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Slash Oneshots
von

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Catch your eye

Für Knotenameise ❤ aus ehemals aktuellem Anlass.
 

Musik

Blue October - Sound of pulling Heaven down
 

_______________
 

»Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?«, schnauzte Alex ungehalten, während er mit säuerlicher Miene das Desaster auf seinem weißen Hemd betrachtete. Es war doch wirklich nicht zu fassen, da saß man nichts ahnend auf der – sehr großen – Wiese direkt vorm Schulgebäude und Jemand brachte es fertig, ihm einen Schwall Wasser übers Hemd zu kippen.
 

Das Hemd war jetzt nicht nur nass, sondern auch eher transparent als weiß. Die umstehenden- und sitzenden Mädchen kicherten haltlos und starrten zu ihm herüber. Er fand das überhaupt nicht witzig und starrte sauer zu dem grinsenden Ursprung des Übels auf.
 

Lukas.
 

Natürlich. Wer würde ihm sonst den Schultag dermaßen vermiesen, wenn nicht dieser hirnrissige Vollidiot, der zu nichts zu gebrauchen war. Außer dazu, ihm auf den Keks zu gehen.

»Ups«, sagte Lukas und kratzte sich am Hinterkopf. Seine blonden Haare fielen ihm wie immer wirr ins Gesicht und schimmerten in der Sonne ein wenig wie flüssiges Gold.
 

Aber Alex lehnte generell alle schönen Vergleiche im Zusammenhang mit Lukas ab. Denn Lukas war ein Pausenclown, ein nervtötender Klugscheißer und er hatte ihn, Alex, zum fast täglichen Opfer seiner Späßchen auserkoren.
 

»Hast du kein Leben? Freunde? Leuten, denen du auf den Sack gehen kannst?«, fauchte Alex ungehalten und versuchte mit einem Taschentuch das Malheur zu beseitigen, was ihm kläglich misslang. Die Mädchen kicherten noch penetranter. Seine beste Freundin Anna saß stumm neben ihm und starrte in eine andere Richtung. Doch Alex sah es ihren Mundwinkeln an, dass sie nah dran war, in Gelächter auszubrechen.
 

»Bei Niemandem macht’s so viel Spaß, wie bei dir«, versicherte Lukas amüsiert und nahm den letzten Schluck aus seinem Becher mit Wasser, den er sich wohl gerade am Getränkeautomaten gekauft hatte. Alex funkelte ihn von unten herauf wütend an. Alle sahen zu ihnen herüber. Und im Gegensatz zu Lukas konnte Alex es nicht leiden, im Mittelpunkt zu stehen.
 

Es reichte ihm schon, dass zahllose Mädchen – aus welchen Gründen auch immer – auf ihn abfuhren. Er hatte an keiner von ihnen Interesse, aber das schien Niemanden zu kümmern.

»Na wunderbar«, knurrte er angesichts dieser wenig viel versprechenden Offenbarung und gab den Versuch mit dem Taschentuch auf. Er pfefferte es ungehalten ins Gras neben sich und wandte den Blick von Lukas ab.
 

»Hast du Mathe gemacht?«, fragte Anna ihn beiläufig und ignorierte es geflissentlich, dass Lukas immer noch neben ihnen stand. Alex behielt ihn so gut es ging im Auge, ohne ihn direkt anzusehen, denn man wusste nie so genau, was dieser Verrückte als Nächstes plante. Man sollte kaum glauben, dass Lukas schon neunzehn war. Alex kam er manchmal eher wie zwölf vor. Wenn überhaupt.
 

»Ja. Kannst abschreiben, wenn du magst«, gab er zurück und kramte in seiner Tasche nach dem Matheheft.

»Darf ich auch abschreiben?«, fragte Lukas honigsüß. Alex funkelte ihn an, während er Anna das Heft hinhielt.

»Nein! Und jetzt verzieh dich, du stehst mir in der Sonne!«
 

Lukas lachte leise und wandte sich um, dann verschwand er in Richtung Gebäude und zu seinen wartenden Kumpels, die ihn mit einem Schulterklopfen begrüßten. Wahrscheinlich hatten sie sich die Szene angesehen und beglückwünschten Lukas nun dazu, dass er Alex ein weiteres Mal auf die Palme gebracht hatte.
 

Während Anna Mathe von ihm abschrieb – was sie prinzipiell immer tat, dafür bekam er ihre Französisch- Hausaufgaben – suhlte er sich in finsteren Gedanken bezüglich Lukas. Er hatte keinen blassen Schimmer, wieso der Blondschopf es dermaßen auf ihn abgesehen hatte. Seit vier Monaten ging das nun schon so. Dabei wusste Alex, dass Lukas eigentlich sehr nett sein konnte. Wenn man denn mit ihm allein war.
 

Aber so war es mit den meisten Jungs in seinem Alter. Vor allen Anderen mussten sie den Macker heraushängen lassen und privat waren sie nett und wohlmöglich sogar sensibel. Er strich sich mit der Hand durch seine dunkelbraunen Haare, die schon wieder fast bis zu seinem Kinn reichten. Allerdings hatte er keine Lust, sie sich schneiden zu lassen.
 

»Fertig«, sagte Anna beschwingt und reichte ihm das Heft zurück.

»Wie läuft es mit deinem unbekannten Mr. Perfect?«, erkundigte sie sich dann schmunzelnd und Alex brummte verlegen. Er hätte es ihr vielleicht doch nicht erzählen sollen. Eigentlich war es ja auch vollkommen lächerlich. Immerhin war er keine vierzehn mehr, sondern achtzehn und er sollte wissen, dass Internetbekanntschaften keine Basis für irgendetwas… Richtiges waren.
 

Aber trotzdem schwärmte er. Das konnte er nicht leugnen. An manchen Tagen beeilte er sich extra mit dem Mittagessen und den Hausaufgaben, um sich vor den PC zu setzen und mit ‚Golden_Joker’ – wie er sich nannte – zu chatten. Er konnte sich eigentlich kaum noch daran erinnern, wie er den jungen Mann eigentlich aufgegabelt hatte, er wusste nur, dass sie seit etwa drei Monaten miteinander schrieben. Mittlerweile sogar über ICQ und nicht mehr lediglich in dem komischen Chatroom, in dem sie sich ‚gefunden’ hatte.
 

»Da läuft natürlich gar nichts. Es ist ja nur eine Internetbekanntschaft«, sagte Alex ungnädig und warf Anna einen missmutigen Blick zu. Sein Hemd trocknete entnervend langsam.

»Aber du hast immer dieses Funkeln in den Augen, wenn du von ihm redest. Wieso triffst du dich nicht mal mit ihm?«, erkundigte sie sich und stand auf, als es zum Ende der Pause klingelte. Alex ächzte leise, als er sich ebenfalls erhob und sich die langen Haare aus der Stirn strich.
 

»Vielleicht ist es ein perverser Fünfzigjähriger, der auf kleine, achtzehnjährige Jungs steht«, gab Alex zu bedenken und folgte ihr in Richtung des Biologie- Trakts. Anna lachte leise.

»Sag ihm eben, er soll eine rote Rose als Erkennungszeichen mitnehmen und wenn er uralt ist, dann siehst du es schon von Weitem«, scherzte sie. Alex brummte nur. Er reihte sich in die Schlange vorm Biologieraum ein hatte sein nasses Hemd fast schon wieder vergessen, wenn nicht Isabelle und Kira angesichts seines Aufzugs begeistert gekichert hätten. Unweigerlich warf er einen bösen Blick zu Lukas hinüber.
 

Der grinste unschuldig und schaute in eine andere Richtung. Eigentlich könnten sie gute Freunde sein, dachte Alex ungnädig, während er sich auf seinem Platz ganz hinten niederließ und sein Buch auspackte. Denn er wusste, dass Lukas und er oft die gleichen Ansichten vertraten, vor allem im Religions- und Politikunterricht. Er war sogar ausgesprochen überrascht gewesen, als Lukas im Religionsunterricht erklärt hatte, dass er absolut nichts Anstößiges an homosexueller Liebe finden konnte.
 

Die meisten Jungs in seinem Alter sahen das nämlich anders. Und deswegen wusste auch Niemand außer Anna, dass Alex schwul war. Und das wusste er schon seit zwei Jahren. Damals hatte er auf einer Party einen Jungen namens Benjamin geküsst und ein wenig mit ihm herumgemacht. Und seitdem hatte es mit den Mädchen nicht mehr geklappt. Und Alex hatte lange gebraucht, um es sich endlich einzugestehen. Auch heute hatte er manchmal noch ein Problem damit, weswegen er es auch niemals offen ausleben wollte. Zumindest jetzt noch nicht. Denn in der Schulzeit waren die meisten Jungs pubertär und nervtötend und er konnte es wirklich nicht gebrauchen, dass die Anderen aus seiner Jahrgangsstufe anfingen, ihn mit einem Knoblauchzopf abzuwehren… oder zumindest etwas in der Art.
 

Allerdings war der Biologieunterricht wohl kaum der richtige Ort, um über so tiefgründige Dinge nachzudenken, denn ihre Lehrerin marschierte herein, die lange Nase wie immer leicht gerötet und die grauen Haare streng nach hinten gebunden. Alex registrierte jedes Mal, dass Frau Linder aussah wie eine alte Jungfer.
 

»Seite 56«, begrüßte sie die Klasse in forschem Ton, als wären sie beim Militär und klatschte ihre Mappe auf das Lehrerpult, »Seidel, seien Sie so gut und lesen Sie den Abschnitt über Ektoparasiten vor!«

Alex verdrehte zu Anna gewandt die Augen und schlug sein Buch auf. Er fand die Stelle und las sie herunter, ohne, dass sie irgendeinen Sinn in seinen Gedanken hinterlassen hätte.
 

Wieso musste ihre Biologielehrerin sie immer beim Nachnamen nennen? Er konnte es nicht ausstehen. Wenn sie sauer auf ihn war, dann nannte sie ihn bei seinem vollen Namen. Alexander Seidel. Irgendwie mochte sie ihn wohl auf eine verquere Art und Weise und irgendwie mochte er sie eigentlich auch, denn sie verteilte gerechte Noten. Nur manchmal… da ging ihm ihre Art ziemlich auf den Wecker.
 

Die Biologiestunde floss zäh dahin und er machte sich halbherzige Notizen zu Parasiten und ihren Wirten, während er sich verschwommen fragte, ob Lukas vielleicht eine Art sehr großer Ektoparasit war…
 

Anna ging noch ein Stück mit ihm, als sie nach einer Doppelstunde Mathe endlich nach Hause gehen konnten. Alex warf unbewusst immer wieder Blicke auf seine Armbanduhr. Anna kicherte leise.

»Was gibt’s zu kichern?«, fragte er verwirrt. Sie grinste ihn breit an, ihre roten Haare wehten ihr um den Kopf wie eine flackernde Kerzenflamme und ihr Lippenpiercing schimmerte ein wenig in der Sonne.

»Du willst ja bloß so schnell wie möglich zu deinem Joker«, stichelte sie. Er spürte deutlich, wie seine Wangen sich leicht rot färbten.
 

»Er hat gesagt, dass er ab drei da ist«, räumte Alex schließlich ein und fuhr sich durchs Haar. Er wusste, dass es lächerlich war. Aber es war irgendwie schön… mit jemand Anderen darüber zu reden. Über die Homosexualität. Mit Jemandem, der auch ein Kerl war. Ein schwuler Kerl. Zugegebener Maßen stellte Alex ihn sich immer gut aussehend vor. Mit einem breiten Grinsen und einem gewissen Funkeln in den Augen. Und vielleicht auch mit einem knackigen Hintern…
 

»Triff dich mit ihm. Mehr als schief gehen kann es nicht«, sagte Anna, nun mit ernsterer Stimme und Alex spürte, dass sie ihn von der Seite musterte.

»Du möchtest doch eigentlich gern Jemanden haben, mit dem du das… na ja, wie soll ich sagen… auch mal ein bisschen ausleben kannst, oder?«

Alex sagte nichts dazu. Natürlich hatte sie vollkommen Recht. Aber es sich einzugestehen, hieß sich einzugestehen, dass er vielleicht ein wenig einsam war. Und dass er neugierig war. Auf alles, was nach dem Küssen kam, denn mehr hatte er mit einem Jungen bisher nicht wirklich getan. Na gut… er und Benjamin hatten ein wenig gefummelt… aber nur über der Jeans und nicht darin und das war nun mal nicht dasselbe.
 

»Erzähl mir morgen wie’s war«, meinte sie lächelnd, drückte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange und winkte noch, ehe sie nach rechts bog und Alex seinen Heimweg allein fortsetzte. Vielleicht sollte er es wirklich versuchen? Aber war es nicht leichtsinnig? Was, wenn alles nur ein Jux war und dann auf seiner Schule bekannt wurde, dass er schwul war? Er kaute nervös auf seiner schmalen Unterlippe herum, während er die Treppe zu seinem Zimmer hinaufstieg, in den Händen einen Teller mit Nudeln und einer Flasche Orangensaft.
 

Nachdem er sich niedergelassen und den PC hochgefahren hatte, schob er sich die erste Gabel mit Nudeln in den Mund und langte mit seiner rechten Hand nach der Maus, um sich ins ICQ einzuloggen.

Dumpf fragte er sich, ob er diese ganze Sache nicht einfach beenden sollte, bevor er sich noch allzu sehr hinein steigerte. Von wie vielen pubertierenden Mädchen hatte man schon gehört, die sich unsterblich in ein Internetphantom verliebt hatten, nur um dann heraus zu finden, dass ihr vermeintlicher Prinz picklig, 30 Jahre alt und bärtig war…?
 

Alex hatte jedenfalls nicht vor, so etwas auch zu erleben. Er hatte gerade die nächste Ladung Nudeln im Mund, als es unten auf seinem Monitor orange zu blinken begann. Manchmal fragte er sich, wieso er sich damals so im ICQ genannt hatte. Monchichi. Zugegebener Maßen fand er das heute ziemlich peinlich. Aber seinen Chatpartner hatte der Name reichlich wenig gestört.
 

»Wie war dein Tag?«
 

Alex seufzte leise und als er sich selbst dabei ertappte, brummte er ungnädig. Das war doch absolut lächerlich. Er war keine dreizehn mehr… trotzdem stieg ungewollt ein freudiges Flimmern in ihm auf, während er seine Nudeln aufkaute und dann begann, seine Antwort zu tippen.
 

»Ich hatte schon bessere Tage. Meistens langweile ich mich in der Schule. Wie war deiner?«
 

Er schob sich eine weitere Gabel Nudeln in den Mund und drehte den Verschluss seines Orangensafts auf. Die Antwort kam schnell.
 

»Also um ehrlich zu sein, war er total beschissen.«
 

Das dämpfte Alex’ Laune. Er legte den Kopf schief, als er seine Antwort tippte.
 

»Wieso das?«
 

Wieder kam die Antwort sehr schnell, als hätte sein Gesprächspartner nur darauf gewartet, dies irgendjemandem zu erzählen. Natürlich schmeichelte ihm das. Und auch, wenn er es nicht wirklich zugeben wollte, hämmerte sein Herz ein wenig schneller, als es nötig gewesen wäre.
 

»Es gibt diesen Jungen in meinem Jahrgang, den ich wirklich sehr mag. Aber er beachtet mich nie. Deswegen bau ich ständig irgendwelchen Mist, nur damit er mich mal ansieht. Das ist total albern… aber ich find es besser, wenn er mich sauer anschaut, als wenn er mich gar nicht anschaut… klingt lächerlich, oder?«
 

Gerade noch hatte sein Herz freudig gehüpft. Jetzt schien es überhaupt nicht mehr zu schlagen. Da war er. Der Schlag in die Magenkuhle. Alex bemerkte jetzt, dass er sich schon viel zu sehr in all das hineingesteigert hatte. Sonst wäre er nun garantiert nicht so enttäuscht. Und traurig. Aber das würde er seinem unsichtbaren Gegenüber sicherlich nicht sagen. Immerhin wollte er sich nicht noch mehr zum Deppen machen, als er es ohnehin schon getan hatte.
 

»Das tut mir Leid… Hast du schon mal überlegt, es ihm einfach zu sagen?«
 

Er sagte es so leicht dahin. Er selbst würde das nie über sich bringen. Aber Joker – wie er ihn für sich selbst nannte – schien ihm ohnehin um Einiges selbstbewusster zu sein, als er selbst.
 

»Ja, schon… aber ich glaube, er kann mich nicht wirklich leiden. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt auch an Männern interessiert ist. Alles, was ich weiß ist, dass er nicht an Frauen interessiert ist. Aber das hat ja nichts zu bedeuten…«
 

Da hatte er allerdings Recht. Lukas schien sich auch nicht für Mädchen zu interessieren, aber das hieß noch lange nicht, dass er schwul war. Alex grummelte, als ihm auffiel, an wen er da gerade gedacht hatte. Und das auch noch in seiner Freizeit. Er genehmigte sich noch eine Gabel Nudeln und seufzte erneut. Was sollte er schon sagen? Er wollte den PC am liebsten sofort wieder ausschalten und im Erdboden versinken. Was hatte er denn gedacht? Dass der Andere genauso kindisch war, wie er selbst und ihn um ein Treffen anbetteln würde, dass sie sich dann unsterblich ineinander verliebten und in den roten Sonnenuntergang verschwanden? Das war so lächerlich, dass er tatsächlich kurz und freudlos auflachte.
 

»Vielleicht solltest du es einfach probieren und dann sehen, was er sagt. Vielleicht mag er dich ja auch und will das einfach nur nicht zeigen. Und deswegen ignoriert er dich eben.«
 

Er fragte sich, wieso er dem Anderen Sachen riet, die er selbst nie tun würde. Während er darüber nachdachte und Joker eine Antwort tippte, schob Alex sich eine weitere Gabel Nudeln in den Mund. Irgendwie hatte er jetzt schlechte Laune.
 

»Ich werd’s mir überlegen. Was machst du heute noch so?«
 

»Hausaufgaben. Ansonsten nur rumsitzen und vielleicht fernsehen…«
 

Eventuell wäre er heute mit seinen Inlinern in den Park gefahren, aber jetzt war seine Motivation bei Null und am liebsten hätte er sich ins Bett gelegt und einfach geschlafen. Im Schlaf musste man wenigstens nicht über sein verhunztes Liebesleben nachdenken. Jetzt klang er schon wie eine verbitterte Jungfer…
 

»Hast du nicht vielleicht Lust, dich mal mit mir zu treffen?«
 

Er verschluckte sich an seinem Orangensaft und hustete ausgiebig. Beinahe wäre etwas von dem Saft auf seinen Monitor und die Tastatur gespritzt. Was sollte er nun sagen? Sein Herz hämmerte plötzlich wieder. Wozu ein Treffen? Um zu sehen, ob sie vielleicht Freunde sein könnten? Es wäre sicher nicht schlecht… aber Alex fragte sich, ob er jetzt überhaupt noch auf einen freundschaftlichen Status zurückschrauben konnte. Denn, das musste er unweigerlich zugeben, in Gedanken war er schon darüber hinaus geschossen. All die stundenlangen Gespräche über ICQ, die Witze, über die er so hatte lachen müssen, das Verständnis, dass man mit seiner Homosexualität nicht hausieren wollte… Das alles hatte Joker wohl nur freundschaftlich gesehen. Und es war ja auch nie die Rede von etwas Anderem gewesen. Es war nur ein Zufall gewesen, dass sie beide in der gleichen Stadt wohnten und fast gleich alt waren…
 

»Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das über mich bringe…«
 

Er zögerte. Sollte er das abschicken? Es war ehrlich. Und irgendwie schuldete er es dem Anderen, ehrlich zu sein. Denn soweit er wusste, war der Andere auch immer ehrlich gewesen. Es sei denn natürlich, alles war von vorne bis hinten gelogen. Schließlich drückte er auf Enter.
 

Eine ganze Weile lang kam keine Antwort. Alex kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. Hatte er nun doch etwas Falsches gesagt?
 

»Darf ich dir ein bisschen von dem Jungen erzählen, in den ich mich verknallt hab?«
 

Alex blinzelte verwirrt. Jetzt ging er gar nicht mehr auf die eben gestellte Frage ein? War das nun, um zu vertuschen, dass er irgendwie enttäuscht war? Alex seufzte resigniert. Eigentlich wollte er nichts darüber wissen… aber es wäre unfair, das zu sagen.
 

»Sicher. Schieß los.«
 

Er aß seine Nudeln auf, während der Andere seine Antwort tippte. Dann wagte er noch einen Schluck Orangensaft und stellte die Flasche wieder auf seinem Tisch ab, gerade als die Antwort ankam.
 

»Er ist fast so groß wie ich und hat braune Haare, die ihm immer vollkommen wahllos ins Gesicht hängen. Ich mag sein Lächeln. Er lächelt nicht allzu oft, vor allem nicht, wenn er mich anschaut, aber wenn er mit seiner besten Freundin Späße macht, dann seh ich ihn manchmal lachen. Er sollte eigentlich öfter lachen, das steht ihm wirklich gut… ich ertapp mich immer dabei, wie ich lächeln muss, wenn ich ihn lachen sehe. Und ich mag seine Stimme. Und dass er so schlau ist. Und dass er immer seine eigene Meinung vertritt. Wir haben ein paar Kurse zusammen und ich freu mich jedes Mal, wenn er was vorlesen muss oder irgendwas sagt. Mit mir redet er ja nicht, es sei denn, er schnauzt mich an. Und ich hab Niemandem erzählt, dass ich ihn mag, weil meine Kumpels wohl nicht wirklich verständnisvoll darauf reagieren würden. Aber ich hätt es so gern, dass er mich einmal anlächelt. Oder mich anschaut, ohne wütend zu sein und ohne, dass ich vorher irgendwas Blödes machen muss…«
 

Alex starrte die Worte an. Irgendwie fühlte sich sein Herz jetzt noch schwerer an, als vorhin. Das waren dermaßen… ehrlich und irgendwie verzweifelte Sätze, die sich da schwarz auf weiß vor ihm aufreihten… eigentlich wollte er es nicht lesen. Aber er las es zweimal, dreimal. Weil es gleichzeitig so schön und traurig klang. Wieso konnte nicht er derjenige sein, über den solche Sachen gedacht wurden? Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und nahm noch einen Schluck Orangensaft.
 

»Ich würde dich wirklich gern sehen…«
 

Und da hatte er sich auch schon zum zweiten Mal verschluckt. Er gab sich einem ausgiebigen Hustenanfall hin, der ihm die Tränen in die Augen trieb.
 

»Wenn wir uns treffen würden, dann würd ich einfach ein T-Shirt anziehen, das sonst sicher Niemand anhat, weil eine Freundin von mir es selbst bemalt hat… Wenn du allzu geschockt von mir bist, kannst du einfach wieder umdrehen und dich aus dem Staub machen.«
 

Ein selbst bemaltes T-Shirt. In seinem Gehirn flackerte ein verschwommenes Bild von einem weißen T-Shirt mit grün-roten Aliens darauf herum. Komische, Schokokuss- förmige Aliens mit riesigen weißen Glupschaugen und Schildern in der Hand, auf denen ‚I want Cookies’ stand.
 

»Ich werd einfach um sechs im Park auf dem Spielplatz sein. Auf der Schaukel. Das Shirt ist weiß mit grünen und roten Viechern drauf. Jetzt muss ich leider offline gehen, meine kleine Schwester braucht Hilfe bei ihren Englisch- Hausaufgaben. Bis hoffentlich nachher!«
 

Und weg war er. Mit einem Hinweis auf ein T-Shirt, das Alex schon einmal gesehen hatte. Aber das war absolut bescheuert. Dieses T-Shirt hatte er an Lukas gesehen, vor einer Woche erst, als der Blonde ihm in der großen Pause ein Bein gestellt und Alex sich beinahe auf die Klappe gepackt hatte. Immer noch starrte er auf den Monitor. Golden_Joker. Goldblonde Haare und ein strahlendes Dauergrinsen huschten durch seinen Kopf. Das war doch absolut lächerlich.

Er rollte seinen Schreibtischstuhl zurück und kramte nach dem schnurlosen Telefon.

»Anna, ich bin’s. Ich muss dringend mit dir reden…«
 

Zwei Stunden später stand er im Park, einige Meter vom Spielplatz entfernt, auf dem einige Kinder lärmten und mit ihren Müttern Sandburgen bauten. Die Schaukeln waren nicht besetzt. Fast nicht. Auf einer der drei Schaukeln saß ein blonder Jemand, dessen Haare im Sonnenlicht wie flüssiges Gold schimmerten und der ein weißes T-Shirt trug. Alex starrte den Rücken an. Da saß er. Lukas. Einfach so. Irgendwie hatte er es geahnt. Naja… seit ungefähr zwei Stunden hatte er es eigentlich gewusst. Jetzt blieb nur noch die Frage, ob Lukas es nicht gewusst hatte, oder doch. Alex wusste nicht, was er besser finden sollte. Er wusste nicht, was er überhaupt davon halten sollte. Aber er erinnerte sich an die Sachen, die Lukas vorhin geschrieben hatte. Über ihn. Denn, das war ihm nun klar, der Junge, der Lukas nicht beachtete, wenn er ihn nicht in Rage versetzte, war er selbst.
 

Aber was, wenn das alles nur ein Trick war, um sich über ihn lustig zu machen? Was, wenn Lukas ihn auslachen und alles erzählen würde, dass er schwul war, wenn er jetzt dorthin ging und sich ihm zeigte? Alex kaute einmal mehr auf seiner Unterlippe herum. Langsam setzte er einen Fuß vor den Anderen, immer noch nicht sicher, ob es das Richtige war, was er tat.

»Ehrlich gesagt, hättest du auch einfach nett zu mir sein können«, sagte er mit zittriger Stimme. Lukas schrak so heftig zusammen, dass Alex unweigerlich lächeln musste. Er stand von der Schaukel auf und starrte Alex an.

»Irgendwie hab ich’s geahnt«, murmelte er. Und wurde tatsächlich rot auf den Wangen. Alex musste schmunzeln. Jetzt hatte er das Gefühl, das Richtige getan zu haben.

»Also… wie war das noch mal? Du hast versucht, die Aufmerksamkeit von diesem Kerl auf dich zu ziehen, indem du ihm Wasser übers Hemd kippst und so?«, erkundigte er sich scheinheilig.

Lukas schnaubte, ließ sich wieder auf seiner Schaukel nieder und bedeutete Alex, sich ebenfalls zu setzen.
 

»Das heißt also, du reißt mir jetzt nicht den Kopf ab?«, erkundigte er sich ziemlich zaghaft, dafür, dass er sonst immer eine so dicke Lippe riskiert hatte, befand Alex. Er lächelte. Lukas legte den Kopf schief und starrte ihn an.

»Mach’s noch mal«, sagte er dann und starrte Alex’ Lippen an. Alex blinzelte verwirrt.

»Was?«

»Na was wohl? Lächeln, während du mich ansiehst…«, nuschelte Lukas und Alex’ Lippen bogen sich bei diesen Worten automatisch zu einem Lächeln. Lukas erwiderte das Lächeln leicht versonnen.

»Na endlich… und jetzt kannst du mir in aller Ruhe erklären, wieso um alles in der Welt du dich im ICQ Monchichi genannt hast.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (12)
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Von:  MoonFlower
2010-10-09T14:31:41+00:00 09.10.2010 16:31
Ich bin grad beim lesen fast vom Stuhl gefallen vor Schock. Ich kann es einfach nicht glauben, dass es wiklich noch ander Menschen gibt die auf den Namen Monchichi kommen!? Wir haben früher auch eine Freundin immer so genannt und deswegen hat sie diesen Namen schlussendlich als Nick verwendet. Mich würde echt interesieren wie du auf den Namen gekommen bist.
Und zur Story, die Gescichte ist einfach super süß auch wenn ich irgendwie geahnt hab, dass es so kommt. Trotzdem super toll geschrieben(auch die anderen Geschichten). Deine Geschichten sind richtig lebendig und erfrischend.

Lg MoonFlower


Von:  Pyrgus
2010-08-03T11:08:35+00:00 03.08.2010 13:08
Hallo,
das ist so eine typische Schlugeschichte und doch hast Du sie abgeändert.
Es ist nicht ein Mädchen, die den Toptypen hinterhersabbert.
Sondern jetzt ist es Lukas, der den ruhigen guten Schüler mag.
Und Alex, der unbedingt seine Internetbekanntschaft kennenlernen möchte.
Du hast dieses Thema auf eine besonders liebevolle und einschmeichelde Art umgesetzt, die mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.
Danke für die gute Unterhaltung.

Liebe Grüße
von
Elea
Von:  Usagi_Jigokumimi
2010-04-27T16:36:36+00:00 27.04.2010 18:36
ich will auch wissen warum er sich monchichi genannt hat...^^
das ist echt süß... aber monchi ist nich grad helle wah, das hätte er viel schneller raffen müssen, alleine schon bei der beschreibung^^
voll süß, i like...
lg, Usagi
Von:  Yanosuke
2010-04-26T15:18:58+00:00 26.04.2010 17:18
Schön.....
Was anderes fällt mir nicht dazu ein. Bei jeder der Kapitel die ich bis jetzt gelesen habe will ich weiter lesen. Die Auswahl an Charas und auch die Ideen sie zusammen zu bringen ist wirklich vielfältig und spannend. Es macht so viel Spaß zu lesen. ^^

Ich hoffe das da noch ganz viel mehr kommen wird....

LG SUKE
Von:  Inan
2010-04-25T20:02:16+00:00 25.04.2010 22:02
Es passt wirklich gut zu Alex, dass er eine präzise Beschreibung von sich selbst nicht wiedererkennt :D
Die Beiden ergänzen sich auch ziemlich gut und sound jaah xD
tolliger Oneshot^^
Von:  Laniechan
2010-03-28T12:58:04+00:00 28.03.2010 14:58
Irgendwie hab ich das gefühl, ich hätte die story schonmal gelesen @.@ und dann hab ich sie nicht kommentiert? schämen sollte ich mich!

sooooooooo süß. davon bekommt man glatt karies xD monchichi...das würde mich auch interessieren...golden joker war ja verständlich, aber monchichi ô.o? ich hab keinen blassen schimmer
Von:  Donald
2010-01-30T19:16:03+00:00 30.01.2010 20:16
Oh man, wie süß ist das denn?
Ich weiß gar nicht wirklich, was ich dazu schreiben soll. Die Story ist irgendwie vollkommen unvollkommen. Auch hier würde ich mir ne kleine Fortsetzung wünschen. o.o
'Golden-Joker' Warum Golden? Wegen der Haare? xD
Und ne Erklärung für Monchichi wäre auch toll gewesen xD
Mal wieder war es die beste Freundin, die Jemanden zum Grübeln bringt, was? ;D
BTW: Das Shirt... kannst ja mal versuchen zu zeichnen und es dann i-wo hochladen, dann kann man sich noch besser vorstellen, in welcher Dimension man sich das vorstellen kann xDDDDDDDDDD
Di-Da-Donald
Von:  JaeJae
2009-11-01T17:00:56+00:00 01.11.2009 18:00
Ouhhhh *am heulen ist*
du erwägst nicht zuällig noch was in der Charakterrichtung zu schreiben oder?

Ich hatte irgendwie gleich am Anfang Mitleid mit Lukas weil man liest die Charakter Beschreibung und WEISS natürlich wie es enden wird i-wie und omg du hast mich schon wieder zum heulen gebracht xD
schäm dich xDD
Alex ist toll, ich mag solche Hauptcharaktere die nicht einfach drauflos handeln obwohl man das bei deinen Geschichten ja irgendwie gewohnt ist xP
ich schäme mich das ich gerade eben erst über die FF gestolpert bin xP
btw Alex erinnert mich i-wie bissl an Lavi @___@ kann aber auch Zufall sein oder ich bin doof xDD

bis zum näxten mal
beyu
Von:  Yumika
2009-10-09T16:01:38+00:00 09.10.2009 18:01
Eine sehr süße Geschichte, wenn auch die Situation in der sie spielt, also mit dem Chatten wirklich nichts neues ist.
Ich fand die 3 Charaktere alle sympathisch und ihre Reaktionen ebenfalls gut nachvollziehbar. Auch wie sie dann auf dem Spielplatz aufeinander treffen, fand ich süß, vor allem das in meine Ohren resignierende "Ich habs geahnt" fand ich toll. Beide wissen noch nicht ganz genau, was jetzt folgt oder so...

Deine Art zu Schreiben ist wirklich angenehm... letztendlich kann ich net viel neues schreiben.

Ein echt süß umgesetzter Oneshot, der aufgrund seiner Kürze zwar etwas oberflächlich bleibt, aber trotzdem unbedingt zu Ende gelsen werden will.
Von:  Isfet
2009-06-10T13:46:54+00:00 10.06.2009 15:46
uh, ähm, also auf deinen wunsch hin möcht dir gern ein kommi schreiben, weiß ja selber, wie blöd das sein kann, wenn überhaupt kein feedback kommt <3 ich war wirklich zu sehr im lesefieber, als ich diese ff gesehn hab, und hab mich daher weniger ums kommentieren gekümmert, als ums favon, das geht halt leichter und man kann immer noch mal wieder auf die ff zurückgreifen.

Also, da es eine Weile her ist, dass ich dieses Kapitel gelesen habe, und ich gerade nicht die Zeit habe, es nochmal ganz durchzulesen, kann ich dir dazu nicht ganz so ausführlich was sagen.
Ich weiß, dass mir die Story sehr gut gefallen hat, die Idee ist sehr süß und die Umsetzung auch. Es gefällt mir auch gut, dass du in die Gedanken von Alex so schön einblicken lässt; man kann die Taten des Charakters auf jeden Fall nachvollziehen. Insgesamt sind die Figuren ansprechend gestaltet und ich zumindest hab sie alle recht schnell lieb gewonnen.

Dein Schreibstil ist einer, der sich flüssig und leicht lesen lässt, er wirkt harmonisch und klar strukturiert ;)

Zur Story an sich nochmal: Ich muss zugeben, dass mir recht früh klar war, worum genau es sich bei der Internetbekanntschaft handelte, aber dennoch weiterlesen konnte, d.h. die Spannung wird dadurch nicht wirklich genommen und ich jedenfalls hatte trotzdem noch Lust, es bis zum Ende zu lesen. x) Das finde ich sehr positiv.
Ach, und der ICQ-Nickname ist ein lustiges Leitmotiv :D

Hoffe, das konnte dir irgendwie weiterhelfen <___<

lg


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