Schultern und drückte ihn an sich.
 

Omi genoss das Gefühl von Geborgenheit und Wärme, das von Nagi ausging und lehnte sich gegen ihn.

Nach einer Weile hob Nagi Omis Kinn und küsste ihn zärtlich.
 

Omi schloss die Augen und ließ die wunderbaren Gefühle auf sich einströmen. Als er Nagis Zunge an seinen Lippen spürte, öffnete er sie willig.
 

Nagis Zunge drang in seinen Mund und streichelte ganz sanft seine warme Mundhöhle, fand dann schließlich ihren Weg zu Omis Zunge. Nagi strich langsam daran entlang und zog sich dann immer weiter zurück, damit Omi ihm folgen musste, um den Kontakt nicht zu unterbrechen.
 

So lockte er Omi in seinen eigenen Mund und sie setzten dort das Spiel fort, nur mit vertauschten Rollen.

Omi seufzte leise in seinen Mund und Nagi streichelte ihm über den Rücken.
 

Er löste den Kuss nur widerwillig, doch er musste Luft holen, sonst würde er ersticken. Er sah Nagi atemlos, aber unendlich glücklich an. Dieser schaute genauso zurück und lächelte.
 

Der Blondschopf strich ein paar Haarsträhnen von Nagis weichem, braunem Schopf hinter sein Ohr und strich dabei mit seinen Fingern über Nagis Wange. Nagi legte seine Hand auf Omis.
 

„Ich liebe dich.“
 

Omi beugte sich lächelnd vor und küsste Nagis Mundwinkel.
 

„Ich dich auch.“
 

Nagi lehnte sich nun gegen ihn und Omi ließ sich auf die Bank sinken, bis er das Holz an seinem Rücken spürte.
 

Nagi beugte sich über ihn und küsste ihn wieder zärtlich auf den Mund. Dann strich er mit den Lippen federleicht über Omis Wange bis hin zum Hals. Dort angekommen knabberte er daran hinunter und schob Omis Pullover am Halsansatz zur Seite, um dann sanft an der empfindlichen Haut zu saugen.
 

Omi schloss die Augen und entspannte sich völlig, gab sich dieser Zärtlichkeit einfach hin.
 

Bald darauf tauchte Nagi wieder über seinem Gesicht auf und küsste es erneut. Seine Stirn, die Schläfen, die Augenlieder, die Wangen, die Mundwinkel und schließlich die samtigen Lippen. Jeder einzelne Kuss ließ es Omi leicht und auf wohlige Art erschaudern und leise aufseufzen.
 

Nagi lächelte an seinen Lippen. Dann richtete er sich auf und zog Omi mit sich hoch.
 

„Langsam wird es mir zu kalt hier. Sollen wir wo anders hingehen? Ich wüsste schon, wohin…“
 

Omi nickte und Nagi teleportierte sie beide in den Raum, in den Nagi Omi schon einmal gebracht hatte, nämlich nach der Explosion.
 

Nagi schnippte wieder mit den Fingern und der Raum wurde augenblicklich in warmes Licht getaucht.

Verändert hatte sich der Raum nicht sonderlich, doch mittlerweile stand auch ein Bett an Stelle der Pritsche.
 

Nagi zog Omi zum Bett.
 

Dieser ließ sich darauf nieder und Nagi legte sich neben ihn, bevor er Omi wieder sanft küsste.
 

Omi schmiegte sich eng an ihn und erwiderte den Kuss so zärtlich, wie er von Nagi kam.
 

Dann spürte er Nagis Hände über seine Brust wandern und schließlich unter sein Shirt gleiten. Er keuchte auf, als warme Hände langsam und fast zaghaft seinen Oberkörper streichelten.
 

Wohlige Schauer jagten ihm über den ganzen Körper und schlugen sich in einer leichten Gänsehaut nieder, die seinen ganzen Körper überzog.
 

Er schob seinerseits auch seine Hände unter Nagis Pullover und erkundete etwas schüchtern und unsicher den schmalen Körper des anderen.
 

Er hatte so etwas noch nie gemacht und wollte nichts tun, was Nagi nicht gefiel, also war er vorsichtig und zaghaft in seinen Berührungen.
 

Nagi stöhnte leise, als Omi wie zufällig eine seiner Brustwarzen streifte. Er küsste jetzt wieder an Omis Hals entlang und ging dabei immer tiefer.
 

Doch als Nagi ihm seinen Pullover abstreifen wollte, blockte Omi plötzlich ab.
 

Nagi sah ihn erschrocken und entschuldigend an.
 

„Habe ich etwas falsch gemacht?“
 

Omi schüttelte den Kopf und sah ebenfalls entschuldigend zurück.
 

„Nein. Tut mir Leid, aber ich bin noch nicht so weit.“
 

Nagi zog seine Hände sofort zurück, nickte verständnisvoll und küsste den Blondschopf dann zärtlich auf den Mund.
 

„Schon gut, das ist okay. Ich werde nichts tun, was du nicht auch willst. Und ich werde dir die Zeit geben, die du brauchst. Egal, wie lange. Ich verspreche es dir.“
 

Omi nickte und sah ihn traurig an.
 

„Ich muss immer an damals denken. Aber nicht, dass es sich irgendwie ähnlich wäre, es…“
 

Nagi legte ihm zwei Finger auf die Lippen und ließ ihn verstummen.
 

„Rede nicht mehr davon. Das ist vorbei und wird nicht wieder geschehen. Ich verstehe dich doch, du musst dich nicht verteidigen.“
 

Omis Augen blitzten glücklich auf.
 

„Danke, Nagi…“
 

Er küsste die Fingerspitzen auf seinen Lippen und beugte sich dann zu Nagi hinüber, um dessen Mund zu küssen.
 

„Danke für dein Verständnis…“
 

Nagi sah ihn ernst an.
 

„Wenn ich das nicht tun würde, würde ich dich nicht wirklich lieben. Wenn ich dir etwas aufzwingen könnte, würde das für mich heißen, dass ich dich nicht richtig liebe. Aber ich liebe dich, über alles, und deshalb gebe ich dir alle Zeit, die du brauchst.“
 

Omi sah Nagi dankbar an und lächelte. Wie anders als Ken Nagi doch war… Und Omi war sehr froh darüber.
 

Er schmiegte sich eng an Nagi und legte seinen Kopf auf dessen Brust. Omi hörte Nagis gleichmäßigen, kräftigen Herzschlag, der beruhigend auf ihn wirkte.
 

Nagi strich ihm langsam über den Rücken, bis Omi irgendwann eingeschlafen war.
 

Er sah lächelnd auf das friedlich schlafende Gesicht.
 

Nagi würde Omi niemals wehtun können, das wurde ihm jetzt klar. Dafür liebte er ihn viel zu sehr. Seine Zurückweisung hatte Nagi zuerst ein bisschen verwirrt, doch er fand Omis Reaktion im Nachhinein verständlich, nach dem, was Ken ihm angetan hatte. Das hatte nichts mit Nagi selbst zu tun. Er würde einfach warten, bis Omi so weit war, und bis dahin die Situation, so wie sie jetzt war, genießen.
 

Omi wusste nicht, wie lange er hier gelegen hatte, bis Nagi ihn sanft weckte. Er stieß Omi vorsichtig an und küsste ihn zärtlich auf die Wange.
 

„Hey, Omi. Machen sich deine Leute keine Sorgen um dich? Es ist jetzt schon 12 Uhr…“
 

Omi öffnete widerwillig seine Augen und blickte sich etwas verwirrt um. Dann erkannte er Nagi über sich, der ihn fragend anblickte. Omi schüttelte den Kopf.
 

„Sie werden sich keine Sorgen machen, ich bin alt genug, um auch mal später nach Hause zu kommen. Außerdem habe ich ein Handy bei mir, sie könnten mich jederzeit anrufen.“
 

Nagi nickte und lächelte, als Omi ihn wieder zu sich herunterzog und zärtlich küsste.
 

Der Jüngere ließ sich neben ihn sinken und schlang seine Arme um Omis schlanken Körper.
 

Der spürte sofort wieder die Wärme, die von Nagis Körper ausging und seufzte leise auf.
 

Schließlich lösten sie den Kuss und lagen einfach still nebeneinander, Omi in Nagis Armen, und genossen einfach die Nähe des jeweils anderen.
 

Irgendwann regte sich Omi wieder und setzte sich auf.
 

„Ich gehe jetzt besser, sonst hab ich morgen die ganze Fragerei am Hals… Kommst du noch bis zur Kirche mit?“
 

Nagi lächelte ihn an.
 

„Liebend gerne.“
 

Omi stand auf und zog dann Nagi hoch. Dieser legte seine Arme um Omi und teleportierte sich mit ihm gemeinsam zur alten Kirche.
 

Diesmal landete Omi sauber und verlor sein Gleichgewicht nicht. Er sah Nagi noch einmal in die braunen Augen und küsste ihn ein letztes Mal.
 

„Sehen wir uns morgen?“ Nagi überlegte nicht lange.
 

„Ja. Wieder am Park?“
 

Omi nickte.
 

„Aber erst gegen halb acht. Dann bis morgen, Tschüss.“
 

„Ciao, Omi.“
 

Nagi drehte sich um und ging davon.
 

Omi sah ihm noch kurz nach, bevor er sich auch auf den Heimweg machte.
 

Zu Hause war zum Glück keiner mehr wach, dass ersparte ihm längere Ausreden, die ihm sowieso keiner glaubte.
 

Er verzog sich auf sein Zimmer und zog sich seine Schlafsachen an. Dann verkroch er sich in sein Bett und zog sich die Decke bis zum Hals hoch. Nichts konnte jedoch die Wärme, die von Nagi ausgegangen war, ersetzten. Er vermisste Nagi schon jetzt wieder und freute sich sehr auf den nächsten Tag, weil er seinen Freude dann wiedersehen würde.
 

Mit diesem Gedanken schlief er schließlich ein.
 

~*~*~*~*~*

Chapter 04

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 05

~*~*~*~*~*
 

Am nächsten Morgen hatte Omi wieder Schule und musste schon um sieben Uhr aufstehen.
 

Er quälte sich aus dem Bett und überlegte einen kurzen Moment, warum er gestern so spät ins Bett gekommen war. Dann fiel ihm schlagartig wieder alles ein und er musste grinsen.
 

Dafür hatte es sich allemal gelohnt, heute den ganzen Tag müde zu sein.
 

Jetzt, wo er wieder Schule nach den Ferien hatte, würde er das aber nicht jeden Tag machen können, das könnte er nicht lange durchhalten.
 

Er ging ins Bad und duschte schnell, bevor er sich anzog und zurück in sein Zimmer ging, um seine Sachen zu holen.
 

Der Blondschopf ging gähnend in die Küche und holte sich eine Scheibe Brot mit Käse, die er langsam aufaß. Omi genoss diese Stille manchmal, die Ruhe, die er morgens hatte und wenn ihn niemand störte.
 

Schließlich verließ er gemächlich das Haus und machte sich auf den Weg zur Schule.
 

Nach einem langweiligen Schultag kam Omi, immer noch müde, zurück in den Laden.
 

An diesem Tag hatte Youji mit Ken Dienst und Omi grüßte sie beide.
 

„Hi! Ist viel los heute?“
 

Youji erwiderte sein Lächeln.
 

„Auch Hi! Eigentlich nicht. Normal eben, wie immer. Wie war’s in der Schule?“
 

Omi rollte die Augen.
 

„Langweilig, wie immer.“
 

Er ging die Treppe zur Wohnung hinauf und brachte seine Schulsachen in sein Zimmer und ging dann in die Küche, um etwas zu kochen. Er ließ es in der Küche stehen für die anderen und ging in sein Zimmer, um seine Hausaufgaben zu machen.
 

Omi hatte ziemlich lange zu tun, die Lehrer waren auch bei so relativ schönem Wetter wie heute unerbittlich. Doch Omi hatte keine Probleme damit, Schule und lernen waren ihm schon immer leicht gefallen.
 

Als er dann endlich fertig war, streckte er sich und packte dann seine Hefte und Bücher weg.
 

Er sah auf seine Uhr, es war schon fünf.
 

Omi fragte sich, was Nagi wohl gerade machte und beschloss, ihn einfach danach zu fragen.
 

>Nagi?<
 

>Hi Omi!<
 

>Was machst du gerade?<
 

>Ich habe eben an dich gedacht…<
 

Omi lächelte.
 

>Sehen wir uns heute Abend?<
 

>Okay. Gehen wir heute zum Strand?<
 

>Gerne! Also heute Abend um acht?<
 

>Ja! …Oh, ich muss aufhören, bis später…<
 

Die Verbindung wurde unterbrochen.
 

Schade, eigentlich hatte Omi sich noch ein wenig mit Nagi unterhalten wollen, doch das ging ja jetzt wohl nicht.
 

Omi überlegte, was er jetzt machen könnte, doch ihm fiel nichts ein. Er hätte eigentlich gerne noch ein bisschen das Teleportieren geübt, doch er wusste keinen Platz, an den er sich um diese Uhrzeit teleportieren könnte.
 

Außerdem wollte er etwas neues ausprobieren, nämlich sich zu der Aura eines Menschen zu bringen.
 

Nagi hatte gesagt, dass das ziemlich schwer sei und dass das nicht einmal Schuldig beherrschte. Doch er hatte auch gesagt, dass es ihn nicht wundern würde, wenn Omi es schaffen sollte.
 

Der Blondschopf schloss die Augen und konzentrierte sich.
 

Er stellte fest, dass Aya in seinem Zimmer war, er spürte ihn dort.
 

Ken und Youji waren im Laden, doch Ken verließ diesen gerade, er hatte wohl Fußballtraining oder so.
 

Omi konzentrierte sich auf Youjis Aura und versuchte sich dort hin zu bringen.
 

Es klappte nicht, doch Omi versuchte es sofort noch einmal.
 

Diesmal fühlte er, wie er anfing sich aufzulösen und fand sich keine Sekunde später hinter Youji im Blumanladen wieder.
 

Youji drehte sich in diesem Moment um und stieß einen kurzen Schrei aus.
 

„Omi! Seit wann stehst du da?!“
 

Omi grinste.
 

„Seit einer Sekunde. Ich hab’ mich her teleportiert. Ich wollte mal ausprobieren, ob…“
 

Youji fuhr ihm ins Wort.
 

„Du bist ganz schön unvorsichtig, Omi! Bis gerade eben war Ken noch im Laden! Wärst du etwas früher gekommen, hätte er es gesehen und Fragen gestellt!“
 

Omi schüttelte den Kopf.
 

„Ich habe gespürt, wie er den Raum verlassen hat. Und Aya ist in seinem Zimmer. Und da du der einzige bist, der außer Nagi weiß, dass ich das kann, habe ich es eben mal versucht. Mit Erfolg…“
 

Youji schaute ihn jetzt doch irgendwie bewundernd an.
 

„Das du so was kannst… Das du mit Computern gut umgehen kannst, wusste ich ja, aber das… Hätte ich nicht gedacht.“
 

„Ich ja auch nicht.“
 

„Was hast du denn versucht? Dass du dich teleportieren kannst, weiß ich ja schon länger.“
 

Youji sah Omi fragend an.
 

„Nagi sagte, dass es fast unmöglich wäre, sich zu der Aura eines Menschen zu bringen. Nicht einmal Schuldig kann das, aber ich kann es jetzt. Das war es, was ich eben versucht habe. An Orte zu kommen ist einfach, da sich diese nicht bewegen können.“
 

Youji nickte mit dem Kopf.
 

„Verstehe… Wenn das nicht mal Schuldig kann, musst du ja echt gut sein...“
 

Omi zuckte mit den Achseln.
 

„Möglich. Ich finde es nur sehr praktisch, jetzt muss ich nicht mehr laufen.“
 

Youji grinste schief.
 

„Dann wirst du ab jetzt ja auch nicht mehr zu spät in die Schule kommen. Du teleportierst dich einfach in eine freie Toilette und schon hat sich das Problem mit den anderen erübrigt…“
 

Omi grinste auch bei dieser Vorstellung.
 

In diesem Moment ging die Tür auf und Birman, eine Sekretärin von ihrem Auftraggeber Persha, kam in den Laden.
 

„Hallo, ihr zwei. Ich habe einen Auftrag für euch.“
 

Youji und Omi grüßten sie auch und Youji schloss den Laden, damit sie ihre Ruhe hatten. Danach machte er sich mal wieder unauffällig an die hübsche Frau ran und führte sie die Treppe hinauf.
 

Omi trottete ihnen hinterher. Eigentlich wollte er gar nichts von diesem Auftrag wissen, denn das würde heißen, dass er im Kampf auf Nagi treffen würde und das gefiel ihm gar nicht.
 

Birman und Youji setzten sich an den Tisch und Omi ging zu Ayas Zimmer.
 

Er klopfte an und wartete.
 

Omi würde nie auf die Idee kommen, einfach ohne anzuklopfen die Tür zu öffnen oder überhaut in dieses Zimmer zu gehen. Ken hatte es einmal gewagt und hatte sich dabei eine blutige Nase geholt...
 

Er hörte Ayas tiefe, neutrale Stimme.
 

„Ja?“
 

„Aya, Birman ist da, es gibt Arbeit.“
 

Omi drehte sich um und ging zurück in die Küche, Aya folgte ihm eine Minute später.
 

Birman gab ihre Instruktionen, diesmal würden sie nur spionieren gehen. Omi war insgeheim froh darüber, denn er wollte nicht schon wieder töten müssen.
 

Birman erhob sich wieder, sie blieb nie lange bei ihnen, was Youji immer bedauerte.
 

„Ihr wisst jetzt, was ihr zu tun habt. Macht’s gut.“
 

Sie drehte sich um und verließ die Wohnung. Youji schaute ihr seufzend nach und stand dann auf.
 

„Ich lasse den Laden geschlossen für heute. Ich gehe hoch und schlafe.“
 

Er verschwand und Omi saß nun mit Aya in der Küche.
 

Aya wandte sich an den Blondschopf.
 

„Omi, du machst einen Plan. Er muss bis übermorgen fertig sein. Schaffst du das?“
 

Der Blondschopf nickte und verließ ebenfalls den Raum.
 

Es war erst sechs Uhr und so setzte sich Omi an seinen Computer und begann mit dem Plan.
 

Erst ein einhalb Stunden später war er schließlich zufrieden mit sich und schaltete dem Computer ab. Den Rest würde er morgen machen.
 

Omi zog sich andere Klamotten an und ging dann kurz in die Küche, um etwas zu essen.
 

Als er damit fertig war, schnappte er sich seine Jacke und lief zum Strand.
 

Er wollte ganz sichergehen, dass niemand ihm beim Teleportieren sah, deshalb lief er lieber.
 

Omi kam pünktlich und ging eine Weile einfach am Strand entlang.
 

Er mochte das Meer, er war sehr gerne am Strand, nur meistens hatte er keine Zeit dazu, einfach spazieren zu gehen.
 

Irgendwann sah er dann eine schmale Gestalt auf ihn zukommen und ging ihr entgegen.
 

Als Nagi bei ihm angelangt war, zog Omi ihn in eine Umarmung.
 

Nagi erwiderte sie und Omi lehnte sich gegen seinen Freund. Dann zog er Nagi nach unten und setzte sich neben ihn in den noch warmen Sand.
 

„Es ist schön hier, nicht?“
 

Nagi reagierte erst nicht und Omi musste ihn ein zweites Mal ansprechen.
 

„Nagi?“
 

Dieser schreckte aus seinen Gedanken hoch.
 

„Entschuldige bitte, ich habe nicht aufgepasst. Was hast du gesagt?”
 

Omi sah ihn besorgt an.
 

„Was hast du? Ist etwas nicht in Ordnung?“
 

Nagi schüttelte den Kopf.
 

„Nein, gar nichts…“
 

Doch Omi hörte aus seiner Stimme, dass er log.
 

„Bitte, lüg mich nicht an… hat es was mit mir zu tun?“
 

Nagi sah ihm in die Augen und er lächelte leicht.
 

„Nein. Es hat mit Schwarz zu tun… Eigentlich mit Schuldig und Farfarello...“
 

Omi legte den Kopf schief und sah Nagi fragend an.
 

„Was ist mit ihnen?“
 

Nagi zögerte kurz, fing dann aber an.
 

„Es ist so… Schuldig macht ständig irgendwelche perversen Bemerkungen und Farfarello unterstützt ihn dabei tatkräftig. Ich habe schon Angst davor mit ihnen alleine zu sein, ich könnte mich gegen keinen von beiden wehren, geschweige denn gegen beide zusammen… Wenn Schuldig und Farfarello ihre Bemerkungen und Drohungen wirklich wahr machen, geht es mir schlecht. Und genau davor habe ich Angst...“
 

Omi schwieg betroffen.
 

Er hatte zwar gewusst, dass Schuldig perverse Triebe hatte, aber dass er sie an seinen Teamkameraden ausließ, hätte er nicht gedacht.
 

„Und euer Anführer?“
 

Nagi schüttelte traurig den Kopf.
 

„Er bekommt es nicht mit… sie sorgen dafür. Und ich werde ganz bestimmt nicht zu dem gehen.“
 

„Warum denn nicht?“
 

Nagi schnaubte bitter.
 

„Weil es ihn nicht interessieren würde. Es ist ihm völlig egal, was wir machen, Hauptsache die Aufträge funktionieren.“
 

Omi sah ihn ungläubig an, das konnte er sich nicht vorstellen. Das einem Anführer seine Truppe egal war, war Omi unverständlich.
 

„Das glaube ich nicht, er…“
 

Doch Nagi fiel ihm hart ins Wort.
 

„Du kennst Crawford nicht! Und wenn es ihn interessieren würde, würde er mir auch nicht helfen… Er hält immer zu Schuldig!“
 

Omi zuckte bei Nagis hartem Tonfall zusammen und dem Jüngeren tat seine heftige Reaktion sofort wieder Leid.
 

„Entschuldige, Omi… mich macht diese Situation einfach fertig…“
 

Omi legte die Arme um Nagi und zog ihn an sich.
 

„Schon gut… und ich dachte, ich hätte Probleme mit meiner Gruppe…“
 

Nagi hob den Kopf und küsste Omi auf den Mund.
 

„Vergiss es… es ist jetzt egal. Jetzt sind wir hier und nicht zu Hause bei Schwarz und Weiß…“
 

Er lehnte sich gegen Omi und dieser ließ sich in den weichen Sand zurück sinken.
 

Sie blieben noch lange einfach liegen, hörten dem Rauschen der Wellen und dem sanften Wind zu.
 

Erst, als es stockdunkel war, erhoben sie sich.
 

Sie gingen Hand in Hand zurück auf die Straße und liefen dann in Richtung alte Kirche.
 

Dort legte Omi seine Arme um Nagi und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Dann sah er ihn ernst an.
 

„Pass bitte auf dich auf. Ich kenne weder Schuldig noch Farfarello gut genug, um zu wissen, zu was sie fähig wären, aber trotzdem. Versprich es mir!“
 

Nagi lächelte über das besorgte Gesicht seines Freundes und strich ihm über die Wange.
 

„Ich verspreche es.“
 

Er seufzte leise.
 

„Morgen wird es ernst, oder?“
 

Omi blickte ihn zuerst ein wenig verständnislos an, doch dann verstand er, was Nagi meinte.
 

Er nickte leicht.
 

„Hoffentlich klappt es…“
 

Er senkte zweifelnd den Kopf und Nagi zog ihn sanft an sich.
 

„Das wird es, wir schaffen das. Bestimmt!“
 

Nagi hielt Omi noch einige Augenblicke fest und ließ ihn dann wieder los.
 

„Sehen wir uns übermorgen?“
 

„Hai… am Park, wie immer?“
 

„Hai!“
 

Nagi küsste Omi noch einmal zärtlich, ehe er sich langsam auflöste.
 

„Bis Morgen, Koibito.“
 

Omi lächelte Nagi noch einmal strahlend an.
 

„Bis Morgen, Koi.“
 

Nagi verschwand und Omi ging in Richtung Blumenladen davon.
 

Koibito! Nagi hatte ihn Koibito genannt! Omi erwärmte schon das Wort alleine.
 

In der Wohnung war noch Licht, es war ja auch erst 9 Uhr.
 

Er ging ins Wohnzimmer und sah dort Youji und Ken sitzen, in ein angeregtes Gespräch vertieft.
 

Omi wollte sie eigentlich nicht stören, als Ken ihn bemerkte. Er bekam einen roten Kopf, sprang hektisch auf und rannte an dem verdutzten Omi vorbei in Richtung Küche.
 

Der Blondschopf sah ihm verwundert nach und wandte sich dann zu Youji um.
 

„Was hat er denn?“
 

Youji sah ihn ernst an.
 

„Kannst du dir das nicht denken? An seinen Gefühlen für dich hat sich nichts geändert. Sie sind eher noch stärker geworden…“
 

Omis Schultern erschlafften und er ließ sich in den Sessel neben Youji sinken.
 

„Er hat immer noch nicht aufgegeben?“, fragte Omi leise, obwohl er die Antwort kannte.
 

Youji schüttelte den Kopf.
 

Omi wurde es schwer ums Herz.
 

Er hatte gedacht, er und Ken könnten Freunde sein, doch jetzt würde er wieder auf Abstand gehen müssen, um Ken keine Gelegenheit zu geben.
 

Er senkte den Kopf und Youji sah ihn mitleidig an. Er legte sanft die Arme um seinen jüngeren Teamkollegen und drückte ihn leicht an sich.
 

Omi schlang seine Arme auch um Youji und fühlte, dass ihn das tröstete.
 

Nach einigen Minuten löste er sich wieder von ihm.
 

„Danke.“
 

Er lächelte ansatzweise und Youji atmete innerlich auf.
 

Er hasste es, wenn der sonst immer fröhliche Junge so bedrückt war.
 

Youji setzte sich vor Omi auf den Boden.
 

„Mal ein ganz anderes Thema… Wir haben ja morgen diesen Einsatz… wie werdet ihr euch verhalten?“
 

Omis Lächeln wich einem hilflosen Gesichtsausdruck.
 

„Wir werden weitermachen, wie bisher.“
 

Youji hob eine perfekte Augenbraue und sah ihn ungläubig an.
 

„Einfach so? Könnt ihr das denn?“ Omi zuckte nur hilflos mit den Achseln.
 

„Wir haben wohl keine andere Wahl…“
 

Youji legte ihm eine Hand auf die Schulter.
 

„Da magst du Recht haben…“
 

Dann erstarrte seine Miene.
 

„Sag mal, das ist doch jetzt der erste Einsatz nach der Explosion, wenn ich mich nicht irre? Dann bist du für Schwarz aber immer noch tot… Sie werden sich fragen, warum…“
 

Der Blondschopf verstand sofort, was Youji meinte und begann zu zittern. Schwarz würde herausfinden wollen, warum er noch am Leben war, und Schuldig konnte ja Nagis Gedanken lesen und dann…?
 

Omi war einer Panik nahe, er hatte jetzt noch mehr Angst um seinen Freund als sowieso schon.
 

Youji versuchte ihn zu beruhigen.
 

„Hey, beruhige dich… Sie werden bestimmt keine Verräter in ihren eigenen Reihen vermuten, er ist also nicht in…“
 

Doch Omi schnitt ihm das Wort ab.
 

„Das ist doch egal, Schuldig kann seine Gedanken lesen und Nagi kann sich nicht so verschließen, dass Schuldig nicht durchkommt! Schuldig ist stärker als er! Er wird es herausfinden und Nagi… Und ich kann ihm nicht mal helfen!“
 

Omi sprang mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck auf und stürzte aus dem Raum.
 

Er kam gerade aus der Tür gestürmt, als er mit voller Wucht gegen Ken rammte.
 

Omi hob nicht mal den Kopf und wollte weiter in sein Zimmer, doch Ken hielt ihn an den Handgelenken fest.
 

Der Kleinere fuhr, eingedenk Youjis Worten von gerade eben, ängstlich herum und starrte Ken panisch ins Gesicht.
 

Dieser jedoch erwiderte den Blick nicht, sondern drückte Omi bestimmt gegen die Wand.

Der Blondschopf riss erschrocken die Augen auf, als Kens Gesicht sich dem seinen näherte und er seine Lippen auf Omis presste.
 

Omi fühlte augenblicklich Ekel und Panik in sich aufsteigen und er versuchte sich von dem eisernen Griff zu befreien, was ihm aber nicht gelang.
 

Als er dann auch noch Kens Zunge in seinem Mund spürte, begann er leise zu weinen. Seine ganze Haltung erschlaffte und er hing mehr in Kens Armen, als dass er selbst stand.
 

Ken ließ urplötzlich von ihm ab, wich ein paare Schritte zurück und schlug sich die Hand auf den Mund.
 

„E-Es t-tut mir l-leid! Ich…“
 

Er wandte sich ruckartig ab, rannte auf die Haustür zu und schloss sie hinter sich mit einem lauten Knall.
 

Omi stand immer noch weinend an der Wand.
 

Warum hatte Ken das getan? Warum konnte er ihn denn nicht einfach in Ruhe lassen?
 

Der Junge stieß sich hektisch von der Wand ab, an die Ken ihn eben noch gedrückt hatte und stürzte auf die Treppe zu.
 

Er war sie schon halb oben, als er plötzlich über eine Kante stolperte und nach hinten weg kippte.
 

Mit einem lauten Aufschrei fiel Omi die Treppe laut polternd hinunter. Er schaffte es zwar noch, sich auf den Bauch zu drehen, doch den Sturz richtig abbremsen konnte er nicht. Er landete mit seinem vollen Gewicht auf seinen Händen und hörte seine Handgelenke unter der plötzlichen Belastung knacken.
 

Dann schlug er, ein wenig gebremst, doch immer noch ziemlich schmerzhaft, mit seinem ganzen Körper und dem Kopf auf dem harten Boden auf.
 

Vor seinen Augen tanzten Sterne und er blieb stöhnend und reglos liegen.
 

Youji hatte den Lärm gehört, war mit einem Satz bei ihm und kniete sich neben ihm hin.
 

„Omi!“
 

Dieser bewegte sich nicht und wimmerte nur leise.
 

Youji tastete seine Handgelenke ab, sie waren jedoch nicht gebrochen.
 

„Omi? Was hast du? Wo hast du Schmerzen?“
 

Omi wimmerte.
 

„Kopf…“
 

Seine Stimme klang schwach.
 

„Ist dir schwindelig? Musst du dich übergeben?“
 

„Nein…“
 

Youji atmete erleichtert auf, er hatte wohl keine schwere Gehirnerschütterung, wenn überhaupt.
 

In diesem Moment erschien Aya am obersten Treppenabsatz.
 

„Was war das für…“
 

Er brach den Satz ab und lief dann hastig die Treppe hinunter. Er kniete sich neben Youji und drehte Omi vorsichtig um.
 

Der Blonde öffnete langsam die Augen, seine Sicht war verschwommen, klärte sich aber wieder ein wenig. Doch sein Kopf dröhnte immer noch von dem harten Aufprall.
 

Er wollte seinen Arm heben, doch ein heftiger Schmerz fuhr durch ihn und ließ Omi aufschreien.
 

Aya sah ihn ein wenig besorgt an.
 

„Wo tut es weh?“
 

Omi liefen vor Schmerz die Tränen über die Wange.
 

„Mein Arm…“
 

Youji tastete vorsichtig daran hoch und wurde schließlich fündig. Als er die Bruchstelle berührte, schrie

Omi wieder laut auf.
 

„Entschuldige bitte, Omi. Wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen.“
 

Aya nickte Youji zu und stand auf. Dann hob er Omi auf seine Arme und trug ihn zu seinem Wagen.
 

„Bleib du mit Ken hier. Wir kommen so schnell wie möglich wieder.“
 

Youji nickte und schloss hinter ihnen die Tür.
 

~*~*~*~*~*
 

Sie kamen erst um halb eins zurück, Youji wartete im Wohnzimmer auf sie.
 

„Und? Ist es schlimm?“
 

Aya half Omi aus seiner Jacke und ein Stützverband kam zum Vorschein.
 

„Arm angebrochen und eine leichte Gehirnerschütterung. Der Arzt hat Bettruhe verordnet.“
 

Aya hängte Omis Jacke auf und ging dann die Treppe hinauf.
 

„Ich überlasse den Rest dir, Youji. Gute Nacht.“
 

Als Aya oben verschwunden war wandte sich Youji sofort an Omi.
 

„Verstehe ich das richtig? Dann kannst du morgen gar nicht mit, oder?!“
 

Omis blasses Gesicht verzog sich zu einem leichten Lächeln.
 

„Sieht wohl so aus. Irgendeinen guten Zweck muss das Ganze ja haben…“
 

Youji musste jetzt auch grinsen.
 

„Wohl war… aber das schiebt euer Treffen nur auf, es wird dadurch ja nicht verhindert…“
 

Omi senkte den Kopf.
 

„Das weiß ich doch…“
 

Youji legte ihm einen Arm um die Schultern und brachte ihn nach oben in sein Zimmer.
 

Dort drehte er sich zu ihm und sah ihn ernst an.
 

„Weiß du wo…Ken ist?“
 

Omi erinnerte sich durch Youjis Frage schlagartig wieder an seine Begegnung mit dem 18-jährigen und zuckte leicht zusammen.
 

Youji sah Omi scharf prüfend an und bemerkte das leichte Zucken des Jüngeren sofort.
 

„Was ist denn? Hat er wieder…?“
 

Omi wandte den Kopf ab und schwieg. Youji sah ihn seufzend an.
 

„Das ist ja Antwort genug.“
 

Da Omi auch weiterhin schwieg, fasste ihn Youji sanft am Kinn und drehte ihn zurück, sodass er ihm in die Augen sehen konnte.
 

„Was hat er gemacht?“
 

Er klang nicht aufdringlich, eher ein wenig besorgt.
 

Omi befreite sich trotzdem aus seinem Griff, richtete seinen Blick auf den Boden und senkte den Kopf erneut.
 

„Geküsst… mit Zunge…“
 

Youji legte seine Arme um Omi und zog ihn leicht an sich.
 

„Ich werde noch mal mit ihm reden… Das muss aufhören. Es tut euch beiden nur weh.“
 

Er löste sich wieder von dem 17-jährigen und ging auf die Tür zu. „Ich habe morgen noch mal Schicht mit Ken, weil ich deine übernehme, da kann ich mir ihn mal vorknöpfen. Ach ja, ich rufe morgen früh in deiner Schule an, dass du erst mal nicht kommst. Deine Gehirnerschütterung muss ausheilen. So, ich gehe jetzt besser schlafen, ich muss ja aufstehen… Gute Nacht, Omi.“
 

„Gute Nacht… und danke…“
 

Youji lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu und verließ dann sein Zimmer.

Omi ging durch den Raum und löschte das Licht. Danach zog er sich schnell um und legte sich auf sein Bett.
 

Sein Kopf schmerzte immer noch ziemlich und sein Arm pochte unangenehm unter dem dicken Verband. Er hatte zwar einige Betäubungsmittel bekommen, doch er spürte es trotzdem. Und er fühlte sich kein bisschen müde, also stieg er, trotz der Warnungen des Arztes, dies nicht zu tun, aus seinem Bett und schaltete seinen Computer an. Er musste den ganzen Plan ja noch einmal ändern, jetzt, wo er ausfiel.
 

Er war froh über diese Ablenkung, wodurch er wenigstens nicht mehr an Ken denken musste.

Doch als er drei Stunden später fertig war, schaltete er, jetzt doch müde, den Computer aus. Er legte sich zurück in sein Bett und zog die warme Bettdecke eng um sich.
 

Hoffentlich ging es Nagi gut…
 

Mit diesem Gedanken schlief Omi schließlich ein.
 

~*~*~*~*~*
 

Seine Träume waren nicht sehr erholsam, sie waren wirr und in allen kam immer Ken vor… Er durchlebte seine Annäherungsversuche wieder aufs Neue und träumte gerade von dem Tag, an dem die Situation eskaliert war, als er mit einem Schrei auf den Lippen und schweißgebadet aufwachte.
 

Er setzte sich ruckartig auf und atmete heftig. Er griff an seine Wange, nur um festzustellen, dass er im Schlaf geweint hatte.
 

Er wischte sich die Tränen hastig weg, dann hörte er, wie Schritte die Treppe hinaufkamen und vor seinem Zimmer stehen blieben.
 

Omi sah mit geweiteten Augen auf die Tür und wich an das Ende seines Bettes zurück. Wenn das jetzt nur nicht Ken war…
 

„Omi? Bist du wach?“
 

Omi entspannte sich wieder, es war Ayas Stimme.
 

„Ja. Komm rein.“
 

Die Tür wurde langsam geöffnet und Aya betrat den Raum, er hatte ein Tablett in der Hand.
 

Er stellte es auf Omis Nachttisch ab und trat dann einen Schritt näher an Omi heran.
 

Dieser sah lächelnd zu ihm hoch.
 

„Guten Morgen, Aya-kun.“
 

Der Angesprochene sah prüfend zu ihm hinunter.
 

„Hast du schlecht geschlafen? Du bist ziemlich blass. Hattest du Schmerzen?“
 

Omi schüttelte den Kopf, doch er wollte Aya nichts von seinen Albträumen erzählen. Aya wusste nichts von Kens Gefühlen ihm gegenüber und Omi war das auch Recht so. Aya sollte normal mit ihm umgehen, Omi wollte nicht der Grund für gespannte Verhältnisse innerhalb der Gruppe sein.
 

Ihn wunderte es, dass ihn Aya so etwas fragte. Ihn wunderte es überhaupt, dass Aya ihm überhaupt so offen eine Frage stellte. Er war richtig froh darüber, dass Aya mal auf jemanden zuging und wollte es nicht gleich wieder zerstören, indem er einfach schwieg.
 

„Nein, aber danke der Nachfrage. Ich hatte nur einen schlechten Traum.“
 

Aya sah ihn leicht nickend an, bevor er sich Richtung Tür umwandte. Er blieb noch einmal im Türrahmen stehen.
 

„Es tut mir leid, dass ich ständig gefragt habe, wo du hinwolltest… Es geht mich nichts an.“
 

„Ist schon gut. Schon vergessen.“
 

Aya nickte, schloss die Tür hinter sich und ging die Treppe hinunter.
 

Omi saß noch immer in seinem Bett und wunderte sich über Ayas, im Gegensatz zu vorher, offenes Verhalten.
 

Vielleicht taute er ja doch noch auf, Omi hoffte es, denn er hatte Aya gerne. Auch das, dass er ihn ständig gefragt hatte, wo er hingehen wollte, hatte ihm Omi schon verziehen. Er wusste, dass Aya sich Sorgen um die Gruppe machte, und er war einfach sehr misstrauisch.
 

Doch Omi konnte ihn gut verstehen, denn Weiß war alles, was Aya noch hatte. Weiß war sein Leben, seine Existenz. Und er klammerte sich daran fest, als würde er sonst ertrinken.
 

Er schnappte sich ein Stück Brot von dem Tablett begann zu essen, er hatte gar nicht gemerkt, dass er wirklich Hunger hatte. Sein Kopf pochte zwar immernoch dumpf, aber es war nicht mehr so schlimm wie gestern.
 

Das Tablett war schnell leer und Omi ließ sich zufrieden zurücksinken. Dann stand er vorsichtig auf und holte sich Klamotten, um danach ins Bad zu gehen.
 

Er lief über den Flur und schloss die Tür hinter sich ab.
 

Omi legte seine Sachen ab, zog sich aus und stellte sich dann unter die Dusche.
 

Das Wasser war angenehm warm und prasselte sanft auf ihn nieder.
 

Den Arm mit dem Verband hielt er aus der Dusche und schaffte es, sich mit nur einer Hand zu waschen. Er verteilte die Seife auf seinem Körper und ließ sie dann vom Wasser wieder abwaschen.
 

Als er fertig war, machte er das Wasser aus, schnappte sich sein Handtuch und trocknete sich mit einer Hand ab. Er rubbelte seine blonden Haare solange, bis sie fast trocken waren und ließ sie dann einfach so. Sie fielen immer von alleine in die Position, in der Omi sie haben wollte. Danach zog er sich an und räumte das Bad auf, das, wie immer, verwüstet aussah, wenn er darin gewesen war.
 

Als er dann endlich fertig war, schloss er die Tür wieder auf und lief zurück in sein Zimmer.
 

Ihm fiel plötzlich wieder ein, dass ihm ja Bettruhe verordnet worden war, doch jetzt war es eh schon zu spät. Also hängte er nur sein Handtuch auf, ging dann vorsichtig die Treppe hinunter und fläzte sich dann den Rest des Vormittags auf dem Sofa vor dem Fernseher.
 

Gegen zwölf Uhr kam dann Aya in den Raum, doch als er Omi dort liegen sah, blieb er zögernd in der Tür stehen, bevor er sich wieder umdrehte. Er hatte wohl gedacht, dass hier um diese Zeit keiner sein würde und er dann alleine war.
 

„Bleib doch, Aya. Ich störe dich auch nicht.“
 

Omi wollte nicht, dass Aya ständig allein in seinem Zimmer war, das tat ihm bestimmt nicht gut. Vor allem in der letzten Zeit hatte er sich noch mehr als sonst zurück gezogen. Vor wenigen Monaten war Aya-chan, Ayas Schwester, gestorben. Seitdem redete Aya nur noch das notwendigste und war sonst eigentlich nur noch in seinem Zimmer.
 

Gerade jetzt sollte Aya nicht ständig alleine sein, doch Aya reagierte sehr abweisend auf jegliche Art von Annäherung und Omi wusste das.
 

Deshalb wollte er auch nicht aufdringlich sein, denn er wollte nicht, dass sich Aya noch mehr hinter seiner kalten Maske verschanzte.
 

Aya drehte sich eine Spur unsicher zu ihm um, doch als er Omi freundlich lächeln sah, ging er langsam auf einen Sessel zu und ließ sich darauf sinken.
 

Omi freute sich darüber, genauso wie über seine Entschuldigung am Morgen.
 

„Ach, Aya. Ich habe den Plan für euch gemacht. Er ist fertig, du kannst ihn dir jederzeit ansehen. Es wird nicht sehr schwer für euch.“
 

Insgeheim wusste er jedoch, dass es das doch werden würde, denn Schwarz würde ja auch kommen, und diese waren heute in der Überzahl. Aber er hatte dafür gesorgt, dass sich die beiden Gruppen möglichst wenig trafen, und wenn alles so funktionierte, wie er sich das vorstellte, vielleicht gar nicht.
 

Aya jedoch nickte nur und wandte sich dann der Zeitung zu, die auf dem Wohnzimmertisch lag.
 

Omi beschloss, ihn in Ruhe zu lassen, er wollte ihn nicht zu einer Unterhaltung zwingen, die Aya sofort durch sein Verschwinden abgebrochen hätte.
 

Omi stand nach 10 Minuten auf und ging in Richtung Küche.
 

„Ich gehe kochen. Willst du was bestimmtes? Ich weiß nicht, was ich…“
 

Doch Aya war aufgestanden und hatte sich vor ihn gestellt.
 

„Du sollst eigentlich liegen bleiben, ich werde kochen. Setz dich wieder hin.“
 

Omi wagte nicht, dem Älteren zu widersprechen, und tat, wie ihm geheißen.
 

Aya ging in die Küche und Omi blieb auf der Couch sitzen.
 

Der Blondschopf fragte sich, ob Aya überhaupt kochen konnte, doch er erhielt den Beweis eine halbe Stunde später, als es in der Wohnung gut nach Essen zu riechen begann.
 

Dann erschien Ayas Kopf im Türrahmen.
 

„Du kannst rüberkommen. Ich gehe die anderen holen.“
 

Omi erhob sich, ging dann in die Küche und setzte sich auf seinen Platz.
 

Aya schien wirklich gut kochen zu können, wenn das Essen so schmeckte, wie es aussah, war Aya wirklich gut darin.
 

Plötzlich fiel ihm ein, dass er durch dieses Essen eine Konfrontation mit Ken nicht vermeiden konnte.
 

Gleich sank seine, im Moment einigermaßen gut gewesene Laune, wieder auf den Nullpunkt.
 

Doch er hatte keine Zeit noch weiter darüber nachzudenken, denn er hörte die anderen auf der Treppe.
 

Omi versuchte sich damit zu beruhigen, dass Ken ihm in der Gegenwart von Youji und Aya bestimmt nichts tun würde, doch es gelang ihm nicht richtig.
 

Er senkte den Kopf und hörte, dass jemand den Raum betrat. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und Omi fuhr herum.
 

Doch es war nur Youji, der sich nun neben ihm niederließ und ihn aufmunternd ansah. Auch Aya setzte sich wieder neben Omi und schließlich kam auch Ken in den Raum und ließ sich Omi gegenüber auf den Stuhl sinken.
 

Sie begannen schweigend zu essen, Omi hatte dabei den Kopf gesenkt, er wollte Ken nicht ansehen. Doch er spürte manchmal Kens Blicke auf sich ruhen, reagierte aber nicht darauf.
 

„Omi, das Essen ist echt gut! Warum machst du das nicht öfters?“
 

Omi sah Youji lächelnd an.
 

„Dein Lob gehört Aya, er hat gekocht. Er kann das viel besser als ich.“
 

Youji verschluckte sich an einem Bissen und auch Ken sah Aya etwas sehr irritiert an.
 

„Aya? Du und kochen?! Hätte ich nicht gedacht…“
 

Ayas blasse Wangen hatten einen Hauch von rosa angenommen und er starrte auf seinen Teller.
 

Omi lächelte auch über diese kleine Gefühlsregung von Aya, die keiner von ihm erwartet hätte.
 

Doch Aya war diese Situation sichtlich unangenehm, das sah Omi ihm an und wechselte schnell das Thema.
 

„Wann wollt ihr euch den Plan ansehen? Er ist fertig, in meinem Zimmer auf einer Diskette. Soll ich ihn runterbringen?“
 

Aya sah ihn ein wenig dankbar an.
 

„Nach dem Essen werden wir ihn uns ansehen. Bring ihn dann bitte runter.“
 

Omi nickte und wandte sich dann wieder seinem Teller zu.
 

Youji war als erster fertig und stand auf.
 

„Ich gehe noch mal hoch, ja? Ruft mich, wenn ihr anfangen wollt.“
 

Er verschwand aus dem Raum und ging die Treppe nach oben.
 

Ken stand auch auf und tat es ihm nach.
 

Jetzt, wo Ken weg war, traute Omi sich wieder den zu Blick heben. Er aß auch fertig und stand ebenfalls auf, wobei er Aya noch einmal anlächelte.
 

„Das war echt lecker. Du solltest öfters kochen. Du kannst das echt viel besser als ich.“
 

Aya sah nun auch auf und Omi stockte der Atem.
 

Aya lächelte! Zwar nur ein wenig, aber er tat es.
 

Omi fing sich jedoch sofort wieder und lächelte zurück. Dann brachte er seinen Teller zur Spülmaschine und räumte auch die anderen mit ein.
 

Danach ging er hinaus in den Gang und wollte gerade den Fuß auf den ersten Treppenabsatz setzen, als er grob zurückgerissen und gegen die Wand gepresst wurde.
 

Ken!
 

In Omi stieg sofort die Angst hoch und er sah Ken mit geweiteten Augen an.
 

Der Braunhaarige drückte Omis Handgelenke hart an die Wand und näherte sich seinem Gesicht.
 

Dieser war ihm durch diese Position völlig ausgeliefert und das macht ihm noch mehr Angst.
 

„Nein! Geh weg, nicht! Lass mich…!“
 

Ken erstickte Omis Schreie durch seine Lippen, die er auf Omis drückte, und gewaltsam seine Zunge in Omis Mund schob.
 

Dieser wand sich heftig und er biss Ken fest in die Zunge, was diesen aber nicht zu stören schien.
 

Nein, Nein, Nein!!
 

Omi liefen wieder Tränen die Wangen hinunter, doch er wollte nicht aufgeben und versuchte immer sich gegen Ken zu wehren und immer wieder seinen Kopf wegzudrehen.
 

Plötzlich wurde Ken von ihm weggerissen und zu Boden geworfen.
 

Omi blickte dankbar und erleichtert zugleich zur Seite und erwartete Youji, doch er war es nicht.
 

Es war Aya.
 

Auch Ken erstarrte, als er den Anführer von Weiß erkannte.
 

Dessen Augen hatte sich zu schmalen Schlitzen zusammen gezogen und blickten Ken giftig an.
 

Aya war zwar relativ zierlich gebaut und wirkte nicht gefährlich, aber jeder, der sich mal mit ihm angelegt hatte, wusste, wie stark er wirklich war. Und Ken war hier ganz klar der Schwächere.
 

„Was tust du da?“
 

Seine Stimme war kalt wie Eis und Ken begann leicht zu zittern.
 

„Wenn ich das noch einmal sehen sollte, kriegst du echt Ärger mit mir! Hast du mich verstanden?!“
 

Ken rappelte sich auf und nickte ängstlich.
 

Omi glaubte, sich verhört zu haben.
 

Warum sagte Aya so etwas? Und dann auch noch in dem Ton!
 

Omi hatte noch nie erlebt, dass Aya die Beherrschung verloren hatte. Doch jetzt schien er kurz davor zu sein.
 

„Was fällt dir eigentlich ein, über Omi herzufallen?! Du hast doch gemerkt, dass er sich gewehrt hat, oder?! Sollte ich das noch mal mitkriegen, dann kriegst du es mit mir zu tun!“
 

Ken sah Aya panisch an und rannte dann hastig an ihm vorbei zur Tür hinaus.
 

Omi stützte sich an der Wand ab, ihm war schwindelig.
 

Aya hielt ihn am Arm fest, damit er nicht fiel.
 

„Danke…“
 

Omi sah Aya nicht an, befreite sich aus seinem Griff und wankte wackelig die Treppe nach oben.

In seinem Zimmer ließ er sich an der Tür zu Boden gleiten und legte die Arme auf die Knie, den Kopf darin vergraben. Die Kopfschmerzen waren auf einmal wieder da, so heftig wie noch nie zuvor.
 

Er hielt das nicht mehr aus!
 

Tränen liefen ihm unkontrolliert über das Gesicht.
 

Wie sollte er sich jetzt verhalten? Er konnte Ken nicht ständig aus dem Weg gehen, immerhin wohnten sie im selben Haus.
 

Und jetzt wusste auch Aya Bescheid.
 

Vielleicht war er verletzt, weil er der einzige gewesen war, der nichts gewusst hatte. Doch Omi hatte seine Gründe gehabt.
 

Seine wirren Gedanken schweiften ab zu Nagi. Er fühlte sich verdammt schlecht, so, als ob er Nagi verraten hätte, und das tat ihm ziemlich weh.
 

Omi saß noch immer an der Tür, als er durch ein leises Klopfen an der selbigen auffuhr.
 

„Wer ist da?“
 

Omi hoffte mit jeder Faser seines Körpers, dass es nicht Ken war, und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür.
 

„Ich bin’s, Youji. Kann ich rein kommen?“
 

Omi atmete leise auf, stand auf und öffnete die Tür.
 

Youji kam zu ihm ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
 

Omi setzte sich auf sein Bett und zog die Beine an, die er mit seinen Armen umschlang.
 

Youji ließ sich auf einem Stuhl nieder und sah zu Omi hinüber.
 

„…Aya hat es mir erzählt… und ich habe ihm alles gesagt.“
 

Omi sah auf.
 

„War er sauer, weil er es nicht gewusst hat?“
 

Youji lächelte leicht.
 

„Anfangs schon… aber als ich ihm gesagt habe, warum du nicht wolltest, dass er es erfährt, hat er ein bisschen gelächelt… Ich denke, er hat es verstanden und ist nicht sauer. “
 

Omi spürte Erleichterung darüber in sich aufsteigen.
 

Er wollte nicht auch noch Aya als Person seines Vertrauens verlieren. Ken vertraute er nicht mehr, denn der hatte wiederholt sein Wort gebrochen.
 

„Warum tut er das? Er weiß doch, dass ich nichts für ihn empfinde…“
 

Omi starrte mit leerem Blick die Wand an, er realisierte gar nicht, dass er die Worte laut ausgesprochen hatte und war deshalb überrascht, von Youji eine Antwort zu bekommen.
 

„Er liebt dich eben, Omi. Und deine Empfindungen halten ihn nicht davon ab.“
 

Omi fuhr auf, Wut stand in seinen Augen.
 

„Das soll Liebe sein?! Wenn er mir Sachen aufzwingt, die ich nicht will?! Ken liebt mich doch gar nicht! Er kann mich nicht wirklich lieben, wenn er das tut…“
 

Omi schossen plötzlich Nagis Worte durch den Kopf.
 

‚Wenn ich dir Sachen aufzwingen könnte, die du nicht willst, würde ich dich nicht richtig lieben.’
 

„Aber Ken liegt wirklich was an dir, das hat er mir selber gesagt! Und du weißt es! Warum sollte er lügen?“
 

Darauf wusste Omi keine Antwort, er konnte sich diese Frage auch selbst nicht beantworten.
 

„Das weiß ich nicht…und trotzdem, selbst wenn es so wäre, würde ich ihn nicht auch lieben!“
 

Irgendwie hatte Omi das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.
 

„Ich liebe nur eine Person… und das ist Nagi… Weißt du eigentlich, wie sich das anfühlt?! Du hast jemanden, den du liebst, und wirst von jemand anderen bedrängt! Es fühlt sich falsch an, so falsch! Ich habe das Gefühl, Nagi zu hintergehen…“
 

Omi brach ab. Tränen liefen ihm erneut über das Gesicht und seine Stimme zitterte.
 

„Weiß er denn nichts davon?“
 

Youji sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
 

Omi schüttelte leicht den Kopf.
 

„Er weiß alles... alles außer den letzten beiden Tagen...“
 

Youji stand auf und setzte sich gleich darauf neben Omi auf dessen Bett.
 

„Sprich doch mit ihm darüber. Ich denke, Nagi kann dich bestimmt davon überzeugen, dass du ihn nicht hintergehst. Du kannst schließlich nichts dafür, dass du so süß bist...“
 

Omi sah ihn einen Moment lang vernichtend an, wandte den Blick aber gleich wieder ab.
 

„Es ist jetzt halb zwei. Der Einsatz startet um zehn Uhr. Dazwischen wirst du wohl mal eine Stunde finden, in der du dich mit ihm treffen kannst, oder? So beschäftigt werden die bei Schwarz ja wohl kaum sein, dass er sich nicht mal losreißen könnte. Frag ihn doch einfach!“
 

Omi sah zu Youji auf und lächelte ihn dann dankbar an.
 

Er hatte diese Idee zwar auch schon gehabt, aber er wollte Nagi nicht mitten in einer Besprechung stören. Doch jetzt sah er keine andere Möglichkeit mehr, er musste einfach mit Nagi reden.
 

Omi schloss die Augen und konzentrierte sich. Er wollte Nagis Aura finden um festzustellen, ob er alleine war.
 

Plötzlich nahm er die ihm so sehr vertraut gewordene Aura war und näherte sich ihr gedanklich. In Nagis Umgebung hielten sich noch drei Leute auf, die anderen von Schwarz. Aber unmittelbar bei ihm war niemand.
 

Omi öffnete die Augen wieder und versuchte dann, Nagi zu kontaktieren.
 

>Nagi?<
 

Er wartete eine Weile, dann erhielt er eine Antwort.
 

>Ja? Was ist, Omi?<
 

>Hast du heute irgendwann kurz Zeit? Ich muss unbedingt mit dir reden.<
 

>Ich habe für dich immer Zeit, Omi. Jetzt gleich im Park?<
 

>Okay, es dauert auch nicht lange.<
 

>Bis gleich.<
 

Omi kappte die Verbindung und Youji sah ihn fragend an.
 

„Und?“
 

Omi stand auf.
 

„Wir treffen uns im Park. Ich werde mich, der Einfachheit wegen, gleich hin teleportieren. Wenn jemand fragt…“
 

Youji nickte mit dem Kopf.
 

„…sage ich, dass du schläfst, oder nicht gestört werden willst.“
 

Omi wusste, dass die letzte Aussage für Ken bestimmt war. Er blickte Youji dankbar an.
 

„Danke. Du hilfst mir wirklich sehr.“
 

Youji stand auf und umarmte Omi.
 

„Dafür sind Freunde doch da. Du kannst mich immer um Hilfe bitten, Omi.“
 

Omi umarmte Youji auch und löste sich danach von ihm. Er grinste.
 

„Jetzt musst du mich aber loslassen. Oder willst du mit in den Park?“
 

Youji ließ ihn los.
 

„Warum?“
 

„Wenn ich mit jemandem jegliche Art von Körperkontakt habe und mich dann teleportieren will, kommt derjenige auch mit. Deshalb könnte ich auch nicht vor jemandem fliehen, der mich festhält.“
 

Youji nickte verstehend.
 

„Okay, bleib aber nicht zu lange weg. Ich weiß nicht, ob ich sie lange täuschen kann.“
 

„Gut, bis dann.“
 

Omi konzentrierte sich und begann sich dann aufzulösen. Er hasste es, wenn er sich beim Teleportieren beeilen musste, was zur Folge hatte, dass er einfach verschwand und irgendwo anders wieder auftauchte. Er machte es lieber langsam, das war ihm wesentlich angenehmer.
 

Er hörte Youji neben sich aufkeuchen.
 

Omi grinste ihn noch einmal an, bevor er endgültig verschwand.
 

Er tauchte direkt neben Nagi auf, der schon am See saß.
 

Nagi blickte verwirrt zu ihm hoch, er saß diesmal doch auf der anderen Seite des Sees. Woher hatte Omi gewusst, wo er war?
 

Omi ließ sich neben ihn sinken.
 

„Wie hast du das gemacht? Woher wusstest du, wo ich bin?“
 

Stimmte ja, Omi hatte seinem Freund ja noch gar nichts von seiner neuen Fähigkeit erzählt.
 

„Ich habe gelernt, mich zur Aura eines Menschen zu bringen.“
 

Nagis Augen weiteten sich und er öffnete erstaunt den Mund.
 

„Das hast du geschafft? Wow...“
 

Omi lächelte leicht und wurde ein wenig rot.
 

„Ja, aber darüber wollte ich nicht reden. Es geht um etwas anderes…“
 

Doch Nagi unterbrach ihn.
 

„Was ist mit deiner Hand? Das ist ja ein Stützverband! Wie ist dir denn das passiert?“
 

Nagi bemerkte erst jetzt den ernsten Ausdruck auf Omis sonst so fröhlichem Gesicht. Er sah Omi fragend in die Augen, doch Omi senkte den Kopf, er fand einfach nicht die richtigen Worte.
 

Nagi bemerkte es und hob Omis Kinn wieder ein wenig, sodass dieser ihm in die Augen sehen musste.
 

„Soll ich es lesen? Ist dir das lieber?“
 

Omi nickte leicht und Nagi ließ ihn los.
 

Einen Augenblick später schloss er die Augen, drang vorsichtig in Omis Gedanken ein und las sie.
 

Er fing mit dem gestrigen Tag an und las die Gedanken über Ken.
 

Doch Omi wusste, dass Nagi ohne seine Erinnerungen und Gefühle seine Gedanken nicht verstand, also öffnete er ihm diese Ebene.
 

Diesmal betrat Nagi die Ebene ohne zu zögern und wurde dort schließlich fündig. Über die letzten beiden Tage, alle Erinnerungen und Gefühle darüber.
 

Auch sah er wieder Bilder, die an ihm vorbeirauschten und erkannte abermals Ken. Er sah und las alles, was mit ihm zu tun hatte und wurde dabei allmählich immer wütender.
 

Diese miese, kleine Ratte!
 

Und dann las er die Gedanken, die sich Omi über Nagi selbst machte und verstand auch endlich die wirren Gedanken seines Freundes.
 

Als er alles das, was dazu gehörte, gelesen hatte, zog er sich vorsichtig wieder zurück.
 

Omi saß mit gesenktem Kopf vor ihm, Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln, er wartete auf eine Reaktion von Nagi.
 

Dieser sah ihn bestürzt an und zog Omi auf seinen Schoß.
 

Der Blondschopf drückte sich an ihn und fühlte sofort das Gefühl der Geborgenheit durch sich strömen, das er immer in Nagis Nähe empfand.
 

Der Jüngere streichelte ihm über den Kopf und den Rücken, strich ihm schließlich die Tränen aus den Augen.
 

„Hey, Omi… Du kannst doch nichts dafür, dass er dich bedrängt hat! Gib dir nicht die Schuld dafür! Und du hast mich bestimmt nicht hintergangen!“
 

Omi schluchzte leise auf.
 

„Ich fühle mich aber so…“
 

Er wisperte die Worte kaum hörbar, doch Nagi verstand es.
 

„Das musst du nicht… es ist nicht deine Schuld. Du liebst ihn ja nicht, oder?“
 

Omi fuhr erschrocken auf.
 

„Nein! Ich liebe nur dich und keinen anderen!“
 

Nagi drückte ihn beschwichtigend zurück.
 

„Dann musst du dich auch nicht schuldig fühlen. …Ach ja…wenn du einen angebrochenen Arm hast, kommst du heute abend ja wohl nicht zum Einsatz, oder?“
 

Omi schüttelte den Kopf und schmiegte sich wieder an Nagi.
 

„Nein, mit einem angebrochenen Arm und einer Gehirnerschütterung würde ich wohl nicht viel helfen…“
 

„Du hast eine Gehirnerschütterung?! Und dann verlässt du dein Zimmer?! Das ist ja unverantwortlich! Lassen deine Leute das zu?!“
 

Omi lächelte leicht über Nagis fassungslosen Blick.
 

„Es ist doch nur eine leicht Gehirnerschütterung. Aber nein, das würden sie nicht, wenn sie es wüssten. Und Youji hat mich erst auf diese Idee gebracht. Ansonsten würdest du vielleicht noch gar nichts wissen…“
 

Nagi beugte sich ein wenig hinunter und küsste Omi sanft auf die Stirn.
 

„Und du kommst einfach mit Gehirnerschütterung hierher, nur um mir das zu sagen? Das ist verdammt verantwortungslos und unheimlich lieb von dir.“
 

Omi lächelte leicht zu ihm hinauf.
 

„Ich wäre zu Hause noch verrückt geworden, vor allem, weil Ken ja jederzeit wiederkommen könnte…“
 

Nagi streichelte ihm über die Wange.
 

„Wenn er dich noch einmal bedrängen sollte, kriegt er es mit mir zu tun! Gleich heute abend habe ich ja Gelegenheit dazu…“
 

Omi blickte ihn ängstlich an.
 

„Du wirst ihm doch nichts tun, oder?“
 

Nagi sah ihm grimmig in die Augen.
 

„Er hat dich zum Weinen gebracht und dir wehgetan. Aber, wenn du es so sagst, werde ich ihm nichts tun…“
 

„Ich will das selber regeln, versteh mich bitte nicht falsch. Aber das ist eine Sache zwischen ihm und mir.“
 

Nagi nickte.
 

„Okay, ich tue, was du willst.“
 

Omi setzte sich wieder auf.
 

„Danke. Danke dafür und dass du so verständnisvoll bist…“
 

Omi beugte sich vor und küsste Nagi auf den Mund.
 

Nagi erwiderte den Kuss sanft und drang mit seiner Zunge zärtlich in Omis Mund ein. Der Blonde umschlang Nagis Zunge mit seiner eigenen, und Nagi spielte das Spiel mit, solange, bis er keine Luft mehr hatte und sich behutsam von Omi löste.
 

Er sah ihm tief in die blauen Augen.
 

„Siehst du, ich bin dir nicht böse. Und ich hätte auch keinen Anlass dazu.“
 

Omi nickte und richtete sich auf und Nagi tat es ihm nach.
 

„Ich muss jetzt gehen, sonst kriegt Youji noch Probleme meinetwegen und das will ich nicht.“
 

Nagi lächelte und schüttelte leicht den Kopf.
 

„Du sorgst dich echt immer nur um andere und denkst nie zuerst an dich. Das ist echt eine komische Angewohnheit. Aber es ist bewundernswert, weißt du das?“
 

Omi errötete leicht und senkte den Kopf ein wenig.
 

„Ist eben meine Natur…aber ich muss jetzt wirklich gehen. Sehen wir uns morgen wieder hier um acht?“
 

Nagi nickte, zog Omi an sich und küsste ihn noch einmal innig, bevor er ihn losließ und verschwand.
 

Omi kehrte ebenfalls nach Hause zurück und ließ sich in sein Bett fallen. Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment klopfte es an seiner Tür. Omi zog sich schnell seine Decke um den Körper.
 

„Ja?“
 

Die Tür wurde geöffnet und Aya mit Youji im Schlepptau betraten den Raum.
 

Youji war die Erleichterung anzusehen, weil Omi wieder in seinem Zimmer war. Hätte Aya eine Minute früher an die Tür geklopft und Omi wäre nicht da gewesen, hätte das einige unangenehme Fragen zur Folge gehabt.
 

Omi lächelte beiden zu.
 

„Was gibt’s denn?“
 

„Wir brauchen den Plan für heute Abend.“
 

Omi nickte und wollte vom Bett aufstehen, doch Aya drückte ihn zurück.
 

„Du bleibst schön liegen. Wo ist er?“
 

Omi ließ sich zurückfallen und sah zu Aya hoch.
 

„Auf der Diskette dort.“
 

Er gestikulierte in Richtung seines Schreibtisches und Youji, der näher am Schreibtisch stand, nahm die Diskette an sich und reichte sie Aya.
 

„Danke.“
 

Der Rotschopf ging mit der Diskette zur Tür hinaus und schloss sie dann leise hinter sich.
 

Youji setzte sich auf Omis Bettkante und sah ihn erwartungsvoll an.
 

„Und? Wie hat er reagiert?“
 

Omi lächelte ihn glücklich an.
 

„Er sagt, es ist nicht meine Schuld und er ist mir nicht böse.“
 

„Siehst du? Hab ich doch gesagt...“
 

Omi richtete sich auf und umarmte Youji.
 

„Danke.“
 

„War doch selbstverständlich, dafür sind Freunde doch da.“
 

Omi ließ Youji wieder los und dieser stand auf.
 

„Ich muss jetzt auch runter. Ich bin mal gespannt, ob Ken wieder da ist. Ich hoffe es für ihn, Aya ist echt sauer. So hab ich ihn noch nie erlebt… Ich glaube, er hat dich wirklich gerne, sonst würde er nicht so darauf reagieren. Bis später!“
 

Youji ging zur Tür hinaus und Omi kuschelte sich zurück in sein Bett.
 

Er hatte zwar keine Lust hier liegen zu bleiben, doch er wollte Aya den Gefallen tun.
 

Omi freute sich darüber, dass ihr Anführer nicht mehr so abweisend war wie damals, als er bei Weiß angefangen hatte. Zu dieser Zeit war Aya nur in seinem Zimmer gewesen und nur zu den Einsätzen herausgekommen. Auch war er ab und zu einfach ohne ein Wort zu sagen verschwunden, und keiner wusste, wohin.
 

Sie hatten nichts über ihn gewusst, nicht mal seinen richtigen Namen.
 

Doch Omi war sich schon immer sicher gewesen, dass Aya nur nach außen hin so kalt und berechnend war und eigentlich ganz in Ordnung.
 

Dann hatten sie von seiner Schwester und seinen Eltern erfahren und Ayas Verhalten war etwas klarer geworden.
 

Schließlich hatten sie sich mit Ayas verschlossener Persönlichkeit abgefunden und löcherten ihn nicht mit Fragen zu seiner Vergangenheit, über die er offensichtlich nicht sprechen wollte.
 

Omi lag auf dem Rücken und sah mit verträumten Blick an die Decke.
 

Morgen würde er sich wieder mit Nagi treffen, er konnte ja einfach unbemerkt verschwinden.
 

Aya würde ihn bestimmt nicht einfach so gehen lassen, dass wusste Omi.
 

Und in einer Woche durfte er auch wieder in die Schule gehen, das hieß, dass er wieder aus dem Haus durfte.
 

Darauf freute er sich jetzt schon, denn dann würde er nicht mehr mit Ken unter einem Dach eingesperrt sein.
 

Doch jetzt war er erst einmal müde, das merkte er jetzt. Sich in der Gegend herum zu teleportieren war auch ohne Gehirnerschütterung schon anstrengend genug und wurde durch diesen leidlichen Umstand noch erschwert.
 

Omis Augenlieder wurden immer schwerer und schließlich schloss er die Augen.
 

Er fiel innerhalb einer Minute in einen tiefen Schlaf, wurde aber auch diesmal nicht von Albträumen nicht verschont.
 

Wieder einmal warf er sich ruhelos in seinem Bett hin und her und stammelte sinnlose Wortfetzen vor sich hin.
 

Erst als ihn eine Hand an der Schulter packte und grob schüttelte, schlug er panisch die Augen auf.
 

„NEEEEEIIIIIIN!!!!!!“
 

Er erkannte eine Gestalt, die sich über ihn beugte und er hob schützend die Arme vor sein Gesicht.
 

„Bitte nicht…!“
 

Seine Stimme klang flehend, die Augen waren aufgerissen und sein Blick ziemlich wirr.
 

Plötzlich bekam er eine schallende Ohrfeige, woraufhin sich sein Blick wieder klärte.
 

Endlich erkannte er Youji über sich.
 

Omi entspannte sich ein wenig und ließ die Arme sinken, er atmete immer noch flach und unregelmäßig und auf seiner Stirn stand der Schweiß.
 

Youji blickte besorgt auf ihn herab und setzte sich dann auf die Kante von Omis Bett.
 

„Tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, aber es ging nicht anders. Geht’s jetzt wieder?“
 

Omi nickte leicht, denn er wollte Youji nicht lange aufhalten. Der Ältere hatte schon seine „Arbeitskleidung“ an und Omi wusste, dass sie wohl bald los gehen würden.
 

„Schon okay, alles klar.“
 

In Youjis Ohren klang das nicht sehr überzeugend und so stand er nicht einfach auf.
 

„Hast du wieder von ihm geträumt?“
 

Omi senkte den Kopf, nickte jedoch.
 

Youji seufzte leise auf und schlang dann seine Arme um den 17-jährigen.
 

Omi lehnte sich gegen ihn und spürte, dass er sich beruhigte.
 

„Es kommt einfach immer wieder…ich kann es einfach nicht vergessen…“
 

Youji strich ihm sanft über den Rücken.
 

„Das ist nicht verwunderlich… vielleicht kannst du es nie vergessen oder ganz überwinden, das weiß ich nicht.“
 

Omi löste sich aus seiner Umarmung.
 

„Müsst ihr nicht los?“
 

Und wie zu seiner Bestätigung tönte von unten auch schon Ayas Stimme herauf, als er nach Youji rief.
 

Der Braunhaarige richtete sich auf, ging auf die Tür zu und lächelte Omi über seine Schulter an.
 

„Versuch wieder zu schlafen, wir kommen bald zurück.“
 

Mit diesen Worten fiel die Tür ins Schloss und Omi hörte eine Minute später den Wagen angehen, mit dem sie immer zu ihren Einsätzen fuhren.
 

Omi ließ sich zurück in seine Kissen sinken und zog seine Decke bis zum Hals hoch und schlang sie fest um sich.
 

So heftig hatte er diesen Traum schon lange nicht mehr gehabt, doch er signalisierte Omi immer wieder, dass er es immer noch nicht überwunden hatte. Er hasste sich selbst für seine Schwäche, konnte aber gegen die Albträume einfach nichts tun.
 

Er war zwar immer noch müde, wollte aber nicht mehr schlafen, denn dann würden die Albträume wiederkommen.
 

Doch er schaffte es nicht lange wach zu bleiben, er war einfach viel zu fertig dafür.
 

Ihm fielen die Augen bereits nach zehn Minuten wieder zu, aber diesmal wurde er nicht von Albträumen gequält und konnte die ganze Nacht ohne aufzuwachen durchschlafen.
 

~*~*~*~*~*

Chapter 06

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 07

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 08

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 09

~*~*~*~*~*
 

Omi erwachte am nächsten Morgen schon sehr früh, draußen war es noch nicht einmal hell. Er sah genervt auf die Uhr und stellte fest, dass es auch erst halb sieben war.
 

Scheiß Schule.
 

Er war gewohnt, sonst immer um diese Uhrzeit aufzustehen, um gerade noch so pünktlich zu kommen, und dieser Rhythmus ließ sich leider auch in den Ferien nicht ausstellen.
 

Omi seufzte leise und sah dann auf Nagis Gestalt hinab, die immernoch ganz ruhig in seinen Armen schlief.
 

Jetzt im Schlaf war ihm seine Verletzlichkeit auch noch anzusehen, sie lag auf seinen entspannten Gesichtszügen. Auf den ersten Blick hin hätte man Nagi für völlig sorglos schlafend halten können, doch Omi fiel der leicht angespannte Ausdruck bei näherem Hinsehen auf.
 

Omi löste eine Hand von Nagis Hüfte und streichelte ihm sanft durch die Haare.
 

Die Geschehnisse von vor ein paar Stunden lagen Omi noch im Magen.
 

Nagi schien es noch schlechter zu gehen, als Omi zuerst vermutet hatte. Es würde wohl wirklich noch einige Zeit dauern, bis er mit Nagi wieder normal umgehen konnte. Ihn wieder normal zu berühren, zu küssen, zu streicheln, mit ihm zu schlafen…
 

Omi schüttelte hastig den Kopf. Daran war jetzt nicht einmal zu denken, so wie sich Nagi ihm gegenüber verhalten hatte. Allein das mit den Klamotten hatte Omi gezeigt, dass Nagi noch einige Zeit brauchen würde, um alles zu verarbeiten und über alles hinwegzukommen. In der nächsten Zeit würde er seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückstellen müssen, was er natürlich auch tun würde. Er würde Nagis Vertrauen ihm gegenüber nicht zerstören, auch wenn es durch Schuldig schon angeknackst war. Er musste Nagis Vertrauen zu ihm wieder völlig neu aufbauen und vielleicht sogar noch vertiefen, damit Nagi sich wieder sicher fühlte und nicht ständig Schuldigs Bild vor Augen hatte, wenn Omi ihn anfasste.
 

Hoffentlich klappte das…
 

Doch wiederum schüttelte er nur heftig den Kopf und schimpfte sich gedanklich aus.
 

Natürlich würde das klappen! Alles würde so werden wie vorher, als sie noch so glücklich miteinander waren! Er musste es nur glauben, dann würde es schon klappen. Und vor allem musste er stark sein, durfte nie aufgeben. Gerade jetzt musste er für sie beide stark sein, denn Nagi konnte das im Moment nicht. Er musste eine Stütze für Nagi sein, musste es ihm so einfach wie möglich machen, damit sein Freund wieder so werden konnte wie vorher.
 

Omi strich noch einmal durch Nagis weiche Haare, bevor er seinen Arm wieder um Nagis Hüfte legte.
 

Nagi seufzte im Schlaf leise und kuschelte sich enger an seinen Freund, seine Hände lagen zu lockeren Fäusten geballt an der Brust des Blonden.
 

„Omi…“
 

Der Blondschopf lächelte und schloss dann ebenfalls seine Augen. Nagi schien seine Berührungen im Schlaf zu erkennen und wehrte sich nicht dagegen, also musste er wenigstens keine Angst haben, dass Nagi sich dabei unwohl fühlte, wenn sie in einem Bett schliefen.
 

Omi konzentrierte sich darauf, wieder ganz ruhig zu atmen, und war schon nach einigen Minuten eingeschlafen.
 

~*~*~*~*~*
 

Er erwachte erst Stunden später wieder, als er leise Musik hörte, die plötzlich begonnen hatte zu spielen. Er knurrte ein wenig unwillig und zog sich seine Decke über den Kopf, um das Geräusch zu dämpfen. Dabei tastete er unwillkürlich nach Nagi, jedoch fand er die andere Betthälfte leer vor.
 

Der Blonde setzte sich beunruhigt auf und sah sich im Raum um, wo er Nagi an seiner Stereoanlage stehen sah.
 

„Nagi? Was machst du da?“
 

Nagi sah Omi scheu an.
 

„Ich… ich habe nur Musik angemacht… weil… du hast noch geschlafen… und… ich… wollte nicht… in so einem ruhigen Raum liegen… es tut mir leid… ich wollte dich nicht wecken…“
 

Omi konnte sich schon denken, was eigentlich passiert war. Nagi hatten seine Erinnerungen wieder eingeholt und so hatte er die Musik angemacht, um sich ein wenig abzulenken. Wahrscheinlich hatte er die Stille nicht ertragen, sie brachte einen immer dazu, nachzudenken, und das war wohl im Moment nicht das, was Nagi unbedingt wollte.
 

Omi schüttelte nur leicht mit dem Kopf und streckte dann eine Hand in Nagis Richtung aus.
 

„Komm her, Nagi…“
 

Der Jüngere ging langsam auf ihn zu und legte seine Hand in Omis dargebotene, welche ihn leicht zurück auf das Bett zog.
 

Omi schloss seinen Freund in die Arme und sah Nagi in die braunen Augen, bevor er seine Stirn an Nagis lehnte.
 

„Du hättest mich wecken sollen, Nagi… ich habe dir doch gesagt, wenn was ist, dann weck’ mich…“
 

Nagi schlug seinen Blick nieder, blieb jedoch still sitzen, tat nichts, um sich von Omi loszumachen.
 

„Aber… du hast so fest geschlafen… und du warst gestern… bestimmt auch müde und… und… da dachte ich…“
 

Omi schüttelte den Kopf.
 

„Du musst dich nicht verteidigen. Aber weck’ mich nächstes Mal trotzdem, okay? Ich will dir doch helfen, und du hast gesagt, du lässt es zu. Also nimm mein Angebot auch wirklich an und lass mich dir helfen, ja?“
 

Nagi nickte leicht und löste dann seine Stirn von Omis, um sein Gesicht wieder in dessen Halsbeuge zu vergraben.
 

Omi hielt seinen Freund einfach nur fest und ließ seinen Blick dabei über dessen Schulter durch sein Zimmer schweifen, bis er an der Uhr hängen blieb. Es war bereits zwölf Uhr.
 

Der Blonde ließ seinen Blick weiter wandern, pausierte das nächste Mal am Fenster.
 

Draußen wütete ein regelrechter Schneesturm, dicke, schwere Flocken stoben vor dem Fensterglas umher, und wurden vom Wind immer wieder nach oben in Richtung Himmel gewirbelt.
 

Omi lächelte leicht, als er das sah. Er hatte Schnee schon immer gemocht, oder jedenfalls mal soweit er sich erinnern konnte. Außerdem verband er mit Schnee immer Weihnachten, und das mochte er noch viel mehr als den Schnee alleine. Nicht, weil es dann Geschenke gab. Nein, einfach wegen der Atmosphäre, die in diesen Tagen herrschte. Die letzten Weihnachten hatte er bei Weiß verbracht, zuerst ohne und schließlich letztes Jahr auch mit Aya, und es war immer sehr schön gewesen. Er war immer glücklich gewesen, wenn sie an Heiligabend beieinander gesessen und zuerst gegessen, dann Geschenke verteilt und später einige Gesellschaftsspiele gespielt hatten. Sogar Aya hatte sich dem nicht entzogen und war bei ihnen gewesen, den ganzen Abend.
 

Er und seine kleine Familie…
 

Weiß war für ihn wie eine Familie geworden, sein Ersatz für etwas, das er nicht hatte. An das er sich nicht mehr erinnern konnte. Vielleicht war auch vor Weiß glücklich gewesen? Oder auch nicht? Vielleicht war es ihm vorher richtig schlecht gegangen, wer wusste das schon…
 

Omis Gedanken schnappten wieder in die Wirklichkeit, als Nagi sich in seinen Armen bewegte und sich ein bisschen von Omis lösen wollte.
 

Der Blondschopf lockerte seine Umarmung sofort, sodass Nagi den gewollten Abstand zwischen sie bringen konnte. Er sah seinem Freund in die braunen Augen und lächelte ihn sanft an.
 

„Was ist?“
 

Nagi sah auf die Matratze zwischen ihnen, als er antwortete.
 

„Können wir… was essen gehen? Ich… habe Hunger…“
 

Wie zur Bestätigung seiner Worte knurrte in diesem Moment Nagis Magen, woraufhin er rötlich anlief.
 

Omi lächelte wieder und fand, dass Nagi verdammt niedlich war, wenn er rot wurde.
 

„Ja, können wir machen. Ich habe auch Hunger, also lass uns frühstücken gehen.“
 

Der Blondschopf legte eine Hand an Nagis Kinn und hob dessen Kopf an, sodass er seinem Freund in die Augen sehen konnte. Er löste den Blick nicht, auch als er sich ganz langsam zu Nagi hinüberbeugte, nicht. Er sah seinen Freund die ganze Zeit an und achtete genau auf seine Reaktionen.
 

Doch Nagi rührte sich nicht.
 

Omi konnte dessen beschleunigten Atem auf seinem Gesicht spüren, doch Nagi wich nicht zurück.
 

Davon ermutigt überwand der Blondschopf den letzten Abstand und gab Nagi einen sanften, kurzen Kuss auf seine Wange.
 

Als er sich wieder zurücklehnte, konnte er sehen, dass Nagi seine Augen geschlossen hatte, sein Gesicht war leicht angespannt. Omi hoffte, dass er damit Nagi nicht noch weiter verschreckt hatte, denn sonst würde er noch mal ganz von vorne anfangen können.
 

Doch im nächsten Moment entspannte der Jüngere sich und öffnete seinen Augen wieder, mit denen er Omi ansah. In seinen Augen war keine Angst, kein Zeichen darauf, dass ihm das eben unangenehm gewesen war, nur wieder die stumme Bitte, ihn nicht zu verletzen.
 

Nein, verletzen würde Omi seinen Freund nie, er hätte es nicht vor der Vergewaltigung getan, und jetzt danach erst recht nicht mehr.
 

Der Blonde lächelte leicht und stand dann auf, Nagi eine Hand hinstreckend.
 

Der Braunhaarige ergriff die Hand und ließ sich von Omi aufhelfen, um dann gemeinsam mit ihm nach unten in die Küche zu gehen.
 

Dort schnappte sich Omi die Milch aus dem Kühlschrank und kippte sie über eine große Schüssel Cornflakes, bevor er sich zu Nagi umdrehte, der den Kühlschrank durchsuchte.
 

„Hast du was gefunden?“
 

Nagis Kopf tauchte aus dem Kühlschrank auf und braune Augen sahen ihn schüchtern an.
 

„Gibt es Brötchen?“
 

Omi sah in den Brotkasten und reichte Nagi dann eines von den Brötchen, die die anderen von Weiß gestern wohl noch gekauft hatten.
 

„Danke…“
 

Nagi legte das Brötchen auf die Anrichte, stellte Butter, Erdbeermarmelade, Schinken und Käse daneben und schloss dann die Kühlschranktür.
 

Omi sah ihm blinzelnd zu, wie Nagi das Brötchen aufschnitt und es erst mit Butter, dann Käse, Schinken und schließlich noch die Erdbeermarmelade belegte und beschmierte. Er sah Nagi zweifelnd an, und dieser sah fragend zurück.
 

„Was ist?“
 

Omi stierte auf Nagis Brötchen, welches dieser immernoch nicht zugeklappt hatte.
 

„Bist du dir sicher… dass du das isst?“
 

Nagi sah erst ihn, dann sein Brötchen verwirrt an, bevor er zu Omi zurücksah.
 

„Sicher, warum?“
 

Omi schluckte einmal.
 

„Okay…“
 

Nagi klappte sein Brötchen zu und trug es zum Tisch hinüber, womit er sich auf einem Stuhl niederließ.
 

„Guten Appetit.“
 

„Ja… danke, gleichfalls…“
 

Omi wandte sich schnell seinen Cornflakes zu, die er ebenfalls zum Tisch rüberschleppte und sich neben Nagi fallen ließ.
 

Nagi biss gerade von seinem… etwas seltsam kreierten Brötchen ab und kaute, bevor er es hinunterschluckte.
 

Omi sah ihn immernoch zweifelnd an.
 

„Und das schmeckt?“
 

Nagi nickte und hielt Omi sein Brötchen hin.
 

„Probier doch…“
 

Omi starrte auf das Brötchen, bevor er einmal schluckte und es Nagi aus der Hand nahm, um ein Stück abzubeißen und es seinem Freund dann wieder zu geben.
 

So schlimm, wie er befürchtet hatte, schmeckte es echt nicht, doch Omi blieb lieber bei seinen Zerealien…
 

Die nächste Viertelstunde verbrachten die beiden mit essen, bevor sie ihr gebrauchtes Geschirr in die Spülmaschine räumten und dann wieder nach oben gingen.
 

Als sie am Bad vorbeigingen, fiel Omi auf, dass seine letzte Dusche auch schon länger her war…

Er blieb stehen und wandte sich zu Nagi um.
 

„Nagi, ich gehe duschen, okay? Wartest du im Zimmer oder…“
 

Er ließ seinen Satz unvollendet, weil Nagi schon heftig mit dem Kopf zu schütteln begonnen und seine Hand an Omis geklammert hatte, die der Blondschopf festgehalten hatte.
 

Omi seufzte leise.
 

„Okay, dann komm mit.“
 

„Kann ich… nach dir auch… duschen?“
 

Omi suchte Nagis Blick und machte sicher, dass der Jüngere ihm in die Augen sah.
 

„Nur, wenn du mir versprichst, dich nicht mehr mit Wasser zu verbrennen.“
 

Nagi schlug die Augen nieder und wandte den Kopf ab, womit Omi genau wusste, dass er ist Schwarze getroffen hatte. Genau das hatte sein Freund wohl vorgehabt…
 

Omi ergriff Nagis Hände und drückte sie leicht mit einen eigenen.
 

„Nagi… versteh doch, er ist es nicht wert, dass du dir weh tust… nur wegen ihm… er ist die Schmerzen nicht wert, Nagi… und du bist, zum letzten Mal, nicht schmutzig! Du musst das nicht machen! Du bist nicht schmutzig, nicht dreckig, nicht befleckt, nicht nutzlos und auch nicht minderwertig! Schon gar nicht minderwertig, denn du bist so viel mehr wert als dieser Bastard Schuldig! Millionen Mal mehr!“
 

Omi spürte, wie sich einige Tränen in seinen Augen bildeten.
 

„Tu dir das nicht an, nur weil dieser verdammte Bastard dir so einen Mist erzählt hat! Verdammt noch mal, er hat gelogen! Wenn er dir gesagt hat, dass ich dich nicht mehr wollen würde, hat er gelogen! Ich will dich noch! Ich liebe dich noch! Was willst du noch hören, damit du mir glaubst?!“
 

Die Tränen liefen dem Blonden in Strömen über die Wangen und er schluchzte leise auf. Er fühlte sich so wahnsinnig hilflos und mit der ganzen Situation plötzlich total überfordert.
 

Panik stieg in ihm auf, dass ihm die ganze Situation entgleiten und er nicht mehr damit klar kommen würde.
 

Frustration trug ihren üblichen Teil dazu bei, gemixt mit einem beachtlichen Teil von Wut. Wut auf sich, auf Nagi, auf Schuldig, auf eigentlich alles.
 

Außerdem hatte er Angst. Riesige Angst, Nagi zu verlieren, weil dieser immernoch glaubte, dass er nicht mehr gut genug für Omi war.
 

Alle seine Gefühle schlugen sich in seiner Stimme nieder, mit der er Nagi ziemlich laut anschrie.

Omi festigte seinen Griff geradezu schmerzhaft um Nagis Hände, was diesen dazu brachte, leise zu wimmern und sich gegen den Blondschopf zu wehren. Er tat ihm weh.
 

„Bitte lass mich los!“
 

Seine Stimme klang panisch, doch Omi schien das nicht einmal zu bemerken, denn er reagierte überhaupt nicht.
 

Nagi drehte seinen Kopf zurück und sah Omi dann erschrocken an, als er merkte, dass dieser weinte. Er hörte auf sich zu wehren und starrte Omi mit aufgerissenen Augen an.
 

Der Blondschopf hätte schreien können. Warum verstand Nagi ihn nicht?! Warum war Nagi so dumm, dass er Schuldig glaubte und ihm nicht?! Warum wollte er nicht verstehen, dass Omi ihn trotz allem noch haben wollte und über alles andere hinaus liebte?! Vertraute er Schuldig etwa mehr als ihm?! Schuldig, der ihn vergewaltigt und verletzt hatte?
 

Omi ließ Nagis beide Hände fallen, um sich mit seinen Eigenen über die Augen zu wischen, bevor er sich umdrehte und in Richtung Bad davonging.
 

Er war kaum zwei Schritte gelaufen, als zwei fragile Arme seine Hüfte von hinten umschlangen und Nagi sein Gesicht in Omis Nacken vergrub. Der Jüngere flüsterte etwas, doch der Blondschopf konnte ihn nicht verstehen, so sehr zitterte seine leise Stimme. Sein Nacken wurde langsam aber sicher ziemlich nass, Nagi weinte ebenfalls.
 

Omi blieb stehen und versuchte zu hören, was Nagi sagte, und verstand es nach genauerem Hinhören endlich.
 

Es war nur ein einziges Wort.
 

„…entschuldige… entschuldige… entschuldige… entschuldige…“
 

Nagi flüsterte es immer und immer wieder, wie eine Beschwörungsformel. Immer wieder brach seine Stimme ab und er setzte neu an, flüsterte von neuem dieses Wort in Omis Nacken.
 

Der Blondschopf blieb noch einen Augenblick still stehen, dann drehte er sich mit einem Ruck herum und umarmte seinen Freund heftig, schlang seine Arme um dessen Rücken und drückte ihn so fest an sich, dass er fast Nagis Knochen knacken hören konnte.
 

Der Braunhaarige presste sein Gesicht wieder in Omis Nacken, weinte und entschuldigte sich immernoch, während er Omis Klammergriff gar nicht zu bemerken schien.
 

Omi vergrub sein Gesicht in Nagis Haaren und ließ seinen Tränen freien Lauf, weinte den Stress und die Anspannung von gestern und heute einfach aus sich heraus.
 

Er beruhigte sich erst wieder Minuten später, doch immernoch früher als Nagi.
 

Das Weinen des Jüngeren war zu einem Omis Herz zerreißenden Wimmern verkümmert, während er sich immernoch wieder und wieder bei dem Blondschopf entschuldigte.
 

„… bitte verzeih’ mir… ich… mache dir nur… Ärger…“
 

Omi schüttelte den Kopf und bemerkte plötzlich, wie eng und fest er Nagi an sich presste. Er ließ wieder ein bisschen locker und hob dann eine Hand zu seinen Gesicht, um sich die Tränen fortzuwischen, die immernoch hartnäckig in seinen Augen standen.
 

„Nein, du machst doch keinen Ärger… und hör auf, dich zu entschuldigen, mir tut es Leid, dass ich dich so angeschrieen habe… das war nicht okay von mir…“
 

Nagi löste sein Gesicht aus Omis Nacken und ließ den Kopf hängen.
 

„… dir muss gar nichts Leid tun… und ich bin so blöd… dass ich Schuldig glaube… bitte, bitte entschuldige… entschuldige…“
 

Der Blondschopf legte eine Hand an Nagis Kinn und hob dessen Kopf an, um ihm in die Augen zu sehen. Er legte einen Finger auf Nagis Lippen und unterbrach so seine Entschuldigungen.
 

„Hör auf damit, es ist nicht deine Schuld… aber… glaubst du mir jetzt? Glaubst du mir endlich, dass er gelogen hat? Dass ich dich immernoch will? Dass ich dich immernoch liebe, mehr als alles andere?“
 

Nagi sah Omi diesmal in die Augen und zögerte kurz, bevor er seinem Freund antwortete.
 

„Ja…“
 

Der Blondschopf blickte Nagi bei seiner Antwort scharf in die Augen, die ihn nun ein bisschen verunsichert ansahen.
 

Doch dann wurde Omis Miene weich und sein Mund verzog sich zu einem erleichterten Lächeln. Seine freie Hand hob sich an Nagis Wange und strich ihm sanft darüber, wischte Nagis Tränen weg, die sich noch dort gehalten hatten
 

„Dann ist es gut… ich liebe dich…“
 

Nagis Mundwinkel hoben sich zu seinem ersten richtigen Lächeln, das Omi in den letzten beiden Tagen gesehen hatte. Es war zwar kaum sichtbar, doch Omi erkannte, dass es da war. Er konnte es sehen, aber er kannte seinen Freund auch besser als jeder andere.
 

„Ich… dich… auch…“
 

Omis Augen leuchteten auf, als er das hörte. Nagi sagte diese Worte zum ersten Mal, seit Omi ihn gestern Mittag gefunden hatte.
 

Er zog Nagi wieder näher zu sich, während seine Hand Nagis Wange nicht verließ. Sie streichelte Nagis mittlerweile wieder fast trockene Haut, während der Blondschopf seinem Freund in die braunen Augen sah und ganz langsam sein Gesicht dem des Jüngeren näherte.
 

Nagis Lächeln verschwand und er schloss die Augen, als Omi ihn wieder sanft auf die Wange küsste. Doch diesmal verspannte sich sein Körper nicht, als er Omis Lippen spürte, die ihn nur kurz und leicht berührten. Omis Lippen waren warm und hinterließen ein leichtes, angenehmes Kribbeln auf seiner Haut, als sich der Blondschopf wieder zurückzog.
 

Nagi öffnete seine Augen, sah auf und bemerkte die Unsicherheit in Omis blauen Augen, mit denen er seinen jüngeren Freund anblickte. Er war sich nicht sicher, ob es für Nagi okay gewesen war. Vorhin war es eine andere Situation gewesen…
 

Doch die Mundwinkel des Jüngeren hoben sich wieder ein wenig, bevor er sich wieder an Omi schmiegte, seinen Kopf an die Schulter des älteren Blondschopfes lehnte. Er konnte Omis leicht beschleunigte Atmung hören, die sich langsam wieder beruhigte, bevor er Omi leise seufzen hörte.
 

Der Blondschopf legte auch seinen zweiten Arm um Nagi und drückte ihn an sich, legte seinen Kopf an Nagis.
 

Omi war erleichtert, dass Nagi sich nicht gegen seine Küsse gewehrt hatte, vorhin nicht und jetzt ebenfalls nicht. Er hatte zuerst mit dem Gedanken gespielt, seinen Geliebten auf den Mund zu küssen, doch er hatte es sich noch im selben Moment verboten. Nagi war noch nicht so weit, dass er das zugelassen hätte. Und Omi wollte Nagi nichts aufzwingen, er konnte es gar nicht. Allein schon der Gedanke daran war ziemlich absurd.
 

Omi stand noch eine Weile einfach da, in einer Umarmung mit Nagi, doch dann fiel ihm ihr eigentliches Vorhaben wieder ein und er schob Nagi sanft von sich.
 

„Na dann komm, wir gehen duschen, ja? Und…“, er sah seinen Freund ernst an, …kein heißes Wasser mehr, okay? Versprich es.“
 

„Okay… versprochen…“
 

Nagi nickte noch einmal bestätigend und Omi nahm seine Hand, um mit ihm ins Badezimmer zu gehen.

Dort setzte sich Nagi auf dem Toilettendeckel, wie an Vortag Omi, und schlug den Blick nieder, als der Ältere sich auszuziehen begann.
 

Als Omi komplett nackt war, spürte er Nagis Blick, der ihn flüchtig streifte, und sah zu seinem jüngeren Freund hinüber, woraufhin Nagis Wangen leicht rosa wurden, er sein Kinn auf seine Knie stützte, die er an seine Brust gezogen und mit seinen Armen Umschlungen hatte, und den Blick wieder auf den Boden richtete.
 

Omi konnte durch Nagis dunkle, dichte, lange Wimpern den Ausdruck in seinen Augen nicht sehen, als der Jüngere anfing zu sprechen.
 

„… Noch ein Fehler… den er gemacht hat… In seiner Vorstellung… hattest du Schamhaare…“
 

Seine Stimme wurde mit jedem Wort immer leiser, weil der Braunhaarige sein Gesicht immer mehr in seinen Knien vergrub. Schließlich erstarb sie ganz, und Nagi saß völlig ruhig da. Er zitterte nicht, weinte nicht, er saß nur da und sah dabei einfach nur unheimlich hilflos, bemitleidenswert und verletzlich aus.
 

Der Blondschopf wäre am liebsten zu seinem Freund hinüber gegangen und hätte ihn sanft umarmt und getröstet, doch er war immernoch völlig nackt und Nagi hätte Panik bekommen können, wenn er sich ihm so genähert hätte.
 

Stattdessen schnappte er sich ein Handtuch und legte es neben die Dusche.
 

„Versuch, nicht mehr daran zu denken… es ist vorbei und wird niemals mehr wieder geschehen… ich verspreche es dir…“
 

Nagi sagte nichts mehr und so stieg Omi in die Duschkabine, bevor er diese schloss und das Wasser anstellte. Erst bekam er einen eiskalten Schwall ab und schrie erstickt auf, als das Wasser auch schon wieder eine höhere Temperatur erreichte und sein Körper sich wieder entspannte, er sich ganz unter den Wasserstrahl stellte und sich von der angenehmen Wärme einhüllen ließ.
 

Durch das Rauschen des Wassers hörte er Nagis leise Stimme.
 

„Was hast du?“
 

Omi hörte die Sorge, die versteckt in der scheuen Stimme lag, heraus, und er müsste leicht lächeln.
 

„Nichts Nagi, das Wasser war nur ganz kalt am Anfang.“
 

„Ach so…“
 

Omi ließ das warme Wasser über seine Haare laufen und griff dann nach seiner Shampooflasche, um etwas davon in seine Hand zu geben und dann in seine Haare einzumassieren. Er schloss die Augen und verteilte das Shampoo sorgfältig mit seinen Fingerspitzen auf seiner Kopfhaut.
 

„Omi?“
 

Omi hörte Nagi und antwortete ihm, während er seine Augen geschlossen hielt und seine Haare vom Wasser auswaschen ließ.
 

„Hm?“
 

„Welches Shampoo benutzt du?“
 

Omi wunderte sich über die Frage seines Freundes, beantwortete sie aber doch.
 

„Dasselbe, das du gestern genommen hast, es ist meins. Auch das Duschgel von gestern gehört mir.“
 

Er griff nach dem besagten Duschgel, schüttete es auf seine Hand und begann seinen Körper damit einzuseifen.
 

Es herrschte keine Minute Stille, als Omi Nagis Stimme wieder hörte.
 

„… hast… du noch… eine Zahnbürste… für mich?“
 

Der Blondschopf begann sich langsam zu fragen, warum Nagi ausgerechnet jetzt auf solche Sachen kam.
 

„Ja, klar, ich gebe sie dir gleich, okay? Ich wasche nur noch meine Haare aus.“
 

Er hielt seinen Kopf wieder unter Wasser, als ihm plötzlich siedendheiß einfiel, warum Nagi ihn gerade jetzt so viel fragte.
 

Er ertrug die Stille nicht. Er hielt die Stille nicht aus, weil er dann praktisch zum Nachdenken gezwungen wurde. Zum sich Erinnern. Und das wollte es nicht, deshalb versuchte er sich mit allen Mitteln abzulenken.
 

Omi war kurz davor, Nagi darauf anzusprechen, doch er ließ es dann doch. Die Frage danach würde Nagi nicht leicht fallen zu beantworten, und er wollte sie lieber stellen, wenn er Nagi in die Arme nehmen und trösten konnte, falls es nötig war.
 

Er wusch sich schnell fertig und stellte dann das Wasser ab, bevor er seine Haare ausdrückte und die Tür der Duschkabine aufschob, um sich sein Handtuch zu schnappen und darin einzuwickeln.
 

Nagi saß immernoch in unveränderter Haltung auf dem Toilettendeckel und hielt den Blick gesenkt, als Omi die Dusche verließ.
 

Der Blondschopf sah ihn kurz an, bevor er sich abtrocknete und dann ein kleineres Handtuch für seine Haare holte, um diese wenigstens ein bisschen trockener zu kriegen. Fönen mochte er nicht so, er machte es nur, wenn er mal keine Lust auf ständig nasse Haare hatte oder es eilig hatte.
 

Dann schlang er sich sein Handtuch um die Hüfte und ging zu Nagi hinüber, der in Gedanken versunken zu sein schien. Jedoch zitterte er leicht und Omi konnte sich verdammt gut vorstellen, an was Nagi gerade dachte.
 

Omi tippte Nagi sachte auf die Schulter, um ihn aus seinen Erinnerungen zurückzuholen.
 

Der Jüngere fuhr erschrocken auf und starrte Omi an, woraufhin er heftig zusammenzuckte und sich der Schreck in seinem Blick in blinde Panik verwandelte.
 

Der Blondschopf reagierte sofort.
 

„Keine Angst, ich bin es, Nagi… ich bin’s…“
 

Er ging einen Schritt zurück, um zwischen ihnen ein wenig Raum zu schaffen, damit sich Nagi nicht von ihm bedrängt fühlte.
 

Der Braunhaarige blickte ihn noch einen Moment ängstlich an, doch dann entwich seinem Körper die Anspannung und er sackte in sich zusammen.
 

„… entschuldige… es kommt einfach… immer wieder hoch…“
 

Omi ließ sich neben Nagi auf die Knie sinken und sah seinem Freund in die Augen.
 

„Du sollst dich doch nicht entschuldigen… da ist nichts, wofür du dich bei mir entschuldigen müsstest…“
 

Nagi wandte seinen Blick ab und kauerte sich noch enger zusammen. Seine Augen starrten in die Leere und sahen so hoffnungslos, gebrochen aus, dass es dem Blondschopf weh tat, seinen Freund so zu sehen.
 

„Diese… Bilder… sind immer wieder… in meinem Kopf… und… ich kann… es nicht… vergessen…“
 

Omi schlang seine Arme um Nagis Körper und zog den Jüngeren zu sich auf den Boden, in seinen Schoß, bevor er ihn an sich drückte und seinen Rücken streichelte.
 

Er spürte Nagis warmen Körper durch den dünnen Stoff dessen T-Shirts, was ihm schlagartig bewusst machte, dass er immernoch nichts anhatte, außer dem Handtuch um sein Hüfte.
 

Auch Nagi schien es zu bemerken, doch er schmiegte sich trotzdem an Omis nackten Oberkörper, ließ sich von seinem Freund trösten.
 

Der Blondschopf atmete auf, als er merkte, dass sich Nagi in seine Umarmung fallen ließ und entspannte. Er versteifte sich nicht wie noch in der Nacht zuvor, sondern gab Omi das Gefühl, dass Nagis Vertrauen zu ihm wieder etwas mehr zugenommen hatte.
 

Omi spürte, dass Nagi diesmal nicht weinte, sondern sich einfach so umarmen ließ, nach Trost suchte. Er hatte sein Gesicht in Omis Halsbeuge vergraben, sodass es Omi aufgefallen wäre, wenn sein Freund geweint hätte. Was er jedoch spürte, war, dass Nagi im Nacken noch genauso verspannt war wie gestern.
 

Eine Weile saßen sie noch da, bis sich Omi wieder rührte und Nagi ein wenig von sich schob.
 

„Du wolltest doch duschen, oder? Und ich suche dir eine Zahnbürste, ja?“
 

Nagi nickte und stand dann auf, streckte Omi seine Hand hin und half diesem so beim Aufstehen.
 

Der Blondschopf ging zu dem kleinen Schränkchen unter dem Waschbecken hinüber und suchte dessen Inhalt nach einer frischen Zahnbürste für seinen Freund ab.
 

Schließlich fand er eine, riss die Packung auf und drückte Nagi die Zahnbürste in die Hand, bevor er die Verpackung in den Müll schmiss.
 

Nagi putzte sich schnell die Zähne, spülte seinen Mund aus und wandte sich dann in Richtung Dusche um.
 

Omi drehte sich wie schon am Vortag um, fixierte mit seinen Augen einen Punkt auf der gegenüberliegenden Wand.
 

„Nagi? Ich gehe kurz rüber, Klamotten für uns holen, okay? Ich bin sofort wieder da, dauert nur eine Minute.“
 

Hinter ihm hörte das Rascheln der Kleider auf, bevor Omi leise Fußschritte hörte, die in Richtung Dusche gingen.
 

„Okay… aber beeil dich… bitte…“
 

„Mach’ ich, Nagi.“
 

Omi verließ schnell den Raum und ging zu seinem Schrank hinüber, um einige frische Klamotten zu suchen. Dabei bemerkte er, dass er keine sauberen T-Shirts mehr hatte. Er musste nachher unbedingt waschen gehen…
 

Statt den T-Shirts griff Omi nach zwei Pullovern, welche man durch Knöpfe schließen musste, die noch in seinem Schrank waren.
 

Damit, zwei Hosen und Boxershorts ging er zurück ins Badezimmer, wo Nagi schon unter der Dusche stand. Der Geruch seines Shampoos und Duschgels lag in der Luft, Nagi benutzte also erneut diese Sachen.
 

Omi warf den Kleiderhaufen auf den Boden und begann sich anzuziehen. Während er sein Hemd zuknöpfte, fiel sein Blick auf das kleine Regal, das an der Wand neben der Dusche hing. Darauf stand nur ein einziges Fläschchen.
 

Omi ging darauf zu und holte die kleine Flasche herunter, um auf das Etikett zu sehen.

‚Meditation’ stand darauf. Und daneben… es war Massageöl.
 

Über Omis Gesicht huschte eine leichtes Lächeln, bevor er den Korken aus dem Fläschchen zog und an dem Öl roch.
 

Auf dem Etikett stand etwas von wegen Lavendel, doch für Omi roch das ganze so deutlich nach Rosen, dass er nur den Kopf schütteln konnte. So roch doch kein Lavendel…
 

In dem Kopf des Blondschopfes formte sich allmählich eine Idee, bei der er hoffte, dass Nagi auch mitspielen würde.
 

Aber er konnte es ja zumindest versuchen, schaden würde es sicher nicht.
 

Omi drehte sich um und stelle das Fläschchen neben der Toilette auf den Boden, während er sich auf dem geschlossenen Deckel von dieser niederließ.
 

Er musste nicht lange warten, bis Nagi wieder aus der Dusche kam. Er wickelte sich in ein frisches Handtuch ein und trocknete sich ab, während Omi ihm seine Kleider reichte und dann den Kopf abwandte, damit Nagi sich anziehen konnte.
 

Omi konzentrierte sich auf die Geräusche, die Nagi machte, er durfte den Richtigen Zeitpunkt nicht verpassen, sonst würde es nicht klappen.
 

Er ließ Nagi Zeit, seine Boxershorts anzuziehen und sich das Hemd über die Schultern zu streifen, bevor er sich umdrehte.
 

Nagi wollte gerade nach dem ersten Knopf des Hemdes greifen, als Omis eine Hand seine eigenen sanft wegdrückten, bevor sie sich locker um eine von Nagis Händen schloss.
 

Der Braunhaarige sah verwirrt auf, direkt in Omis sanft lächelndes Gesicht.
 

Omi zog leicht an Nagis Händen, während er sich selbst in Bewegung setzte, in Richtung sein Zimmer.
 

Der Jüngere folgte ihm, immernoch verwirrt, in das Zimmer des Blondschopfes, wo dieser ihn sanft in Richtung Bett schob, wo Nagi sich auf der Kante niederließ.
 

Omi konnte Nagis Augen sich weiten sehen, doch er schüttelte nur den Kopf, während er seine Hand hob, um die Wange des Jüngeren zu streicheln.
 

„Keine Angst… dir passiert nichts…“
 

Der Blondschopf stellte das kleine Fläschchen, das er bis jetzt in seiner anderen Hand gehalten hatte, auf seinem Nachttisch ab und stand dann auf, um zu seiner Stereoanlage zu gehen und die langsame, beruhigende Musik anzumachen.
 

Dann ging er zurück zu Nagi und setzte sich zu ihm auf die Bettkante, bevor er leicht gegen Nagis Schulter drückte.
 

„Leg dich hin, Nagi… auf den Bauch…“
 

Der Jüngere sah Omi aus verwirrt und gleichzeitig ängstlichen Augen an. Was sollte das?
 

Omi hob seine Hand wieder und streichelte Nagi erneut beruhigend über die Wange.
 

„Du musst wirklich keine Angst haben, ich tu’ dir doch nichts… ich verspreche es dir… vertraust du mir denn nicht?“
 

Er sah Nagi bei seiner Frage tief in die Augen, um zu wissen, ob Nagi bei seiner Antwort ehrlich sein würde oder ob er log.
 

„Doch…“
 

Omi prüfte Nagis Augen und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass Nagi nicht zu lügen schien.
 

„Siehst du… und ich würde dein Vertrauen nicht verletzen wollen… und dich schon gar nicht… also, vertrau mir und leg dich auf den Bauch, okay?“
 

Nagi sah noch einmal in Omis Augen, bevor er sich wirklich auf den Bauch legte und liegen blieb. Er zitterte leicht, doch er blieb liegen.
 

Der Blondschopf freute sich über den Vertrauensbeweis, den Nagi eben erbracht hatte. Omi konnte sich vorstellen, dass es Nagi schwer fiel, überhaupt jemandem den Rücken zuzudrehen.
 

Omi kniete sich neben ihn auf die Matratze und legte seine Hände auf Nagis Schultern. Er konnte den Braunhaarigen ganz leicht zucken spüren und ließ seine Hände, wo sie waren.
 

„Sch… ganz ruhig… ich will dich bloß ein bisschen massieren… okay?“
 

Nagis Zittern ließ langsam nach, als der Jüngere die Worte hörte. Omi atmete auf, als er Nagi leicht nicken sah, bevor dieser den Kopf zur Seite legte, an die gegenüberliegende Wand starrte.
 

Omi wollte Nagi nichts aufzwingen und wartete solange, bis Nagi wieder völlig ruhig da lag und wartete. Erst dann begann er Nagis verspannte Schultern langsam zu massieren, seine Muskeln zu lockern, bevor er ein Stück nach unten wanderte. Er schob dabei den Stoff des Hemdes weiter nach unten, bevor er seine Hände Nagis nun nackte Haut massierte.
 

Langsam, ganz langsam, konnte er spüren, wie die Anspannung aus Nagis Schultern wich, und er sah, wie sich die Augen des Jüngeren ebenfalls langsam schlossen. Omi lächelte, es schien Nagi zu gefallen.
 

Er beschloss, noch einen Schritt weiter zu gehen.
 

Seine Hände unterbrachen ihre Arbeit kurz, um an Nagis offenem Hemd zu zupfen.
 

„Kann ich das… wegtun?“
 

Er konnte genau sehen, dass Nagi zögerte, doch dann überwand er sich und drehte einen Arm nach hinten, damit Omi ihm das Hemd abstreifen konnte.
 

Der Blondschopf strich das Hemd von Nagis Rücken und legte es auf Nagis anderer Seite ab, wo dessen einer Arm immernoch im einen Ärmel des Hemdes steckte. Das störte ja nicht.
 

Omis Blick glitt einmal kurz über den fragilen Rücken seines Freundes, bevor er den Kopf schüttelte und seine Hand nach der Flasche auf dem Nachttisch ausstreckte.
 

Nagi folgte seiner Hand mit den Augen.
 

„Was ist das?“
 

Omi lächelte still vor sich hin und entkorkte dann die Flasche, bevor er sich etwas noch vorne beugte und Nagi das Öl unter die Nase hielt.
 

„Massageöl. Riecht gut, nicht?“
 

Nagi nickte leicht und Omi lehnte sich wieder zurück, um etwas von der nach Rosen riechenden Flüssigkeit auf seine Hand zu geben und dort ein bisschen aufzuwärmen, damit sich Nagi nicht erschreckte.
 

Eine Minute später legte er seine Hände wieder an Nagis Schultern und begann das Öl sanft einzumassieren, während er weiter nach unten wanderte. Systematisch lockerte er alle Muskeln seines Freundes, der die ganze Zeit über ruhig da lag, zu genießen schien. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf seine Lippen geschlichen und er entspannte sich immer mehr, je länger er Omis Hände auf seinem Rücken spürte. Seine Augen fielen zu und die Musik, die schon die ganze Zeit über leise lief, lullte ihn ein.
 

Er wäre fast eingeschlafen, wenn Omi nicht irgendwann an das Gummiband der Boxershorts, die er gerade anhatte, gekommen wäre.
 

Omi fühlte, wie Nagis Körper sich wieder ein bisschen anspannte.
 

„…nein… nicht weiter…“
 

Der Blondschopf schreckte aus seiner Arbeit hoch, als er Nagis bittende, ängstliche Stimme hörte. Er war so versunken gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, was seine Finger gemacht hatten. Er war so fasziniert davon gewesen, wie sich die spärlichen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster herein schienen, auf Nagis vom Öl glänzender Haut brachen und spiegelten.
 

Jetzt ließ er seine Hände sofort wieder nach oben wandern, um die Verspannung wieder zu lösen, die er eben durch seine kleine, unvorsichtige Bewegung verursacht hatte.
 

Bald hatte er Nagi wieder ganz entspannt neben sich liegen, erneut fast am Schlafen.
 

Omi lächelte leicht und beugte sich dann vor, um Nagi einen sanften Kuss auf die Wange zu geben, was dieser mit einem leisen Seufzen quittierte und seine schwer gewordenen Augenlieder wieder etwas anhob. Auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln, als er Omi aus schläfrigen, braunen Augen ansah.
 

„Danke… das war… schön…“
 

Omi setzte sich ganz auf das Bett und begann Nagis Wange zu streicheln.
 

„Hab‘ ich gerne gemacht… fühlst du dich jetzt besser?“
 

Nagi gab ein zustimmendes Geräusch von sich und nickte müde, was Omi wieder zum Lächeln brachte. Seit vorgestern Abend hatte er Nagi nicht mehr so entspannt gesehen wie jetzt gerade. Und mit so wenig Kleidung schon gar nicht… eben beim massieren war es Omi gar nicht so richtig aufgefallen, doch jetzt merkte er, dass Nagi nur noch seine Boxershorts trug…
 

Omi schüttelte den Kopf und verfolgte den Gedanken gar nicht weiter. Er durfte an sowas gar nicht denken, nicht jetzt. Für eine ganze Zeit nicht, denn Nagi würde genau diese Zeit brauchen, um alles zu überwinden.
 

Der Blondschopf streichelte weiterhin Nagis Wange, während er sich langsam neben den Jüngeren sinken ließ.
 

Dieser sah ihm aus halbgeschlossenen Augen dabei zu und erwiderte das Lächeln, das Omi ihm schenkte, bevor ihm seine Augen ganz zufielen. Er war innerhalb der nächsten Sekunden eingeschlafen, Omi bemerkte es an den gleichmäßigen Atemzügen seines Freundes.
 

Omis Hand strich noch einmal über Nagis Wange, bevor er sie zurückzog und seinen Kopf darauf stützte.

Nagi lag friedlich schlafend vor ihm, er schien keine Albträume zu haben. Omi war froh darüber, er hätte zwar etwas dagegen tun können, doch er wollte nicht, dass sein Freund überhaupt daran dachte und so darunter litt.
 

Omi lag noch eine Weile einfach da und betrachtete Nagi, während er dessen Schlaf bewachte.

Irgendwann fiel ihm ein, dass er eigentlich noch mal Brötchen kaufen müsste. Aber konnte er Nagi einfach alleine lassen?
 

Na ja, immerhin schlief er ja, aber was wenn er aufwachen und Panik bekommen würde?
 

Omi wollte nicht, dass Nagi Angst hatte, aber er wollte morgen schon Brötchen essen, und Nagi sicher auch.
 

Er streckte noch einmal die Hand aus und strich ein paar braune Strähnen, die Nagi ins Gesicht gefallen waren, hinter dessen Ohr, bevor er sich vorsichtig vom Bett erhob. Der Blondschopf zog die dicke Decke über Nagis spärlich bekleideten Körper, damit der Jüngere nicht fror.
 

Dann konzentrierte er sich und ließ eine Verbindung seiner Gedanken mit Nagis und dessen Gefühlsebene entstehen. Er las seine Gefühle nicht, denn Nagi hatte es ihm nicht erlaubt. Er wollte nur wissen, wenn Nagi aufwachte, um dann sofort wieder nach Hause zurückzukehren. So konnte er zumindest überprüfen, ob es Nagi gut ging oder ob er Albträume hatte. Er würde ja auch nicht lange wegbleiben, vielleicht fünf Minuten, wenn es hochkam…
 

Omi konzentrierte sich erneut, doch diesmal auf die kleine Gasse neben dem Supermarkt einige Straßen weiter. Er würde sich teleportieren, damit es schneller ging.
 

Mit einem leisen Geräusch verschwand er aus dem Raum, nur um einen Sekundenbruchteil später einige Straßen weiter wieder aufzutauchen.
 

Er stellte sofort fest, dass es nicht mehr schneite, sondern viel eher regnete. Schwarze Wolken bedeckten den Himmel, als würde jeden Moment ein Gewitter losbrechen.
 

Omi sah sich kurz um, aber hier war niemand, der ihn hätte beobachten können, also ging er aus der Gasse und rüber zum Supermarkt, wo er durch die Glastür den Laden betrat.
 

Er ging mit schnellen Schritten zur Käse- und Brottheke hinüber und ließ sich dort die Brötchen geben, die er haben wollte.
 

Mit der Tüte in der Hand ging er durch die langen Reihen in Richtung Kasse, als plötzlich ein heller Blitz über den Himmel zuckte und ein gewaltiger Donnerschlag diesem direkt folgte.

Omi konnte spüren, wie sich in Nagis Gedanken- und Gefühlsebenen etwas änderte. Er fühlte, wie Nagi langsam wach wurde.
 

Mist, er hatte doch noch nicht bezahlt! Er musste sich beeilen!
 

Der Blondschopf rannte in Richtung Kasse, als der nächste helle Blitz über den Himmel zuckte, woraufhin ein noch lauteres Donnergrollen als zuvor folgte.
 

Omi hörte Nagi in seinem Kopf schrill und panisch aufschreien. In seinen Gefühlen konnte er nur noch die blinde Panik lesen und auch in seinen Gedanken war nichts rationales mehr zu finden. Nur noch blanke Angst, nichts sonst. Und diese ganze Angst strömte, vermischt mit jede Menge Bildern, mit einer solchen Wucht auf Omi ein, dass sich die Augen des Blondschopfes weiteten und er vor lauter Schreck die gedankliche Verbindung zerriss.
 

Omi blickte sich hektisch um und sah, dass kein Mensch in der Reihe war, in der er gelaufen war, also teleportierte er sich sofort in sein Zimmer zurück. Dass er die Brötchen nicht bezahlt hatte, war ihm in dem Moment völlig egal, Nagi war ihm jetzt definitiv wichtiger.
 

Er tauchte nur eine Sekunde später wieder in seinem Zimmer auf und sah sich hastig um.
 

Nagi war nicht mehr im Bett. Er kauerte dicht in eine Ecke von Omis Zimmer gedrückt auf dem Boden, die Beine an seine Brust gezogen, und starrte mit weit aufgerissenen Augen in Omis Richtung. Seine Pupillen waren nur noch zwei kaum erkennbare Punkte in seinen Augen, hatten sich in Nagis Panik zusammengezogen. Sein ganzer Körper zitterte heftig, während er sich bei Omis Auftauchen noch enger in die Ecke drückte und leise wimmerte. Seine Lippen bewegten sich leicht, doch Omi konnte nicht verstehen, was Nagi sagte.
 

Er blieb wie angewurzelt stehen und versuchte nicht einmal, weiter auf Nagi zuzugehen. Er wusste, was Nagi gerade in ihm sah, und er würde nur noch mehr in Panik geraten, wenn Omi versuchen würde sich ihm zu nähern oder gar ihn anzufassen.
 

Wieder zuckte ein heller Blitz über den Himmel, gefolgt von einem Donnerschlag.
 

Nagi schrei erstickt auf und kauerte sich noch kleiner zusammen, hielt seine Arme schützend über sein Gesicht und seinen Kopf, doch seine geweiteten Augen waren immernoch auf Omi fixiert.
 

Omi erkannte, dass die Blitze der Grund für Nagis Panik sein mussten. Und er wusste auch, warum. In der Nacht, als Schuldig Nagi vergewaltigt hatte, hatte es ebenfalls geblitzt und gedonnert. Und jetzt verband Nagi die Schmerzen mit dem Gewitter.
 

Der Blondschopf hielt es nicht mehr aus, Nagi so zu sehen. Er ging einen Schritt auf seinen jüngeren Freund zu, was diesen dazu veranlasste, noch heftiger zu zittern.
 

Omi blieb wieder stehen, doch er gab nicht auf.
 

„Nagi… Nagi, ich bin’s, Omi. Keine Angst… hab keine Angst, ich tu’ dir nichts…“
 

Er ließ seine Stimme ganz sanft und weich klingen, um Nagi davon zu überzeugen, dass er wirklich er war, und nicht Schuldig, der Nagi wieder irgendetwas eingepflanzt hatte.
 

Doch Nagi ließ sich davon keineswegs beruhigen. Seine Augen weiteten sich noch mehr, als Omi noch einen Schritt auf ihn zu machte.
 

„Nein! Bitte… nein, nicht! Bitte, nicht noch einmal!“
 

Omi blieb sofort wieder stehen. Er war jetzt nur noch zwei Meter von Nagi entfernt, und der Jüngere drückte sich daraufhin panisch noch enger in die Ecke des Zimmers.
 

Dem Blondschopf versetzte es einen tiefen Stich ins Herz, seinen Freund so zu sehen. Er ging auf die Knie, um nicht so viel größer als Nagi selbst zu wirken, bevor er noch einmal versuchte, Nagi mit seiner Stimme zu beruhigen, doch es schlug abermals fehl.
 

Nagi schüttelte nur heftig den Kopf, als plötzlich wieder ein greller Blitz das Zimmer erhellte.
 

Der Braunhaarige gab ein Wimmern von sich und kniff die Augen fest zusammen.

Omi handelte instinktiv. In dem Moment, als Nagi seine Augen schloss, schnellte er nach vorne und presste Nagi fest an sich.
 

Der Jüngere schrie erstickt auf und begann sich augenblicklich gegen Omi zu wehren, indem er sich zu winden begann. Sein ganzer Körper verkrampfte sich und er wollte um sich schlagen, doch Omi hatte seine beiden Arme fest an die Seiten seines Körpers gedrückt, und würde ihn auch nicht loslassen.
 

„Nein! Lass’ mich los, bitte!“
 

Doch Omi ließ nicht locker, er drückte seinen Freund eher noch enger an seinen Körper heran.
 

„Keine Angst, Nagi… Ich bin es, wirklich…“
 

Er griff nach Nagis beiden Händen und begann mit seinen Daumen die Außenseiten zu massieren.
 

Der Jüngere sollte ihn spüren, damit er sich davon überzeugen konnte, dass Omi wirklich Omi war, und nicht Schuldig oder sonst wer. Nagi hatte ja selbst gesagt, dass sich Schuldigs Berührungen ganz anders angefühlt hatten als seine eigenen, also würde er versuchen, den Braunhaarigen so aus seiner Panik zu befreien.
 

Er konnte Nagi zittern spüren, während dieser seinen Widerstand langsam aufgab und schließlich nur noch kraftlos in Omis Armen lag. Er schien seinen Freund erkannt zu haben.
 

Der Blondschopf bemerkte, dass Nagis Schultern begonnen hatten zu zittern, und hörte auch in diesem Moment das leise Wimmern und Schluchzen, das Nagi von sich gab.
 

Omi lockerte seine Arme um Nagis schlanken Körper und hob eine Hand zu Nagis Schopf, um seine Haare zu streicheln. Gleichzeitig beugte er sich ein bisschen nach vorne über Nagis Schulter, um dem Jüngeren einen leichten Kuss auf die Wange zu geben.
 

„Scht… ganz ruhig… alles ist in Ordnung…“
 

Er wusste zwar, dass gar nichts in Ordnung war, aber es war eigentlich egal, was er sagte, Hauptsache seine Stimme klang beruhigend. Nagi würde wahrscheinlich eh nichts mitbekommen.
 

Der Jüngere weinte heftig und Omi konnte nichts weiter tun, als versuchen ihn zu trösten und beruhigend auf ihn einzureden. Er ließ seine Lippen immer wieder leicht über Nagis tränennasse Wange streichen, während er in sein Ohr sprach.
 

Nach einiger Zeit schien es schließlich zu wirken, denn Nagi hörte langsam auf zu zittern und ließ sich gegen Omi zurücksinken.
 

Der Blondschopf drückte seine Wange gegen Nagis und legte den Arm, dessen Hand die Haare des Jüngeren gestreichelt hatten, zurück um Nagis Taille.
 

„Wieder alles in Ordnung?“
 

Der Braunhaarige gab ein leichtes Nicken als Kommentar und entspannte seinen Köper.
 

Omi atmete erleichtert auf und wollte sich ein bisschen von seinem Freund lösen, als ein weiterer Blitz durch das Zimmer zuckte.
 

Nagi wimmerte auf, fuhr herum und krallte seine Hände in den Stoff von Omis Pullover, während er sein Gesicht in dessen Brust vergrub.
 

„Geh nicht! Lass’ mich nicht allein, Omi! Bitte!“
 

Der Blondschopf legte seine Arme wieder um Nagi und streichelte beruhigend seinen Rücken.
 

„Schon gut… ich bleibe bei dir und beschütze dich… hab keine Angst…“
 

Doch Nagi hatte offensichtlich Angst, so wie er in Omis Armen zitterte.
 

Der Blondschopf wartete geduldig, bis sich sein Freund wieder etwas beruhigt hatte, bevor er vorsichtig aufstand und Nagi dann beim Aufstehen half. Dann führte er seinen Freund zum Bett, wo sich dieser auf der Bettkante niederließ.
 

Der Blondschopf schnappte sich seine Decke und legte diese um Nagis schmale Schultern, bevor er dem Jüngeren sanft durch die Haare streichelte.
 

Nagi schmiegte sich gegen seine Hand, das gefiel ihm.
 

Omi ließ seine Hand noch einmal über Nagis Wange gleiten, bevor er sie ganz zurückzog.
 

„Ich mache die Vorhänge zu, okay? Dann sind die Blitze nicht mehr so schlimm.“
 

Damit wandte er sich um und trat an sein Fenster, schloss die Vorhänge und ging dann direkt durch sein jetzt ziemlich dunkles Zimmer zur Tür, um dort das große Licht anzuschalten.
 

Nagi hatte sich mit dem Rücken an das Kopfteil von Omis Bett, das an der Wand stand, gelehnt und die Decke bis zu seinem Hals hochgezogen, seine Beine dicht an seine Brust gekauert.
 

„Ist es jetzt besser?“
 

Omi begann zu sprechen, weil er nicht wollte, dass in dem Raum wieder diese Stille herrschte, die Nagi nicht ertragen konnte, ohne an Schuldig zu denken.
 

Nagi nickte und Omi ging zu seinem Bett zurück, um sich neben Nagi gegen die Wand zu lehnen.
 

Der Jüngere ließ seinen Kopf auf die Schulter des Blondschopfes sinken, welcher Nagi sofort wieder in die Arme nahm, als er spürte, dass ihn sein Freund gewähren lassen würde.
 

Draußen hatte das Gewitter immernoch nicht aufgehört und Omi konnte Nagi bei jedem Donnerschlag leicht zusammenzucken spüren.
 

Omi streichelte beruhigend seine Schultern und seinen Rücken und schlang seine Arme noch ein wenig fester um Nagis Körper, damit dieser nicht auf die Idee kam, dass er nicht mehr da sein könnte.
 

Er lockerte seine Umarmung erst wieder, als das Gewitter einigermaßen vorbeigezogen war und der Donner nur noch als leises Grollen in der Ferne zu vernehmen war.
 

Nagi hob seinen Kopf wieder und sah kurz in Omis Augen, bevor er seinen Blick sofort wieder niederschlug.
 

„…danke…“
 

Omi lächelte leicht, bevor er sich vorbeugte und seinen Freund leicht auf die Stirn küsste.
 

„Ist schon gut, Nagi. Du musste mir immer sagen, wenn du etwas brauchst, okay? Ich werde immer für dich da sein, versprochen.“
 

Der Braunhaarige nickte und lehnte sich an Omi, welcher immernoch seine Arme um Nagi gelegt hatte.
 

Sie saßen noch eine Weile so da und Omi genoss es, seinen Freund so an sich zu spüren. Dabei fiel ihm wieder auf, dass Nagi nach seinem Shampoo roch. Da in dem Raum wieder Stille herrschte, beschloss er Nagi einfach danach zu fragen. Im Moment fiel ihm nichts Besseres ein, womit er Nagi von seinen Gedanken ablenken konnte.
 

„Nagi… sag mal, warum hast du vorhin mein Shampoo benutzt? Und gestern auch schon? Hat das einen besonderen Grund oder hat dir nur der Geruch gefallen?“
 

Eine Zeit lang herrschte Stille und Omi fürchtete schon, dass ihm sein Freund gar nicht antworten würde, doch dann hörte er die leise Stimme des Jüngeren.
 

„Weil… weil es dein Geruch ist… ich fühle mich wohler, wenn ich das rieche… und es gibst mir… ein Gefühl von… Sicherheit… es ist so vertraut… du bist so vertraut… nur bei dir kann ich mich… so sicher fühlen…“
 

Auf Omis Lippen stahl sich ein Lächeln, als er Nagis Worte hörte.
 

„Also vertraust du mir?“
 

Nagi zögerte noch kurz, doch dann nickte er.
 

Omi drückte seinen Freund kurz an sich und lehnte seinen Kopf an Nagis.
 

„Danke… das bedeutet mir sehr viel.“
 

Der Braunhaarige erwiderte nichts darauf, sondern schmiegte sich als Antwort noch enger an seinen Freund.
 

Es vergingen Minuten, in denen Stille herrschte, doch Nagi schien das nichts auszumachen, solange Omi bei ihm war. Das einzige Geräusch im Raum war ihrer beider ruhige Atmung.
 

Erst nach einiger Zeit bewegte sich Nagi wieder ein bisschen und tastete mit seiner Hand nach Omis, welcher seine Finger sofort mit Nagis verschränkte.
 

„Omi?“
 

„Hm?“
 

„Wann… wann kommen… die anderen von… Weiß zurück?“
 

Omi biss sich auf die Lippen, als ihm siedendheiß wieder einfiel, dass sie das Haus nicht mehr lange für sich alleine haben würden.
 

„Ähm… morgen Abend.“
 

Er konnte spüren, dass sein Freund sich in seinen Armen verspannte, und fügte schnell noch etwas hinzu.
 

„Aber das ist auch egal. Ich lasse dich nicht weg von hier. Du gehst nirgendwo hin, nicht zu Schwarz zurück und auch sonst nirgends hin. Ich erlaube es nicht, hörst du? Und die anderen werden sich damit abfinden müssen. Du bleibst jedenfalls hier bei mir, egal, was die anderen davon halten. Versprochen.“
 

Omi konnte spüren, wie sein Freund in seinen Armen zu zittern begann und sah besorgt auf den braunen Schopf hinunter.
 

„Was ist, Nagi? Hab keine Angst… es wird dir keiner etwas tun… und niemand wird dich auch nur anfassen, dafür sorge ich.“
 

Nagi schüttelte leicht den Kopf.
 

„Ich… ich mache dir… nur Ärger… jetzt wirst du… nur wegen mir… Probleme mit deinen… Freunden bekommen…“
 

Omi drückte seinen Freund eng an sich und wiegte sich mit dem Körper in seinen Armen langsam hin und her.
 

„Hey… das ist nicht schlimm… du bist mir wichtiger als alles andere…“
 

Die zweite Aussage war die Wahrheit, die erste hingegen eine glatte Lüge. Allein der Gedanke daran, dass Ken und Aya morgen alles herausfinden würden, verursachte Omi Magenschmerzen. Wie Ken reagieren würde, wusste Omi nicht, aber Aya würde mit Sicherheit ausflippen.
 

„Du lügst…“
 

Der Blondschopf schreckte aus seinen Gedanken auf, als er Nagis leise Stimme hörte.
 

„Deine Freunde… waren dir schon immer… sehr wichtig…“
 

Omi schüttelte heftig den Kopf.
 

„Aber nicht wichtiger als du, Nagi! Niemals! Ich liebe dich über alles, wie oft soll ich es noch sagen? Aber dennoch… dennoch ich habe Angst vor ihren… Reaktionen… Aber ich lasse dich nicht weg von hier! Ich will nicht, dass dir noch mal etwas passiert! Das könnte ich mir nicht verzeihen. Nur… ich weiß einfach nicht, wie sie reagieren werden… und ich kann nicht gegen sie kämpfen. Das wäre Hochverrat, das kann ich einfach nicht machen. Ich muss dich beschützen, ohne sie anzugreifen… aber ich wüsste nicht… wie… oder vielleicht doch…“
 

Er hatte auf einmal eine Idee. Doch diese würde Nagis uneingeschränktes Vertrauen zu ihm erfordern, und er war sich absolut nicht sicher, ob er das hatte.
 

Omi wollte die Idee eigentlich sofort wieder verwerfen, doch Nagi hatte schon gemerkt, dass ihm etwas eingefallen war.
 

„Was hast du?“
 

Der Blondschopf seufzte leise, bevor er Nagi sanft ein Stück von sich wegschob. Er wollte seinem Freund in die Augen sehen, wenn er ihm seinen Einfall erklärte.
 

Nagi hob seinen Kopf und sah den älteren Blondschopf an, die Decke immernoch um seine nackten Schultern geschlungen.
 

Omi holte noch einmal tief Luft, bevor er sich gegen die Wand zurücklehnte und zu erklären begann.
 

„Mir ist etwas angefallen… wie ich dich beschützen kann, ohne meine Freunde dabei angreifen zu müssen.“
 

Nagi sah ihm in die Augen, sein Blick war völlig ahnungslos.
 

„Und… wie?“
 

Omi seufzte leise.
 

„Du hast mir mal beigebracht, wie ich einen Bann auf etwas lege… und ich kann das erwiesener Maßen auch bei Menschen…“
 

Der Jüngere sah ihn zuerst ein bisschen verwirrt an, doch dann weiteten sich seine Augen. Er schien versanden zu haben, was der Blondschopf meinte.
 

„Aber… aber…“
 

Omi nickte und drückte beruhigend Nagis Hand, die er immernoch mit seiner eigenen festhielt.
 

„Ja. Das würde bedeuten, dass ich in der Hand habe, wer dich anfassen darf und wer nicht. Und dazu musst du mir absolut vertrauen, sonst geht es nicht.“
 

Er machte eine Pause, um Nagi ein bisschen Zeit zu geben, um das zu verdauen, bevor er weitersprach.
 

„Und deshalb frage ich dich jetzt, Nagi: vertraust du mir? Vertraust du mir so sehr, dass du mich das machen lässt? Und bitte, sei ehrlich, ich möchte es nicht in deinen Gedanken lesen müssen. Mir ist es verdammt ernst damit, ich werde mir die Information auch aus deinem Kopf holen, solltest du nicht ehrlich zu mir sein. Aber ich würde das nicht gerne machen, also versuch’ bitte, nicht zu lügen. Und lass’ dir ruhig Zeit bei deiner Antwort, bis du dir wirklich sicher bist.“
 

Nagi starrte in Omis Augen, und dieser blickte kühl zurück. Er sah seinen Freund nicht gerne so kalt an, doch hier musste er wirklich die Wahrheit wissen.
 

Es verging nur kurze Zeit, bevor er Nagi seine Augen abwandte, den Kopf aber nicht senkte.
 

„Ich… ich vertraue… dir… Omi…“
 

„Nicht so. Sieh mir in die Augen und sag es dann.“
 

Seine Stimme hörte sich sogar in seinen eigenen Ohren kalt an, dass er fast selbst davor zurückschreckte, doch sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht.
 

Langsam sah Nagi ihn wieder an und fixierte seine Augen auf Omis, bevor er den Mund öffnete.
 

„Ich vertraue dir, Omi.“
 

Die blauen Augen des Blondschopfes bohrten sich in Nagis Braune, und dieser wimmerte unter diesem Blick leise auf.
 

„Bist du dir wirklich sicher?“
 

Der Jüngere nickte leicht, hielt Omis Blick dabei stand.
 

„Ja… ich lüge nicht, Omi… ich habe dich noch nie belogen… Koi…“
 

Omi hielt seinen kalten Blick nur noch einen Moment aufrecht, dann breitete sich wieder die übliche Sanftheit auf seinem Gesicht aus und er nahm Nagi vorsichtig in die Arme, bevor er ihn leicht auf die Wange küsste.
 

„Schon gut, ich glaube dir… und ich liebe dich auch, Nagi…“
 

Der Braunhaarige schmiegte sich eng an seinen Freund und ließ sich von ihm küssen, es machte ihm mittlerweile schon nichts mehr aus.
 

Doch Omi ließ Nagi nicht lange Zeit, um die Geborgenheit und Wärme zu genießen, die er in der Nähe des Blondschopfes empfand, sondern schob ihn vorsichtig von sich weg, bevor er aufstand und seinen Freund zu sich winkte.
 

„Komm her, stell dich vor mich.“
 

Der Braunhaarige rappelte sich vom Bett auf und stellte sich zögernd vor seinen Freund.
 

Omi bemerkte Nagis leichtes Zögern und ging einen Schritt auf ihn zu, um ihm über die blasse Wange zu streicheln.
 

„Hab keine Angst… es tut nicht weh und du wirst es gar nicht merken, versprochen.“
 

Damit ging er wieder zwei Schritte zurück und streckte seine Arme aus, um seine Hände zu einem Pikzeichen zu formen, bevor er die Augen schloss, um sich besser konzentrieren zu können.
 

Schon nach einer Sekunde begannen Omis Hände hell zu leuchten und er öffnete die Augen wieder, um Nagi anzusehen.
 

„Bereit? Ich mache es jetzt, okay?“
 

Der Braunhaarige nickte leicht und kniff die Augen zusammen, als Omi seine Hände nach vorne stieß und das Licht von sich selbst zu Nagi schickte.
 

Nagi spürte tatsächlich nicht viel, außer mit einem Mal einen Anflug von Wärme, der ihn sanft umschloss, sodass er seine Augen wieder öffnete.
 

Sein ganzer Körper leuchtete noch einen Augenblick, bevor das Licht verschwand. Nagi sah zu Omi, der jetzt zu ihm herüberkam und eine Hand nach ihm ausstreckte, ihn aber nicht berühren konnte.
 

Der Blondschopf nickte zufrieden.
 

„Gut, es klappt. Jetzt kann ich mich sogar selbst aussperren, wenn ich das will… will ich aber gar nicht…“
 

Er lächelte leicht, bevor er den Bann gegen sich selbst wieder deaktivierte und Nagi in seine Arme schloss.
 

Nagi ließ sich in seine Arme sinken und von seinem Freund auf die Wange küssen, bevor er seinen Kopf auf Omis Schulter ruhen ließ.
 

Der Blondschopf ließ seine Hände still auf Nagis Rücken liegen, er wagte es nicht, seinen Freund zu streicheln. Der Braunhaarige hatte immernoch nur seine Boxershorts an und sein Oberkörper war frei, und Omi wusste nicht, wie Nagi darauf reagieren würde, wenn er ihn auf seiner bloßen Haut streichelte. Er hatte eine Reaktion vorhin schon gesehen, als er Nagi massiert hatte, und es würde jetzt wohl kaum besser sein.
 

Sie blieben noch eine Weile so stehen, bis sich Omi wieder von seinem Freund löste und ihn leicht anlächelte, bevor er ihm sanft über die Wange strich und zum Bett hinüberging, wo Nagis Hemd lag, das Omi ihm vorhin ausgezogen hatte. Er hob es auf und reichte es seinem Freund, der es annahm und sich wieder anzog und die vielen Knöpfe schloss.
 

Als der Jüngere fertig war, sah er Omi an und dieser lächelte erneut, bevor zu der Brötchentüte hinüberging, die er vorhin ganz vergessen hatte. Er hob sie vom Boden auf und ging damit zu Nagi zurück.
 

„Kommst du mit runter? Ich will die Brötchen wegpacken, sonst sind sie morgen früh trocken.“
 

Der Braunhaarige nickte und folgte dann seinem Freund zur Tür hinaus, zuerst ins Bad, wo sich Nagi wieder komplett anziehen konnte, und schließlich ins Erdgeschoss, wo er wartete, bis Omi die Brötchen im Brotkorb verstaut hatte.
 

Als der Blondschopf fertig war, drehte er sich zu seinem Freund um und ging zu ihm, wo er ihm eine störrische, braune Haarsträhne aus dem Gesicht hinter sein Ohr strich.
 

„Hast du eine Idee, was wir jetzt machen könnten?“
 

Nagi zuckte die Schultern, bevor er sein Blick durch den Raum wandern ließ, bis er auf die Tür zum Wohnzimmer traf, die offen stand.
 

„Fernsehen kucken vielleicht?“
 

Da Omi keine bessere Idee hatte, nickte er und ging dann mit seinem Freund in den Nebenraum, wo sich Nagi auf dem Sofa niederließ, während Omi die Heizung voll aufdrehte, denn im Zimmer war es recht kalt. Gestern hatte er vergessen, sie anzumachen, und jetzt mussten die eben damit leben, dass es hier ohne eine Decke nicht auszuhalten war, dafür war es zu kalt.
 

Der Blondschopf ging zur Couch hinüber und ließ sich im Schneidersitz neben Nagi sinken, bevor er die Decke über sie beide zog und sich dann die Fernbedienung schnappte, um den Fernseher anzuschalten. Er begann durch die Kanäle zu zappen, bevor er seinen Lieblings Anime-sender fand und dort stehen blieb. Ein Blick auf seinen Freund genügte, um zu wissen, dass Nagi ebenfalls Animes mochte, denn er sah mit interessiertem Blick auf die Mattscheibe, anders als gestern Abend, als er nur mit leerem Blick auf das Elektrogerät gestarrt hatte.
 

Der Blondschopf wand seine Aufmerksamkeit wieder dem Anime zu, es lief ‚X 1999’, als er Nagis Kopf spürte, der sich langsam auf seine Schulter legte.
 

Omi lächelte und suchte unter der warmen Decke nach den Händen seines Freundes, um sie in seine eigenen zu nehmen und leicht zu drücken.
 

Nagi rutschte näher zu seinem Freund, suchte nach der Wärme und Sicherheit, die er bei Omi immer empfinden konnte.
 

Sie verweilten eine Weile so, im Fernsehen kam gerade Werbung, als Omi begann sich auf dem Sofa auszustrecken und zog Nagi dabei mit sich, sodass sie im Endeffekt auf der Couch lagen, mit den Gesichtern einander zugewandt.
 

Nagi sah Omi an, welcher die Arme um den Körper seines Freundes schlang und diesen an sich drückte, während er immer in die braunen Augen des Jüngeren blickte. Sie waren ganz ruhig, Nagi hatte keine Angst mehr vor Körperkontakt mit Omi.
 

Der Blondschopf lächelte seinen Freund an, bevor er ihm einen sanften Kuss auf die Stirn gab, während seine Hände still auf Nagis Rücken lagen.
 

Zu seiner großen Überraschung ging ein Schauer durch Nagis ganzen Körper, bevor sich der Jüngere vorbeugte und Omi seinerseits auf die Stirn küsste.
 

Omi starrte seinen Freund aus geweiteten Augen an, er konnte nicht glauben, was Nagi eben gemacht hatte. Er hatte ihn… geküsst? Einfach so?! Er konnte nicht glauben, dass sein Freund sich jetzt schon wieder so wohl fühlte, dass er das einfach so machte.
 

Seine Gedanken wurden gestört, als er Nagis Lippen erneut auf seinem Gesicht spürte, diesmal auf seiner Wange. Nur ein Blick in Nagis Gesicht verriet, dass dem Jüngeren dies alles andere als angenehm war. Sein Ausdruck war angespannt, seine Bewegungen ein bisschen ruckartig, als müsste er sich selbst dazu zwingen, das zu tun.
 

Nein, so sollte es nicht sein. So durfte es nicht sein! Nagi durfte sich nicht selbst zwingen, damit würde er alles nur noch schlimmer machen.
 

„Nagi, hör auf damit! Du willst das nicht, lass es sein!“
 

Das Gesicht des Jüngeren spannte sich noch ein wenig mehr an und in seinen Augen bildeten sich einige Tränen, als seine Lippen tiefer wanderten und schließlich Omis Mundwinkel trafen.
 

Der Blondschopf fuhr zurück, um sich selbst von Nagis Berührung loszumachen, bevor er seinen Freund energisch von sich wegschob.
 

„Nein Nagi, so geht das nicht! Quäl dich nicht selbst, hör damit auf!“
 

Doch Nagi hörte ihm nicht zu. Er drückte gegen die Arme seines Freundes, die ihn auf Abstand hielten, während er sich Omis Gesicht mit einem eigenen wieder näherte.
 

Der Blondschopf konnte hören, dass Nagis Atmung beschleunigt war, konnte sehen, wie in Nagis Augen Angst stand, bevor der Jüngere diese fest zusammenkniff, wobei ihm einige Tränen seine Wangen hinunterrollten. Bevor Omi noch einmal anfangen konnte, zu versuchen Nagi zur Vernunft zu bringen, berührten Nagis Lippen auch schon seine.
 

Fast im selben Moment, in dem sich ihre Lippen berührten, zuckte Nagi heftig zurück und riss seine Augen weit auf, bevor er fast panisch nach hinten rutschte und dabei von der Couch fiel. Seine Augen waren geweitet und seine Atmung ging schnell, Tränen strömten seine Wangen hinunter. Das war das letzte, was Omi von seinem Freund sah, bevor dieser sich hastig aufrappelte, umdrehte und dann aus dem Raum stürzte, in Richtung Treppen nach oben.
 

Der Blondschopf saß geschockt auf der Couch. Zum einen wegen Nagis Reaktion, aber viel mehr wegen der ganzen Aktion überhaupt! Was hatte sich dieser Dummkopf bloß dabei gedacht?! Es brachte überhaupt nichts, wenn Nagi sich zu etwas zwang, so würde es nur noch schlimmer werden. Er musste körperlich freiwillig auf Omis zugehen, so wie er es geistig schon getan hatte, indem sie geredet hatten und er Omi gezeigt hatte, was passiert war. Wie konnte Nagi sich nur so selbst verletzen?!
 

Omi schüttelte den Kopf, sprang dann auf und folgte seinem Freund die Treppen nach oben bis zu seinem Zimmer, wo er die Tür geschlossen vorfand. Er holte noch einmal tief Luft, bevor er die Klinke hinunterdrückte und sein Zimmer betrat.
 

Nagi hatte sich in Omis Bett verkrochen, sein Gesicht in den Kissen vergraben und die Decke bis zu seinem Kopf hochgezogen, sodass Omi nur noch dem braunen Haarschopf seines Freundes sehen konnte. Er hörte Nagi leise schluchzen, was durch die Kissen gedämpft wurde, sah Nagis Körper selbst unter der dicken Decke zittern.
 

Der Blondschopf ging langsam auf sein Bett zu und ließ sich auf die Kante sinken. Er sah mit traurigem Blick auf seinen Freund hinab, bevor er seine Beine anzog und sich im Schneidersitz neben Nagis Körper positionierte.
 

„Nagi… hey, Nagi…“
 

Er sprach den Jüngeren erst an, bevor er eine Hand ausstreckte und Nagi durch die dichten Haare strich, um seinen Freund nicht mit der plötzlichen Berührung zu erschrecken.
 

Nagi jedoch wich seiner Hand aus und zog sich die Decke ganz über den Kopf, um sich Omis Hand und Blicken zu entziehen.
 

Omi versetzte das einen Stich in sein Herz, doch er war noch nicht gewillt, aufzugeben. Er wollte nicht, dass sich Nagi jetzt wieder vor ihm zurückzog, nur wegen seiner eigenen, unüberlegten Aktion.
 

Der Blondschopf griff nach der Decke und begann daran zu ziehen, um wenigstens Nagis Kopf wieder freizulegen.
 

Der Braunhaarige wehrte sich jedoch dagegen, indem er die Decke von innen festhielt und nicht einmal daran dachte, loszulassen.
 

Nach einiger Zeit ohne Erfolg ließ Omi schließlich doch los. Er sah verärgert und genervt auf seinen Freund unter der Decke hinab.
 

„Nagi, lass’ das, das ist kindisch! Bitte, ich möchte mit dir reden, also komm da jetzt raus.“
 

Omi konnte sehen, dass sich Nagis Klammergriff langsam aus der Bettdecke löste, bis sein Freund seinen Schutz völlig losgelassen hatte. Der Blondschopf griff nach der Decke und zog sie langsam nach unten, bis er Nagis Kopf wieder darunter auftauchen sehen konnte. Dann ließ er wieder los, denn wenn Nagi diesen

Schutz brauchte, wollte Omi ihn ihm nicht ganz wegnehmen.
 

Der Jüngere lag auch dem Bauch, sein Gesicht Omi zugewandt. Tränen liefen in Sturzbächen seine Wangen hinunter und benetzten Omis Kissen, Nagis Gesicht und seine Augen waren gerötet vom heftigen Weinen.
 

Der Blondschopf streckte seine Hand nach seinem Freund aus, um diesem die Tränen fortzustreichen, doch Nagi wich wieder zurück, sah Omi mit verzweifelten Blick an.
 

„Ich kann das nicht… es geht einfach nicht! Ich ertrage das nicht! Ich will mich dir nähern, aber ich kann es nicht!“
 

Omi versuchte Nagi zu unterbrechen, doch der Jüngere ließ ihn gar nicht zu Wort kommen.
 

„Was, wenn es immer so bleibt?! Wenn ich nie wieder in der Lage sein werde, deine Berührungen zu ertragen?! Was dann?! Wie soll das weitergehen mit uns?!“
 

Omi setzte erneut an, um etwas zu sagen, doch wieder würgte Nagi ihn ab, bevor er auch nur den Mund öffnen konnte.
 

„Wie soll das funktionieren?! Ich kann dir nichts mehr geben! Du kannst nichts mit mir anfangen, ich bin völlig ungebrauchbar! Es kann nicht mehr so werden wie früher, ich kann deine Berührungen nicht mehr ertragen! Ich weiß nicht, ob du mich jemals wieder zu etwas anderen als umarmen gebrauchen kannst! Ich kann es nicht, auch wenn ich es so gerne will! Es geht einfach nicht, ich habe es eben versucht, und es hat nicht geklappt! Ich musste mich zwingen, dich überhaupt anzufassen! Sag mir, wie soll das gehen?! Sag es mir!“
 

Der Blondschopf sah seinen Freund mit geweiteten Augen an, als er die verzweifelte, panische Stimme Nagis hörte. Er konnte darauf nichts erwidern, er wusste einfach nicht, was er hätte sagen können, das die Situation hätte besser machen können. Er konnte nur tatenlos zusehen, wie Nagi langsam zu hyperventilieren begann. Seine Stimme wurde hektischer und schriller, die Pupillen in seinen Augen verengten sich in seiner Panik immer weiter, bis sie nur noch winzige Punkte waren. Sein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub und an seinen Wangen liefen Tränen in Sturzbächen hinunter.
 

Omi spürte, wie die ganze Situation außer Kontrolle geriet. Aus seiner Kontrolle geriet. Er fühlte sich mit einem Mal total überfordert, die ganzen Probleme schienen ihn zu erdrücken, erstickten ihn langsam. Und er konnte nichts dagegen tun. Gar nichts.
 

„Was wirst du tun, wenn wir nie wieder miteinander schlafen können?! Wenn wir nie wieder körperlichen Kontakt haben werden?! Wirst du mich dann verlassen?!“
 

Dieser letzte Satz war für Omi wie ein Schlag ins Gesicht. Der Blondschopf konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Er schnappte nach Luft und versuchte die Tränen zurückzuhalten, die ihm in die Augen schossen.
 

„Was hast du eben gesagt?“
 

Seine Stimme zitterte und erste Tränen rannen über seine Wangen.
 

„Wirst du mich verlassen, wenn du nicht mehr mit mir schlafen kannst?! Würdest…“
 

Er konnte den nächsten Satz nie zu Ende sprechen, denn Omi hatte einen Arm gehoben und Nagi mit der flachen Hand auf die Wange geschlagen.
 

Stille.
 

Nagi sah Omi mit geweiteten Augen an, er konnte nicht fassen, was der Blondschopf gerade getan hatte.
 

Er saß dort, die Decke um seinen Unterkörper geschlungen und starrte Omi an, bevor er eine Hand hob und sie an seine Wange legte, die sich bereits zu röten begann.
 

Omi war wütend. Er verspürte eine blinde Wut Nagi gegenüber, die ihn zu seiner Aktion getrieben hatte. Er hatte die Hand immernoch erhoben und senkte sie erst jetzt.
 

Der Blondschopf sah Nagi in die Augen, welche ihn einfach nur fassungslos ansahen.
 

Dann schien Nagi plötzlich erkannt zu haben, was eben geschehen war, und er erhob sich vom Bett, um sich dann umzudrehen, von Omi weg.
 

Er wollte gerade den ersten Schritt machen, als er plötzlich grob zurückgerissen wurde und rücklings auf dem Bett landete. Sofort war Omi über ihm, kniete zu beiden Seiten seiner Hüften und drückte Nagis Handgelenke über dessen Kopf auf die Matratze.
 

Nagis Augen weiteten sich vor Angst und er begann sich heftig zu winden, versuchte unter Omi herauszukommen und sich von seinen Händen loszumachen, doch diese hielten ihn wie zwei Schraubstöcke fest. Sein Körper verspannte sich total und seine Gedanken wurden von blinder Panik geleitet. Er kniff seine Augen fest zusammen und begann den Kopf hin und her zuwerfen.
 

„Nicht! Lass mich los! Lass mich los, Omi! Bitte, lass mich gehen!“
 

Omi jedoch rührte sich überhaupt nicht. Er sah nur auf Nagis vor Angst verkrampften Körper, wie er versuchte sich zu befreien. Es machte ihn wütend. Er hätte am liebsten blind auf Nagi eingeprügelt, damit dieser endlich verstand. Damit er endlich verstand, dass er ihm nichts tun würde, und dass er ihn nicht verlassen würde, nur weil sie keinen Sex mehr haben konnten.
 

Nagi wand sich weiter unter Omi, der sich immernoch nicht rührte, und verstummte erst mit seinem Flehen, als etwas nasses, warmes auf sein Gesicht fiel.
 

Er schlug die Augen auf und sah zu Omi hoch, der ihn aus seinen blauen Augen anstarrte. Sie waren tränenverschleiert, und immer neue rannen über Omis Wangen, bis sie schließlich herunterfielen, auf die Matratze, oder eben auf Nagi.
 

Omi sah auf Nagi hinunter, bevor er seine zitternden Lippen öffnete. Seine Stimme war leise und kaum mehr als er Wispern, doch Nagi konnte jedes Wort verstehen.
 

„Warum fragst du so etwas? Warum? Hast du es immernoch nicht begriffen? Es ist egal, was passiert, ich werde immer zu dir stehen. Selbst wenn ich dich nie wieder anfassen dürfte, ich würde dich nie verlassen. Niemals würde ich dich allein lassen mit deinen Problemen, und ich versuche dir zu helfen. Aber du begreifst das nicht. Du vertraust mir nicht. Wenn du mir vertrauen würdest, würdest du mir glauben, dass es mir nicht um Sex und anderen körperlichen Kontakt geht. Das ist im Moment völlig unwichtig, nur eine Nebensache. Mir geht es um etwas anderes. Um Vertrauen. Darum, das du bei mir bist, deine reine Anwesenheit. Um Liebe. Verstehst du? Liebe. Liebe und Sex sind zwei verschiedene Sachen. Ich weiß nicht, ob dir den Unterschied schon mal jemand erklärt hat, aber wenn ja, hast du es nicht verstanden. Sex ist körperlich, er hat mit Liebe wenig zu tun. Paare, die sich lieben, haben Sex, weil es ihnen gefällt. In diesem Fall ist Sex die Folge von Liebe. Es gibt jedoch noch andere Arten von Sex. Der Gekaufte zum Beispiel. Oder das, was dir angetan worden ist. Aufgezwungen und ohne Einwilligung des einen Partners.“
 

Omi konnte Nagi zusammenzucken sehen, als er die letzten Worte sagte, doch er beachtete es nicht. Er musste das jetzt sagen, sonst würde es wirklich nicht mehr lange so weitergehen.
 

„Was ich jedoch will, ist Liebe, und da spielt Sex nur eine unwichtige Nebenrolle. Ich brauche keinen Sex, ich will keinen Sex, solange du nicht freiwillig mitmachst. Und da bringen solche Aktionen wie die von vorhin gar nichts. Du kannst dich nicht zwingen, du kannst die Wunden nicht schneller verheilen lassen, du reißt sie bloß noch tiefer. Du vergrößerst deine Leiden nur, indem du dich dazu zwingst. Das ist einfach falsch, und so will ich es nicht. Du musst dich dabei wohl fühlen, und das ist nun mal zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Nagi, es ist gerade mal zwei Tage her. Zwei Tage. Es gibt Opfer, die Jahre brauchen, um überhaupt wieder jemand in ihrer Nähe ertragen zu können. Dass du mich jetzt schon wieder so weit an dich herangelassen hast, hat mich sehr überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, ich dachte, es würde noch viel länger dauern. Aber ab jetzt wird das anders. Ich lasse nicht mehr zu, dass du dich zu etwas zwingst, womit du dir wehtust. Du hast doch Zeit, Nagi, alle Zeit der Welt, warum nimmst du sie dir nicht? Ich kann warten, Nagi, bis du wieder bereit für die Nebensachen bist.“
 

Nagis Lippen begannen zu zittern, seine braunen Augen sahen wie hypnotisiert in Omis, als würde er jetzt endlich glauben, was Omi ihm sagte. Der Blondschopf hatte heute schon bestimmt zwei Mal dasselbe gesagt wie jetzt, doch Nagi schien es trotzdem nicht verstanden zu haben. Wenn er es jetzt immernoch nicht verstand, oder es nicht verstehen wollte, konnte Omi ihm auch nicht mehr helfen.
 

„Nur, bist du auch bereit, es endlich zu überwinden? Ich weiß, du hast Angst damit konfrontiert zu werden, aber anders geht es nicht. Sonst kommst du nicht darüber hinweg. Wenn du bereit bist, es langsam angehen zu lassen, auch wenn dies schmerzhaft ist, der Weg mit der Gewalt ist viel schmerzhafter. Ich weiß, dass du es schaffen kannst, aber du brauchst Geduld. Es geht nicht von heute auf morgen, auch wenn du es gerne so hättest. Mit wäre es auch lieber, wir können wieder so miteinander umgehen wie früher, doch das ist eben nicht möglich im Moment. Und du musst das akzeptieren. Ich frage dich jetzt ein letztes Mal, und danach nie wieder. Nimmst du meine Hilfe an? Vertraust du mir, sodass du mich dir helfen lässt, auch wenn es lange dauern und schmerzhaft sein wird? Willst du dafür kämpfen, dass es wieder so wird wie früher? Du hast jetzt die Wahl. Entweder du sagst ja und ich werde dir helfen so gut ich kann, oder du sagst nein und ich rühre dich nie… wieder… an.“
 

Er stockte bei seinen letzten beiden Wörtern, denn Nagi hatte seine Arme aus Omis Griffen, die am Schluss seiner Rede sehr locker geworden waren, herausgewunden und seine Arme um Omis Hals geschlungen, presste ihn fest an sich. Er wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt und weinte hemmungslos in Omis Halsbeuge.
 

Der Blondschopf schlang seine Arme ebenfalls um Nagi, doch er drückte ihn nicht fest an sich. Noch hatte sich Nagi nicht entschieden, welchen Weg er wählen würde.
 

In eben diesem Moment hörte er ein leises, geschluchztes Wort an seinem Ohr.
 

„…ja…“
 

Eine riesige Welle der Erleichterung flutete durch Omis Körper und er drückte Nagi an seinen Körper. Er schloss seine Augen und vergrub sein Gesicht in Nagis Haaren, während er ihm langsam und beruhigend über den Rücken streichelte.
 

„Danke, Nagi… danke dafür, dass du mir endlich eine Chance gibst… aber denke daran, das war das letzte Mal. Ich kann dir nicht helfen, wenn du kein Vertrauen zu mir hast. Also überlege dir gut, ob du mich noch einmal fragen willst, ob ich dich verlassen würde, wenn du nicht mehr mit mir schlafen kannst.“
 

„Werde ich… ich werde dich nicht noch einmal enttäuschen… es tut mir so Leid, Omi…“
 

„Nein Nagi, mir muss es Leid tun…“
 

Omi hob den Kopf, löste das Gesicht seines Freundes aus seiner Halsbeuge und sah ihn an. Seine Augen waren rot und verweint, doch das, wofür Omi sich entschuldigen wollte, war noch viel röter…
 

Er ließ seine Fingerspitzen der rechten Hand ganz vorsichtig über Nagis Wange streichen.
 

„…dafür. Ich hätte dich niemals schlagen dürfen. Ich habe die Kontrolle verloren, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass du immernoch nicht verstanden hattest, was ich will. Was ich von dir will. Doch ich glaube, jetzt ist es vielleicht doch in deinen Dickschädel reingegangen… aber es tut mir trotzdem Leid. Ich mache das wieder gut, versprochen.“
 

Nagi sah nur zu Omi hoch, bevor er ein winziges Lächeln auf seine Lippen zauberte.
 

„Ich habe verstanden, es war diesmal sehr deutlich. Ich dachte, ich hätte es vorhin schon verstanden, aber dem war wohl nicht so. Es ist einfach aus mir heraus geplatzt, weil ich so eine Angst hatte, dass ich wieder alleine wäre, wenn du nicht mehr da wärest, und…“
 

Omi schüttelte den Kopf und legte Nagi einen Finger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
 

„Diese Option gibt es nicht. Du wirst nicht mehr alleine sein, bis zu meinem Tod nicht. Ich verspreche dir hiermit, dich nie zu verlassen, egal was passiert. Es sei denn, es ist dein Wunsch.“
 

„Das wird nicht passieren, Omi… ich will, dass du immer bei mir bleibst. Denn… ich liebe… dich…“
 

Der Blondschopf sah seinen Freund warm an und schenkte ihm ein intensives Lächeln.
 

„Ich dich auch, für immer und ewig.“
 

Damit beugte sich Omi vor und gab Nagi nur einen winzigen Kuss auf die Stirn. Sein Freund zuckte nicht zurück, genauso, wie es vor der Kuss-Aktion gewesen war. Es hatte sie also nicht zurückgeworfen, hatte nichts zerstört, was Omi in den letzten beiden Tagen so mühsam aufgebaut hatte.
 

Der Blondschopf ließ sich neben Nagi auf das Bett sinken und rollte sie dann herum, sodass Nagi halb auf seinem Körper lag. Er hob eine Hand und strich damit Nagi seine Ponysträhnen aus dem Gesicht, während der andere Arm um die Hüfte seines Freundes liegen blieb. Er sah dem Braunhaarigen in die Augen, die immernoch rot vom Weinen waren.
 

„Was sollen wir jetzt machen? Wieder runter gehen? Gibt es irgendwas, was du machen möchtest?“
 

Nagi nickte leicht und kuschelte sich an Omi, bevor er die Augen schloss.
 

„Hier bleiben. Einfach hier bleiben und vielleicht… etwas spielen? Go vielleicht? Hast du das?“
 

Omi nickte, bevor er sich von Nagi losmachte und aufstand, um das gewünschte Spiel zu holen. Er ging zu seinem Schriebtisch hinüber und holte die Schachtel, die er dort in einer Schublade aufbewahrte, um damit zum Bett zurückzukehren. Er ließ sich Nagi gegenüber auf die Matratze sinken und öffnete dann die Schachtel, um das Spiel herauszuholen und aufzubauen.
 

Sie spielten eine ganze Weile Go, mehrere Partien, und letztendlich hatten sie Gleichstand. Omi lächelte Nagi an, und dieser lächelte zurück.
 

„Du bist ganz schön gut, Nagi.“
 

„Du aber auch. War richtig schwer, überhaupt mal zu gewinnen.“
 

„Ging mir genauso. Aber nur so macht das Spaß. Gegen Youji oder Ken habe ich immer gewonnen, und gegen Aya habe ich noch nie gespielt. Ich glaube, er hält das für kindisch.“
 

Nagis Augen wurden bei der Erwähnung vom Rest von Weiß wieder traurig, doch Omi ließ ihn gar nicht erst wieder darüber nachdenken.
 

„Ist schon gut, Nagi, sie werden dir nichts tun. Wir werden schon eine Lösung finden, damit du hier bleiben kannst. Ich lasse dich nicht wieder weg. Und jetzt vergiss es, noch sind sie nicht wieder da.“
 

Omi machte sich daran, das Spiel ein- und wegzuräumen, bevor er sich wieder neben seinem Freund auf das Bett sinken ließ.
 

Dieser hatte den Kopf gesenkt und der Blondschopf streckte eine Hand aus, um eine von Nagis Händen in seine eigenen zu nehmen.
 

Der Jüngere hob daraufhin seinen Kopf wieder und Omi konnte sehen, wie aus seinen Augen jeweils eine einzelne Träne perlte.
 

Er sah seinen Freund traurig an, bevor er sich vorbeugte und ganz sanft die beiden Tränen von Nagis Wangen küsste, um sich dann wieder zurückzuziehen.
 

„Nagi… was hast du?“
 

Der Braunhaarige sah seinen älteren Freund an, bevor er den Blick abwandte.
 

„Ich… habe Angst vor morgen…“
 

„Ach Nagi…“
 

Omi beugte sich erneut vor und schlang seine Arme um Nagis schlanken Körper, um ihn an sich zu drücken.
 

„Musst du nicht, ich bin doch bei dir. Ich werde dich beschützen. Dir wird nichts passieren, das verspreche ich.“
 

Nagi ließ sich in die Umarmung seines Freundes sinken und danach von ihm auf die Kissen betten, woraufhin sich Omi wieder zurückzog. Er wollte nicht über Nagi gebeugt verweilen, wenn das seinem Freund Angst machte.
 

Nagi sah zu dem Blondschopf hinauf, der neben ihm auf der Matratze saß, sich aber in diesem Moment vom Bett erhob. Der Braunhaarige sah ihn verwirrt an, bevor er sich wieder aufsetzte.
 

„Wo gehst du hin?“
 

„Ich will bloß zwei Schlafanzüge aus meinem Schrank holen und danach noch mal kurz runter, um die Waschmaschine anzumachen, sonst haben wir morgen nichts zum Anziehen. Aber ich beeile mich, du kannst hier bleiben.“
 

Nagi sah ein wenig ängstlich zu seinem Freund hinüber, und dieser kehrte mit zwei Schlafanzügen in den Händen zum Bett zurück.
 

„Keine Angst, ich bin in zwei Minuten wieder hier. Hier ist niemand, der dir etwas tun könnte, und außerdem hast du das Schutzschild.“
 

Der Jüngere nickte zögerlich und Omi lächelte, bevor er sich umdrehte und sein Zimmer verließ.
 

Er war wirklich schon nach zwei Minuten wieder oben und betrat sein Zimmer wieder, das er eben verlassen hatte.
 

Drinnen hatte sich Nagi wieder Musik angemacht, diesmal allerdings nicht die CD, die sie in den letzten beiden Tagen gehört hatten. Er hatte sich umgezogen und saß jetzt auf Omis Bett, in die Decke gewickelt und sah zur Tür, durch die Omi den Raum gerade wieder betreten hatte.
 

Omi lächelte, als er die CD erkannte, die Nagi sich angemacht hatte. Er ging auf seinen Freund zu und setzte sich zu ihm auf sein Bett.
 

„Magst du Eminem auch so gerne wie ich?“
 

Nagi nickte und Omi beugte sich vor, um seinem Freund einen leichten Kuss auf die Stirn zu geben und griff dann nach seinem Schlafanzugoberteil, bevor er sich sein Hemd abstreifte und dieses anzog. Danach öffnete er den Kopf und Reißverschluss seiner Jeans und zog dieser ebenfalls aus, bevor er seine Beine anzog und nun im Schneidersitz neben seinem Freund saß.
 

Der Braunhaarige war während sich Omi umgezogen hatte, nicht zurückgewichen und auch nicht zusammengezuckt, was Omi mit einiger Erleichterung bemerkte. Er streckte seine Hände aus und zog die Decke von Nagis Körper, bevor er leicht gegen seine Schultern drückte, um ihm zu zeigen, dass er sich hinlegen sollte.
 

Nagi verstand und ließ sich auf die Matratze sinken, wo Omi die Decke über ihn legte und dann selbst darunter kroch, um die Arme um Nagi zu schlingen und ihn an sich zu drücken.
 

Der Jüngere kuschelte sich an den Blondschopf und vergrub sein Gesicht in Omis Halsbeuge, während dieser eine Hand hob und durch Nagis weiche Haare streichelte.
 

„Gute Nacht, Nagi.“
 

„Auch gute Nacht…“
 

Die Stimme des Braunhaarigen klang schon schläfrig und der Blondschopf wunderte sich nicht, dass Nagi schon eine Minute später eingeschlafen war.
 

Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass es schon halb zwölf war.
 

Er seufzte leise und für einen Moment musste er wieder an seine Teamkameraden denken, die morgen nach Hause kommen würden, doch er schob diese Gedanken sofort zur Seite. Er wollte die letzten Stunden mit Nagi alleine noch genießen, ohne dass er an den Moment denken musste, in dem alles herauskommen würde.
 

Omi schmiegte sich an Nagi und schloss dann ebenfalls die Augen, um einige Minuten später ebenfalls einzuschlafen, die einzigen Geräusche im Raum Nagis leise Atmung und die leise Musik, die sie vergessen hatten auszumachen.
 

~*~*~*~*~*

Chapter 10

~*~*~*~*~*
 

Als Omi am nächsten Morgen aufwachte, war das erste, was er hörte, dass die Eminem – CD von gestern immernoch lief.
 

Er hielt die Augen geschlossen und konnte spüren, wie sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln verzogen. Es lief gerade sein Lieblingslied, und er kuschelte sich leise seufzend in seine Decke, ließ die Melodie des Liedes völlig auf sich einwirken.
 

Es dauerte eine Zeit lang, bis Omi plötzlich auffiel, dass etwas fehlte. Und nach einer weiteren Sekunde wusste er auch, was das war.
 

Omi streckte eine Hand aus und tastete nach seinem Freund, doch er konnte diesen mit seiner Hand nicht ausmachen.
 

Der Blondschopf schlug seine Augen auf und setzte sich ruckartig auf, um sich hastig in seinem Zimmer umzusehen.
 

Omi atmete erleichtert auf, als er Nagi entdeckte. Er saß auf dem Fensterbrett, seine Beine an die Brust gezogen und die Arme darum gelegt, sah aus dem Fenster hinaus in das trübe Wetter. Es schneite zwar schon noch ein bisschen, aber die dicken Flocken von gestern hatten sich eher in Schneeregen umgewandelt, sodass man eigentlich von schneien gar nicht mehr sprechen konnte.
 

Nagi hatte sich wohl irgendwann angezogen, jedenfalls trug er einen von Omis dicken Pullovern und eine schwarze Jeans, die er sich wahrscheinlich aus Omis Schrank geholt hatte.
 

Omi schlug leise die Decke zurück und stand dann auf, um zu seinem Freund hinüberzugehen und einen Meter hinter ihm stehen zu bleiben.
 

„Nagi?“
 

Der Braunhaarige schreckte aus seinen Gedanken auf und wandte seinen Kopf in Omis Richtung.
 

Der Blondschopf lächelte ihn an, bevor er noch einen Schritt auf den Jüngeren zuging. Er sah Nagi in die Augen, ob er vielleicht wieder Schuldig in ihm sah, doch sie bleiben ganz ruhig. Omi traute sich nun endlich auch noch die letzte Distanz zu überwinden, schlang seine Arme vorsichtig um Nagis Oberkörper und drückte ihn sanft an sich, bevor er ihn leicht auf die Wange küsste.
 

„Guten Morgen, Nagi.“
 

Nagi ließ sich in die Umarmung des Blondschopfes fallen und lehnte sich an ihn.
 

„Morgen…“
 

Seine Stimme klang irgendwie komisch, so müde und hoffnungslos.
 

Omi drückte seinen Freund noch ein wenig mehr an sich, bevor er seine Wange an Nagis Haaren rieb.
 

„Hey… du musst wirklich keine Angst haben… das wird schon klappen nachher, ich werde Aya und Ken zusammen mit Youji schon rumkriegen… mach dir darüber keine Sorgen…“
 

„Ich… habe trotzdem Angst… ich will nicht von dir weg…“
 

„Das wird nicht passieren. Aus, Schluss, das wird nicht geschehen. Ich lasse dich solange nicht mehr gehen, wie du noch bei mir bleiben willst.“
 

Nagi erwiderte nichts mehr, sondern fasste mit seinen Händen nach Omis, die locker auf seiner Brust lagen.
 

Eine kurze Weile verblieben sie noch so, sahen beide aus dem Fenster und waren jeweils in ihre eigene kleine Gedankenwelt vertieft.
 

Erst, als hinter ihnen Omis Funkuhr leise piepste, drehte sich Omi um, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Elf Uhr.
 

Der Blondschopf löste sich seufzend von seinem Freund und zog diesen mit sich von der Fensterbank.
 

„Komm, Nagi… wir gehen runter. Aber zuerst muss ich mich noch anziehen und ins Bad. Warst du da heute schon?“
 

Der Braunhaarige schüttelte den Kopf und löste sich von seinem Freund, um sich auf dem Bett niederzulassen, wo er warten würde, bis Omi sich umgezogen hatte.
 

Omi ging zu seinem Schrank hinüber und zog diesen auf. Heute also keine T-Shirts, aber er hatte noch jede Menge dicke Pullover, und genau davon schnappte er sich einen. Dazu suchte er noch nach einer frischen Boxershorts und einer Jeans, und als er dies gefunden hatte, schloss er die Schranktüren wieder.
 

Er zog sich schnell um und ging dann zu Nagi hinüber, um diesem seine Hand hinzustrecken.
 

Dieser ergriff die Hand ohne zu zögern und stand auf, um Omi ins Badezimmer zu folgen, wo sie sich beide die Zähne putzten, bevor sie das Bad wieder verließen und die Treppen nach unten stiegen.
 

Im Erdgeschoss angekommen gingen sie gemeinsam in die Küche und machten sich jeder für sich selbst etwas zu essen, womit sie sich nebeneinander an den Tisch setzten und schweigend begannen, ihr Frühstück zu verspachteln.
 

Als Omi damit fertig war, wartete er noch, bis Nagi ebenfalls sein Frühstück beendet hatte, bevor er aufstand und nach den leeren Tellern griff.
 

„Nagi? Kannst du bitte rüber gehen, unsere Klamotten aus der Waschmaschine holen und aufhängen? Ich will grade noch die Spülmaschine einräumen und komme dann nach um dir zu helfen.“
 

Nagi sah den Blondschopf unsicher an und wandte dann den Kopf ab, bevor er zögerlich aufstand.
 

Omi stellte die Teller noch einmal ab, streckte seine Arme nach Nagi aus und zog den Jüngeren in eine sanfte Umarmung.
 

„Hab keine Angst, hier ist niemand im Haus außer uns beiden. Niemand kann dir etwas tun und Schuldig wird dich hier nicht finden. Das kann er nicht, außerdem kann ich dich vor ihm beschützen. Bei ihm habe ich nicht das Problem, dass ich nicht gegen ihn kämpfen kann. Wenn ich ihn das nächste Mal treffe, werde ich ihn töten, das kannst du mir glauben. Es wird ihm noch Leid tun, was er dir angetan hat. Er wird dafür bezahlen.“
 

Der Blondschopf konnte spüren, dass sich der Jüngere bei der Erwähnung von Schuldig verkrampfte, doch sogleich wieder etwas entspannte, als Omi weitersprach.
 

Omi ließ seinen Freund wieder los und griff dann nach dessen Hand, um sie kurz zu drücken.
 

Nagi sah ihn noch einmal kurz unsicher an, bevor er sich umwandte und auf die Tür zuging.
 

Der Blondschopf schnappte sich wieder ihre leeren Teller und trug sie rüber zur Spülmaschine.
 

Der Grund, warum er wollte, dass sein Freund erst mal alleine in diesen Raum ging, war, dass er nicht wollte, dass Nagi allzu sehr abhängig von ihm wurde. Omi war zwar klar, dass der Braunhaarige Angst hatte, alleine in einem Raum zu sein, doch er konnte ja nicht immer auf Schritt und Tritt mit Nagi zusammensein, das ging einfach nicht.
 

In die Schule zum Beispiel würde er Nagi nicht mitnehmen können, jedenfalls nicht immer. Das würde Fragen geben, und außerdem wollte er sowieso nicht, dass Nagi das Haus verließ in der nächsten Zeit. Vielleicht würde Schuldig sie so finden, und in der Öffentlichkeit konnte er recht wenige von seinen Fähigkeiten einsetzen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Und in der Schule schon gar nicht, denn diese verkörperte ein großes Stück Realität für Omi, das der Blondschopf nicht gefährden wollte.
 

Omi schob diese Gedanken bei Seite und öffnete dann die Spülmaschine, um die Teller einzuräumen.
 

~*~*~*~*~*
 

Nagi stand unterdessen im Flur und sah sich unschlüssig um. Er fühlte sich unwohl und unsicher ohne Omi, sodass er am liebsten auf dem Absatz kehrt machen wollte, um zu seinem Freund zurückzukehren. Doch er redete sich immer wieder ein, dass er wirklich keine Angst haben musste, denn es war niemand hier, der ihm etwas antun könnte.
 

Er ließ seinen Blick einmal durch den Flur schweifen, bevor er die Tür entdeckte, die Omi wohl gemeint hatte. Sie war direkt neben der Eingangstür auf der rechten Seite des Ganges und Nagi ging darauf zu.
 

Gerade, als er davor angekommen war, hörte er ein Geräusch. Das Geräusch schien von außerhalb der Tür zu kommen. Nagi erstarrte, als er im nächsten Moment einen Schlüssel im Schloss hörte und die Tür geöffnet wurde.
 

Seine Augen weiteten sich und sein Herz begann zu rasen, als er erkannte, wer da vor ihm stand.
 

Die Person starrte ihn perplex an, bevor sich seine braunen Augen zu Schlitzen zusammenzogen.
 

„Schwarz!“
 

Dieses Wort riss Nagi endgültig aus seiner Starre und er drehte sich um, um vor Ken zu fliehen, der ihn immernoch hasserfüllt ansah.
 

Doch er kam nicht weit, denn schon in der nächsten Sekunde spürte er zu seinem Entsetzen eine starke Hand, die sich eisern um sein eines Handgelenk schloss und ihn zurückriss.
 

Augenblicklich verlor Nagi die Kontrolle über sich. Tausende von kleinen Bildern schossen durch seinen Kopf, er spürte die Schmerzen, die Schuldig ihm zugefügt hatte, während er seine Handgelenke immer brutal auf den Boden gedrückt hatte. Und die Angst, die er dabei empfunden hatte. Alle diese Gefühle, die er die letzten beiden Tage über versucht hatte zu unterdrücken, stürzten jetzt mit einer Gewalt auf ihn ein, dass sein Herz für einen kurzen Moment aussetzte
 

Und er begann zu schreien.
 

~*~*~*~*~*
 

Omi in der Küche hatte gerade die Spülmaschine angeschaltet, als er es hörte. Diesen Schrei, der so viel ausdrückte, wie es Worte niemals könnten. Er hörte die Panik, die Angst in Nagis Stimme so intensiv, wie er niemals gedacht hätte, dass das überhaupt möglich war.
 

„Scheiße!“
 

Innerhalb von Sekunden hatte er die Küche durchquert und stand auf dem Flur, wo er die Lage mit einem Blick überschaute. Seine Augen weiteten sich.
 

In der Tür stand Ken mit einem sehr verwirrten Gesichtsaudruck und hielt Nagi an seinem Handgelenk fest. Der Jüngere wand sich heftig und versuchte sich zu befreien, während er die Augen fest zusammengekniffen hatte und immernoch schrie.
 

„Nein! Nein, nicht! Lass mich los, bitte! Ich will das nicht, lass los! NEEIIIIIN!!“
 

„Nagi!“
 

Omi brauchte nur eine Sekunde um zu reagieren. Sofort baute er das Schutzschild um Nagi herum auf und bewirkte so, dass Ken urplötzlich von Nagi abließ und nach hinten stolperte, während mit Nagi genau das gleiche passierte und er nach hinten taumelte.
 

Der Blondschopf schnellte nach vorne, drehte ihn um und schlang seine Arme fest um Nagi, der sich sofort heftig zu winden begann. Omi versuchte Nagi zu beruhigen, indem er ihm leise Worte ins Ohr flüsterte und über seine Arme streichelte, um ihm deutlich zu machen, wer ihn gerade umarmte. Es zeigte nicht sofort Wirkung, aber nach einer Minute schien es wieder besser zu werden.
 

Nagi zitterte am ganzen Leib und Omi konnte in seinen Augen immernoch die Panik stehen sehen, während Ken sich langsam wieder fasste und mit offenem Mund zu ihnen hinüberstarrte.
 

„Omi?! Was soll das?! Was machst du da?! Und was macht der hier?!“
 

Omi drückte Nagi fest an sich, drückte dessen Kopf in seine Halsbeuge, während er über Nagis Schulter zu Ken hinüberstarrte, der jetzt mit schnellen Schritten auf ihn zukam.
 

„Bleib stehen! Bleib bitte stehen, Ken!“
 

Scheiße, was machte der schon hier?! Der Blondschopf hatte frühestens am Nachmittag mit seinen Teamkameraden gerechnet, sodass er jetzt völlig überrumpelt war.
 

Ken blieb stehen, blickte jedoch sehr verwirrt zu den beiden Jüngeren hinüber.
 

„Was soll das, Omi?!“
 

„Bitte Ken, lass mich das erklären!“
 

Der Blondschopf konnte Nagi in seinen Armen zittern spüren, als er die aufgebrachte Stimme von Ken hörte. Er sah flehend zu Ken hinüber, der die Hände vor der Brust verschränkte und mit sehr verwirrtem, aber gleichzeitig auch mit wütendem Blick zu ihnen hinübersah.
 

„Das musst du aber verdammt gut erklären, Omi! Das ist ein Schwarz, das ist dir klar oder?!“
 

„Ja verdammt, das weiß ich selbst! Und könntest du jetzt bitte mal den Mund halten?! Ich versuche mich zu konzentrieren!!“
 

Omis Herz schlug ihm bis zum Hals, als er zu Ken hinüberstarrte, der den Mund öffnete, um etwas zu sagen, ihn dann jedoch sofort wieder schloss, weil er nicht wusste, was er hätte sagen können.
 

Die enorme Stresssituation ließ den Blondschopf aggressiv werden, auch wenn er wusste, dass das alles nur noch schlimmer machen würde. Aber, auf der anderen Seite, konnte es noch schlimmer kommen? Er hatte Nagi in seinen Armen, der panische Angst hatte, und einen wütenden Teamkollegen einige Schritte von sich entfernt, der sofort eine Erklärung von ihm wollte, die er ihm aber nicht geben konnte, solange Nagi hier war. Er konnte schlecht sagen, was Nagi durchgemacht hatte, solange dieser noch hier neben ihm stand. Und in dieser Situation hier konnte man sowieso nichts erklären, dafür brauchte er Ruhe.
 

Also, konnte es noch schlimmer kommen?
 

Seine Frage beantwortete sich sofort, als er zu seinem Horror hinter Ken in der Tür einen roten Haarschopf auftauchen sah, und kurz darauf Ayas blasses Gesicht, das über Kens Schulter lugte.
 

Omis Augen weiteten sich, als er realisierte, was das jetzt hieß.
 

Sie waren alle wieder da. Alle auf einmal, und jetzt war es raus.
 

Er konnte sehen, wie Aya den Körper in seinen Armen erkannte und sein Gesicht hart wurde, eiskalt wurde, seine Augen bohrten sich fest in Omis.
 

Ken wandte sich um, als er merkte, dass Omi auf einen Punkt hinter ihm starrte, und fuhr fast zusammen, als er dort die Gestalt seines Teamleaders stehen sah, den er vorher nicht einmal kommen gehört hatte. Er trat einen Schritt zu Seite, um Aya so freie Sicht auf Omi zu geben, der Nagi fester an sich drückte, als der Rotschopf einen Schritt auf sie zu machte.
 

„Was macht der denn hier? Findest du nicht, dass das dann vielleicht doch ein bisschen zu weit geht?“
 

Der Blondschopf konnte Nagi in seinen Armen zusammenzucken spüren, als er die Stimme von Aya hinter sich erkannte, und Omi konnte es ihm nicht verübeln. Nagi hatte ja schon vorhin Angst vor dieser Begegnung gehabt, und jetzt war wohl der schlecht möglichste Zeitpunkt, dass der Rest von Weiß hier aufgetaucht war.
 

Omi starrte Aya nur an, der mit einem missmutigen Blick zu ihm und seinen Freund hinübersah, bevor er ohne ein weiteres Wort an Ken vorbeiging und in die Küche lief.
 

Dem Blondschopf klappte der Mund auf, als er seinem Teamleader nachsah. Was sollte das denn?
 

In diesem Moment kam auch Youji die Treppen hoch, mit einer Reisetasche in der Hand und war für einen Augenblick ziemlich überrascht, Omi und Nagi dort im Gang zu sehen, bevor sein Blick zu Ken hinüberglitt, dessen Augen zwischen dem Blondschopf und der Küchentür hin und her flackerten.
 

Omi sah Hilfe suchend zu Youji hinüber, der nach einem näheren Blick auf Nagi erkannte, dass mit diesem etwas nicht stimmte. Er streckte seine Hände nach Kens Schultern aus, woraufhin Ken erschrocken zusammenfuhr, da er auch den Älteren nicht bemerkt hatte, und schob den Braunhaarigen bestimmt in Richtung Küche. Youji sah dem Blondschopf in die Augen, bevor er noch einmal kurz stehen blieb, um mit dem Kinn eine Bewegung in Nagis Richtung zu machen.
 

„Bring ihn nach oben und komm dann wieder runter, alleine. Wir klären das jetzt.“
 

Omi konnte nur schwach nicken, bevor Youji aus seinem Blickfeld verschwand und er alleine mit Nagi im Flur stand. Er lockerte langsam seine Arme um Nagis Körper und wollte den Jüngeren ein wenig von sich wegschieben, doch Nagi wollte ihn gar nicht mehr loslassen.
 

„Nein! Ich will nicht nach oben! Ich will da nicht alleine sein!“
 

Die Augen des Braunhaarigen waren angstgeweitet und Omi sah absolut keine Chance darin, seinen Freund jetzt dazu zu überreden, dass er oben in seinem Zimmer bleiben würde, also musste er zu anderen Maßnahmen greifen. Er lehnte sich von und schloss die Augen, bevor er sich konzentrierte und in Nagis Gedanken eindrang. Er brauchte nur eine Sekunde, musste nur ein paar Gedanken verändern, bevor Nagis Körper in seinen Armen schlaff wurde und in seine Arme fiel, jegliche Spannung war gewichen.
 

Omi sah traurig auf seinen Freund hinab, bevor er ihm einen leichten Kuss auf die Stirn drückte und dann auf die Arme hob, um ihn die Treppe nach oben zu tragen.
 

„Tut mir Leid, Nagi… aber das musste sein, es ist besser so.“
 

Er hatte Nagi nur gerade ohnmächtig gemacht, also nichts schlimmes, aber er wollte sichergehen, dass Nagi schön oben bleiben würde, während er den anderen schonend alles beibrachte. Dabei konnte er keine Störungen gebrauchen, schon gar nicht, wenn er den anderen erklärte, warum Nagi ab jetzt bei ihnen bleiben würde…
 

Allerdings würde er über seine Gedanken Nagis Schlaf bewachen, damit sein Freund nichts träumte. Das musste er auf jeden Fall, das war er ihm schuldig dafür, dass er ihn jetzt hier in seinem Zimmer allein ließ.
 

Oben angekommen legte Omi Nagi auf sein Bett und deckte den Jüngeren zu, bevor er ihm noch einen Kuss auf die Stirn gab und sich vorsichtig Zugang zu Nagis Gedanken- und Gefühlsebene verschaffte, damit er alles überwachen konnte, und dann schließlich sein Zimmer wieder verließ.
 

Er stieg die Treppen wieder hinab und blieb vor der Küchentür stehen, holte noch einmal tief Luft und öffnete dann die Tür, um den Raum zu betreten.
 

Dort saßen Ken und Youji am Küchentisch, vor jedem der beiden stand eine Tasse auf dem Tisch, während er Aya am Fenster stehen sah, ein Glas Wasser in der Hand, und sich jetzt zu Omi umdrehte, der soeben den Raum betreten hatte. Er sah Omi nicht feindselig an, oder hasserfüllt, sondern ganz einfach nur abwartend, als würde er schon auf die Geschichte warten, die Omi ihnen gleich erzählen würde.
 

Der Blondschopf konnte es nicht verstehen. Er hatte damit gerechnet, dass Aya ausflippen würde, doch stattdessen nahm dieser Nagi einfach zur Kenntnis, während Ken derjenige war, der sich aufregte.
 

Der Fußballer starrte Omi an, er wartete immernoch auf die Erklärung, die der Blondschopf ihnen schuldete.
 

Youji jedoch lächelte Omi aufmunternd zu, wobei er ein Stück hinter Ken saß, sodass dieser das nicht hätte sehen können.
 

Der Blondschopf warf seinem ältesten Teamkollegen einen dankbaren Blick zu, bevor er sich Ken gegenüber an den Tisch setzte und langsam zu diesem aufsah.
 

Kens Augen bohrten sich in Omis, doch dieser hielt seinem wütenden Blick stand. Er wollte nicht unterwürfig erscheinen, durfte sich keine Schwächen anmerken lassen, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte. Und das musste er, denn Nagi musste unter allen Umständen bei ihm bleiben dürfen.
 

Youji schob eine mit Tee gefüllte Tasse zu Omi hinüber, welcher sie mit dankbarem Blick entgegennahm und dann an seine Lippen setzte. Er war jetzt richtig froh darüber, dass er Youji damals schon so früh von Nagi und ihm erzählt hatte, sodass er jetzt wenigstens nicht seinem ältesten Teammitglied alles erklären musste…
 

In diesem Moment schlug Ken mit seiner flachen Hand auf die Tischplatte, sodass Omi fast seine Tasse fallen ließ und zusammenzuckte, während er den Braunhaarigen erschrocken anstarrte.
 

Die Augen des 18-jährigen funkelten wütend und flackerten von Omi über Youji zu Aya hinüber, welchen er mit glühenden Augen ansah, bevor sein Blick wieder zu Youji zurückflog.
 

„Wieso sagt ihr nichts?! Warum seid ihr so verdammt ruhig?! Youji! Aya! Lässt es euch völlig kalt, dass dieser Schwarz hier bei uns im Haus ist??! Euch ist doch sicher nicht entgangen, dass das eben Nagi Naoe war, der in Omis Armen gehangen hat, oder?! Und was das zu bedeuten hat?!“
 

Aya ließ nur ein leises Schnauben von sich hören, bevor er sich abwandte und aus dem Fester sah, sein Glas an seine Lippen hob und einen Schluck seines Wassers trank.
 

Youji hingegen lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bevor er seine Tasse an seine Lippen setzte.
 

„Nein Ken, es lässt uns nicht kalt. Tatsache ist nur, dass das für uns weder eine Überraschung noch eine Neuigkeit ist…“
 

Bei diesen Worten riss Ken seine Augen auf, während diese wild von einem Teammitglied zum anderen flogen. Er konnte einfach nicht glauben, was er da gehört hatte.
 

„Ihr… ihr habt das… GEWUSST??!!“
 

Seine Stimme klang leicht hysterisch, als er Youji anstierte, der seinem Blick fest Stand hielt.
 

Omi konnte allerdings auch nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Aya hatte es gewusst? Er hatte es die ganze Zeit über gewusst?!
 

Der Blondschopf sah zu dem Rotschopf hinüber, der völlig unberührt von dem, was hinter ihm geschah, am Fenster stand.
 

Das würde auch Ayas ziemlich harmlose Reaktion von vorhin erklären, als der Rotschopf ihn im Flur mit Nagi gesehen hatte. Omi hatte nämlich mit weit mehr gerechnet als mit einem unfreundlichen: „Was macht der denn hier?“. Und schon gar nicht damit, dass Aya einfach in die Küche verschwinden würde, als würde ihn die ganze Sache eher mittelmäßig interessieren.
 

Eigentlich hätte er es sich auch denken können. Es war im Nachhinein offensichtlich, dass Youji es Aya irgendwann erzählt haben musste. Immerhin war er mit dem Rotschopf zusammen, und er würde so etwas wahrscheinlich schlecht vor seinem Freund verbergen können und wollen.
 

Eigentlich war das ganz gut, denn jetzt hatte er nur noch eine Person, die er überzeugen musste. Aya schien zwar nicht begeistert davon zu sein, dass Nagi hier war, aber Omi war sich sicher, dass der Rotschopf mit sich reden lassen würde. Mit Hilfe von Youji konnte er bei seinem Leader bestimmt erreichen, dass sein Freund bei ihm bleiben durfte, doch bei Ken dürfte das etwas schwerer werden. Der Braunhaarige regte sich viel mehr auf, als Omi sich jemals hätte träumen lassen. Er hatte erwartet, dass Aya richtig ausflippen würde, doch dass das nun Ken für ihn übernahm warf Omi ein wenig aus seinem Konzept.
 

Der Braunhaarige starrte immernoch wie vom Donner gerührt Youji an, der seinem Blick jedoch weiterhin Stand hielt.
 

„Ja, Ken. Wir wussten es, ich schon ziemlich lange und Aya auch seit kurzem. Deshalb regen wir uns nicht auf, es ist keine Überraschung mehr für uns.“
 

Ken schnappte nach Luft.
 

„Ihr habt das gewusst?! Und ihr habt nicht dagegen unternommen?! WARUM??!! Seid ihr bescheuert oder was?! Was glaubt ihr eigentlich, was die kleine Ratte macht, wenn sie hier wieder wegkommt?! Ihren Scheiß-Schwarz Leuten erzählen, wo wir unser Quartier haben! Damit die uns endlich killen können!“
 

„Das ist nicht wahr! Nagi würde uns nie im Leben verraten!“
 

Omi starrte Ken ärgerlich an, als er die wütenden Anschuldigungen Kens hörte.
 

Doch Ken zog seine Augen nur zu Schlitzen zusammen und starrte Omi vernichtend an.
 

„Ach ja?! Und woher weißt du das?! Vielleicht ist er jetzt schon weg, während du versuchst ihn zu verteidigen!“
 

Der Blondschopf versetzte diese Anschuldigung einen Stich in sein Herz, doch er starrte genauso vernichtend zurück, während er seine Hände zu festen Fäusten ballte.
 

„Nagi wird uns nicht verraten! Und er wird auch nicht zu den anderen von Schwarz zurückgehen!“
 

„Klar doch, und im Sommer liegt Schnee! Wie kommst du bloß auf die bescheuerte Idee, ihm zu vertrauen?! Wahrscheinlich lacht er sich da oben gerade ins Fäustchen, weil er sich schon mal überlegt, was er für die Information, wo sich Weiß versteckt, bekommt! Vielleicht plant er gerade deinen Tod, Omi!“
 

Der Blondschopf starrte Ken einen Moment lang fassungslos an, bevor er mit seiner geballten Faust auf den Tisch hieb. Seine Hand zitterte nach dem Schlag, und auch sein ganzer restlicher Körper zitterte vor Wut, als er das hörte.
 

„Halt die Klappe! Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wovon du überhaupt redest, Ken! Warum ich ihm vertraue?! Weil ich ihn liebe! Er wird uns nie im Leben verraten, er kann es gar nicht tun, weil er seine Teamkollegen niemals mehr wiedersehen wird! Ich lasse das nicht zu!“
 

Das brachte Ken erst einmal zum stocken, bevor er seine Augenbrauen zusammenzog und Omi anstarrte.
 

„Er wird sie nie mehr wiedersehen?! Ach, und wie stellst du dir das vor?! Er erledigt weiter Aufträge zusammen mit seinen Teamkollegen, aber er sieht sie nicht mehr, ja?!“
 

Omi starrte zurück in Kens Augen, die ihn wütend anfunkelten, und hielt dessen Blick Stand. Er würde sich nicht einschüchtern lassen, schon gar nicht von Ken.
 

„Er erledigt keine Aufträge mehr für Schwarz! Er ist noch nicht einmal mehr Mitglied in Schwarz! Und er sieht sie nicht mehr wieder, weil er hier bleiben wird! Hier, hier bei mir, und geht nie, nie wieder zurück zu Schwarz!“
 

Auf diese Worte folgte erst einmal Stille.
 

Omi konnte schon fast spüren, dass diese Worte nicht so gut gewesen waren, doch er war einfach zu sauer gewesen, um sie zu stoppen. Jetzt konnte er spüren, wie die Wüt in ihm wieder abebbte, so wie es nach jedem Wutanfall bei ihm war. Er sah vorsichtig auf in die Gesichter seiner Teamkameraden, und sah dort verschiedene Gefühle.
 

Bei Ken war es eindeutig Entsetzen darüber, was Omi eben gesagt hatte. Er konnte wohl nicht glauben, was der Blondschopf da eben von sich gegeben hatte, was er jetzt von seinen Teamkollegen erwartete.
 

Aya stand zwar immernoch mit dem Rücken zu ihm, doch Omi konnte sehen, wie sich Ayas Schultern angespannt hatten, was kein gutes Zeichen war.
 

Youji starrte ihn eher sehr überrascht und gleichzeitig prüfend an, bevor sein Blick kurz zu Aya und Ken, dann wieder zurück zu Omi glitt. Er hatte sich bis jetzt zurückgehalten, da er wusste, dass man mit Omi, wenn er gerade wütend war, nicht viel anfangen konnte, und würde jetzt wieder etwas sagen, da Ken offensichtlich verstummt war.
 

„Und warum? Warum willst du, dass Nagi hier bleibt und nicht zurück geht zu Schwarz? Hat das einen Grund? Bis jetzt hat es doch auch so ganz gut funktioniert, oder?“
 

Seine Stimme war zwar ruhig, doch innerlich war ihm gar nicht wohl bei dieser Sache. Omi würde nie im Leben so etwas verlangen, wie dass Weiß einen Feind bei sich aufnahm, gegen den alle außer Omi eine Abneigung hatten, wenn da nicht mehr dahinter steckte.
 

Omi sah Youji noch einmal kurz an, bevor er seinen Blick auf die Tischplatte senkte. Jetzt würde das Argument kommen, von dem er hoffte, dass seine Teammitglieder es verstehen würden.
 

„Das hat einen Grund… und es funktioniert nicht mehr, weil Nagi nicht zu Schwarz zurückgeht. Das geht nicht.“
 

Der Blondschopf sah wieder von der Tischplatte auf und streifte dann mit seinem Blick noch einmal alle seine Teamkameraden, bevor er fortsetzte.
 

„In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat Schuldig… Nagi vergewaltigt…“
 

Zuerst herrschte einfach nur Stille… dann…
 

Klirr.
 

Omis Kopf flog herum, als er neben sich das Geräusch hörte, das Glas machte, wenn es zu Boden fiel.
 

Am Fenster stand Aya, das Glas, das er in der Hand gehalten hatte, lag neben ihm auf dem Boden. Omi konnte zu seinem Erstaunen sehen, dass Aya zitterte, am ganzen Körper zitterte. Dann drehte sich der Rotschopf um und verließ ohne ein weiteres Wort die Küche, floh mehr aus dieser, als dass er einfach ging. Der Blonde sah ihm völlig perplex dabei zu, versuchte einen Blick auf Ayas Gesicht zu erhaschen – was ihm einen Schock versetzte. Für einen Moment, einen kurzen Moment, ehe Aya aus seinem Sichtfeld verschwand, erkannte er Emotionen in dessen Gesicht. Emotionen, von denen er niemals geglaubt hätte, sie in Ayas Gesicht finden zu können.
 

Schock, Panik, Angst. Die Augen schreckgeweitet, der Mund seiner beschleunigten Atmung wegen geöffnet.
 

Und dann war er weg, stürmte den Flut entlang und die Treppe hoch, eine Tür knallte.
 

Omi saß wie vom Donner gerührt da, wie auch die anderen von Weiß. Er konnte nicht glauben, was er eben gesehen hatte. Noch nie hatte er Aya so erlebt…
 

„Scheiße…“
 

Der Blick des Blondschopfes flog zu Youji hinüber, der Aya mit einem fast wütenden Blick hinterher starrte, bevor er vom Tisch aufsprang und mit eiligen Schritten ebenfalls den Raum verließ.
 

Omi blickte seinen beiden ältesten Teammitgliedern hinterher. Was war das denn? Was war das eben gewesen? Warum war Aya so ausgerastet?
 

Es war in dem Moment gewesen, als Omi das furchtbare Vergehen, das an Nagi ausgeübt worden war, ausgesprochen hatte… aber was hatte das damit zu tun?
 

In dem Blondschopf stieg langsam ein leiser Verdacht hoch, doch er kämpfte ihn sofort nieder. Nein, das konnte nicht sein… nicht Aya… davon hätten sie doch etwas mitbekommen… aber andererseits hatte er auch nicht bemerkt, dass Youji und Aya ein Paar waren, bevor er es gesehen hatte… aber der Rotschopf hätte sich doch dann in der ganzen Zeit über anders verhalten…
 

Nein, das konnte nicht sein. Es war einfach nicht möglich, dass sein Teamleader vergewaltigt worden war. Es konnte einfach nicht sein. Es passte nicht in sein Bild von Aya.
 

Omi schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu verdrängen, als er plötzlich Kens Stimme hörte.
 

„Omi?“
 

Genau, der war ja auch noch im Raum… er hatte den Älteren ganz vergessen.
 

Der Blondschopf sah zu dem Braunhaarigen auf, dessen Blick jetzt nicht mehr so wütend und hasserfüllt war wie noch gerade eben. Eher sah Ken seinen jüngeren Teamkollegen besorgt an, auch wenn er dies zu verstecken versuchte.
 

„Ist… ist das wahr? Schuldig hat Nagi vergewaltigt?“
 

Omis Blick wurde traurig und er senkte den Kopf, bevor er nickte.
 

„Das… das tut mir Leid, Omi… wie geht es ihm?“
 

Der Blondschopf hob seinen Kopf soweit, dass er Ken in die Augen blicken konnte.
 

„Das hast du eben gesehen… von Fremden lässt er sich gar nicht anfassen, dann kriegt er Panik, aber ich komme mittlerweile wieder ein bisschen an ihn heran. Ich kann ihn zumindest berühren, aber nichts weiter…“
 

Der Braunhaarige sah Omi bedauernd an, bevor er sich in seinem Stuhl zurücklehnte.
 

„Entschuldige, aber ich habe ja nicht gewusst, was ihm passiert ist… außerdem war ich so geschockt, dass du mit ihm dort gestanden hast… ich konnte es einfach nicht glauben…“
 

Der Blondschopf schloss kurz die Augen, bevor er seinen Kopf wieder hob, sodass er Ken geradeaus wieder ansehen konnte.
 

„Kann ich mir vorstellen… ich hätte vielleicht auch so reagiert, wenn es einer von euch gewesen wäre, mit einem von Schwarz… tut mir Leid, aber ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Aber ich habe Angst um ihn und will ihn beschützen, deshalb.“
 

„Ist doch verständlich… mir tut es Leid, ich hätte dir besser zuhören sollen… aber ich habe noch ein paar Fragen… wie lange seid ihr schon zusammen?“
 

Omi musste nicht lange darüber nachdenken.
 

„Seit dem Sommer. Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die Explosion, oder?“
 

Ken nickte, bevor sich seine Augen weiteten.
 

„Du meinst…?“
 

„Genau. Er hat mich damals gerettet, und damit hat eigentlich alles angefangen. Von diesem Zeitpunkt an habe ich mich öfters mit ihm getroffen, du hast ja sicher gemerkt, dass ich fast nicht mehr zu Hause war, oder? Da war ich immer bei ihm, im Park oder sonst wo. Und irgendwann ist es eben passiert. Wir wurden ein Paar, und sind seit dem zusammen. Also schon fast ein halbes Jahr…“
 

Der Braunhaarige nickte leicht und warf Omi dann einen etwas verletzten Blick zu.
 

„Und warum hast du nie etwas gesagt? Ich meine, Youji und Aya wussten es doch auch? Warum hast du mir als einzigem nichts gesagt?“
 

„Das ging damals nicht… das war… vor Tsubámes Zeiten… verstehst du?“
 

Wieder weiteten sich Kens Augen, bevor er den Kopf abwandte und zu Boden starrte.
 

„Ach so… da konnte man mit mir nicht so gut reden, was?“
 

Omi schüttelte den Kopf.
 

„Und Youji hat mich einfach eines Abends zur Rede gestellt. Er wollte endlich wissen, was mit mir los war, und so habe ich ihm alles gestanden. Ich war richtig froh, dass ich es getan hatte, denn Youji reagierte nicht so, wie ich gedacht hatte, sondern viel ruhiger und beherrschter. Und dann musste ich nicht mehr so viel lügen, wenn ich sagte, dass ich weg wollte.“
 

„Und Aya? Hatte der sich aufgeregt?“
 

Omi zuckte bloß mit den Schultern.
 

„Keine Ahnung. Ich wusste bis vorhin auch nicht, dass er es gewusst hat. Ich nehme an, Youji hat es ihm erzählt.“
 

Der Braunhaarige nickte bloß, bevor er kurz schwieg. Doch dann wandte er sich wieder an Omi.
 

„Und noch eine Frage. Wie kamst du dazu, ihm zu vertrauen? Ich meine, als noch alles in Ordnung war und er immer wieder zu Schwarz zurückgegangen ist. Was hat dich überzeugt, dass er dich und somit uns nie verraten würde?“
 

Daraufhin konnte Omi nur lächeln.
 

„Weil ich ihn liebe. Und weil er mich liebt, das weiß ich. Ich habe ihm alles über mich anvertraut, habe ihm alles über mich erzählt. Er weiß alles, kennt mich genau, weiß das, was ich auch weiß. Und noch etwas. Kennst du seine Fähigkeiten?“
 

Ken schüttelte den Kopf.
 

„Nein, er war noch bei fast keinem Einsatz dabei. Die Kräfte der anderen kenne ich, aber seine? Nein.“
 

„Er hat dieselben Kräfte wie Schuldig. Nur ein wenig schwächer, aber im Grunde ist es die gleiche Kraft.“
 

Das brachte Kens Augen wieder dazu, sich zu weiten.
 

„Noch so ein Telepath?! Aber, dann…“
 

„Nein Ken, er ist nicht wie Schuldig. Als er mich auf der Mission gerettet hatte, hat er mich zu einem fremden Ort gebracht und meine Wunde versorgt. Dabei habe ich eine ganze Menge über ihn erfahren, wie ähnlich er mir selbst ist, dass er eigentlich gar nicht gern tötet, wie es Schuldig oder Farfarello tun, und wie freundlich er eigentlich ist. Dort habe ich ihm zum ersten Mal erlaubt, meine Gedanken zu lesen. Und ich kann dich beruhigen, er hat nichts über Weiß gelesen, obwohl ich ihn nicht davon hätte abhalten können. Wenn du darauf achtest, spürst du, was der Telepath in deinem Kopf macht, und er ist nicht mal in diese Richtung gegangen. Damals schon hat er mir gesagt, dass er seine Kraft nie so einsetzen würde wie Schuldig es tut. Und ich habe ihm vertraut. Und er hat mein Vertrauen bis heute nicht enttäuscht.“
 

Ken sah Omi immernoch zweifelnd an.
 

„Du hast seinen Worten geglaubt. Aber warum?“
 

Omi seufzte, bevor er begann Ken auch noch diese Sache zu erklären.
 

„Nagi hat damals bemerkt, dass ich die Kraft, die er hat, auch besitze, und hat mir geholfen, diese zu befreien und zu stärken, bis ich schließlich stärker war als er selbst. Du glaubst doch nicht wirklich, dass er sich mit Absicht einen Feind geschaffen hätte, der stärker ist als Schuldig?“
 

Der Braunhaarige sah Omi nur fassungslos an und versuchte die Flut von Informationen zu verdauen. Schließlich öffnete er den Mund, um Omi wieder eine Frage zu stellen. Seine Stimme klang etwas heiser, als könnte er einfach nicht glauben, was er da gerade eben gehört hatte.
 

„Du… du bist Telepath?! Und du bist stärker als Schuldig?“
 

Omi nickte.
 

„Ja. Deshalb kannst du ruhig glauben, dass Nagi uns nie verraten würde. Wenn er eigentlich auf der Seite von Schwarz stehen würde, hätte er mir das nie beigebracht und einfach meine Gedanken geplündert, bis er seine Informationen gehabt hätte, um mich danach zu töten. Doch er hat es nicht getan. Er hat mir nie wehgetan, war niemals grob zu mir oder hat mich zu etwas gezwungen. Deshalb vertraue ich ihm. Und jetzt kann ich mir erst recht nicht vorstellen, dass Nagi noch irgendetwas mit Schwarz zu tun haben will.“
 

Ken sah Omi noch einmal fest in die Augen, wobei der Blondschopf seinem Blick standhielt, bevor er von ihm abließ.
 

„Okay… jetzt ist einiges klarer… und wenn ich dich richtig verstanden habe, willst du, dass der Junge hier bleibt?“
 

Omi nickte und sah dann zu Ken auf, der sich jetzt von seinem Stuhl erhob.
 

„Gut… also, wenn das wirklich alles stimmt, was du eben gesagt hast… dann bin ich damit einverstanden, dass er hier bleibt…“
 

Der Blondschopf starrte Ken für einen Moment sprachlos an, bevor er vom Tisch aufsprang und dem Älteren stürmisch um den Hals flog. Alle Anspannung in seinem Körper entlud sich, als er realisierte, dass es geschafft hatte! Er hatte Ken überzeugen können!
 

„Danke! Danke, Ken! Tausend Dank!“
 

Der Braunhaarige klopfte einmal kurz Omis Rücken, bevor er den Blondschopf wieder etwas von sich wegschob. Sein Blick war viel weicher als noch zuvor, auf seinem Gesicht konnte Omi ein leichtes Lächeln sehen.
 

„Schon gut, Omi. Mein Okay hast du, und das von Youji und Aya wohl auch… also wird Nagi ab jetzt wohl bei uns wohnen… aber mich würde trotzdem mal interessieren, was vorhin in Aya gefahren ist… ich habe ihn noch nie so erlebt…“
 

Der Blondschopf ließ Ken wieder los und sah den Älteren ratlos an.
 

„Ich auch nicht… ich weiß nicht, was mit ihm los ist…“
 

Doch Youji würde es vielleicht richten können, was immer es war. Immerhin kannte Youji den Rotschopf noch am besten von ihnen allen, er hatte am ehesten die Chance, an Aya heranzukommen und mit ihm zu reden…
 

Ken sah ihn noch einen Moment lang an, ehe er seufzte und dann aufstand, sich gähnend streckte.
 

„So, dann gehe ich mal.“
 

Omi blickte ihn fragend an, während er ebenfalls aufstand und dem Älteren zur Haustür folgte, wo dieser ein Paar seiner Turnschuhe anzog.
 

„Fußball spielen mit den Kindern. Wir können die Halle benutzen und heute haben wir Training.“
 

„Ach so. Gut, dann kommst du erst heute Abend wieder?“
 

Ken zog seine Schuhe an, bevor er sich aufrichtete und zwei Mal auf und ab hüpfte, um den Sitz seiner Schuhe zu testen. Dann grinste er Omi an.
 

„Wenn überhaupt. Ich gehe später noch zu Tsubáme, also vielleicht sehen wir uns erst morgen wieder.“
 

„Ihr könnt gar nicht voneinander lassen, was?“
 

„Nö. Ich vermisse ihn jetzt schon, obwohl ich jetzt kaum eine halbe Stunde von ihm getrennt bin…“
 

Omi lächelte.
 

„Na dann… viel Spaß!“
 

„Danke Omi!“
 

Und schon war er zur Tür hinaus.
 

Der Blondschopf sah ihm hinterher, wie Ken um die nächste Ecke joggte, den Schneeregen, der auf ihn niederprasselte ignorierend.
 

Omi schüttelte den Kopf, er konnte nicht verstehen, wie man bei diesem Sauwetter überhaupt aus dem Haus gehen konnte, und das auch noch ohne Regenschirm…
 

Der Blondschopf schloss die Tür und lehnte sich kurz dagegen, bevor er sich davon abstieß. Er wollte wieder nach oben, nach Nagi sehen. Der Junge hatte keine Albträume gehabt, was Omi ein bisschen überrascht hatte. Gerade war die ganze Sache durch Ken wieder aufgewirbelt worden, und doch hatte das keine Einflüsse auf Nagis Träume.
 

Omi stieg die Stufen hinauf und lief den Gange entlang, bevor er vor seiner Zimmertür stehen blieb, allerdings diese nicht öffnete. Er wandte den Kopf in die Richtung, in der Ayas Zimmer lag. Es war hinter einer Ecke, die in den Gang führte, in dem sie ihren Übungsraum hatten. Mit einigen Geräten zum Krafttraining und einer freien Fläche, auf der Aya mit seinem Katana trainieren konnte. Und dort hatte der Rotschopf auch sein Zimmer, abseits von den anderen.
 

Omi hatte sich schon manchmal gefragt, warum der Rotschopf ausgerechnet dieses Zimmer hatte haben wollen, doch die Antwort hatte er nie gefunden. Zwar war Aya schon immer am liebsten alleine gewesen, doch in letzter Zeit war er doch zugänglicher geworden, warum hatte er nicht sein Zimmer gewechselt? Der Blondschopf konnte sich nicht vorstellen, dass Aya immernoch am liebsten alleine war, jetzt, wo er mit Youji zusammen war.
 

Omi war schon kurz davor, in die Richtung von Ayas Zimmer zu gehen, wo er den Rotschopf vermutete, doch dann schüttelte er den Kopf. So, wie Aya ausgesehen hatte, würde er wohl niemanden jetzt in seiner Nähe haben wollen, außer Youji vielleicht. Und der war höchstwahrscheinlich schon bei ihm. Der Blondschopf würde vielleicht später mal nach Aya sehen, wenn er sich wieder beruhigt hatte. Jetzt wollte er erst mal zu Nagi und diesen wieder aufwecken, um ihm alles zu erzählen.
 

Der blonde Junge öffnete leise die Tür zu seinem Zimmer und machte einen Schritt hinein, bevor er die Tür ebenso leise wieder schloss.
 

Nagi lag reglos auf dem Bett unter der Decke und atmete ruhig. Sein Gesicht war bei näherem Hinsehen ein wenig angespannt, als erwartete er jeden Moment, dass etwas passieren würde.
 

Omi ging zu seinem Bett hinüber und ließ sich vorsichtig auf der Kante der Matratze nieder, bevor er eine Hand ausstreckte und seinem Freund einige braune Strähnen aus dem Gesicht strich, die ihm hineingefallen waren. Nagi versteifte sich nur kurz, dann schien er Omis Berührung zu erkennen und wurde wieder ruhig, der verspannte Ausdruck in seinem Gesicht wich langsam und wurde durch einen friedlichen ersetzt, was den Blondschopf leicht zum Lächeln brachte.
 

Er strich noch einmal kurz durch die Haare seines Freundes, bevor er sich wieder zurückzog und dann in Nagis Kopf die Dinge, die er etwas verdreht hatte, um Nagi zum Schlafen zu bringen, wieder normalisierte.
 

Omi musste nur einen Moment warten, bevor Nagi sich ein wenig bewegte und blinzelte, bevor er die Augen aufschlug. Sein Blick war ein wenig unfokussiert, doch nach und nach schärfte er sich und ließ Nagi klar sehen, der Omi neben sich sitzend erkannte.
 

Der Jüngere setzte sich verwirrt auf, bevor er einmal verhalten gähnte und Omi dann fragend ansah.
 

„Was… was mache ich hier?“
 

Omi lächelte, zum einen weil Nagi in ihm nicht Schuldig gesehen, hatte obwohl er sich überhaupt nicht hatte sicher sein können, und zum anderen weil Nagi unheimlich niedlich aussah, wenn er eine Situation nicht so ganz verstand.
 

„Erinnerst du dich an vorhin? Als Ken zur Tür rein kam?“
 

Er versuchte seine Stimme vorsichtig und ruhig klingen zu lassen, doch Nagi zuckte trotzdem zusammen, als ihm alles wieder einfiel. Er griff unwillkürlich nach dem Handgelenk, das Ken festgehalten hatte.
 

„Ja…“
 

Omi schwang seine Beine auf das Bett und kroch dann zu Nagi unter die Decke, bevor er den Jüngeren umarmte und zurück aufs Bett zog, wo Nagi in seinen Armen liegen blieb. Der Blondschopf hob eine Hand und begann sanft über den Rücken seines Freundes zu streicheln, wobei er ihm in die Augen sah.
 

„Und danach kamen die anderen auch noch rein, das hast du mitbekommen, nicht?“
 

Nagi nickte schwach, wobei Omi spüren konnte, dass sein Freund anfing zu zittern. In Nagis Augen stieg Angst auf und Omi fühlte, wie sich der Braunhaarige verspannte.
 

„Hey, ganz ruhig. Ich habe mit ihnen gesprochen und alles erklärt. Und stell dir mal vor, Aya wusste es schon.“
 

Das ließ Nagi verwirrt in Omis Augen sehen.
 

„Was? Woher das denn?“
 

Omi erinnerte sich plötzlich, dass er seinem Freund nie davon erzählt hatte, dass Youji und der Rotschopf zusammen waren, aber er hatte Youji ja auch versprochen, dass er nichts sagte, niemandem.
 

„Aya ist mit Youji zusammen, und der hat es ihm schon vor einer Weile erzählt.“
 

Nagi sah Omi jetzt wirklich erstaunt an.
 

„Wie bitte? Dieser Eisklotz?“
 

„Er ist kein Eisklotz, Nagi. Aya ist eben nur kein kontaktfreudiger Mensch, um es mal gelinde auszudrücken. Er ist eben ruhig und zurückgezogen, aber er hat seine Gründe. Ich konnte es auch kaum glauben, als ich das gesehen habe. Ich habe sie in der Küche gesehen, deshalb weiß ich es.“
 

„Hätte ich nicht gedacht… und dann auch noch mit Balinese…“
 

„Ist komisch, nicht? Aber es ist ihnen wirklich beiden ernst miteinander, das weiß ich. Aber um wieder zum Thema zurückzukommen, es war also nicht Aya, der sich aufgeregt hat, aber dafür Ken… mann, den hättest du sehen sollen, der war richtig sauer. Aber ich konnte ihn davon überzeugen, dass du keine Gefahr für uns bist. Von ihm habe ich die Erlaubnis, dass du hier bleiben darfst, aber von Youji und Aya noch nicht. Aber ich denke die werden noch zustimmen.“
 

Omi lächelte seinen Freund an, doch dieser sah ihm nur stirnrunzelnd ins Gesicht.
 

„Warum haben sie noch nichts dazu gesagt? Ich meine, die wussten es doch, hat denn keiner etwas gesagt?“
 

Der Blondschopf seufzte, als er diese Frage hörte. Er hatte gehofft, dass Nagi das einfach zur Kenntnis nahm, aber nein, der Junge musste ja nachfragen…
 

„Weißt du, es gab einen Zwischenfall… ich… ich habe ihnen das… das, was dir passiert ist, gesagt.“
 

Er spürte, wie Nagi unwillkürlich zusammenzuckte, als Omi diese Worte aussprach. Einen Moment waren seine Augen von Panik erfüllt, doch im nächsten senkte Nagi den Kopf, sodass der Blondschopf die Augen seines Freundes nicht mehr sehen konnte.
 

„Sie… sie wissen also davon…“
 

Omi seufzte erneut und zog Nagi dann näher zu sich, um ihn an seinen Körper zu drücken und seinen Kopf auf den seines Freundes zu legen.
 

„Ja. Ich musste das erzählen, sonst hätte ich deine Reaktion vorhin nicht erklären können. Außerdem hätte dann die Gefahr bestanden, dass dich vielleicht einer von ihnen angefasst hätte, zufällig. Und dann hätte ich es sowieso erzählen müssen, also habe ich es lieber jetzt gemacht, wo man das noch alles vermeiden kann.“
 

Nagi schwieg, aber er entspannte sich wieder ein bisschen, ließ sich selbst lockerer in Omis Armen liegen.
 

Der Blondschopf deutete das als Zeichen um fortzufahren.
 

„Als ich das gesagt hatte, hat Aya… na ja, sich ziemlich komisch verhalten. Er ist einfach aus der Küche gerannt und hat sich, glaube ich, in sein Zimmer zurückgezogen. Youji ist ihm nach, und bis jetzt wissen wir noch nichts neues. Aber mich würde wirklich interessieren, was in ihn gefahren ist…“
 

Nagi schwieg weiterhin, bevor er aufsah und in Omis Augen blickte. Der Blondschopf lächelte ihn an und hob dann eine Hand, um seinem Freund über die Wange zu streicheln.
 

„Mach dir keine Sorgen, ich bin mir ziemlich sicher, dass du bleiben kannst. Keiner hier würde sowas machen, egal, um wen es geht.“
 

Der Braunhaarige ließ sich noch einen Moment streicheln, bevor er den Kopf wieder senkte und sich an Omi kuschelte, um seinen Kopf in dessen Brust vergrub.
 

„Hoffentlich… ich will nicht von dir weg…“
 

„Musst du auch nicht, das verspreche ich dir. Ich lasse nicht zu, dass du von mir weggehst.“
 

„Hm… danke…“
 

Omi lächelte wieder leicht, bevor er Nagi einen Kuss auf die Haare gab und dann seinen Kopf auf seine eine Hand stützte, während er den anderen Arm locker über die Hüfte seines Freundes gelegt hatte.
 

„Schon gut. Du sollst dich nicht ständig bedanken. Ich liebe dich, ich mache das nur deshalb.“
 

„Trotzdem danke… und ich… liebe dich auch…“
 

Der Blondschopf lächelte intensiver und wollte gerade noch etwas sagen, als es plötzlich an der Tür klopfte.
 

Nagi hob den Kopf und Omi drehte den seinen in Richtung Tür.
 

„Ja?“
 

„Ich bin’s, Youji. Kann ich dich kurz sprechen?“
 

„Klar, komm rein.“
 

Die Tür öffnete sich und herein trat Omis ältestes Teammitglied, er blieb allerdings in der Tür stehen. Sein Gesicht sah müde aus, gestresst, und seltsamerweise hätte Omi ihn in diesem Moment älter geschätzt als er eigentlich war.
 

Youjis Blick glitt zu dem Blondschopf und Nagi hinüber, die immernoch nebeneinander auf dem Bett lagen, und in seinen Augen erschien ein etwas komischer Ausdruck, den Omi nicht so richtig beschreiben konnte.
 

„Ähm… hi, Nagi.“
 

Omi spürte, wie sein Freund sich ein wenig anspannte, als Youji einige Schritte in den Raum machte, bevor er sich auf Omis Schreibtischstuhl niederließ.
 

„H-hallo…“
 

Der Ältere betrachtete Nagi eingehend, wobei der Junge sich noch mehr verspannte, bevor Youji seinen Blick Omi zuwandte, dann aber wieder zu dem braunhaarigen Jungen zurücksah.
 

„Ich nehme an, dass Omi dir von unserem Gespräch erzählt hat?“
 

Nagi nickte schwach, bevor er den Blick senkte. Er konnte den Blick aus diesen grünen Tiefen nicht ertragen, zu sehr erinnerten sie ihn an ein anderes Paar grüner Augen, auch wenn diese hier nicht halb so kalt waren wie Schuldigs.
 

„Gut. Um es kurz zu machen, von Aya und mir aus kannst zu hier bleiben. Was allerdings mit Ken ist, weiß ich nicht.“
 

Der Blondschopf spürte, wie die Spannung aus Nagis Körper wich, als er diese Worte hörte. Er selbst hörte sich auch erleichtert ausatmen, zwar hatte er damit gerechnet, aber man konnte nie wissen… vor allem nicht, wenn man es mit Aya zu tun hatte…
 

„Mit Ken habe ich gesprochen, er ist auch einverstanden.“
 

Youji zog eine schlanke Augenbraue hoch und sah Omi prüfend an, doch dann nickte er.
 

„Wenn das so ist, wohnt Nagi ab jetzt wohl hier. Wie ist das, wollt ihr zusammen wohnen oder soll Nagi ein eigenes Zimmer bekommen?“
 

Der Jüngste der drei schüttelte heftig den Kopf, als er das hörte. Keine zehn Pferde brachten ihn aus Omis Nähe, jetzt, wo er endlich die Chance hatte, mit ihm zusammenzuleben.
 

„Okay, das war wohl eine klare Antwort. Geht das in Ordnung, Omi?“
 

„Klar doch. Warum nicht?“
 

„Ich frage bloß. Gut, dann ist denke ich vorläufig alles wichtige geklärt. Aber jetzt möchte ich noch kurz mit Omi allein sprechen.“
 

Der Blondschopf sah Nagi an, der ihn fast bittend ansah, nicht wegzugehen und seine Hände in Omis Pullover vergrub, doch dann schüttelte Omi den Kopf.
 

„Keine Angst, ich bin nur auf dem Flur. Du kannst rufen, wenn was ist. Und ich aktiviere das Schutzschild, dann passiert dir nichts.“
 

Der Braunhaarige sah zwar nicht sehr überzeugt aus, doch er nickte leicht.
 

„Okay…“
 

Omi lächelte ihn aufmunternd an, bevor er sich vorbeugte und seinem Freund einen Kuss auf die Stirn gab, bevor er seine Arme um den schlanken Körper löste.
 

„Ich komme gleich zurück, das dauert nicht lange.“
 

Wieder nickte Nagi leicht, bevor er seine Hände aus Omis Pullover zurückzog und ihn somit gehen ließ.
 

Omi kroch unter der Decke hervor und konzentrierte sich kurz, um das Schutzschild zu aktivieren, bevor er seinen Freund noch einmal kurz anlächelte und sich dann zu Youji umwandte.
 

Dieser erhob sich wieder von Omis Schreibtischstuhl und warf Nagi noch einen kurzen Blick zu, bevor er ebenfalls zur Tür ging und mit dem Blondschopf den Raum verließ.
 

Draußen schloss Omi die Tür und ging dann einige Schritt von ihr weg, bevor er sich an die Wand lehnte. Youji folgte ihm und baute sich vor dem Blondschopf auf, bevor er in seine Tasche griff und ein Zigarettenpäckchen hervorzog. Er steckte sich eine Kippe an und ließ die Schachtel dann wieder verschwinden, bevor er einmal an der Zigarette zog und den Rauch wieder durch den Mund entkommen ließ.
 

Omi kräuselte seine Nase, als ihm der Rauch in die Nase stieg. Er mochte Zigaretten zwar nicht besonders, doch er konnte Youji nicht verbieten zu rauchen.
 

Er sah zu dem Älteren auf, der ihn nachdenklich ansah, jedoch schwieg.
 

Der Blondschopf war etwas irritiert, denn immerhin hatte Youji ihn ja sprechen wollen, und nicht umgekehrt, also warum sollte er den Anfang machen?
 

Der Braunhaarige zog noch einmal an seiner Zigarette, bevor er diese zwischen seinen Fingern hielt und Omi ansah.
 

„Willst du nicht fragen? Was mit Aya war?“
 

Jetzt war Omi noch verwirrter. Natürlich wollte er wissen, was vorhin los gewesen war, doch er würde den Rotschopf bestimmt nicht fragen, und wenn Youji es ihm erzählen wollte, hätte er es schon getan.
 

„Nein. Das ist wohl eine Sache zwischen euch, und wenn ihr nicht wollt, dass wir anderen es wissen, ist es auch so, werde ich das akzeptieren. Ich möchte nur wissen, wie es ihm geht.“
 

Youji zog eine Augenbraue hoch, doch dann nickte er.
 

„Nicht gut. Aber er hat sich ein wenig beruhigt, so weit, dass er mich zu euch geschickt hat, um einiges zu klären.“
 

Das half Omi nicht besonders viel, er war jetzt eher noch neugieriger als vorher, doch er verkniff sich weitere Fragen. Er war sich sicher, dass er weder aus Aya noch aus Youji etwas herausbekommen würde, wenn der Rotschopf nicht wollte, dass er selbst und Ken etwas mitbekamen. Und er würde sich damit abfinden, denn es gab auch Dinge, die er nicht unbedingt vor dem ganzen Team breittreten wollte, auch wenn man ihn danach fragen würde.
 

„Hört sich nicht so gut an… aber ihr kommt klar, oder?“
 

Youji nickte, bevor er wieder an seiner Zigarette zog.
 

„Ja, ich denke schon. Aber nun zu Nagi. Ich habe eben schon gesagt, dass Aya und ich damit einverstanden sind, dass der Junge hier bleibt. Ich habe wirklich nichts dagegen, weil ich weiß, dass Nagi es ehrlich mit dir meint und dich nicht verraten würde, doch ich mache mir trotzdem Sorgen. Was willst du Kritiker sagen? Wir können ihnen nicht ewig verheimlichen, dass Nagi bei uns ist. Wenn Manx oder Birman ihn einmal hier sehen, ist es aus, das ist dir klar, oder? Und dann geht es nicht nur Nagi an den Kragen…“
 

Omi fühlte sich, als ob ihm jemand einen Eimer Eiswürfel in den Magen geschüttet hätte. Darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht… er war viel zu sehr mit seinem Freund beschäftigt gewesen und damit, wie er ihn durch die Konfrontation mit seinen Teamkollegen bringen konnte, sodass er Kritiker völlig vergessen hatte.
 

„Ich… ähm… ich weiß nicht, Youji… vielleicht ihnen einfach alles erklären? Wie ich es mit Ken gemacht habe?“
 

Der Braunhaarige zog ruhig an seiner Zigarette, während er den Blondschopf mit durchdringendem Blick ansah.
 

„Und du meinst, dass das funktioniert? Was wirst du tun, wenn sich Manx und Birman nicht davon abschrecken lassen, dass Nagi vergewaltigt wurde? Denn das ist mit Ken passiert, und ich kann ihn verstehen, doch ich habe keine Ahnung, wie die beiden Damen reagieren werden. Aber was tust du, wenn du sie nicht überzeugen kannst?“
 

Omi starrte Youji mit fassungslosem Blick an, bevor er langsam den Blick senkte.
 

„Ich werde nicht zulassen, dass Nagi etwas passiert. Ich lasse ihn mir nicht mehr wegnehmen, von niemandem.“
 

Auf seine Worte folgte Stille.
 

Omi wagte nicht aufzusehen. Er wusste, dass Youji geschockt war. Der Blondschopf hatte gerade seinen Freund über seine Freunde gewählt, hatte sie verraten. Er würde, so schwer es ihm fallen würde, Nagis Leben den ihren vorziehen. Dessen war er sich sicher.
 

„Du würdest es wirklich tun? Du würdest Nagi uns vorziehen, wenn du dich entscheiden müsstest?“
 

Youjis Stimme war tonlos und er sprach langsam, als hätte er Mühe, überhaupt zu sprechen.
 

Der Blondschopf nickte, er hatte nicht lange gezögert. Nagi bedeutete ihm einfach zu viel, als dass er ihn jemals gehen lassen könnte, dessen war er sich sicher, egal, was für einen Preis er zahlen müsste.
 

„Du liebst ihn wirklich, oder?“
 

Omi sah auf, als er Youjis Stimme hörte, diesmal ganz sanft. Er war überrascht, als er in Youjis lächelndes Gesicht starrte, doch der Braunhaarige tat es wirklich. Er lächelte! Obwohl Omi ihm gerade gesagt hatte, dass er ihn töten würde, nur um Nagis Leben zu retten.
 

„Sieh mich nicht so an, ich kann dich verstehen und weiß, was du fühlst. Ich würde für Aya dasselbe tun, und das schon seit sehr langer Zeit. Wenn ich die Wahl hätte, wen ich von euch retten würde, wenn es darauf ankäme, würde ich versuchen alle zu retten, aber erst, wenn ich Aya in Sicherheit gebracht hätte. Das wäre mir wichtiger als mein eigenes Leben.“
 

Der Blondschopf starrte Youji noch einen Moment fassungslos an, bevor er spürte, dass sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete.
 

„Geht mir genauso. Ich würde genauso handeln, wenn es um Nagi ginge.“
 

Youji nickte, bevor er erneut an seiner Zigarette zog.
 

„Schön, jetzt wissen wir, dass wir einander sterben lassen würden, nur um jemand anderen zu retten… aber das bringt uns jetzt auch nichts. Wir müssen überlegen, was wir tun, wenn Manx und Birman nicht damit einverstanden sind, dass Nagi bleibt. Und der Tod von allen ist keine Option.“
 

Omi nickte und dachte nach, nur einige Minuten, doch dann begann er zu grinsen. Wie einfach die Lösung doch war…
 

„Das ist einfach, Youji. Immerhin hast du es hier mit jemandem zu tun, der ein Telepath ist… und zu meiner Verstärkung habe ich noch einen zweiten Telepathen in meinem Zimmer sitzen…“
 

Der Braunhaarige sah ihn einen Moment lang verwirrt an, doch dann begann auch er zu grinsen.
 

„Du meinst… du könntest ihre Meinungen verändern? So, dass sie einverstanden sein werden?“
 

Omi nickte erneut, während er weiterhin grinste.
 

„Und nicht nur von den beiden. Ich kann von allen Leuten, die etwas dagegen haben sollten, die Gedanken so verändern, wie es mir passt. Das ist zwar eigentlich gegen meine Prinzipien, aber in dem Fall besteht da keine Frage, dass ich es machen würde.“
 

Youji grinste und schloss dann für einen Moment seine Augen, bevor er Omi anblitzte.
 

„Das ist echt praktisch, weißt du das? Aber du machst so was nur im Notfall, wenn ich das richtig verstanden habe?“
 

„Ja. Eigentlich wollte ich so etwas niemals tun, aber das hier ist ein Sonderfall. Doch natürlich haben wir dies nur als den allerletzten Ausweg, wenn wir bei Manx und Birman durch reden gar nichts erreichen. Sie müssen auch gar nicht erfahren, dass ich das kann. Das werde ich bei meinen Erzählungen auslassen, denn ich habe keine Lust, von Kritiker irgendwelche Untersuchungen über mich ergehen zu lassen, nur weil ich ‚begabt’ bin. Das habe ich schon einmal ertragen und ich will es nie, nie wieder erleben.“
 

Das war gewesen, kurz nachdem seine ersten Erinnerungen begannen. Kritiker hatten festgestellt, dass er außergewöhnlich intelligent war, und hatte einige Versuche mit ihm gemacht, die Omi mit nichts gutem verband. Deshalb war er auch so empfindlich darauf, wenn man ihm unter die Nase rieb, dass er ein Genie war.
 

Youji nickte verständnisvoll, während er Omi weiterhin ansah.
 

„Okay, dann wäre das geklärt. Jetzt möchte ich noch was wissen. Ich habe gerade gesehen, wie ihr miteinander umgegangen seid. Und ich finde es ganz schön heftig, dass Nagi so kurz nach so einem Erlebnis schon wieder so viel Kontakt ertragen kann…“
 

Der Blondschopf senkte kurz den Blick, bevor er Youji fest in die Augen sah.
 

„Ich bin selbst überrascht. Ich war davon ausgegangen, dass er ewig brauchen würde, bis er meine Berührung wieder halbwegs ertragen kann. Doch dem war nicht so. Ich habe ihn zu nichts gezwungen, er ist derjenige, der so vorandrängt. Gestern wollte er mich küssen und hatte danach einen ziemlichen Zusammenbruch, als er gemerkt hat, dass er das einfach nicht kann… es ist so schwierig…“
 

Der Braunhaarige sah ihn an, bevor er den Kopf schüttelte.
 

„Das musst du ihm ausreden. Wenn er das macht, wird es nur noch schlimmer.“
 

„Ich weiß, Youji. Ich habe es ihm schon gesagt, und vielleicht hat er es auch verstanden, jedenfalls werde ich ihn davon abhalten, wenn ich es kann.“
 

Youji nickte und löste sich dann von der Wand, um einen Schritt auf Omi zuzugehen.
 

„Das ist gut. Es wird unheimlich schwierig, ihm verständlich zu machen, dass es einfach nicht mehr so läuft wie vor der Vergewaltigung, das hast du wohl schon gemerkt, wie ich deinen Worten entnehmen kann. Doch du darfst nicht aufgeben. Und vor allem darfst du ihn nicht drängen. Er muss bestimmen, wie euer Tempo nun sein wird, aber er darf so was auf keinen Falls tun, damit verschlimmert er seine eigenen Leiden nur noch.“
 

Omi konnte daraufhin nur zustimmend nicken. Das war ja genau das, was er selbst auch dachte.
 

„Ich weiß. Und ich versuche wirklich alles, um ihm zu helfen, aber es ist manchmal nicht gerade einfach…“
 

„Ich kann dich verstehen, aber du darfst nicht aufgeben. Er wird wieder in Ordnung kommen, wenn du ihm Zeit lässt und ihm hilfst. Dann kann er darüber hinwegkommen, anders nicht. Er braucht deine Unterstützung dringend, auch wenn er dir das vielleicht nicht zeigt. Zusammen schafft ihr das, da bin ich mir sicher, so wie du ihn liebst… wenn er es ebenfalls tut, werdet ihr es gemeinsam verarbeiten können. Ihr müsst nur Geduld haben, das ist wichtig.“
 

Youji bedachte Omi mit einem etwas traurigen Lächeln, bevor er sich umwandte und den Flur entlang in Richtung Ayas Zimmer ging.
 

„Ich werde nach Aya sehen, geh du zurück zu Nagi. Der Kleine hat vielleicht Angst ohne dich.“
 

Die Stimme des Braunhaarigen klang völlig ernst, als er das sagte, aber Omi konnte auch keinen traurigen Unterton hören, als der Ältere sprach.
 

Im nächsten Moment war Youji um die Ecke verschwunden und er hörte ihn an die Tür des Rotschopfes klopfen, bevor er die Tür öffnete und hinter sich wieder schloss.
 

Der Blondschopf sah ihm noch einen Augenblick nach, bevor er zu seinem eigenen Zimmer zurück schlenderte, sein Kopf voll von Gedanken, die er alle gar nicht denken wollte.
 

Woher wusste Youji nur so viel über das Verhalten von Leuten, die vergewaltigt worden waren? War es vielleicht doch möglich, dass Aya…
 

Sofort schüttelte Omi den Kopf, dass seine blonden Strähnen umherflogen, bevor er diese Gedanken gewaltsam aus seinem Kopf verdrängte.
 

Aya war nicht vergewaltigt worden. Es ging einfach nicht. Das war völlig unmöglich, Omi hätte doch etwas mitbekommen, wenn… nein, das war nur Einbildung. Vielleicht hatte der Braunhaarige schon mal mit jemandem Kontakt gehabt, der so etwas erlebt hatte, als er noch Privatdetektiv gewesen war oder so… jedenfalls nicht bei Aya. Punkt.
 

Der Blondschopf ging zurück zu seinem Zimmer und öffnete die Tür, betrat den Raum und schloss ihn wieder von innen.
 

Nagi saß immernoch auf seinem Bett, doch er hatte sich ganz eng zusammen gekauert und die Decke so um sich geschlungen, dass nur noch sein Kopf oben herauskuckte.
 

Omi lächelte seinen Freund an und ging dann zu ihm hinüber, wo er sich neben ihm auf die Matratze sinken ließ. Er ließ das Schutzschild verschwinden und zog seinen Freund an sich.
 

„Alles okay, Nagi?“
 

Der Jüngere sah Omi an und nickte dann leicht, bevor er sich an seinen Freund schmiegte.
 

„Ja… was wollte er denn?“
 

Der Blondschopf entschied sofort, dass er Nagi nicht erzählen würde, über was er mit Youji gesprochen hatte. Der Jüngere musste nicht unbedingt erfahren, dass er sich mit Youji darüber unterhielt, wie er ihre Beziehung zu gestalten hatte und so weiter.
 

„Organisatorisches. Alles mögliche halt.“
 

„Dafür hätte er nicht mit dir raus gehen müssen. Über was habt ihr geredet?“
 

Omi seufzte leise, als er das hörte. Natürlich würde Nagi ihm das nicht abkaufen, dafür war der Junge zu intelligent und feinfühlig dafür, wenn Omi ihn anlog. Was nicht oft passierte, aber da der Blondschopf einfach nicht lügen konnte, wusste Nagi sofort, wenn er es tat, ohne in Omis Gesicht sehen zu müssen.
 

„Bitte Nagi, frag nicht, okay? Aber ich verspreche dir, dass ich ihm nichts über dich erzählt habe. Nichts, was er nicht wissen dürfte. Er weiß jetzt nicht mehr als Ken, und dem habe ich auch nicht viel erzählt. Wir mussten wirklich ein paar Dinge klären, aber das ist jetzt alles klar. Mach dir keine Sorgen, Nagi, alles ist in Ordnung.“
 

Eine Weile schwieg Nagi bloß, doch dann hörte Omi die Stimme seines Freundes wieder.
 

„Okay… ich frage nicht… aber bitte, erzähle ihnen nichts mehr… ich will das nicht, ich will nicht, dass sie alles wissen… es… es…“
 

„Schon gut… du musst nichts erklären. Ich verstehe dich, und ich hatte niemals vor, ihnen mehr zu erzählen, als du erlauben würdest. Ich musste ihm nur etwas erklären, sonst nichts.“
 

Das stimmte zwar nicht ganz, aber Omi hoffte trotzdem, dass Nagi ihm das abnehmen würde. Es war besser für ihn, oder er würde nie einigermaßen ungezwungen mit Aya, Youji und Ken umgehen können. Mit Ken vielleicht sowieso nicht, weil er bei diesem schon einige Vorurteile haben dürfte, sowohl aus der Zeit, als Ken Omi noch nachgestellt hatte, als auch gerade vorhin, als Ken ihn am Handgelenk gepackt hatte. Doch der Blondschopf wollte, dass Nagi wenigstens mit den anderen irgendwann ‚normal’ umgehen konnte, also reden und so, einfach wie ganz normale Menschen, die ihre ganzen Probleme nicht hatten.
 

Wieder herrschte kurzes Schweigen, doch dann hörte er Nagi leise seufzen.
 

„Ich glaube dir doch. Ich vertraue dir, dass du nicht mehr sagst, als ich wollen würde. Du kennst mich mittlerweile so gut, dass du das beurteilen kannst. Glaube ich…“
 

Omi atmete innerlich auf und schob seinen jüngeren Freund dann leicht von sich weg, um ihn sanft auf die Stirn zu küssen.
 

„Danke Nagi. Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen.“
 

Von seinem Freund erhielt er ein leichtes Lächeln, bevor dieser sich wieder zurück an Omi kuschelte und so verweilte. Der Blondschopf ließ seinen Kopf auf Nagis sinken und festigte seine Arme um Nagi noch ein wenig, um ihn näher zu sich zu ziehen.
 

„Ich liebe dich, Omi.“
 

Der Ältere schloss lächelnd die Augen und ließ sich auf sein Bett zurücksinken, ohne dass sie ihre Positionen im geringsten ändern mussten.
 

„Ich dich auch, Nagi,“
 

Der Jüngere kuschelte sich eng an ihn und blieb dann so liegen, ganz entspannt und ruhig atmend, doch er schlief nicht.
 

Auch Omi nickte nicht ein, sondern er schloss bloß die Augen und genoss ihre jetzige Situation, die so entspannt und ruhig war.
 

~*~*~*~*~*

Chapter 11

~*~*~*~*~*
 

Eine ganze Weile lagen sie einfach nur so da, in der seine Gedanken jedoch schon bald zu wandern begannen, und kamen über Umwege schließlich unweigerlich zu Youji und Aya zurück.
 

Irgendwie… war dieses Gespräch seltsam gewesen… Omi kam nicht sofort darauf, warum, doch irgendwas war ihm da gerade aufgefallen… und als es ihm schließlich einfiel, beschlich ihn ein recht seltsames Gefühl…
 

Youji war… so ernst gewesen… so vernünftig…
 

Und wenn er mal so nachdachte, fiel ihm auf, dass das nicht erst seit heute so war… nein, schon seit geraumer Zeit verhielt sich Youji anders… ungefähr seit April letzten Jahres…
 

Warum war ihm das vorher nie bewusst aufgefallen? Er war einer von Youjis Freunden, und doch war ihm nie wirklich aufgefallen, dass sich dieser so gewandelt hatte… früher einmal war er selbst der vernünftige des Teams gewesen, der verantwortungsvolle, der meistens einen Rat wusste… wann hatte sich das geändert? Seit Ken ihn das erste Mal angefallen hatte? Da hatte er Youjis Rat, seinen Trost gebraucht… vielleicht da… doch Youji hatte sich trotzdem schon vorher verändert…
 

Ob das mit Aya zusammenhing? Omi wusste zwar erst seit kurzem, dass die beiden ein Paar waren, doch trotzdem… sie waren vielleicht schon Ewigkeiten zusammen… vielleicht hatte der stille Rotschopf diese Veränderung in Youji ausgelöst…
 

Aber… Youji hatte begonnen sich zu verändern, bevor Aya ihrem Team beigetreten war…
 

Omi kam plötzlich ein eigenartiger Gedanke…
 

Was… was wenn Youji… Aya schon gekannt hatte… bevor dieser zu Weiß gekommen war?
 

Doch wenn ja, wie? Wodurch, und warum hatten sie das nie gezeigt? Omi war das nie aufgefallen, wenn es denn so war…
 

Dann fiel dem Jungen plötzlich noch etwas ein… Youji war mal eine Zeit lang nach der Arbeit sehr oft weggegangen… das war ungefähr fünf Monate vor Ayas Eintritt bei Weiß gewesen… ob er da bei dem Rotschopf gewesen war?
 

Doch wie hatte Aya bewirken können, dass sich Youji so verändert hatte?
 

Omi merkte, wie sich seine Gedanken im Kreis drehten und deshalb schob er sie beiseite. Er würde später noch ein bisschen darüber nachdenken… oder Youji vielleicht mal fragen… wenn dieser ihm das erzählen würde.
 

Der Blonde drehte Nagi den Kopf zu und sah seinem Freund sanft ins Gesicht, bevor er ihn ansprach.
 

„Nagi?“
 

Der Braunhaarige öffnete seine Augen und sah hoch zu Omi, woraufhin dieser lächelte und eine Hand hob, um Nagi eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen.
 

„Sollen wir ein bisschen runter gehen? Wir könnten zusammen was kochen, auch für die anderen.“
 

Es überraschte ihn negativ, als der Jüngeren sich verspannte bei seinen Worten, bevor Nagi den Kopf senkte.
 

„Wir… essen alle zusammen?“
 

Omi blinzelte kurz, doch dann verstand er den Sinn der Frage. Natürlich, Nagi hatte Angst vor der Konfrontation mit den anderen von Weiß…
 

Der Blonde strich seinem Freund einmal durch die Haare, was diesen dazu brachte wieder aufzusehen, und lächelte den Braunhaarigen dann an.
 

„Du musst keine Angst vor ihnen haben, Nagi. Sie wollen dir nichts böses, und jetzt, wo sie wissen, was passiert ist, werden sie vorsichtig um dich herum sein. Glaub mir, sie sind eigentlich alle sehr nett, wenn man sie erst einmal kennt. Und außerdem wird Ken nicht da sein, der ist Fußballspielen, und bei Youji und Aya weiß ich nicht, ob sie überhaupt runterkommen. Sie sind noch in Ayas Zimmer…“
 

Nagi schien einen Moment lang über seine Worte nachzudenken, bevor er sich zu Omis Erleichterung wieder entspannte.
 

„Okay…“
 

Omi lächelte den jüngeren bei diesem Wort sanft an und griff dann nach dessen Hand, um sie sanft zu drücken. Das war gut… so würde Nagi vielleicht ein bisschen seiner Scheu den anderen gegenüber ablegen, wenn er begriff, dass sie nicht länger die Bösen, seine Feinde waren. Und wenn der Braunhaarige sich erst einmal dazu entschloss, sich den anderen zu stellen, würde das auch werden… denn diese würden wirklich vorsichtig mit Nagi sein, das glaubte Omi auf jeden Fall. Da konnte er sich auf seine Teamkollegen verlassen.
 

„Prima. Dann komm, lass uns gehen.“
 

Er stand vom Bett auf und wartete dann, bis sich Nagi ebenfalls erhob, bevor er dessen Hand nahm und seinen zögerlichen Freund in Richtung Tür führte. Um ihn ein bisschen abzulenken, versuchte er Nagi in ein Gespräch zu verwickeln.
 

„Auf was hast du denn Lust? Kannst dir alles wünschen, und wir kochen es dann zusammen.“
 

Der Braunhaarige schien wirklich zu überlegen, während sie die Treppen nach unten liefen, und antwortete Omi dann.
 

„Könnten… könnten wir… Curryreis machen?“
 

Omi musste daraufhin lächeln, während sie die letzten paar Stufen hinab stiegen.
 

„Klar. Und Aya wird es dir danken, er liebt das Zeug. Ich mag es übrigens auch. Und wenn es nicht zu scharf ist, dann Ken und Youji auch.“
 

Das war praktisch, dann würden sie etwas kochen, was alle mochten. Keiner würde meckern und es würde jedenfalls da nicht zu Spannungen kommen… Omi hoffte, dass es sowieso nicht zu Spannungen kommen würde, denn das konnte er Nagi nicht zumuten… aber er glaubte es eigentlich nicht. Weshalb sollte es auch Streit geben?
 

„Danke…“
 

Omi lächelte seinen Freund an, während sie den Flur in Richtung Küche entlangliefen.
 

„Nichts zu danken. Das kannst du machen, wenn das Essen was geworden ist, Nagi…“
 

Das brachte ein kleines Lächeln auf die leicht verspannten Züge seines nervösen Freundes, was Omi beruhigte. Nagi musste sich hier unbedingt eingewöhnen… dann würde alles leichter werden, und einiges seiner Anspannung würde sich in Luft auflösen.
 

Jedoch trat zu Omis Verdruss genau das Gegenteil ein, als sie die Küche betraten, denn da blieb Nagi stocksteif im Türrahmen stehen und starrte zum Tisch hinüber, an dem Ken, mit einer dampfenden Tasse in der Hand, auf einem der Stühle saß. Seine Haare waren feucht, was ja kein Wunder war, bei dem Mistwetter, aber trotzdem war Omi schleierhaft, warum der Ältere jetzt schon wieder hier war… normalerweise blieb er stundenlang bei seinen Fußballkindern und ließ sich durch nichts und niemanden von dort wegholen.
 

Ken wandte in diesem Moment den Kopf und starrte die beiden Jüngeren für einen Moment an, bevor sich ein unsicheres Lächeln auf seine Züge schlich. Er setzte sich in seinem Stuhl auf und Omi konnte spüren, wie Nagi sich neben ihm noch ein wenig mehr verspannte.
 

„Ah… hi…“
 

Auch seine Stimme klang ein bisschen unsicher und er rutschte nervös auf seinem Stuhl umher, als wäre ihm diese Begegnung ziemlich unangenehm. Aber daran würde er sich wohl gewöhnen müssen, jetzt, wo Nagi bei ihnen blieb… Omi ging davon aus, dass ihm seine Aktion von vorhin noch ein bisschen zu schaffen machte.
 

Der Blonde drückte die Hand seines jüngeren Freundes und erwiderte dann Kens Lächeln, ein wenig sicherer als der ehemalige Fußballstar.
 

„Hi, Ken. Sag, was machst du denn schon wieder hier? Du wolltest doch Fußball spielen gehen.“
 

Der Braunhaarige sah Omi und Nagi noch einen kurzen Moment lang an, ehe er sich seiner Tasse zuwandte und ganz vorsichtig versuchte, einen Schluck zu nehmen, schien dann aber festzustellen, dass es noch zu heiß war.
 

„Wir konnten die Halle doch nicht benutzen. Die haben so einen kleinen Weihnachtsmarkt da rein verlegt, damit die Leute nicht nass werden. Also hab ich die Kleinen nach Hause geschickt.“
 

Ja, das war durchaus verantwortungsvoll. So verrückt Ken auch nach Fußball war, es ging dann doch noch nicht so weit, dass er bei Regen und Schnee mit den Kleinen trainierte. Die würden das wahrscheinlich auch noch machen – und dann am nächsten Tag mit Lungenentzündung im Bett liegen.
 

Omi nickte und zupfte an Nagis Hand, um den Jüngeren dazu zu bewegen, ihm zu folgen, als er den Raum betrat. Der Braunhaarige tat es, widerwillig zwar und er lief ganz dicht bei Omi, doch immerhin folgte er ihm. Das war gut… Frontaltherapie nannte man das, glaubte Omi. Es war vielleicht am effektivsten, wenn Nagi sich seinen Ängsten einfach stellte. Omi wusste nicht, ob das nur so kurze Zeit nach dem traumatischen Ereignis schon sinnvoll war, doch was konnte er anderes tun? Er konnte Nagi ja nicht für Wochen in seinem Zimmer einschließen und warten, bis es irgendwann besser wurde. Nein, er musste irgendwas tun. Und je schneller Nagi sich hier ein und an die anderen gewöhnte, desto besser war es.
 

„Ist wahrscheinlich besser so, bei dem Wetter hättet ihr euch draußen den Tod geholt…“
 

Der Blonde zog seinen Freund zum Tisch hinüber und setzte sich dort an den Tisch, an eine der beiden Seiten, die an die Seite grenzten, an der Ken saß, sodass es Nagi freistand, sich auf den Stuhl dem gegenüber Ken zu setzen, was dieser auch vorsichtig tat. Omi lächelte seinem zögernden und unsicheren Freund ermutigend zu und wandte sich dann sowohl an ihn als auch an Ken, der Nagi nachdenklich musterte.
 

„Der Grund, weswegen wir eigentlich hier sind, ist, dass wir was kochen wollten, und wir hatten uns auf Curryreis geeinigt. Bist du damit einverstanden, Ken? Wir machen es auch nicht so scharf, versprochen.“
 

Der ältere Braunhaarige löste seinen Blick von Nagi und blickte Omi an, schien das Angebot für einen Moment zu überdenken, doch schließlich lächelte und nickte.
 

„Ist okay, würde ich mitessen, Aber wirklich nicht zu scharf, das überleben nur Aya und du…“
 

Omi lächelte zurück und wollte sich gerade erheben, um schon einmal zu beginnen, doch da überraschte ihn Nagi ziemlich.
 

„…ich… ich mag scharfes… Essen…“
 

Er blickte zu Boden und seine Wangen waren gerötet, doch er hatte etwas gesagt! Und zwar auf Kens Aussage hin, nicht, weil man ihn etwas gefragt oder weil Omi etwas gesagt hatte. Das war gut! Omi lächelte seinen Freund intensiv an und drückte dessen Hand, um ihn in seinem Tun zu unterstützen. Es war gut, dass er mit Ken sprach… oder diesem zumindest die Eröffnung eines Gespräches anbot.
 

Ken blickte Nagi mit geweiteten Augen an, stellte seine Tasse ab, um sein Gesicht theatralisch in seinen Händen zu vergraben.
 

„Oh mein Gott… damit steigt die Zahl der fanatischen Feuerköche hier im Haus auf drei! *Drei*! Das heißt die Mehrheit! Verdammt… damit haben Youji und ich endgültig verloren…“
 

Omi musste lachen, als er das hörte. Feuerköche… was für ein Wort. Und so schlimm war es doch nun wirklich nicht… er fand es nicht scharf, wenn er mal etwas mehr würzte… und auch wenn Aya mal was pikanteres kochte, schmeckte das nur gut und war doch nicht scharf… er warf Nagi einen Blick zu und war äußerst angenehm überrascht, als er sah, dass der Jüngere verhalten lächelte. Es war zwar nicht deutlich zu sehen, aber es *war* da! Wie schön, es freute Omi, das zu sehen. Anscheinend entspannte sich Nagi ein bisschen, auch in Kens Gegenwart, und das war ein Grund sich zu freuen.
 

„Na, jetzt übertreib mal nicht. Du klingst ja so, als würdest du jedes Mal Feuer spucken, wenn du was von mir oder Aya isst…“
 

Und wenn das der Fall gewesen wäre, hätte Omi das sicherlich mitbekommen… Verbrennungen waren immer mehr als unangenehm.
 

Ken schien Nagis kleines Lächeln auch bemerkt zu haben, denn auch seine Miene hellte sich auf und er sah Omi gleich um einiges besser gelaunt an.
 

„So übertrieben ist das gar nicht… sind dir die Brandspuren in der Küche denn noch nie aufgefallen…?“
 

Erneut musste Omi lachen, als er das hörte, ehe er den Kopf schüttelte.
 

„Nein, bis jetzt noch nicht…“
 

Er beobachtete Nagi aus den Augenwinkeln, sah, wie der Jüngere erneut lächelte, was ihn innerlich jauchzen ließ. Das war gut! Vielleicht würde sich Nagi hier doch schneller eingewöhnen, als Omi gedacht hatte… umso besser, je schneller er in ihre Gemeinschaft hineinwuchs, desto leichter wurde es für alle.
 

„Na, dann bist du blind. Egal, also lasst uns Curryreis kochen. Ich schlage vor, wir arbeiten zusammen. Denn beim Gemüseschneiden kann man nicht viel falsch machen.“
 

Er wandte sich etwas zögerlich an Nagi, lächelte diesen jedoch an, als er den Jüngeren ansprach.
 

„Kochst du auch so gerne wie Omi?“
 

Der Blonde meinte zu sehen, wie sich die Züge seines Freundes kaum merklich verhärteten, doch er hätte es sich auch eingebildet haben können. Der Braunhaarige antwortete Ken zumindest, und das war schon einmal was.
 

„Nein… ich kann es… nicht gut…“
 

Ken grinste und zuckte mit den Achseln.
 

„Dann bist du wie ich… ich kann es auch nicht. Hier will man mich nicht mal in die Küche lassen…“
 

Erneut lächelte Nagi, woraufhin Omi zärtlich seine Hand drückte und seinen Freund anstrahlte. Dann begannen sie das Essen vorzubereiten, Arbeit im Team war angesagt. Zuerst schnitten sie zusammen Gemüse, dann kochten sie Reis und fabrizierten eine Currysauce, die, wie sie beim Abschmecken einstimmig beschlossen, gar nicht mal so schlecht war. Während der ganzen Zeit hielt sich Nagi zwar bei Omi auf und vermied es, in Kens direkter Nähe zu sein, doch er sprach trotzdem mit diesem. Überhaupt redeten sie eine Menge, zwar mehr über belanglose Dinge, aber das machte ja nichts. Hauptsache, Nagi sprach ein bisschen mit jemand anderem als Omi.
 

Als das Essen schließlich fertig war, deckten sie zusammen den Tisch, Ken holte noch einen fünften Stuhl aus dem Wohnzimmer. Dann standen sie etwas ratlos in der Küche – jetzt waren sie fertig… aber Youji und Aya fehlten noch. Und man war sich sehr unsicher, ob die beiden nicht vielleicht doch mitessen wollten.
 

„Wenn sie seit heute Morgen nichts mehr gegessen haben, dann sind sie sicher hungrig.“
 

Das war Omis Meinung dazu, und diese schien den anderen einzuleuchten. Also würde wohl jemand nach Youji und Aya sehen müssen… und da lag das Problem, zumindest für Omi. Er wollte gerne nach den beiden sehen, vielleicht noch einmal kurz mit Aya sprechen, bevor er runterkam… aber da konnte er Nagi nicht mitnehmen. Und allein bei Ken lassen konnte er ihn wahrscheinlich nicht… aber wenn er in gedanklicher Verbindung mit ihm blieb?
 

Der Blonde suchte nach Nagis Geist und drang sanft in diesen ein, um per Telepathie mit seinem Freund sprechen zu können.
 

>Nagi… meinst du, ich könnte dich mal für fünf Minuten mit Kenn allein lassen?< Sofort verspannte sich Nagi sichtlich und schien in Gedanken heftig verneinen zu wollen, doch Omi setzte seinen Vorschlag fort. >Vergiss nicht dein Schutzschild… und wir bleiben gedanklich in Verbindung. Bitte Nagi, ich möchte nach Aya sehen… das ist mir wirklich wichtig. Und Ken tut dir nichts, das weiß du, oder?<
 

Die letzten Worte sprach er ganz sanft, versuchte Nagi zu überzeugen. Seine blauen Augen ruhten auf seinem Freund, erwiderten dessen unbehaglichen Blick ruhig. Sein Freund hatte eben mit Ken zusammen gearbeitet, hatte sich auch entspannt, je länger sie gearbeitet und geredet hatten. Zwar vertraute Nagi Ken nicht, das war auch nicht zu verlangen, aber dass er zumindest nicht dachte, dass Ken gleich über ihn herfiel, sobald sich die Gelegenheit bot, das sollte eigentlich realistisch sein.
 

Nagi schien noch für einige Momente mit sich zu kämpfen, doch schließlich nickte er zaghaft, ein Grund für Omi, seinen Freund anzustrahlen. Er zog den Jüngeren sanft in seine Arme und drückte ihn leicht, spürte, wie sich sein Freund an ihn presste. Er hatte Angst… doch er schien sich dieser Angst stellen zu wollen. Das war gut… und damit das klappte, würde Omi noch einige Vorkehrungen treffen.
 

Vorsichtig verschaffte er sich Zutritt zu Kens Geist, um mit dem Fußballfanatiker zu sprechen, jedoch nicht, ohne ihn für einen Moment ruhig zu halten. Er wollte nicht, dass Ken sich erschrak und damit vielleicht Nagi einschüchterte.
 

/Ken, hey, ich bin’s. Nicht erschrecken, ich spreche über Telepathie mit dir./
 

Er blickte Ken an, dessen Augen sich für einen Moment geweitet hatten, doch Omi spürte den muskulösen Körper entspannen, als er des Blonden Stimme erkannte. Also lockerte er seinen mentalen Halt um Kens Geist und ließ ihn frei, um weiter mit ihm zu sprechen.
 

/Ich gehe jetzt hoch und hole Youji und Aya. Du bleibst mit Nagi hier, ja? Halt nur bitte Abstand… versuch nicht, ihn anzufassen oder sowas… ich möchte, dass er etwas Vertrauen zu dir und den anderen fasst./
 

Er sah den Braunhaarigen leicht nicken, sodass Omi Nagi beruhigt loslassen konnte. Der Jüngere hatte nichts von ihrem Gespräch mitbekommen, er sah Omi bloß ein wenig unruhig an. Dieser jedoch lächelte nur zuversichtlich und nickte seinem Freund leicht zu, ehe er sich nun laut an Ken wandte.
 

„Ich gehe die beiden mal fragen, ob sie was essen wollen. Bis gleich!“
 

Er drückte noch einmal kurz Nagis Hand, aktivierte dessen Schutzschild und drang sanft in dessen Gedanken, um den Verlauf unten in der Küche mitverfolgen zu können. So würden sie am wenigsten in eine Bredouille kommen können…
 

Omi verließ schließlich die Küche, schloss aus Nagis Gedanken, dass sich dieser weiterhin dort aufhielt, Ken dabei nicht aus den Augen ließ. Das war okay so… der Jüngere würde schon merken, dass ihm Ken nichts tun würde.
 

Der Blonde stieg die Stufen zu ihren Schlafzimmern hinauf und lief den Flur entlang, um nur Momente später vor Ayas Zimmertür stehen zu bleiben. Von außen hörte man gar nichts… sie schienen nicht zu reden, und erst recht nicht zu streiten… aber wieso hätten sie das auch tun sollen?
 

Omi atmete einmal tief durch und klopfte dann zaghaft an die Tür. Mal sehen, ob sie überhaupt öffnen würden…
 

Fast erstaunte es ihn ein wenig, als nur Momente später die Tür aufgezogen wurde und Youji im Rahmen stand, ihn aus grünen Augen ansah. Er lächelte, als er Omi erkannte, und lehnte sich gegen den Türrahmen, blickte den Blonden fragend an.
 

„Was gibt’s denn?“
 

Omi fiel auf, dass Youji wieder ein wenig entspannter aussah als vorhin während ihres Gespräches auf dem Flur, was ihn erleichterte. Das hieß, dass es Aya wohl wieder ein bisschen besser ging… zum Glück. Der Blonde lächelte ebenfalls deutete dann wage in Richtung der Treppen, die hinter der Ecke der Biegung lagen, die der Flur im ersten Stock machte.
 

„Nagi, Ken und ich haben etwas gekocht und wollten fragen, ob ihr mitessen wollt. Es gibt Curryreis, extra nicht so scharf für dich und Ken.“
 

Youji lächelte bei der letzten Bemerkung und löste sich dann vom Türrahmen.
 

„Ich frage mal Aya, ob er Hunger hat.“
 

Für einen Moment überlegend, warum der Braunhaarige Aya erst fragen musste, obwohl dieser ihre Unterhaltung doch sicher mitbekommen hatte, lieferte ihm Youji des Rätsels Lösung, als er sich in den abgedunkelten Raum zurückzog und zum Bett hinüberging. Dort lag Aya, in eine dicke Decke gehüllt, mit dem Rücken zu Omi gewandt, und schien zu schlafen. Denn ansonsten hätte er sich wahrscheinlich schon längst aufgesetzt und Omi zumindest angesehen, Normalerweise hatte er nicht gerne Leute in seinem Rücken, wo er nicht sehen konnte, was vor sich ging.
 

Omi sah Youji zu, wie dieser zum Bett schlenderte und sich auf der Seite, auf der Aya lag, auf den Boden sinken ließ. Er streckte eine Hand aus und berührte vorsichtig Ayas Gesicht, strich ihm über die Wange, woraufhin der Rotschopf sich zu bewegen begann. Er schien die Augen aufzuschlagen, denn Youji lächelte… und zwar so sanft, wie Omi es noch nie gesehen hatte. Seine Augen waren ganz weich, so voller Liebe, dass es Omi glatt die Sprache verschlug. Die Bindung zwischen Aya und Youji musste unglaublich tief sein… Omi konnte nicht einmal erahnen, was die beiden Männer verband, oder seit wann sie sich schon kannten… doch allein die Art, wie Youji mit Aya umging, faszinierte ihn. Vor allem, wenn er es mit seiner eigenen Beziehung zu Nagi verglich… vor der Vergewaltigung war ihr Verhältnis auch intensiv gewesen… doch sehr viel mehr körperlich. Sie waren eigentlich ständig in Kontakt miteinander gewesen… doch das schienen Aya und Youji gar nicht zu brauchen, zwischen ihnen war körperliche Distanz, und doch wirkten sie sich so nah… es sah so natürlich aus.
 

Der Braunhaarige streckte seine zweite Hand aus und zog die Decke, die ein bisschen über Ayas Schultern gerutscht war, wieder zurück nach oben, ehe er sich ein wenig vorbeugte und seinem Freund einen leichten Kuss auf die Stirn gab. Dann sprach er leise mit dem Rotschopf, Omi verstand es nicht genau, doch er hörte, dass Aya Youji etwas antwortete, woraufhin dieser den Rotschopf anlächelte und wieder über die Wange strich. Nach einem Moment blickte er wieder zu Omi auf und formte mit seinen Lippen stumm die Worte: ‚Wir kommen gleich’, woraufhin der Blonde nickte und lautlos das Zimmer verließ. Youji hatte offensichtlich gar nicht gesagt, dass Omi im Zimmer stand, und der Blonde tat ihm den Gefallen, sich nicht bemerkbar zu machen. Wahrscheinlich hatte er es für Aya getan, damit sich dieser nicht umdrehte und sich vielleicht verspannte oder so etwas in der Richtung… er hatte es ja gerade erst geschafft, den Rotschopf zu beruhigen, da wollte er wohl allen möglichen Konflikten aus dem Wege gehen. War wahrscheinlich besser so… Omi jedenfalls war froh, nach oben gegangen zu sein. Jetzt kamen die beiden Älteren wirklich runter zum Essen… und er hatte gerade eine wunderschöne Szene zwischen zwei Menschen beobachtet, denen er eine solche niemals zugetraut hätte… das wollte er mit Nagi auch irgendwann erleben können, dieses tiefe Verständnis, das weder Kontakt noch Worte benötigte.
 

Er seufzte leise und stieg die Treppen hinunter, sich noch einmal vergewissernd, dass mit Nagi alles in Ordnung war. Und das war es, der Braunhaarige war zwar angespannt, doch keinesfalls in Alarmbereitschaft. Er saß am Küchentisch und beobachtete Ken, welcher ein wenig durch den Raum zu laufen schien, wie Omi aus Nagis Gedanken ableitete.
 

Nur wenige Momente später stand er selbst wieder in dem hellen Raum, sah Nagi noch am Küchentisch sitzen, während Ken an der einen Anrichte lehnte. Omi ging lächelnd auf seinen Freund zu, welcher ihn über seine Schulter hinweg ansah, als er den Blonden zu bemerken schien. Mental ließ er Ken ein 'Danke' zukommen und lächelte diesen an, ehe er sich neben seinen Freund auf einen freien Stuhl setzte. Er griff nach Nagis Händen und hielt diese in seinen eigenen, lächelte seinem Freund sanft zu.
 

>Alles klar bei dir?<
 

Eigentlich wusste er, dass es das war, da er sich immernoch in Nagis Gedanken befand, doch er wollte seinem Freund noch etwas sagen…
 

>Ja… ich denke schon…<
 

Omi lächelte intensiv und streckte dann umsichtig seine Arme aus, um seinen jüngeren Freund vorsichtig in seine Arme zu ziehen, ihn leicht an sich zu drücken.
 

>Ich bin stolz auf dich, Nagi. Unheimlich stolz.<
 

Und das nicht nur wegen der Tatsache, dass er allein mit Ken geblieben war. Er war bereit, sich in ein völlig fremdes Team einzugliedern, noch dazu eines, das aus seinen früheren Erzfeinden bestand. Er stellte sich diesen fremden Menschen, obwohl ihm solch schreckliche Sachen angetan worden waren… er war mutig… vielleicht auch einfach verzweifelt, weil er einfach keinen anderen als Omi hatte, an den er sich wenden konnte… dennoch, er nahm das alles auf sich… Um bei Omi sein zu können.
 

Er spürte, wie Nagi sich an ihn schmiegte, doch eine verbale Antwort bekam er nicht. Vielleicht verstand Nagi es auch nicht… doch Omi war wichtig, das gesagt zu haben.
 

Blaue Augen blickten über Nagis Schulter zu Ken hinüber, der die beiden Jüngeren still anlächelte. Omi lächelte zurück und löste sich dann mit ein wenig schwerem Herzen von seinem Freund, hielt dessen Hände aber wieder fest.
 

„Aya und Youji kommen gleich runter und essen mit uns.“
 

Ken, der immernoch mit seiner Kehrseite an der Anrichte lehnte, seine Handflächen auf die Kante gestützt, zog die dichten Augenbrauen hoch.
 

„Echt? Hätte ich nicht gedacht… hat dir Aya denn überhaupt die Tür aufgemacht? Ich hätte eher erwartet, dass er sich in seiner Gruft eingeschlossen hat und erstmal nicht wieder rauskommt… so, wie der vorhin abgerauscht ist…“
 

Tja… Omi war ja auch überrascht gewesen, als die Tür wirklich aufgegangen war… doch da nicht Aya, sondern Youji sie geöffnet hatte, war es nicht ganz so verwunderlich…
 

„Ich weiß nicht, ob Aya aufgemacht hätte… Youji öffnete die Tür, Aya hat geschlafen.“
 

Wieder erinnerte er sich an die sanfte, vertraute Atmosphäre, die die beiden Männer umgeben hatte… dieser sanfte Blick, das Lächeln, die zarte Berührung… eine solche Umsicht beim Umgang mit dem Partner hatte Omi noch nie gesehen.
 

Er wurde aus seinen Erinnerungen gerissen, als Ken die Stirn runzelte und die Arme vor der Brust verschränkte.
 

„Hä? Youji war in Ayas Zimmer? Während der geschlafen hat? Ist ja krass… haben die beiden was miteinander? Ich hab mich vorhin eh gefragt, warum Youji Aya hinterher ist…“
 

Erst jetzt fiel Omi ganz siedend heiß ein, was Youji ihm damals gesagt hatte, als er selbst das Geheimnis der beiden Männer entdeckt hatte: ‚Aya will nicht, dass es alle wissen. Kannst du das für dich behalten?“ So oder so ähnlich hatte er es gesagt… verdammt, er hatte das total vergessen… ihm war gar nicht in den Sinn gekommen, dass Ken nicht Bescheid wusste… bis jetzt war es wohl nicht so aufgefallen, dass er davon ausging, dass Youji und Aya ein Paar waren, doch das gerade eben war wohl doch sehr eindeutig gewesen…
 

Er wollte gerade etwas erwidern, oder besser, sich etwas zurechtstammeln, doch dazu kam er gar nicht. In diesem Moment hörten sie Schritte auf der Treppe, ein klares Zeichen dafür, dass Youji und Aya auf dem Weg nach unten zu ihnen waren. Sehr erleichtert darüber blickte Omi demonstrativ zur Tür, so als würden ihn die Geräusche auf der Treppe überraschen. Dabei streifte er Nagis verwirrt dreinblickendes Gesicht, woraufhin er dem Jüngeren den Sachverhalt kurz erläuterte.
 

>Ich hab völlig vergessen, dass Ken keine Ahnung hat, dass Aya und Youji ein Paar sind… und jetzt habe ich mich verplappert…<
 

So ein Mist… er musste Ken unbedingt davon abhalten, irgendwas zu Aya in diese Richtung zu sagen… der Rotschopf musste ja nicht unbedingt wissen, dass Omi ihr kleines Geheimnis gerade einfach rausgeplaudert hatte…
 

Doch das schien gar nicht nötig zu sein. Denn als Youji und Aya im nächsten Moment an der Tür auftauchten, fielen Omi fast die Augen aus dem Kopf. Denn Aya hatte seine weiße, elegante Hand in Youjis gelegt, welche sie in ihrer dunkleren Kontrastfarbe sanft festhielt. Zwar war Ayas Gesicht so ausdruckslos wie immer, wenn er sich mit anderen Menschen konfrontiert fühlte, und seine Schultern waren angespannt, doch Youji an seiner Seite lächelte, sodass Omi davon ausging, dass im Moment alles den Umständen entsprechend in Ordnung war. Er führte Ayas angespanntes Verhalten darauf zurück, dass er sich mit Youji gerade zum ersten Mal wirklich als Paar präsentierte, und natürlich musste Aya damit rechnen, dass ihm nun Fragen gestellt wurden. Was Omi nicht tun würde, doch für Ken konnte er da nicht sprechen… trotzdem stellte sich Aya allem, eine untypische Reaktion für das eher scheue und in sich gekehrte Mitglied Weiß’.
 

„Hey, Leute. Ist das Essen schon fertig?“
 

Youjis Stimme klang munter, er schien wieder gute Laune zu haben. Was daher kommen könnte, dass sich Aya nun auch öffentlich zu ihm bekannte. Da würde sich Omi in seiner Situation auch freuen.
 

Der Blonde lächelte und nickte, deutete auf den bereits gedeckten Tisch.
 

„Ja, wir können eigentlich gleich anfangen.“
 

Youji erwiderte sein Lächeln und ließ die Hand seines Freundes los, um zum Kühlschrank hinüberzugehen und sich wahrscheinlich den Orangesaft zu holen. Youji war verrückt nach dem Zeug… er trank es oft und gerne, sehr zu Omis Grauen. Er bekam schon Ausschlag, wenn er den Saft nur sah oder roch…
 

Während Youji durch den Raum ging, warf er Ken, der soeben ansetzen wollte, etwas zu sagen, einen warnenden Blick zu, der offensichtlich sagen sollte, dass der Braunhaarige besser die Klappe hielt. Was Ken auch tat, denn er schloss seinen schon halb geöffneten Mund wieder und kniff die Lippen zusammen. Omi kannte Ken und wusste, dass der Fußballfanatiker den Mund halten würde, aber nur bis zu dem Moment, in dem er Youji allein zu fassen bekam. Omi war sich sicher, dass der Fußballer Fragen über Youjis Beziehung zu Aya stellen wollte, aber Youji wollte das definitiv nicht. Wahrscheinlich würde sich Aya noch unwohler fühlen, wenn er im Mittelpunkt ihrer aller Aufmerksamkeit stand… es war besser, Youji allein darauf anzusprechen, nicht, wenn Aya gleich daneben stand.
 

Omi warf dem Rotschopf einen kurzen Blick zu, war erleichtert, zu sehen, dass der Rotschopf die stumme Konversation nicht bemerkt zu haben schien, da er aus dem Fenster blickte, und sprach den Rotschopf dann an.
 

„Setz dich doch, Aya.“
 

Der junge Mann wandte den Kopf und blickte Omi an, ehe er nickte und sich an der Kante des Tisches niederließ, die der Seite mit den zwei Stühlen gegenüber lag. Ken ließ sich ebenfalls auf seinen Stuhl sinken, zu Ayas rechten und somit auch neben Nagi, dem Rotschopf unauffällig unverstehende Blicke zuwerfend. Omi musste sich ein Grinsen verkneifen, oh Ken… aber Aya einfach so zu fragen, das traute er sich dann auch nicht. Da würde er wohl warten müssen, bis er Youji alleine zu fassen bekam.
 

Der Älteste ihrer Truppe gesellte sich nun auch zu ihnen und nahm seinen Platz zu Ayas linken ein. In den Händen trug er sein obligatorisches Glas Orangensaft und in der anderen eine Tasse, in der sich heißes Wasser befand, ein abgepackter Teebeutel lag auf dem Untersetzter. Die Tasse stellte er vor Aya ab, was ihm einen dankbaren Blick von Seiten ihres Leaders einbrachte. Das Wasser musste er gerade eben schnell im Wasserkocher aufgebrüht haben. Leicht lächelte Omi, wie fürsorglich Youji war… warum war ihm das noch nie so sehr aufgefallen wie jetzt…?
 

Sie wünschten sich einen guten Appetit und begannen zu essen. Es schien zu schmecken, was Ken stolz lächeln ließ, auch wenn Omi auffiel, dass Aya sehr wenig aß. Der Rotschopf war noch nie ein Vertilger von großen Mengen gewesen, wie es Ken und Youji waren, doch gerade weil Aya das Essen eigentlich sehr mochte, wunderte sich Omi. Aber wenigstens aß sein persönliches Sorgenkind seine Portion auf, was Omi schon wieder erleichterte. Er lächelte Nagi zu und drückte unterm Tisch dessen Hand, was diesen ebenfalls leicht in seinen Reis lächeln ließ. Sein Freund und Aya waren beide Recht schweigsam, ließen jeweils ihren Partner und Ken eine unkomplizierte, oberflächliche Unterhaltung führen.
 

Als sie alle fertig waren mit Essen räumten sie zusammen die Küche auf und trennten sich dann, Ken verließ das Haus, um sich mit seinem Freund treffen zu gehen, Aya zog sich in den Übungsraum zurück, um seine täglichen Kata zu absolvieren, Youji murmelte etwas von ‚Lesen’ und ‚Bett’ und Omi verzog sich mit Nagi in ihr Wohnzimmer, da sie dort wohl ebenso ungestört sein würden wie in Omis Zimmer. Sie machten es sich auf der Couch gemütlich und Omi schaltete den Fernseher an, während er merkte, dass die Anspannung des bisherigen Tages langsam aus ihm wich. Sie hatten es gemeistert… die erste Konfrontation mit dem Rest von Weiß, Nagi durfte bleiben und war bis auf weiteres sicher. Wenn das schon geklappt hatte, wieso sollte Kritiker dann ein Problem darstellen? Omi würde die Gedanken aller verdrehen, wenn es sein musste, er gab Nagi nicht mehr her. Das schwor er sich, nur über seine Leiche. Und soweit würde es wohl hoffentlich nicht kommen…
 

Seine düsteren Gedanken abschüttelnd wandte er sich Nagi zu, lächelte seinen Freund warm an. Ja, es würde werden… mit Zeit und Geduld, doch es würde alles in Ordnung kommen. Nagis Lächeln und seine Zufriedenheit waren es allein wert, alles auf sich zu nehmen. Und das würde er, würden sie beide. Auf dass sie wieder glücklich zusammen sein konnten.
 

„Lass uns Cartoons schauen… was anderes macht den trüben Tag nicht lustiger.“
 

Das war aber auch ein Siffwetter, wie er erneut feststellte, als er hinaus in den grauen Schneeregen sah.
 

Nagi sah ihn zweifelnd an, lachte dann jedoch über den Sarkasmus des Blonden, was Omis Herz einen Sprung machen ließ. Er lachte… Omi stimmte mit ein und zog Nagi an sich, spürte, wie dieser sich an ihn lehnte. Ihm wurde warm um sein Herz. Und wenn es Jahre dauerte…
 

Er würde für ihr Glück kämpfen.
 

~*~*~*~*~*
 

ENDE
 

Author’s Notes:

So… das war’s! Ich kann’s ja nicht glauben… und um ehrlich zu sein, es ist ja noch nicht so richtig das Ende… nur wird die Story in einer anderen weitergeführt. Die Story heißt ‚Recreation’ und ist die Side Story zu ‚Innocent Passion’. Diese beginnt weit vor Innocent Passion, geht aber auch darüber hinaus, und um nicht alles doppelt schreiben zu müssen, fließen die beiden Geschichten irgendwann zusammen. Man wird noch erfahren, was aus der Konfrontation mit Kritiker wird, was Omi wegen Schuldig unternimmt, ob die beiden je wieder intim miteinander umgehen können. Nur aus einer anderen Sichtweise, denn in ‚Recreation’ dreht sich alles um Youjis und Ayas Geschichte. Wo dann auch vieles aufgeklärt wird, was dessen Person betrifft.
 

In diesem Sinne: Haltet Ausschau nach der Side Story und habt mit dieser hoffentlich noch mehr Spaß als mit ‚Innocent Passion’, denn ‚Recreation’ wird hoffentlich besser… na ja, Innocent Passion ist ja auch meine aller erste Fanfiction, da kann man schlechten Stil, undurchdachte Handlung etc. noch eher verzeihen… ^_^;;
 

Danke fürs Lesen und die Ausdauer!
 

Cigamina (08/2008)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück