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"Alles wird gut, ich bin bei dir"

von

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[oneshot]

Ich stehe wie jeden Abend am Fenster und blicke sehnsüchtig hinaus. Ich warte.

Ich warte bis du endlich wieder zurückkehrst. Wann wird der Tag endlich kommen?

Im Hintergrund höre ich unseren kleinen Sohn ruhig im Schlaf atmen, dieses Geräusch beruhigt mich etwas. Ich gehe langsam auf den Kleinen zu, beuge mich zu ihm nieder um ihn noch besser beobachten zu können. Er sieht aus wie du.

Ich streichele unserem Sohn über die Stirn und gehe wieder zum Fenster.
 

Draussen regnet es. Es regnet schon seit Jahren, zumindest für mich. Die Stadt liegt immer noch in Trümmern, obwohl die Wiederaufbauarbeiten schon lange begonnen hatten. Vielleicht scherrt sich der Staat auch einfach nicht um kleine Orte wie diese. Ich beschließe mich langsam schlafen zu legen. Ich lege mich in unser Bett und friere. Ich versuche zu Schlafen, aber vor meinen Augen erscheinen Bilder, von dir, von uns. Ich greife mir an mein Herz und versuche zwanghaft die kommenden Tränen zu unterdrücken. Das passiert jede Nacht. Nach einer Weile lässt mein ermüdeter Körper nach und ruht.
 

Im Morgengrauen stehe ich auf. Ich blicke zu unserem Sohn. Er schläft immernoch. Friedlich lächele ich und gehe in die Küche. Gegessen hat ich schon lange nicht mehr richtig. Wie auch diesen Morgen. Ich brühte mir nur einen Kaffee auf und rauchte eine Zigarette dazu. Da hörte ich schon das morgentliche Schreien unseres Sohnes. Schnell lief ich zu ihm, nahm ihn in die Arme und beruhigte ihn mit den Worten „Alles wird gut, ich bin bei dir“. Ich nahm den Kleinen mit in die Küche und machte ihm etwas zu essen. Dannach versuchte ich vergeblich ihn zu füttern. Er konnte morgens auch nie essen. Vielleicht aus dem selben Grund wie ich selbst. Ich war einfach ein miserables Beispiel für ein so perfektes Wesen.
 

Ich nahm ihn mit ins Wohnzimmer um mit ihm zu spielen, bis unsere Haushälterin kam. Du hattest immer an alles gedacht und wolltest mir das Leben immer so einfach wie möglich machen. Du hast, wie du auch immer gesagt hast, alles nur für mich getan um mich glücklich zu machen, und ich konnte dir nicht einmal dafür danken und jetzt bist du weg.
 

Der Kleine lachte so lebensfroh wenn ich mit ihm spielte. Es machte mich so glücklich ihn in seine strahlenden Augen zu sehen, denn sie waren wie deine. Die Haushälterin betrat wie jeden Morgen ohne große Worte unser Haus. Sie kümmerte sich auch gleich um den Kleinen, und ich bedankte mich mit einem glücklichen Lächeln bei ihr für diese Geste. Nun war es Zeit für mich zur Arbeit zu gehen. Irgendwie musste ich ja was tun um unseren Lebenstandard beizubehalten und ich wollte dir einfach beweisen das ich stark sein kann auch ohne dich.

Ich zog meinen Mantel an und ging auf die Straße. Dort blickte ich mich um nach bekannten Gesichtern, doch keines war zu sehen. Ich senkte meinen Kopf und machte mich auf den Weg zur Arbeit.
 

Nach einer halben Stunde komme ich in der Arbeit an. Der weite Fußweg hat mich schon müde gemacht. Vertraute Gesichter lächeln mir zu mit den Worten „Guten Morgen“. Erwiedernd lächle ich diese Leute an und gehe zu meinem Arbeitsplatz. Büroarbeit. Eine ewige nervenaufreibende Arbeit ohne ersichtlichen Ertrag. Ja so würde ich meinen Beruf beschreiben. Das Geld von Menschen zu behandeln, die sowieso nicht anderes als Schulden besitzen. Was soll daran ertragreich sein? Naja höchstens mein viel zu niedriger Lohn aber es reicht für mich und den Kleinen. Der Tag vergeht nur langsam, oft schweife ich mit meinen Gedanken ab. Denke daran wo du sein könntest, was mit dir passiert ist und ob du überhaupt noch am Leben bist. Ich hoffe es zwar, aber vielleicht spricht nur da meine eigene Abhängigkeit die ich von dir habe. Ich liebe dich so sehr und werde es auch immer tun. Und ich hoffe sehnsüchtig auf den Tag an dem du endlich zu mir zurückkommen wirst.
 

Nun ist auch endlich diese 10-Stunden-Schicht geschafft. Sehr geschafft packe ich meine Sachen und gehe zurück nach Hause. Auf dem Weg sehe ich viele Menschen auf der Straße. Sie sitzen auf Bänken und werfen mir ein Lächeln zu. Warum lächeln sie? Ihre Häuser sind fast noch komplett zerstört. Ihre Familienangehörigen womöglich tot. Ist das ein Grund zu lachen? Ohne eine Mimik gehe ich weiter. Ich höre sie jetzt noch hinter mir reden. Aber mir soll es egal sein. Alles ist mir egal. Ohne dich.
 

Ich komme nach Hause und sehe wie unser Sohn schon mit seinen kleinen Händen nach mir greift, fröhlich lacht. Ich nehme unserer Haushälterin, den süßen Liebling ab, bedanke mich für ihren Dienst und bringe sie noch zur Türe. Sie geht.
 

Sowie du damals. Auch wenn du es nicht wolltest. Du hast dieses Regime bis auf den Tod gehasst, dennoch hast du für sie gekämpft. Manchmal habe ich mich gefragt warum. Und wusste es ja doch. Du wolltest uns, deine Familie, vor den Konsequenzen schützen, die es mit

deiner Einstellung dazu gegeben hätte. Du hast es wieder einmal für uns getan.
 

Ich ging in unser Schlafzimmer um unseren Liebling in sein Bett zu legen. Ich deckte ihn liebevoll zu und sang ihm ein Lied. Ich wartete bis er eingeschlafen war und ging dann aus dem Zimmer. Es fing wieder an zu Regnen. Ich seufzte und ging nach draussen. Ich setzte mich auf eine Bank vor unserem Haus. Schaute hoffnungsvoll um mich.
 

Ich hoffte so sehr, dass du kommen würdest. Doch wie jeden Tag kamst du nicht. Ich rauchte eine Zigarette und ging wieder in unser Haus. Ich setze mich an einen Tisch und schrieb einen Brief, den ich dir geben will, wenn ich vielleicht herausfinden kann in welchem Gefängnis du sitzt. Wenn du noch am Leben bist .
 

„An meinen Liebling, …“ ich dachte nach was ich dir alles schreiben könnte, aber würdest du diesen Brief wirklich bekommen ? Ich schrieb einfach wie es mir ging und wie mein Leben läuft und wie sehr ich dich doch vermisse. Als ich fertig war, klingelte das Telefon.

Missmutig antwortete ich den Anruf.
 

„Ja hier bei Engelsberger?“

„Ich bins“ antwortet mir eine vertraute Stimme.

„Oh hallo Jessica, wie geht es dir denn? Haben uns ja schon lange nicht mehr gehört ! Was macht …“ Jessica unterbrach mich.

„Dein Mann…“ stöhnte sie aufgeregt in den Hörer.

„Was soll mit ihm sein?“ fragte ich verdutzt aber fröhlich.

„Dein Mann, sie wissen wo er ist“

Ich konnte auf diese Aussage nicht antworten, ich fing einfach an zu Weinen.

„Er steckt in einem Gefängnis in Ost-Berlin. Du musst so schnell es geht zu ihm.“, sagte sie energisch.

„ Er sitzt mit meinem Mann im selben Block und wir haben das durch bekannte im Osten erfahren.“

Ich konnte nicht aufhören zu weinen und zu schluchzen.
 

„Lass uns morgen um 15:00 Uhr zusammen nach Ost-Berlin fahren, ja?“

„Ja …“ schluchzte ich und legte den Hörer auf.
 

Ich konnte nicht aufhören zu Weinen. Ich werde dich vielleicht wiedersehen, mein Liebling. Ich werde dich mit nach Hause nehmen und alles wird genau wie vorher. Ja alles wird dann wieder gut wenn du da bist. Als meine Tränen weniger wurden, legte ich mich endlich schlafen ohne davor noch stundenlang aus dem Fenster zu blicken.
 

Ich stand schon sehr früh auf. Sofort zog ich mich an und wusch und pflegte mich, auch wenn ich genau wusste, dass es noch sehr lange Zeit war bis um 15:00 Uhr. Ich rief in der Arbeit an und sagte Bescheid das ich heute nicht kommen könnte. Dannach gab ich unserer Haushälterin Bescheid, dass sie auf unseren Engel, den ganzen Tag aufpassen müsse. Fröhlich stimmte sie zu und kam innerhalb einer viertel Stunde zu unserem Haus.
 

Ich machte mich fertig und sagte dem Kleinen noch ein fröhliches „Ich bin bald wieder da meine Engel“ und verließ anschließend sofort das Haus. Ich lief zu Jessicas Haus die dort auch schon auf mich wartete. „Fahren wir sofort!“ meinte sie sehr glücklich zu mir. Ich nickte. Wir stiegen nur mit dem Wichtigsten bei uns in den Zug. Sie war so glücklich das sie einfach meine Hand nahm und sie die ganze 3-Stunden-Fahrt nicht mehr los ließ.
 

In Berlin angekommen nahmen wir uns sofort ein Taxi um auf die Ost-Seite zu gelangen. Diese war auch noch für Einreisende zugänglich. Als wir ausstiegen erwarteten uns Jessicas Bekannte an einem rießigen Gebäude. „Hier sind sie“ meinten diese.
 

Wir stürmten Hand in Hand in dieses Gefängnis und ich fragte sofort an der Rezeption.

„Sitz hier ein Alexander Engelsberger“ der Rezeptionist sah mich angewiedert und skeptisch an. Er öffnete ein Buch das viele Namen enthielt, warscheinlich eine Art Liste von Sträflingen. Er antworte schnippisch „Ja der ist auf dieser Liste“ Aufgeregt fragte ich:

„Kann ich ihn sehen?“ „Meine liebe Dame, es tut mir Leid aber sehen werden sie ihn lange nicht mehr. Er kommt so bald nicht mehr hier raus.“ Lachend erklärte er mir die Situation.
 

Ich hörte ihn aber nach einer Zeit nicht mehr zu. Und schaute nur verzweifelt auf den Boden.

„Kann es sein das ich ihn nie wieder sehen werde?“ sprach ich laut zu mir. Der Mann an der Rezeption antworteet irgendetwas aber das verstand ich nicht mehr. Ich verließ verzweifelt das Gefängnis. Ging an jedem mir bekannten Menschen vorbei. Alle riefen sie nach mir, ich solle stehenbleiben. Das interessierte mich aber nicht. Ich fuhr mit dem nächsten Taxi beziehungsweise Zug zurück nach Hause.
 

Angekommen nahm ich meinen Sohn entgegen und setzte mich ermattet auf das Sofa mit ihm. Ich weinte und sagte zu unserem Engel „Papa kommt nicht wieder… es tut mir Leid“

Der Kleine lachte nur und zappelte in meinen Armen fröhlich. Ich legte ihn nach einer Weile ins Bett und schaute aus dem Fenster.
 

Nach einer Weile brach ich zusammen. In meinem Kopf hallten noch die Schreie unseres Kindes. Als ich aufwachte lag ich in einem weißen Raum. Ich sah mich um und merkte das ich mich in einem Krankenhaus befand. Ich blickte auf einen Kalender der an einer Wand hing. Es waren 4 Monate vergangen. Ich stand aus meinem Bett auf als ich es an der Tür klopfen hörte. „Herein“ ich drehte mich nicht um stand einfach nur geistesabwesend da.
 


 

„Liebling…“ ich rieß meine Augen erschrocken auf und die Tränen flossen wie in Strömen.

Ich drehte mich um und sah meine Mann mit unserem Sohn auf dem Arm.

Er lächelte und sagte zu mir:
 

„Alles wird gut, ich bin bei dir“



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