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Bis an das Ende der Zeit

von

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Abschied und Ankunft

Die Bewerbung an die Akademie Radiant Gardens hatte er heimlich abschicken müssen. Einerseits, weil er wusste, dass seine Eltern seine Entscheidung niemals befürwortet hätten und er sie einfach vor ein Ultimatum stellen musste, andererseits, weil es unnötig gewesen wäre, sie von vorneherein zu beunruhigen. Möglicherweise bekam er ja überhaupt keine Antwort.
 

So sah es zunächst auch aus. Tage verstrichen, Wochen, Monate, und er hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Dann kam der denkwürdige Morgen seines vierzehnten Geburtstages.
 

Es klopfte schon früh an seine Zimmertüre. Terra öffnete strahlend und in freudiger Erwartung auf das jährliche Ritual seiner Eltern – eine Geburtstagstorte und eine ganze Menge Geschenke.
 

Anstelle eines freundlichen Lächelns hatte seine Vater jedoch eine grimmige Miene aufgelegt und statt der Torte hielt er einen Umschlag in der Hand. Er zwang sich merklich zur Ruhe, als er mit dem Umschlag vor Terras Nase herumwedelte. „Was ist das?“
 

„Ein Brief“, antwortete er unsicher. Sein Blick fiel auf die gedruckten Buchstaben des Absenders und er schluckte. Da war also endlich das lang ersehnte Schreiben.
 

„Ich weiß selbst, was das ist!“, rief sein Vater wütend und zog das Blatt Papier aus dem Umschlag, entfaltete es sorgfältig und las vor: „’Sehr geehrter Mister Donovan’ … Wenn ich das schon höre!“ Seine Stimme zitterte vor Wut und er knirschte mit den Zähnen. „’Sehr geehrter Mister Donovan, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie eingeladen sind, die von ihnen beschriebenen Qualifikationen in persona unter Beweis zu stellen und an der Grundausbildung der Akademie teilzunehmen.’ Und so weiter und so weiter.“ Ein Seufzen, dann schüttelte er den Kopf. „Wann hattest du vor, es uns zu sagen?“
 

„Sobald der Brief angekommen wäre“, gab er leise zu. „Ich wollte euch nicht unnötig Sorgen bereiten.“
 

„Und stattdessen? Was wolltest du tun? In einer Nacht- und Nebelaktion einfach verschwinden und uns zurücklassen?“
 

„Nein!“, sagte Terra schnell. „Ich wollte es euch sagen! Ehrlich! Aber …“
 

„Aber erst jetzt. Erst jetzt, wo wir es nicht mehr verhindern können.“
 

Er nickte betrübt und senkte den Blick. Es hätte so nicht kommen sollen, seine Eltern hätten es so nicht erfahren sollen. Was war er nur für ein Idiot gewesen, dass er sie nicht darauf vorbereitet hatte? „Es tut mir Leid.“
 

„Wieso?“, fragte sein Vater leise. „Wieso willst du uns verlassen? Waren wir dir so schlechte Eltern gewesen?“
 

Im Gegenteil. Seine Eltern waren perfekt. Hilfsbereite und wundervolle Menschen, die er über alles liebte. Genau deshalb hatte er sich ja freiwillig gemeldet: Die Menschen, die ihm am meisten bedeuteten, wollte – nein, musste – er doch beschützen. Das war seine Pflicht. Seine Art, ihnen Dankbarkeit zu beweisen. Genau das erklärte er seinem Vater.
 

Der seufzte nur laut und nickte, legte Terra eine Hand auf die Schulter. „Viel Glück, mein Sohn. Und alles Gute – nicht nur zum Geburtstag.“
 

Das war der Tag, an dem ein Junge auszog, um ein Mann zu werden. Lachhaft und peinlich kommt es mir inzwischen vor … Damals war ich eine leere Leinwand, naiv und voller Hoffnung. Darauf bestrebt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Damals. Bevor all das geschah. Jetzt bin ich gezeichnet … Aber dazu später mehr.
 

Überwältigend. Das war der erste Eindruck, den man zwangsläufig von Radiant Garden haben musste. Einfach überwältigend. Die Stadt war so riesig, so laut, so voll, dass einem Landei wie Terra beinahe die Augen aus dem Kopf fielen.

Hoch wie Wolkenkratzer oder niedrig und altmodisch, die Häuser standen dicht aneinandergedrängt. Menschen, so viele, wie er noch nie zuvor auf einem Haufen gesehen hatte, waren auf dem Weg zur Arbeit oder gaben sich einfach nur ihrem Vergnügen hin. Und über allem thronte die gewaltige Schlossanlage des Regierungssitzes Ansems des Weisen. Gleichzeitig konnte der interessierte Besucher – so sagte die kleine Broschüre, die am Eingang der Stadt verteilt wurde – innerhalb der Anlage auch die Universität und die Militärakademie finden.

Terra war einer dieser interessierten Besucher und seine Schritte lenken ihn zielstrebig ins Innere des Schlosses.
 

Dort begab er sich zuallererst zum Informationsschalter und nannte der gut aussehenden blonden Dame seinen Namen und sein Begehr. „Möglicherweise können Sie mir sagen, wohin ich jetzt muss“, fügte er mit einem Lächeln hinzu.
 

Sie erwiderte es nicht. Nickte nur flüchtig. Ließ ihre Finger über die Tastatur des kleinen Laptops huschen. „Sie haben großes Glück“, meinte sie schließlich. „Wären Sie ein paar Minuten später eingetroffen, hätten Sie die Eröffnungszeremonie verpasst. Finden Sie sich bitte in zehn Minuten auf dem Schlosshof ein.“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, schob sie ihm ein Klemmbrett mit einem Formular hin, welches er ihr später ausgefüllt zurückzubringen hatte.
 

Terra überflog die Zeilen nur kurz und nickte. Name, Alter, Größe und Kleidergröße, das wollte man über ihn wissen. Und … natürlich die von ihm bevorzugte Waffe. Nun ja, darüber hatte er sich noch nicht wirklich Gedanken gemacht. Aber ihm würde schon etwas einfallen. „Sie haben mir sehr geholfen“, sagte er und schenkte ihr ein weiteres strahlendes Lächeln. „Vielleicht lad’ ich Sie zum Dank mal zum Abendessen ein.“

Wie sie darauf reagierte, bekam er schon nicht mehr mit – er war bereits losgerannt.

Glück? Das hatte er wirklich gehabt, denn wäre sein Zielort ein Raum oder eine Halle gewesen, hätte er sich bestimmt verirrt – das Schloss war aber auch riesig! Den Hof allerdings würde selbst er finden.
 

Was sich auch als nicht zu schwierig herausstellen sollte. Er musste einfach nur dem Lärm folgen.
 

Vierhundert, vielleicht vierhundertfünfzig Leute hatten sich bereits auf dem Hof versammelt. Jungen wie Mädchen, alle etwa so alt wie Terra selbst. Einige tratschten und lachten miteinander, schlossen sich schon jetzt zu kleinen Grüppchen zusammen. Die meisten jedoch starrten nur erwartungsvoll – und möglicherweise auch ein wenig ungeduldig – zu der Holzbühne in der Mitte des Platzes. „Wann fängt es endlich an?“, wollte jemand hinter Terra wissen – und just diesen Moment wählte ihr ‚Gastgeber’, um in Erscheinung zu treten:
 

Seine schweren Stiefel hinterließen mit Sicherheit Spuren im dünnen Holz, seine weißbehandschuhten Finger verschränkten sich hinter dem Rücken ineinander, der dunkle Mantel schleifte beinahe auf dem Boden. Auf seinem gebräunten Antlitz zeigten sich nicht nur ein ergrauter Gamsbart – übrigens die einzigen Haare in seinem Gesicht –, sondern auch ein überhebliches Lächeln, und seine Augen … seine orangen Augen waren …
 

„Unheimlich …“
 

Diese Beschreibung traf den Nagel auf den Kopf. Terra sah nach links, um herauszufinden, wer hier so treffende Beobachtungen anstellte. Blondes, stachelig gegeltes Haar, blaue Augen, schwarzweiße Kleidung, die dem neusten Trend der Mode Radiant Gardens folgte. Zustimmend bedachte Terra ihn mit einem Nicken und wandte den Blick wieder zur Bühne. Inzwischen waren auch die Stimmen der anderen Anwesenden verstummt. Sie alle waren von der Anziehungskraft dieses Mannes in den Bann gezogen. Und als er schließlich zu sprechen begann, klebten sie förmlich an seinen Lippen.
 

„Es freut mich jedes Jahr aufs Neue, dass sich so viele von Ihnen einfinden. So viele junge Menschen; wissbegierig, ambitioniert, talentiert. Und voller Ehrgeiz.“

Er ließ den Blick über die Menge schweifen und nickte anerkennend. „Und jeder von Ihnen ist darauf aus, Großes zu vollbringen – egal, ob im Studium oder im Kampf für Ihr Vaterland.“

Sein Kopf ruckte nach oben wie bei einem wachsamen Tier. „Ihre Grundausbildung wird den Zeitraum eines Jahres betragen. In dieser Zeit haben wir die Gelegenheit, die Spreu vom Weizen zu trennen, und Sie alle … Sie werden herausfinden, wozu Sie auserkoren wurden. Wo Ihre Bestimmung liegt. Manche von Ihnen werden zu Gelehrten, andere zu Koryphäen im Umgang mit Magie. Wieder anderen steht eine erfolgreiche militärische Laufbahn bevor – und ein kleiner, elitärer Kreis von Auserwählten …“ Hier leuchteten seine Augen auf und sein Blick huschte kurz gen Himmel. Dann lächelte er über sich selbst, schüttelte den Kopf. „Ich -“, begann er wieder mit lauter, fester Stimme, „bin Meister Xehanort und ich erwarte Großes von Ihnen, doch noch Größeres sollten Sie von sich selbst erwarten! Meine Damen und Herren, dies ist die Stunde Ihres Lebens! Dies ist die Stunde, in der Sie Ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, es formen und seine Richtung bestimmen! Von nun an gestalten Sie Ihr Schicksal nach Ihren Vorstellungen!“
 

Zuerst war es still, einen solchen Eindruck hatten seine Worte hinterlassen. Dann klatschte der erste. Der zweite. Schließlich brachen sie alle in begeisterten Applaus aus. Und dann …
 

Dann jubelten wir. Wir schrieen und johlten und nahmen uns vor, ihn – und vor allem uns – nicht zu enttäuschen. Wir glaubten ihm. Möge Gott uns unsere Dummheit verzeihen. Möge Gott uns vergeben, denn wir wussten nicht, was wir taten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Flordelis
2009-02-08T16:10:13+00:00 08.02.2009 17:10
Zum Glück hab ich heute mal deine FFs durchgesehen, ich bin nämlich richtig begeistert, wenn ich ehrlich sein muss.
Dein Schreibstil gefällt mir richtig gut und Spekulationen und Theorien mag ich ohnehin (zumindest meistens).
Ich würde gern wissen, wie es weitergeht. ^^
Von:  Purpurwoelfin
2009-01-30T23:41:16+00:00 31.01.2009 00:41
achja |//3 *seelig desu*

jetzt muss ich gleich zu beginn fragen - wie viel von dem geschriebenen ist spekulation? .o. mit terra,aqua und ven hab ich mich noch nicht wirklich befasst... *hust* ... aber ich glaube, dass ja noch nicht viel bekannt ist, huh? >3" egal, egal.... meisterleistung *__*
das alles ist so..mitreißend, wenn ich die augen schließe (wie das schon klingt XD""") seh ich förmlich vor mir, wie xehanort da vorne steht und zu den jungen leuten spricht... und sie ihn alle bejubeln... (vllt seh ich das auch gerade nur ganz so deutlich vor mir, weil ich langsam ins bett sollte ... XD) echt total super dargestellt +___+ bin wirklich, wirklich gespannt wie es weitergeht... *____*


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