Die Vergangenheit wird wieder zur Gegenwart
Wir sind da…“, sagte Lucio.
Sie kamen mit einem leichten Windzug auf den Boden. Vor Flora stand eine riesige Villa. Mit imposanten Säulen an der Eingangstür. Die Fenster waren sehr edel, die Rahmen grün, die Steine des Hauses schneeweiß. Lucio machte die Eingangstür auf und bat Flora hinein. Doch Flora rührte sich nicht. Sie stand eine Weile nur so dar und starrte das riesige Haus an. Erinnerungen kamen wieder, die sie so versucht hatte zu vergessen.
„Komisches Gefühl wieder hier zu sein…“, sagte sie leise.
„Wie lange willst du denn noch da stehen? Komm!“
Flora ging zur Tür und betrat das Haus. Sie befanden sich jetzt in einem riesigen Eingangsflur. Flora wusste noch genau wie jeder einzelne Raum aussah.
„Viel verändert hat sich hier ja nicht.“, stellte sie fest.
Die beiden stiegen eine große, geschwungene Treppe empor. Sie waren auf dem Weg zum Hauptraum. Der Aufenthaltsraum, wo sich alles abspielte. Oben angekommen standen sie vor einer großen Tür, die fast einer Eingangstür für Schlösser ähnelte. Lucio schnippte mit dem Finger und die Tür öffnete sich. Mit einem leichten Knarren öffnete sie sich und neugierige Blicke waren auf Lucio und Flora gerichtet. Flora sah misstrauisch zu ihren alten Kameraden.
Shana, Taladdin und Shadow. Aber wer war dieses Mädchen?
'Die kenn ich gar nicht.'
In diesem großen Raum war eine großzügige Sitzecke, ein edler Flügel und weiter hinten eine Art Podest, wo nochmal ein extra edler Sessel platziert war. Das war Lucios Platz zu dem er auch gleich ging und sich setzte.
„Jetzt sind wir wieder vollständig.“, sagte Lucio und sah zu seinen Verbündeten.
Shana saß auf einem Sofa in der Sitzecke.
„Flora! Was für eine Überraschung! Wie kommt‘s, dass du wieder unter uns weilst?“, fragte die hübsche Rothaarige.
„Ich habe meine Gründe.“, antwortete sie knapp.
In der hintersten Ecke des Raumes stand Shadow lässig gegen die Wand gelehnt.
'Gesprächig wie immer.', sagte Flora innerlich zu sich.
Dann erblickte sie Taladdin, der Shana schräg gegenüber saß.
„Es hat sich wirklich nichts verändert hier.“, sagte Flora und fasste sich an die Stirn.
„Nichts verändert sagst du? Ich wüsste nicht, dass wir uns kennen.“, hörte Flora jemanden patzig antworten.
Sie sah in die Richtung aus der die Stimme kam und entdeckte dann das kleine, blonde Mädchen.
„Ah… und du bist?“, fragte sie gleichgültig.
„Ich bin Charline de la Croix. Tochter des Herzogs von Saddlebrook!“, antwortete das kleine Mädchen hochnäsig.
„Du bist wohl mit den Jahren sentimental geworden, was? Oder wieso macht plötzlich ein kleines Mädchen bei uns mit?“, sie drehte sich zu dem Magier um.
„Du wirst staunen, was sie alles kann. Sie ist stark. Vielleicht sogar stärker als du?“, Lucio sah sie mit einem Lächeln an.
„Diese kleine Göre soll stärker sein als ich?“, Flora zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
„Das will ich sehen.“, sagte sie fast herausfordernd und schielte gezielt zu Charline.
„Du fühlst dich wohl ganz toll, was?“, das Mädchen kochte förmlich vor Wut. Sie lief zu Lucio, stellte sich auf die Lehne des Sessels und streckte ihre Finger aus.
Aus ihnen kamen dünne, silbrige Fäden, die nun Flora erreichten und sie an Armen und Beinen festhielten.
„Soso… dass soll mich also beeindrucken?“, belächelte Flora die Blonde.
Charline wurde immer wütender und ließ Flora hin und her schwanken.
„Gegen meine Fäden hast du keine Chance!“, lachte sie selbstsicher.
„Ach ja? Du bist hier nicht die einzige die Teufelskräfte besitzt.“, Flora sah sie ernst an, worauf Charline abrupt aufhörte zu lachen.
Flora senkte den Kopf und sah zu Boden. Sie verbarg förmlich ihr Gesicht.
„Nur Sprüche klopfen, aber jetzt doch nichts mehr dahinter oder was?“
„Ich würde aufpassen, was du sagst Charlie.“, mischte Shana sich ein.
Charline sah verwirrt an und schaute dann wieder zu Flora. Langsam erhob sich ihr Kopf und Charlie blickte nun in leuchtend, grüne Augen.
„W... Was ist mit deinen Augen passiert?“, fragte sie erschrocken.
„Ich sagte doch bereits, dass du hier nicht die einzige bist, die Teufelskräfte besitzt.“
Flora fesselte Charline mit ihrem Blick. Plötzlich flog das kleine Mädchen von dem Sessel und landete unsanft auf dem Boden. Ihre Konzentration hatte dadurch nachgelassen und so lösten sich alle Fäden von Flora. Sie hatte hinter ihr eine kleine Ranke wachsen lassen, die sie von dem Sessel schubste.
„Wie hast du das gemacht? Das war unfair!“, nörgelte Charlie.
„Deine Puppenshow kannst du bei jemand anderen ausprobieren. Ich denke, dass es bei mir wenig Wirkung zeigt. Ich bin um Klassen besser als du Kleine… Nimm den Mund beim nächsten Mal nicht zu voll. Gegen mich hast du keine Chance.“
„Tss.“, gab Charlie von sich und guckte beleidigt in die Luft.
"Tja Charlie. Du wirst dich mit ihr vertragen müssen. Sie wird ab jetzt immer bei uns sein.", erklärte Shana.
'Sie brauchte sich nicht bewegen. Alles reine Willenskraft… interessant.', dachte Shadow.
„Ach ja... und du bist auch nicht die einzige, die aus einer adligen Familie kommt. Ich bin die Prinzessin von Sunny-Island, also bilde dir nichts drauf ein.“, setzte Flora noch einen drauf und ließ sich dann neben Shana in das weiche Sofa fallen.
„Ich bin beeindruckt.“, Taladdin applaudierte leicht.
„Du bist stärker geworden… du hast dich sehr gut weiterentwickelt.“
„Shana? Begleitest du Flora bitte in ihr Zimmer? Sie muss erschöpft sein…“, sagte Lucio und sah zu der Frau mit den langen roten Haaren.
„Sehr wohl. Komm Flora.“
"Nein… lass mal. Den Weg kenn ich… das schaffe ich schon allein.“, dankte Flora ab und verließ den Raum. Shana sah ihr verdutzt hinterher.
„Was hat sie nur?“
„Sie ist nicht glücklich.“, antwortete Taladdin kurz und knapp.
„Hm?“, Shana sah ihn fragend an.
„Sie trauert wahrscheinlich ihren Freunden nach.“, meinte Lucio.
„Freunden?“, wiederholte Charlie neugierig.
„Tolle Freunde hat sie… starke Freunde… der Strohhut…“
„St..... Str..... Strohhut?“, Shana sah erschrocken zu ihrem Anführer.
Auch Shadow und Taladdin wurden bei diesem Namen wacher und zeigten Interesse.
„Monkey D. Ruffy?“, Charline sah ebenfalls geschockt so Lucio.
„Weißt du was für ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt ist?“
„Natürlich. Aber sie werden uns keinen Ärger machen. Dafür wird Flora schon sorgen.“, antwortete der Magier sicher und lächelte.
„Das will ich auch hoffen. So jemand sollte nicht nach unserem Leben trachten.“, sagte Shana nachdenklich.
„Wie konnte ich nur gegen sie verlieren?“, ärgerte sich die Blonde.
„Hör auf zu nerven! Du bist schwach… deshalb….“, antwortete Shadow kalt.
„Ich? Zu schwach? Ja klar… auf sie ist ja noch nicht einmal ein Kopfgeld ausgesetzt!“
„Das kann sich ja noch ändern.“, funkte Shana ihr dazwischen.
„Oh… wie ich sie hasse.“
„Sie hat garantiert irgendeinen miesen Trick benutzt.“, verdächtigte Charlie Flora.
„Halt jetzt verdammt nochmal deine Klappe…“, Shadow war sichtlich gereizt.
Aber Charlie schien ihn völlig zu ignorieren. Ein fataler Fehler!
„Warum muss sie jetzt auch bei uns sein?“, Charlie nörgelte immer weiter.
Shana und Taladdin war Shadows Laune nicht entgegangen. Mit ihm war wirklich nicht zu spaßen.
„Charlie...?“, setzte Shana an.
„Was?“, fragte sie aufgebracht.
Shana zeigte mit dem Finger auf Shadow. Charlie sah zu ihm und dann verging ihr plötzlich das Lachen…
„Okay...Okay... Ich bin still…“, entschuldigte Charlie sich.
Als schließlich Ruhe einkehrte schien Shadow sich wieder einzukriegen und entspannte sich.
Flora sah sich derweil in ihrem Zimmer um. Es war das gleiche Zimmer wie damals… vor zwei Jahren. Sie machte die Balkontür auf und ging raus. Betrübt stand sie am Geländer und sah in die Ferne. Das Meer konnte sie nicht sehen. Nur Wald und ein paar Hausdächer aus dem Dorf. Die Villa lag ziemlich abgelegen auf einem kleinen Hügel. Hier kam auch kein Fremder hin, denn nachts wurde um die Villa ein Schutzzauber gelegt, sodass niemand unbefugt das Grundstück betreten konnte. Tagsüber konnte Lucio natürlich selber aufpassen.
„Wieso immer ich? Ich gebe es auf. Ich bin auf ewig dazu verdammt allein zu sein.“, sagte sie.
'Bitte sucht nicht nach mir…'
