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Mosaik

von

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Lebendig

Meine Lieben :)!

Ich freue mich und trauere gleichzeitig, denn hier ist es: Das letzte Kapitel von Mosaik, mit dem die Geschichte nach über 3 Jahren endlich abschließt. Es ist zum Abschied mal wieder etwas länger geworden, was Euch hoffentlich nicht stört^^.

Ich danke Euch allen von ganzem Herzen für Eure jahrelange Begleitung, Eure Kommentare, Eure Motivation, Eure Treue, Eure Begeisterung, Eure Kritik und Eure unendliche Geduld. Ohne Eure Unterstützung hätte ich diese Geschichte wohl niemals beendet. Deshalb:

Kapitelwidmung: Für Euch alle! Vielen Dank :)!

Ich hoffe, wir lesen/schreiben uns bei der nächsten Geschichte wieder! Euch allen eine gute Zeit, fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr :)!

Liebste Grüße,

Eure Lung

P.S. Wer Kolja noch nicht kennt und ihn gerne kennen lernen will, kann das in der Geschichte Papierherz von Ur tun.

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Mehrere Minuten lagen sie schweigend nebeneinander und rangen nach Luft.

Auf seiner Stirn konnte David winzige Schweißperlen fühlen, sein Herz hämmerte gegen seine Rippen und kam nur ganz allmählich zur Ruhe. Dagegen war sein Gehirn um einiges eher wieder betriebsbereit.

Oh Gott!, schrie es ungläubig, Wir haben es getan! Habt ihr das alle mitgekriegt? Wir haben es wirklich getan! Mit Sascha! Wir haben mit Sascha geschlafen! Wir hatten unser erstes Mal! Und – Grundgütiger Himmel! – es war PHANTASTISCH!

Obwohl sein Körper sich unheimlich matt und schläfrig anfühlte, ließ diese Erkenntnis David wiederholt kurz schwindelig werden. Ein spontaner Impuls ließ in ihm den Wunsch entstehen, eins der Fenster aufzureißen und diese welterschütternde Neuigkeit in die Nacht hinaus zu brüllen. Dann fiel ihm ein, dass dies wohl weitestgehend uninteressant für die tierischen Bewohner des Zentrums wäre. Und außerdem irre peinlich.

Träge, aber glückselig, drehte David den Kopf, um zu Sascha hinüber zu sehen. Der hatte die Augen geschlossen und atmete ebenfalls noch ein bisschen schwer.
 

David wollte etwas sagen, wusste aber beim besten Willen nicht, was das sein sollte. Was sagte man nach dem ersten Mal? Stand darüber etwas im Knigge?

Vielleicht Wow, das war geil.? Oder Können wir das bitte bald wiederholen? oder eher Haha, hat kaum weh getan.? Oder sollte man eventuell doch den Klassiker War es für dich so gut wie für mich? wählen?

David konnte sich nicht entscheiden. In seinen Ohren klang irgendwie alles gleich dämlich. Trotzdem öffnete er den Mund.

„Is mir warm…,“ nuschelte er.

Dings klappte die Augen auf und erwiderte Davids Blick. Er lächelte verschwommen.

„Mir auch…,“ wisperte er zurück, „Soll ich eins der Fenster öffnen?“

David nickte kraftlos und sah Sascha dabei zu, wie der sich ächzend aus dem Bett hievte und das rechte Fenster öffnete. Die Tatsache, dass die Scheibe beschlagen war, entlockte ihm ein anzügliches Kichern, was David die Augen verdrehen ließ.
 

„Sag es nicht!“, befahl sein inzwischen hochgefahrenes Temperament, bevor Mr. Goodfuck einen seiner schmutzigen Kommentare abgeben konnte, „Sag mir lieber, ob du hier was zu trinken hast. Ich hab furchtbaren Durst.“

„Neben dem Bett müsste ne Flasche Wasser stehen,“ gluckste Sascha.

„Danke…,“

Während David die Flasche suchte und fand, schob er die Tube Gleitgel und die Packung Kondome aus seinem Sichtfeld, da ihm dieser Anblick erneut Herzklopfen bescherte. Er trank und beobachtete, wie Sascha strahlend in die Mitte des Zimmers hüpfte.

„Was wird das denn?“, erkundigte er sich, nachdem er die Flasche wieder abgesetzt hatte.

„Nix!“, kiekste Sascha, „Ich bin nur so glücklich, dass ich jetzt unbedingt tanzen muss.“

„Tanzen?“, echote David verblüfft.

„Ja! Schau her, ich tanze meinen Liebestanz für dich!“

„Deinen Lie–,“
 

Der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken.

Sascha begann zu tanzen. Doch eigentlich war es weniger ein Tanz, als vielmehr die beschämendste Bewegungsabfolge, die ein nackter Mann zu Stande bringen konnte. David musste sich die Hände vor den Mund schlagen, um nicht laut loszuprusten.

„Das soll ein Tanz sein?“, lachte er, „Das sieht aus wie ein spastischer Anfall!“

„Wie bitte?“, entrüstete sich Dings grinsend, „Dann sieh dir mal das an!“

David konnte nicht mehr. Er musste sich die Augen zuhalten, während er sich vor fremdschämendem Lachen bog. Die Vorstellung, dass dies der gleiche Kerl war, in den er schon seit Wochen verliebt war, und mit dem er gerade zum ersten Mal geschlafen hatte, brachte ihn beinahe zum Weinen.

„Hör auf!“, flehte er inständig, „Das ist ja fürchterlich!“

„David, guck mal! Schau dir an, was ich mit meiner Taille machen kann!“

„Nein, nein! Ich will‘s nicht sehen. Bitte nicht!“

„Und jetzt in die andere Richtung!“
 

„Wolltest du nicht Kolja anrufen?“, rief David vor lauter Verzweiflung.

„Oh ja!“, jauchzte Mr. Scheußlichster-Liebestanztänzer-Ever begeistert und hörte zu Davids Erleichterung sogleich zu tanzen auf, „Gut, dass du mich daran erinnerst. Kannst du mir bitte mal mein Handy geben?“

David kramte es unter Saschas Kopfkissen hervor und reichte es ihm. Aufmerksam musterte er Dings beim Wählen und Warten. Er wollte gerade einwenden, dass es mitten in der Nacht war und der geheimnisvolle Kolja wahrscheinlich schon schlief, da ging ein solches Leuchten über Saschas Gesicht, dass David die Kinnlade auf die Brust sank.

„Baby!“, jubilierte Sascha inbrünstig ins Telefon, „Hab ich dich geweckt? Tut mir Leid, aber ich muss dir was erzählen!“
 

Unter Davids alarmiertem Blick schlenderte Sascha strahlend im Zimmer auf und ab. Er schien andächtig zu lauschen. Dann blieb er stehen und lachte.

„Du bist unglaublich! Ich wusste, dass du es schon weißt! Hab ich’s dir nicht gesagt, David? Er kann meine Gedanken lesen!“

Breit grinsend sah Sascha ihn an und gestikulierte Richtung Handy. David zog jedoch nur die Augenbrauen hoch. Dings‘ Begeisterung versetzte ihm einen unerwarteten Stich.

Jeder kann deine Gedanken lesen, du Idiot!, schoss es ihm missmutig durch den Kopf, Die drehen sich nämlich fast nur um Sex. So toll kann dein Baby also nicht sein.

„Ja, wieso?“, fragte Sascha ins Handy und schaute David an, der seinen Blick wie ein lauerndes Raubtier erwiderte, „Oh. Daran…,“ Dings runzelte zerknirscht die Stirn, „Du hast Recht, daran habe ich gar nicht gedacht…,“ er biss sich kurz auf die Lippe, dann strahlte er wieder, „Werde ich gleich machen, versprochen. Ich wollte dir nur kurz die famosen Neuigkeiten erzählen, damit du dich für mich freust,“ er grinste und senkte den Blick auf seine bloßen Zehen, „Danke. Und gibt es bei dir…?“
 

Entnervt und verärgert verdrehte David erneut die Augen und ließ sich zurück in die Federn sinken. Sascha konnte ihn mal und Kolja – was für ein Name sollte das überhaupt sein? – konnte ihn gleich mit. Vielleicht sollte er sich in sein eigenes Bett verziehen und Mr. Kolja-Ist-Ja-So-Unglaublich in Ruhe telefonieren lassen.

Doch bevor er sich tatsächlich dazu entschließen konnte, sprach Sascha schon weiter.

„Okay,“ sagte er und lächelte, „In Ordnung, morgen. Mach ich. Dann schlaf schön, Engelchen. Ich liebe diiich!“

Zum Abschied und zu Davids Abscheu knutschte Dings noch ein paar Luftküsse in sein Handy, dann klappte er es geräuschvoll zu und wandte sich mit der Miene eines verliebten Dorftrottels wieder David zu.

„Liebe Grüße von Kolja,“ sagte er.

„Danke…,“ knurrte David und wünschte besagtes Engelchen zum Teufel.
 

„Er hat mir gesagt, dass es sehr unhöflich ist, mit ihm zu telefonieren, wenn mein frischgebackener Freund noch bei mir im Bett liegt.“

„Da hat er verdammt Recht!“, grollte David, warf die Beine über den Bettrand und haschte nach seiner Boxershorts, „Ich glaub, ich geh rüber und–,“

„Nein!“, schnitt Sascha ihm entsetzt das Wort ab und war mit zwei Schritten bei ihm, „Bitte nicht gehen! Es tut mir Leid, ich bin schlecht erzogen. Ich mach’s nie wieder, ehrlich.“

David schnaubte, ließ es aber zu, dass Sascha ihn zurück ins Bett bugsierte, sorgfältig zudeckte und sich dann zu ihm unter die Decke legte.

„Wieso hast du ihm gesagt, dass du ihn liebst?“, wollte David wissen, was viel trübsinniger herauskam, als er geplant hatte.

„Weil ich das tue,“ erwiderte Dings unbekümmert, „Kolja und ich ke– Hey, wo willst du hin?“
 

„In mein Zimmer!“, giftete David.

„Nein, bleib hier!“, zeterte Sascha verzweifelt und klammerte sich so fest an ihn, dass David das Bett partout nicht verlassen konnte, „Sei nicht böse, komm her! Ich erklär’s dir, ja?“

Mit knirschenden Zähnen kam David der Aufforderung nach. Sein Herz kollerte, zerrissen zwischen dem Wunsch, sich eng an Saschas warmen Körper zu kuscheln und ihn mit einem glühenden Schürhaken zu verdreschen. Zu allem Überfluss bemerkte er nun auch noch das verhaltene Schmunzeln in Dings‘ Gesicht.

„Was grinst du so?“, zischte David erbost.

„Och, ich find’s nur entzückend, wie eifersüchtig du bist.“

„Ich bin nicht eifersüchtig!“, fauchte David und konnte das unangenehme Gefühl in seinem Bauch auf der Stelle identifizieren.

„Das musst du auch nicht sein!“, entgegnete Mr. Taktlos-Ohne-Ende vergnügt und wehrte Davids Faust mit seinen Händen ab, „Koljas und meine Liebe ist rein platonisch, echt.“
 

David schnaubte.

„Ich bezweifle ernsthaft, dass du dazu fähig bist, eine rein platonische Liebe zu führen.“

„Aber das bin ich!“, insistierte Sascha mit geweiteten Augen, „Hör zu… David. Kolja und ich sind nur Freunde. Ganz ehrlich. Er ist mein bester schwuler Freund. Aber wir waren nie verliebt ineinander und ich hab nie mit ihm geschlafen. Also… Okay, wir haben mal rumgemacht, aberdasistschonlangeher – nicht weggehen! Das war bei unserer allerersten Begegnung. Danach ist nie wieder etwas gelaufen, versprochen. Wir verstehen uns einfach nur sehr gut. Er wohnt nicht in Hamburg, also sehen wir uns leider nicht so oft. Aber wir telefonieren regelmäßig und Kolja kennt mich besser, als viele andere meiner Freunde. Du würdest ihn mögen, er ist wirklich super. Er ist total nett. Und klug und er wusste schon, dass ich in dich verliebt bin, als ich es selbst noch nicht wusste.“

„Ach ja…?“, fragte David misstrauisch, inzwischen aber ruhiger.

Sascha nickte, zufrieden und offenbar erleichtert.
 

„Ja. Wir haben telefoniert. Das war irgendwann im Oktober. Ungefähr…fünfundvierzig Minuten oder so. Und davon habe ich vierundvierzig Minuten lang nur über dich geredet. Und dann hat er mich gefragt: Sag mal, verliebst du dich etwa gerade in den, Sascha? Und ich so: Was? Pfff… Quatsch! Ich doch nicht! Aber zwei Tage später habe ich ihn wieder angerufen und gesagt: Du hattest Recht, Kolja. Ich verliebe mich in David.…,“

„Echt?“, flüsterte David und spürte sein Herz freudig sirren.

Sascha nickte abermals und streichelte seine Locken.

„Ja, echt…,“ lächelte er und musterte David voller Wärme und Zärtlichkeit, „Wenn wir in den letzten Wochen telefoniert haben, habe ich ihn immer endlos mit dir vollgesülzt. Und er hat sich alles klaglos angehört: Wie umwerfend du bist und wie verrückt ich nach dir bin und wie sehr ich es genieße, mit dir zusammen zu sein. Und deshalb, mein Liebling, kann überhaupt nix zwischen mir und Kolja sein. Weil ich nämlich nur dich will. Und außerdem ist Kolja auch grad verknallt.“
 

„Ach…?“, murmelte David, dem der Kopf immer noch von Saschas Liebesbekundungen schwirrte, mit geröteten Wangen.

„Ja…,“ brummte Sascha und klang eindeutig grimmig, „In Jannis. Einen misanthropischen Bücherwurm. Ich weiß echt nicht, was er an dem findet. Aber Kolja ist ganz vernarrt in ihn. Obwohl er letztens ganz geknickt wegen ihm war.“

„Tut mir Leid für Kolja,“ erwiderte David leise und stellte verdutzt fest, dass er das tatsächlich ernst meinte, „Aber wenn er wirklich so cool ist, wie du sagst, dann kriegt er diesen Jannis bestimmt noch rum.“

„Ja, bestimmt,“ antwortete Sascha und David konnte sein Strahlen durch die Nacht strahlen sehen, „Du bist so süß…,“ schnurrte er dann und zog David an sich, um ihn zu küssen. David ließ es geschehen und genoss das warme, glückliche Kribbeln, das Dings‘ Nähe in ihm auslöste.
 

„Mein Herzchen…,“ wisperte Sascha hingerissen, „Mein hübsches Goldlöckchen… Mein sexy Marzipantörtchen, mein–,“

Bitte hör auf…,“ unterbrach David ihn entgeistert, „Das ist ja schaurig! Von diesen Namen wird mir ganz schlecht.“

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen…,“ kicherte Mr. Ich-Kenne-Die-Schaurigsten- Kosenamen-Der-Welt, „Jetzt wo du mein Freund bist, hab ich alles Recht der Welt, dir solche Namen zu geben.“

„Das wüsste ich aber!“, protestierte David entschieden, „Da schau ich mir lieber nochmal deinen bescheuerten Liebestanz an.“

Dings lachte.

„Der ist nicht bescheuert…,“ behauptete er, „Und – nur damit du’s weißt – Kolja fand meinen Liebestanz toll!“
 

„Dann tanz ihn doch für Kolja.“

„Mach ich auch. Nackt. Nur so wirkt er richtig.“

„Ich warne dich…!“

„Wovor denn?“

„Wenn du ihn nackt für Kolja tanzt, dann schlage ich dich. Denn jetzt, wo du mein Freund bist, habe ich alles Recht der Welt dazu.“

„Das würdest du nie tun.“

„Wollen wir wetten?“

„Nein.“
 

Schadenfroh begann David zu giggeln.

„Hör auf zu lachen!“, brüskierte sich Sascha, jedoch eindeutig ebenfalls kichernd, „Seinen Freund zu schlagen, ist eine böse Sache.“

„Seinen Freund zu betrügen auch,“ konterte David.

„Mhm,“ machte Dings leise, „Da hast du Recht. Und da fällt mir ein, dass du mir noch alles über deine Begegnung mit Sven erzählen musst. Und all deine Outings.“

„Ach ja…,“ gähnte David und schmiegte seinen Kopf ins Kissen.

„Und dann…,“ fuhr Sascha fort, „Muss ich dir auch noch was erzählen.“

„Was Schlimmes?“, erkundigte sich David beunruhigt und zu seiner Betroffenheit zuckte Sascha resigniert die Schultern und schniefte fast lautlos.

„Geht so…,“

„Oh Gott!“, brachte David hervor und starrte Sascha mit bestürzt klopfendem Herzen an, „Was ist passiert?“
 

Mr. Ich-Mach‘s-Spannend seufzte und fuhr sich kurz über die Stirn.

„Meine Mutter hat heute Abend angerufen.“

David riss Mund und Augen auf.

„Echt?“, keuchte er entsetzt, „Heute Abend? W… Was wollte sie? Was hat sie gesagt?“

Sascha erwiderte seinen aufgebrachten Blick und befeuchtete sich die Lippen.

„Sie will morgen kommen und mich zurück nach Hamburg holen.“

Davids Atem stockte. Mit einem Mal saß er aufrecht im Bett.

„Wie bitte?!“, bellte er und seine zornige Stimme ließ Sascha zusammenfahren, „Und das sagst du mir erst jetzt?!“

„T… Tut mir Leid!“, stammelte Sascha schuldbewusst und richtete sich ebenfalls auf, „Ich hab’s völlig vergessen, als du in mein Zimmer gekommen bist. Ehrlich. Es ist mir vorhin erst wieder eingefallen.“

„Was hast du ihr geantwortet?“, fragte David verzweifelt, „Doch hoffentlich, dass sie sich das in die Haare schmieren kann, oder?!“
 

„David, das…das kann ich nicht…,“ flüsterte Sascha und sein plötzlicher Kummer tat David körperlich weh, „Ich hab’s versucht, ich...ich schwöre. Ich bin beinahe ausgerastet, ich hab ihr gesagt, dass ich bleiben will, aber ich…ich komme einfach nicht gegen sie an. Hinterher war ich so wütend auf mich selbst, aber ich…,“

Er verstummte und ließ den Kopf hängen.

Hinter Davids Stirn drehte es sich. Er konnte die Bedeutung von Saschas Worten noch nicht ganz begreifen. Sollte das heißen, dass Sascha… dass er morgen zurück nach Hamburg gehen würde? Das Zentrum verlassen würde? Ihn verlassen würde? Ausgerechnet jetzt? Das durfte einfach nicht wahr sein!

„Nein…,“ wisperte David entschieden und ballte die Fäuste, „Nein. Das werde ich nicht zulassen. Ich… Ich werde dich nicht gehen lassen. Du bleibst hier. Das wär ja noch schöner, dass diese Schreckschraube dich hier einfach wegholt.“
 

Bei seinen Worten hatte Dings den Kopf langsam wieder gehoben. Jetzt beäugte er David, als hätte er einen just erschienenen Engel vor sich.

„David…,“ hauchte er.

„Hör zu, Dings,“ begann David geschäftig und in einer Tonlage, die keinen Widerspruch zuließ, „Wenn sie morgen kommt, dann wirst du ihr ganz ruhig sagen, dass du nicht gehen wirst und dass sie dich auch nicht dazu zwingen kann. Und du wirst ihr sagen, dass du Sozialpädagogik studieren willst und nicht ihr Eigentum bist und sie endlich aufhören soll, dein Leben kontrollieren zu wollen. Hast du verstanden?“

Sascha glotzte ihn mit sprachlos geöffnetem Mund an.

„D… Das schaff ich niemals…,“ krächzte er dann, „Niemals…,“
 

„Doch, das wirst du,“ erwiderte David und nahm Saschas Hand in seine, „Das wirst du. Denk an deinen Alptraum. Darum geht es dabei doch. Dass du dich von ihrem Einfluss befreist und deine eigenen Entscheidungen triffst und nie wieder Alpträume haben musst. Und das wirst du schaffen! Denn ich werde neben dir stehen. Wenn du…möchtest. Ich werde neben dir stehen und dir helfen. Und dann…wirst du es einfach schaffen müssen. Weil ich sonst nämlich…,“ er musste nur einen Moment über eine angemessene und wirkungsvolle Drohung nachdenken, „…nie wieder mit dir schlafen werde.“

Trotz seiner Panik entkam Saschas Lippen ein kleines Glucksen.

„Das wär schrecklich…,“ raunte er ernsthaft und zu Davids kopfschüttelnder Belustigung. Dann drückte er Davids Hand und musterte ihn.

„Und das…würdest du wirklich für mich tun…?“, fragte er hoffnungsvoll.

„Ja doch!“, antwortete David scharf, „Natürlich. Ich…will nicht, dass du gehst…,“

Sascha lächelte ihn an. Erst sanft und glücklich, dann…anders.
 

„Wieso nicht?“, hauchte er rau und mit einem unmissverständlichen Wunsch.

David verdrehte die Augen.

„Das weißt du doch…,“ murrte er.

„Sag’s mir nochmal…,“

„Weil ich…in dich verliebt bin…,“ gab David nach und senkte verlegen den Blick.

Einen Herzschlag später lag Saschas Mund auf seinem.

David seufzte und hob sein Kinn dem Kuss entgegen. Saschas Zunge drängte verlangend zwischen seine Lippen und seine Hände strichen so warm und intensiv über Davids nackte Haut, dass dessen Knie auch im Sitzen noch weich wurden. Leise brummend ließ er sich von Sascha zurück auf die Matratze drücken.

„David…,“ schnurrte Sascha in Davids Ohr und die Tonlage, mit der Dings seinen Namen aussprach, reichte völlig aus, um dem Angesprochenem zu verraten, bei welchem Thema sie jetzt angekommen waren. Davids Blutdruck stieg aufs Stichwort.
 

„Ich werde meiner Mutter morgen alles sagen…,“ versprach Sascha heiser und streichelte David, sodass der sich ein gedämpftes Stöhnen verkneifen musste, „Nur damit du deine Drohung nicht wahr machen kannst. Denn… Mein Gott! – der Sex!“

Automatisch schnellte Davids Hand vor, um ihm den Mund zu zuhalten.

„Kein Wort!“, befahl er mit glühenden Ohren und rasendem Herzen, „Ich will’s nicht hören!“

„Wieso nicht?“, fragte Sascha, nachdem er Davids Hand von seinen Lippen gezogen hatte, mit – zum Glück – wieder einigermaßen normaler Stimme, „Hinterher redet man darüber, das ist wichtig. Man nennt das Pillow Talk.“

„Ach ja?“, knurrte David.

„Ja. Aber gut, ich halte mich zurück. Fang du an. Aber sei ehrlich. Also… Wie fandst du es?“

Davids Magen schlingerte. Irgendwie war es ihm ziemlich peinlich, darüber zu reden. Wie sollte er in Worte fassen, was er empfunden hatte? Wie sollte er beschreiben, wie schön, wie perfekt es gewesen war? Was war aus Der Gentleman genießt und schweigt. geworden? Und wie sollte er darüber sprechen, solange Sascha noch halb auf ihm drauf lag?
 

„Geh runter von mir!“, wies er ihn also an, „Dann sag ich es dir. Vielleicht...,“

Mr. Pillow-Talk schnaubte, als würde er diesen Deal für äußerst unfair halten, kam Davids Aufforderung aber trotzdem nach und legte sich wieder brav neben ihn.

„Okay,“ sagte er dann mit vor Neugier vibrierender Stimme, „Bin unten. Also?“

David verdrehte einmal mehr die Augen. Sein Herz versteckte sich beschämt hinter einem seiner Lungenflügel.

„Ich fand‘s…,“ zwang er sich dennoch zu antworten, „Gut.“

Gut?“, wiederholte Sascha sogleich schockiert, „Das ist alles? Gut?! Das war ja wohl viel mehr! Noch viel besser, als ich es mir erträumt habe. Es war großartig! Atemberaubend, phänomenal! Absoluter Hammer!“

Davids Kopf wurde so heiß, dass er zu explodieren drohte. Er kroch unter die Bettdecke. Doch Saschas munteres Gelächter drang trotzdem zu ihm durch.
 

„Was machst du denn da?“, gluckste her, „Komm wieder hoch. Ist dir das so unangenehm?“

„Ja…,“ jammerte David und lugte über den Bettdeckenrand, „Irgendwie schon…,“

„Aber warum denn?“, grinste Sascha und zog ihn weiter an die frische Luft, „Das ist doch klasse, dass es für uns beide gleich beim ersten Mal so gut war. Oder nicht?“

„Ich weiß…,“ winselte David, „Aber trotzdem…,“

„Quatsch!“, meinte Sascha energisch, „Du solltest dich freuen, anstatt dich zu verstecken. Ich wünschte, mein erstes Mal mit einem Mann wär damals so gut gewesen. Ach, ich bin einfach eine Granate im Bett. Ich wusste es schon immer.“

David schenkte dem vor Selbstzufriedenheit tropfenden Sascha einen langen, ungläubigen Blick. Und diesen Kerl hatte er sich für sein erstes Mal ausgesucht. Es war zu traurig.

„Ich werde jetzt schlafen,“ erklärte er kühl und schloss die Augen, „Gute Nacht.“

„Schlafen?!“, empörte sich Dings, „Wie kannst du jetzt an schlafen denken? Jetzt, wo wir gerade eben erst zusammen gekommen sind und ich dich endlich entjungfern durfte?“

David schlug ihn.
 

„Auaaa!“, jaulte Sascha lachend und hielt sich den Oberarm, „Aua, das hat weh getan…,“

„Gut so!“, knurrte David streng, „Sprich da gefälligst nicht so drüber, als wäre das nur…keine Ahnung…nur ein Geschäft oder so gewesen! Für mich war das viel, viel mehr.“

„Aber für mich doch auch…,“ flüsterte Dings mit großen Augen, „Du machst dir keine Vorstellungen darüber, wie glücklich es mich macht, dir so nah zu sein. Zu fühlen, wie sehr du mich willst, wie du mir vertraust und dich einfach fallen lässt. Wie ein…Geschenk. Ich meine, was für ein Riesenschritt… Im Vergleich dazu, wie sehr du mich mal verabscheut hast…,“ seine Stimme erstarb ein paar Herzschlage lang, währenddessen David gebannt an seinen Lippen hing, „Manchmal dachte ich, ich würde nie an dich herankommen. Du warst manchmal so abweisend und…kalt. Und jetzt… Sieh uns an. Hier liegen wir und du…hast es angenommen. Du lässt es zu, lässt mich zu. Das macht mich absolut glücklich, weißt du…?“
 

David starrte ihn an. Sein Herz bebte und zitterte von all den Freudenfeuern in seinem Inneren. Wie ein Ballon stieg die Wärme in seinen Kopf und die Verliebtheit in seinen Bauch.

„Okay…,“ hauchte er, „Okay… Wenn du es so sagst…,“

Verlegen knabberte er an seinem kleinen Finger.

„So geht es mir ja auch…,“ fuhr er leise fort, „Ich glaube, ich…ich kann nicht verliebter in irgendwen sein, als ich grad in dich verliebt bin. So…mit allem…,“

Als David dem Echo seiner Worte lauschte, schloss er stöhnend die Augen und verfiel in beschämtes Schweigen. Dümmer und unbeholfener konnte man seine Gefühle jawohl nicht ausdrücken. Wahrscheinlich würde Mr. Eloquent ihn gleich auslachen. Doch stattdessen stieß Sascha natürlich ein glückseliges Quietschen aus und herzte ihn stürmisch.

„Oh David!“, flötete er und bedeckte jeden Millimeter von seinem Gesicht mit Küssen, „Du bist sooo süß! Mein Schätzchen! Mein Schätzchen…,“
 

Dings unterbrach seine Küsse, um ein überwältigtes Seufzen auszustoßen und ihn dann richtig zu küssen. Einmal mehr öffnete seine Zunge nachdrücklich Davids Mund und seine Hände schoben sich begierig über Davids nackte Seiten, zu seinem Hintern. Vor Schreck und plötzlich hochsprudelnder Erregung verkrampften sich Davids Lenden.

„David…,“ wisperte Sascha rau, „Lass es uns gleich noch einmal tun…,“

„Mhm?“, brachte der Angesprochene geschockt hervor.

„Ja, jetzt sofort…,“ antwortete Sascha heiser und David konnte Dings‘ Sexgrinsen so deutlich an seinen Lippen spüren, dass sein Herz einen Schlag lang aussetzte. Seine Gedanken verblassten im Nebel und sein Blut begann zu kochen. Doch noch war er Herr seiner Sinne. Trotz der Tatsache, dass Sascha seine Hände nun – Himmel! – tiefer und fester zufassen ließ.

„N…Nein!“, stieß David hervor und presste den lodernden Sascha von sich weg, „Nicht jetzt! Reiß dich zusammen, Mann!“
 

„Wieso nicht?“, fragte Sascha beleidigt.

„Sei nicht so unsensibel!“, schimpfte David und schüttelte Saschas Hände und seine eigene Lust von sich ab, „Ich hab dir schließlich gerade nochmal meine Gefühle gestanden.“

„Eben!“, insistierte Sascha, „Ich werde spitz, wenn du mir sagst, wie verliebt du in mich bist.“

„Reizend…,“ knurrte David frotzelnd, „Mir hätte klar sein sollen, was für ein Fass ich da geöffnet habe. Vermutlich wirst du jetzt alle zehn Minuten ankommen, was?“

„Worauf du dich verlassen kannst…,“ schnurrte Dings und versuchte sich wieder näher an David zu schmiegen, „Ab jetzt will ich dich jede Nacht: morgen, übermorgen, überübermorgen… Mehr noch, ich will dich immer und überall: In meinem Bett, in deinem Bett, unter der Dusche, in der Zivi-Küche und natürlich überall im Tierbetrieb! In der Futterküche, der Quarantäne, dem Rep.-Raum, der Nord, dem–,“
 

„Doch nicht in der Nord, du notgeiler Bock!“, blaffte David und verachtete sich selbst ein bisschen dafür, wie sehr ihn Saschas obszönes Gebrabbel anmachte, „Da ist es viel zu kalt um diese Jahreszeit.“

„Okay…,“ Mr. Notgeiler-Bock lachte, „Dann eben nicht in der Nord.“

„Du bist echt unmöglich…,“ zischte David und hielt vorsorglich Saschas gefährliche Hände fest, „Wir sollten jetzt wirklich schlafen. Es ist bestimmt schon total spät und morgen müssen wir beide arbeiten.“

„Ich kann jetzt aber noch nicht schlafen,“ protestierte Dings gedämpft, „Ich bin viel zu glücklich zum Schlafen.“

David verdrehte die Augen und seufzte schwer.

„Dann schlafen wir eben nicht, sondern–,“

„Vögeln?“
 

David schlug erneut zu, Dings entwich ein überraschtes Japsen.

Reden!“, schnappte David ärgerlich.

„Aber worüber willst du denn reden?“, winselte Sascha und rieb sich den hoffentlich heftig schmerzenden Bauch.

„Ich dachte, ich soll dir alles von meinem Outing erzählen?“

„Ach ja!“, mit einem Schlag war Dings wieder bei Trost und der Inbegriff von strahlendem Interesse, „Bitte! Erzähl mir alles. Fang ganz von vorne an, ja?“

„Okay…,“ erwiderte David besänftigt, „Also. Ich b–,“

„Einen Moment,“ unterbrach ihn Sascha und dann – sehr unterwürfig, „Darf ich dich beim Erzählen wenigstens in den Arm nehmen?“
 

„Na gut…,“ brummte David und ließ bereitwillig zu, dass Dings ihn umarmte, „Aber lass deine Hände bei dir, sonst fessle ich dich.“

„Das finde ich sehr sexy,“ gurrte Sascha und quiekte, als David ihn zum zweiten Mal kniff, „Au, au, au… Tut mir Leid, bin schon still. Bitte erzähl.“

David erzählte. Und…grundgütiger Gott! Wie hatte er das nur alles durchgehalten? Es war sooo viel geschehen, so viel hatte sich innerhalb kürzester Zeit in seinem Leben bewegt: Sein Verhältnis zu seinen Eltern, sein Verhältnis zu seinen Brüdern, sein Verhältnis zu Kenji, sein Verhältnis zu Sven und Thorben. Und natürlich sein Verhältnis zu Sascha und zu sich selbst. Er hatte sich seinen größten Ängsten gestellt und offen über seine Gefühle gesprochen. Er hatte gehandelt und war gewachsen. Er hatte sich verändert. Und – hahaha! – obendrein das erste Mal mit einem Mann geschlafen. Es war kaum zu glauben.
 

Und apropos Mann.

Während er erzählte, stellte David überdies fest, dass Sascha nicht immer ein so tadelloser Zuhörer war wie in der Vergangenheit. In dieser Nacht unterbrach er David ständig, um schmachtende Geräusche von sich zu geben oder ihn mit zärtlichen Kosenamen und begeisterten Knuddeleinheiten zu überschütten.

Irgendwann sah sich David tatsächlich dazu gezwungen, ihm mit einer seiner Socken die Hände zusammen zu binden und ihm obendrein den Mund zu zuhalten, damit er seine Geschichte überhaupt abschließen konnte. Aber eigentlich hatte er erwartet, dass Mr. Unaufhaltsam sich noch vor seinem letzten Satz von diesen Fesseln befreien würde, um sich auf ihn zu stürzen und abzuknutschen. Doch stattdessen…schwieg Dings auch nachdem David vollständig geendet hatte.
 

Vorsichtig zog David die Hand von Saschas Mund. Keine Reaktion.

„Hee…,“ zischte er und starrte angestrengt durch die Finsternis, „Schläfst du mit offenen Augen?“

Dings erwachte mit einem Atemzug.

„Nein,“ flüsterte er, „Ich hab nur nachgedacht.“

„Worüber?“, erkundigte sich David und tastete argwöhnisch nach der Socke an Saschas Handgelenken – bei diesem Typen musste man immer damit rechnen, dass gespielte Harmlosigkeit eine gefährliche Finte verdeckte. Doch offenbar schwelgte Sascha tatsächlich in Gedanken, denn er bewegte sich auch dann nicht, als David seinen Sockenknoten bereits gelöst hatte.
 

„Über uns und das Team…,“ antwortete Dings schließlich und David horchte auf, „Meinst du, wir…wir sollten es ihnen sagen? Oder es besser noch eine Weile geheim halten? Bis wir sicher sein können, dass sie…kein Problem damit haben.“

David betrachtete die verschlossene Miene seines Freundes. Er schluckte.

Irgendetwas sagte ihm, dass Sascha die Frage nicht so meinte, wie er sie stellte. Er fühlte, dass Sascha schon wusste, was er wollte und für richtig hielt. Er stellte diese Frage für ihn, um ihm einen Ausweg zu gewähren, falls er…noch nicht bereit war, seinen Kollegen im Zentrum die Wahrheit über sich zu sagen. Über sich und Sascha.

Aber David war lange genug weggelaufen. Er hatte sich lange genug versteckt. Er war schon so weit gekommen. Da würde er nicht auf den letzten Metern schwächeln.
 

„Nein…,“ wisperte er leise, „Wir werden es nicht geheim halten. Wir werden es ihnen morgen sagen. Bei der Arbeitsverteilung, wenn alle da sind. Ich werde ihnen sagen, dass ich schwul bin. Und ich werde ihnen auch sagen, dass wir zusammen sind,“ er nickte sich selbst zu und fuhr fort, „Sie werden es ganz bestimmt akzeptieren. Wenn sie echte Freunde sind, dann werden sie es tun. Miri und Linda werden auf keinen Fall etwas dagegen haben. Und Bettina auch nicht, denke ich. Wenn, dann würde sie es nicht zeigen. Und Mark und Heiko…werden es auch okay finden. Wenn Heiko es nicht sowieso schon weiß. Und ich glaube, Freddy, Sebastian und Eric werden es ebenfalls akzeptieren. Die Einzigen, die vielleicht Schwierigkeiten machen, sind Jessika und Ben. Aber Jessika…kann mich mal. Die ist doch nur eifersüchtig, weil ich dich gekriegt hab und nicht sie. Und Ben… Ach, wen interessiert eigentlich Ben? Wenn der ein Problem mit mir hat, dann ist das ein Armutszeugnis für ihn, nicht für mich. Und wenn mich das nächste Mal irgendein Gast fragt, dann werde ich ihm ebenfalls die Wahrheit sagen. Ich werd mich nicht mehr verstellen. Und ich werde dich nicht mehr verleugnen. Nicht für meine Familie, nicht für meine Freunde und erst recht nicht für irgendwelche Leute, deren Meinung mir komplett gleichgültig sein kann.“
 

David atmete aus und wartete. Als Sascha nach wie vor stumm blieb, hob er den Kopf und betrachtete ihn. Dings bewegte keinen Muskel, starrte ihn nur unverwandt an.

„Was ist?“, fragte David alarmiert, „Sag doch was!“

„Ich kann nicht…,“ hauchte Sascha, „Wenn ich meinen Gefühlen jetzt freien Lauf lasse, muss ich sofort wieder den Liebestanz tanzen.“

David entspannte sich auf der Stelle. Er grinste und schloss die Augen.

„Dann unterdrück sie besser weiter. Das bedeutet, dass ich jetzt endlich schlafen kann.“

Er wäre wohl tatsächlich eingeschlafen, hätte Saschas Beherrschung angehalten. Doch selbstverständlich tat sie das nicht und das nächste, was David wahrnahm, war ein Gefühlsausbruch á la Sascha vom Feinsten.
 

„Oh, David!“, kreischte er wie eine Alarmanlage los und sprang auf die Füße, um wie ein durchgedrehtes Känguru auf dem Bett umher zu springen, „Scheiße, scheiße, scheiße! Ich kann’s nicht fassen! Oh Gott! Ich flippe aus!“

Fassungslos starrte David ihn an und bemühte sich hektisch, alle seine Gliedmaßen in Sicherheit zu bringen. Mehrere Sekunden lang fragte er sich, ob er angesichts dieses Ausbruchs lachen oder Schluss machen sollte. Dann warf Sascha sich auf ihn, küsste alles, was er von David erreichen konnte, und vertrieb damit jegliche Bedenken aus seinem Geist.

„David, du bist so toll, so wunderbar, so cool und mutig und einmalig! Ich bin so wahnsinnig verliebt in dich! Mein kleiner Liebling, mein süßes Schätzchen, mein Baby!“

„Stopp!“, blaffte David entrüstet und versuchte vergeblich, sich diesen Psychopathen vom Hals zu halten, „Kein Baby!“

„Hasimausi, Schnuckibärchen, Purzelchen!“

„Oh Gott! Das wird ja immer schlimmer!“
 

Dings lachte sich halb kaputt, sodass David ihm einfach eins der Kissen ins Gesicht drücken musste, um sein unverschämtes Gelächter damit abzuwürgen. Sascha wehrte sich. Sie rangen miteinander um Kissen und Bettdecke und während sich Mr. Kreativ immer mehr, immer grauenerregendere Kosenamen für David einfallen ließ, versuchte der ihn verzweifelt schimpfend zum Schweigen zu bringen. Sie lachten beide so sehr, dass sie kaum mehr sprechen konnten.

„Ruhe!“, krächzte David irgendwann, schon ganz schwach vor Lachen, „Halt endlich das Maul, du…P…Penis…kopf!“

Sascha konnte nicht mehr. Tränen benetzten seine Wangen, während er lachte und sich schüttelte und das eben erbeutete Kissen wieder an David verlor.

„P…eniskopf…,“ brachte Dings mühsam hervor und hielt sich den Bauch, „Penis…,“

„Du bist schrecklich!“, schluchzte David und begann ihn mit dem Kissen zu verprügeln, „Schrecklich, schrecklich, schrecklich!“
 

Ja, das war er: Schrecklich und…dreist und absurd und pervers und durchgedreht und krank und überhaupt! Er war unmöglich und machte David wahnsinnig!

Aber er machte ihn auch grenzenlos glücklich. Denn er war ehrlich und warm und fröhlich und niedlich und liebevoll und einfach…göttlich.

Und David war ohne Ende süchtig nach ihm. Selbst wenn er ihn nervte, selbst wenn er so merkwürdig und verrückt wie eben war oder so kompliziert wie ein antikes Mosaik, wollte David ihn genau so, wie er war. Er wollte alles von ihm. Besonders jetzt, da er seinen Sascha endlich hatte. Denn er war verliebt. Und ganz high vor Glück.

Und auch wenn er eigentlich entsetzlich erschöpft, beinahe tot, von dem vergangenen Tag war und er am kommenden Tag arbeiten musste und daher keine schlaflose Nacht gebrauchen konnte, hatte er sich noch nie zuvor so klar, so…lebendig gefühlt.
 

David unterbrach seine Züchtigung und durch die Schwärze der Nacht betrachtete er den jungen Mann, der ihm gegenüber lag. Sein dunkles Haar war verstrubbelt, die Arme hatte er gehoben, um sein Gesicht vor den Kissenschlägen zu schützen. Er lachte immer noch. Und seine Stimme verband sich mit dem Rascheln der Blätter draußen und den leisen, fernen Rufen von Franziska, der Uhudame.

Als er feststellte, dass er nicht mehr geschlagen wurde, hörte Sascha zu lachen auf und spähte vorsichtig zwischen seinen Armen hindurch.

„Was ist…?“, gluckste er, „Hast du Mitleid bekommen?“

„Nein…,“ wisperte David und warf das Kissen zur Seite, „Nicht die Spur.“

Mit beiden Händen griff er in Saschas Nacken, drückte seinen Mund auf dessen Lippen und küsste ihn tief und sehnsüchtig und auf der Stelle reagierte sein Herz mit unbändigem Pochen. David seufzte. Seine Haut kribbelte und als Sascha die Arme um ihn schlang, verkrampfte sich sein Magen vor Lust.
 

„Mhm…,“ flüsterte Sascha und rieb seinen muskulösen Körper so sinnlich gegen Davids, dass es diesem schier den Atem nahm, „Ist das deine Art, mir mitzuteilen, dass wir genug geredet haben...?“

„Möglich…,“ reibeiste David zurück, atmete den Duft von Saschas Haut ein und genoss den Geschmack seiner Lippen auf der Zunge.

„Das gefällt mir…,“ raunte Mr. Wahrscheinlich-Sexsüchtig und tupfte heiße Küsse auf Davids Hals und sein Schlüsselbein, „Warte nur ab, ich sorge dafür, dass du morgen nicht mehr laufen kannst…,“

Davids sexuelle Erregung verflog so schnell wie sie gekommen war.

„Wie bitte?!“, ächzte er entgeistert und stieß Sascha von sich, „Kann das passieren?“

„Äh…,“

„Oh Gott! Das will ich nicht! Geh weg!“
 

„Neinneinnein!“, verzweifelte Mr. Ich-Bin-Wohl-Übers-Ziel-Hinaus-Geschossen sogleich, „Keine Sorge, das passiert nicht. Ich passe auf, okay? Komm wieder her, bitte.“

„Nein!“, blaffte David biestig, zog die Bettdecke über seine Schultern, drehte Dings den Rücken zu und schloss die Augen, „Ich schlafe jetzt. Weil ich morgen nämlich früh aufstehen und arbeiten muss und dazu laufen können will.“

„Das kannst du doch!“, versicherte Sascha eifrig und händeringend, „Ich schwöre, du kannst morgen noch laufen! Auf jeden Fall, hundertprozentig!“

„Halt den Mund, ich will schlafen.“

„D… Das kannst du mir nicht antun! Du kannst jetzt nicht schlafen.“

„Und ob ich das kann.“

„Aber ich bin total scharf auf dich!“

„Dann geh aufs Klo und mach’s dir selbst,“ fauchte David genervt – nicht mehr laufen können, der Kerl hatte sie doch nicht mehr alle, „Dadrin hast du doch ne Menge Übung.“
 

Sascha schnappte nach Luft und schniefte.

„Du bist gemein!“

„Und du bist blöd.“

„Pah, du bist blöd!“

„Nein, du bist blöd!“

Du bist blöd!“

„Nein, DU bist blöd!“

DU bist blöd. Aber ich…bin trotzdem verliebt in dich…,“

„Und du bist trotzdem blöd.“


 

                                                         ~ The End ~



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Kommentare zu diesem Kapitel (17)
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Von:  Zeckchen
2012-04-23T18:47:14+00:00 23.04.2012 20:47
Ansich ne wirklich schöne geschichte. aber mir ging ihrgentwann dieses ganze mr.... und dings auf die nerven. das war echt schlimm.
Von:  chrissie1
2012-04-03T11:34:06+00:00 03.04.2012 13:34
Hey, habe deine Geschichte erst jetzt entdeckt - aber besser spät als nie! Es hat so viel Spaß gemacht, sie zu lesen. Es war lustig,spannend und ich werde Mr. "Herr-über-1000-Namen" sehr vermissen! Vielen Dank für großes Lesevergnügen! LG chrissie
Von:  W-B-A_Ero_Reno
2012-01-16T20:27:22+00:00 16.01.2012 21:27
eine ganz wundervolle geschichte hast du hier wieder geschrieben!
Ich hatte gestern nichts zutun und hab sie an einem stück gelesen^^
es war so mitreißend, dass ich nicht im stande war zwischendrin aufzuhören.
ich muss gestehen, dass ich manchmal echt gedacht hab, david hätte ein brett vorm kopf. so wenig über seine eigenen gefühle zu wissen, der junge muss doch mal nachdenken, aber ich vermute, dass das eher eine weibliche eigenschaft ist^^
jedenfalls fand ich das ende sehr süß und freue mich bald wieder etwas von dir zu lesen!

liebe grüße <3
Von:  saishoseki
2011-12-28T18:45:30+00:00 28.12.2011 19:45
Ich hab so viel geheult und gelacht und mich aufgeregt, dass ich jetzt vollkommen ausgelaugt und glücklich bin :D
Alle Kapitel waren so toll! Aaaah... mir laufen immernoch die Tränen vor lachen über die Wangen, weil sie sich am Ende so gekabbelt haben :D

Ich hab so GELACHT bei der Vorstellung von dem Liebestanz... und die Kommentare von Daniel! Das war so genial... :D

Von:  Kei-hime
2011-12-15T14:54:31+00:00 15.12.2011 15:54
Ahahaha, herrliches Ende! :,D Nachdem Sascha das mit seiner Mutter erzählt hat, dachte ich ja noch, wir bekommen ein wenig Drama vor dem kitschigen Ende. Aber nix da und das ist auch gut so! xD
Ich find's super, dass sie sich auch jetzt noch kabbeln. Alles andere hätte auch nicht zu David gepasst. :3 Perfektes Ende zu einer wirklich tollen Story!
Von:  RockFee
2011-12-09T21:43:01+00:00 09.12.2011 22:43
Jetzt ist sie tatsächlich zu Ende, diese Geschichte. Ich habe noch einmal am Stück lesen müssen. Mosaik ist dir wirklich wunderbar gelungen. Es war schön, David bei seiner Entwicklung beobachten zu können. Ich habe viel gelacht und musste manchmal auch ganz schön schlucken.
Danke dir dafür.

Ach ja, Saschas Liebestanz hätte ich zu gern gesehen.

Vielleicht hast du mal wieder eine Idee zu einer Geschichte. Ich bin sicherlich wieder dabei.
Von: haki-pata
2011-12-09T09:01:22+00:00 09.12.2011 10:01
Unglaublich.
Über all die Zeit, all die Kapitel.
Tränen und Tränen geweint.

Danke für die wundervolle, mitreißende, herzerwärmende, ab und zu empört nach Luft schnappende Geschichte.
Ich verneige mich vor dieser... vor DEINER Leistung. *tief buckel*

Habe Dank dafür. Für jedes einzelne deiner Worte. Habe Dank dafür.
Von:  Khaosprinzessin
2011-12-08T22:28:09+00:00 08.12.2011 23:28
*seufz* jez is es zu ende...
aber schön wars^^ auch wenns drei jahre gedauert hat, ich finds wirklich schön!
vielen dank für diese wundervolle geschichte!!!

glg
beast
Von:  Arisa_abukara
2011-12-08T15:38:41+00:00 08.12.2011 16:38
OMG!!!
Ich kann nicht fassen das das jetzt das ende war!!
ich will ne fortsetzung!!!
das war der hammer!! und voll süß!
und Sascha hat sich das ende selber zu zu schreiben! xD
sein pech, hätte er bloß nicht den spruch abgelassen xDD
zu geil!

mach bitte noch ein kapitel!
ich will wissen wie die anderen darauf reagieren x3
UND wie Sascha sich seiner Mutter stellt!
wie SIE auf seine wieder worte reagieren wird.

ganz liebe grüße <3
Arisa ^-^
Von:  Ur
2011-12-07T22:11:56+00:00 07.12.2011 23:11
Ich hab dir ja schon am Telefon gesagt, wie ich das Kapitel fand und ich finde es ist wirklich ein großartiger, runder Abschluss, der noch Platz für Vorstellungen über einige spannende Dinge lässt, die du angedeutet hast. Ich hab viel gelacht über das Kapitel, freudig rumgequietscht und schmachtend geseufzt.

Wie schon erwähnt liebe ich auch die Auflistung der Adjektive, mit der du fast alle Kapitelnamen noch mal abgedeckt hast und somit ein treffendes Motiv (und ein großartiges, komplettes Mosaik ;)) für die Geschichte geschaffen hast.

Du MUSST überhaupt gar nichts tun, das hier ist deine Geschichte und du kannst stolz auf dich sein, weil du sie nach all der Zeit und all den Schwierigkeiten zum Abschluss gebracht hast :)
(Von unbfriedigenden Enden kann ich dir ja n Lied singen :P)

Fühl dich ganz fest gedrückt, ich freu mich schon, den Abschluss von Mosaik mit dir zusammen zu begießen!

Lieb dich sehrsehr <3


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