Strafe muss sein
"Das mach ich nicht!"
"Doch, das tust du!"
"Nein, frag doch deine Namimaus oder dein Robinchen!"
"Damen darf man nicht arbeiten lassen!"
"Die werden von dem bisschen Abspülen schon nicht sterben."
"Du aber auch nicht, Lorenor Zoro. Aber wenn du mir jetzt brav beim Abspülen hilfst, verzeihe ich dir vielleicht."
"...? Was verzeihst du mir?"
"Das du meinen Geburtstag vergessen hast, du Spinatschädel!"
"Oh."
Ein Blick auf den Kalender bestätigten die Worte des Smutjes und Zoros schlimmste Befürchtungen. Schön groß und eigentlich unübersehbar in roten Buchstaben stand es da: 2.März, Sanji´s Geburtstag. Da sie gerade auf einer Winterinsel angelegt hatten, war dem Schwertkämpfer total entfallen, das sie nach offizieller Zeitrechnung schon Frühling hatten. Okay, vielleicht hatte er diesen Tag auch wirklich einfach vergessen. Sowas konnte er sich einfach nicht merken, da lernte noch eher Ruffy schwimmen als das er mal einen Termin oder ähnliches nicht vergaß. Eine weitere seiner Schwächen, neben seiner Orientierungslosigkeit. "Sanji, es tut mir wirklich...", setzte er gerade zu einer Entschuldigung an, doch zu seiner Verblüffung unterbrach ihn Sanji einfach: "Ach was, ich hab gar nichts anderes erwartet." Noch verdächtiger als diese verdächtig freundlich klingenden Worte war das Grinsen, das dieser aufgesetzt hatte, es sah fast schon ein bisschen fies aus. Eine einzelne Schweißperle suchte sich den Weg Zoros Stirn hinunter und er verzog ein bisschen das Gesicht zu einem misstrauischen Ausdruck. Dieses Lächeln konnte nichts Gutes bedeuten, da war er sich sicher. Und zum zweiten Mal an diesem Tag trafen seine düstren Vermutungen ein. "Keine Sorge, ich habe mir schon eine passende Strafe ausgedacht", meinte der Koch und seine Augen funkelten vor dämonischem Vergnügen. Langsam aber sicher wurde Zoro fast panisch, denn der Blondschopf ihm hier gegenüber hatte eine ziemliche Fantasie wenn es um´s "bestrafen" ging. Einmal, als er sehr wütend gewesen war, hatte er den armen Schwertkämpfer auf Alkohl-Entzug gesetzt, und das für eine ganze Woche! Ein andermal hatte er überall auf der Flying Lamb, als nur sie beide darauf Wache hielten, Wecker versteckt, die auch alle im Fünf-Minuten-Takt klingelten. Der Grünhaarige hatte die dann alle suchen müssen und war mit den Nerven am Ende gewesen. Der Smutje hatte sich nämlich die kreativsten Verstecke ausgedacht, vom Ofen bis zum Kanonenrohr. "Aber für´s erste hilfst du mir endlich beim Abwasch!", befahl Sanji, und diesmal folgte Zoro ohne weitere Widerworte, während er sich in seinem Kopf die schlimmsten Schandtaten ausmalte.
Zu dem Moment wusste er noch nicht, was ihm wirklich blühte, und wenn er es gewusst hätte, dann hätte er schleunigst die Beine in die Hand genommen und das Weite gesucht. Dann hätte er sich vielleicht nicht dermaßen zum Affen gemacht.
"Wo gehen wir hin?", fragte der Grünhaarige, ein paar Stunden später. Es war inzwischen Abend und der Himmel war in ein romantisch-kitschiges Rot getaucht, mit rosaroten Flauschwölkchen geschmückt. Sanji hatte ihn an der Hand genommen und führte ihn nun schon seit fast einer halben Stunde durch den Wald. Es hatte zu schneien aufgehört, nur der Schnee vom Nachmittag lag noch auf dem Graß, dafür umso höher. "Wir sind gleich da", kam von dem lächelndem jungen Mann vor ihm, was Zoro zwar nicht sehen, aber dafür an seiner Stimme hören konnte. Schweigend gingen sie noch ein paar Schritte weiter, bis sie schließlich zwischen ein paar besonders dicht nebeneinander wachsenden Tannen hindurchtraten. Vor den Augen des Schwertkämpfers lag ein gefrorener See, das Eis funkelte im Licht der untergehenden Sonne. Ein fantastischer Anblick, dass musste selbst er zugeben, obwohl er für die Reize der Natur normalerweise eher nicht empfänglich war. Laut sagte er es aber lieber nicht, er hatte schließlich den Ruf des "starken Mannes" zu verlieren. Und den wollte er auf jeden Fall behalten, es konnte sich ja nicht jeder so mädchenhaft verhalten wie der Koch neben ihm, der sich manchmal dann doch etwas (Zoros Meinung nach) weiblich auffführte. Schließlich war Kochen immer noch hauptsächlich Frauensache und er kannte keinen zweiten Kerl, der so sehr auf sein Aussehen achtete. Nicht , das ihm das nicht gefiel, er war nicht ohne Grund mit dem Smutje zusammen. Aber mit den gepflegten Haaren und dem schlanken Körper - tatsächlich ein wenig wie ein Mädchen. Bei dem Gedanken musste Zoro grinsen, zumindest, bis ihm etwas Schweres auf den Fuß fiel. Und plötzlich verstand er, worin seine Strafe, die er schon fast wieder vergessen hatte, bestand. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht.
Vor ihm lag ein paar schwarzer Schlittschuhe, mit frisch geschliffenen Kufen. Sanji war gerade dabei, sich selbst ein Paar anzuzuiehen, seine waren allerdings weiß und ein bisschen kleiner. Das Grinsen auf dem Gesicht des Schiffkochs wurde bei dem entsetzten Ausdruck in Zoro´s Augen noch ein Stückchen breiter, ehe er , mit unschuldigem Unterton fragte: "Willst du sie nicht anziehen? Die passen dir sicher, Lysop hat sie gemacht. Hübsch, oder?" Mit weitaus weniger Begeisterung starrte der Marimo auf das paar Schuhe vor ihm. Nun, vielleicht waren sie ja ganz "hübsch", aber sicher nicht an seinen Füßen, die konnte er sich auch ohne Zuhilfe dieser Folterinstrumente schrotten. So sportlich er sonst auch war, zum Schlittschuhlaufen hatte er einfach kein Talent,. Das letzte Mal hatte er es im Alter von sechs Jahren versucht, und war dafür ziemlich mitleidlos von Kuina ausgelacht worden. Fast glaubte er, die blauen Flecken vom tausendmaligen Hinfallen noch jetzt zu spüren. Aber sich jetzt zu weigern wäre sicher sinnlos - er kannte Sanji gut genug um zu wissen, wie erbarmungslos dieser sein konnte. Was der wollte, bekam er auch. Fast schon wieder eine weibliche Eigenschaft, wenn er da an die durchsetzungsfähige Nami dachte, die auch immer alles aus Kommando bekam, wenn sie nur einmal mit dem Finger schnippste beziehungsweise die Faust sprechen ließ. Unter lautem Fluchen und Knurren, um unmissverständlich klar zu machen, wie wenig ihm diese Idee behagte, zwängte er sich in die Schlittschuhe. Zu seinem Bedauern passten sie wie angegossen, es gab also keine Ausrede. Da musste er jetzt wohl durch.
Wackelig taumelte er hinüber zur Eisfläche, nur um allein auf dem Weg dorthin schon fast dreimal demonstrativ auf die Schnauze zu fallen. Beim letzten Mal stützte ihn Sanji ein wenig, der elegant auf diesen viel zu schmalen Kurven ging und schon aufs gefrorene Wasser glitt. Prüfend drehte er ein paar Kurven, wurde aber schon nach den ersten paar Schritten total sicher. Der konnte ja Schlittschuhlaufen, ganz im Gegensatz zu einem gewissen Jemand, der nun wirklich hingefallen war, und zwar in einem mehr oder weniger, Tendenz zu weniger neigend, geschmeidig einen Bauchplatscher hinlegte. Zum Glück war er durch die dicke Winterjacke gut gepolztert, so tat es nur seinem Stolz weh, nicht aber körperlich. Und wie das an seinem Stolz kratzte! Vor allem, weil er es irgendwie nicht mehr schaffte, auf die Beine zu kommen. Verflucht nochmal, das bekam der dämliche Löffelschwinger zurück. Dieser hatte nichts Besseres zu tun als ihm belustigt zuzusehen. Aber um Hilfe bitten? Niemals! Eher würde er sich die Zunge abbeißen, als jetzt um Hilfe zu bitten. So viel war ihm von seiner Würde noch geblieben. Das würde aber nicht mehr lange so bleiben, denn nach ein paar dutzend Versuchen stand er immer noch nicht. Es war aber auch so verdammt rutschig! Wasser in seinem flüssigen Aggregatszustand war ihm da wirklich tausendmal. Gerade versuchte er sich zum vierzehntmal aufzurappeln, da reichte Sanji ihm seine behandschuhte Hand und zog ihn hoch. Wieso auf einmal so nett? "Sieht witzig aus, was du da machst. Erinnert ein wenig an Gymnastik", spottete der Blonde gerade. Aha. Also doch nicht nett. Wie hatte Zoro das nur denken können. Das würde ja an einem Weltwunder grenzen.
Nach etlichen Versuchen schaffte er es aber tatsächlich, über eine Strecke mit über zwei Metern Länge zu laufen, ohne hinzufallen. Wenn das kein Grund zur Freude war. Wo er es doch jetzt so toll geschafft hatte, konnten sie doch aufhören, er hatte sich seinen Schlaf auf der Flying Lamb nun wirklich verdient. Leider war das nicht Sanjis Meinung, der ihm immernoch zusah und sich selbst um einiges geschickter beim Eislaufen anstellte. "Brav gemacht, Marimo, schön weiterüben!", rief er lachend und fuhr auf ihn zu. Dieser Mistkerl wollte ihn doch nicht etwa noch schubsen? Im Gegenteil, zu Zoros grenzenloser Verblüffung wurde er an der Hand genommen und übers Eis gezogen. Hm, gar nicht mal so schlecht, diese neue Fortbewegungsmethode. War fast angenehm, so über die glatte Fläche zu schlittern. Okay, zugegeben, es machte wirklich Spaß, von dem Koch gezogen zu werden. Aber das würde er nie, nie, nie laut sagen. Zoro war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht bemerkte, wie seine Füße sich eigentlich bewegten. Diese entschlossen sich spontan dazu, über einen Stein auf dem Eis zu stolpern, sodass sie samt ihrem Besitzter zu Boden gingen. Dummerweise konnte er nicht mehr rechzeitig reagieren und zog gleich auch noch seinen Nakama mit gen Boden. Erschrocken stieß dieser nur noch einen kleinen Schrei aus, ehe er sich liegend widerfand. Das war nicht gerade angenehm gewesen. Der Grünhaarige dagegen war schön weich gelandet, um genau zu sein auf seinem Kamerad. So lagen die beiden übereinander und starrten sich ein paar Sekunden nur erstaunt an, ohne sich zu bewegen oder ein Wort zu sagen. Wiedermal musste Zoro feststellen wie hübsch der junge Mann unter ihm doch war. Die feinen Gesichtszüge, die blonden Haare, die ihm weich ins Gesicht fielen und diese ausdruckstarken Augen, von denen das sichtbare gerade ziemlich perplex dreinsah. Eigentlich ganz bequem so, der Schwertkämpfer hätte noch länger so bleiben können. Der Koch leider nicht. "Du bist schwer, Algenkopf" Es kam keine Reaktion, da sogenannter Algenkopf immer noch fasziniert von dem Anblick war. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf die Wangen des (immerhin zwei Monate und 21 Tage) jüngeren Pirats, der sich unter dem musterndem Blick noch vertiefte. "Hey, Kugelalge, was - " Weiter kam er nicht, denn sein Mund wurde ihm auf überaus angenehme Art und Weise geschlossen.
Zoro hatte gar nicht nachgedacht, er hatte einfach gehandelt und dem Smutje einen Kuss gegeben. Er hatte gar nicht anderes gekonnt, es war einfach zu verlockend gewesen. Zwar waren sie nun schon seit einiger Zeit ein Paar, doch auf Schiff gab es viel zu wenig Momente, in denen sie allein und ungestört waren. Beide hatten nicht sonderliches Interesse daran, dass ihre Mitpiraten von ihrem kleinen Geheimnis erfuhren. Auch, wenn Ruffy und die aufmerksame Robin vermutlich eh schon alles wussten. Den beiden blieb nichts verborgen, auch wenn es oft so aussah, als würde der Strohhut nichts verstehen und habe keine Ahnung, was um ihn herum eigentlich so vor sich ging. Er konnte sehr genau aufpassen und sein Instinkt war untetrüglich. Vermutlich hatte er schon vor den beiden Verliebten gewusst, was da lief. Den Schwertkämpfer störte das nicht im Geringsten, er vertraute seinem Captain. Auch die andern würden wohl bald alles herausbekommen, aber das war egal. Seinen Freunden konnte er vertrauen, sie würden ihn und Sanji verstehen.
Als sie sich wieder voneinander lösten sagte keiner von ihnen mehr ein Wort, sie sahen sich nur an. Nun war da keine Verblüffung mehr, auch von den üblichen Streits fehlte alles. Sie verstanden sich erstaunlicherweise besser, wenn sie nichts sagten, einfach nur schwiegen. Fast war es, als könne jeder die Gedanken des anderen lesen, als fühlten sie genau, wie es dem anderen ging. Die Kälte des Schnees und des Eis spürten sie schon lange nicht mehr, nichtmal Sanji, obwohl dieser doch so anfällig für Temperaturen unter 15°C war. Ihre Lippen begegneten sich zu einem zweitem, innigem Kuss. Irgendwie war die Strafe doch gar nicht so schlimm, wie Zoro gedacht hatte. Trotz blauer Flecken. Seinen Koch in den Armen zu halten, das war einfach das größte Glück für ihn.
HATSCHI! Zum wiederholten Male an diesem Tag musste Sanji heftig niesen, schon seit sie auf die Lamb zurück gekehrt waren machte sich diese dumme Erkältung bemerkbar. Blöder Schnupfen, blöder Winter. Und blöder Marimo. Wie spöttisch der schon wieder guckte, das war ja nicht zu aushalten. Ein bisschen Mitleid war offensichtlich zu viel verlangt. "Ja ja, das ist dafür, dass du mich so gequält hast. Hättest nicht so lange draußen im Schnee bleiben dürfen, Frostbeule!", amüsierte sich dieser gerade und nahm noch einen tiefen Schluck aus seiner Rumflasche. Alkohol wärmt ja bekanntlich von innen. Nicht, das ihm kalt gewesen wäre, er war jan nicht so ein wandelnder Eiszapfen wie das schnupfende Etwas da neben ihm. Dieser nieste schon wieder und schneuzte sich demonstrativ. Neben ihm lag schon ein beträchtlicher Haufen verbrauchter Taschentücher und minütlich kamen ein paar hinzu. "Red du nur, Kaktuskopf!", jammerte der Koch. Eigentlich hätte er nun eine beleidigende Erwiederung erwartet, aber diese blieb aus. Irritiert blickte er nach rechts, zu Zoro, welcher nachdenklich in den Himmel starrte. Sanji hielt seine Hand vor das Gesicht des Schwertkämpfers und wedelte damit hin und her. "Hey, Marimo! Oh, großer Meister des Schwertfuchtelns? Jemand zuhause?" Der Grünhaarige sah ihn nur lange an und meinte dann mit einem Grinsen. "Weißt du was, Koch? Ich glaube, nächstes Mal vergesse ich deinen Geburtstag auch wieder!" Die Verblüffung des anderen ausnutzend beugte er sich einfach vor und drückte ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. "Aber ohne Schlittschuhlaufen, das danach hat mir besser gefallen!"
