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XXXVI. Wenn man diese Zeit niemals vergessen wird

Gegen Ende der zweiten Halbzeit steht es immer noch 1:1. Man merkt, dass das hohe Tempo so nicht ewig weitergehen kann. Seit dem Leverkusen-Spiel wissen das auch die Dortmunder.

Und sie haben jetzt eigentlich nur noch folgende Wahl: Entweder setzen sie alles auf eine Karte und werfen ihre ganze Kraft in die Waage oder aber sie halten sich zurück und setzen auf die Verlängerung.

Wenn er ehrlich ist, dann will Raphael keine Verlängerung. Er will die Entscheidung jetzt.

Er will nicht länger warten.

Er will diesen verdammten Pokal in der Hand halten und dem FC den Höhepunkt seiner Geschichte ermöglich. Er will es für den FC Dortmund. Für diesen Verein, dem er zuviel zugemutet hat. Für diesen Verein, der ihm beinahe alles bedeutet und dem er etwas zurückgeben will, für das was er wiederum ihm gegeben hat.

Wenn es nicht klappt, dann wird er diese Aktion hier bereuen. Richtig bereuen.

Sein Blick sucht Julian.

Wenn jemand bereit ist, mitzumachen und dieses Risiko einzugehen, dann er. Gabriel würde es sonst tun, aber der ist mittlerweile ausgewechselt und Chris ist für solche Spontanaktionen nicht gemacht. Nein, er braucht Julian.

Leise pfeift er durch die Zähne und hat sofort die Aufmerksamkeit seines Mittelfeldpartners. Er muss nur leicht mit dem Kinn Richtung Bremer Tor deuten und Julian versteht sofort.

Gemeinsam laufen sie los. Den Ball bekommt Raphael vom Killer zugespielt, als er diesen lautstark dazu auffordert.

Sie spielen Doppelpässe. Gedankenschnell, traumwandlerisch sicher. Das Dreamteam aus der vorletzten Saison ist wieder da. Das Dreamteam, das Alejandro neulich erst so hochgelobt hat.

Gemeinsam spielen sie ihre Gegenspieler aus. Sie lassen sich das hier nicht nehmen.

Raphael hätte bereits jetzt jubeln können. Ganz egal, ob ein Tor hierbei rausspringt oder nicht – dieser Moment ist einfach perfekt. Julian und er in perfekter Harmonie auf dem Platz mit dem Ball. Einfach perfekte Harmonie. Ein Glücksgefühl durchströmt ihn, das er schon so lange nicht mehr gespürt hat.

Er ist konzentriert – und doch muss er lächeln. Erneut kommt der Ball zu ihm und er schickt ihn nur zwei Schritte später wieder zurück und lässt Per somit ins Leere rutschen. Jetzt sind sie an der Strafraumgrenze und die Bremer machen dicht.

Aber nicht dicht genug.

Raphael legt den Ball quer, Julian gibt ihn sofort zurück, die Bremer Aufmerksamkeit ruht noch auf Julian und Raphael nutzt die Chance.

Fritz ist aber dazwischen. Raphael kann den Ball zwar wieder zurückerobern, aber dafür bedrängen ihn jetzt drei Werder-Spieler. Keine Chance für ihn.

Doch irgendwie bringt er den Ball noch zu Julian. Und der hat auf einmal freie Schussbahn.

Wiese ist ohne Chance. Das Leder knallt regelrecht unter die Latte. Einfach Wahnsinn!
 

Julian kommt sofort auf ihn zugestürmt. Lachend. Mit diesem verdammten, breiten Lachen. Diesem Lachen, das so ein klein wenig dreckig klingt. Die blonden Haare fliegen, die grünen Augen strahlen und Raphael möchte diesen Augenblick einfach nur auf ewig festhalten. Ihn einbrennen in seine Erinnerung, damit er ihn niemals vergisst. Er hat das Gefühl überzuschäumen vor Glück, vor Euphorie, vor... Liebe.

Dann ist Julian bei ihm und er fasst ihn an der Taille, wirbelt ihn herum. Und Julian brüllt laut seine Freude heraus, den Kopf in den Nacken gelegt, den Hals vollkommen überstreckt und entblößt. Und er ist so schön, dass es Raphael den Atem zu rauben droht.

So schön, so perfekt. Einfach perfekt.

Die anderen kommen herbeigerannt.

Ihr kleiner, gemeinsamer Augenblick ist vorbei. Sachte setzt er Julian an, hält ihn einen Augenblick lang fest, dann berühren seine Lippen fast sein Ohr und die blonden Haare kitzeln seine Nasenspitze.

„Ich liebe dich...“, flüstert er heiser. Und rau wiederholt er es noch einmal: „Ich liebe dich.“

Dann stürmt Augustin heran, springt auf sie beide, drängt sie auseinander und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen blickt Raphael Julian an, der in dem Jubelknäuel aus Dortmundern nahezu untergeht. Grüne Augen hängen an ihm, ein seltsamer Ausdruck steht in ihnen. Einer, den er nicht deuten kann.

Er hat nicht die leiseste Ahnung, wie es weitergehen soll. Aber er hat das Gefühl, dass das der genau richtige Moment gewesen ist. Dieser Augenblick. Der Höhepunkt ihrer Harmonie auf dem Platz. Wenn es einen Weg zurück gibt, dann doch nur über den Fußball.
 

Als der Schlusspfiff fällt, bricht bei den Dortmundern grenzenloser Jubel aus. Sie haben es geschafft! Sie haben es verdammt noch mal geschafft und es ihnen allen gezeigt! Ganz radikal und einfach so! Indem sie gespielt haben, als wenn sie noch nie etwas anderes getan hätten.

Irgendwo in dieser feiernden Traube von Spielern ist Julian. Raphael weiß es und er fragt sich unwillkürlich, was diesem gerade durch den Kopf geht. Er fragt sich, ob ihm seine Worte irgendetwas bedeutet haben. Für ihn bedeuten sie noch immer die Welt.

Mehr, als es Fußball jemals kann.

„Hey, lach mal!“ Ale schlägt ihm auf die Schulter und nur einen Wimpernschlag später ist der Killer auch da.

„Jau, lach ma!“ Der Pole grinst breit. „Oder haste nach dem Schaulauf keine Kraft mehr?“

Raphael grinst nur. „Hab nur nachgedacht.“

„Ach, machste jetz auf Kaiser, oder wat?“ Der Killer grinst und wuschelt ihm gnadenlos durch die Haare.

„Nee... Hab nur an...“

„Oha.“ Das Grinsen des Killers wird breiter und er vergisst ganz, dass Alejandro ja noch neben ihnen steht. „Haste endlich mit ihm geredet?“

„Mhm... Nicht wirklich. Hab’s ihm nur gesagt... Endlich.“ Raphael lächelt schwach und findet sich nur einen Sekundenbruchteil später in Dariusz’ inniger Umarmung wieder.

„Verdammt, ich wünsch dir dat Glück der Welt!“, brüllt er laut heraus.

Alejandro muss lachen und auf einmal wird dem Killer bewusst, dass der Kapitän die ganze Zeit dabei war.

„Sorry, Raffe, ich...“

„Schon okay. Er weiß eh alles.“ Raphael seufzt, fährt sich durch die schwarzen Strähnen und lehnt sich gegen den Spanier. „Schaun mer mal, ob du Recht hast.“

Alejandro tippt sich nur an die Nasenspitze und zwinkert ihm zu.

Und dann sind Acun, Mustafa und René da und verpassen ihnen eine Bierdusche, die sich gewaschen hat.



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